1892 / 44 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 19 Feb 1892 18:00:01 GMT) scan diff

sich mit den geringeren Einnahmen aus den Eisenbahnen begnügen müsse. Deshalb sei man jetzt geradezu in der Lage, die höheren Einnahmen der Zukunft, die ja doch wohl wieder kommen würden, festzulegen. Denn die Absicht des Garantiegesetzes sei ja doch ge⸗ wesen, eine feste Quote für die allgemeinen Staatsbedürfnisse von den Eisenbahnüberschüssen zu nehmen. Wenn auch der letzte Pfennig der Eisenbahnüberschüsse in die allgemeine Staatskasse fließe, dann wirkten die 1 nicht mehr befruchtend, sondern aussaugend auf das Land.

Abg. Vopelius (freicons.) weist darauf hin, 57 in dem Saar⸗ brücker Revier sehr viele Arbeiter weit von ihrer Arbei stätte wohnten, so daß sie nur Sonntags nach Hause kämen. Sie brächten die Woche in Schlafhäusern oder als Kostgänger bei Familien zu. Daraus ergäben sich viele Uebelstände, denen die Eisenbahn abhelfen könne durch Einführung von Arbeiterzügen, den Bau von Secundär⸗ und Tertiärbahnen und durch Vermehrung der Haltestellen. Besonders befürwortet Redner eine Secundairbahn von Wemmetsweiler⸗ Hermeskeil und die Anlage einer Personenhaltestelle in Diebelkirchen bei Neunkirchen.

Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:

Der Herr Abg. Vopelius hat zwei Punkte zur Sprache gebracht: erstens die Verzögerung im Ausbau der Bahn Wem⸗ metsweiler Hermeskeil. Die auch von mir beklagte Verzöge— rung im Ausbau der Bahn ist dadurch herbeigeführt worden, daß von einem gewissen Punkte ab zwei Thäler miteinander in Concurrenz traten bezüglich der Linienführung. Ich kann dem Herrn Abg. Vopelius mittheilen, daß es gelungen ist, mit der oldenburgischen Regierung eine Vereinbarung zu treffen, die es vor— aussichtlich ermöglichen wird, das Project in das diesjährige Anleihe— gesetz aufzunehmen und damit den Wünschen des betreffenden Landes—

theils nachzukommen.

Der zweite Punkt betrifft die Anlage einer Personenhaltestelle in Wiebelskirchen in der Nähe von Neunkirchen. Meine Herren, die Anlage dieser Personenhaltestelle ist bisher abgelehnt worden, und zwar aus folgenden Gründen: Erstens ist die Lage des Ortes zu der Bahn eine verhältnißmäßig ungünstige. Der Ort liegt unten im Thal, die Bahn geht ziemlich hoch über dem Orte weg an der Berg— lehne. Es müßte nun also noch ein neuer Zugang geschaffen werden. Ueberhaupt wird ein ziemlich hoher Kostenanschlag, der nach wieder— holter Prüfung auf mindestens 22 000 S anzunehmen ist, daraus er— wachsen. Allein, meine Herren, was kann der Minister der öffentlichen Arbeiten gegenüber einer so warmen Befürwortung, wie sie durch den Herrn Abg. Vopelius ausgesprochen ist, und angesichts all der socialen und wirthschasftlichen Gründe anders thun, als daß er hiermit erklärt, er will ganz gern die Sache nochmals untersuchen. Das soll geschehen.

Abg. Dr. Ham macher (nl. ): Der Minister erkenne die Noth— wendigkeit der Reform und Ermäßigung der Personentarife und der Rohmaterialientarife an, aber er müsse dem Lande gegenüber er— klären, daß er diese Reformen nicht durchführen könne. Bei der Einführung des Staatseisenbahnsystems sei erklärt worden, daß die Staatsbahnen alle Rücksichten auf Gewinn zurückstellen müßten, die Eisenbahnen sollten in den Dienst der fortschreitenden Ent— wickelung gestellt werden. Wegen Mangels an Geld müßten aber jetzt alle Reformen unterbleiben. Eine Privatbahngesellschaft, welche solche Ueberschüsse liefere wie die Staatsbahnen, würde vom Staate auf Grund des Gesetzes gesungen werden zu Tarif⸗ ermäßigungen. Er beklage es als Anhänger des Staatseisenbahn— systems, daß man durch eine Mißwirthschaft in die Lage gekommen sei, daß solche Reformen nicht durchgeführt werden konnten; weil in Preußen das Geld fehle, müsse die Tarifreform überhaupt zurückgestellt werden. Man sei an einen todten Punkt gelangt. In früheren Jahren habe man durch die lex Huene Ein— nahmen an die Kreise überwiesen; man habe die Einnahmen der Eisenbahnen als dauernde angesehen und danach sich eingerichtet. Das sei geschehen seitens der früheren Regierung, welche durch ihr unvorsichtiges Vorgehen die Staatsbahnidee in eine gefährliche Lage gebracht habe. Man müsse jetzt dahin streben, daß die Regierung die Ueberschüsse nicht für allgemeine Staatszwecke verwende. Es müßten wirkliche Garantien geschaffen werden. Alle seine Mahnungen hätten bisher keinen Erfolg gehabt. Die Furcht vor den schwankenden Ueberschüssen sei ein Hauptbedenken gegen die Verstaatlichung der Eisenbahnen gewesen; man habe die Eisenbahnen nicht als Finanz— quelle benutz sehen wollen. Man habe eine wirkliche Amorkisation und die Bildung eines Reservefonds verlangt. Wenn damals ein Zweifel vorhanden gewesen wäre, daß das Garantiegesetz diesen In— halt nicht haben würde, die Mehrheit für die Verstaatlichung würde damals nicht gefunden worden sein. Werde dieser Finanzwirth— schaft, dieser Verwendung der Eisenbahnüberschüsse nicht ein Ende gemacht, dann bleibe schließlich nichts anderes übrig, als die Eisenbahnen zu verpachten oder zu verkaufen. Das würde er am meisten bedauern. Noch sei es nicht zu spät, die Sachlage zu ver— bessern. Kein Parlament sei zu Verbesserungen im stande, wenn die Regierung nicht den Anfang mache. Preußen besitze in den Personen des Eisenbahn- und des Finanz⸗Ministers Staatsmänner, die voraus— schauend genug seien, um eine Aenderung herbeizuführen. Als letztes Mittel gebe es nur die Bildung einer besonderen Eisenbahncapital— schuld, radicirt auf den Eisenbahnen aber mit der obligatorischen Verpflichtung zur Amortisation, welche nothwendig sei für die Eisen— bahn wie für jedes industrielle Werk.

