1892 / 47 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 23 Feb 1892 18:00:01 GMT) scan diff

ringe sich nur bezogen haben auf die damalige Sturm- und Drang⸗ periode. Ich habe ausdrücklich gesagt, daß ich absolut kein Urtheil habe aussprechen wollen über die allgemeine Be⸗ deutung und den Werth der Kohlenringe, daß ich nur aus meinen Erfahrungen das behaupten könne, daß, wenn der Kohlenring damals nicht bestanden hätte und nicht vernünftig geleitet worden wäre, wir im vorigen Jahre in der Sturm- und Drangveriode noch ganz andere Preise bezahlt haben würden, als wir bezahlt haben. Anderes habe ich absolut nicht ausgesprochen. Meine Herren, zu diesem Ausspruch war ich vollkommen berechtigt, denn ich habe auch die Sturm- und Drangperiode im Jahre 18713572 mitgemacht und weiß, welche kolossale Preissteigerung damals eingetreten ist, weil jede Kohlenzeche für sich vorging; das hat die Kohlenvereinigung im vorigen Jahre wenigstens verhütet. Ob die Kohlenvereinigung an und für sich berechtigt ist, ob ihr Wirken ein segensreiches oder ver⸗ derbliches ist, darüber habe ich gar kein Urtheil ausgesprochen.

Abg. von Evnern (ul.: Die Ausführungen des Herrn

von Stuümm habe er durchaus nicht verächtlich bei Seite gelegt, er habe nur gemeint, sie seien nicht unbedingt objectiv. Er bezweifle gar nicht, daß auch die anderen Industrien Durch. Die f(eialpolitifche Gefetzgebung stark belastet seien. Die Preise würden auch schon überall steigen, bei der westfälischen Kehle trete das nur darum früher ein, weil für sie noch die Steuerbelastung dazu komme; ubrigens habe die dortige Privatkohlenindustrie schon seit undenklicher Zeit eine starke Belastung durch die, Fürsorge für die Witten und Waisen der Angestellten zu tragen, die die staatlichen Werke früher nicht gehabt hätten. Uebrigens seien die in, den oberschlesischen staatlichen Gruben geförderten Kohlen fast sämmtlich einem großen Berliner Kohlenhandlungshause geliefert; im vorigen Jahre hab' der Staats-Minister Freiherr von Berlepsch dies Monopol heseitigen wollen Und die Interessenten aufgefordert, ihren Kohlenbedarf direct bei den Königlichen , e ltun gen zu decken; diefer Versuch sei so gut wie ganz erfolglos gewesen, das hahe seine Ursachen in wirthschaftlichen Verhältnissen, weil die wesentlichsten Inkustrien des Ostens, die Spiritusfabriken, nicht während des ganzen Jahres einen regelmäßigen, gleichen Kohlenbedarf hätten, asso nicht mit den Zechen in directen Verkehr treten könnten, sondern eines Zwischenßändlers bedürften. Auffällig sei ihm, warum der Abg. Bröemel seine Klagen über die hohen TLohlenpreise bei diesem Etat und nicht bei dem der Bergwerke zur Sprache gebracht habe. . . Abg. Broemel (dfr. : Er habe die Sache beim Bergwerks⸗ Etat nicht zur Sprache gebracht, weil die Saarbrücker Kohlenwerke in der Preissteigerung nicht über den Durchschnitt hinausgegangen feien, wie dies feitens der Ruhrkohlenwerke geschehen sei.

Abg. Burghardt-Lauban (ul.) weist darauf hin, daß Güter⸗

, e, . ß ; e, ne, eie sodaß wagen eingestellt feien, welche etwas breiter ausgefallen eien, sodaß sie für den Verkehr nach dem Auslande nicht zugelassen werden könnten.

Abg. Broemebl (dfr. : In der Commission habe der Minister hervorgehoben, daß es in Zukunft Luxuszüge geben werde für den großen durchgehenden Verkehr, Schnellzüge fuͤr den weiteren in⸗ ländischen Verkehr und Personenzüge für den Lokalverfehr. Der Minifter habe aber nicht erklärt, ob diese verschiedene Einrichtung der Züge auch eine Einwirkung auf die Tarife haben werde.

Die Titel 14— 17 werden genehmigt. .

Bei den Ausgaben für die Eisenbahncommissariate be⸗ klagt sich . ö . ;

Abg. Dr. Sattler (ul.) über die schlechte Verbindung. auf der Stargard-Küstriner Bahn; man verlange allgemein, daß die Bahn Verstantlicht werden solle, oder daß sie gezwungen werde, mehr Züge einzustellen. . 4 . . .

Regierungs⸗Commissar Geheimer Regierungs- Rath Ul rich erklärt, daß man es nicht für richtig befunden habe, die Bahn zur Einlegung neuer Züge zu zwingen ie Bahn habe sich bereit erklärt, vom . Sktfober ab die niedrigeren Sätze der Staatsbahnen für ihre Tarife anzuwenden. ö . .

Bei dem Titel „Kosten der Vorarbeiten zu neuen Eisen—

bahnen“ erklärt auf eine Anfrage des Abg. von der Reck scons.) bezüglich der Linie Herford⸗Lübbecke⸗Syke

Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:

Die Frage würde ja eigentlich zu erörtern sein zei Gelegenheit des Anleihegesetzes, welches die Nebenbahnen enthält; ich nehme aber keinen Anstand, schon heute auf die Anfrage des Herrn Freiherrn von der Reck mich dahin zu äußern, daß auch meinerseits das Bedürfniß einer Aufschließung dieses Landestheils anerkannt ist, daß aber mit diesem Anerkenntniß meinerseits noch nicht das Versprechen verbunden werden kann, daß nun im nächsten Jahre diese Linie Herford —= Lübbecke Sulingen Syke in das Anleihegesetz aufgenommen wird; zu diesem Versprechen würde ich meinerseits nicht ermächtigt sein. Ich kann nur wiederholen, daß ich gerne bereit sein werde, soviel an mir liegt, die Sache zu fördern.

Der Rest des Ordinariums wird bewilligt. Es folgt das Extraordinarium, welches in 106 Titeln 19 134 000 6 verlangt. ;

Abt. Theissing (Cent) beklagt sich lebhaft darüber, daß es mit dem Bau der Linie Ottmachau-⸗Lindewiese schon seit sechs Jahren nicht vorwärts wolle.

Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:

Die Königliche Staatsregierung hat in dieser Hinsicht ein ganz reines Gewissen. Wir haben durchaus nichts verschleppt, und wenn eine Verzögerung eingetreten ist dahin, daß der Bau bisher noch nicht bat begonnen werden können, so liegt das lediglich daran, daß seitens der Interessenten die verschiedensten Linien in Vorschlag gebracht und mit Zähigkeit verfolgt sind (aha und wir heute noch nicht in Besitz von Grund und Boden sind und ohne Grund und Boden nicht bauen können. (Heiterkeit) Es ist aber zu erwarten, daß Grund und Boden demnächst wird überwiesen werden. .

