1892 / 49 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 25 Feb 1892 18:00:01 GMT) scan diff

samkeit und Nothwendigkeit man nicht mehr überzeugt sei, so könne es nach seinem Erlöschen nicht mehr angewendet werden. Es ent⸗ spreche daher der Sachlage, der auf Grund dieses Gesetzes aus⸗ geübten Judicatur durch Gesetz ein Ende zu machen. Ob gerade solche Falle in letzter Zeit noch vorlägen, das wisse er nicht, aber er ,, der Reichstag thue gut, eine Amnestie in dem Sinne zu beschließen, daß eine vollständige Versenkung des Soeialisten⸗ gesetzes in die Vergangenheit stattfinde.

Nach einem kurzen Schlußwort des Antragstellers Stadt⸗ hagen wird die Berathung geschlossen. Die zweite Lesung wird ohne commissarische . im Plenum erfolgen.

Ein Antrag der Socialdemokraten, betreffend die Ueber⸗ nahme der Verwaltung und des Eigenthums des Apotheken⸗ wesens durch das Reich, wird auf Antrag der Antragsteller von der Tagesordnung abgesetzt.

Es folgt die Berathung einiger Petitionen.

Die Petition des Centralausschusses der vereinigten Innungsverbände Deutschlands, betreffend die Verleihung der Rechte der juristischen Personen an die Innungsausschüsse, soll nach dem Antrage der Commission durch Uebergang zur Tagesordnung erledigt werden.

Die Abgg. Hultz sch (cons.) und Genossen beantragen die Ueber— weisung der Petition an den Reichskanzler zur Erwägung.

Berichterstatter Abg. Metz ner (Centr.): In der Commission habe der Staatssecretär Dr. von Boetticher erklärt, die Regierung sei ohnehin in Erwägungen eingetreten, ob und wie die Ger n, der Corporationsrechte an die Innungsausschüsse gesetzlich geregelt werden könne; unter diesen Umständen empfehle die Commission, über die Petition zur Tagesordnung überzugehen.

Abg. Dr. Hartmann (cons.): Nach der Erklärung des Staats—⸗ secretärs sollte man eher zu der Aunahme kommen, daß die Com⸗ mission vorschlagen würde, die Petition der Regierung als Material bei der in Aussicht genommenen gesetzlichen Regelung zu überweisen; soweit gehe seine Partei gar nicht, er bitte aber, die Petition, ent—⸗ sprechend dem Antrag Sultzsch, der Regierung zur Erwägung zu überweisen.

Abg. Hitze (Centr.): Er erkläre im Namen seiner Fraction, daß auch sie für Ueberweisung zur Erwägung stimmen werde.

Der Antrag Hultzsch wird abgelehnt, der der Commission angenommen.

Die Petitionen des Maurermeisters J. Lorenz und des Ausschusses des Verbandes der deutschen Berufsgenossenschaften, betreffend Abänderung des Unfallversicherungsgesetzes, werden dem Vorschlage der Commission entsprechend und ohne Be⸗ sprechung ebenfalls durch Uebergang zur Tagesordnung er— ledigt.

Schluß 4*½ Uhr.

Parlamentarische Nachrichten.

Dem Hause der Abgeordneten ist folgender Entwurf zum Normal-Etat, betreffend 5. soldungen der Leiter und Lehrer der nach— benannten höheren Unterrichtsanstalten (Gym— nasien, Realgymnasien, Ober-Realschulen, Pro— gymnasien, Real-Progymnasien, Realschulen und höheren Bürgerschulen) zugegangen:

A. Anstalten, welche vom Staat zu unterhalten sind oder bei denen der Staatsbehörde die Verwaltung zusteht.

§ 1. Die Besoldungen betragen jährlich: 1) für die Leiter der Vollanstalten (Gymnasien, Realgymnasien, Ober⸗Realschulen) a. in Berlin 6600 S, b. in den Städten mit mehr als 50 000 Civil— einwohnern 5100 bis 6000 S6, C. in allen übrigen Orten 4500 bis 6000 S; 2) für die Leiter der Anstalten von geringerer als neun⸗ jähriger Cursusdauer (Progymnasien, Real-Progymnasien, Realschulen und höheren Bürgerschulen) a. in Berlin und in Städten mit mehr als 50 000 Civileinwohnern 4500 bis 6000 Mt, b. in den übrigen Orten 4500 bis 5400 Sn; 3) für die definitiv angestellten wissenschaftlichen Lehrer 2100 bis 4500 S6. Die Hälfte der Gesammtzahl dieser Lehrer an den Vollanstalten, sowie der vierte Theil der Gesammtzahl derselben an den Anstalten von geringerer als neunjähriger Cursusdauer beziehen neben dem Ge— halt eine feste pensionsfähige Zulage von 900 S jährlich; 4) für die definitiv angestellten Zeichenlehrer, sofern sie die vorgeschriebene Prüfung bestanden haben und mit wenigstens 14 Zeichen⸗ und ij0 Stunden anderen Unterrichts wöchentlich beschäftigt sind, 1600 bis 3200 ; 5) für die sonstigen technischen, Elementar- und Vorschul— lehrer: 2. in Berlin 1600 bis 3200 S6, b. in den übrigen Orten 1400 bis 2800 „S é; 6) die wissenschaftlichen Hilfslehrer erhalten Jahresremunerationen in Höhe von 1500 S bis 1800 M; sofern zur Zeit höhere Remunerationen gewährt werden, verbleibt es bei den— selben auch ferner.

§ 2. Das Aufsteigen im Gehalt geschieht in der Form von Dienstalterszulagen: 1) bei den Leitern der Vollanstalten mit je 3004S a. in Städten mit über 50 000 Civileinwohnern (8 1 Nr. 1) nach 7, 14 und 20 Dienstjahren, b. in den übrigen Orten (5 1 Nr. 10) nach 4, 8, 12, 16 und 20 Dienstjahren; 2) bei den Leitern der Nicht⸗ vollanstalten mit je 300 MS a. in Berlin und in den Städten mit über 50 000 Civileinwohnern 1 Nr. 2a) nach 4, 8, 12, 16 und 20 Dienstjahren, h. in den übrigen Orten (6 1 Nr. 2b) nach 7, 14 und 20 Dienstjahren; 3) bei den wissenschaftlichen Lehrern (81 Nr. 3) mit je 300 M nach 3, 6, 9, 12, 15, 19, 23 und 27 Dienstjahren. Die im §1 Nr. 3 zweiter Absatz erwähnte feste Zulage von 900 wird nur bei nachgewiesener wissenschaftlicher und praktischer Tüchtig— keit gewährt, sofern eine solche Zulage frei geworden ist; 4) für die unter 5 1 Nr. 4 bezeichneten Zeichenlehrer mit je 200 M nach 4, 8, 12, 16, 20, 24, 28 und 32 Dienstjahren; 5) bei den technischen, Elementar- und Vorschullehrern (5 1 Nr. 5) a. in Berlin mit je 200 nach 4, 8, 12, 16, 20, 24, 28 und 32 Dienstjahren, h. in den übrigen Orten mit je 150 M nach 4, 8, 12, 15, 18, 21, 24, 28 Dienst⸗ jahren und mit 260 nach 32 Dienstjahren. Die im § 1 Nr. 6 bezeichnete Remuneration der wissenschaftlichen Hilfslehrer beginnt mit 1500 S und steigt nach 2 Jahren auf 1650 6, nach einem ferneren Jahre auf 1800 6

