1892 / 51 p. 8 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 27 Feb 1892 18:00:01 GMT) scan diff

da befanden wir uns auf festem Boden. Jetzt eröffnen Sie, nachdem Sie in dieser Schlacht den Ruäckzug haben antreten müssen, einen neuen Kampf, eigentlich in der Luft, wie in der berühmten Geister⸗ schlacht nach dem Hunnenk ampf, wo schließlich bei Nacht in den Wolken lauter Phantom kämpften und in heißem Ringen lagen. Sie haben ihn gekämp't, und ich erkenne an, tapfer und ehrenvoll, aber nutzlos! (Hescterkeit.,)

Wenn ich mcten in einer solchen Scene mich befinde, wie mir das schon wiederholt passirt ist, ich darf nur erinnern an die Vor— lage der überseeischen Postdampferlinien, die ein ziemlich ähnliches, viel umwäagtes Schicksal hatte, (Zuruf links) ja, meine Herren, es dauerte zwei Jahre, ehe jene Vorlage durchkam, wo sie dann mit großer Majorität angenommen wurde, ich sagte also: wenn ich mich mitten in einer solchen Scene befand, so habe ich mich seit lange daran gewöhnt, um die Sache ganz objectiv zu betrachen, einen Punkt außerhalb zu suchen, den Punkt des Archimedes sozusagen, von wo aus man den Hebel ruhiger Betrachtung anlegen kann; und da sage ich mir denn, wer nach zwanzig Jahren, vielleicht auch nur nach zehn, möglicher—⸗ weise auch schon nach fünf Jahren einmal die heutigen Verhand⸗ lungen durchliest, wenn er dazu überhaupt Zeit und Lust haben sollte, der muß unbedingt zu dem Ausspruch kommen: „In curis inanibus consumitur aevum.“ Wir streiten uns wirklich in den Wolken herum. Es ist wiederholt auch in der Presse gesagt worden: die Elektricität bedarf der Einführung in den Verkehr. Das ist ja eine sehr sonore Redensart, oder da der Ausdruck Redens⸗ art ja wohl verpönt ist, Herr Präsident, (Heiterkeit) eine sehr sonore Art zu reden, (große Heiterkeit) ich spreche überhaupt jetzt von keinem Mitglied des hohen Hauses und was also jenen Ausspruch betrifft, so hat schon Falstaff gesagt: „Gute Phrasen sind und waren zu allen Zeiten wohl zu recommandiren, Herr Scheel.“ Dahin gehört auch dies. Was will denn das heißen: Einführung der Elektricität in den Verkehr? Sie ist schon seit 50 Jahren darin, in der Telegraphie, seit 10 Jahren in der Beleuchtung, seit einer Anzahl von Jahren, d. i. seit der ersten Münchener Elektrischen Ausstellung, ist sie in der Kraftübertragung. Also, meine Herren, eines Introducteurs bedarf die Elektricität nicht: entweder sie ist selber stark, und dann bedarf sie eben keiner Einführung, oder sie ist nicht stark, dann werden auch alle Ihre Reden ihr nicht zu einer Stärke verhelfen. Ich muß doch wirklich sagen: diese arme Elektrieität! alles will von ihr leben, die Erfinder, die Fabrikanten, die Großindustriellen, die Kapitalisten, die Actiengesellschaften, die Patentanwälte, ja sogar die Patentverwer⸗ thungsgeschäfte, die sich zum theil auch bei diesen Agitationen betheiligt haben, wie mir wohl bekannt ist. Wenn das so fortgeht, meine Herren, dann wird es bald mehr Menschen geben, die von der Elek— tricität le ben wollen, als solche, die der Elektricität bedürfen. (Heiterkeit) Ich weiß ja ganz gut, meine Herren, daß einer der Hauptherde dieser ganzen Bewegung Frankfurt am Main ist. (Sehr richtig! links) Ja wohl: sehr richtig! und vielleicht für manchen auch sehr charakteristisch. Ich will hier aber noch das er— wähnen, daß gerade die Reichs-Telegraphenverwaltung, mit baaren Mitteln, mit den Schätzen unseres Reichs-Postmuseums, mit den Kräften ihrer Beamten und ihrer Erfahrung sehr wesentlich zur Aus— stellung in Frankfurt am Main beigetragen hat, und daß namentlich die Kraftübertragung in Lauffen ohne die Hülfe der Reichs-Telegraphen— verwaltung überhaupt nicht herzustellen gewesen wäre. (Sehrrichtig! und Hört! hört ) Und statt dessen wenden sich nun die Starkstrominteressenten mit großer Agitation gegen diese Verwaltung: das ist der Dank dafür! (Na! Na!) Ich habe hier das Telegramm vor mir liegen, in welchem auf diesem jetzt ja nicht mehr ungewöhnlichen Wege eine Petition an den Reichstag gelangt ist; darin versteigen sich die Petenten zu folgender Aeußerung: Nachdem sie eine blühende Schilderung alles dessen gemacht haben, was von der Elektrieität zu erwarten ist, heißt es da folgendermaßen:

Der Genuß aller dieser Vortheile soll nunmehr für uns in Frage gestellt werden, nicht etwa durch einen äußeren, mißgünstigen Feind,

was ein mißgünstiger Feind ist, weiß ich überhaupt nicht, jeder Feind ist mißgünstig (Heiterkeit) sondern durch eine sonst wohlwollende, hochverdiente Behörde des eigenen Vaterlandes. Da wird also die hochverdiente und wohlwollende Behörde des eigenen Vaterlandes in eine Linie gestellt mit einem äußeren miß⸗ günstigen Feind.