Die Staatseisenbahnverwaltung bedauert es selbst, daß die Sache solange sich verzögert hat; denn diese Verzögerung hat unter anderem auch die unangenehme Folge gehabt, daß mit dem ursprünglich be⸗ willigten Gelde wir jetzt nicht ausreichen und genöthigt sind, in dem diesjährigen Anleihegesetz einen Nachtragseredit zu erbitten. (Hört!) Also seitens der Staatseisenbahnverwaltung wird die Sache jedenfalls mit allen Kräften gefördert werden, sobald uns, wie gesagt, Grund und Boden überwiesen ist.

Abg. Gerlich (freicons. ); Es sei zu wünschen, daß der Ausbau der cn fich Jablonowo⸗AUllenstein⸗Kobbelbude möglichst frühzeitig begonnen werde, weil die Leute sonst aus der Kartoffel und Rüben⸗

ernte wegliefen, wenn die Eisenbahn im Spätsommer anfange zu bauen und dann plötzlich viele Leute brauche. Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen: Die Eisenbahnverwaltung hat selbst das dringende Interesse, so zu verfahren, wie der Herr Abgeordnete vorher geschildert hat, notabene, wenn sie dazu in der Lage ist. Sie kommt freilich sehr häufig nicht in die Lage, vor dem Spätsommer ihre Arbeiten beginnen zu können, denn sie darf nicht eher Geld ausgeben, als bis verfassungsmäßig das Geld von allen Factoren, die dabei mitzureden haben, bewilligt worden ist. Ich bin

geordneten nachzukommen, hier aus der Sitzung heraus zu tele⸗ graphiren: baut morgen. So weit sind wir noch lange nicht. Erst dann, wenn das Geld bewilligt worden ist, dürfen wir auch erst für die speciellen Vorarbeiten Geld ausgeben, dann können erst die Grunderwerbsplãne festgestellt werden. Das sind Uebelstände, die nun einmal nicht zu vermeiden sind, deren Abmilderung aber seitens der Staatseisenbahnverwaltung nach Kräften angestrebt werden wird. Alles, was wir vorher vorbereiten können, bereiten wir jetzt schon vor. Wir sehen uns schon früh nach Unternehmern um, wir er⸗ mitteln, soweit das ohne zu große Kosten geschehen kann, die zweck⸗ mäßigste Baustelle, wir ermitteln die Baukosten u. s. w. Aber schließlich das letzte kann doch erst geschehen, wenn durch alle Instanzen die betreffenden Mittel bewilligt sind. Abg. Freiherr v. Plettenberg⸗Meh rum (eons.;) richtet an den Minister die Bitte, wenn auch nicht in diesem, so doch im nächften Etatsjahre den Umbau des Bahnhofs in Meiderich in Vor⸗ schlag zu bringen.

. . B EKR . Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen: Ich erkenne gern an, daß für den Bahnhof Meiderich etwas g schehen muß. Ich habe infolge dessen auch bereits den Auftrag e theilt, Projecte in dieser Beziehung auszuarbeiten. (Bravo!) Abg. Barth ffreicons) fragt an, wann der Bau der vor zwei Jahren bewilligten Bahn ZJeitz⸗Camburg werde in Angriff genommen werden. Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen: Meine Herren! Die Besorgnisse, die der Herr Vorredner seiner— seits hegt, sind nicht begründet. Die ausführlichen Vorarbeiten sind in der Ausführung begriffen, aber noch nicht vollendet. Wenn die⸗ selben vollendet sein werden, wird auf Grund derselben weiter vor⸗ gegangen werden. Abg. Cremer-⸗Teltow (b. k. F. regt die Anlegung eines neuen Bahnhofs der Wannseebahn in der Nähe der Tempelhofer Straße in Schöneberg an. Die Wannseebahn habe zwischen dem Bahnhofe Großgörschenstraße und Friedenau, alse auf drei Kilometer Entfernung keinen Bahnhof. Auch sei eine Verbilligung der Zeitfahrkarten im Vorortverkehr erwünscht. ö . ö Regierungscsmmissar Geheimer Ober- Baurath Schröder er— widert, daß die Sache des Schöneberger Bahnhofes infolge der An⸗ regungen des Vorredners von neuem erwogen werden werde. Regierungs⸗-Commissar Geheimer Regierungs-Rath Ul rich: Die Frage der Zeikkarten werde noch untersucht. Die Regierung habe die Frage aber nicht für so sehr dringend gehalten, da wir die billigsten Zeitkarten der Welt nicht nur im Stadt- und Ring bahn, sondern auch im Vorortverkehr hätten. Letztere Zeitkarten seien bei uns billiger, als' in Tondon, Paris und in einem beliebigen anderen Vor⸗ ortverkehr. Deshalb habe die Regierung eine weitere Verbilligung der Zeitkarten, die bloß deshalb verlangt werde, weil die Einzelkarten billiger geworden seien, nicht anerkennen können. Es seien aber andere Er—⸗ wägungen, dabei in Frage gekommen, die die Regierung veranlaßt hätten, in eine Prüfung einzutreten, ob die Zeitkarten nicht doch eine Aenderung erleiden sollten. Es habe sich herausgestellt, daß die Art und Weife, wie die Bestimmungen über die Zeitkarten getroffen seien, etwas complicirt sei. Der große Umfang, den die Benutzung der

Zeitkarten gerade im Berliner Vorortverkehr angenommen habe, lasse

es im Interesse der Eisenbahnverwaltung erscheinen, daß die Formen des Zeitkartenberkehrs vereinfacht würden, und wenn, man hierüber Erwägungen anstelle, werde sich nicht vermeiden lassen, auch zu er— wägen, ob man nicht eine Preisermäßigung eintreten lassen könne. Die Frage werde sich also in Zukunft erledigen. . ö

Abg' Eremer⸗Teltow (b. k. F.) bemerkt, daß eine Verbilligung der Zeiftarten umsomehr geboten sei, als nach Abschaffung der vierten Wagenklasse die ehemaligen Passagiere der dritten Klasse gezwungen seien, mit den ehemaligen Passagieren der vierten Wagenklasse zu— sammen zu fahren. .

Die einmaligen Ausgaben werden darauf bewilligt. Es folgt der Bericht über die Bauausführungen und Beschaffungen der Eisenbahnverwaltung, wozu die Budgetcommission folgende Anträge stellt:

a. die Staatsregierung aufzufordern, den durch die Veräußerung von Grundstücken der Eisenbahnverwaltung erzielten Erlös in An— rechnung auf die offen stehenden Credite für öffentliche Bauten zu verwenden und demgemäß unter Cap. 37 des Etats der Staats— schuldenverwaltung aufzunehmen. .

b. Die Staatsregierung zu ersuchen, den Verzicht auf den Bau der Bahnstrecke Lauenburg⸗Schwarzenbeck näher zu erwägen und im Falle der Aufgabe des Baues die durch Gesetz vom 21. Mai 1883 bewilligten Baumittel als erspart nachzuweisen.