§ 3. Das Dienstalter wird für den vorliegenden Zweck berechnet: I) bei den Anstaltsleitern (6 1 Nr. 1 und 2) vom Amtsantritt als Leiter einer höheren Unterrichtsanstalt an, 2) bei den wissenschaftlichen Lehrern (5 1 Nr. 3) von der definitiven Anstellung als solcher an, 3) bei den Zeichenlehrern (5 1 Nr. 4) und 4) bei den technischen, Elementar- und Vorschullehrern 1 Nr. 5) vom Tage der definitiven Anstellung im öffentlichen Schuldienste an, frühestens nach Ablegung der zweiten Elementarlehrerprüfung, 5) bei den wissenschaftlichen Hilfs⸗ lehrern (5 1 Nr. 6) vom Tage der ersten Einweisung in eine etatsmäßige bezw. zur Aufnahme in den Etat geeignete Remuneration von mindestens 1500 S an. Die im Universitats-, Schulaufsichts⸗ oder Kirchen⸗ dienst im Inlande oder Auslande zugebrachte Zeit sowie derjenige ausländische Dienst, welcher, wenn er im Inlande geleistet wäre, zur Anrechnung gelangen würde, kann von dem Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten im Einverständniß mit dem Finanz⸗Minister ganz oder zum Theil eingerechnet werden.

§ 4. Neben den Gehältern wird der Wohnungsgeldzuschuß den Anstaltsleitern und den wissenschaftlichen Lehrern nach Tarifklasse III des Gesetzes vom 12. Mai 1873 (Gesetz⸗Samml. S. 209), den tech⸗ nischen, Elementar- und Vorschullehrern nach Tarifklasse IV daselbst gewährt, sofern dieselben nicht Dienstwohnung oder die im S 5 er⸗ wähnte Miethsentschädigung erhalten. r

§ 5. Diejenigen Inftalts leiter, welche keine Dienstwohnung inne haben, erhalten an Stelle des Wohnungsgeldzuschusses eine Mieths— entschädigung, und zwar: ?

in Berlin in Höhe ven 1500 4, in Orten der 1. Servisklasse 1000 . in Orten der II. = 8090 in Orten der III. ö 800 . in Orten der IV. ö 700 in Orten der V. (. 600 .

Auf diese Miethsentschädigung findet das Gesetz vom 12. Mai 1873, betreffend die Gewährung von Wohnungsgeldjuschüssen an die unmittelbaren Staatsbeamten (Gesetz Sammlung S. 269), insbesondere die in den 3, 4, 6 enthaltenen Bestimmungen, entsprechende An⸗ wendung.

§ 6. Die Besoldungen, die Alterszulagen, sowie die festen Zu⸗ lagen (6 1 Nr. 3 zweiter Absatz werden innerhalb der vorstehend angegebenen Sätze und Abstufungen vem Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten bezw. von den damit beauftragten Provinzial-Schul—⸗ collegien bewilligt. Den Lehrern steht ein . auf Be⸗ willigung eines bestimmten Diensteinkommens, insbesendere auf Fest⸗ nnn eines bestimmten Dienstalters oder Aufrücken im Hehl nicht zu.

S 7. Gegenwärtig zahlbare Besoldungen, welche über die nach § 1 und 2 zu berechnenden Beträge hinausgehen, werden bis zum

Einrücken des betreffenden Lehrers in eine höhere Gehaltsstufe fort-

gewährt. ö §. 8. Emolumente sowie unfixirte Gebührenantheile sind, sofern nicht stiftungsmäßige Bestimmungen oder andere besondere Rechts—⸗ verhältnisse entgegenstehen, bei Neuanstellungen, Ascensionen, Bewilli⸗ gung von Gehaltszulagen u. s. w. zu den Anstaltskassen einzuziehen. Den Lehrern steht ein Anspruch auf Befreiung vom Schulgelde für ihre Söhne nicht zu. Naturalemolumente, deren Einziehung zu den Anstaltskassen unthunlich ist, werden zu ihrem wirklichen Werthe statt Geld als Theile der Besoldung überwiesen.

B. Die sonstigen höheren Lehranstalten, welche aus unmittelbaren oder mittelbaren Staatsfonds Unter— haltungszuschüsse beziehen.

