1892 / 51 p. 10 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 27 Feb 1892 18:00:01 GMT) scan diff

Säure entzogen wird, zeichnet sich vor den anderen Entsäuerungs⸗ verfahren dadurch aus, daß damit eine Vermehrung der Menge nicht verbunden, ist; sie ist nur dann ohne Verschlechterung des Weines ausführbar, wenn reiner gefällter kohlensaurer Kalk verwendet wird. Es ist unbedenklich, unter dieser Voraus⸗ setzung die bezeichnete, von der Wissenschaft als besonders rationell empfohlene Art der Entsäuerung für zulässig zu erklären.

§ 3 Nr. 4. Die wich osten und in wirthschaftlicher Beziehung am meisten einschneidenden Bestimmungen des Entwurfs sind diejeni⸗ gen über den Zusatz von 86e und Wasser (Gallisiren). Dieses Verfahren bezweckt die Erhöhung des Alkoholgehalts und der Süße, sowie die Abstumpfung eines zu großen Säuregehaltes in un— günstigen Jahren 1nd bei Wein aus schlechten Lagen; es hat sich in⸗ folge feiner einfachen und leichten Handhabung in großem Umfange eingebürgert. Soweit es lediglich dazu dient, einen infolge ungenügender Ausreifung der Trauben von Natur mangelhaften Wein zu verbessern und genießbar zu machen, kann ihm die wirthschaftliche , nicht abgesprochen werden. Daß es in Deutschland, wo die un⸗ günstigen Weinjahre der Zahl nach bedeutend überwiegen, ein wirth⸗ schaftlicher Fehler sein würde, eine solche Verbessexrung saurer Weine n verbieten, wird jetzt wohl von keiner Seite mehr bezweifelt. Der Streit dreht fich wie oben bemerkt hauptsächlich darum, ob ein so behandelter Wein als unverfälscht gelten soll und ohne unter⸗ scheidende Bezeichnung in den Verkehr gelangen darf, oder ob auf ihn die Bestimmungen im 10 des Nahrungsmittelgesetzes Anwendung zu finden haben, sodaß die Verschweigung der mit dem Wein por— genommenen Behandlung dem Käufer gegenüber den Verkäufer straffälli machen würde. Die Gegner des Deelgrationszwanges behaupten, 3. derfelbe undurchführbar sei, weil die Hilfsmittel der Chemie es nicht gestatten, gezuckerten Wein von ungezuckertem zu unterscheiden, daß der Makel, welcher durch die Declaration dem Weine in den Augen des Publikums angeheftet werde, die Verkäuflichkeit beeinträchtige und den Preis herabdrücke, und daß in Folge d ö der redliche Producent zu Gunsten der weniger gewissenhaften Concurrenten benachtheiligt werde. Von den Anhängern des Declarationszwanges dagegen wird behauptet, der gezuckerte Wein sei unter allen Umständen ein minder⸗ werthiges Erzeugniß, die Rücksicht auf Treu und Glauhen im Verkehr verbieté daher den Verkauf solchen Weines unter Bezeichnungen, welche für reinen Wein üblich sind; die Verzuckerung könne zu einer weitgehen⸗ den Vermehrung des Weines ausgenutzt werden, letztere aber werde im Falle der Beseitigung der Declarationspflicht auch den ungezuckerten Wein im Preise drücken und zu schwerer Schädigung, des Winzer⸗ standes führen; endlich werde eine ausdrückliche geseßliche Billigung dieses Verfahrens den Ruf des deutschen Weines im ölus lande beein⸗ trächtigen und unserer Weingusfuhr nachtheilig werden.

Daß die Gefahr eines Mißbrauchs besteht, kann nicht bezweifelt werden.“ Der Zufatz von Zuckerwasser ist schon an und für, sich mit einer Vermehrung der Menge verbunden; für die Betheiligten liegt daher die Verfuchung nahe, bis an die äußerste, ohne Ge⸗ fährdung der Genießbarkeit des Weines noch zulässige Grenze heranzugehen, oder auch mit, einem Weine, welcher nach feiner natürlichen Beschaffenheit einer solchen Verbesserung nicht bedarf, lediglich zum Zweck der Erzielung einer größeren Menge die Verzuckerung vorzunehmen. Es wird sogar be⸗ fürchtet, daß manche Winzer in dem Anbau saurer Trauben einen Vortheil erblicken würden, und daß darunter die gegenwärtige hohe Fultur unferer Weinberge leiden könne. Die Gesetzgebung wird diesen ß soweit angängig, Rechnung tragen müssen. Wenn sie einerseits im DLnt? ff des wirthschaftlichen Gedeihens des deutfchen Weinbaues dahin streben muß, dem Winzer, die rationelle Verbesferung seines zuckerarmen und übermäßig säure— haltigen Wachsthums zu erleichtern und die, in dem geltenden Recht begründeten Schwierigkeiten zu beseitigen, so wird es doch“ andererseits auch ihre Aufgabe sein, Gewähr dafür zu schaffen, daß mit dem Verbesserungsverfahren kein Mißbrauch getrieben wird. Ein strenger Declarationszwang für allen gezuckerten Wein kann als ein hierzu geeignetes Mittel nicht betrachtet werden. Es würde schon an der Unmöglichkeit scheitern, den in den Verkehr ge— langten gezuckerten Wein an objectiven, durch chemische Analyse nachweis⸗ baren Merkmalen zu erkennen. Praktisch liegt ein gewisser Schutz gegen den Mißbrauch in dem Umstand, daß durch übermäßiges Zuckern die Güte des Weines eine wesentliche, durch den Geschmack sich bemerkbar machende Verschlechterung erleidet. Im übrigen wird der Versuch zu machen sein, den Gefahren, welche mit einer übertrieben Ausdehnung der Ver⸗ zuckerung verbunden sind, dadurch entgegenzutreten, daß für den Umfang des Zucker- und Wasserzusatzes bestimmte Grenzen festgesetzt werden. Auch dies begegnet nicht unerheblichen Schwierigkeiten. Die Ver⸗ zuckerung auf einen gewissen Zeitrum etwa auf die erste Gährung zu beschränken oder nach dem Mengenverhältniß zwischen Traubensaft und ,. zu begrenzen, bietet zwar für den Producenten nahe— liegende Vortheile; allein eine Regelung in diesem Sinne ist aus— geschlofsen, weil an dem fertigen Weine nicht mehr festgestellt werden kann, ob jene Grenzen eingehalten worden sind. Im Entwurf ist daher ein anderer Weg eingeschlagen, indem nach 5 3 der Zucker- und Wasserzusatz nur insoweit zulässig sein soll, als dadurch der Gehalt des Weines an Extractstoffen und Mineralbestandtheilen nicht unter eine gewiffe Minimalgrenze herabgesetzt wird. Für den Winzer wird es vielleicht nicht immer leicht sein, hiernach ohne weiteres zu beurtheilen, wie weit er mit dem Zuckerwasserzusatz gehen darf., Allein einerseits werden sich im Laufe der Zeit feste Erfahrungssätze ergeben, nach welchen der Producent sich richten kann; andererseits werden die Wein⸗ bauperfuchsstationen in der Lage sein, in den einzelnen Jahren für die Hauptproductionsgebiete Untersuchungen anzustellen und den Produ⸗ enten die nöthigen Anleitungen dafür zu geben, wie der Most und Wein zu behandeln ist. Die Grenzbestimmung ist dahin getroffen, daß für den Gehalt an Extractstoffen und Mineralbestandtheilen die⸗ jenigen Zahlen maßgebend sind, welche bei ungezuckertem Wein des Weinbaugebiets, dem der Wein nach seiner Benennung ent— sprechen foll, in der Regel beobachtet werden. Die Grenzwerthe be— dürfen einer autoritativen, für Sachverständige und Richter bindenden“ Festsetzung, um eine gleichmäßige Anwendung des Gesetzes sicher zu stellen. Um diese Festsetzung zu treffen, ist dem Bundesrath im 5 11 die erforderliche Ermächtigung gegeben. Zunächst wird es genügen, einheitliche Zahlen, welche sich bei langjährigen, sehr zahlreichen Unter— fuchungen echter Moste und Weine als unterste Durchschnittswerthe ergeben haben, für ganz Deutschland festzusetzen. Bezüglich der aus⸗ ländischen Weine bedarf es einer Grenzbestimmung vorerst nicht, weil in denjenigen Productionsländern, welche zur Zeit an unserer Wein— einfuhr hauptsächlich betheiligt sind, infolge ihrer günstigeren klimatischen Verhältnisse das Verfahren des Gallisirens nicht geübt wird. Für diese Länder kommt vornehmlich das Petiotisiren in Be— tracht, über welches im 5 4 Anordnungen getroffen sind.