Der Berichterstatter Dr. Sattler (nl.) führt aus, daß die Nachricht der ‚Kölnischen Zeitung“, die Umwandlung der Bahnhofs— verhältnisse in Hamburg werde 53 Millionen Mark erfordern, in der GEommission dahin richtig gestellt sei, daß die Ausgaben kaum die Hälfte betragen würden.

Abg. Halberstadt (dfr bemängelt, daß die Ausführung mancher Bahnen so lange dauere, so z. B. der Bau der Bahn Gollnow⸗-Wollin⸗Cammin. Er fragt ferner, warum auf der Strecke Hirschberg-Petersdorf der Personenverkehr vier Monate früher eröffnet worden sei als der Güterverkehr, und rügt, daß die von Kottbus nach Berlin fahrenden Abendzüge mit einer Verspätung von 40 Minuten in Berlin ankämen, wodurch die über Berlin weiter— fahrenden Reifenden gezwungen würden, in Berlin zu übernachten.

Der Bericht wird darauf für erledigt erklärt und die von

der Budgetcommission gestellten Anträge angenommen. Für erledigt erklärt werden auch die Verhandlungen des Eisenbahnraths, der Bericht über die Betriebsergebnisse der Staatseisenbahnen und die Nachweisung über die dienstfreien Zeiten des Betriebspersonals.

Schluß 3é3/ Uhr. Nächste Sitzung Donnerstag 11 Uhr. Auf der Tagesordnung steht die Fortsetzung der zweiten Be⸗ rathung des Entwurfs des Staatshaushalts-Etats für 1892/93 und zwar: Bauverwaltung.

Parlamentarische Nachrichten.

Dem Reichstag ist der nachstehende Entwurf eines Gesetzes gegen den Verrath militärischer Geheim— nisse zugegangen:

§ J. Wer vorsätzlich Schriften, Zeichnungen oder andere Gegen⸗ stände, deren Geheimhaltung im Interesse der Landesvertheidigung erforderlich ist, oder Nachrichten solcher Art in den Besitz oder zur Kenntniß eines anderen gelangen läßt, wird, wenn er weiß oder den Umständen nach annehmen muß, daß dadurch die Sicherheit des Deutschen Reichs gefährdet wird, mit Zuchthaus nicht unter zwei Jahren bestraft, neben welchem auf Geldstrafe bis zu fünfzehntausend Mark erkannt werden kann.

§z 2. Wer außer dem Falle des F 1 es unternimmt, xechts⸗ widrig Gegenstände oder Nachrichten der daselbst bezeichneten Art in den Besitz oder zur Kenntniß eines Anderen gelangen zu lassen, wird mit Gefängniß nicht unter drei Monaten oder mit Festungshaft von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. Neben der Freiheitsstrafe kann auf Geldstrafe bis zu fünftausend Mark erkannt werden.

§ 3. Wer vorsätzlich den Besitz oder die Kenntniß von Gegen⸗ ständen oder Nachrichten der im 5 1 bezeichneten Art in der Absicht

uchthaus bis zu zehn Jahren bestraft, neben welchem auf Geldstrafe is zu zehntausend Mark erkannt werden kann. .

§5 4. Wer ohne die vorbezeichnete Absicht es unternimmt, rechts. widrig sich in den Besiz oder die Kenntniß von Hegenständen oder Nachrichten der im 5 1 bezeichneten Art zu verschaffen, wird mit Ge⸗ fängniß von einem Monat bis zu drei Jahren oder mit Festungshaft von' gleicher Dauer bestraft. Neben der Freiheitsstrafe kann auf Geldskrafe bis zu fünftausend Mark erkannt werden.

F 5. Haben mehrere ein Verbrechen der in den 58 1, 3 be— zeichneten Art verabredet, ohne daß es zur Ausführung oder zu einem strafbaren Versuch desselben gekommen ist, so tritt Gefängniß nicht unter drei Monaten ein. Neben der Freiheitsstrafe kann auf Geld— strafe bis zu fünftaufend Mark erkannt werden. .

F 6. In den Fällen der 8s 1 bis 5 kann neben Gefängniß und Festungshaft auf Verlust der bekleideten öffentlichen Aemter und der aus öffentlichen Wahlen hervorgegangenen Rechte, neben jeder Frei⸗ heitsstrafe auf Zulässigkeit von Polizeiaufsicht erkannt werden.

§z 7. Wer aus Fahrlässigkeit Gegenstände oder Nachrichten der im § 1 bezeichneten Art, die ihm kraft seines Amts, Berufs, Ge— werbes oder eines besonderen Auftrages anvertraut oder zugänglich sind, in einer die Sicherheit des Deutschen Reichs gefährdenden Weise in den Besitz oder zur Kenntniß eines anderen gelangen läßt, wird mit Gefängniß oder Festungshaft bis zu drei Jahren bestraft. Neben der Freiheitsstrafe kann auf Geldstrafe bis zu dreitausend Mark er— kannt werden. .

§z 3. Wer den von der Militärbehörde erlassenen Anordnungen zuwider Befestigungsanlagen, Anstalten des Heeres oder der Marine, Kriegsschiffe, Kriegsfahrzeuge oder militärische Versuchs- oder U&ebungs— plätze betritt, wird mit Geldstrafe bis zu einhundertfünfzig Mark oder mit Haft bestraft.

53 9. Wer von dem Vorhaben eines der in den 1 und 3 vorgefehenen Verbrechen zu einer Zeit, in welcher die Verhütung des Verbrechens möglich ist, glaubhafte Kenntniß erhält und es unterläßt, siervon der Behörde zur rechten Zeit Anzeige zu machen, ist, wenn das Verbrechen oder ein strafbarer Versuch desselben begangen worden ist, mit Gefängniß zu bestrafen. .

Sz 10. Die Bestimmungen im § 4 Absatz 2 Nr. 1 und im g 93 des Strafgesetzbuches für das Deutsche Reich finden auch auf die in den J bis 5 dieses Gesetzes vorgesehenen Verbrechen und Vergehen Anwendung. j .

§5 11. Die 87 bis 90 des Strafgesetzbuchs erhalten folgende Fassung: . .