Abg. Pleß (Centr.) tritt für die Ermäßigung der Tarife ein; die Postverwaltung habe gezeigt, daß durch eine solche Ermäßigung eine Mehreinnahme erzielt werde. Finanzielle Bedenken lägen also nicht vor, aber socialpolitische Gründe verlangten, daß die Arbeiter billiger führen, sodaß es ihnen möglich sei, in der Stadt zu arbeiten und auf dem Lande zu wohnen. Auch mit dem Zonentarif sollte einmal ein Versuch gemacht werden; mißglücke er, dann werde die ablehnende Haltung der Regierung gerechtfertigt sein.

Abg. Broemel (ofr): Wenn der Abg. Dr. Hammacher hier von einer Mißwirthschaft spreche, dann hätte doch der Minister gleich darauf antworten müssen. Von allen Seiten sei anerkannt worden, daß man mit dem bisherigen System zu Mißständen ge— kommen sei, die man schwer werde beseitigen können. Es scheine beinahe, als wenn bei den Anhängern der Verstaatlichung eine Art Katzenjammer eingetreten sei. Er sei nicht schadenfroh, er stimme dem Abg. ö vollständig zu in seiner Anregung, eine Aenderung herbeizuführen. Die finanzielle Bedeutung der Verstaat⸗ ia . habe der Abg. Hammacher noch nicht deutlich genug hervor— gehoben. Die Finanzpolitik. welche uns in diese Lage gebracht habe, zeige eine große Verwandtschaft mit der Steuerpolitik im Reiche. Man habe vorher, ohne Nachweis der Nothwendigkeit, große Einnahmen und Ueberschüsse geschaffen, die nachher zu großen Aus— gaben Veranlassung gegeben hätten. Bezüglich der Reformen der Tarife müsse man die Hoffnung jetzt mehr auf die anderen Staaten als auf Preußen setzen, während es in Oesterreich⸗Ungarn gerade die Staats- bahnen gewesen seien, die den anderen mit einem guten Beispiel vorangegangen seien. Warum komme der Abg. Hammacher jetzt mit seiner Anregung? Es sei ein anderer Eisenbahn-Minister da; aber der Finanz⸗Minister sei derselbe und das Haus sei auch dasselbe wie in früheren Jahren. Wer könne jetzt Überhaupt der Eisenbahnver— waltung entgegentreten? Wer könne eine einzelne Eisenbahnstrecke oder eine einzelne Summe, die gefordert werde, bekämpfen? Das Haus müsse die Eisen bahnen 1 von der Staatsverwaltung und kieh ng machen, sich aber auch vinculiren, damit es nicht wieder in die Versuchung komme, die Eisenbahnüberschüsse für allgemeine Staatszwecke zu verwenden.

Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen: Meine Herren! Der Herr Abg. Broemel hat es auffallend ge⸗

funden, daß seitens der Staatsregierung auf die Ausführungen des Abg. Dr. Hammacher und namentlich auf das Wort, welches er ge⸗ braucht hat, daß der gegenwärtige Zustand eine schreiende Mißwirth⸗ schaft darstelle, vom Ministertisch nicht geantwortet worden ist. Meine Herren, ich habe die Ausführungen des Herrn Abg. Dr. Hammacher dahin verstanden, daß er mit diesem Ausdruck nur die thatsächlichen Verhältnisse hat bezeichnen wollen, daß er nur hat bezeichnen wollen, zu welchen Zuständen nach seiner Auffassung wir durch das Gesetz von 1882 ge⸗ kommen seien. (Sehr richtig Ich habe ihn aber nicht dahin ver⸗ standen, daß er damit der Staatsregierung oder auch dem hohen Hause das letztere ist ja ebenso daran betheiligt hat einen per⸗ sönlichen Vorwurf machen wollen. Ich bin in dieser meiner An⸗ nahme noch mehr durch den Umstand bestärkt worden, daß ja bereits in der Budgeteommission, wie der Herr Berichterstatter ange⸗ führt hat, seitens des Herrn Finanz⸗Ministers in Uebereinstimmung mit mir, die Erklärung abgegeben worden ist, daß die Staatsregierung die Bedenken, die der gegenwärtige Zustand sowohl für die allge⸗ meinen Staatsfinanzen als für die Staatsbahnverwaltung habe, nicht verkenne, und daß die betheiligten Ressorts in Erörterungen eingetreten seien, wie und auf welche Weise diesen Be⸗ denken abgeholfen werden könne. Der Herr Abg. Broemel hat dann ferner die Veranschlagung der Einnahmen bemängelt und dabei be— merkt, daß noch in keinem Jahre die Steigerung der Einnahmen so hoch angenommen worden sei als in diesem Jahre. Meine Herren, der Herr Abg. Broemel befindet sich in dieser Beziehung im Irrthum. Auch im Jahre 1890/91 ist für den Güterverkehr die Steigerung auf 4 angenommen worden genau so wie in dem Etat, der Sie jetzt beschäftigt.

(Abg. Broemel: Bei dem Personenverkehr 5 0!)

Im Jahre 1891/92 waren allerdings nur 3,12 00 angenommen; wir hatten aber im Monat August des vergangenen Jahres, wie ich bereis auszuführen mir gestattete, durchaus keine Veranlassung, unter den damaligen sehr günstigen Verkehrsergebnissen der Verkehr war fortwährend im Wachsen begriffen, und alle diejenigen Berichte, die wir eingezogen hatten nicht nur von unseren Directionen, sondern auch aus wirthschaftlichen Kreisen, bestätigten, daß diese Steigerung eine anhaltende sein würde wir hatten also keine Veranlassung, einen Rückgang des Verkehrs anzunehmen. Es ist infolgedessen an der vierprocentigen Steigerung festgehalten worden, und zwar haben wir umsomehr daran festgehalten, als in den Vorjahren, wo die Steigerung niedriger gegriffen war, ein ganz kolossaler Ueberschuß sich herausgestellt hatte. Es war beispielsweise 1889 90, wo die Steigerung nur auf 3 9 angenommen war, ein Mehrertrag gegen den Etat von über 64 Millionen, im Jahre 1886/87 ein Ueberschuß von 58 800 000, und auch im Jahre 1890/91, wo gleichfalls also die Steigerung auf 40½ angenommen war, noch ein Ueberschuß von 8 500 000 entstanden. Meine Herren, wir hatten geglaubt, in unserer Veranschlagung möglichst der Wirk— lichkeit entsprechen zu müssen, und darum die Steigerung von 40 angenommen. Der Etat ist auch durchaus kein Blendwerk, welches über das Deficit hinweg täuschen soll. Wir haben uns mit dem Herrn Finanz⸗Minister bemüht, Ihnen einen Etat aufzustellen, der möglichst der Wirklichkeit entspricht; weder der Herr Finanz⸗Minister noch ich sind aber Pro— pheten, die es fertig bringen, die Zukunft mit aller Sicherheit vorherzusagen und zu wissen, ob der Etat eingehalten wird oder nicht. Ich mache nochmals darauf aufmerksam, daß, wenn sich in Bezug auf die Einnahmen ergeben sollte, daß wir uns einer Täuschung hin— gegeben haben, dann haben wir uns auch einer Täuschung bezüglich der Ausgaben hingegeben; dann wird auch der Etat der Ausgaben nicht aufrecht erhalten werden, da ein großer Theil der Ausgaben absolut von den Verhältnissen des Verkehrs abhängig ist.

