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keine Arbeit übertragen worden zur Instandhaltung der Maschinen Natürlich ist der Lohn für diese Arbeit geringer, wie derjenige eines Zuschlägers. Ein zweiter Fall war der, wo ein alter Mann Werk⸗ zeuge herstellte. Auch dies konnte er nicht mehr thun. Nun hat der Vorgesetzte sich gefragt: wie kann ich den Mann, seinen Kräften ent⸗ sprechend, noch verwerthen? und er hat ihm darauf Werkzeuge zum Befeilen gegeben. Auch diese Arbeit war dem Mann noch zu schwer; es ist schließlich dahin gekommen, daß er in der Werkstätte zur Ver⸗ ausgabung von Putzmaterial und Werkzeug benutzt wurde. Worauf es nun aber ankommt, diesen Leuten ist nicht der Lohn gekürzt worden, weil sie eine Altersrente beziehen, er ist ihuen gekürzt worden, ebenso wie vielen anderen Leuten, weil sie eben der Arbeit, für welche sie an—⸗ gestellt waren, nicht mehr genügten und ihnen eine andere leichtere übertragen werden mußte, lediglich aus dem Grunde; es müßte ja sonst allen Leuten, die Altersrente bezogen haben, ein entsprechender Betrag am Lohn abgezogen worden sein. Dies ist aber durchaus nicht der Fall.
Abg. Singer (Soc.): Nach dieser Erklärung beruhten seine Angaben auf Wahrheit. Wenn der Lohnabzug wegen der verminderten R igkeit der Leute gemacht sei, so sei es ganz eigenthümlich, daß die
erftdirection sie gerade zu der Zeit bemerkt habe, wo die Alters rente zum ersten Mal zur Auszahlung gelangt sei. Nachdem die Leute Jahre lang zur Zufriedenheit gearbeitet hätten, beurtheile die Direction mit einem Mal ihre Fähigkeit anders als im vorigen Jahre. Daß eine Bezugnghme auf die Altersrente erfolgt sei, sei Thatsache, vielleicht nicht so, daß man den Leuten gesagt habe: weil ihr jetzt Altersrente bekommt, verkürzen wir den Lohn, aber es sei ihnen gesagt worden, ihr könnt icht die Lohnkürzung eher ertragen, weil ihr die Rente bekommt. Der Eindruck werde ziemlich derselbe sein. Das Urtheil über die Leistungsfähigkeit der Leute müsse allerdings der Werftdireetion überlassen bleiben, aber es müsse einen eigenthümlichen, für die Werft-Direction ungünstigen Eindruck machen, wenn in dem Augenblick, wo die Altersrente eintrete, der Lohn verkürzt werde,. In dem einen Fall habe man dem Arbeiter nicht eine leichtere Arbeit gegeben, sondern sogar eine schwerere, die er, mit Anstrengung aller Kräfte zu leisten verfucht habe. Dieser alte 73jährige Mann sei mit der Ausgabe von Putzwolle und Werkzeugen für den Lohn von 2 6 55 3 täglich beschäftigt, er habe dann die Altersrente bekommen und man habe ihn an den Schraubstock gestellt, um zu fehen, wie weit seine Kräfte reichten. Um nichts an Arbeits- verdienst zu verlieren, habe er mit aller Kraft versucht, be dig . zu arbeiten. Die Erklärung des Staatssecretärs hahe ihn nicht befriedigt. Staats- und Reichsbetriebe sollten Muster— anstalten sein. Musteranstalten entspreche es besser, jahre⸗ lang beschäftigt gewesene Leute ruhig im Genuß der Alters— rente und des bisherigen Lohnes zu lassen. Genügten die Leute den Ansprüchen nicht mehr, so solle man sie invalidisiren und sie mit der Invalidenunterstützung und der Altersrente ihrem Schicksal über⸗ lassen. Der Staaͤtssecretär hätte lieber erklären sollen, daß er es ein für alle Mal untersagen werde, daß die Altersrente in Beziehung zum Lohn . werde. Die Altersrente sei ein durch Gesetz er⸗ worbenes Recht und die Beschäftigung auf den Werften hänge von der Arbeitskraft der Leute ab. Eine Vermischung beider, oder auch nur der Hinweis darauf, daß der Lohnabzug wegen der Rente erträg⸗ licher würde, sei unangemesssn, In den Kreisen der Werftarbeiter habe dieses Verfahren die tiefste Entrüstung erregt. Der Staatssecretär habe den Eindruck nicht verwischen können, daß seine Beamten die Altersrente benutzten, um für ihre Verwaltung billigere Löhne zu
schaffen.
Staatssecretär Hollmann: .
Das Wohlwollen der Ober-Werftdirection für das Wohl der Ar— beiter bürgt mir dafür, daß die Lohnverkürzung nicht in Zusammen— hang gebracht worden ist mit der Altersrente. Ich habe schon vorher ausgeführt, daß der Bericht der Werft mir die Ueberzeugung ver— schafft hat, daß dieser Zusammenhang nicht besteht. Ich will hier aber ohne weiteres erklären, daß, wenn ich die Ueberzeugung hätte, daß dies der Fall gewesen wäre, daß man dem Manne den Lohn ge— kürzt hätte, weil er eine Altersrente bezieht, ich das streng getadelt haben würde. Aber ich habe gar keine Veranlassung dazu; denn der Bericht der Werft lautet darüber ganz offen und läßt keinen Zweifel. Es ist eben kein Zusammenhang gewesen zwischen dieser Kürzung und der Altersrente. Zufällig ist es in diesem Falle zusammengefallen, aber darum ist noch keine Beziehung vorhanden, und ich kann nur sagen, — wenn der Herr Abg. Singer sich darnach erkundigen will — es sind auch eine große Menge anderer Personen auf der Werft, die eine Altersrente beziehen, ohne daß ihnen deshalb der Lohn gekürzt wird. Wenn die Absicht der Werft dahin gegangen wäre, so hätte sie nicht nur bei dem einen Mann, sondern auch bei den anderen diese Abzüge gemacht. (Sehr richtig! rechts. Aber hier liegen zwei Fälle vor, wo positiv kein Zusammenhang herauszubringen ist, und ich kann nur wiederholen und ohne Umschweife sagen, hätte ich die Ueberzeugung gewonnen, daß die Werft aus falschen finanziellen Rücksichten das ge— than hat, was der Herr Abg. Singer ihr vorwirft, dann hätte ich das streng getadelt, aber ich habe nichts zu tadeln, da die Werft kein Vorwurf trifft.
Der Commissionsantrag wird darauf angenommen.
Bei dem die Werftschreiber betreffenden Titel beantragt die Commission, die Mehrforderung abzusetzen.