3 87. Ein Deutscher, welcher sich mit einer ausländischen Re— gierung einläßt, um dieselbe zu einem Kriege gegen das Deutsche Reich zu veranlassen, wird wegen Landesverraths mit Zuchthaus nichk unter fünf Jahren und, wenn der Krieg ausgebrochen ist, mit lebenslanglichem Zuchthaus bestraft. . ;

3 88. Ein Seutscher, welcher während eines gegen das Deutsche Reich ausgebrochenen Krieges in der feindlichen Kriegs macht Dienste nimmt oder die Waffen gegen das Deutsche Reich oder dessen Bundesgenossen trägt, wird wegen Landesverraths mit lebensläng— lichem . bestraft. Ein Deutscher, welcher schon früher in freinden Kriegsdiensten stand, wird, wenn er nach Ausbruch des Krieges in der feindlichen Kriegsmacht verbleibt oder die Waffen gegen das Deutsche Reich oder dessen Bundesgenossen trägt, wegen Jandesverraths mit Zuchthaus von zwei bis zu zehn Jahren oder mit Festungshaft von gleicher Dauer bestraft. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Festungshaft bis zu zehn Jahren ein. Neben der Festungshaft kann auf Verlust der bekleideten öffent— lichen Aemter, sowie der aus öffentlichen Wahlen hervorgegangene: Rechte erkannt werden.

§z 89. Ein Deutscher, welcher vorsätzlich während eines gegen das Deutsche Reich ausgebrochenen Krieges einer feindlichen Macht Vorschub leistet oder der Kriegsmacht des Deutschen Reichs oder der Bundesgenossen desselben Nachtheil zufügt, wird wegen Laudesverraths mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren bestraft.

3 30. Lebenslängliche Zuchthausstrafe tritt im Falle des 889 ein, wenn der Thäter 1) Festungen, Pässe, besetzte Plätze oder andere Vertheidigungsposten, ingleichen Theile oder Angehörige der deutschen oder einer verbündeten Kriegsmacht in feindliche Gewalt bringt; 2) Festungswerke, Schiffe oder Fahrzeuge der Kriegsmarine, öffentliche Gelder. Vorräthe von Waffen, Schießbedarf oder an⸗ deren Kriegsbedürfnissen, sowie Brücken, Eisenbahnen, Telegraphen und Transportmittel in feindliche Gewalt bringt oder zum Vortheile des Feindes zerstört oder unbrauchbar macht; 3) dem Feinde Mann— schaften zuführt oder Angehörige der deutschen oder einer verbün— deten Kriegsmacht verleitet. zum Feinde überzugehen; 4) Operations— pläne oder Pläne von Festungen oder festen Stellungen dem Feinde

mittheilt; 3) dem Feinde als Spion dient oder feindliche Spione aufnimmt, verbirgt oder ihnen Beistand leistet, oder 6) einen Auf— stand unter Angehörigen der deutschen oder einer verbündeten Kriegs macht erregt. In minder schweren Fällen kann auf Zuchthaus nicht unter zehn Jahren erkannt werden.

§ 123. Für die Untersuchung und Entscheidung in erster und letzter Instanz in den Fällen der in den K 1 und 3 vorgesehenen Verbrechen ist das Reichsgericht zuständig. Die Militärgerichtsbarkeit wird hierdurch nicht berührt.

Dem Entwurf ist folgende allgemeine Begründung beigegeben:

Der Schutz, welchen das bestehende Recht gegen die Auskund—⸗ schaftung und den Verrath militärischer Geheimnisse gewährt, hat sich in mehrfacher Beziehung als ungenügend herausgestellt. Die ein— schlägige Bestimmung des geltenden ir gh d . ... lautet:

Wer vorsãätzlich Staatsgeheimnisse oder Festungspläne, oder

solche Urkunden, Actenstücke oder Nachrichten, von denen er weiß,

daß ihre Geheimhaltung einer anderen Regierung gegenüber für das Wohl des Deutschen Reichs oder eines Bundesstaats erfer⸗ derlich ist, dieser Regierung mittheilt oder öffentlich bekannt macht, wird mit Zuchthaus nicht unter zwei Jahren bestraft. . Sind mildernde ümstände vorhanden, so tritt Festungshaft nicht unter sechs Monaten ein.“ —.

Diefe Vorschrift zeigt zunächst den augenfälligen Mangel, daß außer der Veröffentlichung von geheim zu haltenden Dingen nur die Mittheilung derselben an eine fremde Regierung unter Strafe gestellt wird. Hierdurch werden sonstige sehr wohl denkbare Fälle des Ver⸗ raths gar nicht getroffen, außerdem aber ausweislich einer Reihe vor dem Reichsgericht stattgefundener Verhandlungen für den Beweis des Verbrechens oft unüberwindliche Schwierigkeiten geschaffen, da die Spionage regelmäßig durch Mittelspersonen betrieben wird, die ent⸗ weder Beziehungen zu einer fremden Regierung überhaupt nicht besitzen, oder, wenn sie solche haben, ihre Beziehungen zu der von ihnen be⸗ dienten fremden Regierung leicht zu verbergen im stande sind. ;

Eine noch fühlbarere Lücke des Strafgesetzbuchs liegt darin, daß es eine allgemeine Bestimmung gegen die gefährliche Thätigkeit der jenigen, welche in landesverrätherischer Absicht die im Stagtsintere geheim zu haltenden Thatfachen und Gegenstände auskundschaften und fammeln, d. h. gegen die Spionage an sich, überhaupt nicht enthält. Es kommt in diefer Beziehung, abgesehen von den nur nach Aushru z eines Krieges anwendbaren Bestimmungen im 8 8.70 und im ö. Nr. 4 und 5 des Strafgesetzbuchs, nur die Vorschrift im Nr. J desselben in Betracht, nach welcher mit Geldstrafe bis zu ein— hundertfünfzig Mark oder mit Haft bestraft wird:

„wer ohne besondere Erlaubniß Risse von Festungen oder ein⸗

zelnen Festungswerken aufnimmt oder veröffentlicht. ö

Daß diese Vorschrift bei ihrer beschränkten Anwendbarkeit ö dem geringen Strafmaß völlig unzureichend ist, bedarf keiner weiter * Ausführung. Die Spione bleiben daher zur Zeit in der Regel stra] fos, fofern' sie nicht des im 8 92 Rr. 17 des Strafgesetzbuchs . sehenen Verbrechens beziehentlich eines Verfuchs desselben oder de Theilnahme überführt werden können. ten

Dieser Zustand ist unhaltbar. Es erscheint vor allem geboten,

3 Mittheilung an Andere Gebrauch zu machen, wird mit

auch garnicht in der Lage, beispielsweise dem Wunsch des Herrn Ab—

sich verschafft, davon zu einer die Sicherheit des Deutschen Reichs

die Spionage als solche obne Rücksicht auf ihren Zweck oder Grfolt

nter Strafe zu stellen, wie es schon die frühere preußische Gesetz ung . 436 II Tit. 20 88 129 ff) gethan hatte. ;

Der , Entwurf bezweckt, die bezeichneten Lücken des Strafgesetzbuchs dem dringendsten Bedürfniß entsprechend wenigstens msoweit auszufüllen, als es sich um militärische Geheimnisse, d. h. solche Geheimnisse handelt, bei denen das Interesse der Landes- vertbeidigung in Frage stebt. Auf diesem Gebiet erscheint es aber im Hinblick auf die hohen in Frage stehenden Güter erforderlich, eben dem vorsätzlichen Verrath und dem Ansichbringen von Geheim— missen auch die fahrlässige Bloßstellung derselben und gewisse die Bahrung derselben gefährdende Handlungen vorzusehen.

