noch kein Vorwurf, wenn die Vertreter der Industrie bei der Berathung eines sie angehenden Gesetzes dafür sorgten, daß ihre Inkeressen nicht geschädigt würden. Das sei denn auch bei der Verathung der Zolltarifgesetze und der Handelsverträge anftandslos geschehen. In diesem Falle handle es sich aber so gut wie gar nicht um die Interessen der Privatindustrie, sondern um die Interessen der großen Städte. Es wäre am besten, wenn man die Vorlage rein sachlich prüfe; seine Partei werde es jedenfalls thun. Was nun den § 1 betreffe, so sei er in seiner jetzigen Fassung geradezu unbrauchbar. Nach der Auslegung, die ihm in der ommission gegeben worden sei, würde jedwede Permit lung von Nachrichten in die Ferne, auch der unentgeltlichen, durch welche Mittel es auch sei, durch ereits erfundene oder noch zu erfindende Mittel, in die Hände der verbün⸗ deten Regierungen oder der Reichs ⸗Telegraphenverwaltung gelegt. Aus der Fassung des FJ sei dies schwerlich herauszulesen. Darin stehe allein das Wort Hen gear denc tkage Nach dem gegenwärtigen Sprachgebrauch perstehe man darunter nur diejenigen Anlagen, die man als elek— trische Anlagen kennen gelernt habe. Optische Telegraphen habe man nur bei den ö — und diese müßten sich für den optischen Telegraphen erst eine Reichsconcession erbitten. Aber die Sache gehe noch viel weiter. Wenn z. B. das Bureau des Reichstags Veranlassung haben sollte, sich mit dem nebenan liegenden Herrenhaus durch eine elektrische Anlage in Verbindung zu setzen, oder wenn jemand durch das Heraushängen einer rothen oder gelben Fahne einen Anderen zu sich einlade, so falle dies unter den § I. Der Reichstag würde ohne Genehmigung der Telegraphen⸗ verwaltung kein Sprachrohr nach dem Herrenhause anlegen und benutzen dürfen. Dies möge scherzhaft erscheinen, aber im Ernste habe die Volksvertretung keine Veranlassung, für die Zukunft etwas zu monopolisiren, was noch gar nicht erfunden sei. Er wolle ja nicht sagen, daß man neue Mittel nicht monopolisiren solle, aber der Reichstag müsse sich freie Hand lassen. Uebertrage der Reichstag feine Rechte an die verbündeten Regierungen dann babe er sie' auf Nimmerwiedersehen weggegeben. Der Bundesrath lehne 59 die Anträge feiner Partei ab, ohne auch nur die Gründe für seine Ablehnung mitzutheilen! Das Reich leiste den Telegraphendienst nur gegen Bezahlung, aber es sei doch besser, dies noch besonders im Gefetz auszusprechen; die Befürchtung, daß Private eine Telegraphenleitung unentgeltlich benutzen lassen würden, sei wohl unbegründet, und wenn Private hier mit irgend welchen Umgehungen des Gesetzes dem Reiche einen unberechtigten Wettbewerb machen wollten, würde man schon Handhaben genug finden, sie zu be⸗ strafen. Seine Partei sei zu ihrem Antrag ganz ohne Rücksicht darauf gekommen, ob die jetzige Verwaltung gut oder minder gut sei, denn ein Gesetz solle nicht nur für den Augenblick, sondern fuͤr die Dauer gelten, und darum frage seine Partei sich bei jeder einzelnen Be— stimmung, ob sie an und für sich wesentlich, nicht aber, ob sie nur im Augenblick zweckmäßig sei oder nicht. Sie habe in dem ven ihr aufgestellten 5 1 etwas ausgelassen was im S ] der Vorlage enthalten sei, nämlich das ausschließliche Recht der Verwaltung nicht nur zum Betrieb, sondern auch zur Herstellung und Errichtung der Telegraphenanlagen. Jede Verwaltung habe zwar das Recht zur Errichtung der zu ihrem Betriebe nöthigen Anlagen, foweit die ihr zur Verfügung stehenden Mittel, dazu, aus— reichten, oder nach Maßgabe der ihr zu dem Zwecke bewilligten Mittel. Aber warum solle denn nicht auch einmal ein anderer eine Änlage herstellen dürfen? Es bestehe wohl nur die Befürchtung, daß, wenn jemand eine Anlage mache, er sie auch widerrechtlich, benutze; doch darauf ständen ja genügend hohe Strafen. Uebrigens sei es fehr unwahrscheinlich, daß jemand einen Betrieb einrichten werde, den felbst zu benutzen ihm verboten sei. Seine Partei wolle aber nicht den 81 in der Fassung der Vorlage. Denn einmal könnte daraus abgeleitet werden, was vielleicht augenblicklich gar nicht in der Abficht der Regierung liege, daß alle Arbeiten für die Herstellung von Telegraphenleitungen nun auch ausschließlich von der Telegraphenver⸗ waltung gemacht werden müßten; zweitens aber sei dadurch Veran⸗ lasfung zu der Befürchtung gegeben, daß bei dieser Errichtung von der Verwaltung die Interessen anderer elektrischer Anlagen nicht genügend berücksichtigt würden. Die Beziehungen zu den letzteren würden sich ander⸗ weitig leichter regeln lassen, als es durch die Vorlage geschehen solle. Seine Partei habe beantragt, daß den Gemeindeverwaltungen unter gewissen Voraussetzungen die Errichtung des localen Telegraphen⸗ verkehrs überlasfen werden solle. Es sei dies von vielen Gemeinden gefordert, sowohl in ihrem eigenen Interesse als im allgemeinen. Die Stadtverwaltungen hätten ein großes Interesse daran, in ihrem Innern für gute Verkehrsmittel zu sorgen. Es sei aber nicht zu Festreiten, daß, je weiter sich das Telegraphenwesen ausdehne, die Verwaltung ihren Verkehr beschränken müsse, um nicht unnöthiger— weife durch den lokalen Verkehr belastet zu werden. Dieser locale Verkehr sei schon keute so umfangreich geworden, veranlasse so viel Mühe und Arbeit, daß die Verwaltung ihn kaum so betreiben könne, wie er betrieben werden müßte. Es liege im Interesse der Allgemein⸗ heit, die Möglichkeit zu geben, daß der Localverkehr von Privat⸗ unternehmern oder von der Stadt selbst in die Hand genommen werden könne. Auch erfordere der Fernsprechverkehr mit der wei—⸗ teren Entwickelung immer größere Kosten, und das Reich sei nicht in der finanziellen Lage, fortwährend neue Lasten aufzunehmen, die nicht der Allgemeinheit, sondern nur ganz bestimmten Kreisen zu gute kämen. Man habe jetzt schon die Erfahrung gemacht, daß die Laften, die dem Reich durch Heer und Marine erwüchsen, so groß geworden seien, daß es nicht mehr im stande sei, guf dem Gebiet des Verkehrs, namentlich im Eisenbahnwesen, das Erforder— liche zu leisten. Auch aus finanziellen Gründen werde es sich daher empfehlen, der Stadt die Fernsprechanlagen zu überlassen. Der 5 1 in seiner gegenwärtigen Fassung gebe demnach zu den größten Aus⸗ stellungen Anlaß. Die Anträge seiner Partei dagegen beruhten wesent⸗ lich aus einer Reproduction dessen, was sich seit langer Zeit bewährt habe. Er bitte dringend, ihren Antrag an Stelle des 8 1 der Vor— lage anzunehmen.