Nun hat man von Frankfurt aus Wanderapostel auf Reisen ge⸗ schickt, die kommen in die Elektrischen Vereine, fangen da ihre Auf— regungen und Bewegungen an und stören diese Vereine in ihrer ruhigen wissenschaftlichen (Lachen links) und besonnenen Thätigkeit. Ja, Ihr Lachen ändert an dem Vorkommniß gar nichts, das steht fest, die Thatsache ist mehrfach vorgekommen, nicht bloß hier, sondern auch in Frankfurt. Ich könnte Ihnen die Betreffenden nennen, indeß ist das ja nicht nöthig. Der Meinung aber bin ich, daß diesem Treiben, welches ich für ein störendes und besonders auch der elektrischen Industrie selber nachtheiliges halte, mit Energie entgegengetreten werden muß. Denn es wird dadurch eine solche Beunruhigung in allen Kreisen hervorgerufen, die schließlich für die Industrie⸗-Interessenten viel schädlicher ist als alles, was etwa die böse mißgünstige Regierung im Schilde führen könnte! Meine Herren, wenn das Wort gefallen ist von dem Beunruhigungsbaecillus, so muß ich sagen, diesmal ist es ein wohlausgewachsenes Beunruhigungsmega⸗ therium. (Große Heiterkeit.)

Es wird immer versucht, uns zu imponiren mit Angaben: an dieser Versammlung haben 800 Personen theilgenommen, an diesem Congreß 400 Personen u. s. w. Ja, meine Herren, auf die Zahl der Personen kommt es doch nicht an, es fragt sich, wie viel denn darunter gewesen sind, die wirklich von den Fragen der Wissenschaft und Technik und namentlich des Fernsprechers, die doch hier besonders in Betracht kommen, überhaupt etwas Gründlicheres verstanden haben! Mit diesen Zahlen werden Sie bei uns in der That keinen Eindruck machen. Der Dilettantismus, der sich in diesen frei zusammentretenden Versammlungen breit macht, ist allerdings von uns zu bekämpfen. Sie kennen ja die alte Geschichte, ich glaube, sie steht im Plutarch: wie Hannibal in Ephesus weilte in der Verbannung, da kam einmal ein Rhetor aus Athen Namens Phormio und hielt einen zweistündigen Vortrag über Kriegskunst und Feldherrngenie; er wurde sehr beklatscht von den Ephesern wegen der schönen Art zu reden, die er sich ange⸗ wöhnt und von Athen mitgebracht hatte. Nur Hannibal verhielt sich schweigend, und wie er mit seirem Gastfreund das Lokal verließ, wie

man zu sagen pflegt (Heiterkeit) und dieser ihn fragte: was sagst du denn zu diesen Ausführungen? so erwiderte er: Ich habe noch niemals einen größeren Narren reden hören. (Heiterkeit) Das kann man nicht selten auch auf die Reden anwenden, wie sie in solchen Versamm⸗ lungen gehalten werden. (Große Heiterkeit) Ich weiß mich zu erinnern an einen Mann, der einmal auf einem Dampfschiff eine Reise von Mainz nach Bingen gemacht hatte und von dem Augenblick an glaubte, die ganze Kenntniß der Nautik und Astronomie zu besitzen. (Heiterkeit)

Die Petitionen der Städte betreffend, so sind sie ja schon gestern von einer Seite und auch heute wieder der Kritik unterzogen worden. Ich will das nicht nachahmen und will sie milder behandeln nach dem Princip, was Hamlet ausspricht in den Worten: Der Rest ist Schweigen. (Heiterkeit. )

Meine Herren, ich muß von neuem Verwahrung dagegen ein⸗ legen, daß die Telegraphenverwaltung hier immer als Partei con⸗ struirt wird gegenüber den Starkstromanlagen. Sie ist ein Theil der Regierung, und hier steht Ihnen überhaupt nicht die Telegraphen⸗ verwaltung gegenüber, sondern es sind die verbündeten Regierungen, die Ihnen gegenüber stehen. Ich weiß wohl, daß aus dieser sophistischen Wendung viel Kapital geschlagen wird; aber es hat doch auch Entrüstung erregt in vielen Kreisen. Ich habe hier ein Exemplar der „Elektricitätszeitung“, und bemerke, daß dies Blatt in keinerlei Verhältniß zur Post steht. Ich kenne keinen von den Herren, die daran mitarbeiten. Es ist das ein tech⸗ nisches Blatt, Centralorgan für die gesammten Interessen der elektro⸗ technischen Industrie. Darin steht Folgendes:

Die Berliner Elektricitätswerke haben 1890 10 ½ Dividende vertheilt und sich zur Höhe von 180 ,υὴ auf dem Curszettel empor— geschwungen. Gleichwohl hat sich die Petition des Berliner Ma⸗ gistrats zu der Behauptung verstiegen, die Verleihung des Regals bedeute in letzter Linie nichts anderes, als die Einschränkung von Rechten Aller zu Gunsten Einzelner. Das klingt beinahe, als wenn der Herr Staatssecretär von Stephan, als Einzelner, die Rechte in die Tasche steckte, welche dem Volke entzogen würden, während das Verhältniß gerade umgekehrt ist und in Wirklichkeit dem Reich, also der Gesammtheit der Steuerzahler, die Rechte ge⸗ setzlich gewahrt werden sollen, die es seither schon thatsächlich aus—⸗ geübt hat, welche aber Einzelne, nämlich die Elektricitätsunternehmer und ihre Finanz⸗Hintermänner für sich allein möchten, die Stadt⸗ vertretungen sollten sich wohl hüten, wenn auch vielleicht unbeab⸗ sichtigt, auf diese Weise die Geschäfte prosperirender Unterneh— mungen, bezw. der haute finance (Heiterkeit) auf die Gefahr hin zu führen, daß dadurch die Gesammtheit der Steuerzahler oder mindestens das große Publikum leiden und die Zeche bezahlen müßte.

In einer kleinen Schrift, einer Broschüre, von sachkundiger Seite, die mit der Post- und Telegraphenverwaltung ebenfalls in keiner Be— ziehung steht, heißt es:

Glaubt sie (die Telegraphenverwaltung), noch ohne ein solches Gesetz, nämlich Elektricitätsgesetz, auskommen zu können, so hat die elektrotechnische Industrie am wenigsten ein Interesse daran, den Erlaß eines solchen, das ihr gewiß Beschränkungen auferlegen wird, zu beschleunigen. Gerade hier wird es sich nach der Ansicht des Verfassers schließlich zeigen, daß nicht die Reichs-Postverwaltung aus einer Art persönlichen Interesses auf eine Beschränkung der elektrotechnischen Industrie hindrängt, sondern daß das an dem un— gestörten Betrieb der Telegraphie interessirte große Publikum darauf dringen wird, den telegraphischen Verkehr nicht durch den nach⸗ theiligen Einfluß anderer Unternehmungen gestört zu sehen, die an sich zwar bedeutsam sind, gegenüber der Bedeutung des Telegraphen— verkehrs für das große Publikum aber minderwerthig erscheinen.