3 9. Die Bestimmungen der 1 8 finden auf die vorbezeich⸗ neten höheren Schulen mit folgenden Maßgaben Anwendung: 1) Bei den einzelnen Vollanstalten ist auf je zwei etatsmäßige Stellen für wissenschaftliche Lehrer, bei den einzelnen Nichtvollanstalten (§1 Nr. 2) auf je vier solcher Stellen eine feste pensionsfähige Zulage von 900 , jährlich (5 1 Nr. 3, zweiter Absatz) bereit zum stellen. 2) Aenderungen bezüglich der Dienstaltersstufen und Zulagen sind nur mit Genehmigung des Unterrichts-Ministers zulässig. 3) Ueber die Anrechnung der im §z 3 zweiter Absatz erwähnten, im Universitäts- Schulaufsichts, Kirchen- oder ausländischen Dienst zugebrachten Zeit entscheidet das zwischen den Schulunterhaltungs— pflichtigen und dem betheiligten Lehrer zu treffende Abkommen. 4) Der Unterrichts-Minister kann auf Antrag der Unterhaltungs— pflichtigen bezw. der die Anstalt vertretenden Organe genehmigen, daß fur die Leiter der Anstalten (6 1 Nr. 1 und 2) und voll—⸗ beschäftigten Zeichenlehrer (5 1 Nr. 4) von der Einführung des Systems der Dienstalterszulagen Abstand genommen werde, wenn nach seinem Ermessen Einrichtungen getroffen sind, welche das all— mähliche Aufrücken der betheiligten Lehrer zum Höchstgehalt ermög⸗ lichen. 5) Von den Unterhaltungspflichtigen bezw. den die Anstalt vertretenden Organen kann von der Einführung des Systems der Dienstalterszulagen für die wissenschaftlichen Lehrer Abstand genommen werden; in diesem Falle hat das Aufrücken der Lehrer im Gehalt mach Maßgabe des für die einzelne Anstalt oder für mehrere Anstalten zusammen aufzustellenden Besoldungs-Etats zu erfolzen, in welchem für jede Stelle der Betrag von 3300 „6 voll einzustellen und auf die Gesammtzahl der Stellen in angemessenen Abstufungen innerhalb der Sätze von 2100 n bis 4500 6 zu vertheilen ist. 6) Das Diensteinkommen der nicht unter die Vorschrift des §S 1 Nr. 4 fallenden vollbeschäftigten technischen, Elementar- und Vorschullehrer ist innerhalb der im 5 1 Nr. 5 bestimmten Grenzen dergestalt festzustellen, daß dasselbe hinter demjenigen der Volks— schullehrer in dem betreffenden Orte nicht zurückbleiben darf. Außer— dem ist jenen Lehrern eine nichtpensionsfähige Zulage von mindestens 150 ½ jährlich zu gewähren. Bei der Versetzung des Lehrers an eine andere Schule, welche nicht zu den Eingangs bezeichneten höheren Unterrichtsanstalten gehört, fällt diese Zulage hinweg. Die hierdurch eintretende Verminderung des Diensteinkommens wird als eine Verkürzung des Diensteinkommens im Sinne des 8 87 des Gesetzes, betreffend die Dienstvergehen der nichtrichterlichen Beamten, vom 21. Juli 1852 (Gesetz-Sammlung S. 465) nicht an— gesehen. 7) Die Zuständigkeit für die Bewilligung von Besoldungen, Alterszulagen und festen Zulagen (56 Absatz ) wird von dem Unter— richts-Minister unter Beachtung der für die einzelnen Anstalten gel— tenden Vorschriften insoweit neu geregelt, wie dies durch die Ver— änderung der Besoldungsordnung erforderlich gemacht wird.

Schlußbestimmung.

§ 10. Durch diesen Normal-Etat wird nicht beabsichtigt, zur Erreichung der Besoldungssätze desselben in der Fürsorge des Staates für die betheiligten Anstalten über die ihm obliegenden rechtlichen Verpflichtungen hinauszugehen. ;

In der Begründung dazu heißt es:

Der Normal-Etat für die Gymnasien und die denselben gleich—⸗ stehenden höheren Unterrichtsanstalten vom 20. April 1872 ist aus der Erwägung hervorgegangen, daß wegen der damaligen Preis— steigerung der Lebensbedürfnisse, welche die Staatsregierung be— stimmte, allen übrigen Staatsbeamten Gehaltsaufbesserungen zu theil werden zu lassen, auch den Lehrern der gedachten An— stalten eine den Verhältnissen entsprechende höhere Besoldung zu ge— währen sei. Nachdem diese Verhältnisse inzwischen sich wieder ver— schoben haben, auch die damals festgesetzten Gehälter einiger Beamten— kategorien, so namentlich der Richter im Jahre 1879, der Bau⸗ inspectoren im Jahre 1886 und der Oberförster im Jahre 1891 weiter erhöht worden sind, hat sich die Nothwendigkeit ergeben, auch bezüglich der gedachten Lehrer wieder einen Schritt umsomehr vor— wärts zu thun, als in der anläßlich der Schulconferenz vom Dezember 1890 ergangenen Allerhöchsten Ordre vom 17. desselben Monats das Bedürfniß hierzu ausdrücklich anerkannt worden ist.

Infolge dessen ist die Aufstellung eines neuen Normal-Etats noth— wendig geworden, der, wie die Ueberschrift ergiebt, nicht nur auf die Gymnasien und Realschulen erster Ordnung (jetzt Realgymnasien), sondern auf sämmtliche höhere Lehranstalten, insbesondere auf die inzwischen hinzugetretenen Ober⸗Realschulen, sowie auf die Anstalten mit einem geringeren als neunjährigen Lehrcursus erstreckt ist. Während für die Ober⸗Realschulen als Vollanstalten schon bisher der Normal-Etat vom 20. April 1872 ohne weiteres als maßgebend erachtet ist, sind die Gehaltsverhältnisse an den übrigen Anstalten durch Ministerial⸗ verfügungen geregelt worden. Da nunmehr bezüglich der Gehälter bei diesen Anstalten eine gewisse Uebereinstimmung erzielt worden ist, liegt kein Grund mehr vor, diese von der Regelung durch den Normal— Etat auszuschließen.

Der vorliegende Entwurf hat auch eine Ausdehnung gegen über dem Normal⸗Etat von 1872 dadurch erhalten, daß nicht nur die Be⸗ soldungen der Anstaltsleiter und wissenschaftlichen Lehrer, sondern auch die der technischen, Elementar- und Vorschullehrer geregelt, ferner Bestimmungen über die Remunerirung der dauernd beschäftigten wissenschaftlichen Hilfslehrer getroffen werden; bezüglich dieser verweist der 57 des Normal⸗Etats vom 20. April 1872 lediglich auf die in den Gymnasial⸗Etats ausgeworfenen Summen, ohne daß Bestim— mungen über die Höhe der Remunerationen getroffen sind.

Erheblichere materielle Abweichungen von den bisherigen Normen stellen ferner neben den Gehaltsverbesserungen dar:

U) die Einführung des Systems von Dienstalterszulagen an Stelle des Aufrückens im Gehalt innerhalb bestimmt begrenzter Be— soldungsgemeinschaften,

2) die Gewährung von Miethsentschädigungen an die nicht mit Dienstwohnungen versehenen Leiter höherer Unterrichtsanstalten statt des Wohnungsgeldzuschusses,

3) das Ausscheiden der: Leiter von Nichtvollanstalten aus den

Gehaltssätzen für die wissenschaftlichen Lehrer dieser Anstalten und die Festsetzung besonderer Gehaltssätze für sie,

4) die Gewährung einer feften Gehaltszulage zu dem Lehrergehalt für die zum Unterricht an den oberen Klassen voll qualificirten und zu einer dementsprechend hervorgehobenen Stellung berufenen Lehrer

5) die Heraushebung der definitiv angestellten, vollbeschäftigten

2 aus der Zahl der sonstigen technischen und Elementar- ehrer. Zur theilweisen Deckung des Mehrbedarfs für die Besoldungen ist beabsichtigt, die eigenen Einnahmen der Anstalten dadurch zu steigern, daß das Schulgeld auf 120 4 jährlich bei den Vollanstalten 100 0 bei den Progymnasien, 80 M bei den höheren Bürgerschulen und für Schüler der letzteren, welche an einem besonders eingerichteten lateinischen Unterricht in Sexta bis Quarta theilnehmen, auf 120 4 erhöht wird. Das Mehr an Staatszuschuß für die staatlichen An— stalten ist auf 428 127 ½ berechnet; mit Rücksicht auf etwa ein— tretende Ausfälle an Schulgeld und auf die Fortgewährung bereits zahlbarer Gehälter, welche über die neuen Säße hinausgehen, ist ein Betrag von abgerundet 500 000 16 in den Entwurf zum Staats— 1 für 1. April 1892/ñ93 unter Cap. 120 Tit. 5 ein- gestellt.