Der Gefahr, daß der Extractgehalt des Weines im Falle über⸗ mäßigen Wasserzusatzes künstlich wieder erhöht werde, ist im Entwurf dadurch entgegengetreten, daß nach 5 4 Nr. 5 Wein, welchem ein den Extrackgehalt erhöhender Körper zugesetzt ist, als verfälscht gilt, mit⸗ hin im Verkehr eine entsprechende Bezeichnung erhalten muß.

Wenn hiernach ein innerhalb, gewisser Grenzen gezuckerter Wein als unperfälscht gelten soll und unter den fuͤr Wein siblichen Bezeichnungen in den Verkehr gebracht werden darf, fo kann es doch nicht die Absicht des Gesetzes sein, auch eine wissentliche Täuschung des Käufers über die Beschaffenheit des Weines für zulässig zu erklären. Verlangt der Käufer ausdrücklich un⸗ gezuckerten Wein, oder bezeichnet der Verkäufer seinen Wein aus⸗ drücklich als ungezuckert, so darf auch nur ein solches, nicht aber ein mit Zuckerwasser behandeltes Erzeugniß geliefert werden. Um in dieser Beziehung einen wirksamen Schutz gegen Unredlichkeit zu schaffen, ist an anderer Stelle des Entwurfs (5 7 Nr. 2) eine Bestimmung des Inhalts aufgenommen, daß derjenige sich strafbar macht, welcher ge⸗ zuckerten Wein unter Bezeichnungen feilhält oder verkauft, welche die Annahme hervorzurufen geeignet sind, daß es sich um ungezuckerten Wein handele. Einer solchen Bestimmung bedarf es, um auch dann straf rechtlich einschreiten zu können, wenn eine Vermögensbeschädigung nicht in Frage kommt und daher eine Bestrafung, wegen Betruges

ausgefchlossen ist. Hierdurch ist dem Käufer die Möglichkeit gewährt,

sich durch besondere Abmachungen unter dem Schutze einer Straf⸗ androhung die Lieferung eines aus dem Traubensafte ohne Zusatz von Zuckerwasfer gewonnenen Getränkes zu sichern.

Aus den hier entwickelten Grundsätzen in Verbindung mit den einschlagenden Vorschriften des Nahrungsmittelgesetzes ergiebt sich bezüglich des Verkehrs mit gallisirtem Wein für folgende Rechtslage:

1) gezuckerter Wein, ef Gehalt an Extrastoffen ꝛc. sich inner⸗ halb der im S 3 Nr. 4 des Entwurfs angegebenen Grenzen hält, gilt als unverfälscht, er kann daher ohne unterscheidenden Zusatz unter . Wein üblichen Bezeichnungen feilgehalten und verkauft werden.

2) das vorsätzliche Verkaufen und Feilhalten von Wein der unter Nr. J erwähnten Art unter Bezeichnungen, welche die Annahme zu erwecken geeignet sind, der Wein sei ungezuckert, ist verboten;

3) gezuckerter Wein, bei welchem die vorgeschriebenen Grenzen nicht eingehalten sind, gilt als verfälscht im Sinne des § 10 des Nahrungsmittelgesetzes; demgemäß ist die Herstellung eines solchen Getränkes in der Äbsicht, es demnächst als Wein ohne Kennzeichnung der Zuckerung in den Verkehr zu bringen, sowie der Verkauf desselben unter Verschweigung der Zuckerung strafbar;

4) Wein, welcher einen Zusatz von Zucker nicht erhalten hat, kann unter den für Wein üblichen Bezeichnungen auch dann feil⸗ gehalten und verkauft werden, wenn sein Gehalt an Extract ꝛc. die gemãß §z 3 Nr. 4 festgesetzten Grenzen nicht erreicht.

Im F§z 4 Absatz 1 sind einige Arten der K des Weines aufgeführt, welche unter allen Umständen als eine Verfä schung gelten follen. Dahin gehört zunächst das sogenannte Petiotisiren, welches darin besteht, daß man die ausgepreßten Trester mit einem Aufguß von Zuckerwasfer noch ein oder einige Male vergähren läßt und die ge⸗ wonnene Flüssigkeit mit dem aus dem Moste erhaltenen Weine mischt. Bei diesem Verfahren erleidet der Wein eine so weitgehende Ver— änderung feines Wesens, daß er nicht mehr als ein unverfälschtes Pro⸗ duct der Traube gelten kann. Ueberdies wird durch das Petiotisiren, die Menge des gewonnenen Getränkes erheblich vermehrt. Die in dieser Weise hergestellten Getränke können daher zu billigeren Preisen ab— gesetzt werden als reiner Wein und würden, falls sie ohne unter⸗ scheidende Bezeichnung in den Verkehr gelangten, den Preis des Weines herabdrücken. Besonders groß ist diese Gefahr bei den in südlichen Gegenden gewachsenen rothen Trauben, welche nach der Abpressung des Moftes noch eine große Menge von Farbstoffen enthalten. Im Hinblick auf die Ermäßigung des Eingangszolles auf Keltertrauben erscheint es geboten, den heimischen Winzerstand gegen eine gewinn⸗ füchtige Ausnutzung jener Rückstände zu schützen. Aehnlich wie mit dem Petiotisiren verhält es sich mit der Vermehrung des Weines durch einen Aufguß von Zuckerwasser auf Weinhefe (6 4 Nr. Y.

Eine empfindliche Concurrenz erwächst dem Weinbau ferner aus der Herstellung weinähnlicher Getränke durch Vergährung von Rosinen, Cörinthen und ähnlichen zuckerhaltigen Stoffen mit Wasser oder durch Vermischung solcher Erzeugnisse mit Wein (6 4 Nr. 3), sowie aus der eigentlichen Kunstweinfabrikation, insbesondere der Verfälschung und Nachahmung von Wein auf kaltem Wege unter Verwendung von Säuren, säurehal tigen Körꝑern oder Bouguettstof fen (6 4 Nr. 4). Endlich verdient das Sac⸗ char in Berücksichtigung, welches en,, als ein Hilfsmittel an⸗ gepriesen wird, um dem Weine die fehlende Süße zu, geben und gewisse Mängel des Weines künstlich zu verdecken. Getränke, welche nach einem der hier erwähnten Verfahren oder unter Verwendung der angegebenen Zuthaten hergestellt sind, sowie Mischungen folcher Getränke mit Wein können nicht den Anspruch erheben, im Verkehr als „Wein“ behandelt und mit den für Wein üblichen. Be⸗ zeichnungen versehen zu werden. Zur Vermeidung aller Zweifel ist es zweckmäßig, dies im Gesetz ausdrücklich auszusprechen und die in Rede stehenden Arten der Zubereitung als Verfälschung im Sinne des Rahrungsmittelgesetzes zu kennzeichnen. Eine Ausnahme ist bezüglich der Verwendung von Rosinen insofern erforderlich, als einige edle Dessertweine, namentlich Ungarns, nach der Kelterung einen Zusatz von üÜberreifen eingetrockneten Trauben erhalten, wodurch wesentlich ihre Eigenart begründet wird.