Staatssecretär Dr. von Stephan:
Meine Herren! Der Herr Vorredner begann damit, zu er— wähnen, daß der Entwurf des Gesetzes über das Telegraphenwesen des Deutschen Reiches in weiten Kreisen Beunruhigung hervorgerufen hätte; er setzte aber in demselben Moment hinzu, die heutige Be— setzung des hohen Hauses scheine dem freilich nicht zu entsprechen. Nun, meine Herren, der letzte Satz widerspricht dem ersten, den der Herr Vorredner aufgestellt hat. Ich muß sagen, obwohl das Publikum nach meinen Erfahrungen nicht blöde ist, sich mit Be— schwerden an die Post- und Telegraphenverwaltung zu wenden, so habe ich bisher von irgend einer Beunruhigung in weiten Kreisen nichts wahrgenommen (sehr richtig! rechts), wohl aber von einer starken Beunruhigung in gewissen Kreisen der Großindustrie und des Caxitals, denn die Stärke steht hier im umgekehrten Verhältniß zur Weite. (Sehr wahr! rechts.) Eine Beunruhigung besteht allerdings zum Theil auch, ich räume das ein, in den Kreisen einiger Städte, aber, wie sich nachher ergeben wird, namentlich bei 8 7, auf welchen der Herr Vorredner vorgegriffen hat — hierin will ich ihm nicht nachahmen Diese Beunruhigung ist indeß ohne Grund, wie ich später erörtern werde.
I Dann hat der geehrte Herr Vorredner eine retrospective Be⸗ trachtung angestellt über den Sinn und die Bedeutung der Bestimmung in Artikel 43 der deutschen Reichsverfassung. Er hat freilich, und das erkenne ich an, gleich gesagt, diese Betrachtung wäre wohl überflüssig, da doch die große Mehrheit des hohen Hauses, auch seine Parteigenossen, sowie die Herren von der Socialdemokratie entschlossen seien, dem Reiche das Monopol sowohl auf das Telegraphen⸗ wie das Fernsprechwesen zu bewahren. Ich würde mich also damit beruhigen können, daß er anerkannt hat, diese ganzen rückblickenden
Betrachtungen wären eigentlich überflüssig. Eins aber mõchte ich doch erwähnen: die geringe und eingeschränkte Bedeutung, die er dem Art. 48 der Reichsverfassung zuschreibt, besitzt der Artikel nimmer— mehr; denn er spricht aus, daß das Post- und Telegraphenwesen des Deutschen Reichs als einheitliche Staatsverkehrsanstalten verwaltet werden sollen, und er geht ganz einfach von der ratio aus, — dieser Gesichtspunkt ist wichtig, ich komme nachher bei Besprechung des speciell vorliegenden Antrags zu 51 noch einmal darauf zurück —, daß das Schnellnachrichtenwesen unmittelbar unter der Macht der Regierung stehen muß, wie das ja die Sicherheit des Vaterlandes in Friedens- und Kriegszeiten, die Wohlfahrt der Nation, die gewaltigen Interessen, die sich für Handel und Verkehr daran knüpfen, jederzeit erheischen. (Sehr richtig! rechts) Es ist also in diesem Artikel 4, weder von der Elektricität, noch von der Optik, noch von der Akustik die Rede. Cs heißt: Telegraphie, also ein viel weiterer, größerer Dẽfff zTTerektrische Telegraphie, auf welche der Herr Vorredner und ein Theil seiner Parteigenossen, vielleicht nicht einmal alle, diese Bestimmung zurückführen möchten. Es hat demnach in der That ein PMeonopoi des Reichs durch den Artikel 48 festgesetzt werden sollen. Ich will einmal dem Herrn Vorredner in seiner Deduction folgen, wo er sagt: es ist nicht die Absicht gewesen, ein Monopol Fr ifsẽllen der Staat soll im Gegentheil nur 1den Betrieb haben, aber keine Rechte. Glauben Sie denn, verehrter Herr Abgeordneter, Ra Tas Königreich Preußen sein Pestregal, welches es seit Jahr— hunderten rechtlich und thatsächlich besessen hat, im Jahre 1870 oder Dr beim Norddeutschen Bund . denn der Artikel fndet sich auch TT norddeutschen Bundesverfassung — ganz freiwillig hergegeben haben würde? (Zuruf links.) Davon kann keine Rede sein, und aus dieser Vorlage erseyen Sie nur die erneute Bestätigung der Absicht, welche schon damals vorgewaltet hat; darüber sollte man nicht mehr discutiren. (Zuruf links.)
Nun möchte ich, meine Herren, vor allen Dingen dagegen pro— testiren, als ob mit dem Gesetzentwurf eine Schädigung der Privat— in dustrie beabsichtigt würde. Ich bitte, hier nur eins festzuhalten: es ist ja eine ganz bekannte Art, die Sachen immer so zu wenden, als ob Sie es hier mit der Reichs-Telegrapenverwaltung zu thun hätten, das ist nicht der Fall, wir haben es mit den verbün— deten Regierungen zu thun, mit einer Vorlage, die aus dem Schoße des Bundesraths hervorgegangen ist und von sämmtlichen Regierungen Ihnen gegenüber vertreten wird, und es ist ein rein zufälliger Umstand, daß ich nun gerade hier beauftragt bin, als Chef der Telegraphenverwaltung diese Vertretung in der Hauptsache zu führen. Ich möchte also vor allen Dingen namens der verbündeten Regierungen hier feierlich Verwahrung dagegen einlegen als ob irgend⸗ wie von der Reichs-Telegraphenverwaltung (und in diesem Augen— blicke betrachte ich die Reichs-Telegraphenverwaltung unter mir, als Mitglied des Bundesraths, stehend) geplant würde, der Privatindustrie Schaden zuzufügen. Ich würde der erste sein, der die Reichs—⸗ Telegraphenverwaltung daran hindern würde. Wie kann man über— haupt annehmen, daß eine Regierung heutzutage in der Welt existirt, die die Privatindustrie schädigen will? eine blühende Privatindustrie, der wir alles mögliche gute Gedeihen wünschen; davon kann absolut keine Rede sein, vollends jetzt, wo hie und da eine Industrie darnieder⸗ liegt! Der beste Beweis dafür ist ja, daß Deutschland bereits unter den bisherigen Bestimmungen, also ohne dieses Gesetz, 3900 elektrische Privatanlagen zu Kraftübertragung, zu Beleuchtungs⸗ zwecken, zur Elektrolyse besitzt; diese haben sich ganz freudig entwickelt, ohne daß in einem einzigen Falle die Reichs⸗Telegraphen⸗ verwaltung irgendwie hindernd gewesen wäre. Ich fordere Sie her— aus, hier den Fall nachzuweisen, wo man eine solche Anlage verhindert hat; man mag einer solchen Anlage hier und da ein paar hundert oder tausend Mark Kosten auferlegt haben, damit verhindert werde, daß durch dieselbe das wichtige Geschäft des Telegraphirens gestört wird; das ist vielleicht der Fall gewesen, aber verhindert haben wir keine einzige. Von 3800 Anlagen — es werden zur Zeit wohl schon 4000 sein, denn die Zahl 3900 stammt aus dem vorigen Dezember — sind über 3800 für elektrische Beleuchtungszwecke, 20 für elektrolytische Zwecke und 45 für Kraftübertragung. Ich wiederhole, es ist nicht ein Fall vorgekommen, wo der Reichs-Telegraphenverwal— tung auch nur im entferntesten in den Sinn gekommen wäre, der elektrotechnischen Industrie ernstliche Schwierigkeiten zu machen oder gar sie absichtlich zu hindern.