Der Herr Abg. Broemel hat dann schließlich auch darauf hin— gewiesen, daß der gegenwärtige Zustand, in dem wir uns befinden, nicht bloß seine Rückwirkung auf die Haltung der preußischen Staats— eisenbahnverwaltungen ausgeübt habe, sondern ebenso seine Rück— wirkung auf die Haltung der Staatsbahnen der anderen Länder. Meine Herren, es liegt mir hier der stenographische Bericht über die Verhandlungen der bayerischen Kammer der Abgeordneten, auf den sich Herr Broemel bezogen hat, vor. Ich darf mir wohl gestatten, aus den Ausführungen des Herrn Ministers von Crailsheim die be— treffende Stelle vorzulesen, aus der hervorgeht, daß die Angaben des Herrn Abg. Broemel doch nicht ganz so zutreffende sind. Herr Minister von Crailsheim sagt:

Ich bin nun bis jetzt immer von der Voraussetzung ausgegangen, daß der Einführung der ermäßigten Tarife in Bayern eine Verständigung mit den übrigen deutschen Verwaltungen vorausgehen soll; ob eine solche Verständigung zu erzielen sein wird, das vermag ich im Augenblick ebensowenig zu sagen, als ob wir nicht schließlich im Interesse der Gleichförmigteit in der Nothwendigkeit sein werden, von unsern Vorschlägen Abweichungen zuzulassen. Gegenwärtig sind die Verhandlungen ins Stocken gerathen. Der Herr Referent hat den Wunsch ausgedrückt, es möchte über die Stellung der übrigen Ver— waltungen näheres mitgetheilt werden. Ich will keine Namen nennen, ich kann aber wohl sagen: eine wärmere Temperatur gegen⸗ über der Herabsetzung der Personentarife, als sie von Seiten der bayerischen Verwaltung gezeigt wurde, hat sich nirgends geoffenbart. Dagegen sind wir vielfach einer viel kühleren Temperatur begegnet, welche sich zum Theil bis zu einem ablehnenden Standpunkte steigerte.

Das hat der Herr Abg. Broemel auf uns bezogen; ich kann aber, soviel ich unterrichtet bin, mittheilen, daß diese Bemerkungen sich hauptsächlich gegen die süddeutschen Nachbarn Bayerns richteten, die ihrerseits keine Neigung hatten, sich an der vorgeschlagenen Reform der Tarife zu betheiligen. Bekanntlich giebt es bezüglich der Personentarife in Deutschland zwei Hälften: eine norddeutsche und eine süddeutsche, welche verschiedene Sätze und auch verschiedene Formen, innerhalb deren der Personenverkehr sich vollzieht, haben. Es war daher naturgemäß, daß die bayerische Verwaltung zunächst den Anschluß in Süddeutschland suchen mußte. Der Reformtarif, der seiner Zeit von meinem Herrn Amtsvorgänger vorgelegt ist, hat sich im wesentlichen bereits den baverischen Vorschlägen genähert, es waren in der Beziehung verhältnißmäßig nur noch wenig Differenzen vorhanden.

Nun gestatten Sie mir auch, den Schlußpassus aus der Rede des Ministers von Crailsheim vorzulesen; in Bezug auf die Dringlichkeit der Personentarife sagt der Herr Minister Folgendes:

Wenn noch einige Zeit verstreicht, bis wir zu einer Herab— setzung der Personentarife kommen, so möchte ich, im Grunde ge—

nommen, darin kein Unglück erkennen. Wenn wir das Budget auf

Herabsetzung des Personentarifs gründen, so werden wir jedenfalls

einige Millionen an der Reineinnahme absetzen müssen, und ez

möchte mir fast scheinen, als ob wir für diese Millionen eine noch

dringendere und nothwendigere Verwendung finden, als die Herab—

setzung der Personentarife.

Abg. Graf zu Limburg-⸗Stirum (cons.): Er sei heute no

ein überzeugter Anhänger der Verstaatlichung, denn ohne diest würde es noch schlimmer geworden sein, namentlich würden feine

Secundärbahnen gebaut worden sein, an die die Privatbahnen nie— mals gedacht hätten. Das Publikum werde jetzt besser bedient; man koͤnne hier besser auf den Minister einwirken, als dieser jemals auf die Privatbahnen einzuwirken vermocht habe. Tarifermäßigungen seien bis zur Höhe von 100 Millionen gemacht worden. Das Ga— rantiegesetz sei ein nicht ganz gelungener Versuch gewesen; aber man habe aus den Staatsbahnen keine übermäßigen Ueberschüße erhalten. Ein Privatindustrieller würde mit diesen Einnahmen nicht zufrieden sein. An dem Versuche, die Ueberschüsse der Eisenbahnen nicht zu allge—= meinen Staatsbedürfnissen zu verwenden, wolle er sich trotz seiner Aussichtslosigkeit betheiligen, aber dagegen möchte er sich schon jetzt aus= sprechen, daß eine stark zu tilgende Eisenbahnschuld abgesondert werde von der sonstigen Staatsschuld; das würde den Credit schwächen. An der Verqus gabung der Eisenbahnüberschüsse feien schließlich alle Parteien schuld. Die Verstaatlichungspolitik sei eine gute gewesen und den Beamten, welche sie durchgeführt hätten, danke er heute noch. Beifall rechts). . .

Abg. Klose (CEtr.) tritt für den Bau einer Bahn von Katscher nach Peterwitz und die Besserstellung der Bahntelegraphisten in Bezug auf die Serviskasse ein.

Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:

Meine Herren! Wenn ich auch im ganzen annehme, daß die Erörte— rung dieser Angelegenheit wohl dann zu erfolgen haben würde, wenn das Anleihegesetz, welches die Nebenbahnen betrifft, vorgelegt werden wird, so nehme ich doch keinen Anstand, wenigstens mit einigen Worten auf die Anregungen des Herrn Abgeordneten zu antworten.