Die Bestimmuug im S 4 Nr. 5 (künstliche Erhöhung des Extract⸗ gehalts) steht im Zusammenhang mit §3 Nr. 4 und hat oben bereits ihre Erläuterung gefunden.

Wenn im 84 Absatz 1 die beregten Behandlungsarten für Ver⸗ fälschungen“ erklärt werden, so ist damit nicht ein allgemeines Verbot der Herstellung und des Verkaufs derartiger Zubereitungen aus⸗ gesproͤchen. Denn nach S 10 des Nahrungsmittelgesetzes ist nicht die Verfälfchung oder Nachahmung eines Nahrungs- oder Genußmittels an und für sich strafbar, sondern sie wird nur insoweit strafbar, als sie zum Zweck der Täuschung im Handel und Verkehr erfolgt. Ebenso ist der Verkauf gefälschter Nahrungsmittel nicht schlechthin mit Strafe bedroht, fondern nur für den Fall, daß der Käufer über die Beschaffenheit der Waare getauscht wird. Um nach dieser Richtung hin einen verstärkten Schutz zu bieten, ist im Absatz 2 des 4 angeordnet, daß jene Getränke nur unter Bezeichnungen seil⸗ gehalten werden dürfen, welche ihre Beschaffenheit erkennen . oder sfonst eine Verwechselung mit Wein ausschließen. Das Gesetz spricht damit aus, daß der Gebrauch jeder diesen Erfordernissen nicht ge— nügenden Bezeichnung schlechtweg untersagt sein soll und zwar auch dann, wenn eine Absicht, den Abnehmer über die Beschaffenheit des Getränks zu täuschen, nicht vorliegt. Von zwangsweiser Einführung bestimmter Bezeichnungen für die einzelnen Getränke ist Abstand genommen. Es liegt kein Grund vor, in dieser Hinsicht dem Verkehr einen Zwang aufzuerlegen und in die herrschenden Sprachgewohnheiten einzugreifen. Was den in weinbautreibenden Gegenden in großem Umfange als Haus— trunk hergestellten Tresterwein anlangt, so bildet seine Herstellung für sich allein nicht den Thatbestand einer Verfälschung, sondern nur dann, wenn sie in der Absicht erfolgt, das Getränk demnächst unter Täuschung über seine Beschaffenheit als Wein in den Verkehr zu bringen. Strafbar ist ferner die Verwendung solchen Tresterweines zur Verfälschung von Wein 4 Nr. I), sowie der Verkauf unter einer die Verwechselung mit Wein nicht ausschließenden Bezeichnung.

Der Scha umwein ist ein, Kunstproduct; er wird nach beson⸗ deren Regeln dargestellt und erhält bestimmte Zusätze, welche von den Fabriken aus Concurrenzrücksichten zum theil als Geheimniß behandelt werden. Es ist daher nicht angängig, diejenigen Anforderungen, welche bezüglich der Herstellungsweise im allgemeinen an den Wein gestellt werden müssen, auch auf den Schaumwein auszudehnen. Ueberdies liegt ein Bedürfniß, dem Consumenten einen über das sanitätspolizeiliche Ge⸗ biet hinausgehenden Schutz zu gewähren, gerade bei diesem Getränk nicht vor. Im 85 ist daher die Anwendbarkeit der verkehrspolizei⸗ lichen Vorschriften des Entwurfs auf den Schaumwein ausgeschlossen. Bezüglich der Obstweine bedarf es in dieser Hinsicht einer aus— drücklichen Bestimmung nicht, da sie begriffsmäßig nicht als Wein be— trachtet werden können. Für beide Arten von Getränken (Schaum— wein und Obstwein) beschränkt sich der Entwurf darauf, im S 6 die Verwendung von, Saccharin als Verfälschung zu bezeichnen. Es rechtfertigt sich dies um deswillen, weil das Saccharin weder in chemischer noch in physiologischer Hinsicht als ein gleichwerthiger Ersatz des Zuckers gelten kann, der Zucker aber zu den wesentlichen Bestand⸗ theilen jener Getränke gehört.

4 , . Vorschriften.

Die an eine Zuwiderhandlung gegen die 88 3 und sich knüpfenden strafrechtlichen Wirkungen ergeben sich bei der für die Vorschriften gewählten Fassung ohne Weiteres aus den Strafbestimmungen des Jahrungsmittelgesetzes; eine zusätzliche Strafandrohung GE 7 Nr. 2), welche den Verkauf gezuckerten Weines unter wissentlich falscher Be⸗ zeichnung verhindern Foll, hat bereits oben Erwähnung gefunden. Im übrigen genügt es, Zuwiderhandlungen gegen die S8! und 2 unter Strafe zu stellen wie dies im 8? Nr. 1 geschehen ist. Was die ,, der Strafe anbelangt, so ist zu berücksichtigen, daß es sich hier ausschließlich um die Verwendung von an sich gesundheitsschäd⸗ lichen Stoffen handelt. Mit Rücksicht hierauf erscheint für den Fall des Vorsatzes Gefängnißstrafe his zu sechs Monaten und Geldstrafe bis zu 1500 ½ gerechtfertigt. Im Falle der Fahrlässigkeit erscheint Inh K nämlich 156 0 Geldstrafe oder Haft, aus⸗ reichend.

Im 8 9 wird die Einziehung der den SS 1 und 2 zuwider her— gestellten. verkauften oder , Getränke über die Vorschriften in 460, 42 des Strafgesetzbuchs hinaus insbesondere auch dann in zulaͤssig erklärt, wenn sie dem Verurtheilten nicht gehören. Die Gin ichn hier, wie in den Fällen der ss 12 bis 14 des Nahrunq'mittelgefer obligatorisch zu machen, erschien mit Rücksicht auf die Interesfen 865 gutgläubigen Käufers bedenklich und insofern nicht erforderli als die fraglichen Getränke trotz der Verwendung der in Rede en Stoffe, nicht nothwendig gesundheitsschädlich zu sein brauchen. Für den * des 5 7 Nr. 2 genügt die hier gegebene Anwendbarkeit der erwähnten Bestimmungen des Strafgesetzbuchs. Im 6 ist zur Vermeidung etwaiger Zweifel ausdrücklich hervorgehoben, daß die Bestimmungen des Nahrungsmittelgesetzes, soweit nicht 88 3 bis des Entwurfs entgegenstehen, durch die neuen Vorschristen nicht berührt werden. Außerdem werden die Vorschriften des Nahrungs— mittelgesetzes wegen Veröffentlichung der gerichtlichen Strafurthesle und der Verwendung der erkannten Geldstrafe für anwendbar erklärt

Die Bestimmung im § 12, welche den Reichstanzler ermächtigt, für die Vornahme der zum Zweck der Anwendung des Nahrunge⸗ mittelgesetzes und des neuen Gesetzes auszuführenden Unterfuchungen von Wein ꝛc. i ,. technische Grundsätze aufzustellen, wird einem in den betheiligten Kreisen wiederholt geäußerten Wunsche entgegenkommen. Die solcher Grundsätze empfiehlt sich weil das bei der Untersuchung befolgte Verfahren geeignet ist, unte Umständen das Ergebniß der Untersuchung zu beeinflussen, so daß die Gleichmäßigkeit der Rechtsprechung gefährdet ist, wenn seitens der untersuchenden Sachverständigen nach verschiedenen Methoden verfahren wird. Aus diesem Grunde ist in dem Gesetze, betreffend die Verwendun gesundheitsschädlicher Farben ꝛc., vom 5. Juli 1857 (Reichs⸗Gesetzbl. S. 277) § 1 Absatz 3 eine entsprechende An— ordnung getroffen. ;

Im Sz 13 ist die Festsetzung eines bestimmten Einführungs— termins nur bezüglich des Vertriebes der den Bestimmungen der 581 und 2 zuwider hergestellten Getränke vorgesehen, um im Interessè der betheiligten Handelskreise einen, billigen Rücksichten entsprechenden Uebergangszustand zu schaffen.