Ich komme noch auf einige Bemerkungen, die der Herr Abg. Dr. Siemens im Verlauf seiner gestrigen Rede machte. Er erwähnte auf meine Anführung, daß die Elektricitätsleistung noch sehr theuer wäre, es sei das ein Irrthum, ihm habe Jemand gesagt er nannte den Unternehmer nicht er könne die Pferdekraft zu 35 Pfennig pro Stunde liefern. Meine Herren, es ist schon gestern erwähnt worden, daß die Kraft, welche durch die Elektricität hervorgerufen wird, in der That verhältnißmäßig noch theuer zu stehen komme. Ich wünsche ja sehr, daß sie recht bald dahin gelangen möge, ihre Kraft billiger ab— geben zu können, vorläufig aber, und bis es uns etwa gelingen wird, die Dampfkraft direct in Elektricität umzusetzen, statt daß es jetzt noch immer des Zwischengliedes, der Dynamomaschine, bedarf, werden sich die Preise noch wohl längere Zeit hoch stellen. Ich habe hier eine Berechnung von einem namhaften Fach⸗— mann, einem Ober-⸗Ingenieur der Kaiserlich österreichischen Regierung, der über die Lauffener Kraftübertragung schreibt, von der bereits viel in den Zeitungen verkündet worden ist ich wünsche dringend, daß sich das alles bestätigen möge; aber das will ich auch sagen, eine amtliche Nachricht habe ich noch nicht erlangen können über die Resultate, die erzielt sind in dieser Berechnung heißt es:

Uebertragen wurden 805 000 Watt; in Frankfurt gelangten zur Ausnützung 580 000 Watt, was somit einem Wirkungsgrade von 720½ gleichkäme; ein ganz überraschend hoher Nutzeffect! Von den 10000 Isolatoren wurde nur ein dreifacher Oelisolator bei dem Versuche mit den 30 000 Volt durchgeschlagen. Obwohl nun der technische Erfolg ein außerordentlich befriedigender zu nennen, so ist die Sache, finanziell genommen, nicht so günstig. Jede übertragene Pferdekraft erforderte Erstellungskosten 1500 Fr., wovon 12560 Fr. pro Pferdekraft auf die Leitungs⸗ errichtung fallen. Würde man hier Amortisation, Verzinsung, Beaufsichtigung und Instandhaltung rechnen, so stellt sich der Preis der Pferdekraft vor den Thoren Frankfurts schon auf etwa 320 bis 350 Fr. pro Jahr. Wenn dann auch das Secundärnetz und die sonstigen Vorkehrungen zur Kraftvertheilung in Frankfurt hinzu⸗ gerechnet werden, so sieht man wohl ein, daß die Sache in der That ein wunderbares Experiment genannt zu werden verdient, auf finanziellen Erfolg aber keinen Anspruch erheben darf.

Also, meine Herren, ich glaube auch schon bemerkt zu haben, daß sich eine gewisse Vorsicht bei den Stadtverordneten-Versammlungen der einzelnen Städte geltend macht, namentlich nach der Mahnung, die der Königlich preußische Herr Finanz⸗Minister neulich im Ab⸗ geordnetenhause an sie gerichtet hat, den Stadtsäckel festzuhalten. Mir ist persönlich gesagt worden unter anderem von Gastwirthen, daß sie kaum auf die Dauer die elektrische Beleuchtung, wenn sie so theuer sei, in einzelnen Zimmern werden halten können. Mir ist sehr wohl bekannt, was von den Elettrotechnikern dagegen gesagt wird.

Nehmen wir einmal den Fall an: es braucht ein Mann ein Flamm enstärke von sechs Kerzen; nun genügt ihm das nicht 8 er will es heller haben, er geht zur elektrischen Beleuchtung üben Diese sechs Kerzen haben ihm, wir wollen mal sagen, einen Thale gekostet; nun muß er für das elektrische Licht drei Thaler geben Das kommt ihm wunderlich vor; es tröstet ihn aber die Gleftrisch Gesellschaft damit: Du hast jetzt achtzehn Kerzen! Ja, sagt er, waz thue ich damit? Ich brauche nur neun, und die könnte ich fun 14 Thaler haben! Mit der Wasserkraft ist es auch solche Sache, da sie in vielen Fällen nicht regelmäßig ist. Ih führe dies nur an gegen die übertriebenen Vorstellungen, die man sich von den Wundern der Elektricität macht. Wenn dies nun den Herren nicht angenehm ist, so hätten Sie diese Discussion beim Regalge setz überhaupt nicht hervorrufen sollen.

Daß die dynamischen Maschinen noch großer Vervollkommnung entgegengehen werden, das steht bei dem menschlichen Erfindungtgeist fest. Wir brauchen nur an das zurückzudenken, was mit der Dampf— maschine geschehen ist. Newcomen hatte schon eine brauchbare Maschine hergestellt, ganz wirkungsvoll, aber sie verbrauchte einen sehr großen Brenn— stoff. Siebzig Jahre hat es gedauert, ehe James Watt seine Erfindungen brachte, den Condensator, das Parallelogramm u. s. w. und weitere siebzig Jahre sind erforderlich gewesen, bevor wir zur Woolf 'schen Maschine und zur Compoundmaschine gekommen sind.

