1892 / 44 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 19 Feb 1892 18:00:01 GMT) scan diff

Lieferungen fertiger Militärbekleidungsgegenstände zu vergeben, so würde man auch genügende Kenntniß von den geeigneten Lieferanten haben. denen man auch Kriegslieferungen anvertrauen könne, ohne befürchten zu müssen, daß Schlechtes geliefert werde. . Abg. Dr. von Frege (cons.): Er stehe bezüglich der Oekonomie⸗ bandwerker auf dem Standpunkt des Abg. Biehl und danke der Militärverwaltung, daß sie deren ahh on wesentlich vermindert habe. Der Abg. Richter verkenne aber die Nothwendigkeit, im Kriege einige tüchtige, ausgebildete Handwerker bei der Truppe zu haben, denn im Kriege sei es unmoglich, die nöthigen Bestände aus dem Lande zu requiriren. Aber im Interesse des freien Hand—⸗ werks müsse dies nur soweit ausgedehnt werden, wie es die Schlag—⸗ fertigkeit und Ausbildung der Truppe erfordere. Vor allem müsse der Mißbrauch der Oekongmiehandwerker zu Privatzwecken vermieden werden. Was die Gefängnißarbeit betreffe, fo bitte er, die Ueberpro⸗ duction in manchen Zweigen des freien Handwerks nicht noch dadurch zu vermehren, daß man landwirthschaftliche Arbeiter in den Gefängnissen künstlich zu Schustern und Schneidern mache. Die Oekonomiehand— werker beklage er deshalb nicht, weil sie drei Jahre beim Militär bleiben müßten, denn das komme ihnen selbst zu gute, da sie beim Militär tüchtig ausgebildet würden. 4. Abg. Hinze (dfr.: Das letztere werde von den freien Hand— werkern nicht anerkannt, denn die Oekonomiehandwerker würden ganz einseitig ausgebildet. Diese zögen im Kriege gar nicht mit der Truppe mit, sondern blieben sammtlich in den Werkstätten zurück. Wolle die Militärverwaltung einen zuverlässigen Stamm von Arbei⸗ tern für den Kriegsbedarf 65 so sollte sie sich dem österreichi—⸗ schen System nähern, bei dem der ganze Bedarf von großen Lieferungs⸗ verbänden bezogen werde, und zwar zur außerordentlichen Zufrieden heit der österreichischen Armeeverwaltung; das sei auch im Kriege ein zuverlässiger Stamm von Arbeitern. 3 Abg. Dr. Osann (ul.): Die Frage der Beschäftigung der Oekonomie⸗ handwerker mit Privatarbeiten sei noch nicht gelöst. Die Schneider, Schuhmacher. Sattler beim Militär besorgten so vielfach Privat= geschäfte, daß es mit ihrem Dienst nicht im Einklang stehe, und schaädigten die freien Handwerker umsomehr, als sie vor dLiesen durch Benutzung der freien Kräfte der Mannschaft und des Werk— stätteninventars große Vortheile hätten, zumal noch die Wacht⸗ meister, Feldwebel u. s. w. die Einjährigen dictatorisch dahin beeinflußten, daß sie bei den Oekenomiehandwerkern arbeiten ließen. Natürlich herrsche dadurch auch eine Provisionswirthschaft, denn umsonst werde nichts gethan. Diese Zuweisung solle ein recht einträgliches Geschäft sein. Zwar beständen Befehle dagegen von oben her, aber deren Befolgung müßte strenger beaufsichtigt werden. Das freie Handwerk leide darunter viel mehr als unter der Con— currenz der Gefängnißarbeit; man habe in Deutschland viel weniger Gefängnisse als Casernen. . . Der Commissar des Königlich preußischen Kriegs-Ministeriums, General-Major von Funkk: Nur um Mißdeutungen vor⸗ zubeugen, möchte er darauf hinweisen, daß er nicht gesagt habe, es werde jetzt schon eine Verminderung der Oekonomiehandwerker in Erwägung genommen. Er habe sich in seinen Ausführungen darauf beschränkt, zu bemerken, daß die Militärverwaltung allerdings wünschen müsse, Soldaten mit der Waffe statt Oekonomiehandwerker auszu— bilden. Aber er habe auch ferner gesagt, daß bei der gegenwärtigen Lage der Sache, bei dem Umfange, in welchem man zur Zeit die Strafanstalten nur heranziehen könne, eine Verminderung der Militär— handwerker nicht angängig sei. Er glaube auch, daß der Wunsch, den die Militärverwaltung mit allen Herren, die bisher gesprochen hätten, theile, der Wunsch, eine Verminderung der Militärhandwerker, nicht so ganz leicht auszuführen sei, denn mit der Vergebung von großen Lieferungen an Lieferanten habe es auch seine Schwierigkeit. Es sei ja vollkommen zuzugeben, daß große Kunstfertigkeit zur Herstellung eines Militärstiefels nicht gehöre, aber um so mehr große Zuverlässigkeit. Derartige Stücke müßten Jahre, ja Jahrzehnte lang liegen, ehe sie in Gebrauch genommen würden. Wenn sie aber in Gebrauch ge— nommen würden, z. B. im Falle einer Mobilmachung, müßten sie allerdings den höchsten Anforderungen in Bezug auf das Material und die Arbeit genügen. Er glaube, daß andere Staaten, welche Lieferungen an Civilhandwerker gegeben hätten, auch nicht gute Erfahrungen in jeder Beziehung gemacht hätten. Dann sei der Abg. Dr. Osann darauf zurückgekommen, daß der Betrieb der Handwerker zu Privat w cen doch beschränkt werden müsse. Diese Frage sei in früheren Jahren einer sehr eingehenden Erörterung im Hause unterzogen worden, nachdem vorher Berathungen darüber in der Commission stattgefunden hätten. Nach Ausweis der Acten habe damals der hohe Reichstag und, er glaube, die Com— mission vorher sich einverstanden erklärt mit den Erklärungen, welche seitens der Militärverwaltung abgegeben worden seien und welche darauf hinausgelaufen seien, daß auf den Militärwerkstätten die Oekonomiehandwerker zu anderen als zu militärischen Zwecken nur freiwillig und auch nur dann verwendet werden könnten, wenn es sich um Arbeiten handele für Angehörige des Heeres; der Abg. Dr. Osann habe ja vor allem Arbeiten für die Einjährig-Freiwilligen erwähnt. Es möge doch schwer sein für die 1 Freiwilligen, ihre Be⸗ kleidungsstücke, die sie bei ihrer Einstellung, und zwar oft in er— heblicher Anzahl gebrauchten, preiswürdiger zu erhalten, als der Oekonomiehandwerker bei seiner immerhin beschränkten Arbeitskraft und Arbeitszeit dieselben liefern könne. Man sei in der Militär— verwaltung davon ausgegangen, den Betrieb nicht vollkommen zu beseitigen, weil man eben einmal dem Handwerker den kleinen Vortheil für Arbeiten außerhalb des Dienstes gönnen wolle, und weil zweitens man auch anderen Angehörigen des Heeres es möglich machen wolle, für verhältnißmäßig geringeres Geld das zu bekommen, was sie brauchten. Abg. Biehl (Centr.): Damit könne niemand einverstanden sein, daß ein Regimentsschneider oder -Schuster in der Caserne eine Werkstatt für Privatzwecke errichte. Auf die Erklärungen des Regie⸗ rungsvertreters werde er sich in Zukunft berufen, denn manche Regiments⸗ Commandeure wollten noch nicht glauben, daß keine Privatarbeit in der Caserne gemacht werden dürfe. Mit den Armeelieferanten habe die österreichische Armeeverwaltung recht schlechte Erfahrungen gemacht. Wenn dabei nur das Großcapital vorgeschoben werde und die Hand— werker nicht direct lieferten, sei er mit dem System absolut nicht einverstanden. Abg. Dr. von Frege (Ceons.) giebt dem Abg. Hinze zu, daß er sich geirrt habe, wenn er geglaubt habe, die Oekonomiehandwerker würden mit auf den Kriegsschauplatz genommen, und räth auch seiner⸗ seits dringend ab, die Lieferungen großen Lieferanten zu übergeben, die sich in Oesterreich der ärgsten Bedrückung der kleinen Handwerker schuldig gemacht hätten. Abg. Schmidt-Elberfeld (dfr.): Er perhorreszire ganz all— emein, nicht ble für die Landarbeiter, das System der kuͤnstlichen usbildung von Leuten, die das Handwerk nicht regelrecht gelernt hätten, zu Schneidern und Schuhmachern. Im übrigen könne er nur wünschen, daß die Verwaltung mit der vermehrten Beschäftigung der Strafanstalten fortfahre. Die Verwaltung der preußischen Straf— anstalten, welche unter dem Minister des Innern ständen, komme den betr. Unternehmern sogar durch die Aufstellung von Motoren ent