Ich komme nun nach diesen allgemeinen Betrachtungen, die ich nicht gemacht haben würde, wenn ich mich nicht auf dem Standpunkte der Abwehr befände, zu dem Antrag, der hier eigentlich zur Discussion steht, nämlich dem Antrag der Herren Abgg. Schrader, von Bar, Friedländer u. s. w., dessen Wesen ja dahin geht, den Begriff Tele— graphie, wie das der Herr Abg. Schrader richtig erläutert hat, im 5s 1 auf den Begriff der elektrischen Telegraphie einzuschränken. Das ist aber falsch, meine Herren. Ich möchte zunächst sagen, daß wir in dem Antrag ja einem alten Bekannten begegnen, ich kann leider nicht sagen, einem guten alten Bekannten, und ich glaube, daß ich mich hierin in Uebereinstimmung mit der Mehrheit des hohen Hauses befinde. Sie haben ihn eingebracht voriges Jahr bei der Commission in der ersten Lesung, dann in der zweiten Lesung, ferner beim Plenum voriges Jahr, dann jetzt wieder bei der neuen Commission in der so— genannten dritten Lesung und endlich hier wiederum im Plenum. Man kann von dem Antrag nicht sagen, daß er für unsere Sache schlechter geworden wäre. Im Gegentheil, er hat sich immer mehr zu unseren Gunsten verändert. Ich habe den Wortlaut dieser 4 Anträge verglichen, und ich habe das Gefühl: eigentlich ist es doch schade, daß die Commissionsberathungen schon zu Ende sind; wenn wir noch ein Jahr gesessen haben würden, dann würden die Anträge sich immer mehr unseren Wünschen und Auf⸗ fassungen genähert haben (Heiterkeit) und wir wären schließlich zu dem von dem Herrn Abg. Schrader so sehnlich herbeigewünschten Ein— verständniß gelangt. Im wesentlichen aber haben Sie den Kern des Antrages aber doch wiederholt, und ich kann sagen, durch diese Wieder— holung ist er uns nicht schmackhafter geworden. Das decies repetita placebit paßt hier nicht. Denn gesetzt, wir könnten bei § 1 darüber hinwegkommen, so schränken Sie nachher das, was Sie uns in §1 einräumen, nämlich ein Regal auf Telegraphie und Fernsprechwesen, wieder ein. Wenn Sie sagen, es handelt sich hier nicht um einen Parteistandvunkt, so bin ich sehr dank— bar dafür, daß Sie das Interesse des Reichs im Auge haben wollen; aber in cauda venenum, denn das Regal wird durch die folgenden Paragraphen sehr eingeschränkt, und diese Einschränkungen schärfen sich immer mehr zu bis zu dem berühmten § 7a und
schließlich bleibt, nachlem Sie uns im § 1 ein blühendes und lachendes Gefilde gezeigt haben, nichts übrig als eitel Luft und Nebel, in die sich diese fata morgana aufgelöst hat. (Heiterkeit) Das Reichsregal zerfließt uns unter den Händen, und unter diesen Um— ständen kann ich es Ihnen nicht sehr hoch anrechnen, daß Sie im § 1 das Regal für Telegraphie und Telephonie gewähren wollen.
Ich komme nun auf den Punkt wegen der elektrischen Telegraphie. Das mag ja für jemanden, der nicht Anlaß gehabt hat, die Sache genauer studiren zu müssen, etwas Verlockendes haben. Aber, meine Herren, da muß man sich doch sagen, daß, wie ich schon vorhin erwähnte, der Art. 48 der Reichsverfassung die Absicht hat, den Schnellnachrichten verkehr für das Reich zu monopolisiren und zwar so, daß das Reich jederzeit darüber die Hand halten kann und es auch muß, wie es in allen anderen Staaten der Fall ist. Nun giebt es ja augenblicklich hauptsächlich nur die elektrische Uebertragung, aber es hat die optische gegeben, sie besteht ja auch heute noch, und ich will hier gleich die Bemerkung erledigen, die der Herr Abg. Schrader machte: die Verwaltung wäre ja, wenn dieser § J durchginge, in der Lage, alle optischen Signale auf den Eisenbahnen, das Ausstecken von Fahnen, das Einschlagen eines Nagels, das Anlegen einer Klingel von hier nach dem Herrenhause zu verhindern. Ja, verehrter Herr Abgeordneter, haben Sie denn den 83 nicht gelesen? Darin stehen ja alle diese Ausnahmen, zu denen die Unternehmer nicht einmal der Concession bedürfen; also das ist ein offenbarer Lapsus, der Ihnen passirt ist, und das kann ja vorkommen, namentlich wenn man sich so lange mit einer Sache beschäftigt hat, bis man irre wird. Ab⸗ gesehen hiervon, giebt es in der That optische Signale noch heute, sie haben sich seit früher, wo die optische Telegraphie ein mechanisches Instrument war, welches Zeichen bewegte, die von einem erhöhten Gegenstand, Thurm, Berg, Baum gesehen wurden, wesentlich verbessert. Wir haben jetzt mit den Reverberen die optischen Signale, die, wenn die Drähte zerschnitten sind, eine sehr bedeutende Rolle spielen können, und von denen man, ebensowenig wie von den akustischen Signalen, noch nicht weiß, welche Zukunft ihnen bevorsteht. Es kann bei der Lebendigkeit des Entdeckungsgeistes unserer Zeit der ganze Bereich der fünf menschlichen Sinne hineingezogen werden können. Wer will das alles voraus übersehen können? Nun sagen Sie, dazu ist dann immer noch Zeit, dann kann das Reich, wenn es nöthig sein sollte, das Regal immer noch durch Gesetz bekommen. Nein, meine Herren, das ift eine Brücke, auf die ich doch nicht treten möchte, die scheint mir recht