Etwas Aehnliches wird mit den Dynamomaschinen geschehen. Die ersten Anfänge reichen in das Jahr 1832 zurück, als der Pariser Pixii man kann es nicht Maschine nennen, aber den ersten elektri⸗ schen Kraft-Apparat schuf. Dann ruhte die Sache bis zum Jahre 1857. Da kam Werner von Siemens mit der sehr sinnreichen Er— findung des Cylinder-Inductors, einer erheblichen Verbesserung, die er in den Inductorstollen anbrachte. Dann kam das Jahr 1860, da wurde wieder ein Fortschritt erzielt durch den Italiener Pacingtti mit der Erfindung seines Ringes. Sodann fand Werner von Sie— mens 1866 das elektro⸗dynamische Princip; dann kam die Maschine, die der Belgier Gramme im Jahre 1870 auf den Markt brachte und die heute in Hunderttausenden von Exemplaren functionirt. Jetzt sind wir dahin gekommen, daß man, wie ich in Frankfurt gesehen habe, Dynamomaschinen construirt von 500 bis 600 Pferdekräften mit 400 000 bis 500 000 Volt⸗Ampére⸗Leistung, sowohl mit Gleichstrom als mit Wechselstrom. Ebenso wird das hoffentlich weiter gehen, es werden diese Maschinen weiter vervollkommnet werden. Zunächst aber, wie gesagt, ist die elektrische Kraft, namentlich auf weitere Ent— fernungen noch theuer, und jedenfalls liegt die Sache noch nicht so, daß Sie hier von großem und allgemeinem nationalen Interesse zu reden brauchen. Soweit sind wir leider noch nicht; ich sage: leider! es wäre ja höchst wünschenswerth, wenn es dahin käme.

Wenn nun immer auch angeführt wird, daß die Kleinindustrie einen großen Vortheil davon haben werde, so habe ich auch dagegen meine Bedenken; denn die elektrische Kraft ist ja an die Leitungen gebunden, Sie können nicht die Leitung an jede Drehbank, in jede Schlosserwerkstatt, in jeden Klempnerkeller einführen; das hat doch auch seine wesentlichen Bedenken. Sodann kommt der höhere Preis in Betracht und die bekannte wissenschaftliche Thatsache, daß je kleiner der Motor ist, desto geringer sein Nutzeffect ist, also desto stärker der Kraftverlust ist. Wir haben das erlebt mit den Gasmotoren und den calorischen Maschinen. Es knüpfte sich an diese Erieson⸗Maschine und auch an die Gasmotoren eine weitgehende Erwartung; es sind auch Hunderttausende von Gasmotoren im Gebrauch, das weiß ich, aber das ist doch noch nicht eine große Anzahl gegenüber der Ge— sammtzahl Gewerbtreibender. Also, wenn Sie diese Argumente uns gegenüber anführen und mit den „kleinen Gewerbtreibenden“ kommen, so ist die Zeit noch nicht da, wo dieses Argument zieht und eine sachliche Unterlage hat.

Ich komme nun zu den Anträgen, die von jener Seite des Hauses eingegangen sind und die den bekannten gegnerischen Stand— punkt einnehmen. Der Herr Graf Arnim hat bereits vorhin gesagt: in diesem Kampfe so möchte ich es nicht nennen also in diesen Differenzen zwischen schwachen und starken Strömen ist ja der schwache Strom der kleinere Theil. Er hat ganz richtig angegeben, daß der Starkstrom 100 000 mal so stark ist als die Ströme, mit denen wir telegraphiren. Diese Zahl steigert sich aber noch sehr, bis 500 00, selbst bis 1 000 000, z. B. bei der atlantischen Telegraphie, wo wir den Syphon-Recorder benutzen, der nur äußerst schwache Ströme in die Leitung schickt. Die schwachen Ströme können Sie doch nun hinsichtlich des Selbstschutzes nicht in derselben Weise behandeln wollen wie die Starkströme, von denen die Strömung ausgeht; von dem schwachen Strom kann sie niemals ausgehen, es wäre das ebenso, als wenn Sie einen Papiertopf zum Küchengebrauch vergleichen wollten mit einer Dampfmaschine mit einem Kessel von 20 Fuß Länge und 10 Atmosphären Ueberdruck. Die Starkstrsme können Menschen tödten, Eisen schmelzen, Feuersbrünste erzeugen die Feuerversicherungsgesell⸗ schaften sind ja jetzt schon dahinter, wie ich das gehört habe und machen ganz andere Sicherheitsmittel nöthig als die schwachen Ströme. Nun sagt der Antrag des Herrn Abg. von Bar der erste von den vier Anträgen; Sie haben ja auch in dieser Beziehung häufiger gewechselt und Ihre Anträge modifieirt, ich erkenne daran ein gewisses Bestreben, uns entgegen zu kommen, ich bedauere nur, daß das nicht nachdrücklicher gewesen ist, ö

„Telegrapheneinrichtungen müssen so angelegt werden, daß sie gegen Einwirkungen benachbarter elektrischer Einrichtungen und Leitungen, mögen dieselben bestehen oder erst in Zukunft hergestelt werden, möglichst in sich selbst geschützt sind“.

Meine Herren, von Starkströmen sagen Sie hier garnichts. Also bloß die Telegraphenströme, die schwachen, sollen sich in sich selbi schützen, den starken wollen Sie überhaupt garkeine Verpflich— tung auferlegen! Gerecht ist das nicht, billig auch nicht, und freisinnig erst recht nicht (Heiterkeith, in dem Sinne wenigstens nicht, der ge wöhnlich diesem Worte beigelegt wird. Sie haben das auch gefühlt und haben einen zweiten Antrag gestellt und haben hinterdrein gesetzt „vorausgesetzt, daß auch die Starkströme in sich geschützt sind“. Sie haben wohl gefühlt, welche Ungerechtigkeit und Unbilligkeit in dem ersten Antrage lag, durch welchen Sie dem Reich diese ganze dast aufgelegt haben würden; ich sage nicht, daß Sie es gewollt haben, aber es wäre die Wirkung gewesen. Meine Herren, jenen ganzen Satz verstehe ich sprachlich nicht, ich verstehe ihn logisch nicht und verstehe ihn technisch nicht; nehmen Sie mir das ni.