Es handelt sich um eine Bahn von Katscher nach Peterwitz, die, glaube ich, ungefähr 9 km lang sein würde. Es wird behauptet, daß diese Bahn dringend nothwendig sei zur Hebung der soecialen Verhältnisse der dortigen Gegend, die hauptsächlich Weberbevölkerung hat, und zur Hebung von Naturschätzen, die bisher nicht gehoben werden konnten wegen der Entfernung von der Bahn. Ich habe meinerseits die Provinzialbehörden aufgefordert, diese Fragen näher zu studiren und demnächst darüber Bericht zu erstatten. Diese Bahn nun noch in diesem Jahre in das Anleihegesetz hineinzubringen oder in den Nachtrags⸗Etat, das halte ich für ausgeschlossen.

Abg. Hammacher (nl) erklärt, nech heute ein Freund des Staatseisenbahnsystems zu sein, er habe sich nur gegen die Mißwirth⸗ schaft gewendet. Die allgemeine Discussion wird darauf geschlossen; die Discussion der übrigen Fragen wird vertagt. Schluß 4 Uhr.

Handel und Gewerbe.

Tägliche Wagengestellung für Kohlen und Koks an der Ruhr und in Oberschlesien. An der Ruhr sind am 18. d. M. gestellt ga64, nicht rechtzeitig gestellt keine Wagen. In Oberschlesien sind am 17. d. M. gestellt 3225, nicht rechtzeitig gestellt keine Wagen.

Der „Zeitschr. f. Spir. Ind.“ entnehmen wir folgenden Be— richt über den Handel mit Stärke nach Mittheilungen der Ver— trauensmänner in der Zeit vom 19. bis 16. Februar 1893: Im Laufe der Berichtswoche sind folgende Abschlüsse in Kartoffelfabrikaten bekannt geworden: Es wurden verkauft an: Kartoffelmehl: 200 Sack prima zu 31 ½, prompte Lieferung, Parität Stettin; 100 Sack superior zu 34 M frei Hamburg; ferner an Kartoffel stärke: 500 Sack prima zu 30,50 S, Parität Stettin, Lieferung bis April d. J.

Vom oberschlesischen Steinkohlenmarkt berichtet die „Schl. Ztg.“: Die Lage des oberschlesischen Steinkohlenmarktes ist auch in der letzten Berichtsperiode keine günstige gewesen. Der Absatz an Kohlen aller Art ist sowohl nach dem Inlande wie nach dem Auk— lande so gering und der Eingang von Verladeordres so schwach, daß sich die Grubenverwaltungen genöthigt sehen, die Kohlenförderung noch mehr einzuschränken, als dies bereits geschehen ist. Zunächst ist eine Ermäßigung der Förderung um 1500 beschlossen worden. Dieser Beschluß ist von größerer Tragweite; bei geringer und viel⸗ leicht gar keiner Ermäßigung der Selbstkosten trifft der Ausfall vollständig den Betriebsgewinn. Auch die Gruben, die ihre Kohlen— production fest verschlossen haben, sind davon in vollem Maße be—= troffen. Die bisherigen Preise werden im örtlichen Verkauf von den meisten Grubenverwaltungen noch aufrecht erhalten, während seitens der Händler bei Abnahme von ganzen Waggonladungen und größeren Quantitäten Preisnachlässe gewährt werden. Das Koksgeschäft ist ebenfalls sehr matt, und eine Aufbesserung ist in Rücksicht auf die Betriebseinschränkungen im Hüttenbetrieb 2c. nicht in Aussicht. Ta für Theer und Theerproducte in gegenwärtiger Jahreszeit wenig Absatz vorhanden, so kommt der größte Theil davon aufs Lager.

Leipzig, 18. Februar. (W. T. B.) Kammzug⸗Termin handel. La Plata. Grundmuster B. per Februar 3,4) M, rei März 3, 10 M6, per April 3.106 S6, per 3,425 6, Ter Juni 3, 427 , per Juli 3,42 M, per 53 3 45 c, per Seytemher 3, 45 MS, per Oktober 3,477 ½, per November 3, 47 , per Dezember 3,47 M, per Januar 377 M. Umsatz 125 900 Kg. ,

Ham burg. 18. Februar. (W. T. B.) Die „Hamb. Börsenh. meldet: Der Befitzer der Dampfkornmühle und Mehlhändler Lad iges in Lockstedt bei Hamburg ist verhaftet worden, weil bedeutende Quantitäten Mehl mit Sand verfälscht haben soll. Lu der Werkführer und ein Heizer, die der Beihilfe beschuldigt werden, sind verhaftet. ; -

Pest, 18. Februar. (W. T. B.) Dem „Magyar Uisag“ zufolle ist der Staatssecretär des ungarischen Finanz⸗Ministerium, Lugwi Lang, zum Gouverneur der 5sterreichifch- un garischen Bant designirt worden. . ö.

London, 18. Februar. (W. T. B) Wollauction— ö unregelmäßig, träge Betheiligung. Die Auction schließt zu niedrig er Preisen gegenwärtiger Serie.

An der Küste 4 Weizenladungen angeboten. .

Glasgow, 18. Februar. (W. * B.) Roheisen zu 40 . 6 d. angeboten. Die Urfache der Baisse war der Verkauf von an geblich 10 000 t seitens eines Londoner Syndicates. emlich

Bradford, 18. Februar. (W. T. B. Kreuzzuch ten ziemu fest, andere Sorten matt; Stoffe gedrückt. e mn

Konstantinopel, 18. Februar. (W. T. B.) Die Ginnahm⸗ der Türkischen Tabackregie⸗Gesellschaft betrugen, stꝛ Monat Januar 1892 16300 005 Piaster gegen 15 000 5M Pia in der gleichen Periode des Vorjahres. .

New-⸗JYJork, 18. Februar. (W. T. B. Die Börse mit etwas höheren Cursen, wurde später schwankend und s Der Umsatz der Actien betrug 3513000 Stück. Sil ber, vorrgth wird auf 3 700 000 Unzen geschätzt. Die Si verkäufe betrugen 36 000 Unzen.

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3Zmweite Beilage zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗AUnzeiger.

Berlin, Freitag, den 19. Fehruar

1892.

Parlamentarische Nachrichten.