wackelig zu sein; denn ehe ein Gesetz zu Stande kommt — das sehen Sie an diesem harmlosen Telegraphengesetz — (Heiterkeit), haben sich Privat- oder Actiengesellschaften einer solchen Erfindung bemächtigt und die Interessen des Reiches können so erheblich ge— fährdet sein, daß das nachher garnicht wieder gut zu machen ist. Glauben Sie nicht, daß das, was ich gesagt habe, theoretisch und aus der Luft gegriffen ist; das liegt gar nicht in meiner Art. Ich habe sehr positive Thatsachen dafür anzuführen, vor allen Dingen, was vor Ihrer aller Augen liegt, die Entwickelung des Fernsprechwesens. Wohin ist es denn gekommen in anderen Ländern? Der Fernsprecher ist eine derjenigen neuen Erfindungen, wie sie beim heutigen Er— findungsgeist jeden Augenblick auf der Oberfläche unserer Cultur erscheinen können. In allen Ländern bemächtigten sich sofort die Privatgesellschaften des Fernsprechers, und jetzt müssen die Staaten, die das geduldet haben und haben dulden müssen, weil die Gesetz= gebung ihnen nicht eine Handhabe dagegen gab, mit schweren Opfern alle diese Anstalten aufkaufen. (Hört! hört! rechts Ich will Ihnen mittheilen, was auf dem Frankfurter Congresse gesagt worden ist. Ich lese es nicht gern vor, weil darin meiner Person gedacht ist, aber ich bitte Sie, es mir zu gute zu halten, da ich, wie ich vorhin sagte, auf den Standpunkt der Abwehr mich gedrängt sehe. Auf diesem Congreß sagte einer der englischen Abgesandten, indem er bedauerte, daß das englische Fernsprechwesen weit hinter dem deutschen zurückstehe, und daß die englische Regierung jetzt so große Opfer werde bringen müssen, Folgendes:
Für Sie in Deutschland ist dieser Vorschlag Verstaatlichung des Fernsprechers) gegenstandslos; Sie können mit Stolz auf die Thatsache hinweisen, daß an der Spitze Ihrer Verwaltung ein Mann steht, der gleich beim ersten Bekanntwerden des Fernsprecherẽ die unermeßliche Bedeutung desselben als neues Verkehrsmittel erkannte, und der, lange bevor die Regierung irgend eines anderen Landes an eine sosche Verwendung nur dachte, das wunderbare neue Instrument für die Verwaltung durch den Staat in Anspruch nahm und seine ganze Energie daran setzte, es allgemein einzuführen. Seitdem ist das Fernsprechwesen durch die aufgeklärte deutsche Postverwaltung in einer Weise entwickelt worden, welche Sie mit gerechtem Stolz erfüllen muß.
Wie ich schon erwähnte, ist es mir nicht sehr angenehm, das hier öffentlich zu citiren. Wenn man einmal einen wirklichen Erfolg gehabt hat, so macht der den Menschen demüthig; ist das nicht der Fall, so ist es entweder nicht der rechte Mensch oder nicht der rechte Erfolg. Ich wollte das obige Beispiel nur anführen, um Sie zu widerlegen, wenn Sie sagen: wir können uns auf die elektrische Telegraphie beschränken und alles Andere weglassen. Ich bin anderer Meinung. Wo steht denn in Art. 48 der Verfassung etwas von elektrischer Telegraphie, da steht nur Telegraphie, und darin ist aller Schnellnachrichtenverkehr begriffen. .
Zum Schlusse sagte der Herr Abgeordnete — und das hat ja etwas Richtiges und Verlockendes — wer kann wissen, was noch alles erfunden wird, wie können wir dem Reich ein so um fassendeẽ Monopol geben; wir geben da wichtige Rechte aus der Dand, nämlich das Gesetzgebungsrecht für unübersehbare Eventualitĩten welche auf diesem Gebiet infolge neuer Erfindungen eintreten können. Ich weiß recht gut, daß zu weit getriebene Hoffnungen, vielleicht kann man sagen Illusionen, in Beziehung auf die Entwickelung der Elektrotechnik bestehen. Ich gehe jetzt noch nicht näher auf die] Seite der Sache ein, behalte mir aber vor, wenn in 8 7a etwa nr solche Discussion wieder hervorgerufen werden sollte, dann ganz grün lich noch darauf zu antworten; ich bin mit gutem Stein und Sta auf diesem Gebiet versehen. Aber das, meine Herren, möchte ich schen jetzt sagen: wenn so großartige Erfindungen des menschlichen Geiste oder auch Entdeckungen des Zufalls, wie Sie hoffen zu können glauben, kommen sollten, so gebrauche ich ein Wort des Herrn Abg. duciuẽ aus der Commission: Seien Sie überzeugt, dann wird die Gemalt dieser Strömungen, dieser neuen Entdeckungen und Erfindungen eine so große sein, daß alles, was auf diesem Gebiet bis dahin ge z war, also auch dieses Gesetz, einfach hinweggeschwemmt wird, un
daß man dann — dies Vertrauen habe ich zu der Weisheit der künf⸗ tigen Gesetzgeber — schon das Rechte finden wird. Vergessen Sie nicht, meine Herren, auf dem Gebiet der Natur sind die Gesetze zuerst vorhanden und die Bewegungen folgen; auf dem Gebiet der Cultur, des Staates, ist es gerade umgekehrt. Da folgen die Gesetze den Bewegungen. Von der Bewegung geht die Gestaltung aus, und daß es so ist, das ist gut, ja schön, weil in dieser Bewegung das geistige Princip liegt.
Also, meine Herren, ich schließe: Lehnen Sie in Uebereinstim— mung mit der großen Mehrheit der Commission den Antrag der Herren ab, und belassen Sie es bei der Fassung, wie sie in dem Entwurf vorgeschlagen ist. (Bravo! rechts.)