Staatssecretär Hollmann:
Ich will mir gestatten, einzutreten für die Bewilligung dieser elf Werftschreiber und fünf Kanzlisten. Die elf Werftschreiber, die hier gefordert werden, erweisen sich als eine Nothwendigkeit für die Werft⸗ verwaltung. Wie die Herren aus den Erläuterungen ersehen werden, ist eine weitere Erhöhung im nächsten Jahre in Aussicht gestellt. Diese Werftschreiber sind die Rechnungsleger in unseren Werkstätten. Sind diese Leute nicht vorhanden — und sie sind augenblicklch nicht in der gehörigen Zahl vorhanden — so müssen wir Lohnschreiber an Stelle dieser Werftschreiber setzen. Das sind Leute, die dieser Auf⸗ gabe nicht gewachsen sind, infolge dessen wird die ordnungsgemäße Rechnungslegung und die Fondswirthschaft sehr erschwert. Die Ver⸗ waltung hat diese Leute dringend nothwendig. Ich möchte bitten, daß der Werft diese Leute nicht entzogen werden.
Der Titel wird nebst dem Rest des Ordinariums nach dem Commissionsvorschlag angenommen.
Schluß 5i/ Uhr.
Technische Erläuterungen
u dem Entwurf eines Gesetzes, betreffend den Ver-
ehr mit Wein, weinhaltigen und weinähnlichen Getränken. Bearbeitet im Kaiserlichen Gesundheitsamt. (Der Entwurf des Gesetzes ist in Nr. 51 des Reichs- und Staats— Anzeigers veröffentlicht worden.)
Lösliche Aluminium salze (Alaun und dergl.). (Zu 5§ 15)
Zum Klären des Weines sind unter anderen Mitteln auch die unter der Bezeichnung Kaolin, spanische Erde und dergleichen im
Handel vorkommenden kieselsauren Thonerdeverbindungen empfohlen und in vielen Fällen nützlich befunden worden. Dieselben wirken im allgemeinen nur mechanisch und geben, wenn sie rein sind, keine Be⸗ standtheile an den Wein ab, so daß gegen ihre Verwendung sanitäts⸗ polizeiliche Bedenken nicht zu erheben sind. Anders ist es mit den löslichen Aluminiumsalzen, namentlich dem Alaun (dem schwefelsauren Kalium⸗Aluminium), einem Salz, welches zur besseren Abscheidung der Schöne, sowie als Mittel gegen das Umschlagen des Weines (Hamm, Weinbuch 1I. Aufl. S. S9) empfohlen wird, und einen Be⸗ standtheil mancher dem Wein zugesetzter er fe , einiger Schönungsmittel, z. B. der Kraus'schen Krystallschöne (Rösler, Mit— . ö der Klosterneuburger Versuchsstation 1885 Heft IV S. 49) ausmacht.
Der Alaun ist zum Klären des Weines nicht nothwendig, da 4 Leim, Hausenblase, Eiweiß und andere Mittel dazu völlig ausreichen.
Dahlen d 1882 S. 640) erklärt den Alaun als Mittel zur Abscheidung der Schöne für verwerflich.
Nach Böhm (Handbuch der Intoxikationen von Böhm, Naunyn und von Boeck 1880 S. 87 muß der Alaun zufolge älteren und neueren Erfahrungen entschieden zu den stärkeren Giften gezählt werden, eine Anschauung, die wie Husemann (Handbuch der Toxikologie 1867 S. 942) mittheilt, von Devergie, Bischoff, Orfilg und anderen im Gegensatz zu Christison getheilt wird. Allerdings ist die tödtlich wirkende Dose ziemlich ö. von Hasselt (Husemann a. a. O.) be— zeichnet 1 Unze (30 g) als solche; dieser Umstand kann aber nicht besonders in Betracht kommen, da geringere Dosen, wenn sie auch nicht tödtlich wirken, doch die Gesundheit, schädigen können. Solche geringere Dosen sind thatsächlich im Wein gefunden worden; so hat Reichardt, nach einer dem Kaiserlichen Gesundheitsamt gemachten Mittheilung einen Rothwein unter— sucht, in welchem so viel Alaun enthalten war, daß sich Krystalle davon an der Wand des Fasses abgesetzt hatten. Auch Maumens fand in Weinen so viel Alaun, daß 114 bis 7 g enthielt (Gautier, Sophistication des vins, IV. 6d. 290.
Diese Gründe rechtfertigen das im Gesetzentwurf in Aussicht 6 Verbot der Verwendung löslicher Aluminiumsalze, ins— besondere des Alauns.
Allerdings scheint nach Rösler (Mittheilungen der Klosterneuburger . 1885 Heft IV S. 48) die Anwendung von Alaun in der Champagnerklärung noch eine gewisse Rolle zu spielen. Die Beigabe von Alaun soll angeblich erfolgen, um den Absatz schwerer und körniger zu machen, so daß derselbe beim Erschüttern und Senken der Flasche zwar beweglich wird, aber nicht anhaftet. Nach Maumens (Traité théorique et . ue du travail des vins éd. HII) wird der zur Champagnerfabrikation verwendete Wein zuerst mit einer alkoholischen Tanninlösung, hierauf, mit einer Alaun enthaltenden Leimlösung versetzt. Mit Rücksicht hierauf war in dem früher (1887) dem Reichstage vorgelegten Gesetzentwurf eine Ausnahmebestimmung zu Gunsten des Champagners vorgesehen. Allein schon damals wurde im Reichstage Widerspruch dagegen erhoben und seitens der Commission (Drucksache 175 S. 26) ein ausnahmsloses Verbot befürwortet. In⸗ folgedessen sind von neuem eingehende Ermittelungen angestellt worden.
Dieselben haben das in, , ehabt, daß nach den Aeußerungen in der Praxis stehender erfahrener Männer das Schaumweingewerbe des Alauns zur Herstellung seiner Erzeugnisse nicht bedarf.
Baryumverbindungen. .
Die minderwerthigen, bis in die neuere Zeit fast immer 7 ipsten Weine Südfrankreichs werden häufig, besonders seit dem . der Reblaus, den Bordeaux Burgunder und anderen Weinen bei⸗ gemischt. Ein solcher Verschnittwein wird dann als Wein dieser be⸗ vorzugten Länderstriche in den Verkehr gebracht. Der Nachweis eines derartigen Verschnitts war früher nicht schwer zu führen; es genügte, in den verdächtigen Proben die Schwefelsäure zu bestimmen, um den Beweis zu liefern, daß Weinen aus solchen Gegenden, in welchen das Gipsen nicht üblich ist, gegipste eine bei⸗ gemischt worden waren. Die Händler sannen nun auf Mittel, ihren zum Verschnitt von Bordeaur- und anderen Weinen bestimmten geglpsten Weinen die Schwefelsäure zu entziehen; sie fanden in dem Baryumchlorid, dem weinsauren Baryum und dem Baryumkarbonat drei ihren Zwecken entsprechende chemische Präparate, welche die im Wein enthaltene Schwefelsäure als unlösliches Baryum⸗ sulfat niederschlagen. Diese Praxis ist vom sanitätspolizeilichen Standpunkt aus in hohem Grade verwerflich, da sich nicht vermeiden läßt, daß im Wein ein Ueberschuß an Baryumverbindungen, zurück— bleibt, welche schon in wenigen Milligrammen Vergiftungserscheinungen hervorzurufen im stande sind. In Frankreich ö unter Anderen Gautier (Ea sophistication des vins IV. 6d. 1891 S. 286) und C. Charles (Platrage et déplatrage des Lins Ann. d'hyg. X S. 33 bis 39) auf diese Verhältnisse aufmerksam gemacht; letzterer Autor hebt hervor, daß solches Entgipsen der Weine no schädlicher sei, als das Gipsen. Es rechtfertigt h daher vom Standpunkte der öffentlichen Gesundheitspflege, das Verbot der Verwendung von Baryumsalzen bei oder nach der Herstellung von Wein, weinhaltigen und weinähnlichen Getränken auszusprechen.