Bei Berechnung des Bedarfs für die nichtstaatlichen Anstalten ist davon ausgegangen, daß eine . von Communen und Patronaten, namentlich in den größeren Städten, im stande sein wird, den Mehr—⸗ bedarf allein aus eigenen Mitteln oder den dazu bestimmten Special⸗ fonds zu decken, daß ferner Staatsbeihilfen den übrigen Anstalten nur bei festgestellter Leistungsunfähigkeit der solche in Anspruch nehmenden Unterhaltungspflichtigen und nach Einführung der oben erwähnten Schulgeldsätze gewährt werden.

Der Mehrbedarf an Staatszuschuß für diese Anstalten stellt sich auf rund 900 000 , .

Diese Summe ist gleichfalls in den Staatshaushalt für 1. April 1892/93 unter Capitel 120 Titel 5 mit eingestellt. Dabei ist der bisherige Betrag dieses Fonds mit 11 760 als durch die Gesammt— summe von 1460 000 ½ mitgedeckt und demgemäß entbehrlich ab— gesetzt worden.

Der vorliegende Entwurf unterscheidet zwischen

A. Anstalten, welche vom Staat zu unterhalten sind oder bei denen der Staatsbehörde die Verwaltung zusteht, und

B. den sonstigen höheren Lehranftalten, welche aus unmittel— baren oder mittelbaren Staatsfonds Unterhaltungszuschüsse beziehen.

Während auf die Anstalten unter A die Bestimmungen des neuen Normal-Etats unbedingt Anwendung finden sollen, ist den Patronaten der unter B aufgeführten Anstalten eine gleichmäßige Anwendung dieser Bestimmungen zwar ebenfalls im allgemeinen zur Pflicht ge— macht, aber zur Vermeidung erheblicher Störung des Stadthaushalts bei Einführung des Systems von Dienstalterszulagen die Möglichkeit gewährt, hiervon abzugehen, und den bisherigen Modus des Auf— rückens der wissenschaftlichen Lehrer, geeignetenfalls auch der Leiter der Anstalten und der Zeichenlehrer, innerhalb des Rahmens von Besol— dungsgemeinschaften zu beschließen; die seminaristisch gebildeten Lehrer sollen in thunlichstem Anschluß an die für die übrigen Lehrer dieser Kategorie desselben Orts geltenden Bestimmungen besoldet werden und im Gehalt aufrücken.

Dem Hause der Abgeordneten ist nachstehender Gesetzentwnrf wegen Abänderung des Gesetzes vom 2X. Juni 1886, betreffend die Heranziehung von Militär— personen zu Abgaben für Gemeindezwecke, zu—

gegangen: Einziger Paragraph.

Soweit in dem Gesetze, betreffend die Heranziehung von Militär⸗ personen zu Abgaben für Gemeindezwecke vom 29. Juni 1886 (Gesetz⸗ Samml. S. 181), auf die Klassen- und klassifizirte Einkommensteuer Bezug genommen wird, finden vom 1. April 1893 ab die entsprechenden Vorschriften des Einkommensteuergesetzes vom 24. Juni 1891 (Gesetz⸗ Samml. S. 175) nach Maßgabe folgender Bestimmungen Anwendung:

1) dem außerdienstlichen selbstaͤndigen Einkommen der Abgabe⸗

er zu ihrem H

des § 11 des

e des

886 in B 5 zes Als) tritt der Steuertarif im § 17 des etzes. i einem abgabepflichtigen Einkommen bis einschließzlich 660 6 be—

die Abgabe 2,40 , bei einem solchen von mehr als 669 bis ießlich 000 „S beträgt sie 4 . 3) Die Feststellung des der Abgabe unterliegenden Einkommens⸗ betrages und die Ermittelung der Steuerstufe (5 4 des Gesetzes vom 29. Juni 1886) erfolgen durch den Vorsitzenden der Einkommen— steuer⸗Veranlagungseommission.

4) Die Ermäßigung der veranlagten Abgaben (8 erfolgt unter Anwendung der Vorschriften in § 58 steuergesetzes.

Ueber den Antrag auf Ermäßigung entscheidet der Vyrsitzende der

kommmensteuer⸗Veranlagungscommission vorbehaltlich der an die Bezirksregierung (6 3 Absatz? des Gesetzes 29. Juni 1886).

Gd 3

*

C Q

Entscheidungen des Reichsgerichts.

orsol be w sol be Derlei!

einem

theidiger abgelehnt werden.

Die öffentliche Beschimpfung des katholischen Religuiencultus ist, nach einem Urtheil des Reichsgerichts, IV. Strafsenats, vom 24. November 1891, als Beschimpfung eines „Gebrauchs“ der katholischen Kirche aus § 166 Str.⸗-G.⸗B. zu be⸗ strafen, dagegen ist die öffentliche Beschimpfung einer einzelnen Reliquie beispielsweise des „heiligen Rockes“ zu Trier nur dann strafbar, wenn nach dem Willen des Thäters die einzelne Reliquie nicht als solche, sondern als Ausfluß des allgemeinen Religuiencultus von der Beschimpfung getroffen werden soll.

Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs⸗ Maßregeln. velche

isior

erfolgt. dessen sind auf

Behörde ( Regierungs⸗Präsidenten zu

des Ober⸗Präsidenten von dem Aachen die Ortspolizeibehörden durch Vermittelung der Lanz räthe aufgefordert worden, dafür zu sorgen, daß zur Einfüb⸗ rung gelangende amerikanische Speckseiten durch geeignete Sachver⸗ ständige einer mikrofkopischen Untersuchung auf Trichinen unterzogen werden. Ferner sind die Grenzzollbehörden ersucht worden, die Drtẽ⸗ polizeibehörden von der Einfuhr amerikanischer Speckseiten schleunigst zu benachrichtigen. Sofern Trichinen in amerlkanischen Speckseiken gefunden werden sollten, soll das Erforderliche veranlaßt und so⸗ ort berichtet werden. Der Regierungs- Präsident weist ferner darau! hin, daß eine zuverlässige Unterfuchung von Speckseiten auf Trichinen die Entnahme mindestens dreier Proben aus dem Mus kelfleische jeder Speckseite und deren mikroskopische Untersuchung erfordert.

549.

Statistik und Volkswirthschaft. Vereinigung der Steuer- und Wirthschaftsrefermer.