Bezüglich der übrigen Vorschriften des Entwurfs liegt kein Be— dürfniß vor, den Zeitpunkt, mit welchem das Gesetz in Anwendung treten soll, weiter hinauszuschieben.

5) Gesetzgebung des Auslandes.

Eine umfassende Regelung des Verkehrs mit Wein ist seither nur in Frankreich zur urchführung gelangt. Neben den allgemeinen strafrechtlichen Vorschriften über die Fälschung von Nahrungsmitteln, enthalten in dem Gesetz vom 27. März 1851, betreffend die Be⸗ kämpfung von Unredlichkeiten beim Verkauf von Waaren, kommen vornehmlich die Gesetze vom 14. August 1889 (sog. Loi Griffe) und vom 11. Juni 1891 fsog. Loi Brousse) in Betracht. Danach darf unter der Bezeichnung „Wein“ nur das Product der Gährung frischer Weintrauben verkauft oder feilgehalten werden. Die Gährungsproducte von Trestern frischer Trauben mit Wasser, sei es mit oder ohne Zusatz von Zucker, sowie von Rosinen mit Wasser müssen im Verkehr als „‚Tresterwein! (vin de mare) oder „Zuckerwein! (vin de suecre) bezw. als „Rosinenwein“ (vin de raisins secs) bezeichnet werden, ebenfo jedes Gemisch eines solchen Erzeugnisses mit Wein. Fässer und Beh reif welche derartige Getränke enthalten, sollen entprechende Aufschriften tragen; für Bücher, Rechnungen, Frachtbriefe z(. über dieselben ist die Anwendung der nämlichen Bezeichnungen vorgeschrieben. Der Zusatz gewisser Stoffe (Gährungs⸗ oder Destillationserzeugnisse aus Feigen, Johannisbrot, Mowrablumen, Glockenblumen, Reis, Gerste oder anderen zuckerhaltigen Stoffen, ferner Farbstoffe, Schwefel⸗ Salpeter⸗, Salz-, Salicyl⸗. Borsäure 2c. zum Wein, gezuckerten Wein, Tresterwein oder Rosinenwein gilt als Verfälschung dieser Ge— tränke im Sinne des Gesetzes vom 27. März 1851. Für gegipsten Wein ist eine Maximalgrenze des Gehalts an Kalium- oder Natrium⸗ sulfat vorgesehen, sowie eine bestimmte Aufschrift der Fässer ꝛc. und der Gebrauch entsprechender Bezeichnungen in den Rechnungen an—⸗ geordnet. Ferner sind durch das Gesetz vom 26. Juli 1890 specielle Vorschriften über die Fabrikation und Besteuerung des Rosinenweines erlassen. Die Herstellung solchen Weines für den Handel darf nur nach Lösung eines alljährlich zu erneuernden Erlaubnißscheins betrieben werden und unterliegt einer besonderen Abgabe, sowie einer strengen Controle bezüglich des, verwendeten Rohmaterials und der hergestellten Waare. Für letztere ist außerdem eine nach dem Alkoholgehalt abgestufte Steuer zu entrichten. Auf der anderen Seite genießt der zur Verzufkerung von Wein, Eider und Birnenmost verwendete Zucker einer Steuerermäßigung. Die Menge desselben ist sehr beträchtlich; im Jahre 1890 betrug sie 33 Millionen Kilogramm, womit im Ganzen 962 000 hl Wein, 1866 000 hl Tresterwein und 90 000 hl Obstwein gezuckert wurden.

In Oesterreich darf nach einem Gesetz vom 21. Juni 188 die Herstellung weinähnlicher Getränke (Kunstwein) nur als erwerb⸗ und einkommensteuerpflichtiges Gewerbe betrieben werden. Dasselbe gilt von der Erzeugung von Getränken aus, Traubensagft durch Bei⸗ mischung anderer Stoffe, sofern letztere nicht lediglich zur Ver⸗ besserung des Weines dienen, sondern eine Vermehrung der Menge zur Folge haben. Getränke der vorbezeichneten Art unterliegen der— felben Vergährungssteuer, wie der Wein. Die Verwendung von Stärkezucker bei der Herstellung dieser Getränke ist verboten; letztere dürfen unter einer für Wein üblichen Bezeichnung nicht in den Verkehr gebracht werden. Nach der zu dem Gesetz ergangenen Ausführungsverordnung finden die Bestimmungen derselben ins⸗ besondere auf den gallisirten und petiotisirten Wein Anwendung. Der Betrieb des fraglichen Gewerbes ist von polizeilicher Genehmigung abhängig, welche erst ertheilt wird, nachdem das , ,. Ver⸗ fahren zur Herstellung, des Kunstweines ze. vom Bewerber dargelegt und von der Behörde in sanitätspolizeilicher Hinsicht als unbedenklich befunden worden ist. Die Betriebsstätte ist der sanitätspolizeilichen Aufsicht stets zugänglich zu halten. Als für Wein übliche Be— zeichnungen sind auch, solche anzusehen, welche ganz allgemein ge⸗ halten sind (J.. B. Tischwein oder Bezeichnung ö. Jahreszahl), oder welche die Herkunft des Getränks (6. Gebirgswein oder eine bestimmte Qualität (Schiller, Rothwein) angeben sollen.

Für Ungarn sind speeielle Vorschriften über den Verkehr mit Wein seither nicht erlaffen verschiedene bon der Regierung aufgestellte Gesetzentwürfe sind unerledigt geblieben. ö

In Italien unterliegt der Wein den allgemeinen, die Getränke und Nahrungsmittel betreffenden Vorschriften des Gesetzes über die (Ge fundheitspflege und den öffentlichen Gesundheitsdienst vom 22. Dezember 13858. In einem zu diesem Gesetz ergangenen Reglement welches für die Ausarbeitung der örtlichen Gesundheits-⸗Reglements als Anleitung zie nen soll, ist unter Anderm gesagt, daß Wein, welcher durch gewisse K rankheiten (Sauer Bitter⸗‚Kahmigwerden) verändert ist, oder welcher mehr Sulfate enthält, als einem Gehalt an schwefelsaurem Kali von 2 8 auf den Liter entspricht, nicht verkauft werden darf, und daß der Zusat gl⸗ wisser Stoffe (lösliche Baryum⸗ Magnesium⸗, Aluminium Bleisahze Glycerin, Salieylsäure, Schwefelsäure, unreiner Aethylalkohol⸗ Stãärte⸗ zucker, Saccharin, künstliche Farbstoffe) zum Wein zu verbieten ist. Bezüg⸗ lich des Alkoholzusatzes ist durch Verordnung vom 15. Juni 186 bestimmt, daß bei der Ausfuhr von Wein für den zur Alkoholisirung desselben verwendeten Sprit die Steuerrückvergütung nur, dann erfolgt, wenn der Sprit nicht mehr als zwei n en fbeill an Verunreinigungen enthält. Ein im Jahre 1888 der, Deputirten⸗ kammer vorgelegter Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung 2 Weinfälschung ist nicht zur Verabschiedung gelangt. Er unterschisd zwei Arten der Verfälschung des Weines, je nach den Stoffen, welche fich im Wein von Natur nicht vorfinden, oder Stoffe, welche zu . natürlichen Bestandtheilen des Weines gehören, in einem bei Natur wein nicht vorkommenden Mengenverhältniß zugesetzt werden, . zwar mit der Wirkung, daß Weine der ersteren Art überhaupt nicht,