egen. Warum solle es nicht möglich sein, daß diese Anstalten im

nteresse vermehrter Leistungen für die Militärverwaltung einige Nähmaschinen aufstellten?

Abg. Hinze (dfr.) bemerkt, daß die kleinen Handwerker in Desterreich 25 00 der Lieferungen übertragen bekommen hätten. Von schlechten Erfahrungen des österreichischen Spystems könne keine Rede sein, da die Contracte mit den Lieferungsverbänden erst kürz⸗ lich wieder verlängert seien.

Das Capitel wird bewilligt, ebenso die Capitel Garnison⸗, Verwaltungs- und Serviswesen, Garnisonbauwesen.

Beim Capitel Militär⸗Medizinalwesen bemerkt

Abg. Dr. Endemann (nl): Die Frage, wie bei einem künftigen Dies die Vern undeten aus der er n, in Sicherheit gebracht wer⸗ den sollten, beschäftige die weitesten Kreise, seitdem der Vortrag des Pr. Billroth siber dle Wirkung der Schießwaffen gehalten sei. Das

Militärsanitätswesen finde hier eine schwere Aufgabe. Die Ver⸗ mehrung der Erkrankten sei ungefähr proportional zur Vermehrung des Heeres, aber die Zahl der Verwundeten werde steigen in Folge der Vervollkommnung der Schußwaffen und der Verwendung des rauch⸗ losen Pulvers. Nach Billroth seien 890 / der Verwundungen durch Gewehrkugeln, 15 durch Geschosse der Artillerie, 5 durch Hieb und Stich veranlaßt. Im zukünftigen Kriege werde die erstere Zahl noch steigen. Hier werde die freiwillige Krankenpflege, für deren Ent⸗ wicklung die verewigte Kaiserin Augusta so viel gethan habe (Beifall), sehr viek wirken können. Es wäre ihm und seinen Freunden sehr er⸗ wünscht, von der Militärverwaltung zu erfahren, welche Vorbereitungen sie getroffen habe, beispielsweise in Bezug auf. Verbandsvlätze, Feld⸗ lazarethe u. s. w. Ein Mißtrauen gegen die Sanitätsverwaltung liege seiner Partei vollständig fern. . ; . Der Commissar des Königlich preußischen Kriegs⸗Ministeriums, Major Gaede: Der Vortrag, welchen Professor Billroth im Dezember vorigen Jahres in den n,, , Delegationen gehalten habe, habe auch auf Seiten der Militärverwaltung die größte Beachtung gefunden. Es könne von der Heeresverwaltung nur mit Dank begrüßt werden, wenn ihr Gelegenheit gegeben werde, zu dieser Frage Stellung zu nehmen, um von vornherein eine gewisse Beruhigung darüber zu geben, daß, was geschehen könne, geschehe, um den Forderungen der neueren Zeit gerecht zu werden. Man ftehe allerdings bei dem nächsten Kriege vor vollständig veränderten Verhältnissen. Einmal habe man viel größere Menschen⸗ massen auf allen Seiten zu erwarten, so große, wie sie früher über⸗ haupt noch nicht dagewesen seien. Zweitens sei die Wirkung der Waffen in den letzten Jahren ganz außerordentlich gesteigert worden. Das Gewehr schieße bis auf 4000 m, man habe eine viel rasantere Flugbahn, die Durchschlagskraft sei so groß, daß ein 50 em im Durchmesser starker Baum durchgeschlagen werde, und ein Erdhaufen nur in der Stärke von 75 em' schütze. Bei der Rauchfreiheit des Pulvers würden die Geschosse um so viel ö treffen können. Infolge dieser Umstände werde man auch sehr viel mehr Verwundete haben; allerdings würden diese neuen Gewehre und Geschosse vielleicht doch humaner sein., wie man zunächst glauben sollte. Es handele sich um ganz kleine Geschosse mit einem sehr glatten Durchschlag der Ge⸗ schosse und Kugeln, da sie einen Stahlmantel hätten. Es lägen darüber Versuche der Spandauer Schießschule vor. Auf nahe Ent⸗ fernungen übe das Geschoß allerdings fürchterliche Wirkungen aus insofern, als es vollständig explosibel wirke und z. B. den Schädel auseinandersprenge. Auf weitere Entfernungen dagegen gehe es glatt durch. Es lägen darüber auch schon gewisse Erfahrungen vor insofern, als in Chile solche Gewehre schon zur Anwendung gekommen seien; danach sei anzunehmen, daß zwar mehr Verwundete, aber jedenfalls nicht mehr Schwerverwundete im nächsten Kriege sein würden. Ein großer Theil der Wunden werde in verhältnißmäßig kurzer Zeit wieder geheilt sein. In Bezug auf die Organisation der Behandlung der Verwundeten habe die Verwaltung schon bei jedem Mann eine Vor— sorge nach der Richtung getroffen, daß er eine Verbandrolle bei sich trage, welche einen antiseptischen Verband mit Wundverschluß enthalte; daneben habe jede Truppe eine Anzahl Mannschaften, die schon im Frieden als Krankenträger ausgebildet seien, welche die Kranken transportiren und einen leichten Verband anlegen könnten. Ferner kämen in Betracht die Sanitätsdetachements. Solcher jabe jedes Armee-Corps drei. Jedes bestehe aus einer Anzahl von Krankentransportwagen, einem Sanitätswagen mit Verband— material, einer Reihe von Aerzten, Krankenträgern und Lazareth⸗ gehülfen, in Summa habe ein solches Detachement 7 Aerzte, 8 Wagen und 120 Tragen. Diese Detachements marschirten unmittelbar mit den Truppen, wenn ein Gefecht in Aussicht genommen sei. Jede der beiden Divisionen habe ein solches Detachement und das