In der Volks schulgesetz⸗Commission des Hauses der Abgeordneten stand gestern Abend, wie wir den Morgenblättern entnehmen, zunächst der Antrag des Abg. Grim m-Frankfurt (nl,) zm Berathung, der Vorlage folgenden neuen § 144 einzufügen: „Die fär den Bereich des vormaligen Herjogthums Nassau bestehenden

fsetzlchen Bestimmungen über die Errichtung von Simultanschulen und die außerhalb dieses Bereichs im Regierungsbezirk Wiesbaden bestehenden Simultanschulspsteme bleiben aufrecht erhalten. Der An⸗ tragsteller befürwortete seinen Vorschlag mit dem Wunsche eines stãrkeren Schutzes, als er im S 14 gegeben sei. In Nassau wünschten mit Aus— nahme der Centrumspartei alle Parteien die Erhaltung der Simultan⸗ schule, die in diesem Landestheile eine besondere Entwickelung gefunden kabe. Die Abgg. Freiherr von Huene und Dr. Lieber (Centr.) hielten es nicht für angezeigt, für einen Landestheil der Monarchie Ausnahmebestimmungen in das Gesetz aufzunehmen. Auch der Staats⸗ Minister Graf Zedlitz erklärte sich gegen den Antrag Grimm. Der Antrag wurde darauf gegen die Stimmen der Nationalliberalen und Freisinnigen abgelehnt. Nun wurde der An⸗ trag des Centrums zu §6, welcher bis nach Beschlußfassung über §z 14 zurückgestellt worden war, mit Unterstützung der Conservativen angenommen. Der Antrag geht dahin, dem 56 zu Absatz 4 anzufügen: ‚Dasselbe gilt von jeder Umwandlung ihrer con⸗ fessionellen Verfassung.' (D. h. bedarf der Genehmigung des Unterrichts⸗Ministers) Die Debatte wandte sich alsdann zu § 15, welcher lautet: Wo die Zahl der Schulkinder einer vom Staate anerkannten Religionsgesellschaft in einer Schule anderer Confession über 30 steigt, kann vorbehaltlich der Bestimmungen des § 11 der Regierungs⸗Präsident bei Zustimmung der Gemeinde (Gutsbezirks, Schulverbands), die Errichtung einer besonderen Volksschule für die— selben anordnen. Die gleiche Anordnung hat zu erfolgen, wenn die Zahl über 60 steigt. Die versagte Zustimmung kann bei ländlichen Schulbezirken durch den Kreisausschuß, bei städtischen durch den Bezirksausschuß ergänzt werden.“ Hierzu lag eine große Zahl von Anträgen vor. Das Centrum beantragte Absatz 2 wie folgt zu fassen: „Die Anordnung der Errichtung einer besonderen Volksschule hat zu erfolgen, wenn die Zahl über 60 steigt und die Gemeinde zustimmt oder die Mehrheit der Hausväter der betreffenden Confession solches verlangt.“ Die Conservativen beantragten, Absatz 2 zu streichen und als Abs. 3 hinzuzufügen: „Der Zustimmung der Gemeinde bedarf es nicht, wenn in einem Schulbezirk die Zahl solcher Kinder über 60 steigt.“ Die Freigonservativen beantragten ebenfalls, Absatz 2 zu streichen und im Absatz 1 die Zahl „30“ zu ersetzen durch 66. Für den Fall der Annahme des Paragraphen in der Fassung der Vorlage beantragten sie im Absatz 1 die Worte „bei Zustimmung der Ge— meinde“ zu streichen und Absatz 3 folgende Fassung zu geben: „Für diese Anordnungen bedarf es der Zustimmung der Gemelnde; die ver⸗ sagte Zustimmung“ u. s. w. wie in der Vorlage. Und für den Fall der Annahme der Zahl „30 beantragten sie dem F 15 folgenden neuen Absatz anzufügen: „Sinkt die Zahl der Kinder in einer auf Anordnung des Regierungs-Präsidenten nach. Absatz 1 und 2 neu errichteten Confessionsschule während dreier hinter einander folgender Jahre unter die Zahl 30, so ist die Schule auf Antrag der Gemeinde als öffentliche Schule aufzuheben. Die Nationalliberalen beantragten, den ganzen 815 zu streichen, event. in Absatz 1 die Zahl 30 durch 60“ zu ersetzen und Absatz 2 zu streichen. Die Frei⸗ sinnigen schlugen für § 15 folgende Fassung vor: „An Volks⸗ schulen, die nur Kinder eines Befenntnisses zu unterrichten haben, sollen nur Lehrer des betreffenden Bekenntnisses angestellt werden. Gehören die Kinder verschiedenen Bekenntnissen an, so wird, wenn nach deren Gesammtzahl nur ein Lehrer erforderlich ist, derselbe dem Bekenntniß der Mehrheit der Schüler entnommen. Sind mehrere Lehrer anzustellen, so ist dabei das Zahlenverhältniß der Kinder der verschiedenen Bekenntnisse möglichst zu berücksichtigen.“ Eventuell beantragte der Abg. Dr. Virchow (dfr. ), Absatz 1 am g ue zujufügen: Wenn seitens der zuständigen Organe der betreffenden Leligionsgesellschaft ein bezüglicher Antrag gestellt wird. Abg. Dr. Ritter ffreicons.) vertrat die Anträge der Freiconservativen und bemerkte, daß im Falle der Annahme des Centrumsantrages allmählich auch die geringe Zahl der noch bestehenden Simultanschulen beseitigt werden würde. Das könne er nicht zugeben. Insbesondere wies er auf die financiellen Opfer hin, welche bel allzu leichten Filialbildungen den Gemeinden auferlegt würden. Deshalb müsse wenigstens die Kinderzahl durch drei Jahre stabil bleiben, bevor eine Trennung geschehen könne. Abg. Wessel (freiconf.) stimmte diesen Aus— führungen bei. Abg. Ludowieg (nl): Wenn die Vorlage bestehen bleibe, so könne und werde es vorkommen, daß wegen nur 30 Kinder, welche irgend einer Sekte angehörten, eine besondere Schule eingerichtet und dadurch ein ganzes Schulspstem ver⸗ gichtet werde. § gebe Anlaß zu immerwährenden Beunruhigungen. Abg. Freiherr von Huene (Centr.) erklärte, daß er und seine poli⸗ tischen Freunde, falls ihr Antrag abgelehnt würde, für den conser— vativen Antrag stimmen würden. Abg. von Buch (cons.) erklärte alle andęten. außer dem conserpativen Antrag für unannehmbar. Staats-Minister Graf Zedlitz: Nach der Vorlage solle die regiminelle Jewalt, welche jetzt Verfügungen im Sinne des 5 15 treffen könne, beschränkt werden. Die in Rede stehende Bestim⸗ mung sei hauptsächlich auf Wunsch der evangelischen Be— dolkerung in der Diaspora in die Vorlage aufgenommen werden. Die Errichtung einer besonderen Confessionsschule für dreißig Linder solle nur unter Zustimmung der Gemeinde statthaben, keine meinde solle vergewaltigt werden. Die Streichung des § 15, welche die Nationalllberalen vorschlügen, Falte er für unmöglich. Er gebe r. daß die Fassung des 8 15 nicht glücklich sei und acceptire 6 Lenderung, welche die Bestimmung präciser wiedergebe. Abg. 95 Enn ec gerus (nl. ): Er halte jede bestimmte Zahlengrenze im Gesetz ohne Rücksicht darauf, ob die Schule ein- oder , . ob kut Der schlecht, alfo jedes mechanische Eingreifen ohne Berücksichtigung r, Perhältnisse für schädlich. Die Vorlage trage confeffionelle Ewitationen in die so gut arbeitenden Kreis- und Bezirksausschüsse e Der conservatibe Antrag gehe wiederum in seiner Consequenz en ich des confessionellen Schutzes über die Regierungsvorlage . ebenso der Antrag des Centrums. Seine politischen Freunde 6m 5. für den Antrag der Freiconservativen stimmen. Abg. die Such (cons): Seine, Freunde, hielten es für bedenklich, 9 & ngen welche ein politisches Gebiet streiften, der Entscheidung wett i ne fg anheim zu geben, den Gemeinden wollten sie ja 1 6 endes Mitbestimmungsrecht einräumen. Um die Möglichkeit . f, die confessionellen Minderheiten zu schützen, sei es nöthig, aer 8h g unparteiische Instanz zu schaffen, das sei der Regie⸗ . vrasident. Also die Bestimmung bezüglich der 30 Kinder 3 sie den Gemeinden, bezüglich der 69 Kinder dem Regierungs— . . enten überlassen. Das sei die logische Consequenz ihres An— ner e. bg. Ludowieg nl) beantragte nunmehr, falls 8 15 an- 33 men werde, im Absatz ] zu setzen statt bei Zustimmung der Ge⸗ fn. die Worte auf Antrag der Gemeinde!. Abg. Hanfen ; cen f erkannte gegenüber den Angriffen auf die freiconservativen ö welche forderten, daß eine neu eingerichtete Confessions= unte a aufgehoben werden Türfe, wenn die Jahl der Kinder lilkit lisinke an, daß in der Fixirung der drei Jahre eine gewisse liege, allein eine solche sei mit jeder Zeitbestimmung ver—=