Im weiteren Verlauf der gestrigen Sitzung wurde die gestern mitgetheilte, von den Herren von Kardorsf und Graf Schwerin—⸗ Izmwitz beantragte Resolution über „die Forderungen. der deutschen Tandwirthschaft in Conseguenz der jüngsten wirthschaftspolitischen Maßnahmen“ unter Beifügung folgenden Antrages als. Nr. 5. der Forkerungen: ‚Möglichste Beschränkung des an der Börse zum Ver— derben der Landwirthschaft immer mehr überhandnehmenden Differen; friels in den Erzeugnissen, der Landwirthschaft, unter gleichzeitiger An⸗ erkennung des wirthschaftlich berechtigten Terminhandels“ einstimmig, fowie ferner noch folgender Antrag des Herrn ven Gontard mit allen gegen zwei Stimmen angenommen: Die Unter- richts-Ministerien der verschiedenen Bundesstaaten wollen, dafür Sorge tragen, daß hinsichtlich der Besetzung von Lehrstühlen für m irtkschaft an den Universitäten auch die Anstellung von Docenten schutzzöllnerischer Richtung entsprechende Berücksichtigung snde.“ Den letzten Gegenstand der Tagesordnung bildete die Ver⸗ handlung über nachstehende Resolution der Referenten, Herren Dr. Suchsland⸗Halle a4. S. und Ober⸗Amtmann A. Saeuberlich⸗ Gröbsig, betr. Verbände ländlicher Arbeitgeber

Die 17. Generalversammlung der Vereinigung der Steuer- und Wirthschaftsreformer in Berlin erkennt in der wachsenden Des⸗ grganifation der ländlichen Arbeiterverhältnisse und der überhand⸗ nehmenden Neigung der ländlichen Arbeiter zum Contractbruch eine schwere Gefahr für den gedeihlichen Fortbestand der deutschen Land- mirthschaft umsomehr, als gegen beide Mißstände in absehbarer Zeit weder feitens der Gesetzgebung noch seitens der Verwaltung ausreichen— der Schutz zu erwarten ist.“

Fs wurde beschlossen, den Vorstand zu ersuchen, Schritte zu thun, um die Aufmerksamkeit der Regierung, der gesetzgebenden Körper— schaflen und der öffentlichen Meinung auf die oben bezeichneten Uebel— stände zu lenken, und empfohlen, durch Vermittelung der landwirth⸗ schaftlichen Centralvereine in den einzelnen Staaten und Propinzen nach dem Vorbilde des Verbandes zur Besserung der ländlichen Arbeiter⸗ rerkältnisse im Gebiete des Centralvereins der Provinz Sachsen, des Herzog⸗ thums Anhalt, des Herzogthums Sachsen-Coburg Gotha und der beiden Fürstenthümer Schwarzburg-Rudolstadt und Schwarzburg-Sonders— bausen zu Halle 4. S.“ das Interesse für die genannten Fragen in den Kreifen der ländlichen Arbeitgeber wachzurufen und sofort im Wege der Selbsthilfe durch Bildung derartiger Verbände die schwer be— drohten Interessen der Arbeitgeber zu schützen. J K

Alsdann wurde die Versammlung mit einem Hoch auf Seine Majestät den Kaiser geschlossen.

Errichtung von Rentengütern. .

Der Specialcommissar für die Erxrichtung von Rentengütern in

der Provinz Posen, Regierungs-Rath Dr. Andresen, macht der

Schweidnitzer Täglichen Rundschau“ zufolge bekannt, daß auf Grund

der neuen Rentengüter⸗Gesetzgebung in naͤchster Zeit zunächst in den

Kreisen Posen⸗West, Schrimm, Wreschen, Gnesen, Witkowo. Obornik,

Wongrowitz und Czarnikau mehrere hundert mittlere und kleinere

Vauern-Wirthschaften und Häuslerstellen (für Arbeiter und Hand—

werker als Rentengüter zu 8 bis 120 Morgen angewiesen werden sollen.

Eine Umwandelung der katholischen Arbeiter- und

Gesellenvereine ist im Werke. Diese sollen wie die gewerkschaftlichen Organisa— tionen auf der Grundlage der speziellen Berufsart aufgebaut werden. Der Aachener katholisché Arbeiterverein hat bereits sechs sogenannte Werksgenossenschaften eingerichtet (Weber, Spinner, Appreteure, Nadler, Bauarbeiter und Metallarbeiter). Weiter sollen in den so umgestalteten Vereinen ein organisirter Arbeits nachweis und besondere Commifsionen, hauptsächlich zu Zwecken des Rechtsschutzes eingerichtet werden. Diese Commissionen würden also bei den Rechtsstreitigkeiten der Arbeiter und Unternehmer, bei Unfallversicherungsangelegenheiten u. s. w. etwa die Aufgaben zu erfüllen haben, welche jetzt schon viel— fach die Vorstände der Fachvereine und Gewerkschaften und die Arbeiter⸗ secretariate erfüllen.

Zur Arbeiterbewegung. .

Aus dem rheinisch-westfälischen Kohlenrevier wird der „Frkf. Zig.“ über das Verhalten der Bergleute geschrieben: . .

Die Bergarbeiterversammlungen werden wieder häufiger: meist haben sie den Zweck, Stellung gegen die Entlassungen von Arbeitern zu nehmen, die jetzt häufiger vorkommen. So fand am Sonntag in Essen eine von mehreren hundert Bergleuten besuchte Ver— sammlung statt, die gegen das Verfahren der . der Zeche „Hercules“ protestirte. Dort soll etwa 30 Bergleuten gekündigt worden sein, während vor ganz kurzer Zeit erst eine Anzahl Arbeiter österreichischer Nationalität auf dieser Zeche ein— gestellt worden sein sollen. Besonders scheint die Bergleute die Ent— lassung des Bergmanns Fischer aufgeregt zu haben, der sich wegen des vermittelnden Standpunktes, den er im Strikejahre 1889 eingenommen hat, eines guten Ansehens erfreut, und Vorsitzender des sog. neuen Verbandes ist. .

Für die Arbeiter der Fabrik Marie Astruc in Bühl bei

Gebweiler, die wegen einer Lohnverkürzung um 190, am 16. d. M. die Arbeit niedergelegt haben, wird in einem Aufruf des Vorwärts“ um Unterstützung gebeten. Beschäftigt waren in der Fabrik 755 Arbeiter. (Vgl. Nr. 48 d. Bl.) In Köln haben die Socialdemokraten in einer stürmischen Ver— sammlung am Montag beschlossen, die „Köln. Arbeiter-Zeitung“ für die Partei zu übernehmen, dem Verleger 2000 M baar auszuzahlen und weiter zu entschädigen. Das Blatt erscheint vom 1. April d. J. ab als Eigenthum der Kölner socialdemokratischen Partei unter dem Titel ‚„Rheinische Zeitung', Organ für die Interessen der soeial— demokratischen Partei der Kreise Köln-Stadt und Köln-Land, Mül— heim,. Wipperfürth, Gummersbach, Aachen, Koblenz und Trier.