Der Entwurf folgt hierin dem Vorgang ausländischer Gesetz⸗ gebungen, welche mehrfach in neuerer Zeit, dem gleichen Bedürfnisse

*

Fechnung tragend, theils in Specialgesetzen, theils bei Neucodification des Strafrechts einen erweiterten Schutz gegen den Verrath militärischer Geheimnisse herbeigeführt haben.

Der Entwurf läßt im übrigen die Vorschrift des 92 des Straf— gesetzbuchs unberührt, insoweit sie sich auf andere als militärische Ge— beimnisse und auf den gegen einen Bundesstaat gerichteten Landes⸗ verrath bezieht.

gen zugegangen: Im Falle eines Krieges oder wenn der Ausbruch eines droht, kann bei Gefahr eines feindlichen Angriffs jeder General den ihm unterstellten Corpsbezirk Die gleiche Befugniß steht dem einer Festung für deren Bereich zu.

§ 2. Auch außer dem Falle des 5 1 kann für den Fall eines Aufruhrs, bei dringender Gefahr für die öffentliche Sicherheit, der Belagerungszustand erklärt werden. Die Erklärung geht vom Statt— kalter aus, kann aber vorläufig, vorbehaltlich der durch den Statthalter nach Anhörung des commandirenden Generals auszu« srrechenden Bestätigung oder Beseitigung, in besonders dringenden Fällen rücksichtlich einzelner Orte oder Landestheile durch den sbersten Militärbefehlshaber in denselben auf den Antrag des Bezirks-Präsidenten oder des Kreis⸗-Directors wenn jedoch Gefahr im Verzuge ist, auch ohne diesen Antrag erfolgen. In Festungen geht die vorläufige Erklärung des Belagerungszustandes rem Commandanten (Gouverneur) aus.

2

§ 3. Die Erklärung des Belagerungszustandes ist in den durch Truppen besetzten Orten bei Trommelschlag oder Trompetenschall zu verkünden; der in Belagerungszustand erklärte Bezirk ist dabei zu be— jeichien. Außerdem erfolgt die Verkündung durch öffentlichen An— schlag oder durch ein öffentliches Blatt, welches zu amtlichen Be— kanntmachungen für das in Belagerungszustand erklärte Gebiet be— stimmt ist. Gleichzeitig ist eine besondere Mittheilung an die Ge— meindebehörden zu veranlassen.

s 4. Mit der ersten in Gemäßheit des § 3 Absatz 1 oder 2 erfolgten Verkündung treten in dem in Belagerungszustand erklärten Gebiet, bis zur Aufhebung des Belagerungszustandes, die in den 58 5 ois 10 bezeichneten Wirkungen ein. ö.

§ 5. Die vollziehende Gewalt geht auf die Militärbefehlshaber über. Die Civilverwaltungs- und die Gemeindebehörden haben den Anordnungen der Militärbefehlshaber Folge zu leisten. Die letzteren sind für ihre Anordnungen persönlich verantwortlich. .

S5. Die Militärbefehlshaber sind, ohne an die sonst bestehenden Beschränkungen der Gesetze gebunden zu sein, befugt, soweit es zur Aufrechterhaltung der offentlichen Sicherheit oder Ordnung er— forderlich erscheint: 1) Verhaftungen, Durchsuchungen und Beschlag— nahmen anzuordnen, 2) bestimmten Personen den Aufenthalt in dem in Belagerungszustand erklärten Gebiet oder in Theilen desselben zu umntersagen, 3) die Herstellung, Veröffentlichung und Verbreitung von Druckschriften, sowie Zas Abhalten von Versammlungen zu verbieten. S7. Die im Militärstrafgesetzbuch für strafbare Handlungen im Felde gegebenen Vorschriften (Kriegsgesetze) treten in Kraft. Das— selbe gilt von den im Artikel LY des Einführungsgesetzes zum Straf— Fsetzkuch vom 30. August 1871 (Gesetzblatt für Elsaß⸗-Lothringen S. 255) vorgesehenen Strafverschärfungen.

8 8. Wer der bewaffneten Macht bei Ausübung ihres Dienstes durch offene Gewalt und mit Waffen versehen Widerstand leistet oder in gleicher Weise dieselbe angreift, wird mit dem Tode bestraft. In minder schweren Fällen kann auf Zuchthaus nicht unter zehn Jahren eckannt werden.

§8 9. Mit Gefängniß bis zu einem Jahre, insefern nicht nach anderen Bestimmungen eine höhere Strafe verwirkt ist, wird bestraft, wer 1) wissentlich falsche Gerüchte ausstreut oder verbreitet, welche reeignet sind, die Behörden hinsichtlich der Maßnahmen zum Schutze et, cffentlichen Sicherheit oder Ordnung irre zu führen, 2) einer bei Ftklärung des Belagerungezustandes oder während desselben vom Uilitãrbefehls haber zum Schutze der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung getroffenen Anordnung zuwiderhandelt, 3) zu einer straf— ren Handlung auffordert oder anreizt, für welche dieses Gesetz die Zuständigkeit von Kriegsgerichten vorsieht, 4) Personen des Soldaten⸗ Undes zu strafbaren Handlungen gegen die militärische Zucht und Ordnung zu verleiten sucht. . SI10. An Stelle der ordentlichen Gerichte können Kriegsgerichte n esetzt erden. Die Einsetzung derselben steht dem eommandirenden . für Festungen und deren Bereich auch dem Commandanten Gouperueur) zu.

64 Die Kriegsgerichte sind zuständig für die in den 558 8,9 96 gGeseh es in den 80 bis 95. 110 bis 122. 124 125, 127, 1h 14, 211, 249 bis 251, 254, 255, 306 bis 308, 311 bis 313, Il, Il7, 321 bis 324 des Strafgesetzbuchs und in den 1 bis 5 . gegen den Verrath militärischer Geheimnisse bezeichneten shafbaren Handlungen, insofern dieselben nach der Verkündung des Belagerungszustandes begangen sind.

Mit Lig? Die Kriegsgerichte entscheiden in der Besetzung von fünf e tglie gern, on denen zwei angestellte Richter und drei Offiziere ö Die richterlichen Mitglieder und deren Stellvertreter . J, Präsident des Landgerichts, in dessen. Bezirk das . 6 r , hat. Ist die erforderliche Zahl von Richtern . . ö und stehen der Zuziechung anderer Richter un⸗ nd i ö Din ernisse entgegen, so hat der das Kriegsgericht einsetzen de . e n er für einen fehlenden Richter einen Civilverwal— ungsbeamten, für zwei fehlende Richter einen Civilverwaltungsbeamten und einen Auditeur als richterliche Mitglieder des Kriegsgerichts zu . * . K Mitglieder werden vom Militärbefehls⸗ . . 4 an we chem das Kriegsgericht zusammentritt, in n, m Commandanten (Gouverneur) bestimmt. Sie sollen ,. Hauptmannsrang haben. Fehlt es an Offizieren dieses er eines höheren Ranges, so ist die Zahl der militärischen Mit— glieder aus Offizieren des nächst niederen Ranges zu ergänzen.