übel. Also erst einmal sprachlich; was heißt denn das: in sich selbst geschützt? Man kann sich gegen etwas schützen, vor etwas schützen, aber nicht sich in sich selbst schützen. Ich frage weiter, gegen

wen denn? kennen Sie denn sämmtliche Starkströme, und die Er— sindungen, die noch kommen werden? Denn es steht in Ihrem An— trage wörtlich: mögen dieselben bestehen oder erst in Zukunft hergestellt werden“. Sie können doch nicht wissen, welche Erfindungen noch kommen werden und dagegen sollen wir uns schon jetzt schützen?! Ist es denn überhaupt möglich, einen solchen Gesetzesparagraphen auszuführen? Ich will einmal einen kleinen Vergleich hier anwenden, es könnte z. B. eine Starkstromanlage bei einer Eisenbahn aufgestellt werden, und die magnetische Strömung beeinflußte die Schienen, überhaupt das ganze Eisenzeug in dem Zuge dermaßen, daß der Betrieb stockt. Es wird doch wahrhaftig keinem Menschen einfallen, zu sagen, die Eisenbahn hat die Vorkehrung zu treffen, daß sie vorwärts kommt lsehr richtig! rechts), sondern der Starkstrombesitzer hat die Vorkehrung zu treffen, daß er nicht die allgemeinen Verkehrseinrichtungen stört und zerrüttet (Sehr richtig! rechts; gerade so, wenn jemand eine Dynamitfabrik anlegt, so muß auch diese für Schutzmaßregeln sorgen. Als die erste Dampf⸗ maschine kam, da fiel auch niemandem ein zu sagen, nun panzert Eure Häuser, sonst fährt Euch das Unthier hinein. Nein, es wurde umgekehrt gesagt: der Besitzer der Dampfmaschine hat den Kessel und die Mauern entsprechend stark zu machen, und alle Jahre finden Kesselrevisionen statt, die bei Starkströmen auch eingeführt werden müssen, damit Unglücksfällen vorgebeugt wird. Meine Herren, deshalb finde ich Ihren Antrag auch logisch verfehlt; denn der Stärkere muß veranlaßt werden, die Sicherungsmaßregeln zu treffen, damit kein Unheil geschieht. Und technisch endlich finde ich den Antrag deshalb nicht be⸗ gründet, weil, wie vorgestern schon von einem der Herren Commissare nachgewiesen ist, überhaupt ein technischer Schutz der Fernsprechlinien zur Zeit nicht durchweg möglich ist. Es handelt sich hier um eine reine Kostenfrage: wer soll die Kosten bezahlen? und die Tendenz, oder ich will lieber sagen, die Wirkung der Anträge ich nehme Tendenz zurück, aber die Wirkung der Anträge geht dahin, daß die Kosten hauptsächlich auf die Reichsverwaltung gelegt würden. Herr Graf von Arnim hat schon angeführt, daß diese Kosten so erheblich sein würden, daß wir mit der Anlage neuer Telegraphen— linien innehalten, daß wir das Tempo in der Entwickelung der An— lagen, welches wir bisher zum Nutzen des ganzen Volkes eingeschlagen haben, nicht weiter würden fortsetzen können, wahrscheinlich auch wir die Gebühren würden erhöhen müssen.

Also, meine Herren, wenn das die Folgen sind, so steht doch die Sache so, daß im Interesse der Starkstromanlagen, damit die Unter⸗ nehmungen der Elektrieität keine Kosten für diesen Schutz haben, eine Contribution auf das Volk und die Steuerzahler gelegt würde das ist die natürliche Folge Ihrer Anträge. Daß die Regierungen sich einer solchen Auffassung nicht anschließen und daß diese auch im Volk keine Wurzeln hat, wenn sie bekannt wird, das, glaube ich, steht wohl ziemlich fest.

Nun, meine Herren, möchte ich noch dem Herrn Dr. Siemens antworten, der gestern hier die Frage stellte: welche Rechte eigentlich die Telegraphenverwaltung für sich in Anspruch nehme, worauf ich erwiderte, das hätte ich in der Commission gesagt. Es wurde das bestritten, und zwar von verschiedenen Seiten. Ich entsinne mich aber sehr gut, daß ich auf die Frage des Herrn Abgeordneten ich glaube, es war der Herr Abg. Schrader gesagt habe: das steht in den verschiedenen Gesetzen, in Local! und Particular— gesetzen, Wegeordnungen, Bundesrathsbeschlüssen und im deutschen Reichs⸗Strafgesetzbuch. Sie, der Sie Jurist sind können sich das ja leicht heraussuchen; das wird nach den Einzel— fällen entschieden, und wir haben keine Veranlassung, uns jetzt näher damit zu beschäftigen, wir übergeben solche Fälle event. dem Rechtsanwalt, und dann nimmt die Sache ihren Lauf vor dem ordentlichen Gericht. Ich muß also Verwahrung dagegen einlegen, daß ich die Rechte nicht bezeichnet hätte. Ich habe es gesagt in der Commission; freilich in dem Berichte habe ich es nicht gefunden es ist ja auch nicht möglich, bei dem Umfange der Verhandlungen in der Commission und der Mühe, die der Herr Referent gehabt hat, alles aufzunehmen. Es ist auch bei manchem ganz gut, wenn es nicht hineinkommt.

Endlich hat der Herr Abg. Dr. Siemens, und ich glaube noch einer von den Herren ich weiß es im Augenblick nicht genau noch einen Gesichtspunkt, der einen gewissen Eindruck machte, hier ins Gefecht geführt; er hat gesagt: wenn in Deutschland den Industrieunternehmungen solche Lasten auferlegt werden, wie das hier in diesem Gesetz geschieht nach der Auffassung der Herren nämlich dann wird unsere elektrische Industrie gegenüber dem Ausland vollständig concurrenzunfähig werden. Meine Herren, das ist ja ein Grund, der immer zieht, bei den Handelsverträgen z. B. u. s. w. und der vielfach angewendet worden ist. Aber wie steht die Sache thatsächlich mit dem Auslande? Wenn wir uns in den dortigen Gesetzgebungen umsehen, so werden Sie finden, daß gerade das Um⸗ gekehrte besteht von dem, was Sie wollen, nämlich ein entschiedener Zwang für die Starkstromleitungen, sich nach den Einrichtungen der Telegraphie zu richten und von den Telegraphenverwaltungen be— stimmen zu lassen, was geschehen soll. Namentlich auch das Verbot die Erde zu benutzen, das ist ja, was wir wollen; wenn Sie das in das Gesetz hineinschreiben wollen, könnten wir die ganze Debatte hier sparen.