Bor säu re. ö Anter den zur Haltbarmachung des Weines empfohlenen Mitteln spielt auch die Borsäure eine gewisse Rolle. Einige Autoren, wie z. B. Hirschberg, Polli und Witkmack (Schmidt's Jahrbücher der in⸗ und are e gesammten Medizin CL XVIII. 2833, — Arch. d. harm. 1874) empfehlen die Anwendung der Borsäure zur Con⸗ ervirung von Nahrungsmitteln, , von Milch, in⸗ dem sie hervorheben, daß die Borsäure weder giftig, noch über— haupt ungesund sei. Thatsächlich werden auch nach den Unter— suchungen des Kaiserlichen Gesundheitsamts (Arb. 4. d. K. G.⸗A. 1889 Bd. V, S. 364, 1890 Bd. VI, S. 119) = reiche Mittel, welche von Gewerbetreibenden zur Fleisch⸗ confervirung empfohlen werden, mit Borsäure hergestellt, ohne daß die Abnehmer aus den oft sehr verlockend klingenden Namen der Mittel diesen Bestandtheil zu errathen vermöchten. Einer solchen Verwendung der Borsäure . stehen die An⸗ aben einer Anzahl anderer Forscher, 1, welchen die Borsäure eineswegs als phyfiologisch indifferent anzusehen ist. So beeinträchtigt z. B. nach Versuchen, welche von Forster Virchow u. Hirsch, Jahres bericht für 1383, 1 133 und 1884, 1 499. — Nach: Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft XVI 1754 bezw. Archiv für Hygiene II 75 bis 1I6) am Menschen angestellt, wurden, die Verabreichung von 05 bis 3 g Borsäure täglich die Ausnutzung der Nahrungsmittel. Hagner (a. a. O. 1884, 1 359) theilt drei Fälle von Borsäurevergiftung mit, von welchen der eine durch Ausspülung der Blase, die anderen durch Ausspülungen des Magens mit Borsäurelösungen hervorgerufen wurden. Nach Johnson (a. 4. O. 1885, 1 402) kann eine unvorsichtige, durch längere 5 fortgesetzte innere Anwendung der Borsäure selbst den Tod herbei⸗ führen. Gaucher beobachtete bei täglichen Gaben von O5 g Borsäure bei Meerschweinchen Albuminurie und Tod nach 14 Tagen. Von Emmerich (Bericht über die 7. Jahresversammlung 6er der freien Vereinigung bayerischer Vertreter der angewandten Chemie) an estellte Versuche ergaben, daß die Borsäure ungünstig auf die Darm chleim⸗ häute wirkt. Beim Menschen sollen 2 g Uebelkeit, . und Diarrhoe hervorrufen. 6 Befuche zeigten ferner, daß die conservirende Wirkung der Borsäure bisher sehr überschätzt worden ist, indem erst ein Gehalt von 1 90 Borsäure die Gährung von Bier⸗ würze verhinderte. Soll demnach Wein durch K haltbar gemacht werden, so müssen verhältnißmäßig große Mengen der letzteren zur Verwendung gelangen, was im Hinblick auf die mitgetheilten Beobachtungen in gesundheitlicher Beziehung keineswegs unbedenklich erscheint. Hierdurch wird das im Gesetzentwurf ausgesprochene Verbot der Verwendung von Borsäure ,,,
. ändert auch der Ümstand nichts, daß nach den von M. Ripper (Weinbau und Weinhandel Vl 331), G. Baumert (He⸗ richte der deutschen chemischen Gesellschaft 21, 3290), P. Soltsien 9 harm. Zeitung“ 33, 312) gemachten und in neuerer Zeit im Kaiserlichen Gesundheitsamt n n, efundenen Erfahrungen die Bor⸗ säure ein normaler Bestandtheil der Weinasche zu sein scheint. Denn es
handelt sich bei dem Verbot nur um den Zusatz von Borsäure, ni aber um jene außerordentlich geringen Mengen von Borsäure, wel nach den 6 Erfahrungen von Natur im Wein vorkommen können. Immerhin wird das natürliche Vorkommen von Borfaäure in den Weinen bei der chemischen Beurtheilung derselben Berücksichtigung finden müssen, insofern als der qualitative Nachweis der Borsaure fü sich allein nicht mehr genügt, um auf einen Zusatz derselben schliehen zu lassen. J
Das Glycerin ist ein normales Product des Gährungsprozessez und findet sich daher auch in jedem Wein. Diese Thatsache, fowie der Umstand, daß dem chemisch⸗reinen Präpgrate gesundheitsschädliche Eigenschaften nicht zugeschrieben werden, läßt ein Verbot desselben vom gesundheitspolizeilichen Standpunkt scheinbar schwer rechtfertigen; doch ändert sich die Sachlage, wenn man erwägt, daß die Mehrzahl der Abnehmer auf Grund ihrer eigenen Kenntnisse nicht in der Lage sind, ein chemisch-reines Glycerin bon, den oft außerordentlich un— ,. Sorten zu unterscheiden, welche ihnen von Händlern angeboten werden.