Königlich bayerischer Bevollmächtigter zum Bundesratt, Ober Regierungs⸗Rath Landmann; Er sei ebenfalls genöthigt, sich gegen die Ausführungen des Abg. Schrader in einem Punkte zu wenden. Ir babe behauptet, daß für Bapern und Württemberg kein Monepol deftehe, weil kein besonderes Gesetz erlassen sei, das das Telegraphen— regal für diese Staaten ausspreche, und weil Art. 48 der Reichs⸗ perfassung für diese Staaten nicht gelte. Er erlaube sich, soweit es sich hier um Bayern handele, dem entgegen einiges auszuführen. Vor Allem möchte er feststellen, daß in Bayern die Staatsregierung sich stets im ungestörten und unbestrittenen Besitz des Telegraphen⸗ regals befunden habe, und daß in Bavern. von keiner Seite der Bestand des Telegraphenregals bisher bezweifelt worden sei. Es sei serner anzuführen, daß viele Acte der Gesetzgebung und Verwaltung beständen, aus denen der Bestand des Telegraphenregals für Bayern kervorgehe und zu folgern sei. Allerdings — das müsse er zugestehen ein Gesetz, das ausdrücklich sage: „In Bayern wird, das Tele⸗ graphenregal eingeführt“, sei nie erlassen worden; allein es seien andere Acte der Gesetzgebung und Verwaltung, und zwar zahl reiche Acte vorhanden, die das Telegraphenregal zur Voraussetzung hätten. s sei selbstverständlich hier nicht der Platz, alles anzu— führen; er erlaube sich nur, auf einiges hinzuweisen. Er wolle davon abfehen, inwieweit etwa aus den Gesetzen, die in den Jahren 1848 und 1839 in Bavern wegen des Telegraphenwesens erlassen worden feinen, der Bestand des Regals zu folgern sei⸗ Jedenfalls stehe fest, daß schon im Laufe der nächsten Jahre der Bestand des Regals von der Verwaltung als feststehend angenommen worden sei. Er führe z. B. eine Ministerial⸗Entschließung aus dem Jahre, 1853 an, worin die Be⸗ hörden, um Zweifel über die Zuständigkeit abzuschneiden, angewiesen worden seien, alle Gesuche um Errichtung telegraphischer Betriebe, möchten sie von Privatpersonen, von Corporationen oder Associa— „ticnen ausgehen, dem Ministerium des Handels zur zuständigen Würdigung und Erledigung vorzulegen. Eine gleiche Entschließung sel, nachdem das Telephon in Benutzung gekommen sei, im Jahre 18660 wegen des Televhons erlassen worden, und es habe sich die Ausdehnung des Regals auf das Telephon ganz unbeanstandet voll— zogen. Er erlaube sich weiter zu erwähnen, das. das baye⸗ rische Gewerbsgesetz vom 30. Januar 1868 bestimme, daß dieses Gesetz keine Anwendung finde auf das Telegraphenwesen, und es erkläre sich diese Bestimmung daraus, daß der Gesetzgeber damals ebenfalls das Telegraphenregal als bereits vorhanden ange— nommen habe. Es sei dies festgestellt in den Landtagsverhandlungen über das Gewerbsgesetz im Jahre 1868 und in, den Werken der— jenigen Schriftsteller die dieses Gesetz erläutert hätten. Ein weiterer Umstand, den er anführen möchte, sei eine Bestimmung des Versailler Bündnißvertrages. Wenn unter Artikel 79 1II 8 4 des Versailler Ver— trages bestimmt sei: „Das Königreich Bavern behält die freie selbst⸗ ständige Verwaltung seines Post- und Telegraphenwesens“, so dürfte wohl die Auffassung gerechtfertigt sein, daß für das Recht, das im Ver⸗ trage Bayern vorbehalten seis derselbe Inhalt vorausgesetzt worden sei, wie für das nach Art. 48 der Reichsvoerfassung dem Reich zustehende Recht, also daß durch den Versailler Vertrag auch für Bayern der Bestand des Telegraphenregals formell zum Ausdruck und zur Anerkennung ge— bracht worden sei. Allein er wolle absehen von derartigen weiteren Ausführungen, er erlaube sich nur wiederholt festzustellen, daß in Bayern das Bestehen des Regals im allgemeinen, abgesehen von vielleicht vorgekommenen vereinzelten ibm unbekannten Ausnahmen, nicht bestritten worden sei. Die Regierung befinde sich in ungestörtem Besitz des Regals, und zwar sowohl auf dem Gebiet des Telegraphen⸗ als auch auf dem des Telephonwesens. Es handele sich auch jetzt für Bayern nur um die Sanctionirung eines, bereits vorhandenen Zu⸗ standes. Es handele sich, wenn er ein Bild gebrauchen dürfe, nur darum, auf die Urkunde, die bereits unterzeichnet sei, noch das Siegel zu drücken.
Abg. Schmidt-Fraukfurt (Soc.): Als der Bundesrath dieses Gesetz geprüft habe, werde er sich ja wohl auch gefragt haben: wie diese Bestimmungen auf die Socialdemokratie wirken, ob sie ihren Bestrebungen nicht Nahrung verleihen würden? Denn es handele sichẽ hier um Verstaatlichung. Die Socialdemokraten gälten ja allge⸗ mein als eingefleischte Verstaatlicher. Die Ansichten über ihre Be⸗ strebungen ließen sich in zwei große Kategorien bringen: Einmal age man, abgesehen von Kleinigkeiten, wie Ehe und allgemeine Theilerei —ů sie wollten alles zu Grunde richten; diese Ansicht herrsche besonders auf der rechten Seite. Die andere Meinung, daß sie alles verstaatlichen wollten, werde von der linken Seite vertreten. Aber diese Ansichten seien durchaus falsch. Ihr Ziel sei allerdings, daß sie die Leitung der gesammten Production in die Hände des Staats, der Gesellschaft legen wollten, aber nicht in die des heutigen Staats. Allerdings sei er nun der Ansicht, daß bei der großen Bedeutung des Telegraphenwesens nur der Staat im allgemeinen Interesse seine Leitung übernehmen solle; aber seine Partei wolle dem heutigen Staat gegenüber mit der Gewährung von Monopolen nicht voreilig sein. Dafür habe sie zunächst den Grund, daß die berechtigten Interessen der Arbeiter durch den heutigen Staat als Unternehmer noch weit mehr verkümmert würden, als durch die Pripvatunternehmer. Zum Beweise erinnere er an die kürzlichen Verhandlungen über den Eisenbahn-Etat, und auch der Postverwaltung sel die Sache nicht ganz fremd. Staat. und Priratunternehmer. glichen sich auch darin. daß sie beide aus ihren Betrieben Gewinn ziehen wollten zu allerlei Uurusausgaben. Seine Partei verlange aber, daß der Gewinn aus derartigen Staatsbetrieben den darin Beschäftigten wieder zufließe. Zu diefem Jwecke habe sie in der Commission beantragt, daß die legraphenderwaltung diejenigen Leitungen auszuführen verpflichtet sein solle, die der Reichstag zu errichten beschließe. Sie sei dabei von der Annghme ausgegangen, daß mit der, Geivährung des Regals auch m Reichstage größere Rechte eingeräumt. werden müßten. Viele Städte klagten, daß man bei Einrichtung von Fern⸗ prechanlagen Garantiesummen fordere; diefe Forderungen würden — gen Garantiesummen fordere; diese Forderungen würden ur nachträglich, wenn die erstbenannten Summen zusammengebracht zien, von der Telegraphenverwaltung erhöht. Deshalb wolle seine artei die Entscheidung über solche Anlagen dem Reichstag vor—
klalten. Von den Regierungsvertretern sei eingewendet worden, a der Bundesrath niemals in eine solche Bestimmung willigen verde, weil sie in seine verfassungsmäßigen Rechte eingreife. In wirthschaftlichen Dingen müsse aber den Vertretern des Volkes eine gößere Berechtigung zum Mitbestimmen eingeräumt werden. ö die Dinge jetzt lägen, könne der Reichstag immer i einen Wuns ausfprechen; wenn dieser der Reichs⸗
nber maltung nicht zusage, se werde er niemals perl gnf Noch ein weiterer Grund bestimmes seine Partei, ö. 66 für die Gewährung, des Regals nicht, zu stimmen; chi as Fehlen eines Gesetzes über lleltrotechnisch⸗ Anlagen. Ihm ug . auch die darüber in S 7a aufgenommene Verwahrung 6 pn e. genug. Die Bedeutung der Sleltrotzchnit werde viellei t 39 [, . Seiten zu sehr überschätzt; die Arbeiter würden durch ar tere Ausbreitung der elektrischen Kraftvertheilung nach st nur n, ., ausgesetzt werden. Der Großbetrieb, das Großecapital . 9 ganzen Vortheil einheimsen. Erst die zukünftige d , , . vollen Nutzen daraus ziehen. EGbenso nothwendig ein Gesetz, das die Sicherheit des Publikums gewähr—
leiste. Die Behauptung, daß man erst noch neue Erfahrungen sammeln müsse, scheine ihm nicht stichhaltig; denn wenn man so lange warten wolle, bis einmal die Entwickelung in dieser Richtung auf⸗ höre, so werde man nie zu einem solchen Gesetz kommen, das in anderen Staaten schon bestehe. Bereits seien verschiedene Unglücksfälle emeldet. Wenn die Socialdemokraten gegen die Gewährung des gr n, an sich auch keine Bedenken hätten, weil die Verkehrs—⸗ mittel, sobald sie auf einer gewissen Stufe angelangt seien, am besten durch den Staat verwaltet würden, so werde er für seine Person doch dieses Gesetz aus den angeführten Gründen vorläufig ablehnen.