dritte Detachement bleibe zur Verfügung des General⸗Commandos. Jedes Detachement könne sich in sich noch theilen. Wenn nun das Gefecht beginne und Verluste einträten, werde zunächst mit den Mitteln, welche die Truppen unmittelbar bei sich führten, ein Truppenverbandplatz eingerichtet, und es werde die erste Hilfe geleistet. Dieser Fall werde aber seltener eintreten. Die großen Heeresmassen brächten gleich ihre Sanitätsdetachements mit, und diese übernähmen die Verbandeplätze. Die Haupt— verbandsplätze würden so nahe wie möglich hinter der Feuerlinie liegen, aber jedenfalls vor dem Gewehr- und Geschützfeuer gesichert sein müssen, in Anlehnung an ein Dorf. Vorbedingung sei das Vorhandensein von Wasser und einer Straße zum Transport der Verwundeten. Dem wechselnden Gange des Gefechts entsprechend, würden diese Truppenverbandsplätze weiter vor⸗ oder rückwärts gerückt werden. Es werde nun, was im Kriege von 1870/71 noch nicht aus⸗ gebildet gewesen sei, eintreten, nan . das gegenseitige Verständniß der Führung mit den Sanitäts⸗-Offizieren, und die Erziehung der Sanitäts⸗Offiziere im Frieden, schnell eine militärische Situation zu er— fassen und ihrerseits schnell zu disponiren. In der richtigen Auf— fassung dieser Sache liege von vornherein schon die allergrößte Garantie dafür, daß die Verwundeten rechtzeitige Hilfe bekämen. Von Feld— lazarethen habe jedes Armee⸗Corps zwölf. Jedes Feldlazareth sei ohne weiteres im Stande, 200 Betten zu etabliren, diese Zahl aber bis auf 5 bis 600 auszudehnen mit Hilfe von Zelten, für die im Etat eine Forderung eingestellt sei. Diese Feldlazarethe seien dazu bestimmt, den Verwundeten die erste ärztliche Behandlung angedeihen zu lassen. Sie würden naturgemäß etablirt werden müͤssen in den dem Kampfe zunächst liegenden Ortschaften. Es frage sich nun, wie sich diese Organisation gegenüber den Bedürfnissen des nächsten Krieges stellen werde. n f werde festzustellen sein, auf wie viel Ver— wundete man im nächsten Kriege zu rechnen habe. Im Feldzuge von 1870671 habe man Verwundete gehabt 116821, 14 0 der ge— sammten Kriegsstärke; davon seien gleich gestorben 7000, 99 566 hätten ärztliche Hilfe gehabt. Einzelne Truppentheile hätten bei einzelnen Gelegenheiten naturgemäß viel höhere Verluste gehabt, so das Garde⸗Corps bei St. Privat 23 ,υ, das III. Corps bei Mars la Tour 25 Cο. Jedenfalls seien 12 als Durchschnitt für den nächsten Krieg viel zu niedrig gegriffen. Die Verwaltung habe sich mit ihren Vorbereitungen auf einen durchschnittlichen Verlust von 20 0 gefaßt gemacht. Es sei jedenfalls für ein ausreichendes Aerzte⸗ und. Krankenpflegepersona!l! gesorgt. Für Verbandsmaterial sei so ausreichend gesorgt, daß man 30049 der Armee würde ver— binden können. Nun frage es sich, wie kämen die Leute aus der Feuerlinie in die Verbandsplätze. Bei einem Armee-Corps seien an krankenpflegern und Trägern zusammen 1278 vorhanden, 4 Mann gehörten immer zu einer Trage, könnten also je einen Schwerver— wundeten tragen; mit jedem Gang würden über 300 Schwerverwundete zurückgetragen werden können, 1909 Verwundete würden in 6 bis 7 Touren zurückgeschafft sein. Der Hauptverbandsplatz würde ungefähr 1600 m hinter der Feuerlinie liegen und könnte von dem Feuer nur ausnahmsweise belästigt werden, namentlich wenn der Ort ent— sprechend ausgewählt worden sei. Nach Billroth würde der Verbands—⸗ platz noch erheblich der Feuerlinie näher liegen. Unter dieser Voraus— setzung würden die Träger in etwa 4 Stunden hin und her sein können, und in 4——5 Stunden könnte das Schlachtfeld von Schwerverwundeten geräumt sein. Professor Billroth habe in seinem Vortrage auch die Benutzung von Leichentransportwagen vorgeschlagen. In Deutschland habe sedes Detachement acht Krankenwagen, jeder dieser Wagen sei im Stande, vier liegende und zwei sitzende Ver⸗ wundete zurückzufahren. Diese Wagen würden nun, wenn der , , r etablirt sei, vorwärts geschoben gegen die euerlinie. Die Verwundeten würden in diese Wagen hinein⸗ elt und auf den Verbandsplatz K Die Verwaltung abe in dieser Beziehung mehr aterial, als es Professor Billroth für Gravelotte für erforderlich gehalten habe. Dazu komme, daß, wenn das Gefecht zu Ende sei, die Truppen selbst zugriffen und zafür sorgten, daß Verwundete zum Verbandsplatz getragen würden. Ein paar Gewehre, darauf ein paar gerollte Mäntel genügten, um die Verwundeten fortzuschaffen. Er sei selbst auf diese Weise als Schwer⸗ verwundeter aus der Schlacht getragen worden. Natürlich könne die Verwaltung nicht für alle . sorgen, namentlich da nicht, wo mit einem Male große Verluste einträten; aber die Herren würden doch aus seinen Ausführungen die Ueberzeugung gewonnen haben, daß

auch auf diesem Gebiete die Militärverwaltung bestrebt gewesen sei den Verhältnissen, die an sie heranträten, gewachsen zu sein. (Al. seitiger Beifall.) ;