bunden. Für Gemeinden mit fluctuirender Bevölkerung sei es durchaus nothwendig, zur Verhinderung von Ueberlastungen Schranken zu ziehen. Abg. Rickert (dfr.): Auch er erkenne in dem conservativen Antrag eine Verschärfung gegen die Vorlage, sowohl dieses als des vorigen Jahres. S 15 könne ohne § 11, der in inniger Verbindung mit ihm stehe, nicht discutirt werden. Hierauf wurde beschlossen, F§z 1 gleichzeitig zu discutiren. Abg. Dr. Friedberg (nl. stellte sich in der Beurtheilung des conservativen Antrages auf den Stand⸗ punkt der Abgg. Enneccerus und Rickert. Die weitere Debatte wurde sodann auf Montag vertagt.

EStatistik und Volkswirthschaft.

Ländliche Arbeitsverhältnisse.

Wie das ‚Chemn. Tgbl.“ mittheilt, wird sich in diesen Tagen in Leipzig die Gründung eines Verbandes zur Besserung der ländlichen Arbeitsverhältnisse vollziehen. Die Ziele des Verbandes sind: 1) Bekämpfung des dolosen Contractbruches. 2) Ver— mittelung von guten Arbeitern und Controle der Agenten. 3) Controle der socialdemokratischen Presse, besonders im Hinblick auf die immer zahlreicher auftretenden Hetzartikel gegen einzelne Landwirthe. 4) Fest⸗ setzung gemeinsamer Maßregeln gegen die socialdemokratische Propa⸗ ganda auf dem Lande. 3 Herbeiführung von Einrichtungen zum Vortheile braver ständiger Arbeiter.

Arbeiterwohnungen.

In Altong, wie dem „Hann. Cour.“ geschrieben wird, war dieser Tage der Regierungs⸗Präsident Zimmermann aus Schleswig anwesend, um eine Untersuchung der Arbeiterwohnungen vorzu⸗ nehmen. Eine gleiche Besichtigung von Arbeiterwohnungen fand in letzter Woche auch durch den Regierungs-Präsidenten von Massow auf der Insel Wilhelmsburg statt, wo sich die große „Woll— kämmerei“ befindet.

Arbeiter-Wohlfahrtseinrichtungen.

Aus Thüringen wird der ‚Voss. Ztg. unter dem 17. d. M. ge— schrieben: Der Inhaber einer großen Fabrik in Apolda hat eine Bestimmung getroffen, daß jeder Arbeiter am letzten Lohntage vor Weihnachten eine Alterszulage erhält, die nach dem ersten Arbeits— jahre mit einem kleinen Betrage beginnt und bis zum achten Jahre auf 50 (S6 steigt. Die Dienstzeit beim Militär wird, wenn sie vier Jahre nicht überschreitet, als fortgesetzte Arbeitszeit berechnet.

Zur Arbeiterbewegung.

Aus Gelsenkirchen berichtet ein D. B. H., daß die Bergleute des Gelsenkirchener Reviers sich dem Gewerkschaftscartell angeschlossen haben. Als Vertrauensmänner wurden zwei Bergleute gewählt. Die Reviere Bochum, Herne, Dortmund und Essen sollen diesem Beispiele folgen wollen.

In Zwickau beschäftigte sich, wie wir dem „Chem. Tgbl.“ ent. nehmen, eine öffentliche Bergarbeiterversamm lung am Sonntag mit der Organisationsfrage, ferner mit der gewerkschaftlichen Lage, endlich mit dem in Halberstadt stattfindenden deutschen Gewerkschafts—⸗ congreß und mit der Wahl von Delegirten zu diesem Congreß.

Aus Ronsdorf (Reg.-Bez. Düsseldorf) wird dem „Vorwärts“ berichtet, daß sämmtliche Bandwirker der Firma Heinrich Niehrhaus in Ronsdorf, 29 an der Zahl, am verflossenen Sonn⸗ abend plötzlich entlassen worden seien, weil sie infolge des Versuchs der Firma, einen neuen Zahlungsmodus einzuführen, mit Niederlegung der Arbeit gedroht hatten.