In Eharlottenburg und Schöneberg bei Berlin fanden am 15. und 19. d. M. Versammlungen von Gasanstalts⸗Arbeitern statt; eingeladen waren alle im Beleuchtungswesen beschäftigten Arbeiter. Die Versammelten verpflichteten sich in einer Resolution, dem socialdemokratischen Fachverein der Gasanstalts⸗Arbeiter und Berufsgenossen Berlins und Umgegend beizutreten. J

Auf den Antrag des Ober-Staatsanwalts in Leipzig hat, wie die Zeitungen berichten, das Reichsgericht unterm 22. d. M. beschlossen, gegen die in Berlin verhafteten Anarchisten die Untersuchung wegen Hochverrat hs zu eröffnen. In Haft befinden sich noch Kaufmann Arendt, Schuhmacher Artelt, Steindrucker Bickel, Dandlungsgehilfe Herzberg, Klavierarbeiter Kamien, Drechsler Müller, Gemüsehändler Radau, Sbst⸗ und Gemüsehändler Rennthaler, Schuh⸗ macher Ruff und Schneidermeister Tebs, ö

In Venedig sind, wie der ‚Voss. Ztg. ,,, gemeldet wird, die Ta backarbeiterinnen der Königlichen Tabackfabrik au s= ständig, sie verlangen Stücklohn, Gleichstellung der drei Arbeiter= llassen und besseres Pöaterial. Ein Theil der Arbeiterinnen hat die Urbeit bereits wieder aufgenommen. Da Unruhen befürchtet werden, ut die Fabrik militärisch besetzt worden.

Zweite Beilage zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.

Berlin, Donnerstag, den 25. Februar

1892.

Weltausstellung in Chicago. Der ‚Köln. Ztg.“ zufolge sind auch die Firmen Stumm in Neunkirchen und Krupp in Essen neuerdings entschlossen, die Weltausstellung in Chicago zu beschicken.

Literatur.

Rechts- und Staatswissenschaft.

Das neueste, 2. Heft der Monatsschrift für Deutsche Beam te“, herausgegeben vom Kaiserlichen Regierungs-Rath Dr. jur. L. Wilhelmi Verlag von Friedr. Weiß Nachf. in Grünberg i. Schl.), enthält unter anderem folgende beachtenswerthe Artikel: Reichs⸗ Beamtenrecht. Preußisches Beamtenrecht. Württembergisches Beamtenrecht. Das neue Einkommensteuergesetz. Anrechnung der Militärdienstzeit auf das Dienstalter der Civilbeamten. Die Eisenbahnbeamten-Begräbnißkasse in Berlin. Die Flüssig— machung der sogenannten Gnadenbewilligungen. Zum Pensions— recht der Lehrer und Lehrerinnen an den preußischen öffentlichen Volksschulen. Anstellung von technischen Subalternbeamten in Preußen. Erhöhung der Beamtengehälter in Sachsen-⸗Weimar— Eisenach. Aus Parlamentspapieren. Reisebilder aus dem Elsaß. Die Nothwendigkeit, den deutschen Schriftstil zu verbessern. Cautionen der Beamten und Unterbeamten der Reichs-Post- und Telegraphenverwaltung und der Reichsdruckerei. Rang und Uniform der Regierungs- und Forsträthe und der Oberförster (Titulatur-Forst⸗ meisterl. Annahme von Nebenbeschäftigungen seitens der Kreis—

secretãre. Philosophie.

Gustav Engel: Die Bedeutung der Zahlenverhält— nisse für die Toͤnempfin dung. 1892. Dresden, Richard Bert⸗ ling. Es besteht diese Abhandlung aus zwei Abschnitten; 1) über Vergleichungen von Tondistanzen, 2) die Zahl als Grundlage von Melodie und Harmonie. In dem ersten wird die Frage unter⸗ fucht, ob diejenigen Zahlenverhältnisse, welche factisch⸗ die Grund— lage der Tonkunst bilden, auch für die nach psychephysischer Methode geprüfte Tonempfindung als das Grundlegende Entscheidende gelten können. Geometrische Verhältnisse, das der Octave 1:2, das der Quinte 2: 3, das der großen Terz 4: 5, entscheiden für das musikalische Gehör, und infolge dessen gilt dem Musiker jede Octave, jede Quint, jede Terz als dieselbe Distane, mag sie hoch oder tief siegen; von der hohen oder tiefen Lage hängt aber der arithmetische Werth des Zahlenverhältnisses ab, indem z. B. C, e, ei, e? je 64, 135, 256. 5e Schwingungen in der Secunde vollenden und somit e um 64 Schwingungen schneller als C, ei um 128 Schwingungen schneller als c, eꝛ um 256 Schwingungen schneller als ei ist. Psycho— physiker ersten Ranges und zwar Mundt in Leipzig mit seinem Schüler Lorenz und Stumpf in München sind darüber in einen heftigen Streit gerathen, der in Mundt's philosophischen Studien und in der von Ebbinghaus und König geleiteten Zeitschrift für Pfychologie und Physiologie der Sinnesorgane innerhalb der Jahrgänge 1890 und 1891 zum Austrag gebracht, worden sst. Es erschien auch für die Musikwissenschaft nicht un— wesentlich, dazu Stellung zu nehmen, und für diese Aufgabe standen dem Verfasser obiger Abhandlung außer seinem musikalisch geübten Gehör auch noch die besten fuͤr diesen Zweck geeigneten akustischen Instrumente, nämlich eine große Zahl von Appun und König gefertigter Stimmgabeln mit Resonanzkasten von bis e reichend zu Gebot. Er konnte, darauf gestützt, zu dem Resultat kommen, daß bei dem Versuch, Distanzen von Tonhöhen nach dem bloßen Klanggefühl ohne alle Rücksicht auf das Intervallgefühl zu schätzen, das Urtheil wohl um ein geringes von dem musika⸗ lischen Distanzgefühl abzuirren und die Mitte zwischen zwei Tonhsöhen etwas Föher anzugeben vermag, als es nach dem Intervall gefühl geschehen würde, fand aber dafür in Ueber⸗ einstimmung mit Stumpf die erklärende Ursache theils in der Täuschung des Gehörs durch Einmischung von Obertönen, theils in der Begünstigung, welche einige Tonregionen vor anderen durch die größere Anzahl der in ihnen wahrnehmbaren Töne haben. Sodann wandte er sich zu den in der Tonkunst unbestritten allein gültigen Zahlenverhältnissen und untersuchte von neuem die Frage, wie die Gefetze, welche unserer Melodie und Harmonie zu Grunde liegen, zu erklären seien. Die alte Leibniz Euler sche Theorie von den einfachsten geometrischen Verhältnissen, die Oberton- und Klangver⸗ wandtschaftstheorie, die Schwebungstheorie von Helmholtz und Moritz Hauptmann's die Zahlenverhältnisse logisch umdeutende Theorle boten sich ibm hier zur Betrachtung. Er suchte zu zeigen, daß sie alle einen Beitrag zu der Erklärung liefern, aber die voll⸗ ständige Erklärung nur in ihrer Totalität zu bieten vermögen, und zwar in der näheren Weise, daß Leibniz, Euler und Hauptmann, dessen Beweis aber einer Revision bedurfte, das entscheidendste Wort hierbei gesprochen haben. Wie weit ihm dies gelungen, kann in einem kurzen HFeferat nicht zur Entscheidung gebracht werden; doch mögen. Musiker, die ein Intereffe für die wissenschaftlich erklärbaren Principien ihrer Kunst haben, und Philosophen und Naturforscher, die der Tonkunst befreundet sind, auf die Abhandlung hingewiesen sein.