Abg. Dr. Virchow (dfr ;: Er möchte vorweg das volle Ver⸗ trauen in die Leistungen der Militärverwaltung im nächsten Kriege aussprechen. Aber nichtsdestoweniger werde keine Macht der Welt im stande sein, allen denjenigen Eventualitäten zu genügen, welche im Laufe eines Krieges eintreten könnten. Alle Vorbereitungen würden gelegentlich scheitern und bei aller Ausnützung der Resultate der letzten Kriege werde man sich darauf vorbereiten müssen, daß sich auch günstige Schlachten sehr wahrscheinlich längere Zeit fort zögen, mit wechselndem Glück hin. und hergeschoben würden und daß bei diesen Schiebungen auch die. Verwundeten in Gefahr geriethen. Auf diese Weise würden die Lazarethe wehr— scheinlich größere Strecken vorgeschoben werden müssen. Er möchte sich nun eine Frage an die Sanität verwaltung erlauben; sie betreffe die volle Sicherung der Durchführung der Genfer Convention. Es komme doch vor allen Dingen darauf an, daß die beiderseitigen Truppen diese Convention völlig respectirten, das sei das 46. Mal noch nicht der Fall gewesen. Man habe damals die trübe Erfahrung gemacht, daß gerade die französischen Truppen diese Bestimmungen nicht ge— kannt oder nur lar ausgelegt hätten. Es würde ihm sehr . sein, zu hören, daß die französische Regierung sie nicht bloß anerkenne, sondern daß in der französischen Armee das Nöthige geschehe, um den Geist der Convention in der französischen Armes einzu— bürgern; denn bei einem Volke von der patriotischen Erregbarkeit, wie das französische, sei ein weiter Weg von der bloßen Erkenntniß zum vollen Entschluß. Nach seiner Meinung gehöre für die Gültigkeit der Genfer Convention unter den verschlimmerten Verhältnissen der Neu⸗ zeit auch, daß man sicher sei, daß die Einrichtungen für die Ver— wundetentransporte und Verbandsplätze zu den Gegenständen gehörten, welche in erster Linie als Eigenthum und nicht als temporärer Besitz der betreffenden Truppe angesehen würden. Falle ein Verbandsplatz in die Hände der Feinde, so würden diese verpflichtet sein, das vor— handene Material dem Gegner auszuliefern. In der neueren Zeit habe man auch die Frage erörtert, ob zerlegbare Baracken nicht bon wesentlicher Bedeutung sein könnten. Er würde sich freuen, auch darüber eine Auskunft zu vernehmen. Wie sich die Verluste in einem künftigen Kriege stellen würden, dafür lägen noch keine ge— nügenden Unterlagen vor. Große Zerschmetterungen, Quetschungen und dergleichen würden allerdings weniger vorkommen, anderer— seits werde aber die Zahl der Todten eine viel größere sein. Es sei ihm nicht klar geworden, ob die 290 , welche der Regierungs vertreter erwähnt habe, sich auf den gesammten Krieg oder auf einzelne Schlachten beziehen sollten. Nach seiner Meinung müsse man sich auf besondere Umstände stützen, welche ein sehr schlimmer localer Zusammenstoß mit sich bringen koͤnne. Vor allen Dingen, glaube er, werde die Regierung frühzeitig auf eine hilfreiche Theilnahme des ganzen Volks bei der Hilfeleistung im Kriege zurückgehen müssen. Die Kriegsverwaltung habe immer ein in mancher Beziehung berechtigtes Widerstreben, der Privathilfe einen größeren Spielraum zu gewähren Bei einem gi ßeren Kriege werde die Verwaltung auf die Unterstützung der Bürger nicht verzichten können. Man habe zwei Mal große Kriege mit einem schlecht vorbereiteten Gegner gehabt. Inzwischen 9 sich alles vorbereitet. Dauere der Krieg lange, so werde man ohnehin auf die Unterstützung der Privaten angewiesen sein. Möge sich die Kriegsverwaltung diesen Weg nicht zu h verschränken und ihn nicht in allzu bureaukratische Formen zwängen. Man habe allen Grund, mit Befriedigung auf dasjenige zurückzublicken, was die Privathilfe in den Kriegen von 1366 und 1870 geleistet habe, und er sei sicher, daß auch in einem künftigen Kriege diese Privathilfe in k Ausdehnung und mit gleicher Hingabe bereit sein werde. Beisall. 1 Commissar des Königlich preußischen Kriegs⸗Ministeriums General⸗Major von Goßler: Der Abg. Dr. Virchow habe Aus kunft verlangt, ob die Genfer Convention in der deutschen Armee bekannt gemacht werde. Zurufe links: In der französischen! In der deutschen Armee geschehe es in jeder Weise. Der Inhalt der Convention werde nicht nur den Medizinalbeamten mitgetheilt, auch die Mannschaften würden darüber instruirt. Eine Einrichtung, von der bisher noch nicht die Rede gewesen sei, seien die Lazarethzüge, welche im nächsten Kriege von der allergrößten Bedeutung sein würden. Die Militärverwaltung habe in der Etappenordnung einen pollständigen Organisationsplan für die freiwillige Krankenpflege im Kriege, und rechne darauf, daß die Krankenpflege auf den Etappen von der freiwilligen Krankenpflege übernommen werde; ihre Fürsorge beziehe sich wesentlich auf den Kriegsschauplatz. . .

Damit schließt die Discussion. Das Capitel wird bewilligt, ebenso der Rest des Ordinariums des Militär-Etats.

Schluß 5 Uhr.

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 17. Sitzung vom Donnerstag, 18. Februar.

Der Sitzung wohnen der Finanz-Minister Dr. Miguel

und der Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen bei. Auf der Tagesordnung steht die Fortsetzung der zweiten Berathung des Staatshaushalts-Etats für 189283 und zwar des Etats der Eisenbahnverwaltung. Die Discussion wird in derselben Weise vorgenommen wie in der Commission; es findet beim ersten Titel: Einnahmen aus dem Personenverkehr, zunächst eine allgemeinere Debatte statt, dann eine besondere Debatte speciell über den , , Es liegt folgender Antrag des Abg. Broem el (dfr.) vor: Die Staatsregierung zu ersuchen, mit der Reform der Pꝛ— sonentarife auf den preußischen Staatsbahnen auf Grund des im Jahre 1891 aufgestellten Planes, jedoch unter Ausschluß von Tarif⸗

erhöhungen, baldmöglichst vorzugehen. J ö

Referent Abg. v. Tie dem ann (freicons.) führt aus, daß in, der Commission ein schriftlicher Bericht n. worden sei; dieser habe aber mit Rücksicht auf die Geschäftslage des Hauses unter, bleiben müssen. Referent berichtet darauf eingehend über die in der Commission berührten Einzelfragen: die Organisation der Verwal, tung, die Vorbildung der höheren Beamten, über die Betriebs lãn en und die Grundsätze für weitere Eisenbahnbauten, über die Betrieb ergebnisse im allgemeinen, insbesondere über das Anwachsen der Ausgaben; über die bisherige Ausführung des EGisenbahngarantie gesetzes und über das Verhältniß der Eisenbahnverwaltung zur allge⸗

meinen Finanzverwaltung und zur Ober⸗Rechnungskammer. Während der Rede des Referenten geht folgender weiteret Antrag der Abgg. Hitze Centr und Hr. Lieb er (Centi;) ain, Die Staatsregierung zu ersuchen: ,,, und gin richtung

zu treffen, um die Sonntagsruhe den im ifenbahndienst beschäftig Beamten und Arbeitern in weiterem Maße, insbesondere 96 möglichste Einschränkung des Güterverkehrs an Sonntagen zu sichern.

Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen: .

Der ausführlichen Berichterstattung des Herrn Abg. von Tick, mann (Bomst) habe ich meinerseits nur hinzuzufügen den Dank n. die eingehende, sachgemäße und wohlwollende Prüfung, welche di Budgeteommission dem Etatsvoranschlage der Eisenbahnverwaltun hat zu iheil werden lassen. Ich habe aus den sechstägigen Verban ö lungen die Ueberzeugung mitgenommen, daß wir nicht nur in diesen Jahre uns über die wesentlichen Punkte verständigt haben, sonden daß ich auch hoffen darf, daß das in Zukunft der Fall sein 42 Diese Neberzeugung ist mir um so willkommener gewesen, als dazu beitragen wird, die schwere Last, die auf meine schmw

Schultern gelegt ist, wesentlich zu erleichtern. Die eingehende Prüfung des Etatsentwurfs durch die Budgetcommission ist mir aber auch aus dem Grunde so willkommen gewesen, weil wir uns ja un⸗ weifelhaft in einer Periode der sich mindernden Betriebsüberschüsse befinden, in einer Periode, in der es daher gewiß am Plaz ist, . sorg⸗ faltig zuzusehen und sparsam zu wirthschaften. Wenn der Minister der öffentlichen Arbeiten aber sparsam wirthschaften soll, meine Herren, so muß er die Ueberzeugung haben, daß er im Lande und in den berufenen Vertretern des Landes, den hohen Häusern des Landtages, in dieser Beziehung eine thatkräftige Unterstützung finde, und um diese Unterstützung bitte ich dringend, meine Herren. Ich habe dazu um so mehr Veranlassung, als die durch die Thatsachen eigentlich sich von selber aufdrängende Mahnung sparsam zu sein, im Lande doch vielfach noch nicht die nöthige Anerkennung gefunden hat. Theoretisch ist zwar das Land überzeugt: es muß gesrart werden; wenn aber diese theoretische Ueberzeugung auf den einzelnen Fall praktisch angewendet werden soll, so findet sich vielfach noch eine andere Meinung. Meine Herren, ich hoffe daher und bitte darum, daß Sie mich in meinen Bestrebungen, sparsam zu wirth— schaften, ohne dadurch die Sicherheit des Betriebes und die ordnungs— mäßige Beförderung der Personen und Güter irgendwie zu gefährden, thatkräftig unterstützen.

Meine Herren, ich habe nun materiell den Ausführungen des Herrn Berichterstatters hinzuzufügen, daß seit den Verhandlungen der Budgetcommission die Klarlegungen der Betriebsergebnisse des laufen— den Jahres insoweit fortgeschritten sind, als auch bereits der Monat Januar abgeschlossen vor uns liegt. Der Abschluß ist nun kein günstiger. Es hat sich ergeben allerdings im Per— senenderkehr ein Plus von 172 672, im Güterverkehr dagegen ein Minus von 857 000 „M; da aus den sonstigen Quellen ein Plus von 119 866 M hinzukommt, so ergiebt der Abschluß pro Januar im ganzen ein Plus von 434 000 S6. Meine Herren, an Gründen, die dieses ungünstige Ergebniß für den Güterverkehr des Monats Januar erklären, fehlt es nicht. Zunächst erlaube ich mir, darauf auf— merksam zu machen, daß der Monat Januar bezüglich der Witterungs—⸗ verhältnisse für das Land günstiger, für die Eisenbahnverwaltung aber im ganzen ungünstiger gewesen ist. Die Ströme, unsere großen Concurrenten, haben wenigstens im Westen und Mitteldeutschland so ziemlich den ganzen Winter hindurch ihre Thätigkeit aufrecht erhalten können; der milde Winter hat den Bedarf an Brennmaterial nicht unwesentlich eingeschränkt; sodann ist drittens zu berücksichtigen, daß die am 1. Februar in Kraft tretenden Handelsverträge vielfach Trans— porte zurückgehalten haben, die sonst wohl schon im Januar ausgeführt

3 9 . ĩ worden wären. Alle diese Ursachen haben dazu beigetragen, daß der Güterverkehr im Monat Januar ein verhältnißmäßig ungünstiger ge— wesen ist. Meine Herren, ich gebe mich aber auch durchaus nicht den Illusionen hin, daß etwa der Güterverkehr nun in den beiden noch fehlenden Monaten des laufenden Jahres ein sehr erheblich besserer sein wird. Wir werden voraussichtlich nach meiner Ueberzeugung die im Etat angesetzten Einnahmen nicht voll erreichen. Es ändern sich dadurch die Zahlen, die der Herr Berichterstatter Ihnen vorgetragen hat, und deshalb gestatten Sie mir, diese Aenderungen hier kurz mit— zutheilen.

Die vollständige Abrechnung der Verkehrseinnahmen hat sowohl in Bezug auf den Personen- wie Güterverkehr bis einschließlich

9 . . ö klich September aus dem Verbandsverkehr stattgefunden und bis einschließlich Dezember v. Is. aus dem Localverkehr, die Ergebnisse der übrigen Monate bis Ende Januar sind provisorisch ermittelt. Danach stellt sich die Mehreinnahme während der gleichen Periode, also bis ultimo Januar, im Personenverkehr auf rund 9811 000 M, das macht in Procenten 4,96; im Güterverkehr auf rund 20 264 000 S, das macht in Procenten 402. Hierzu kommt noch aus den übrigen Einnahme— titeln 1779 000 (S, im ganzen also rund 31 779 000 S. Wenn nun der Etatanschlag noch erreicht werden soll, so müssen die beiden folgenden Monate noch eine Mehreinnahme von 8500000 M. bringen. Wie gesagt, es ist wohl kaum anzunehmen, daß dieser Betrag voll erreicht werden wird; würde er aber erreicht werden, so wird das Gesammtergebniß sich so ungefähr gestalten, wie der Herr Bericht— erstatter Ihnen bereits vorgetragen hat.

Meine Herren, ich darf mir wohl vorbehalten, bezüglich der anderen allgemeinen Fragen demnächst je nach dem Verlauf der Er— öͤrterungen meinerseits noch das Wort zu ergreifen.