Weine der letzteren Art nicht mit der Bezeichnung als echte Weine

in den Handel gebracht werden dürfen. K

In der Schwei;, wo die Gesetzgebung auf dem Gebiete 6. Nahrungsmittelverkehrs nicht zur Zuständigkeit der Bundes gen g gehört, sind für verschiedene Kantone Verordnungen über den, 8. ö mit Wein erlassen worden. In diesen Verordnungen ist unte

nderem bestimmt, daß als Wein? nur das aus, dem 2 frischer Trauben ohne jeden Zusatz durch alkoholische Hährung bereitete Getränk. zu betrachten ist. Sind dem Trauben⸗ safte irgend welche Zusätze beigemischt, so darf das betreffende Getränk nur unter einer der tellungsweise entsprechenden Bezeichnung verkauft werden (Bern, Glarus, Neuenburg, Wallis, Zürich). Dies ilt namentlich auch von gallisirten, chaptalisirten und petiotisirten

einen, von Tresterwein und von dem aus Resinen hergestellten Wein. Die Natur des Getränkes muß in der Nechnung angegeben werden; Gastwirthe müssen die Natur der von ihnen verschänkten Getränke in ihrem docal an einem sichtbaren Platze anschlagen Geuenburg). ur Klärung und Haltbarmachung des Weines ürfen nur unschädliche Stoffe verwendet werden (Bern, Zürich); die Verwendung von Alaun, Metallsalzen, Salicylsäure, Borsäure, Borax u. dergl. ist verboten (Bern). Der. Zusatz fremder Farbstoffe zum Rothwein ist n, (Bern, Zürich). Zum Schwefeln der Fässer darf nur arsenfreier Schwefel verwendet werden Bern). Ge⸗ gipste Weine dürfen nicht mehr als 2 9 , Kalium im iter enthalten (Bern, Glarus, Luzern, Zürich). Auf Verlangen muß der Verkäufer dem Käufer angeben, ob der Wein rein oder eoupirt ist. Die Gefäße, in welchen Kunstwein verkauft oder versandt wird, müssen an in die Augen fallender Stelle die richtige Bezeichnung des Inhalts tragen (Zürich).

In Spanien (Real erden, vom 23. Februgr 1860) ist zur Eröffnung von Betrieben, welche die Verhesserung, Nachahmung oder fünstliche Herstellung von Wein zum Zwecke haben, vorherige Erlaub— niß der Behörde erforderlich. Stoffe, die nicht als völlig unschäblich für die menschliche Gesundheit zu betrachten sind dürfen zur Herstellung von Kunstweinen nicht verwendet werden. Mit diesen Einschränkungen ist die Vermehrung oder Verbesserung von Landweinen, die Nach⸗ ahmung von Weinen anerkannten Rufes, sowie die Herstellung von Kunstweinen ohne Gährung gestattet. Bei den Ankündigungen solcher Getränke und auf den Gefäßen sind die Stoffe, aus welchen der Wein ꝛc. gewonnen ist, sowie bei Kunstwein die Art der Herstellung an— zugeben. Die sra lichen Betriebe unterliegen einer vierteljährlichen Repiston durch Sachverständige auf Kosten des Eigenthümers. Durch eine Verordnung vom 9. Dezember 1887 ist die Errichtung von 20 Staatslaboratorien zur Untersuchung von Most, Wein, Alkohol und von Stoffen, welche bei der Weinbereitung verwendet werden, sowie zur Prüfung und Begutachtung aller den Wein betreffenden tech— nischen Fragen angeordnet worden. Die Analysen sollen in allen Labbratoͤrien nach gleichmäßigem, durch besondere Instruction ge⸗ regelten Verfahren ausgeführt werden. Mit den Laborgtorien sind Nlederlagen von Weinproben verbunden. Nach einem Erlaß vom 36. Jannar 1888 gilt Wein, welcher einen der nachbezeichneten Stoffe enthält, als verfälscht, nämlich: Unreinen Industrie-Alkohol, Salicyl⸗ säure und ähnliche antiseptische Stoffe, fremde Farbstoffe, künstliche Glucose, Stärkezucker, aus Most gewonnenen Zucker, Glycerin. Wein— malysen sollen in möglichst großem Umfang ausgeführt werden, namentlich bezüglich solcher Weine, welche in besonderen Betrieben hergestellt werden, oder welche zum Export oder zum Verkauf in den Weinschänken bestimmt sind. Das Ergebniß der Analysen ist zu ver— öffentlichen.

In Belgien unterliegt der Wein den allgemeinen Vorschriften über die Verfälschung der Nahrungsmittel. Die. Verwendung von Saccharin zur Versüßung von Getränken, einschließlich des Weines, begründet die Verpflichtung, alle Behältnisse, in denen solche Getränke in'den Verkehr gebracht werden, mit der Aufschrift „saecharinhaltig“ zu versehen. Auch in den Rechnungen, Frachtbriefen 2c. müssen die betreffenden Waaren als saecharinhaltig bezeichnet werden. Die Ver⸗ wendung gesundheitsschädlicher Farben zur Herstellung von Nahrungs— mitteln ist verboten.

s Ueberblick über die auf den Verkehr mit Wein

bezügliche Rechtsprechung.

Nach 5 10 Nr. 1 des Nahrungsmittelgesetzes wird mit Gefängniß bis zu sechs Monaten und mit Geldstrafe bis zu 1500 6 oder mit einer dieser Strafen bestraft, wer zum Zweck der Täuschung im ef sshtand Verkehr Nahrungs- oder Genußmittel nachmacht oder berfalscht. ;

Die Verfälschung besteht in den meisten Fällen entweder in einer Verschlechterung des Weines oder in der Verleihung des Scheins, aber nicht des Wefens einer besseren Beschaffenheit; in jedem Falle muß eine Aenderung mit der Wagre selbst vorgenommen sein, so daß z. B. das bloße Auftleben der Etikette einer besseren Sorte nicht eine Ver—⸗ faͤlschung des Weins selbst darstellt. Nachahmung ist Herstellung einer Sache unter Erzeugung des Scheins aber nicht des Wesens und Ge— halts einer Sache. Die Nachahmung kann sich nicht bloß auf das Getränk „Wein“ schlechthin, sondern auch auf einzelne Sorten des— selben erstrecken. Man kann z. B. nicht bloß französischen Wein an sich, sondern auch bestimmte Unterarten von französischen Weinen nachmachen (Danziger Weinprozeß).