Einen Beweis hierfür liefert beispielsweise der bekannte Proceß gegen die Münchener Firma Wich u. Co. (Nordd. Brauerzeitun
1884 Nr. 41 S. 845). Aus den sachverständigen Gutachten, welche
bei, dieser Gelegenheit von Dr. Vogel in Memmingen und Director Michel in München abgegeben wurden, geht hervor, daß den unter Anklage gestellten Brauern von der genannten Firma ein Glycerin offerirt worden war, das selbst in geringen Quantitäten gelb statt farblos war und Silbersalze reducirte, mithin Rohglycerin, welches als solches in Bezug auf Gesundheitsschädlichkeit als unverdächtig nicht gelten kann. ;
Diese Sachlage rechtfertigt das im Gesetz vorgesehene absolute Verbot des Glycerinzusatzes. Es kommt noch ein weiterer, mehr die wirthschaftliche Seite der Frage berührender Umstand hinzu. Das Glycerin wird dem Wein mit der Absicht zugesetzt, dessen Süße zu erhöhen. Die Süße steigert den Preis eines Weines oft gußerordent⸗ lich. Wer einen suͤßen Wein zu theuren Preisen kauft, ist berechtigt, anzunehmen, daß er eine besonders gute Qualität erwirbt, von deren Genuß er gewisse Vortheile erwartet, wenn letztere oft auch mehr auf anderen Eigenschaften des Weines, als auf der dieselben regelmäßig begleitenden und, weil leicht wahrnehmbar, als Erkennungszeichen der Qualität dienenden . beruhen mögen. In dieser Erwartung wird er getäuscht, wenn die Süße einem minderwerthigen Wein durch einen Glycerinzusatz künstlich beigelegt worden ist (Dahlen, die Weinbereitung S. 801). Ferner kann das Glycerin dazu benutzt werden, um eine in gewinnsuͤchtiger Absicht ausgeführte, weitgehende Verdünnung des Weines durch künstliche Erhöhung des Extractgehaltes zu verdecken.
Die Verwendung von Glycerin bei der Herstellung von Wein, weinhaltigen und weinähnlichen Getränken ist demnach nicht nur unnöthig, sondern sie ,, auch in der Regel zum Zweck der Täuschung und nicht selten zum Nachtheil der Ceendh .
Kermesbeeren.
Die Beeren der ursprünglich in Nord-Amerika, jetzt an den Küsten des Mittelmeeres ganz verwilderten, gemeinen Kermespflanzen — Schminkbeeren, Scharlachbeeren — Phytoiacea decandra“) werden in Frankreich, Spanien und Portugal, aber auch (so behauptet Gautier) in Württemberg und in der Schweiz hier und da wegen der schön karminrothen Farbe ihres Saftes zur Weinfärbung 6 (A. Gautier, la sophistication des vins, IV. 6d. 1891 S. 5265). Auch nach neueren Mittheilungen des Dr. Dieck ist Ehytolüacca decandra sehr verbreitet in Süd⸗-Curopa, sowie im Orient, namentlich aber im Kaukasus, wo ihre Beeren als Haupt⸗ material zum Färben des Weines benutzt werden sollen (Die Wein⸗ laube 1892 Nr. 4). Dieselben haben gesundheitsschädliche Wirkungen. So gab in einem Fall der Genuß dieser Beeren in Athen zu der narkotischen“ Vergiftung von 11 Personen Veranlassung, welche Landerer in Buchner's Repertorium 1851 mittheilte. Auch sind mehrfache Vergiftungen nach dem Genuß der Wurzel dieser Pflanze vorgekommen (Husemann, Handb. der Toxikologie, 1867 S. 439), welche wahrscheinlich durch das in den verschiedenen Phytolaccg, Arten enthaltene Phytolacein (G. (laufen, Pharmazist 1859 S. 466) oder die Phytolaceinsäure (A. Tereil, Compt. rend. I880, Sem. II. Bd. 91 S. S656) verursacht worden sind. Nach Gautier (a. a. O) hat man im Süden von Frankreich von der Verwendung der Beeren zur Weinfärbung Abstand genommen, nachdem man ihre drastischen Eigenschaften kennen gelernt hatte.
Es erscheint nach den gemachten Ausführungen das Verbot der Verwendung dieser Beeren angemessen.
Magnesiumverbindungen. .
Da die löslichen . eine ausgesprochene ab⸗ führende Wirkung haben, so empfiehlt sich das Verbot derselben.
Es kann sich hier nur um den Zusatz von solchen Verbindungen handeln, da geringe Mengen von Magnesiumverbindungen von Natur in allen Weinen vorkommen. Aus diesem Grunde genügt es zum 6 der Beurtheilung eines Weines nicht, die Anwesenheit von
HMagnesiumverbindungen festgestellt zu haben, sondern es ist in solchen Fällen die Bestimmung des Mengenverhältnisses unerläßlich. Sa lieylsäure. .
Die Salieylsäure wird heute in sehr großem Maßstabe in mehreren Fabriken nach dem Patent von Kolbe dargestellt und findet als fäulniß— widriges, dann als die Temperatur herabsetzendes und als specifisches Mittel bei acutem Gelenkrheumatismus ausgedehnte Anwendung
Die Dofen, in welchen die freie Säure je nach den verschiedenen Indicationen dargereicht wird, schwanken zwischen O5 bis 5,0 8 bei Frwachfenen, zwischen 0 02 bis 02 g bei Kindern. Das salicylsaure Natrium, welches man nur für den inneren Gebrauch verwendet, wird in Gaben von 1,0 bis 6,90 g bei Erwachsenen und in solchen von 05 bis 309g bei Kindern . ö. J
Auch im täglichen Leben findet die Salicylsäure als Conserbi— rungsmittel für Nahrungs⸗ und Genußmittel ausgedehnte eg r, Sie wird von den Fabrikanten zur Erhaltung von Fleisch, Milch, Butter, Bier, Wein, Most, Früchten, eingekochten Gemüsen, Maii⸗ naden, Eidotter und Eiweiß, als Zusatz zum mn n bei der 6st. fabrikation u. dergl. m. empfohlen Und, benutzt. idmet doch z. B. ein weit verbreitetes Kochbuch der Salicylsäureverwendung im Haus= halt ein eigenes Kapitel. Wie bei vielen anderen neuen. Praparat] deren Wirkung im Anfang überschätzt wurde, so ging es aun, bei der Salicylsäure. Besonders auf die Autorität Kolbe's hin, der die völlige Üünschädlichkeit des Präparats auf Grund an sich selber angestellter Dauerversuche behauptete und in dieser Annahme auch von Blas u. A. unterstützt wurde, fand die Salicylsäure bald in allen empfohlenen Anwendungsweisen Ausbreitung. Daß sie indessen doch nicht ein fo indifferentes Nittel fei, als man anfänglich anzünghmen
eneigt war, dafür erhoben sich zahlreiche Stimmen ng auß ärztlichen Kreisen, denen durch Beobachtung am Krankenbett Gelegen, heit geboten war, die Wirkung der Salicylsäure zu sehen, wenn au n hh bei größeren Dosen, als solche wohl dem Wein zugeseß werden würden. — Die hierauf bezügliche Literatur ist so umfangrelh daß darauf verzichtet werden muß, dieselbe an dieser Stelle im einzelnen anzuführen. Vor, allem wurde man auf die nach Dun, . von Salicylsäurepräparaten so häufig auftretenden Me erscheinungen . Dieselben lr hen in Schwerhũbrigkei Ohrensausen, Kopfweh, . l, Benomnienheit. in Delirien oft heftigen Grades, zu welchen sich in einzelnen Fällen
fieberhafte Zustände, herabgefetzte Körperwärme, plötzlicher Kira 42
berfall, starke Schweißabfonderung, Resfelausschlag, Föthung der Haun Uebelkeit, Erbrechen, Durchfälle und andere nicht außer Acht zu lassende Erscheinungen hinzugesellen.