Abg. von Pu ttkam er⸗-Plauth scons.) : In der Mahnung zur Srarsamkeit stimme er mit dem Minister überein, und schon des— wegen sei er gegen eine weitgehende Ermäßigung der Tarife; außer⸗ dem aber auch aus dem wirthschaftlichen Grunde, daß es nicht 1 sei, wenn ein größerer Theil der Bevölkerung stets auf der Lien bahn liege und so eine förmliche Verschiebung der Bevöl⸗ erungsziffer veranlasse. Nach diesen allgemeinen Betrachtungen möchte ö aber speciell auf die Lage der Landwirthschaft in seiner östlichen in th hinweisen. Diese Lage habe sich seit Einführung der Zölle er— Wblich verschlechtert, zwar nicht absolut, aber doch relativ, im Ver⸗ hältniß zu der übrigen deutschen Landwirthschaft. Durch die Ver— schiebung, des Verhältnisses der Inlandsgetreidepreise zum Welt⸗ arltpreis sei man in seiner Heimath ejwungen, das etreide das man früher mit, geringen Kosten den See— en zugeführt habe, jetzt, um es im Inlande abzusetzen, mit der se en Eisenbahnfahrt zu vertreiben. Hierdurch und durch die ekten sehr ungünstigen Ernten sei die dortige Landwirthschaft in 9 so schlechte Lage gekommen, daß er, die Regierung bitten müsse, ihren i fierkfamteit zuzuwenden. Die. Arbeitskräfte seien, da eine . zre Völkerwanderung nach dem Westen stattfinde, nicht mehr billiger ; anderswo, sondern genau so theuer wie in Mitteldeutschland, und nmãhernd o hoch wie im Westen, Um Abhilfe zu schaffen, gebe Id zwei. Mittel: erstens billigere Frachttarife und die Aufhebung des entitätsnachweises. Der leßtere solle leider an dem Widerspruch des Funzesraths gescheitert sein. Glücklicherweise sei in Bezug 3, die . der Eisen ahn⸗Minister seiner Heimath entgegengekommen und eich auch nicht einmal durch den Landes Eisenbahnrath beeinflussen ö welcher in ehen ö die i, aufgefordert hahe,

9 affeltarife so ald als möglich zu beseitigen. , . tverhäͤltnisse ö. and gegenüber anlange, fo würden bekanntlich zu Wasser eingehende v. . anders besteuert als per Eisenbahn eingehende, und so glaube ctoönnte man auch hier eine differentielle Behandlung des Getreides

suntreten lassen. Außerdem sei das russische Getreide mit fo hohen e in or s im Innern i end belastet, daß die

2

ullen suchen müßten, so bald wie möglich es den 5 zuzu⸗

wenden, selbst auf die Gefahr hin, dort geringere Preise zu erzielen, weil eben die Transportkosten sonst zu hoch . zumal die preußi⸗ . Uebergangẽbahnen, welche das russische Getreide na den Hafen⸗ nn en führten, , zu billigen Tarifen verpflichtet seien. de, lägen die Verbältnfsfe nnen gegenüber; er kenne dessen , G npolitik nicht genau, glaube aber, daß sich die dortigen bahnen rückhaltlos in den Dienst ihrer Production stellten. ig ch erscheine Getreide aus Oesterreich⸗Ungarn und seinen Hinter⸗ , mit wenig Transportkesten belastet an unserer Grenze, und n diesem Getrelde fo billige Frachtfaͤtze bei uns zugebilligt würden,

wie unserem eigenen, so sei das allerdings einer theilweisen Aufhebung der Zölle gleichwerthig. Die Regierung habe nun dem Landes-Eisenbahn⸗ rath, der sich gegen die Staffeltarife ausgesprochen habe, erklärt, daß eine Beunruhigung durch sie bisher nicht entstanden sei und man erst weitere Erfahrungen machen müsse; er danke der Staatsregierung für diese Stellungnahme und bitte auch das Haus, sich damit ein⸗ verstanden zu erklãren und mindestens so lange noch abzuwarten, bis irgend eine Entscheidung über die Aufhebung des Itdentitätsnachweises im Reich erfolgt sein werde, was nach seinen Informationen in nicht zu ferner Zeit geschehen werde. Die Aufhebung des Identitäts⸗ nachweises würde im Osten noch weit angenehmer sein, als die Staffeltarife, weil mit jener keine Schädigung irgend welcher anderen Interessen in Deutschland verbunden sei, und weil damit zugleich dem Handel in den Seestädten gedient werde. Denn eben so traurig, wie mit der Landwirthschaft, sehe es im Osten mit dem Handel aus, und er sei nicht Agrarier genug, um das nicht zu berücksichtigen. Der Ernst der Lage im Osten müͤsse jedem, der die Verhältnisse kenne, schrecklich erscheinen und Abhilfe sei dringend nothwendig. Er schließe mit dem wiederholten Dank an die Regierung, daß sie dem Landes— Eisenbahnrath gegenüber sich fest erwiesen habe. ;

. Abg. Sim on⸗Waldenburg (nl): Die Thatsachen hätten be— wiesen, daß das Eisenbahngarantiegesetz gar keinen Werth habe. Der . Dr. Dammacher habe, das schon seit Jahren ausgeführt, aber bisher tauben Ohren gepredigt, hoffentlich jetzt nicht mehr, wo sich der Einfluß der Eisenbahn auf die Finanzen recht unangenehm fühlbar mache. Eine vollständige Lostrennung der Eisenbahn von den Staatsfinanzen sei wohl nicht möglich, aber eine gewisse Grenze müsse gezogen werden. Es müsse dahin gestrebt werden, daß immer weniger von den Eisenbahnüberschüssen, für allgemeine Staatszwecke verwendet werde, daß vielmehr die Eisenbahnschuld möglichst getilgt werde, und zwar in erheblich größerem Umfang als bisher, damit eine Tarifermäßigung eintreten könne. Als der Abg. Richter hier darauf hingewiesen habe, daß die Privatbahnen leichter zu Ermäßigungen kämen, als die Staatsbahnen, da habe der Minister dies mit dem Hinweise darauf bestritten, daß die Privatbahnen 1874 die Er— höhung um 290 0 vorgenommen hätten. Der Anlaß zu dieser Er— höhung habe in dem schlechten Ergebniß der Staatseisenbahnen ge— legen, das den Finanz-Minister Camphausen zur Erhöhung der Tarife veranlaßt habe. Mehrere Privatbahnen hätten die Einführung dieser Erhöhung verweigert; wo sie aber eingeführt worden sei, habe die Regierung die Genehmigung ertheilt. Er hoffe, die Re— n werde die Frage, welche er zuerst angeregt habe, nicht auf die