Der wegen Majestätsbeleidigung verurtheilte socialdemo— kratische Schriftsteller Heinrich Psus ist Blättermeldungen zufolge vom Landgericht in Magdeburg gegen Caution aus der Haft entlassen worden. (Vgl. Nr. 42 d. Bl.)

Die Parteiconferenz oberschlesischer Socialdemokraten, die am 14. d. M. in Neustadt über die Agitition in Oberschlesien verhandelte, war von 21 Delegirten aus 18 Orten besucht und be— schloß, wie der „Vorwärts“ mittheilt, die Herausgabe eines Flug— blatts in deutscher Sprache. Von der Herausgabe des Flugblatts in polnischer Sprache nahm man vorlãufig Abstand, nachdem ein polnischer Vertreter erklärt hatte, ein großer Theil seiner Landsleute sei der Schriftsprache nicht mächtig.

Der socialdemokratische Kreistag für die Mansfelder Bezirke, zu dem am letzten Sonntag 17 Vertreter aus 9 Orten in Eisleben erschienen waren, beschloß nach demselben Blatt die Einführung des Markensystems, ernannte eine Agitationscommission und wählte an Stelle des „Zeitzer Volksboten“ das Hallesche „Volks— blatt“ zum officiellen Organ des Kreises.

Das Londoner Kohlengeschäft befindet sich, wie die Lon— doner „Allg. Corr.“ berichtet, wieder in seinem alten Geleise. Mit wenigen Ausnahmen haben alle Kohlenträger am Dienstag und Mitt— woch die Arbeit aufgenommen. Auch die Firma Cameron u. Co., die durch die Entlassung einiger Angestellten das Signal zum Aus⸗ stand gab, verfügt gegenwärtig über eine genügende Zahl freier“ Ar= beiter, um alle Geschäfte glatt erledigen zu können.

Aus Bern schreibt man der „Köln. Ztg.“, daß dort bereits der Aufruf an sämmtliche schweizer Arbeiter zu einer diesjährigen gemeinsamen Maifeier erlassen worden sei.

In Brüssel wird am nächsten Sonntag ein belgischer Socialistentag stattfinden, auf dem nach demselben Blatt den Bergleuten die Losung vorgeschlagen werden soll: „Für den 1. Mai allgemeines Wahlrecht oder allgemeiner Ausstand! Wie der IFrkf. Itg. aus Brüssel mitgetheilt wird, hat die Verwaltung der Bergwerke von Louvisre ihre Arbeiter benachrichtigt, daß am 1. März eine 25 ,υίη, Lohnherabsetzung eintreten werde; es wird deshalb ein allgemeiner Strike befürchtet.

Aus Rom wird der „Madb. Ztg. telegraphirt, eine Versamm— lung von Arbeitern und Handwerkern habe in der Nacht zum Donnerstag für nächsten Freitag einen Generalstrike und Sch lie—⸗ ßung der Geschäfte beschlossen, falls die Regierung den Ar⸗ beitern keine Beschäftigung gebe.

Land⸗ und Forstwirthschaft.

Die Central⸗Moorcommission trat am 12. Februar, wie wir der „Nat.⸗Itg.“ entnehmen, zunächst in die Verhandlung über das nahe nördlich von Stade gelegene Kehdinger Moor ein. Ober—⸗ Regierungs- Rath Peltzer berichtete über den Besiedelungsplan des fis⸗ calischen Theils dieses Moores, der sehr günstig ausfiel. Die Ver⸗ handlung war sehr eingehend; sie hellte den Gegenstand dergestalt auf, daß eine von dem Vorsitzenden, Unter⸗Staatssecretär von Mar⸗ card entworfene Resolution einstimmig angenommen wurde. Einer der Veranlasser dieser speciellen Moorreform, Professor Fleischer, sagte nachher beiläufig; kaum ein Moor werde sich so zwar langsam, aber ganz außerordentlich sedeihlih entwickeln, wie dieses. Weiterhin wurde die Lage der Moorculturen in der Provinz Westfalen besprochen und diese Erörterung durch das neue Mitglied der Central⸗ Commission, Freiherrn von Landsberg⸗Velen eingeleitet. Die westfäli⸗ schen Moore wurden dadurch gleichsam zum ersten Male in die Reihe

Telegramm des

der deutschen vorwärtsschreitenden Moore aufgenommen. Endlich kam das ostfriesische Marcard⸗Moor am Ems⸗Jade⸗Kanal zur Sprache, dessen Cultur ebenfalls wie die der anderen diesmal besprochenen Moore rüstig fortschreitet.

Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs⸗ Maßregeln.

Rostock, 16. Februar. Die Influen za ist, wie der N. Pr. 3. geschrieben wird, in den meisten Bezirken und Orten Mecklenburgs jetzt im Abnehmen, nachdem sie im Laufe des Winters sehr erhebliche Mengen von Menschenleben zum Opfer gefordert hat. Wirklich bös— artig scheint die Krankheit heute nur noch vereinzelt aufzutreten, wie z. B. in der Umgegend von Krivitz, wo mehrere Landschulen wegen schwerer Erkrankung der Lehrer an der Influenza geschlossen sein sollen.

Bordeaux, 18. Februar. Der Postdampfer ‚Aequator“, der von Brasilien zurückgekehrt ist, wurde nach einer Meldung des H. T. B.“ wegen vorgekommener Fälle von gelbem Fieber in Quarantäne gelegt.

Handel und Gewerbe.

Der Verwaltungsrath der Deutschen Feuer-Vexrsiche⸗ rungs-Actien-Gesellschaft hat nach Vorlegung des Rechnungs— abschlusses für das Jahr 1891 beschlossen, der am 19. März statt⸗ findenden Generalversammlung die Vertheilung einer Dividende von 16 9,½ oder 96 6 pro Actie gegen 149 84 (S6 im vorigen Jahre vorzuschlagen.