§ 13. Den Voersitz in den Sitzungen des Kriegsgerichts führt

9 liche Mitglied, welches dem anderen, im Dienstrange vor- r . Dienstrange das nach dem Dienstalter bei gleichem . , ö. nach der Geburt ältere. Von dem Vorsitzenden werden a. . iedern des Gerichts bestimmten Offiziere und eintretenden . an, en gichterlichen. Mitglieder, welche dem Richterstande nicht

, , ei ihrer ersten Dienstleistung dahin vereidigt, aß, fie die Obliegenheiten des ihnen übertragenen Richteramts mit

. 9 Ma ft! ö . . 8 4 2 ö! * ssenhaftigkeit und Unparteilichkeit den Gesetzen gemäß erfüllen

gie r Nilitärbefeh Shaber, welcher die militärischen Mitglieder des , , ernennt, bestellt als Berichterstatter einen Auditeur liegt ö dessen Ermangelung einen Offizier. Dem Berichterstatter gt o ö über die Anwendung des Gesetzes zu wachen und durch An⸗ Ermittelung der Wahrheit zu fördern. Stimmrecht hat ö Den Dienst des Gerichtsschreibers versieht ein von dem i des Kriegsgerichts zu bezeichnender Gerichtsschreiber oder j e,. zu vereidigender Beamter. . Für das Verfahren vor den Kriegsgerichten gelten folgende

Bestimmungen: 1) Das Verfahren ist mündlich und öffentlich; die Deffentlichkeit kann vom Kriegsgericht durch einen oͤffentlich zu verkündenden Beschluß aus , . werden, wenn dieselbe eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung be⸗ sorgen läßt. 2) Der Beschuldigte kann sich eines Ver— theidigers bedienen. Wählt er keinen Vertheidiger, so muß ihm ein solcher von Amtswegen von dem Vorsitzenden des Kriegs— gerichts bestellt werden, wenn es sich um ein Verbrechen oder um ein solches Vergehen handelt, welches mit einer höheren Strafe als Gefängniß von einem Jahre oder Festungshaft von gleicher Dauer bedroht ist. 3 Der Berichterstatter traͤgt in An⸗ wesenheit des Beschuldigten die demselben zur Last gelegte That vor. Der Beschuldigte wird aufgefordert, sich darüber zu erklären. Nach Vernehmung desselben erfolgt die Beweisaufnahme. Sodann wird dem Berichterstatter zur Aeutzerung über die Ergebnisse der Beweis⸗ aufnahme und die Anwendung des Gesetzes, und zuletzt dem Ver⸗ theidiger und dem Beschuldigten das Wort gestattet. Das Urtheil wird bei sofertiger, nicht öffentlicher Berathung des Gerichts nach Stimmenmehrheit gefaßt und unmittelbar darauf dem Beschuldigten verkündet. 4) Das Gericht erkennt auf Verurtheilung oder Frei⸗ sprechung oder Verweisung an den ordentlichen Richter. Der Frei⸗ gesprochene wird sofort der Haft entlassen. Die Verweisung an den ordentlichen Richter findet statt, wenn das Kriegsgericht sich für nicht zuständig erachtet; in diesem Falle wird zugleich über die Fortdauer oder Aufhebung der Haft entschieden. 5) Sas Urtheil hat den Tag der Verhandlung, die Namen der Mitglieder des Gerichts, den wesentlichen Inhalt der Erklärung des Beschuldigten, die Er— wähnung der Beweisaufnahme, die Entscheidung über die Thatfrage und die Rechtsanwendung, sowie das Gesetz, auf welches das Urtheil begründet ist, zu enthalten und ist von sämmtlichen Mitgliedern des Gerichts zu unterzeichnen. 6) Gegen die Urtheile der Kriegsgerichte findet kein Rechtsmittel statt. Die auf Todesstrafe lautenden Urtheile unterliegen jedoch der Bestätigung desjenigen Militärbefehlshabers, von welchem das Kriegsgericht ein⸗ gesetzt ist, in Friedenszeiten ausschließlich der Bestätigung des com— mandirenden Generals. 7 Die Vollstreckung der von den Kriegs— gerichten ausgesprochenen Strafen bleibt während des vorläufigen Belagerungszustandes bis zur erfolgten Bestätigung desselben (5 2) ausgesetzt. Im übrigen werden die Strafen binnen 24 Stunden nach der Verkündung des Urtheils, die Todesstrafe binnen gleicher Frist nach der Be— kanntmachung der erfolgten Bestätigung an den Verurtheilten voll— streckt. 83) Die Todesstrafe wird durch Erschießen vollstreckt. Ist ein Urtheil, welches auf Todesstrafe lautet, bei Aufhebung des Be— lagerungszustandes noch nicht vollstreckt, so wird, vorbehaltlich der Bestimmung des 5 15 Absatz l, die Strafe von den ordentlichen Ge— richten in diejenige Strafe umgewandelt, welche, abgesehen vom Be— lagerungszustande, die gesetzliche Folge der vom Kriegsgericht als er— wiesen angenommenen That gewesen sein würde.

S 15. Die bei Aufhebung des Belagerungszustandes von den Kriegsgerichten nicht erledigten Sachen sind an die zuständigen ordent— lichen Gerichte abzugeben. Die letzteren haben nach den Strafbestim⸗ mungen in den 8, 9 im übrigen nach den allgemeinen Straf— gesetzen zu erkennen. In den durch die Kriegsgerichte erledigten Sachen sind die Acten an dasjenige Landgericht abzugeben, in dessen Bezirk das Kriegsgericht seinen Sitz hatte.

§ 16. Die Aufhebung des Belagerungszustandes ist durch öffentlichen Blätter (5 3) zur allgemeinen Kenntniß zu bringen; gleich sind die Gemeindebehörden zu benachrichtigen.

§ 17. Die Bestimmungen der 55 3 bis 16 finden auch dann Anwendung, wenn Elsaß⸗Lothringen ganz oder zum theil vom Kaiser in den Kriegszustand erklärt wird. .

§ 18. An die Stelle des 510 des Gesetzes, betreffend die Ein— richtung der Verwaltung, vom 30. Dezember 1871 (Gesetzbl. für Elsaß⸗Lothringen von 1872 S. 49) in Verbindung mit dem 5 2 des Gesetzes, betreffend die Verfassung und die Verwaltung Elsaß— Lothringens, vom 4. Juli 1879 (Reichs-Gesetzbl. S. 165) tritt die folgende Bestimmung: .