Abg. Dr. Ha mmacher (nl): Im Gegensatz zu dem Abg. Schrader halte er die Erstreckung des thatsächlichen Reichsmonepols auf das Fernsprechwesen für eine der verdienstvollsten Thaten der Reichs⸗ , r. Der Staatssecretär habe sich vorher mit Recht auf das Urtheil eines Ausländers berufen. Wenn der Staats— secretär seinerzeit nicht den Muth gehabt hätte, von den Bestim— mungen der Verfassung auch für das Fernsprechwesen Gebrauch zu machen, wäre man in Deutschland noch nicht so weit. In anderen Ländern habe man die Entwickelung dieses wichtigen Verkehrszweiges allerdings der Privatindustrie überlassen; aber Ünordnung, schlechter Dienst, Vertheuerung der Gebühren sei die Folge gewesen, und die Staaten hätten die Anlagen schließlich zu theuren Preisen kaufen müssen. Die Freisinnigen wollten die Er— richtung don Telegraphenanlagen“ nicht Reichsmonopol werden lassen, während seine Partei „Errichtung und Betrieb“ solcher Anlagen monopolisiren wolle, denn man errichte solche Anlagen doch nur, wenn man sie auch in Betrieb nehmen wolle. Wenn man auf die posta— lischen Verhäͤltnisse exemplificire, so sei es selbstverständlich nie— mandem verwehrt, sich einen Postkarren zu kaufen und darin herum— zufahren, aber er dürfe keine postalischen Geschäfte damit machen. In der Commission sei seine Partei zu der Ueberzeugung gelangt, daß die Hineinziehung des Fernsprechwesens das Vrinciy des Gesetzes nicht durchbreche und das öffentliche Interesse des Reiches nicht schädige. In einer großen Stadt wie Berlin zum Beispiel ließen sich Fernsprech⸗ und Telegraphenverkehr gar nicht ohne Verbindung mit dem Außenverkehr denken. Daß ein Bedürfniß zu einer anderen Regelung wegen ungenügender Leistungen der Reichsberwaltung vorhanden wäre, sei von keiner Seite be— hauptet. Den Eisenbahnen solle nach den Erklärungen in der Com— mission das Telegraphenwesen wie bisher zustehen. Wenn zwei Nach⸗ barn wie Reichstag und Herrenhaus eine Telegraphenverbindung her⸗ stellten und diefe einen fo harmlosen Charakter trage, wie der Abg. Schrader angedeutet habe, so werde schwerlich die Telegraphen— verwaltung eingreifen. Gehe man aber so weit, wie der Antrag Bar, so liege die Gefahr eines Mißbrauches vor. Wenn man aus dem Gesetze Folgerungen ziehe, welche die Entwickelung der tech— nischen Elcktricität schäbigen könnten, und wenn man behaupte, das Gesetz erweitere die Rechte der Telegraphenverwaltung nach irgend einer Seite, so entstelle man das Gesetz und thue seinem Wortlaut und Geist Zwang an. Es handele sich nur um die Feststellung der thatsächlich bestehenden Rechte. Niemals sei eine solche Summe von Mißverständnissen und Entstellungen an ein Gesetz herangetreten, wie diesmal. Nur daher stamme die große Beunruhigung über dieses Ge⸗— setz. Er befürworte die Aunahme des §] in der Commissionsfassung.
Abg. Graf von Arnim (Rp): Man müsse der Regierung in hohem Grade dankbar sein, daß dieses Gesetz nunmehr endlich zur Beschlußfassung gelange, nachdem sein Zustandekommen durch die Linke ein ganzes Jahr verzögert sei. Das Gesetz habe in weiten Kreisen Mißverständnissen unterlegen, die Petitlonen dazu gingen nicht nur bloß von falschen Voraussetzungen aus, sondern kämen auch zu falschen Schlüssen. Wenn es dem Staatssecretär gelungen sei, durch sein Entgegenkommen und seine Energie das jetzige System als ein einheitliches zu erhalten, so sei es doch nunmehr die höchste Zeit, dem jetzigen, der Rechtsgrundlage entbehrenden Zustande ein Ende zu machen. In England habe der Staat mit großen Opfern die Tele⸗ phonanstalten ankaufen müssen. Auch in Amerika sei man bestrebt, die Privattelegraphie in die Hände des Staatz überzuführen, weil sich dort unerträgliche Zustände herausgebildet hätten. Auch ihm wäre es erwünsfchter gewesen, das Elektrieitätsgesetz gleich— zeitig mit diesem Gesetz zu berathen, aber das Elektricitäts⸗ gesez sei noch nicht reif und das vorliegende Gesetz könne nicht länger hinausgeschoben werden. Die Herren von der Linken wollten, daß Privatperfonen gegen die Versicherung unentgeltlichen Betriebes die Errichtung von Telegraphenanlagen freistehen solle; aber eine Controle darüber, ob diefe Privaten unentgeltlich oder gegen Be— zahlung telegraphirten, würde nicht möglich sein. Wenn den Ge— meinden das Recht gewährt werde, Fernsprechanlagen zu errichten, so würden fie unter Umständem billiger und bequemer arbeiten als der Staat; aber es läge die Gefahr vor, daß die Gemeinden das Fett abschöpften und die theuren Anlagen der Regierung überließen, namentlich auf dem Lande. Man möge den 1 in der Commissions— faffung annehmen, damit nicht durch den Wettbewerb von Privat⸗ gesellschaften Zustände in Deutschland einträten wie in England und Amerika. Auch im Interesse der Steuerzahler müsse man dagegen arbeiten, daß Privateinrichtungen getroffen würden, die nachher für theures Geld vom Reiche angekauft werden müßten.