Börse zu Düsseldorf. (Amtlicher Preisbericht vom 18. Februar 1892.) Die Stille auf dem Kohlenmarkt dauert fort. Die von der Zechengemeinschaft festgesetzten Preise werden zur Ver⸗ meidung von Zwangsverkäufen vielfach von solchen Händlern unter— boten, welche von den Zechen zur Abnahme der abgeschlossenen Mengen gedrängt werden. Roheisen bleibt gefragt, für Fertigfabrikate ist der Markt weniger aufnahmefähig. Nächste Börse am 3. März. Die Börsen— commission. (Berechnung in Mark für 1000 kg und, wo nicht anders bemerkt, ab Werk Kohlen und Koks. 1) Gas- und Flamm— kohlen: Gaskohle 11,50 12, Flammförderkohle 9,30 10, Stückkohle 13,50 - 14, Nußkohle 12 12,590, gewaschene Nußkohle Korn J und II 13—13,50, do. III 11 - 12.50, do. IV 10— 10,50, Nuögruskohle 7,50 —8, Gruskohle 7,50 7. 2) Fettkohlen: Förderkohle 8, 50 9, do. beste melirte 9, 50-10, Stuͤckkohle 12,50 = 13, gew. Nuß⸗ kohle Korn J und I 12550—13, do. II 10—- 10,50, do. IV 9, Kokskohle 750, Grundpreise der Zechengemeinschaft. 3) Magere Kohlen: Förderkohle, do. beste melirte, Stückkohle, Nußkohle Korn J, do. II, Gruskohle unter 10 mm, Fördergruskohle, die Preise sind von der Gemeinschaft noch nicht festgestellt. 4) Koks: Gießereikoks 15 17, Hochofenkoks 12, Nußkoks gebrochen 16— 18. 5) Briquets —. Erze: 15 Rohspath 7, 50 8,50, 2) Gerösteter Spatheisenstein 10, 50 —12, 3) Somorrostro f. o. b. Rotterdam —, 4) Nassauischer Roth⸗ eisenstein mit ca. 50 0/0 Eisen 8,50, 5) Rasenerze —. Roh⸗ eisen: 1) Spiegeleisen la 10— 12 9 Mangan 56 57, 2) Weißstrahl. Eisen: rhein. westf. Marken 1 51 —52, do. Thomaseisen franco ca. 51, do. Siegener 48 49, do. nassauische 3) Luremburger Puddel⸗ eisen 38, 8, 4) do. Gießereieisen Nr. III 48, 5) Deutsches do. Nr. L66, 6) do. Nr. I 7) do. Rr. III 55, 8) do., (Hämatit Nr. I) 66, 9) Spanisches Gießereieisen Marke Mudela loco Ruhrort ; 10) Engl. Roheisen Nr. HII loco Ruhrort 56, 11) do. Bessemereisen loco Verschiffungshafen 12) Span. do. Marke Mudela eif. Rotterdam 13) Deutsches do. Stabeisen: Grundpreis fr. Verbrauchsstelle im J. Bezirk. Gewöhnliches Stabeisen —. Bleche: Grundpreise: 1) Gewöhnliche Bleche 145, 2) Kesselbleche 160-165, 3) Feinbleche Draht: 1) Eisenwalzdraht —, 2) Stahlwalzdraht —.

Der Verwaltungsrath der „Arenberg'schen Actien—⸗ gesellschaft für Bergbau und Hüttenbetrieb in Essen 4. d. R.“ schlägt, wie die Köln. Itg.“ meldet, die Vertheilung einer Dividende von 8009 vor. Die Bergwerks-Gesellschaft ‚Ver⸗ einigter Bonifacius bei Gelsenkirchen zu Kray“ erzielte einen Reingewinn von 1121 654 6 Es wird eine Dividende von 135 0 vorgeschlagen.

Sport.

Seine Majestät der Kaiser hat dem „Hann. Cour.“ zufolge auch für das Jahr 1892 je einen Ehrenpreis für die „Große Hannoversche Steeplechase! und das „Große Hannoversche Armee—⸗ Jagdrennen“ bewilligt; ebenso hat Seine Königliche Hoheit der Prinz Albrecht von Preußen wiederum einen Ehrenpreis für das „Prinz Albrecht⸗Rennen“, und das Herzoglich Braunschweigische Hauptgestüt Harzburg einen solchen für das „Harzburg-Rennen“ gestiftet.

Mannigfaltiges.

Die Deutsche Versuchsanstalt für Handfeuerwaffen, die Ihre Majestäten die Könige von Sachsen und von Württemberg und zahlreiche andere Fürstlichkeiten zu ihren Mit— gliedern zählt, hatte gestern in den Victoriasälen eine von Offizieren, Sportsleuten und Jägern zahlreich besuchte Versammlung veranstaltet, um das Interesse für das neue Institut zu wecken, das aus dem Be—⸗ dürfniß nach einer unanfechtbaren Feststellung der Leistung von Jagd— gewehren heraus entstanden ist und das die sachgemäße Förderung des Schießwesens in Deutschland und die Unterstützung des inländischen Waffengewerbes sich zum Zweck gestellt hat. Major a. D. Thiel schilderte die bisher getroffenen Einrichtungen und die Methoden für die Versuche. Der Anstalt ist ein bei der Station Halensee be⸗ legenes forstfiscalisches Grundstück von 33 ha zur Ver⸗ fügung gestellt. Bisher sind davon dreiviertel Hektar in Anspruch ge⸗ nommen zur Einrichtung eines Schießplatzes. Darauf ist ein Schieß⸗ haus erbaut, dessen Saal zu einer Musterausstellung der deutschen Jagdgewehr⸗ und Munitions⸗Industrie benutzt wird. Der Schieß⸗ stand der Versuchsanstalt ist derartig eingerichtet, daß aus bedecktem Raum bei jeder Witterung und für den Schrotschuß auf jede beliebige Entfernung geschossen werden kann. Zu letzterem Zwecke sind die Zieleinrichtungen des Schießstandes in einem bedeckten, zugleich zur unmittelbaren Beurtheilung der Ergebnisse eingerichteten Wagen angebracht, der auf einem Schienengeleise, dem Bedürfniß entsprechend, von 20 bis zu go m Entfernung zu verschieben ist. Links neben dem Wagengeleise befinden sich die Scheiben zur Messung der Fluggeschwindigkeit der Geschosse. Die zum öffent⸗ lichen Gebrauch bestimmten Anlagen , z. Z. lediglich aus mehreren, zum Einschießen von Flinten bestimmten Ständen, dem Uebungsstande zur Ermittelung der besten Schaftlage und aus laufenden Scheiben zur Darstellun der beim Jagd⸗ schießen n. des Schützen gemachten Fehler. Später sollen auf dem noch ,, , etwa z ha großen Platz Wurfmaschinen für Glaskugeln und Thontauben, sowie Einrichtungen für laufendes und fliegendes künstliches Wild im freien Gelände ihre Stelle finden. Es wird angestrebt, durch Herbeiführun einer größeren Einheitlichkeit in den wesentlichen ih fun en und Be⸗ nennungen von Lauf und Munition den e ehr zwischen Händler und Kunden zu erleichtern; durch Ermittelung der zweck⸗ mäßigsten Anordnungen die Schußleistung allgemein zu ere .

und die Fabrikanten auf den richtigen Weg jur Vervollkommnung