) Nicht zu verwechseln mit den Kermeskörnern, den getrocknet Weibchen der Kermesschildlaus (occus ilicis).
en
(Schluß in der Zweiten Beilage.)
(enserrittug Saliehlsänremengen nöthiß; welche man als ai he. h
M 52.
. J Zmeite Beilage zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staats-Anzeiger.
Berlin, Montag, den 29. Fehruar
Technische Erläuterungen. (Schluß aus der Ersten Beilage.)
Es wurde, darauf aufmerksam gemacht, daß selbst dann, wenn man die Unschädlichkeit der Säure für den normalen Organismus ge— sunder Erwachsener zugeben wolle, die Verwendung derselben für den Irganismus don Kindern und kranken Erwachsenen nicht ohne Be— denken sein könne. Hatte man doch bei schwangeren Frauen Früh— geburten beobachtet und gefunden, daß die . des Mittels kurch die Nieren, insbesondere bei älteren Personen, deren Harn⸗ . t mehr normal arbeiten, eine langsamere und unvoll—⸗ indige ist.
ich das Vertrauen der Techniker und der Weinproducenten in die unbedingte Wirksamkeit der Säure wurde durch üble Erfahrungen mehrfach lee, Insbesondere machte man die Beobachtung, daß die Säure ihre Wirkung oft nur auf beschränkte Zeit ausübt, indem sie in dem salieylirten Produet als solche verschwindet, sodaß man sich häufig ö t sah, immer wieder neue Mengen zur Erhaltung der gewünschten Wirkung zuzusetzen.
Der Mißbrauch, der mit dem genannten Conservirungsmittel in Frankreich getrieben wurde, war der Grund, weshalb die . Regierung auf diesen Uebelstand aufmerksam wurde und sich von dem Comité gonsultatif d' Hygiene publique de Frangs ein Gutachten über die Wirkungen desselben auf den Organismus erstatten ließ. Die von dieser Behörde, zu deren Mitgliedern die Herren Ambaud, Boulay, Frouardel, Gallard, P. Girard, Wurtz und Dubrisay, letzterer als Berichterstatter, gehörten, abgegebene w , , . war der Ver⸗ wendung der Salicylsäure ungünstig, sodaß der französische Minister für Ackerbau und Handel ich veranlaßt sah, durch Rundschreiben vom Februar 1881 den Verkauf jeder Art von Nahrungsmitteln zu ver⸗ bieten, welche Salicylsäure oder eines ihrer Derivate enthalten. Diese Maßnahme ö in Frankreich vielfach Unzufriedenheit; es wurde gegen dieselbe, hauptsächlich wohl durch einen bei dieser Frage inter⸗ essirten französischen Fabrikanten eine heftige Agitation betrieben. Vor allem gelang es dem letztgengnnten, eine Reihe von Mitgliedern der Keadémie de Médecine und Aerzten an Pariser Krankenhäusern zu der Erklärung zu bringen, daß die Salicylsäure keine Gesundheitsschädigungen herbeiführe, wenn sie in so schwachen Tagesdosen verabreicht werde, wie
diejenigen sind, welche sich zur Zeit in den salicylirten Nahrungs—
mitteln Wein, Bier, Butter ꝛc. vorfinden. Die Betreffenden erklärten, daß ihnen Fälle bekannt seien, wo ganze Familien zehn Monate lang salicylirte Getränke ohne irgend welchen Nachtheil für ihre Gesundheit genossen hätten. Ebenso waren auch die Bemühungen des Fabrikanten erfolgreich, welche dahin zielten, eine Reihe von französischen Handels⸗ kammern auf seine Seite zu bringen. Dabei wurden seine Bestrebungen nicht wenig durch den thatsächlich erbrachten Nachweis gefördert, daß diejenigen Salieyssäuremengen, welche der in dieser Sache befragte Chemiker in den Nahrungsmitteln gefunden hatte, falsch, d. h. viel zu hoch waren, weil dieser Chemkker sich eines unzuverlässigen Verfahrens zur Bestimmung der Säure bedient hatte. Die gegen das Comité consultatit d' Hygiène gerichteten Angriffe gaben dem Berichterstatter Dubrisay Veranlassung, die von dem ersteren vertretenen Anschauungen in einer . Entgegnung (Revue d' Hygiene et de police sanitaire 1883 S. S870) zu . und durch die Mittheilung weiterer inzwischen von ihm angeste ter ö fester zu begründen. Die mit Natur⸗ weinen, verschnittenen einen, Bieren und Bierhefelösungen, Gelatine⸗ ., Fleischbrühe und anderen Nährlösungen angestellten Ver uche atten sämmtlich 2 daß einmalige kleine Salicylsäure⸗ zusäße das Verderben der Nährflüssigkeiten nicht aufzuhalten, noch weniger rückgängig zu machen fähig waren. Es sei somit die Salieyl⸗ ure ein sehr schwaches Antiseptikum, und seien zur dauernden
sehen, müsse. Durch die klinischen Erfahrungen werde die Unschäd— ichleit kleinster Dosen, welche fortgesetzt genossen würden, nicht erwiesen, und könne dieselbe a Priori auch nicht zugelassen werden. Aus diesen Gründen, sowie deshalb, weil der Le lc er , hai in den Nahrungs⸗ mitteln nicht immer ö 53 bestimmt werden könne, müsse man auch von . tsetzung einer Maximalgrenze unterhalb welcher die Säure zu⸗ u ig sei, absehen. Daher sei der Inhalt des abgegebenen Gutachtens h ö gerechtfertigt; die Salicylsäure sei in der That eine gefährliche Substanʒ, deren Verkauf man überwachen müsse, sie sei kein gährungs— widriges Mittel, außer in hohen, d. h. giftigen Dosen. Jedes Nah⸗ jungsmittel, welches Salieylsäure oder deren Derivate enthalte, sei als ren gg zu 36 ten.
Diesem Gutachten ließ der französische Hygieniker Brouardel, i hfal ein Mitglied der ken u., ein anderes folgen (Annales J IX S. 226), in welchem er zu folgenden Schlüssen
I) Für gesunde Personen ist die tägliche Einnahme auch sehr lleiner ien Salieylsäure bedenklich. glich h ö nn . .»). Für. Personen mit gestörten Functionen der Leber oder Nieren i dieselbe sicher gefährlich. Verfasser weist dann auf die Nachtheile . welche Salieylsckure hervorzubringen vermag, wenn ihre Aus— unde durch Nieren und Leber nicht gehörig statt hat.