ange Bank schieben, sondern bald eine, entsprechende Vorlage machen. Die mechanische Aufstellung des Etats nach dem Durch— schnitt der letzten Jahre sei bedenklich, der Etatsansatz dürfte für den Güterverkehr wohl nicht erreicht werden. Redner weist auf die Vorbildung der höheren Eisenbahnbeamten hin. Der Minister habe angeordnet, daß die Hilfsarbeiter aus dem Ministerium nach drei Jahren immer wieder in den praktischen Dienst zurück müßten. Das sei durchaus zu billigen; aber auch für die höheren Beamten bei den Betriebsämtern müsse etwas geschehen. Sie würden größtentheils aus dem Justizdienst, seltener aus der Verwaltung übernommen und hätten gewöhnlich eine Probezeit von einem Jahr durchzumachen. Das sei wohl nicht genügend. Man werde vielleicht darauf sehen müssen, eine besondere Eisenbahnkarriere zu schaffen. Wenn es wahr sein sollte, daß die . im Interesse der Sparsamkeit den Serundärbahnbau etwas znrückstellen wolle, dann solle man dafür den Privaten gestatten, solche Bahnen zu bauen. Ein Bedürfniß dafür sei vorhanden und der Geldmarkt gestatte solche Unternehmungen auch. Vielleicht bringe das in Aussicht gestellte Ge— setz über die Tertiärbahnen hier die nöthige Abhilfe. Für dies Bahnen müßten jedenfalls sehr viel leichter? Bedingungen gestellt werden, als bis jetzt üblich seien. Die Staatsbahnverwaltung habe sich als eine Musterberwaltung herausgestellt, die keinen Vergleich zu scheuen brauche, auch nicht mit anderen, mit Privatverwaltungen.

Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:

Meine Herren! Ich gestatte mir zunächst, dem Herrn Abg. Simon für das Vertrauen und die wohlwollende Beurtheilung, die er meinen Absichten hat zu theil werden lassen, meinen wärmsten Dank auszusprechen. Demnächst möchte ich auf einige seiner Be— merkungen kurze Antwort ertheilen.

Der Herr Abg. Simon hat zunächst Zweifel darüber aus— gesprochen, ob die Einnahmen im gegenwärtigen Etat für 1892,93 werden durch die Wirklichkeit erreicht werden. Ich habe vorhin schon mir erlaubt, auch von meiner Seite aus diesen Zweifel zu bestätigen; auch ich glaube, daß noch sehr viel günstigere Verhältnisse eintreten müssen, wenn wir den Etatsanschlag erreichen werden. Allein, meine Herren, ich bitte zu berücksichtigen, daß der Moment, als der Etats— anschlag aufgestellt worden ist, der Monat August 1891 war und wir damals allerdings volle Veranlassung hatten, ein günstigeres Bild von der Zukunft uns zu entwerfen, als es heute im Monat Februar der Fall ist. Ich sehe allerdings auch nicht schwarz in die Zukunft; ich glaube, daß die augenblickliche Ebbe, die in unserem ganzen wirth— schaftlichen Leben eingetreten ist, nur eine vorübergehende sein wird, da wirklich einschneidende Gründe für einen wirthschaftlichen Nieder— gang meines Erachtens zur Zeit wohl kaum hervorzuheben sind.

Sollte aber auch wirklich der Etat in den Einnahmen nicht er— reicht werden, so wird er auch andererseits in den Ausgaben nicht erreicht werden. Denn ein großer Theil der Ausgaben steht im directen Zusammenhang mit den Einnahmen; wird der Verkehr die Höhe nicht erreichen, die wir angenommen haben, so wird er auch die Kosten nicht verursachen, die wir veranschlagt haben.

Meine Herren, der Herr Abg. Simon hat dann die Organisation der Staatseisenbahnverwaltung zum Gegenstande seiner Erörterung gemacht. Die Erfahrungen, welche in dem nunmehr zehnjährigen Abschnitte gemacht worden sind, sind im großen und ganzen als günstige zu bezeichnen. Die Staatsbahnverwaltung hat sich und das darf ich wohl ohne Ueberhebung hier aussprechen nicht nur das Vertrauen des Landes erworben, sondern auch im allgemeinen die Anerkennung des Landes erworben durch die pflichtmäßige unparteiische Erfüllung derjenigen Aufgaben, die ihr überwiesen worden sind. Sie hat sich nach Kräften in all ihren Organen bemüht, das Interesse aller Zweige des wirthschaftlichen Lebens zu fördern, mit welchem Erfolge meine Herren, das beweisen die statistischen Mittheilungen, die in dem Betriebsbericht dieses Jahres niedergelegt worden sind. Meine Herren, eine Verwaltung, die derartige Erfolge für sich auf⸗ weisen kann, deren Glieder durchaus gesund, deren sämmtliche Be⸗ amten und Arbeiter mit vollster Pflichttreue bei Tag und Nacht ihrer Aufgabe gerecht zu werden bemüht sind, kann unmöglich schlecht organisirt sein. Meine Herren, aber weder mein Herr Amtsvorgänger, noch ich sehen diese Organisation als etwas so Vollkommenes an, daß sie nicht geändert werden könnte und nicht als etwas so Voll⸗ kommenes an, daß sie nicht sich den veränderten Zeiten und den ver— änderten Verkehrsverhältnissen anzupassen hätte. Meine Herren, das ist auch in umfassender Weise bisher geschehen. Die Organisation des Jahres 1880 ist in sehr wesentlichen Punkten im Laufe der Zeit ergänzt worden und wird noch ferner ergänzt werden. Ich möchte nur in der Beziehung an einige Punkte erinnern. Es ist seither und zwar unter allgemeinem Beifall des Landes die ganze Wagen vertheilung besonderen Bureaus übertragen worden; es sind die Be⸗ triebsämter ausgerüstet worden mit größeren Zuständigkeiten, als das

früher der Fall gewesen war, und auch der Minister hat von seiner Zuständig⸗ keit im Interesse einer immer weiter greifenden Decentralisation an die Directions⸗Präsidenten und an die Directionen selbst wesentliche Be⸗ fugnisse übertragen. Diese Veränderungen haben, wie gesagt, zum Zwecke gehabt, die Central-Instanz sowohl als auch die Directionen zu entlasten und den Betriebsämtern, den eigentlich ausführenden Be⸗ triebsbehörden, eine möglichst große Selbständigkeit zu geben, ohne andererseits sie mit Arbeiten zu überlasten, die zu ihrer eigentlichen Betriebsaufgabe zicht gehören.