Ich werde mir erlauben, einzelne von den Gesetzesbestimmungen sie sind nicht lang hier mitzutheilen. Es heißt in dem öster— reichischen Gesetz in der Verordnung vom 25. März 1885:

durch die Betriebsanlage nämlich gewerbsmäßig betriebene Herstellung von Anlagen für Erzeugung und Leitung von Elektricität zu Zwecken der Beleuchtung und Kraftübertragung durch die Betriebsanlage und durch deren Genehmigung sowie durch deren Ausführung dürfen insbesondere Telegraphenleitungen nicht beeinträchtigt werden.

Werden solche Beeinträchtigungen wahrgenommen, so sind die Telegraphenbehörden verpflichtet, auf die Beseitigung der Ursachen zu dringen.

In Ungarn Gesetz vom Jahre 1888 —:

Die elektrischen Beleuchtungen auf öffentlichen Gebieten, sowie alle anderen elektrischen Leitungen können nur derart errichtet und installirt werden, daß durch ihre Einrichtung und vor⸗ nehmlich durch die Leitung des elektrischen Stromes die Thätigkeit der in Gemeinbenutzung stehenden Telegraphen, Telephon und elektrischen Signale nicht gehindert und gestört wird.

In Italien Gesetz vom Jahre 1889 —:

Die zur elektrischen Beleuchtung und zu anderen industriellen Zwecken dienenden Leitungen müssen einen vollständig durch metallische Drähte geschlossenen Stromkreis bilden und dürfen an keinem Punkt mit der Erde in Berührung kommen.

Wenn Sie uns das gewähren, sind wir vollständig einver⸗ standen; weiter wollen wir nichts. Wenn Sie die Starkstromanlagen so anlegen, brauchen wir keinen Schutz für uns.

Ferner: Die in der Nachbarschaft von Telegraphen⸗- oder Fern⸗ sprechleitungen befindlichen Lichtleitungen müssen mit Stoffen bekleidet sein, welche in genügender Weise die elektrische Isolirung sichern.

Wenn der Unternehmer einer elektrischen Anlage seine Lei⸗ tungen in der Nähe von Telegraphen- oder Fernsprechleitungen ver⸗ legen oder an bestehenden Anlagen eine bezügliche Aenderung vor— nehmen will, so ist er verpflichtet, bei der Telegraphenverwaltung die Erlaubniß hierzu zu erwirken.

In Belgien Gesetz vom Jahre 1887 —!

Die Leitungen für elektrische Beleuchtung müssen einen ge— schlossenen metallischen Stromkreis bilden; dieselben dürfen an keinem Punkte mit der Erde in Verbindung stehen. Jede Verbindung mit Wasser⸗ ꝛc. Röhren ist streng verboten.

Der Unternehmer hat von allen Arbeiten, welche in der Nähe der von der Regierung hergestellten oder concessionirten Telegraphen⸗ oder Telephonleitungen auszuführen sind, der Telegraphenanstalt vorgängige Anzeige zu erstatten.

Für Ungarn möchte ich noch nachtragen: Da heißt es:

Alle Kosten, welche durch die Ausführung von Sicherheits— vorkehrungen oder durch Verlegung von Telegraphen-, Fernsprech—⸗ oder elektrischen Leitungen erwachsen, hat der Unternehmer zu tragen.

Frankreich. Verordnung vom Jahre 1888:

Art. V.

Die Benutzung der Erde und die Verwendung von Wasser—

oder Gasröhren als Leiter ist verboten. Art. VII.

An allen denjenigen Stellen des Linienzuges, wo die Stark— stromleitungen eine Telegraphen⸗ oder Telephonlinie kreuzen oder in seitlichen Abständen von weniger als 2 m von diesen verlaufen, müssen die Leiter mit einer Isolirhülle umgeben sein.

Schweiz. A. Bundesgesetz vom Jahre 1889:

Art. VIII.

Vor der Errichtung von elektrischen Anlagen für Starkströme sind die Pläne ꝛe. der eidgenössischen Verwaltung vorzulegen. Diese wird bei der Genehmigung der Pläne sowie während des Betriebes den Unternehmer der Starkstromleitung zu den erforderlichen Maß— nahmen verhalten, um die Telegraphen⸗ und Telephonanlagen gegen jede Gefährdung und Betriebsstörung sicherzustellen und die zukünftige Ausdehnung derselben nicht zu verunmöglichen.

B. Verordnung vom 7. Dezember 1889:

Artikel III.

In Ausführung des Bundesgesetzes vom 26. Juni 1889 sind die Cantonsregierungen, Gemeindebehörden ꝛc., welche beabsichtigen, oberirdische oder unterirdische Leitungen für Starkströme anzulegen, gehalten, der Telegraphen-Direction einen genauen und vollständigen Plan der gesammten Anlage vorzulegen.

Art. IV.

Auf Grund der bezüglichen Angaben wird die Telegraphen⸗ Direction prüfen, ob und welche Aenderungen an der praktischen Anlage zum Schutze der bestehenden Leitungen vorzunehmen seien. Im Falle sich der Unternehmer den gestellten Anforderungen nicht zu unterziehen gewillt ist, wird die Angelegenheit dem Bundesrath vorgelegt, dessen Entscheidung abgewartet werden muß.

Nun frage ich Sie doch: wenn das alles Bestimmungen im Aus— lande sind, die ja eigentlich einen drakonischen Charakter tragen gegen— über dem milden und harmlosen Gesetz, daß wir Ihnen vorgelegt haben, wo wir nicht eine einzige dieser Forderungen stellen dann kann man doch unmöglich sagen, daß, wenn dieses Gesetz durchgeht, dann die Concurrenz der elektrischen deutschen Industrie mit dem Auslande gefährdet ist. Ich habe mich vergebens gefragt, warum es so schwierig ist, hier in Deutschland ein so einfaches Gesetz, wie dieses zu stande zu bringen. Ich muß daran denken, was Plato einmal zu den Cyrenäern sagte, als sie an ihn schrieben, er möchte ihnen eine Verfassung machen; da antwortete er: „Den Cyrenäern Gesetze geben ist sehr schwer, weil sie viel zu glücklich sind“. Das, glaube ich, trifft auch in Deutschland zu. In anderen Ländern liegen die Verhältnisse ganz anders und die Regierung macht ganz andere Ansprüche an die Gesetz— gebung, als es jemals bei uns intendirt worden ist.