Durch Reichsgerichtsentscheidungen (zwei vom 17. Januar 1881 und eine vom 14. Februar 1889) ist festgestellt, daß eine Verfälschung oder Nachahmung von Wein gemäß 5 19 a. 4. O. duch daun zu be⸗ strafen ist, wenn der unmittelbare Abnehmer über die Beschaffenheit des Weines aufgeklärt wird oder aufgeklärt werden soll, sofern nur die Verfälschung oder Nachahmung bewußtermaßen dazu dienen soll, daß das aus der Hand des ersten Abnehmers, sei es unmittelbar oder mittelbar, den Wein erwerbende Publikum getäuscht wird. Es ist auch nicht erforderlich, daß bereits ein wirklicher Verkauf seitens des Fabrikanten stattgefunden hat; es genügt vielmehr die bei der Herstellung des Weines befolgte Absicht. Das Vergehen ist durch die Handlung des Verfälschens oder Nachmachens vollendet, ohne daß eine wirkliche Täuschung oder eine auf solche gerichtete Veranstaltung hin⸗ zugetreten zu sein braucht (Oberlandesgericht Dresden 28. Mai 1888),

Die im § 10 des Nahrungsmittelgesetzes angedrohte Strafe tritt gemäß Nr. 27a. 4. O. ferner ein, wenn jemand wissentlich Nahrungs⸗ oder Genußmittel, welche verdorben oder nachgemacht oder verfälscht sind, unter Verschweigung dieses Umstandes verkauft oder unter einer zur Täuschung geeigneten Bezeichnung feilhält. Ein Feilhalten ist seitens des Reichsgerichts (10. Februar 1881) z. B. darin nicht erkannt worden, daß (durch Malvenblüthen rothgefärbter und mit Wasser ver⸗ dünnter Weiß) Wein im Keller eines Großweinhändlers lagerte.

Bei der Beurtheilung von Kunstproducten, zu welchen innerhalb gewisser Grenzen auch der Wein zu rechnen ist, entscheidet die gef, liche oder herkömmliche Regel, letztere aber nur soweit, als ihr nicht solche Geschäftsgebräuche zu Grunde liegen, welche einem vom Stand— . Gesetzes aus nicht berechtigten Zwecke dienen (Danziger Proceß).

Ueber die im Handel und Verkehr vorausgesetzte Beschaffenheit oder Zusammensetzung des Weines können in den einzelnen Ländern oder Landestheilen, z. B. in Nord, und Süddeutschland, verschiedene Auffasfungen bestehen (Reichsgerichtsurtheil vom 14. Januar 18836). Als Norm für die Beurtheilung ist seitens vieler deutscher Ge⸗ richte auch unter Bestätigung des Reichsgerichts angenommen, daß unter den in den Weingegenden Deutschlands gewachsenen Weinen im allgemein gebräuchlichen Sinne nur ein Getränh verstanden wird, welches ohne jeden Zusatz aus Traubensaft durch alkoholische Gährun berestet ist. In Befolgung dieses Grundsatzes ist. denn lj vielfach der Vertrieb von gallisirtem Wein unter Verschweigung der erfolgten Veränderung gemäß § 10 des Nahrungsmittel⸗ gesetzes bestraft worden. il. nge handelt es sich in den meisten Fallen um weitgehende Vermehrungen des Traubensaftes.*)

y Reichsgericht 20. Januar und 14. Nopember 1887 zu den Ur— theilen der Landgerichte Landau 16. November 1886 und Neuwied 14. Juli 1887; ferner Landgerichte Bonn 11. Dezemher 1886, Konstanz 24. September 18857 (bezw. Reichsgericht 12. Dezember 18387, Koblenz . . 1887, Landau 17. April 1888, Hall in Württemberg 29. Mai 1888.

9) Z. B. Landgerichte Karlsruhe 11. Mai 1857 (50 oo Zucker⸗ wasser und Süßholzfaft), Koblenz 8. Juni 15887 ( bis; Ohm Natur⸗ wein mit 6 Shim gallisirtem Wein vermischt, in. welch letzterem uur ier Raturwein), Ronstanz 24. September 1887 und Reichsgericht 127. Dezember 1587 (bis So C.ο Zuckerwasser), Landau 29. Mai 1888

Allein in einzelnen Fällen ist festgestellt worden, daß selbst an sich rationelle Zusätze von Zucker, dem nur soviel Wasser, als zu seiner Lösung erforderlich, zugefügt war, eine Verfälschung des Weins be⸗ dingten. ) In anderen Fällen ist der bloße Zusatz von Zucker zu geringem Wein als nicht unter den Begriff der Verfälschung fallend bezeichnet worden. )

Verurtheilungen wegen Vermischens verschiedener Weinsorten ohne gleichzeitigen Zusatz anderer Stoffe sind nicht bekannt geworden, wohl aber liegen zahlreiche gerichtliche Erkenntnisse vor. welche der⸗ artige Verschnitte unter Beifügung von Wasser, auch Sprit, behan⸗ deln. Meist sind es Weine, welche demnächst mit fremdländischen Bezeichnungen in den Verkehr kamen. In dem bekannten Danziger Weinprozesse sind 1886/87 Rothweine, welche als St. Estephe, St. Emilion, St. Julien, Chäteau Léoville in den Handel gebracht und aus Gemischen französischer (auch südfranzösischer, z. B. Narbonne) Weine mit Grüneberger oder Thüringer Weinen, Sprit und Wasser (letzteres bis zu 221½20½) zusammengesetzt waren, unter Berücksichtigung der im Nordosten Deutschlands herrschenden Auf⸗— fassungen unbeanstandet geblieben, weil unter jenen Bezeichnungen nur billige Weine geringer Qualität mit französischem Charakter ver— standen würden, auch in den betreffenden Geschäften die Abnehmer darauf hingewiesen zu werden pflegten, daß jene Namen nicht so sehr die Herkunft anzeigten als Preismarken seien. Andererseits sind in Bremen (12. Februar 1885), Mainz (Oberlandesgericht Darmstadt 14. Februar 1885), Hannover (Reichsgericht 26. November 1885), Stade (9. Februar 1887), Lüneburg . April 1888) derartige, meist unter fran⸗ zösischen Namen feilgehaltene Verschnittweine, welche theilweise allerdings erheblich größere (bis 45010), zum Theil aber auch geringere Wasser⸗ und Spritzusätze aufzuweisen hatten, als gefälscht erkannt und Anlaß zu Verurtheilungen geworden. In Altona (Ober-Landesgericht Kiel 13. Juli 1887) hat eine Verurtheilung trotz des bei dem Verkaufe ge⸗ machten Zusatzes , verschnitten , stattgefunden; freilich bestand der Verschnitt aus */ s Wasser und nur? / (Wein mit 7o/u Sprit. In zwei, vom Reichsgericht bestätigten Urtheilen rheinischer Gerichtshöfes) sind die für franzésische Weine damals als zulässig erachteten Practiken für deutsche Weine als nicht ohne Weiteres statthaft bezeichnet worden. Als hillige . sind von mehreren Gerichten Wasser- und Sprittverschnitte panischer, portugiesischer und anderer Weine für zulässig erklärt worden . Prozeß Weine von 1550 bis 26 die Flasche, Landgericht Lüne⸗ burg 5. April 1888). Das Gleiche gilt von billigem Madeira und Sherry ö Prozeß Preise von 1,50 bis 2 6 die Flasche). Durch den Zusatz „Fogon“ gekennzeichnete Weine, insbesondere Mus katfagon, sind wiederholt als Kunstprodukte anerkannt worden, für welche ein zum Vergleich geeignetes Naturprodukt nicht existirt (Landgerichte Lüneburg 9. April 1888 und Amberg 20. April 1886); dagegen ist in einem anderen Falle (Landgericht Bremen 12. Februar 1883 es handelte sich um 2 Posten Malaga und Muscat) bemerkt worden, daß die Bezeichnung „Fagon“ die Absicht einer Täuschung des Publicums nicht ausschließe.