Meine Herren, nichtsdestoweniger und das erkenne ich in vollem Maße an ist das Schreibwerk in unserer Verwaltung groß. Aber andererseits muß ich doch hervorheben, daß nach meiner Erfahrung in keiner Verwaltung so viel, mündlich abgemacht wird, wie gerade in der Eisenbahnverwaltung. Wir sind längst daran gewöhnt, eine ganze Reihe von unseren Geschäften mündlich an Ort und Stelle zu erledigen; wir sind auch viel mehr daran ge— wöhnt, uns kurz zu fassen; das hat uns der Telegraph beigebracht. Also in der Beziehung glaube ich nicht, daß wir im Schreibwerk gerade Ueberflüssiges leisten; allein es bleibt eine Menge von Schreib— werk übrig, was zum theil mit der eigentlichen Aufgabe der Eisen— bahnverwaltung nicht zusammenhängt. Die großen schriftlichen Ar— beiten, die großen statistischen Arbeiten, die wir auszuführen haben, um den Etat aufzustellen, um die Rechnungen zu legen, um dem Landtag die nöthige Auskunft zu geben, um dem Herrn Finanz-Minister die nöthige Auskunft zu geben, haben mit der eigentlichen Eisenbahn— verwaltung nichts zu thun. Die Privatverwaltungen, die ihren Finanz— Minister und ihren Landtag immer bei der Hand hatten, waren natür— lich von diesen Arbeiten befreit und auch von dem Schreibwerk, welches diese Arbeiten mit sich bringen.

Ein anderer großer Theil unseres“ Schreibwerks liegt in dem Verkehr mit dem Publikum. Meine Herren, die kleinsten Dinge werden sehr häufig in allen Instanzen verfolgt. Der Minister ist keinen Tag davon befreit, daß ihm Beschwerden angebracht werden darüber, ob in der Restauration das Bier schlecht gewesen ist, oder das Trinkgeld zu hoch, oder ob diese oder jene kleinen Unannehmlich— keiten den Herren Reisenden passirt sind. In viel größerem Maße liegt das natürlich den Directionen ob und in progressiver Weife selbstredend den Betriebsämtern. Und jeder aus dem Publikum, der einen Brief geschrieben hat, will Antwort haben, und wenn er die nicht rasch bekommt, so wird er meistentheils ziemlich dringend und ziemlich deutlich. Also auch in dieser Seite der Aufgaben, wie sie der Staatseisenbahnverwaltung zugefallen sind, liegt an und für sich die Veranlassung zu dem großen Schreibwerk.

Dann endlich bedürfen wir einer außerordentlich großen Anzahl von Beamten, die ebenfalls, wenn Sie wollen, Schreibwerk vollführen, zu dem Zwecke, um die nöthigen Controlen über den Güterverkehr, über die Kassen und den Materialverbrauch u. s. w. current zu halten. Diese Controlen beschäftigen beispielsweise allein bei den Direktionen für die Abrechnung mit den Güterkassen meist über 100 Personen, die jahraus jahrein in der anstrengendsten Weise diese Berechnungen führen müssen gegen die Kassen und gegen die übrigen Verwaltungen, mit denen die betreffenden Directionen in directem Verkehr stehen.

Meine Herren, es ist von Seiten der Eisenbahnverwaltung dieses große Schreibwerk, welches alle Tage wie ein Sisyphusstein zu be— wältigen ist, durchaus anerkannt und stets dahin gestrebt worden, in der Beziehung eine Vereinfachung durchzusetzen. Dieses Bestreben ist auch in ziemlich erheblichem Maße von Erfolg gekrönt gewesen. Wir haben die Vereinfachung in allen Zweigen der Verwaltung in ziem— lich erheblichen Umfang ausführen können; wir haben auch er— hebliche Prämien Beamten jeglichen Grades schon gezahlt für Vor— schläge, die auf eine Vereinfachung gerade des Schreibwerks hinzielen. Ich hoffe, daß auch in Zukunft die Bestrebungen von Erfolg gekrönt sein werden und die Erwägungen, die zur Zeit in dieser Beziehung gepflogen werden, uns zu guten Resultaten führen werden.

Es ist sodann die Ausbildung der höheren Beamten vom Herrn Abg. Simon zur Sprache gebracht worden. Meine Herren, in der Beziehung möchte ich auch zunächst mit der Anerkennung beginnen, daß auch bezüglich der Ausbildung der höheren Beamten Lücken be— stehen, die von der Staatseisenbahnverwaltung empfunden werden. Es ist zunächst von mir ein Project den Directions-Präsidenten übergeben worden zur Erwägung und zur Kritik, welches dahin abzielt, in der Beziehung eine Aenderung eintreten zu lassen. Ich verkenne aber durchaus nicht die Bedenken, die der Herr Abg. Simon Ihnen vor— geführt hat bezüglich der Aenderung des Bildungsganges für die höheren Beamten der Staatseisenbahnverwaltung, und ich theile sie auch zum theil. Es wird daher Sache der eingehendsten Erwägungen und Prü— fungen sein müssen, inwiefern es geboten und zweckmäßig erscheint, in diesem Bildungsgang für die Zukunft eine Aenderung eintreten zu lassen. Wenn der Herr Abg. Simon es dabei angeregt hat, auch tüchtigen befähigten Subalternbeamten in Zukunft die Thür zu den höheren Stellen aufzumachen, so muß ich ihm in der Beziehung ant— worten, daß dies, wenn auch nicht in erheblichem Umfange, aber doch jetzt schon geschieht. Wir haben schon einzelne Subalternbeamten in höheren Stellen; wir haben schon einen Theil von Beamten, die, wenn auch nicht unmittelbar aus der Subalternearriere hervorgegangen, doch nicht die akademische Laufbahn und nicht die Laufbahn des höheren administrativen oder höheren technischen Beamten durchgemacht haben, auch jetzt schon in ziemlich avancirten höheren Stellen. bei den Betriebsämtern befindet sich schon eine ganze Reihe von Beamten, die wir früher als ständige Hilfsarbeiter, jetzt im Etat als Mitglieder der Betriebsämter bezeichnen, die ebenfalls aus der Subalterncarrisre hervorgegangen sind.

Endlich hat der Herr Abg. Simon es als wünschenswerth be— zeichnet, daß auch den Privatunternehmungen nicht der Ast zum Bauen von neuen Bahnen vollständig abgeschnitten werden möge. Meine Herren, das geschieht auch nicht. Ich bin noch in den letzten Tagen in der Lage gewesen, meinerseits zwei Privatunternehmungen die Bereit- willigkeit zu erkennen zu geben, für sie die Ertheilung der Concessionen zu befürworten.

Schließen möchte ich noch mit einer kurzen Antwort an den Herrn von Puttkamer (Plauth), und zwar dahin gehend, daß die Staats.« regierung nicht beabsichtigt, vor dem Zeitpunkte, wo der Ertrag der neuen Ernte transportfähig wird, die Staffeltarife aufzuheben.

Abg. Schmie ding (ul.) dankt dem Minister dafür, daß er den Bau von Secundärbahnen nicht zurückstellen wolle; aber er . daß jetzt auch der Zeitpunkt gekommen sei, wo man das

rivategpital ohne Schädigung der Staatsbahnen wieder zum Bau von Eisenbahnen zulassen könne. Die Verbesserung des Eisenbabn⸗

garantiegesetzes sei gerade jetzt am besten durchzuführen, wo man

K P 2