Run sind gestern noch einige persönliche Bemerkungen gemacht; ich habe zu diesen das Wort nicht mehr genommen, weil nach der Geschäftsordnung dann die Debatte wieder eröffnet worden wäre, und weil heute Zeit genug war, das zu sagen, was ich darüber noch anführen will. Es hat mir natürlich nicht in den Sinn kommen können, zu meinen, daß, wenn Sie etwas bezeugen sollten oder dazu aufgerufen würden, daß Sie etwas wider Ihr besseres Wissen bezeugen könnten. Es ist das nicht im mindesten meine Absicht gewesen. Ich habe nur das im Auge gehabt, daß möglicherweise meine Aeußerungen in der Com— mission, wie sie ja mitunter das Schicksal gehabt haben, von Herrn Schrader und seinen Herren Parteigenossen mißverstanden worden sind. Nur darauf bezog sich das, und ich habe mich für verpflichtet gehalten, diese Erkärung abzugeben, um jedes Motiv zu einer Miß⸗ stimmung zu entfernen.

Nun haben die Herren Abgeordneten Dr. Siemens und Singer schließlich noch ein persönliches Motiv in die Debatte gezogen. Es pflegt dies ja öfter zu geschehen, wenn man mit den sachlichen Motiven nicht recht weiter kommt. Ein gutes Zeichen für den Sieg der Sache ist das eigentlich nicht, aber es ist in einer für mich sehr ehrenvollen Weise geschehen, die ich nur mit Dank anerkennen kann. Die Herren haben mir ja sogar Energie und Rücksichtslosigkeit nachgerühmt; sie haben dann ferner gesagt: zu dem jetzigen General-Postmeister haben wir wohl das Vertrauen, daß er das, was er verspricht, auch halten wird, und daß er keinen so bureaukratischen Charakter hat, um ein Gesetz in tyrannischer Weise auszuführen, und daß von ihm sicherlich ein Eingriff in berechtigte andere Interessen, in die Volks⸗ wohlfahrt, die Industrie und namentlich in den Verkehr nicht zu erwarten ist. Aber, haben Sie gesagt, sind wir denn sicher, daß er einen Nach folger haben wird, der dieselbe Sanftmuth, dieselbe Nachgiebigkeit und dieselbe Harmlosigkeit besitzt wie er? (Große Heiterkeit.)

Nun, meine Herren, mag mein Nachfolger, wenn Gottes Wille

oder die Entscheidung des Kaisers mich ven diesem Posten abberufe, sein, wer er wolle, und ich wünsche dem Vaterlande von ganzem Herzen, daß es ein höher veranlagter Mann sei als ich niemals wird er die Verwaltung anders führen können, als nach den Traditionen, die fest stehen, und nach den Ge⸗ sammtideen, wie sie in der Culturentwicklung liegen. In einer Zeil, ws das große Wort gefallen ist: die Welt im neunzehnten Jahrhundert steht unter dem Zeichen des Verkehrs, da halte ich es für ganz unmöglich, daß die wichtigste Verkehrs⸗ verwaltung jemals gegen den Volksgeist und gegen die Interessen der Gesammtwohlfahrt geführt werden könnte. Die Reichstelegraphen bilden das Nervensystem des ganzen Staats- und Gesellschaftslebens; lehnen Sie die Anträge ab und verhüten Sie es durch die Ablehnung, daß in dieses Nervensystem eine Zerstörung, eine Zerrüttung hinein⸗ kommt. Sie werden damit sicher der Cultur, dem ganzen Volkswohl einen Dienst erweisen und einen starken Baustein zur Festigung des öffentlichen Rechts beitragen. (Bravo.)