ö Diese Anschauung wird auch noch von anderen Autoren vertreten. 6 hat. Depaffe (JJurn, dIfyg. 1880 S. 310) bei drei Kindern, . che die Milch mit Salieylsäurezusatz erhielten, ernste Gesundheits— een owie Beeinträchtigung der k nachgewiesen * end Stumpff (Deutsches Archiv für klin. Medizin Bd. 36 ⸗ . Uebergang von Salieylsäure in die Muttermilch beob⸗
Geht man auch — abgesehen von allen anderen
mit in Betracht kommenden Umständen — davon aus,
daß die Mengen der Salieylsäure, welche man in dem in zelnen Nahrungs- oder Genußmittel täglich zu sich nimmt, jede für ich allein unschädlich seien, fo ist doch daran zu denken, daß schon die rechte Aufnahme dieser kleinen Dosen Salieylsäure in dem mensch—⸗ 9 en Organismus bei gewissen Gesundheitszuständen Nachtheile bringt. lun hat aber Vallin (Cezue d-Hygigne 18581 S. 265) nachgewiesen, ö. es bei den geringen Mengen, welche seitens der Interessenten an— Een werden, nicht sein Bewenden hat, wenn man den eventuellen 9. ieylsäuregehalt der verschiedenen Nahrungs- und Genußmittel, ache man nebeneinander genießt, in Betracht zieht. Er berechnet, 3 man auf,. 4 g für den Tag kommen kann, eine Menge, welche emeswegs gleichgültig ist. eit Die hier in Rede stehende Frage beschäftigt noch bis in die neueste Beit hinein, besonders in Frankreich, die Sachderständigen So hat Vallin (Veröffentl. des Kaiserl. Ge d igamts 1887 1. in der Sitzung der Académie de Médecine vom 28. De⸗ maber 135ỹ6 namens einer unter dem . e von Berthelot zu⸗ ammengetretenen Commission über die Schädlichkeit der Salieylsäure Wicht erstattet und der Akademie vorgeschlagen, sich in nachstehender eise ,, . ö Es ist durch ärztliche Beobachtung festgestellt, daß schwache, E, tägliche und fortgesetzte Dosen von Saslicylfäure oder von deren f er g en erhebliche Störungen der Gesundheit bei solchen Personen Helen können, welche für dieses Arzneimittel empfänglich ind, . bei bejahrten und solchen Personen, deren Nieren oder Ver⸗ ungsgrgane nicht mehr vollkommien gesund sind. . 1. * Anbetracht dessen sollte der Zusatz von Salieylsäure oder gta erivaten selbst in schwachen Dosen zu den festen oder flüssigen rungsmitteln nicht gestattet fein.
1892:.
Die Anträge sind von der Akademie mit allen gegen 2 Stimmen angenommen worden.
Nach dem Gesetz vom 11. Juli 1891 (Loi . gilt in Frankreich ein ilch von Salicylsäure zum Wein als Nahrungs— mittelfälschung im Sinne des Gesetzes vom 27. März 1851 (Ver— öffentlichungen des Kaiserlichen Gesundheitsamts 1891 S. 489). In Spanien wurde durch Cirkularerlaß an die Gouverneure der Pro— dinzen, vom 30. Januar 1888, betreffend Maßregeln gegen die Weinfälschung, erklart, daß Weine, welche Salicylsäure enthalten, als gefälscht zu betrachten sind (Veröffentl. des Kaiserlichen Ge— sundheitsamts 1888 S. 203). In Italien wurde durch Verord— nung vom 3. August 1890 der Zusatz von Salicylsäure zum Wein verboten (4. a. O. 1890 S. 707. Ein Gutachten des österreichischen obersten Sanitätsraths erklärt den Gebrauch der Salicylsäure zum Conserviren von J und Genußmitteln für gesund⸗ heitẽschadlich (a. a. O. 1889 S. 365). Im Kanton Bern wurde durch
erordnung vom 19. März 1890 der Zusatz von Salieylsäure zum Wein untersagt (a. . O. 1890 S. 512). In Brasilien wurde 1887 der Zu⸗ 6 6 Salieylsäure zu Nahrungsmitteln verboten (a. a. O. 1889 In Deutschland hat sich Pettenkofer und auch Lehmann (Archiv ß Hygiene ? * 483 bis 488) auf Grund von Versuchen, die er 96 alieylirtem Bier an Menschen angestellt hatte, für die Unschädlichkeit der Salicylsäure ausgesprochen. Letzterer ist trotzdem der Meinung, daß der Zusatz zum Bier nicht zu gestatten sei; jedoch sind seine Gründe hierfür weniger hygienischer als wirthschaftlicher Natur.
Die preußische wissenschaftliche Deputation für das Medizinal— wesen hat sich gegen die Verwendung der Salieylsäure bei der Her— stellung von Wein ausgesprochen.
Der Entwurf beruht auf der gleichen Auffassung. Gerade bei dem Wein, dessen Genuß 36 zur Erreichung besonderer gesund⸗ heitlicher Zwecke dienen soll, er . es angezeigt, ein Conservirungs⸗ mittel, welches, wie die Salicylsäure, mindestens nicht zweifelsfrei und als ein nothwendiger Zusatz nicht anzuerkennen isi, auszuschließen. Es kommt hinzu, daß der Wein oft lange Jahre hindurch aufbewahrt wird, bevor er genossen wird, mithin eventuell wiederholt mit Salicyl⸗ säure behandelt werden würde,
Unreiner (freien Amylalkohel enthaltender) Sprit.
Der Entwurf will mit der vorgeschlagenen Bestimmung die Ver— wendung von solchen Alkoholsorten verbieten, welche nicht gehörig entfuselt, d. h. von den bei der Gährung gleichzeitig entstehenden höheren Alkoholen, insbesondere Amylalkohel, a sind. Die schäd⸗ lichen Wirkungen des letzteren auf die Gesundheit sind allgemein an⸗ erkannt. Das Wort „unrein! ist durch einen auf den Amylalkohol hinweisenden Zusatz in der Klammer näher definirt, um der Miß⸗ deutung zu begegnen, daß der in der Schaumweinfabrikation benutzte „Dosirungsliqueur“ als unreiner, d. h. nicht reiner Sprit erklärt wird, da er außer Aethylalkohol (Weingeist, Sprit) noch Zucker, Farb— stoffe und ätherische Substanzen verschiedener Art enthält.