Bei Gefahr für die öffentliche Sicherheit ist der Statthalter ermächtigt, alle Maßregeln ungesäumt zu treffen, welche er zur Ab— , der Gefahr für erforderlich erachtet. Er kann insbesondere innerhalb des der Gefahr ausgesetzten Bezirks diejenigen Befugnisse ausüben, welche im Falle der Erklärung des Belagerungszustandes den Militärbefehlshabern zustehen. ö

Zu polizeilichen Zwecken, insbesondere auch zur Ausführung der vorbezeichneten Maßnahmen, ist der Statthalter berechtigt, die in Elsaß-Lothringen stehenden Truppen zu requiriren.

Das Gesetz vom 9. August 1849 (Bulletin des lois Sér. 10 No. 1511) wird aufgehoben.

Die allgemeine Begründung dieses Entwurfs besagt:

Schon seit Jahren ist, namentlich von militärischer Seite, wieder holt auf das Bedürfniß hingewiesen worden, das in Elsaß⸗Lothringen geltende Recht nach der Richtung zu vervollständigen, daß dort für Zeiten unerwarteter kriegerischer Ereignisse oder innerer Unruhen die Herbeiführung eines Verhältnisses, wie es mit dem Kriegs- oder Be— lagerungszustande verbunden ist, erleichtert werde.

Allerdings gilt für Elsaß⸗Lothringen, wie für das ganze Reich,

mit Ausnahme von Bavern, der Artikel 63 der Reichsverfassung, wonach der Kaiser in der Lage ist, wenn die öffentliche Sicherheit bedroht ist, jeden Gebietstheil in Kriegszustand zu erklären und damit die im preußischen Gesetz über den Belagerungszustand vom 4. Juni 1851 geregelten Rechtsfolgen, insbesondere den Uebergang der vollziehenden Gewalt an die Militärbefehlshaber, herbei⸗ zuführen. Auch könnte in Elsaß⸗Lothringen zur Zeit uoch das französische Gesetz „sur l'état de sige“ vom 9. August 1849 An— wendung finden, welches neben dem landesherrlichen Rechte auch eine Befugniß des Commandanten befestigter Plätze („places de guerre et postes militaires“) zur wenigstens proviforischen Erklä— rung des Belagerungszustandes anerkennt. Endlich hat der Kaiserliche Statthalter in Elsaß-Lothringen auf Grund der ihm durch § 2 des Gesetzes vom 4. Juli 1879 in Verbindung mit § 10 des Gesetzes vom 30. Dezember 1871 verliehenen außerordentlichen Vollmachten die Befugniß, bei Gefahr für die öffentliche Sicherheit alle ihm zu deren Abwendung erforderlich scheinenden Maßregeln zu treffen na— mentlich die für den Fall des Belagerungszustandes durch das Gesetz vom 9. August 1849 den Militärbefehlshabern zugewiesenen Ge— walten auszuüben. ö Jedoch können diese Mittel zur Sicherstellung der öffentlichen Ruhe und Sicherheit bei den besonderen Verhältnissen dieses Grenz- landes für ausreichend nicht erachtet werden, insbesondere nicht für den Fall, daß in überraschender Weise die Nothwendigkeit eintreten sollte, den Kriegszustand für weitere oder beschränkte Gebietstheile zu er— klären. In einem solchen Falle liegt die Möglichkeit nahe, daß die seitens des Kaisers zu vollziehende Erklärung des Kriegszustandes durch irgend welche Umstände eine Verzögerung erführe, deren Folgen sich jeder Berechnung entziehen. Die von dem Statthalter ausgehenden Maßregeln würden andererseits, wenn sie auch im äbrigen einer Er⸗ klärung des Belagerungszustandes gleichkämen, gerade diejenige Wirkung nicht haben, die für die an erster Stelle in Betracht kommenden militärischen Interessen die wesentliche ist, nämlich den Uebergang der vollziehenden Gewalt auf die Militärbefehlshaber Das Bedürfniß hierfür ist aber in Elsaß⸗Lothringen dasselbe wie etwa in den preußischen Grenzvrovinzen.

Es erscheint deshalb unabweislich, im Wege der Reichsgesetz⸗ gebung diejenigen Lücken auszufüllen, welche nach dem jetzigen Rechts— zustand in Elsaß- Lothringen gegenüber dem preußischen bestehen, namentlich auch in dem Punkte, daß nicht von anderen Militär⸗ befehlshabern, als den Festungscommandanten, der Belagerungs⸗ zustand mit der Wirkung des Uebergangs der vollziehenden Gewalt auf die Mllitärbehörden proclamirt werden kann. Zugleich ist dabei die Gelegenheit geboten, wenigstens für Elsaß-Lothringen auf dem fraglichen Gebiet einen klaren Rechtszustand zu schaffen, der ins besondere die Wirkungen einer Erklärung des Kriegszustandes durch den Kaiser, die bei Anwendung des preußischen Gesetzes vom 4. Juni

1851 auf nichtpreußische Theile des Reichs in manchen Punkten unsicher sein könnten, außer Zweifel stellt.

Wird auf diese Weise die Uebereinstimmung des elsaß⸗lothrin⸗ gischen mit dem preußischen Rechtszustand im wesentlichen herbei⸗ geführt, 9 dürfte bis zum Erlaß eines allgemeinen Reichsgesetzes über den Belagerungszustand auf Grund des Artikels 635 der Reichs⸗ verfassung dem dringendsten Bedürfniß genügt sein.

Auch in der äußeren Anordnung schließt sich der Entwurf an das bezeichnete Gesetz vom 4. Juni 1851 an.

Entscheidungen des Reichsgerichts.