Was die im S1 des Entwurfs aufgeführten Stoffe betrifft, so haben bereits wiederholt Verurtheilungen wegen Zusetzung von Glycerin und Salicylsäure stattgefunden, indeß haben die Gerichte diefe Mittel weniger vom Standtpunkte der Gesundheitsgefährlichkeit als deshalb beanstandet, weil dadurch der Schein einer besseren Be— schaffenheit erweckt bezw. Fehler verdeckt werden sollten 5). Hin— sichtlich des Zusatzes von Stärkezucker liegen verschiedene Ent⸗ scheidungen vor; einzelne nehmen dessen Gesundheitsschädlichkeit an); in anderen Fällen führten die unter sich abweichenden Meinungen der Sachverständigen zu Freisprechungen *), oder es wurde eine Verfälschung angenommen 9). Auch Zusätze von pflanzlichen Farb— stoffen lo) sind, meist allerdings in Verbindung mit anderen, der Wein⸗ vermehrung dienenden Zusätzen beanstandet worden. In einem Falle

wurde reine arsenige Säure mit einem Farbstoff im Bodensatz einer

Flasche aufgefunden; der in der Flasche gewesene Glühwein hatte Er⸗ brechen mit Magenkrampf und darauffolgende mehrtägige Ermattung und Appetitlosigkeit e lg ,

Die gewöhnliche oder übliche Kellerbehandlung: Ausschwefeln der Fässer, Ausspülen derselben, mit Wasser, allenfalls mit Sprit, Be— handeln des Weines mit Klärmitteln 13), wie Hausenblase, Gelatine, Tannin, Teint und sogenannter Weinschöne lis) sind wiederholt als durchaus gestattet bezeichnet; jedoch ist andererseits, ein Sprit⸗ zufatz von 11½ bis 2 5½ν als eine stoffliche Veränderung des Weines bezeichnẽtt worden, wodurch der Wein stärker, gehaltvoller und mundgerechter erscheine, mithin den Schein einer besseren als der feinem Wesen entsprechenden Sorte erhalte it). Auch ein erheb⸗ licher Zusatz von Hollundersaft zu Rothwein, um Dem— selben stickigen Geschmack zu nehmen (116 auf 10 Ohm) wurde als Fälschung bestraft. Dagegen wurde, von Ver⸗ urtheilungen wegen zu großen Gehalts an schwefliger Säure und an Dikaliumfulfat wegen NUuseinandergehens der Ansichten der Sach⸗— verständigen in einzelnen Fällen abgesehen 15).

Zahlreich sind die Verurtheilungen wegen Verwendung von ver—

gohrenen Zuckerwasseraufgüssen auf bereits ausgepreßte Trester zur Vermehrung von Wein (Petiotisiren), sowie wegen Verkaufs, und Feilhaltens solcher Getränke unter Bezeichnungen, welche die Meinung erwecken konnten, es liege vergohrener reiner Traubensaft vor. Meist bildeten weitgehende Verlängerungen von Wein, wobei dann noch versucht war, die Verwässerung durch andere Zusätze, wie Flieder—⸗ abkochung, Sprit, Trub oder Hefenwein zu verdecken, den Gegenstand der Verurtheilung. Je nach Lage des Falles wurden Verfälschungen oder Rachmachungen von Wein im Sinne des §10 des Nahrungs⸗ mittelgesetzes als vorliegend angenommen 16). w (nahezu 50 υάι), Hall in Württemberg 29. Mai 1888 (bis 20 ά=,) Würzburg 16. Juli 1890 G30 0 Zuckerwasser und Sprit), Franken⸗ hal 14. Ottober 1890 (bis 50 G Zuckerwasser), Mülhausen i. E. 12. Januar 1891 (bis 87 Zuckerwasser).

3) Landgerichte Koblenz 1. Dezember 1887, Frankenthal 24. Januar 1888, Landau 17. April 1888. .

) Landgerichte Koblenz 2. Juni 1888, Bonn 11. Dezember 1886 auch mit etwas Wasser.

s) Neuwied und Landau, Reichsgerichtsurtheile vom 14. Januar 1886 und 20. Januar 1887.

) Landgerichte Amberg 20. April 1886, Würzburg 5. Oktober 1889.

J Landgericht Danzig 27. Mai 1886, vergl. auch Colmar 13. März 1890.

s) Landgericht Neuwied 14. Juli 1837.

9 Landgerichte München 1 22. Mai 1888, Trier 7. Februar 1889, Colmar 13. März 1890, Schweinfurt 24. April 1891.

i) Malvenblüthe: Landgericht Coblenz 11. December 1890; Kirsch⸗ saft: Landgerichte Bremen 12. Februar 1883, Colmar 3. October 1888; Heidelbeeren: Landgericht Konstanz 24. September und Reichsgericht JI2. December 1887, Landgericht Mainz 31. October 1891; teinte bordelaise: Landgericht rufen i. E. 12. Januar 1891; Theer⸗ farbstoff: Landgericht Amberg 20. April 1886.

ui) Landgericht Würzburg 17. Juni 1889, Verurtheilung zu! Woche Gefängniß. .

iar Landgerichte Bonn 11. December 1886, Neuwied 14. Juli 1887.

1j Landgericht Coblenz 2. Juni 1888.

1 Landgericht Coblenz 1. December 1887.

u) Landgerichte Mülhausen i. E. 3. März 1887, Nürnberg 16. No⸗ vember 1887.

is) Reichsgerichtsurtheile vom 14. Januar 1886, 14. November 1887 (Vermehrung bis um das 11zfache des Traubensaftes), 12. De⸗ cember 1887, Landgerichte Metz 2. März 1886, Colmar, 39. März (bis 100 o½ά Tresterwein zugesetzt; und 7. Oetober 1887, sowie 11. Juni 1858, Frankenthal 10. Mai 1887 (auch Rosinen zugesetzt; es waren nur geringe Mengen Naturwein verwendet worden), 13. März 1888 und 26. Februar 1889 reine Tresteraufgüsse, nach der Gährung mit schweren Südweinen verschnitten), Landau 27. März, 17. April und 25. Mai 1888, Würzburg 5. December 1888, Dresden 21. Juni (Ober⸗ Landesgericht Dresden 17. December 1888) und 26. November 1888 (in letzterem Falle 10 bis 121 Trauben- und Trestersaft mit 3 Zentner Zuckerabkochung und 20 hl reinem Wasser bermischt; Revision durch Dber-Landesgericht Dresden am 28. Februar 1889 verworfem.

In ähnlicher Weise sind Hefenweine n) und Rosinenweine, sowie Gemssche folcher mit Traubenfaft, welche als Wein schlechthin ver⸗ kauft worden waren, beanstandet worden; dagegen haben in solchen Faͤllen, in welchen Hefenwein für den eigenen Bedarf beziehungsweise als Gesindewein hergestellt oder einem Käufer nach Probe ohne befondere Benennung geliefert waren, Freisprechungen stattgefunden 10. Zusatz von Obstwein zu Traubenwein und Verkauf des Gemisches als Wein oder auch als Weinverschnitt haben in einzelnen Fällen zu Verurtheilungen geführt].