Unreiner Stärkezucker. Der gewöhnliche im Handel vorkommende Stärkezucker enthält, je nach seiner Qualität, bald mehr, bald weniger sogenannte unver⸗ gährbare Bestandtheile. Die Frage bezüglich der Gesundheitsschädlichkeit der letzteren ist noch bis in die Neuzeit Gegenstand fachmännischer Erörterungen gewesen, ohne daß sie endgültig von Seiten der Wissen⸗ schaft nach der einen oder anderen Seite zur Entscheidung gebracht worden wäre,. Diese Unsicherheit ist die Veranlassung gewesen, daß im 8 3 des österreichischen Gesetze; vom 21. Juni 1886, betreffend die Erzeugung und den Verkauf weinähnlicher Getränke, die Verwendung von Stärkezucker überhaupt untersagt worden ist,
Inzwischen hat sich aber auch die Technik im Hinblick auf das drohende Verbot des Stärkezuckers, welcher in Norddeutschland als Malzsurrogat verwendet nnd versteuert wird, nicht müßig gezeigt. Es ist den Bemühungen der Interessenten gelungen, den Stär . in größeren Mengen in nahezu vollkommener Reinheit darzustellen. Vach einer Mittheilung von Lippmann (Vierteljahrsschrift über die Fortschritte auf dem Her ne der Nahrungs- und Genußmittel ꝛc., 1888 S. 141) gewinnt z. B. eine Firma aus Stärke einen weißen, krystallisirten Zucker, welcher aus 99,64 0 Zucker, 9, 19 9 Wasser, Goc olo Asche und O13 0½ organischer Suhstanz Nichtzucker) besteht. Ein derartiges Erzeugniß ist zwar noch nicht als chemisch, wohl aber als technisch rein anzusehen. Gegen die Verwendung desselben kann vom gesundheitspolizeilichen Standpunkte aus ein Bedenken nicht erhoben werden. Dieser Anschauung giebt das in den Gesetzentwurf aufgenommene Verbot der Verwendung von unreinem Staͤrkezucker
Ausdruck.
Strontiumverbindungen. Zur Vermeidung der Uebelstände, welche das Entgipsen der Weine vermittels der Baryumsalze im Gefolge hat, wurde in rankreich zuerst von Dreyfuß (Monit. vinic. TW XXV 1890 Nr. 66 S. 261j62) die Verwendung von weinsäure- und strontium— haltigen Mitteln zum Zwecke des Entgipsens oder richtiger zum
Zwecke der Herabsetzung des durch das Gipsen gesteigerten Schwefel
säuregehalts empfohlen. Diesem Verfahren liegt der Gedanke zu Grunde, daß der Ueberschuß an Schwefelsäure in Gestalt schwer löslichen schwefelsauren Strontiums abgeschieden wird, während gleich zeitig die zugesetzte Weinsäure mit dem Kali zu weinsaurem Kalium sich verbindet.
Nach Gayon und Blarez (a., a. O. Nr. 70) erhält man auf diese Weise Weine, welche, mit Ausnahme geringer Hö von Strontium, die Zusammensetzung normaler, nicht gegipster eine haben sollen. Di Vestea (Délla correzione déi vini ingessati mediante il tartrato di stronzio, Roma 1891) hat dagegen gezeigt, daß das in angegebener Weise ausgeführte Entgiysen keineswegs in der von Gayon und Blarez angenommenen vollständigen Weise sich vollzieht, sondern, daß dabel, stets mehr oder minder erhebliche Mengen von Strontium im Wein zurückbleiben. Di Vestea beobachtete ferner bei an sich selbst und an seinem Diener angestellten Versuchen, daß der wiederholte Genuß von weinsaurem Strontium Appetitlosigkeit, schlechten Geschmack im Munde, Eingenommenheit des Kopfes und Brechneigung bewirkte. ö
Ch. Girard theilt mit, daß in einem vermittels des Strontium⸗ verfahrens entgipsten Weine Gäoz6 g Strontiumoxyd, entsprechend (, 063 g Strontiumsulfat im Liter gefunden wurden (Annales d' Hy- giene publique 1892 L. XXVII Nr. 1 p. 45). — A. Riche macht auf die Y lichkeit einer V(erunreinigung der im Handel vorkommenden Strontiumfalze mit den höchst giftigen Barvumsalzen aufmerksam. Derselbe Verfasser bemerkt ferner, daß den Bordeauxweinen bei ihrer Bereitung kein Gips zugesetzt werde und daß dieselben von Natur höchstens 0,60 oder 0, 80 g neutralen Alkalisulfats enthalten. Es sei allgemein bekannt, daß gewisse Kaufleute die Ausfälle der bordelagiser
roduction durch den . von Weinen des Südens zu ergänzen uchen. Dies geschieht aber unter der ausdrücklichen Bedingung, daß diese Weine kein Sulfat enthalten, dessen Anwesenheit den Betrug sofort zu entdecken gestatten würde. Es sei sicher, daß im Bordelais Weine französischen oder ausländischen Ursprungs ent⸗ gipst werden, um diesen Zeugen der Verfälschung zu beseitigen.
Riche spricht 35 schließlich für ein Verbot des Strontiums im Weine aus (a. 4. O. S. 52). .
Auch G. Pouchet wendet sich gegen die Verwendung des Stron⸗ tiums zum Entgipsen der Weine, weil dadurch Stoffe in den Wein gelangen, welche der natürlichen Zusammensetzung des Weines voll⸗ kommen fremd sind (a. a. O. S. 55).
Diesen Beobachtungen stehen nun freilich die Angaben von Laborde Bulletin de académie de médecine 1891 Nr. 28 S. 102ff.) und Anderen gegenüber, nach welchen die Salze des Strontiums einen en,. hädlichen Einfluß irgend einer Art nicht ausüben sollen. Auch im Kaiserlichen Gesundheitsamt an Hunden angestellte Versuche ließen eine schädliche Wirkung der Salze des Strontiums nicht erkennen. Wie es sich nun auch bezüglich der Schädlichkeit oder Unschädlichkeit der Strontiumsalze verhalten mag, das Eine steht unzweifelhaft fest, daß durch das Verfahren des sogenannten Entgipsens vermittels der genannten Salze Strontium, also ein nach unserer bisherigen Kenntniß dem Wein vollständig fremder Stoff, in denselben gelangt. Weiter ist aber zu erwägen, daß das Gipsen eine tiefgreifende Veränderung der Weinbestand—⸗ theile besonders der Zusammensetzung der Weinasche, bedingt. Ein in der Versuchsstation St. Michele angestellter Versuch (Handbuch des Weinbaues und der Kellerwirthschaft von A. von Babo und E. Mach, 2. Aufl. Bd. IJ S. 364) ergab in dieser Beziehung Folgendes:
Auf die Weinasche bezogen war der .
im gegipsten Wein Controlwein Schwefels ure (30) ? 36 o/ 15, 0 O/o J . 15,1 090 Eisenoxyd und Thonerde ... 906 1, S O , z, 1,4 0/0 d 10,0 0½ Kali. JJ 3, C /o . Es liegt nun auf der Hand, daß eine so weitgehende Ver— änderung in dem Verhältniß der einzelnen Aschenbestandtheile zu ein— ander durch das Strontiumperfahren nicht ungeschehen gemacht werden kann. Das letztere Verfahren kann dagegen . daß es den Schwefelsäuregehalt des Weines wieder herabsetzt, leicht dazu führen, daß die wahre Natur des Weines, als eines selchen, der ursprünglich gegipst worden, unentdeckt bleibt. Die angeführten Gründe genügen, um das Verbot eines Zusatzes von Strontiumperbindungen zum Wein
zu rechtfertigen.
Theerfarbstoffe.