Dichtkunst. .

Gedenkbuch eines Schleswig-Holsteiners aus fünf Jahrzehnten. Gedichte von Karl Heinrich Keck. Erster Tbeil: Politifches. Gotha, Verlag von Friedr. Andr. Perthes, 1832. (Pr. 2 M 40 . Der bekannte schleswig ⸗hoölsteinische Dichter hat in diesem Buche die Denkwürdigkeiten seines bewegten Lebens in poetischer Form zur Darstellung ebracht. Zunächst schildert er seine Theilnahme am er lich Leben in politischen und patriotischen Liedern mit vorwiegend localer Fãr⸗ bung, aber mit kräftigem, deutschem Pulsschlag. Was, wie er sagt in holden Träumereien auf anderen Fluren dichterischer Er⸗ fahrungen und Erlebnisse ihm aufgeblüht', das hat er für die fol- genden Theile aufgespart. Aber auch seine politischen Lieder sind keineswegs „garstige“ sondern bekunden eine dichterische Eigenart von , nach Schönheit der Form xringender Gestaltungs— kraft. Von besonders vollem und warmem Klange sind die Lieder auf unser Kaiserhaus. .

—n. „Franceseg da Rimini? .. Tragödie in fünf Akten von Martin Greif. Deutsche Verlags ⸗Anstalt. Stuttgart, Leipzig. Berlin, Wien. 1892. Preis 250 6, elegant gebunden (n Das tragische Schicksal der Francesca da Rimini dramatisch ju gestalten, ist ein Preblem, an dem sich Greif nicht als erster ver fucht hat. Er hat als Lyriker wiederholt Proben eines tüchtigen Könnens abgelegt und ist auch auf dramatischem Gebiet kein Neuling. Doch sind seine Dramen bisher auf der Bühne nicht recht Feimisch geworden. Sb es ihm gelingen wird, mit dieser Tragödie auf den Brettern festen Fuß zu fassen? Wir zweifeln, ohne die hohen dichterischen Schönheiten des Werks zu verkennen. Die

dlung ist einfach und übersichtlich aufgebaut, auch wobl geeignet, Theilnahme zu erwecken und bis zum ö, Paolo's Ver- bannung, zu steigern. Aber sie bis zum Ende festzuhalten, hat sich die Kraft des Dichters als e,, . erwiesen, und diese Empfindung dürfte, wie sie sich bei der Leetüre unwillkũr⸗· lich aufdrängt, bei der Aufführung noch schãrfer hervor- treten. Der Dichter erweckt nicht den Glauben an die wie mit Elementargewalt unwiderstehlich die Herzen der Liebenden. durch juckende Leidenschaft, und diesen Mangel an dramatischer Kraft kann weder die Schönheit der Sprache noch die Feinheit der Charakteristit

8 ersetzen. Der verhängnißvolle Schwur, den Lanziotto vom Brude, fordert, erscheint nicht genügend motivirt, und Montefeltro vollends der Vertreter der strafenden Gerechtigkeit, erinnert etwas stark an den

deus ex machina der Alten.

Erst vor wenigen Wochen sind in der Bibliothek der deutschen und ausländischen Klassiker des Bibliographischen Instituts in Leipzig und Wien die vortrefflichen Ausgaben von Hauff 's Werken und Bürger s Gedichten erschienen, jetzt erfreut uns die Verlagshandlung mit zwei ähnlichen Gaben, indem soeben erschienen: Eichendoxrff's Werke“, mit Eichendorff's Leben, mit Einleitungen und mit er— läuternden Anmerkungen berausgegeben von Dr. Rich. Dietze, 2 Bände (Preis in elegantem Leinenband 4 1 in Saffianeinband 6 M und ‚Hsellert's Dichtungen“, mit Gellert's Leben, mit Einleitungen und mit erläuternden Anmerkungen herausgegeben von Dr. A. Schullerus, 1 Band Preis in elegantem Leinenband 2 , in Saffian⸗ einband 3 ½ Eichendorff s Werke finden auch heute noch eine große Anzahl wärmster Verehrer. Obwohl der moderne Geschmack der Literatur in andere Bahnen eingelenkt ist, weiß doch ein großer Kreis von Freunden unserer älteren Literatur die vorzüglichen Leistun gen der romantischen Schule nach wie vor hochzuschätzen. Die dichte⸗ rische Freude an den Wanderungen durch duftende Wälder und Thaler, der Eichendorff einen so begeisterten Ausdruck verlieben hat, wird ihren Eindruck auf alle für wahre Poesie empfänglichen Ge— müther nie versagen. Eichendorff s Werken voran geht eine fesselnde Schilderung der Lebensschicksale des Dichters, an die sich eine treffende und feinsinnige Beurtheilung seiner Werke. beides aus der Feder Dietze's anschließt. In Schullerus' Bearbeitung von Gellert's Dichtungen werden uns zunächst die poetischen Werke des beliebten Volksdichters geboten, danach folgt eine geschickte Auswahl der ‚Moralischen Gedichte und der . Geist— lichen Oden und Lieder:; den Beschluß machen einige der be— rühmtesten Briefe Gellert's. Unter Zugrundelegung des gleichen Bearbeitungsplans wie bei Hauff und Bürger herausgegeben von gründlichen Kennern der Eichendorff schen und Gellert'schen Muse, ieten die neuen Erscheinungen der Meyer'schen Klassiker-Bibliothek in sorgfältigster Ausführung alles das, was der heutige Leser zum Verständniß der älteren Autoren bedarf. Auch die neuen Ausgaben sind aufs vortrefflichste ausgestattet: hboljfreies, gutes Papier, klarer Druck, gediegener Einband; hervorzuheben sind, noch die Porträt. beigaben Eichendorff's und Gellert's, welche in künstlerisch aus— geführten Kupferstichen die Werke zieren.