Ist der Tod des fahrlässig Verletzten erst durch dessen

beharrliche Weigerung, den Rath des zugezogenen Arztes zu befolgen, herbeigeführt worden, so wird, nach einem Urtheil des Reichsgerichts II. Strafsenats, vom 13. Oktober 1891, dadurch nicht die Vestrafung des Thäters wegen fahrlässiger Tödtung ausgeschlossen. M. verursachte, indem er unterließ, bei dem Betriebe seiner Dresch—⸗ maschine die mit dem Göpelwerke verbundene rotirende Triebstange und die daran befestigte Klaue zu bedecken, daß der bei der Maschine beschäftigte Arbeiter T. bei dem Uebersteigen der Triebstange bon der Klaue erfaßt und herumgeschleudert wurde, sodaß er einen schweren Bruch des Unterschenkels erlitt. T. lehnte die von den Aerzten für nothwendig erklärte Amputation des verletzten Beines beharrlich ab und willigte erst darin ein, nachdem in Folge des Hinzutritts von Brand und Blutvergiftung die Todesgefahr auf das höchste gestiegen war. Unmittelbar darauf starb T. an den Folgen der Verletzung. M. wurde wegen fahrlässiger Tödtung angeklagt, die Strafkammer aber verurtheilte ihn nur wegen fahrlässiger Körperverletzung. Auf die Rexision des Staatsanwalts hob das Reichsgericht das erste Urtheil auf, indem es begründend ausführte: „Wenn das fahrlässige Verhalten des Angeklagten bewirkte, daß T. von der Maschine ergriffen und verletzt wurde, sowie daß diese Verletzung in ihrem weiteren Verlaufe zum Tode des Verletzten führte, so objectivirt sich damit die Unterlassung des Angeklagten als die volle Urfache dieses Erfolges in feiner Gesammtheit, da der letztere ohne die Unterlassung nicht eingetreten wäre und nicht eintreten konnte. Daß auch in dem Verhalten Dritter, namentlich des Verletzten selbst, die volle oder theilweise Ursache der Verletzung sich manifestirt, z. B. darin, daß vorliegend vom Getödteten die Triebstange gegen das Verbot überstiegen und die Ampu— tation verweigert wurde, ändert an der Causalität des Erfolges und der Haftbarkeit des Angeklagten für denselben nichts. Es ist nicht folgerichtig, wenn die Strafkammer die Verursachung des Todes durch den Angeklagten verneint, dagegen die der Körperverletzung anerkennt. Die Strafkammer hat unter der vollen Ursache nicht die den ganzen Erfolg umfassende Ursache, sondern die ausschließliche Ursache ver standen, und daß dieses irrig ist, wird auch durch den gesammten Inhalt des Erkenntnisses vom 12. April 1880, dessen Auffassung in der seit⸗ herigen Rechtsprechung constant festgehalten worden ist, bestätigt.“ Die Bestimmungen des Reichsgesetzes, betreffend die Für— sorge für Beamte und Personen des Soldatenstandes in Folge von Betriebsunfällen, vom 15. März 1886, finden, nach einem Urtheil des Reichsgerichts, VI. Civilsenats, vom 22. Oktober 1891, ebensc wie auf die mit festem Gehalt und Pensionsberechtigung, auch auf die diätarisch und commissarisch beschäftigten, unter jederzeitiger Kündigung angestellten Beamten Anwendung. Insbesondere fallen darunter auch die ständigen Posthilfsboten.

Statiftik und Volkswirthschaft.

Roheisenproduetion.

Nach den statistischen Ermittelungen des Vereins deutscher Eisen⸗ und Sta hlindustrieller belief sich die Roheisen—⸗ production des Deutschen Reichs (einschließlich Luremburgs) im Monat Januar 1892 auf 498 375 t; darunter Puddelroheisen und Spiegel⸗ eisen 163 538 t, Bessemerroheisen 29 282 t, Thomasroheisen 160112 und Gießereiroheisen 55 443 t. Die Production im Dezember 1891 betrug 387918 t und im Januar 1891 348 355 t.

. Zur Arbeiterbewegung.

Der Ausstand der Töpfer in Raguhn, der acht Wochen gedauert hat, ist nach einer Mittheilung des „Vorwärts beendet. Die Ausständigen haben erreicht, daß die ihnen auferlegte Lohnkürzung, die den Anlaß zum Ausstande gab, um 6 9 ermäßigt wurde.

Die Gründung des Verbandes zur Besserung der länd— lichen Arbeiter verhältnisse im Königreich Sachsen, dessen bereits in Nr. 44 an anderer Stelle des Blattes Erwähnung geschah, wurde in einer Versammlung von Landwirthen aus allen Theilen des Königreichs Sachsen, die am Sonntag in Leipzig statt— fand, vorgenommen. Der Sitz des Verbandes ist Leipzig; in den Vorstand wurden vorläufig gewählt der Reichstags-Abgeordnete Dr. von Frege-⸗Abtnaundorf, Dr. von Wächter-Röcknitz und Kreissecretär Francke⸗Leipzig.

Hier in Berlin fand am Sonntag eine von etwa 2000 Per⸗ sonen besuchte socialdemokratische Versammlung statt, in welcher der socialdemokratische Reichstags-⸗Abgeordnete Bebel über den „Niedergang des Kleingewerbes“ sprach und eine vom Redner empfohlene Resolution zur Annahme gelangte, die im wesentlichen folgendermaßen lautet: Die Innungsbestrebungen können den Verfall des Kleingewerbes nicht aufhalten und sind deshalb zu verwerfen; der Capitalismus entzieht dem Handwerk immer mehr den Boden; nur eine Aenderung der Productionsweise und Consumtionsweise kann Abhilfe schaffen.

Wie ein Wolff'sches Telegramm aus Wien meldet, hielten gestern zahlreiche beschäftigungslose Arbeiter in Hernals eine Protestversammlung ab gegen jede Verzögerung in der Ausführung der Wiener Verkehrsanlagen. Nach Schluß der Ver⸗ sammlung setzte sich die Menge nach dem Rathhause in Be⸗ wegung. Die Polizei trat dem Zuge bei der Hernalser Linie entgegen und zertheilte ihn unter Vornahme mehrerer Verhaftungen; ein Theil des Zuges schlug Umwege ein und entsendete eine Deputation nach dem Rathhause. Hier waren inzwischen die Gitter geschlossen worden und die Mitglieder der De⸗ putation wurden verhaftet. Der Polizeibericht theilt über die Protest- versammlung folgendes mit: Die Arbeiterversammlung in Hernals, die von etwa 3000 Personen besucht war, wurde wegen aufreizender Reden gegen die gesetzgebenden Körperschaften und den Besitz durch die Behörde aufgelsst. Vor dem Rathhause fanden sich etwa 6060 Arbeiter ein. Hauser, Redacteur mehrerer Arbeiterzeitungen und Führer der Deputation, die den Bürgermeister zu sprechen verlangte, sowie zwölf andere Individuen wurden verhaftet, und die letzteren zu kurzen Arreststrafen verurtheilt. Die Polizei zerstreute die Arbeiter⸗ gruppen ohne Zwischenfall. Bei einbrechender Dunkelheit herrschte auf dem Rathhausplatze und in der Umgebung vollste Ruhe.

Aus Zürich wird der ‚Mgdb. Ztg.“ geschrieben: Der Vorstand des schweizerischen Arbeiterbundes beschloß eine Eingabe an den Bundesrath, betreffend die energische Wiederaufnahme der Be⸗ strebungen für eine internationale Verkürzung der Arbeits zeit. Der Ausschuß des Grütlivereins hat die social⸗ demokratischen Anträge auf Zugehörigkeit des Grütlivereins zur internationalen socialrevolutionären Partei nach hartnäckiger Be⸗ rathung mit knapper Mehrheit zum zweiten Male abgelehnt. Auch der Antrag des Vorstands des schweizerischen Arbeiterbundes auf Schaffung eines eigenen französisch-schweizerischen Arbeiter⸗ secretariats mit dem Sitze in Lausanne wurde abgelehnt.

Aus Brüssel wird der „Frkf. Ztg. über die Verhandlung des socialistischen Arbeitercongresses berichtet, derz in der vor⸗ gestrigen Abendsitzung der allgemeine Ausstand und die geplante

Massenkundgebung in Brüssel am 1. Mai berathen und

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