Abg. Schrader (dfr): Die Rede des Staatssecretärs sei voller Mißverständnisse gewesen. Bedauerlich sei es doch, daß ein internationaler Congreß, den man nach Deutschland ein⸗ berufen habe, der als Ehrenpräsidenten den Staatssecretär Hr. von Stephan gehabt habe, jetzt so von oben herunter be⸗ handelt werde. Gerade dem Außblande gegenüber sei das nicht recht, denn die Versammlung sei zweifellos eine der hervorragendsten wissenschaftlichen k gewesen, die Deutschland je gesehen habe. Ueber die Rechtsauffassung der verbündeten Regierungen habe man bis zum gegenwärtigen Augenblick trotz aller Bemühungen immer noch keine Aufklärung erhalten. Die im Publikum entstandenen Miß⸗ verständnisse entsprängen lediglich aus der Behandlung dieser Materie durch die verbündeten Regierungen. Man habe dem Reichstag ein ganz unvollständiges Gesetz vorgelegt, dessen Vervollständigung ihm entsetzliche Schwierigkeiten gemacht habe. Das Gesetz über die Elektri⸗ citätsanlagen liege seit einem Jahre beim Bundesrath, ohne vorwärts zu kommen. Wäre dieses Gesetz entsprechend gefördert worden, so hätte sich die Berathung sehr viel einfacher gestaltet. Auch hier im Hause werde seitens des Bundesraths nicht ein einigermaßen befriedigendes Entgegenkommen gezeigt. Welches Recht besitze die Telegraphenverwaltung für ihre Leitungen auf den Straßen und unter der Erde? Diese Frage sei noch immer unbeantwortet. Das Recht, die Erde als Rückleitung zu benutzen, sei als ein ausschließ⸗ liches Recht der Reichs-Post- und Telegraphenverwaltung nirgends und niemals statuirt worden, praktisch stehe dem die Forderung der Verwaltung gegenüber, daß ihr unter allen Umständen das Vorrecht gebühre. Auch das Recht der Priorität, welches der Antrag Bödiker sichern wolle, könne hier nicht ausschlaggebend sein. Eine gerechte Behandlung der Interessenten verbürge nur der Antrag seiner Partei Man stehe vor einer großartigen Entwickelung der Elektricität, und man sehe, daß die Maßnahmen der . die Möglich⸗ keit der Nutzbarmachung derselben für die Allgemeinheit auszu⸗ schließen geeignet seien. Deshalb sollte man auch, über die Dar⸗ legungen der Städte nicht so gleichgültig hinweg ehen, die in der freien Verfügung über ihren Grund und Boden nicht gehindert sein wollten. Man sei schon so weit, daß ein Selbst— schutz auch von Telephonleitungen, wenn nicht vollständig, so doch in hohem Grade möglich sei. Eine Reihe von Telephonleitungen functionirten schon jetzt gut neben Starkstromleitungen, und er habe das feste Vertrauen zur Technik, daß sie etwaige Mängel noch besei⸗ tigen werde. Gebe es für den Ausdruck in dem Antrag „in sich selbst geschützt“, der auch bisher in der Telephontechnik üblich sei, einen besseren technischen Ausdruck, so wolle seine Partei ihn gern acceptiren; er bedeute, daß der Selbstschutz durch Rückleitung erfolgen solle. Habe eine Telegraphenleitung Rückleitung, so sei dem Gesetze genügt. Es sei aber nicht in jedem Fall eine solche Einrichtung sowohl für Telephonleitungen als auch Starkstromleitungen nöthig, und der Antrag seiner Partei beschränke sich darauf, daß Rückleitung nur nöthig sei, wenn Störungen zu befürchten seien. Beide Theile solll sich dann verständigen, wer von beiden die Rückleitung mache und wer die Kosten trage. Das sei die einzig mögliche und gerechte Entscheidung der Frage, Die Kosten seien nicht von großer Bedeutung, in Halle . die Sicherstellung der Telephonleitung nur 10⸗ oder 11 000 S gekostet. Die Städte empfänden vor allem die langwierigen Verhandlungen mit den Behörden über die Zulässigkeit einer Anlage schwer. Damit diese Erschwerungen nicht übermäßig würden, müßten die beiderseitigen Rechte ganz klar festgelegt werden. Der Antrag Strembeck stehe dem seiner Partei am nächsten, aber ihr Antrag drücke schärfer aus, daß eine rechtliche Gleichstellung beiderseits stattfinden solle, und beseitige die erhobenen Bedenken auch besser als der Antrag Lieber⸗Spahn. Der Antrag Bödiker sei weniger annehmbar, weil er das Prioritätsrecht scharf betone. Heute thue der Reichstag gut, den Antrag seiner Partei anzunehmen, eine bessere Form ließe ii bis zur dritten Lesung finden. Wenn auch heute die Regierung allen Anträgen widerspreche, so werde das wohl in der dritten Lesung anders sein. Das Haus habe das Be⸗ dürfniß, diese Frage in diesem Gesetz zu regeln, und wenn die Regie— rung vor der Frage stehe, ob sie das Gesetz mit einer solchen Bestim— mung annehmen solle oder nicht, werde sie es wahrscheinlich an— nehmen. Wenn nicht, dann könne man weiter warten, ob die Reichsverwaltung nicht besser thue, sich dem Willen des Haufes zu fügen. (Staatssecretär von Stephan: Ja, des Hauses) Nun, man werde ja sehen, wie sich das Haus stelle. Sei die Majorität gegen alle Anträge, so trete diese Frage ja garnicht an die Regierung heran. Seine Partei spreche hier nicht im Interesse Einzelner, sondern einer großen Industrie. Deshalb möge man ihren Antrag annehmen.

Abg. Dr. Sa mmacher (nl); Daß der Antrag Bar sich mit dem Antrag Lieber⸗Spahn wesentlich decken solle, überrasche ihn; denn der erstere jage ganz apodiktisch, daß die Reichsverwaltung ver⸗ langen könne, daß neue Leitungen in sich selbst geschützt würden. Wenn der Abg. Schrader die Verständigung zwischen beiden Theilen wünsche, dann frage er ihn, weshalb er dann im Gesetz eine kategorische Vorschrift machen wolle. Der allerunannehmbarste Antrag sei der J Eigentlich gehöre die Frage nicht hierher; da sie aber einmal angeschnitten sei, empfehle er, den Antrag Bödiker anzunehmen, behalte sich aber für die Form desselben Anträge in der dritten Lesung vor. Derselbe beseitige auch schon die eigentlichen Bedenken des Abg. Schrader. Rein mechanisch könne man die Frage nicht entscheiden. Bezüglich der Entwicklung der Elektrotechnik und ihrer segenspendenden Wirkung stehe er mehr auf dem Standpunkt des Abg. Schrader als auf dem des Staatssecretärs. Be⸗ stimmte Vorrechte aus dem Regal erhalte die Reichsverwastung durch dieses Gesetz keineswegs. Sie erhalte nur dieselben Rechte wie bisher. Was für welche seien das? In keinem deutschen Staate gebe es ein Gesetz, welches für eine Telegraphenanlage eine Con⸗ cession erfordere, wohl aber sei die Mitwirkung der Polizeibehörde nöthig und unentbehrlich, weil öffentliche Wege bei solchen Anlagen benutzt würden und die Sicherheitspolizei aus allgemeinen Gründen die Wahrnehmung der öffentlichen Sicherheit der Person und des Eigenthums dabei prüfen müsse. Dieser Zustand bleibe, wenn dieses Gefetz angenommen werde. Folge denn aus dem Mißbrauch des bestehenden Rechtszustandes, wie es in Breslau und Halle vorge⸗ kommen sei, irgend ein Recht? Wenn in diesen Fällen die Reichs⸗ verwaltung gewisse Wünsche geäußert habe, so sei darum die Polizei⸗ verwaltung noch nicht verpflichtet oder berechtigt , die An⸗ lagen zu persagen. Daß das Elektricitätsgesetz nicht gleichzeitig vor⸗=

gelegt sei, bedauere er, aber keineswegs werde dasselbe durch diese Portage retardirt werden; die Regierung werde nach Annahme der Vorlage um so mehr Anregung häben, das andere Gesetz möglichst bald vorzulegen. Der Widerspruch der Reichs-Telegraphenverwaltung reiche nicht aus, um eine Privat ⸗Telegravhenanlage zu verhindern.

* 8 s ; ? 5 Alle gegentheiligen Behauptungen, daß eine neue Anlage von dem

s 22 . 836

.

ö

n. , ,

*

—ᷣ

.

2

2

,

ee e , .

K