Abg. Freiherr von Gagern (Centr.: Seine Partei stehe auf dem Boden der Kommissionsbeschlüsse und wünsche, daß mit dem Zustandekommen dieses Gesetzes die bestehenden Unzuträglichkeiten endlich beseitigt würden. Sie wolle, daß das Reich zu seinem Rechte komme, wie es im Art. 48 der Verfassung bestimmt werde. Art. 48 stelle fest, daß man es hier mit einem Monopol, einem Regal zu thun habe. Seiner Ansicht nach deckten sich die baverischen und württem— bergischen Reservatrechte inhaltlich mit dem Rechte des Deutschen Reschs. Auch in Bayern werde von keiner Seite bezweifelt, daß man es auch dort mit einem Regal zu thun habe. Seine Partei wolle nicht, daß auf Kosten der Allgemeinheit einzelne Unternehmer und auch einzelne Städte den Rahm abschöpften. Der 81 in der Fassung, wie sie der Abg. Schrader wolle, mache das Recht des Reichs illusorisch, das wolle feine Partei nicht, darum stimme sie für den Commissions— antrag. —
Abg. Dr. Giese (cons.) : Seine Partei werde für den Commissions⸗ beschluß und gegen den Antrag Schrader stimmen. Es sei ihr voll— ständig unerfindlich, wie die Herstellung und Errichtung der Telegraphen— anlagen von den Betrieben getrennt werden sollten. Wollte man dem Staat nur das Regal des Betriebs überlassen, so würde man ihm ein unvollkommenes Regal geben. Das wolle seine Partei aber nicht. Sie habe das vollste Vertrauen, daß die Verwaltung dieses Regal in entsprechender Weise üben werde, und deshalb halte sie es sogar für ihre Pflicht, ihr dieses Regal zu überlassen. Man befürchte, daß die Regierung womöglich die ganze Elektricität mono⸗ polifiren, sich zur unbeschränkten Herrscherin der Erde und des Grund und Bodens machen wolle; davon stehe aber in diesem Gefetz kein Wort und der weitere Wortlaut des Gesetzes schließe dieses auch vollständig aus. Seine Partei werde für das Gesetz stimmen.
Königlich württembergischer Bevollmächtigter zum Bundesrath, Staatsrath von Mofer:“ Der Abg. Schrader habe ausgeführt, daß in Württemberg ein Telegraphenregal nicht bestehen solle, weil dafür ein Gesetz nicht vorhanden sei, und Art. 48 der Reichs verfassung auf Württemberg keine Anwendung finde. Allerdings bestehe dort ein dem Regal entsprechender Zustand. Von Seiten der Regierung sei auch in Württeinberg das Telegraphenregal thatsächlich — und zwar, wie er dusdrücklich bemerke, ohne von irgend welcher Seite bestritten zu werden, — in Anspruch genommen worden, Wenn er sich auch noch so vorsichtig ausdrücke, so dürfe er doch sagen, daß aus den Zufammenhang der Artikel 48 und 52, insbesondere aber aus dem Inhalt des Artikels 52 der Verfassung es unzweifelhaft hervorgehe,
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daß die Verfassung mindestens vorausgesetzt habe, es werde das Telegraphenwesen in ganz Deutschland nur als Staatsverkehrs⸗ anstalt erscheinen. Es handele sich also auch in Württemberg darum, dem thatfächlichen Zustand eine rechtliche Grundlage zu geben, und et dürfe hervorheben, daß auch in Württemberg nicht weniger als im übrigen Deutschland hierfür ein Bedürfniß vorhanden sei. Nun sei aber zur authentischen Feststellung und Abgrenzung des Telegraphen
regals auch für Württemberg die Reichs gesetzgebung competent; auch für Württemberg träfen die Bestimmungen des Art. 52 Abs. 2 zu, wonach dem Reich ausschließlich die Gesetzgebung über die Vor⸗ rechte der Post und Telegraphie, über die rechtlichen Verhältnisse beider Anstalten gegenüber dem Publikum zustehe. Es könne nach diefem klaren Wortlaut der Verfassung kein Zweifel darüber bestehen, J n, . 2 n mne daß auch in Württemberg das Telegraphenregal nur auf Grund eines Reichsgesetzes zur Einführung gelangen könne. ; Abg. Dr. von Bar (dfr. beantragt, im 8 1 vor: Vermittlung, einzuschieben: sentgeltliche.. Er bestreite mit dem Staatsrechts lehrer Laband, daß bis jetzt überhaupt ein Monopol bestehe. Nur bei einer ganz willkürlichen Auslegung des Art. 48 der Verfassung könne man ein Telegraphenmonopol herauslesen. Das Pestmonopol beruhe nicht auf diesem Artikel, sondern auf dem Pestgesetz. Werde ein Monopol eingeführt, so müsse dieses Menobol auch, be— stimmte Pflichten des Staats gewisse Rechte des Publikums 1 ; . 2 * ; ficher stẽllen. Die Errichtung von Telegraphenlinien gehöre gar nicht in dieses Gesetz; das englische Gesetz spreche auch nur vom Betriebe der Telegraphenlinien gegen Entgelt. Es sei auch gar keine Gefahr vorhanden, daß die Errichtung von Telegraxhenlinien von Privaten im größeren Umfange vorgenommen werde. Denn dazu 3 dio Mgmt iut'nn . D ryYEο0. —— . würde doch die Benutzung von Straßen und deren Ueberschreitungen nothwendig sein, wozu die Genehmigung nicht ertheilt werden würde. or hm ⸗ . Ene hmig ᷣ. Die Hauptsache sei auch, daß kein Wettbewerber auftrete, der gegen Entgelt den Telegraphenverkehr vermittele. Seine Partei glaube, daß ihr Antrag alles Mißliebige aus dem 8 1 der Vorlage entferne. Nach diesem letzteren müßten z. B. auch zwei Gelehrte, die wissenschaftliche Versuche an Telegraphenleitungen machen wollten, dazu die Genehmigung der Verwaltung nachsuchen. Es genüge vollständig, wenn es heiße, den Privaten sei jede entgeltliche Be⸗ nutzung des Telegraphen verboten. Eine Zuwiderhandlung lasse sich hier sehr leicht feststellen, zu weiteren Unbequemlichkeiten für die Verwaltung werde das nicht führen.