Zur Begründung des Verbots der Theerfarbstoffe muß hervor— gehoben werden, daß die Zahl der letzteren außerordentlich groß ist, daß man die Wirkung vieler auf den Organismus noch gar nicht kennt, und daß fortwährend neue entdeckt werden.
Diesen Stoffen von unbekannten physiologischen Eigenschaften stehen zahlreiche Pflanzenfarbstoffe gegenüber, von deren Unschädlichkeit man überzeugt sein kann, und welche sich mindestens ebenso gut zum Aufbessern der Farbe des Weines eignen; einer derselben, der Heidel⸗ beerfarbstoff, wird sogar mit dem Weinfarbstoff für identisch gehalten. Es erscheint daher ein allgemeines Verbot der Theerfarben hier wohl berechtigt. Dasselbe wird voraussichtlich in den betheiligten Kreisen kaum auf Widerstand stoßen; es ist auch von der Cr en preußischen wissenschaftlichen Deputation für das Medizinalwesen seinerzeit befür— wortet worden.
Gehalt des Rothweines an Schwefel säure und Feststellung
bezüglicher Grenzwerthe. (Zu § 2.)
Der 8§ 2. Abfatz 2, stellt für den in den Verkehr kommenden Roth⸗ wein bezüglich seines Gehalts an Schwefelsäure eine Maximalgrenze auf, insofern von dieser Säure in einem Liter Flüssigkeit nicht mehr enthalten sein soll, als sich in 2g neutralen, schwefelsauren Kaliums vorfindet.
Die erste Feststellung solcher Grenzwerthe erfolgte in Frankreich. Als Resultat von 38 . y Rothweine gab Marty (Journ. de Pharm. et de chim. 1877 S. 273) an, daß im Liter ungegipsten Weines höchstens 0583 g Sulfate vorkommen, wenn alle Schwefelsäure als neutrales wasserfreies Kaliumsulfat berechnet werde. Auf Grund dieser und anderer Untersuchungen wurden für Lieferungen von Wein an französische Militärhospitäler nur solche Producte als zulässig er⸗ klärt, welche nicht mehr als 2g Kaliumsulfat im Liter enthielten. Diese Zahl wurde später auf 49 erhöft, dann auf 3g erniedrigt und mit dem 16. August 1876 wieder auf 2g fixirt. Im Jahre 1881 wurde, dann das bis dahin nur für den Verkauf als Krankenwein an die Militär— spitäler erlassene Verbot allgemein auf den ganzen Weinhandel aus— gedehnt. Der französische Justiz-Minister versah die General-Procura⸗ koren unterm V. Juli 1880 mit entsprechender Anweisung. Das Verbot wurde jedoch in den ersten Jahren thatsächlich nicht gehand—⸗ habt. Im Jahre 1886 äußerte sich das nach einer Umfrage bei den Handelskammern, Landwirthschafts⸗ und Gesundheitsräthen von der französischen Regierung wiederum mit der Sache befaßte Comité consul tatif d HHygiènè pubsique von neuem dahin, daß Weine, welche mehr als 2g schwefelfaures Kalium im Liter enthalten, nicht geduldet werden sollten. Daraufhin hat der französische JustizMinister am 265. August 1886 hinsicht⸗ sich des Gipfens der Weine an die General-Procuratoren eine Verfüqung erlassen, nach welcher in Zukunft gemäß des Cirkulars vom 27. Juli 1880 verfahren werden sollte; jedoch wurde die Ausführung dieser An⸗ ordnung zunächst auf ein Jahr, dann bis zum 1. September 1888 und endlich bis zum 1. September 1891 aufgeschoben. Der letzte Beschluß wurde jedoch bald darauf wieder aufgehoben. . ‚
Zu einer endgültigen Regelung gelangte die Angelegenheit erst durch das Gesetz vom 11. Juli 1891 (Loi Brousse), nach welchem es nunmehr verboten ist, gegipste Weine, welche mehr als 28 Kalium- oder Natriumsulfat im Liter enthalten, feilzuhalten, zu ver— kaufen, oder zu liefern (vergl. Veröffentl, des Kaiserl. Gesundheits⸗ amts 18885 S. 705, 1887 S. 557, 1890 S. 818 und 1891 S. 489).
Aehnliche Bestimmungen wie in Frankreich sind auch in ver⸗ schiedenen Cantonen der Schweiz getroffen worden, Zunächst hatte die Jtegierung des Cantons Bern die Herren Lichtheim, Luchsinger und Nencki mit der Erstattung eines Gutachtens über die Gesundheits· schädlichkeit gegipster Weine beauftragt. Die genannten Gelehrten betonen in ihrem hierauf im Jahre 1882 abgegebenen, Gutachten, daß praktische Erfahrungen über die Gesundheitsschädlichkeit gegipster Weine nur fehr spärlich vorliegen. Eine Reihe von Erkrankungen infolge des Genusses gegipster Weine ereignete sich 1836 in St. Martin d' Gstreaur (Loire, doch enthielt der Wein auch Alaun, sodaß die schädlichen Wirkungen nicht allein dem Gipsen zugeschrieben werden konnten. Sonstige bekannt gewordene Krankheitsfälle gelangten nicht zur ärztlichen Behandlung oder hatten doch keine anderen Wirkungen, als der übermäßige Genuß von Naturpein. Nach dem Inhalt des Gutachtens soll es das Kali nicht sein, welches gesundheits⸗ schädliche Wirkungen im Organismus hervorruft, denn der Kaligehalt der Milch (nach König im Durchschnitt 1,“ 8 Kali, entsprechend J,iß g neutralem schwefelsaurem Kalium für das Liter) . B. sei von dem selbst stark gegipster Weine nicht sehr verschieden. Das neutrale schwefelsaure Kallum wirke als Abführmittel erst in, Gaben von 12 bis 15 g. Die Wirkung des fauren Kaliumsulfats sei zwar nicht be⸗ kannt, . könne angenommen werden, daß es sich ähnlich wie freie Schwefelsäure ve ifa welche nach Salkowski u. A. in kleinen Dosen dem Blut und den Geweben Alkali entziehe, mithin für den Srganismus der Pflanzenfreffer tödtlich wirke; dieselbe Wirkung trete nach den Versuchen der , , Commission bei e f ff, ein. Im Wein genossen, sei das saure Kaliumsulfat weniger . ädlich, als im reinen Zustande, weil der Wein pflanzensaure Alkalien ent⸗ halte, die sich im Blute zu kohlensauren umsetzen und dann durch das saure Sulfat neutralisirt werden. ; . Demzufolge gelangte die genannte Cemmissign zu dem Ergebniß, daß die Gefahr der Mi ine gen,, Mur bei solchen gegipsten Weinen vorhanden 6h welche beim Veraschen einen alkalisch reagirenden Rück⸗
stand nicht hinterlaffen. Unter Mitberücksichtigung dieses Gutachtens hat die Regierung des Kantons Bern (König, Bestand und Ein⸗