Die empfindlichsten Strafen sind bisher gegen Inhaber von Kunstweinfabriken verhängt worden, welche ihre Produkte, oft in ganz erheblichen Mengen und an eine weitverbreitete Kundschaft, unter Verschweigung der wahren Beschaffenheit als „Weine“ in den Ver⸗ kehr gebracht hatten; hier sind mehrfach Gefängnißstrafen von längerer Dauer neben hohen Geldftrafen verhängt worden. Als Hilfsmittel zur ungebührlichen Vermehrung der geringen Mengen von Traubenfaft, sofern solcher überhaupt verwendet war, wurden fest⸗ gestellt Sprit, Glycerin, Galläpfel und Tannin, auch China, ferner Eitronenfaͤure, Tamarinden, Weinsteinsäure, Rosinen, Himbeeren, Johannisbrot, sodann Zucker, Syrup,. Bouguetstoffe., Farb⸗ stoffe verschiedenen Ursprungs, wie Malvenblüthen, Kirschsaft, alles mit möglichst großen Mengen -Wasser vermischt 29.

Die dem Entwurf beigegebenen Technischen Erläute— rungen, die im Kaiserlichen Gesundheitsamt bearbeitet worden sind, werden wir in der nächsten Nummer des „Reichs- und Staats⸗Anzeigers“ veröffentlichen.

Gefundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs⸗ Maßregeln.

Bremen, 2b. Februar. Die, Wes.-Ztg. berichtet: Verschiedene Personen der Besaßzung vom Lltoyddampfer „Leipzig“, der

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am Dienstag Rachmittag Vincent passirte, erkrankten nach aus Brasilien eingetroffenen Nachrichten am gelben Fieber; sie mußten in Rio de Janeiro und Bahia den Hospitälern übergeben werden. Unter den Gelandeten befand sich auch der Schiffsarzt Dr. med. Grimm, der einer späteren telegraphischen Anzeige zufolge im Hospital zu Bahia gestorben ist. Auf der Reise von Bahia nach St, Vincent ist auch der Capitän des Schiffes A. Schmid, der seine erste Reise als Führer eines Norddeutschen Lloyddampfers machte, gestorben.

Hamburg, 26. Februar. Der „Hamburgische Coxrespondent“ veröffentlicht eine polizeiliche Anordnung zur Verhütung der Einschleppung und Weiterverbreitung der Maul- und Klauenseuche. Danach ist der Auftrieb von Rindern und Schafen aus den Stallungen der Viehcommissionäre von Hamburg und Altona auf den Central-Viehmarkt verboten. Unverkauftes Vieh muß vor dem Wiederauftrieb von einem amtlichen Thierarzte untersucht werden. Verkauftes Vieh muß direct in die Schlachtstätten geführt werden. Der Versand von Vieh ist nur in die Schlachtstätten von Hamburg, Altona, Ottensen und Wandsbek gestattet.

Handel und Gewerbe.

Tägliche Wagengestellung für Kohlen und Koks an der Ruhr und in Oberschlesien. An der Ruhr sind am 26. d. M. gestellt 9285, nicht rechtzeitig gestellt keine Wagen. . In Oberschlesien sind am 25. d. M. gestellt 3211, nicht rechtzeitig gestellt keine Wagen.

Zwangs-Versteigerungen.

Beim Königlichen Amtsgericht 11 Berlin stand am 265. Februar 1892 das Grundstück, zu Neu-Weißensee belegen, dem Bauunternehmex Joachim Kagemann gehörig, zur Versteige⸗ rung. Das geringste Gebot wurde auf 9950 ( festgesetzt; für das Melstgebot von 63H00 wurde der Glasermeister Oscar Schelsky zu Berlin, Elsasserstraße 14, Ersteher.

Der Aufsichtsrath der Bank für Spzrit und Pxoducten⸗ handel hat beschlossen, der Generalversammlung, Lie auf den 19. März anberaumt ist, die Vertheilung von 3 5/ο Dividende in Vorschlag zu bringen.

Vom oberschlesischen Eisen- und Metallmarkt berichtet die „Schl. Itg.“! Die Herabsetzung des Walzeisen⸗ Grund⸗ preises hat nunmehr doch zur Folge, daß die Großhändler die Läger zu completiren beginnen. Bei einzelnen Werten ist infolge dessen das Geschäft etwas reger, immerhin aber ist der Eingang an Ordres noch nicht derartig, 1a man von einer günstigeren Gestaltung des Ge— schäfts reden kann; die Walzwerke sind, auch weiterhin unzulänglich beschäftigt, ein Werk hat sogar den Betrieb wegen Mangels an Aufträgen ganz eingestellt. Nach den neuesten Nachrichten soll sich das westfälische Kokessyndicat aufgelöst haben. Die Folge davon ist billigerer Kokes für das rheinisch-⸗westfälische Gebiet und wesentliche Preisherabsetzung bei den Kokesabschlüssen nach Belgien. Während die oberschlesische Eisenindustrie mit theueren und im Verhältniß zum westfälischen qualitativ minderwerthigen Kokes zu rechnen hat, wird ihr jetzt noch auf dem kleinen Gebiet, in welchem ihr die Concurrenz mit belgischem Eisen möglich war, infolge des Hochhaltens der oberschlesischen Kohlenpreife der Export nach dieser Richtung vollständig verspert. In Roheisen, besonders in Gießereiroheisen, wachsen die Be⸗ stände auf den Hütten mächtig an, und der Hochofenhetrieb wird in der bisherigen Stärke kaum noch lange aufrecht erhalten werden konnen. In Walzeisen finden Handels- und Fagoneisen noch einigermaßen Absatz, während für alle anderen Sortimente die, Nach frage sehr gering ist. Die Stahlwerke sind immer noch ziemlich gut beschäftigt und auch mit Aufträgen versehen. Für Feinbleche ist der Begehr ein sehr schwacher, dagegen sind Grobbleche etwas mehr gefragt. Die Eisengießereien sind schwach besetzt und arbeiten großentheils auf Vorrath; da aber bereits bedeutende Quan— titäten an fertiger Waare vorhanden sind, so wird. auch hier eine weitere Einschränkung des Betriebes unausbleiblich sein, Die Mafchinen? und Kesselfabriken sind ebenfalls un⸗ enügend mit Aufträgen versehen; letztere haben bereits Arbeiter ent 66 müffen. Die Röhren walzwerke, sowie. Draht und Rägelwerke sind voll beschäftigt, obwohl auch bei ihnen das Meiste auf Lager gearbeitet wird. Die Preise sind im allgemeinen und bei allen Branchen derartig gedrückt, daß von einem nennenswerthen Ver— dienst keine Rede sein kann. Im Zinkgeschäft ist in der letzten Borichtswoche in so fern eine Aenderung eingetreten, als sich in England die Nachfrage in stärkerem Umfange zu regen begann nnd infolge dessen eine Aufwärtsbewegung der Londoner Preisnotirungen Platz

u) Landgericht Frankenthal 8. Juni 1889 und 6. October 1890.

16 Landgerichte Coblenz 2. Juni 1888. Zabern 8. März 1889, ferner Bestrafung durch Dresden 25. August 1891 vergohrener Wasser⸗ aufguß auf Korinthen als „Tokayer“, griechischer Tischwein“ ꝛe. verkauft). ö.

16) Landgericht Konstanz 24. September 1887 beziehungsweise Reichsgericht 12. December 1887, Landgericht München 1 22. Mai 1888 (unter Verschneiden des Weines wird nur eine Vermischung von zwei oder mehreren Traubenweinen verstanden), desgl. vom 29. August 1891 (Apfelmost, mit sehr wenig Wein verschnitten, als Wein verkauft nachgemachter Wein). ; .

) Vergl. die Urtheile der Landgerichte Offenburg vom 24. / 25. Fe⸗ bruar 13327 Mülhausen i. C. vom 2. December 1335, 6. Degember 185865 und J. April 1891, Coblenz 17. Nevember 1886, 2. Juni 1888 und 11. December 1890, Konstanz 3. /4. December 1886.

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