Staatssecretär Dr. von Stephan:
Meine Herren! Auf den allgemeinen Standpunkt, den der Herr Vorredner eingenommen hat, möchte ehen. Ich glaube, daß alles, was er in dieser Beziehung ausgefüh durch die Deductionen der Herren Abg. Dr. Graf von Arnim, Freiherr von Gagern und Dr. Giese vollkommys widerlegt ist. Ich möchte nur zwei Worte zu dem Antrag J den er eben gestellt hat, und der darin gipfelt, daß er in 51 dem Reiche das Recht, statt für die Vermittelung von Nachrichten überhaupt, nur für die entgeltliche Vermittelung von Nachrichten geben will. Dieser Antrag hat nach zwei Seiten schwere Bedenken, die seine An— nahme eigentlich unmöglich machen. Einmal würden ja dann alle Privaten berechtigt sein, sich Telegraphenlinien anzulegen für die un— entgeltliche Vermittelung von Telegrammen. Also zwei große Bank— häuser in Berlin und in Hamburg, in Frankfurt und in Köln, in Leipzig und in Breslau könnten sich ohne weiteres solche Linien an— legen und auf dieser Linie unentgeltlich, zum großen Nachtheil des allgemeinen Telegraphenverkehrs und der Volkswirthschaft, Nachrichten befördern. Das zweite Bedenken ist das, daß dann das Reich nicht mehr die sämmtlichen, jetzt gebührenfreien Depeschen für den ganzen Reichsdienst, das Militär, den Reichstag, den Bundesrath unentgeltlich befördern könnte. Aus diesen beiden Gründen, die ja für sich selbst sprechen und denen ich kein Wort mehr hinzuzufügen brauche, bitte ich Sie, diesen Antrag abzulehnen.
Abg. Schrader (ofr. ): Es sei ihm einigermaßen unerfindlich, wie der Staatssecretär die letzten Folgerungen habe machen können; es sei doch schon im Postgesetz von Portofreiheit die Rede. Und was sei es denn für ein großes Unglück, wenn jemand aus Gefälligkeit einen Brief befördere oder wenn zwei Bankfirmen sich eine Leitung zu unentgeltlicher Benutzung einrichteten. Man komme fo zu einer immer weiteren Ausdehnung des Monopols. Es komme vor allen Dingen darauf an, die betreffenden gesetzlichen Be⸗ stimmungen so klar und deutlich zu fassen, daß eine spätere Aus— legung zu keinem Zweifel Anlaß gebe. Die gegenwärtige Fassung des 2 5 9 * . 82 22 8 —
F 1 sei aber derart, daß eine ganze Reihe unverfänglicher Tele⸗ graphenanlagen der Concession der Verwaltung. unt rlägen, das wolle seine Partei vermeiden, und darum habe sie ihre Fassung vor⸗ geschlagen. Dem Abg. Dr. Hammacher erwidere er, daß sie dies keineswegs aus übertriebener Vorsicht oder aus Mißtrauen gegen die Verwaltung thue. Sie überlege sich aber genau, welche Auslegung der 1 finden könne, und welche Folgerungen daraus gezogen werden J . 12 ö 2 ö 2 32 . J
könnten. Die Regierungsvertreter aus Bayern und Württemberg hätten sich auf Ministerialreseripte bezogen, die beweisen sollten, daß
es ein Telegraphenmonopol gebe. Das sei durchaus hinfällig. Denn das vorliegende Gesetz sei vorgeschlagen, wie es bst ausgesprochen sei, weil es zweifelhaft geworden sei
graphenmonopol gebe. Gegen die Anträge seiner Partei seien Einwendungen sehr wenig gemacht worden; die Abgg, Dr. Freiherr von Gagern und Graf bon Arnim hätten sich we darauf beschränkt, für ihre Parteien zu erklären, daß sie den 1! in der Form der Regierungs vorlage annähmen. Der Staatssecretär habe wiederholt darauf hingewiesen, daß es nothwendig sei, schon jetzt ein Monopol für alle zukünftigen Erfindungen auf diefem Gebiet zu Gunsten der Verwaltung zestzustellen. Dazu fei doch wohl Zeit, wenn es soweit sei. Der elektrotechnische Congreß habe ein großes Loblied auf die Vorzüglichkeit und die weite Ausdehnung des Fernsprechwesens gesungen; dagegen möchte er doch bemerken, daß ihm von anderer Seite Petitionen zuge— gangen seien, die darlegten, daß in vielen Städten noch Telephon⸗ einrichtungen fehlten und die vorhandenen nicht immer genügten. Hier könnte man doch der Privatindustrie gestatten, einzutreten. Welche Rechte wolle denn die Telegraphenderwaltung gegen Privatunter— nehmungen in Anspruch nehmen? Darüber müsse Klarheit schaffen werden. Es sei unbedingt nothwendig daß das Maß Rechte klargestellt werde, das werde das beste Mittel sein, die unruhigung zu beseitigen oder diese Rechte anders zu fassen.
Abg. Dr. Hammacher (nl): Im S 2 sei ausdrücklich zu⸗ gelassen, eine Concession für Privatanlagen zu ertheilen. Wenn zwei Jachbarn sich telegraphisch verbinden wollten, wenn zwei Gelehrte das Bedürfniß hätten, dasfelbe zu thun, so brauchten sie sich nur an den Reichskanzler zu wenden und der werde gewiß die Genehmigung gerne ertheilen. Dieses Gesetz habe gar keine Veranlassung gegeben u einem solchen tiefgehenden Mißtrauen, das in manchen Kreisen zu herrschen scheine. .
Abg. Dr. Siemens (dfr.) Der Einwand des Staatssecretärs wäre begründet, wenn wirklich Bankhäuser zwischen Berlin, Hamburg u. s. w. Telegraphenlinien anlegen könnten ohne sich vorher das Expro⸗ priationsrechk gesichert zu haben oder andere Leute zu zwingen, die Ueberführung des Telegraphen über ihren Grund und Boden zu ge⸗ statten. Da dies nicht so ohne weiteres gehe, so falle damit auch das Argument des Staatssecretärs. Auch der Abg. Graf von Arnim hätte gerne das Elektricitätsgesetz mit diesem Gesetz zugleich berathen. Er ei aber für die Verabschiedung des vorliegenden Gesetzes, weil dazu ein großes Bedürfniß vorhanden sei. Er (Redner) habe dieses Bedürfniß nicht ermitteln können, der Staatssecretär habe selbst zugegeben, daß diefes Gesetz eine Festlegung der bisherigen Rechte, eine Erklärung diefer Rechte beabfichtige. Sei dieses der Fall und liege ein Be⸗ dürfniß nicht vor, wozu also jetzt ein Gesetz machen, das ein großes Mißtrauen errege? Dieses Mißtrauen bestehe, weil man sich bei der fechnischen Ratur der elektrischen Anlagen sage: Es sei nicht möglich, mehrere elektrische Anlagen neben einander einzurichten, ohne daß sie sich gegenseitig störten, oder daß Vorkehrungen getroffen würden, daß diese Störungen vermieden würden. Wenn die Verwaltung befugt sei, jede andere Leitung zu verlegen, unter Umständen auch zu ver⸗
hindern, dann hätten die anderen Leute naturgemäß eine Besorgniß,
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