Volkswirthschaft.

Taschen⸗Kalender 1892 zum Gebrauche bei Hand— hab ung der Arbeiterversicherungsgesetze für Behörden, Berufsgenossenschaften (Genossenschafts- und Sectionsvorstandsmitglie⸗ der, Vertrauensmänner, Mitglieder der Entschädigungs-Feststellungs⸗ Commissionen, Versicherungsanstalten, Genossenschafts⸗ zc. Beamte), Schiedsgerichte, Krankenkassenvorstände, Rechtsanwälte, Aerzte u. s. w. Nach amtlichen Quellen zusammengestellt und herausgegeben von Bu schmann, Geschäftsführer der Ziegelei⸗Berufsgenossenschaft, Götze, erxpedirendem Secretär im Reichs-Versicherungsamt. Verlag der Liebel⸗ schen Buchhandlung, Berlin. 811 S. Kl. So. 2 Theile (1. Theil in Leder gebunden). Preis 6,25 66. In dem IV. Jahr⸗ gange ist auch das Krankenversicherungsgesetz durch die wich— tigsten der im Laufe der Zeit bekannt gewordenen gericht— lichen Erkenntnisse und sonstigen Entscheidungen erläutert worden. Sodann haben die Erläuterungen zu den Unfallversicherungsgesetzen auf Grund der nach dem Abschluß der früheren Jahrgänge erlassenen zahlreichen Bescheide und Entscheidungen der maßgebenden Behörden, insbesondere des Reichs-Versicherungsamts, vielfache Erweiterungen und Ergänzungen erfahren. Ganz besonders wichtig sind ferner zur näheren Verständigung auf dem bisher noch wenig erschlossenen Ge— biete der Invaliditäts- und Altersversicherung die erstmalig in aus— führlicherer Weise gebrachten Angaben über die Organisation dieser Versicherung und vor allem die für die künftige Behandlung gleicher Fragen grundlegenden Entscheidungen des hier endgültig zuständigen Reichs -Versicherungsamts. Die Beschaffung des neuen, ebenfalls wieder in 2 Theilen erscheinenden Jahrgangs des Kalenders, dessen Aenderungen und Verbesserungen sich im einzelnen nicht herzählen lassen, dürfte bei den vorgenommenen Erweiterungen für alle bei der Durchführung der Arbeiterversicherunng betheiligten Stellen ꝛc. sich empfehlen, da der Kalender das gesammte Gesetzesmaterial mit allem Zubehör in einem handlichen Nachschlagebuch in übersichtlicher Weise für den Gebrauch vereinigt und somit einen zuverlässigen Ueberblick über die Rechtslage in Fragen der Arbeiterversicherung ermöglicht.

Wegweiser zur Aufstellung von Arbeits ordnungen auf Grund des Arbeiterschutzgesetzts vom 1. Juni 1891. . Von Dr. von Rüdiger, Regierungs- und Gewerbe⸗Rath. Zweite Auflage (Berlin, Carl Heymann's Verlag, 1892) Preis 2 ½ Das Arbeiter schutzgefetz tritt am 1. April in Kraft und vier Wochen nachher müssen in allen Fabriken mit mindestens zwanzig Arbeitern Arbeitsordnungen erlassen sein. Um dieser Verpflichtung nachzukommen, werden die Arbeitgeber den vorliegenden Wegweiser, der sie über die einschlägigen Verhältnisse genau orientirt und ihnen auch als Muster einige Rormalarbeitsordnungen“ vorführt, mit Nutzen gebrauchen können. Er sei den Arbeitgebern bestens empfohlen.

Natur- und Völkerkunde.

Der Weltpostverein und der Wiener Posteengre Von J. Jung, Kaiserlichem Postinspector in Berlin. Mit zwei graphischen Darstellungen. Leipzig, Verlag von Duncker und Hum— blot, 1892. (Sonderabdruck aus Schmoller's Jahrbuch für Gesetz. gebung. XXI. Jahrgang. 1. Heft). In gedrängter Uebersicht giebt die kleine Schrift eine Darstellung der bisherigen Entwickelung der Weltvost und der neuesten Fortschritte, die der Weltposteongreß vom Jahre 1891 in Wien gezeitigt hat. Nach einer Vorgeschichte des Fongresses werden die Aufgaben und der Verlauf. des letzteren dar⸗ gelegt. Als das wichtigste Ergebniß wird der Beitritt der britischen Folsnien Äustralafiens gebührend gewürdigt und dann Form und Inhalt der neuen Verträge sowie die dadurch eingeführten Verkehrserleichterungen im Poftwesen besprochen. Graphische Darstellungen auf besonderen Beilagen vergnschaulichen die außerordentliche zunahme des Post= derkehrs im Deutschen Reiche und im ganzen Gebiete des Weltpost⸗ pereins, wie sie sich in dem Zeitraum von 1874 1839 ergeben hat. Der gesammte Weltpostverkehr, d. i. die Zahl aller in den Ländern des Weltvostvereins aufgelieferten Postsendungen, belief sich danach im Jahre 1873 in den heute zum Weltpostverein gehörigen Ländern auf fund 3300 Millionen Sendungen jährlich und ist bis 1889 auf 135 00 Missionen Sendungen jährlich, bezw. auf 41 Millionen Sen dungen täglich gestiegen. Unter jenen 15 Milliarden befinden sich rund G Millionen Briefe, 1600 Millionen Postkarten, 5700 Millionen Druck- sachen, 100 Millionen Waarenproben, 230 Millionen Werthsendungen, 40 Millionen Postanweifungen, 260 Millionen Packete, 60 Millionen Werthsendungen, 40 Millionen Post⸗Auftrags und Nachnahmesendungen. Der Postverkehr der Welt hat sich mithin seit der Gründung des Weltvostvereins verfünffacht, auch die Zahl der ihm dienenden ost · anstalten ist von 85 443 auf 169795 gestiegen, und von wirthschaft lichen Werthen, soweit solche auf den Sendungen angegeben sind, vermittelt die Westvost jährlich mehr als 7 Milliarden Mark. Nach diefer Darlegung der durch die Weiterentwickelung des Weltpostvereins fo enorm gefteigerten Verkehrsleistungen bespricht der Verfasser noch die Fortbildung der Grundgesetze des Vereins, seiner DOrganisation und seines Abrechnungswesens sowie die Rückwirkung der Vereins · bestimmungen auf die innere Gesetzgebung der Einjelländer und die

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