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schlechtert worden ist. Zusätzlich wurde weiter die Vorschrift beschlossen, daß theilweiser Untergang, wenn ein erheblicher Theil des zurückzugewährenden Gegenstandes untergegangen ist, einer wesentlichen, anderenfalls einer nicht wesentlichen Ver⸗ schlechterung gleichstehen und daß der rechtsgeschäftlichen Ver⸗ fügung die Verfügung gleichgestellt werden soll, welche durch
Urtheil oder im Wege der Zwangsvollstreckung oder der Arrestvollziehung erfolgt. Der 5 431 wurde gestrichen.
An Stelle des 5 432 gelangte unter Streichung des zweiten Satzes die Vorschrift zur Annahme, daß das Meucktrittsrecht erlischt, wenn es nicht innerhalb der ver⸗ einbarten Frist und in Ermangelung einer solchen nicht inner⸗ halb einer dem Berechtigten von dem anderen Theile zur Er— klärung bestimmten angemessenen Frist ausgeübt wird. Der sachliche Inhalt des § 433 erfuhr keine Anfechtung, ebenso wenig der 8 431 Abs. 2; dagegen wurde der 8 431 Abs] mit Rücksicht auf die früher beschlossene Ablehnung des § 196 gestrichen. Anlangend den 5 135, welcher den Vorbehalt des Rücktrittsrechts gegen Reugeld regelt, hielt man es mit Rück⸗ sicht auf Treu und Glauben für geboten, die Rücttrittserklärung auch in dem Falle, in welchem das Reugeld nicht bei der Er⸗ klärung entrichtet wird und auch nicht schon vorher entrichtet war, nur dann als unwirksam, zu behandeln, wenn der andere Theil wegen Nichtentrichtung des Reugeldes die Erklärung unverzüglich zurückweist. Die Erklärung soll jedoch gleichwohl wirksam sein, wenn das Veugeld unverzüglich nach der Zurückweisung entrichtet wird. Der zweite Satz des 8 35 wurde gestrichen. Der S 435 fand unter Ablehnung eines auf Streichung gerichteten Antrages die Zustimmung der Mehrheit. .
Nach Erledigung der Vorschriften über das ver— tragsmäßige Rücktrittsrecht (83 426 bis 436) trat die Commission in die Berathung der früher vorbehaltenen
Frage ein, inwieweit diese Vorschriften sich zur ent—⸗ sprechenden Anwendung auf die Wandelung wegen eines Mangels der verkauften Sache eigneten
S 387). Man verständigte sich dahin, die Vorschriften des 8 427 Abs. 2 bis 4 und der ss 128 bis 430, 433 nach Maß— gabe der zu denselben gefaßten Beschlüsse und unter Aufrecht— erhaltung der im 8 387 unter Nr. 1, 2 bestimmten Ab— weichungen im Falle der vollzogenen Wandelung für ent⸗ sprechend anwendbar zu erklären. An Stelle des S427 Abs. ! soll die Vorschrift treten, daß durch die Vollziehung der Wandelung die beiderseitigen Verbindlichkeiten aus dem Kauf⸗ vertrage erlöschen und beide Theile gegenseitig so berechtigt und verpflichtet sind, wie wenn der Vertrag nicht geschlossen wäre. Ferner sollen die Vorschriften über Gewähr— leistung wegen Mängel der verkauften Sache durch die Bestimmung ergänzt werden, daß der Verkäufer, wenn ihm gegenüber der Käufer einen Mangel der verkauften Sache behauptet, berechtigt ist, dem Käufer eine angemessene Frist zur Erklärung darüber zu bestimmen, ob er wegen des Mangels Wandelung oder Minderung verlange, und daß, wenn die Erklärung nicht innerhalb der Frist erfolgt, der Käufer die Ansprüche auf Wandelung oder Minderung ver— liert. Erklärt der Käufer innerhalb der Frist, von dem Rechte der Wandelung oder der Minderung Gebrauch machen zu wollen, so soll es bei den zu 8 384 beschlossenen Vorschriften bewenden. Eine Aenderung erfuhr weiter der von der Wandelung
wegen Viehmängel handelnde 58 404 Abs. 1 Durch den Zusatz, daß im Falle einer von dem Käufer zu vertretenden, vor Vollziehung der Wandelung
herbeigeführten Verschlechterung des Thieres der Käufer den durch dieselbe verursachten Minderwerth zu vergüten habe, sowie durch die Streichung des dritten Satzes des 404 Abs. 2. Außerdem soll im § 401 zum besonderen Ausdruck gebracht werden, daß der Käufer zum Ersatze nicht gezogener Nutzungen nicht verpflichtet ist. Die Streitfrage, ob der Käufer eines mangelhaften Thieres in der Zwischenzeit verpflichtet sei, Nutzungen von demselben zu ziehen, ist damit in verneinendem Sinne entschieden.
Die Berathung wandte sich sodann dem von der Schenkung handelnden Titel (58 437 bis 452) zu. Mit dem Entwurfe hielt man daran fest, daß zum Begriffe der Schenkung eine Vermehrung des Vermögens des einen Theils auf Kosten des anderen Theils erforderlich sein solle. Ein Antrag, den Schenkungsbegriff auf die Zuwen— dung jedes wirthschaftlichen Guts auszudehnen, fand keinen Anklang. Andererseits wurde die Bestimmung des S§S 437, daß die Zuwendung in der Absicht der Bereiche— rung erfolgt und von dem anderen als Geschenk ange— nommen sein müsse, durch die Vorschrift ersetzt, daß es des Einverständnisses beider Theile über die Unentgeltlichkeit der Vermögensvermehrung bedürfe. Zu S 438, welcher die Fälle behandelt, in denen jemand in der Absicht zu schenken, das Vermögen eines anderen ohne dessen Willen vermehrt, wurden die Sätze 1, 3 ihrem sachlichen Inhalte nach genehmigt. An Stelle des zweiten Satzes entschied sich die Mehrheit für die Aufnahme der Bestimmung, daß in den bezeichneten Fällen das Einverständniß des anderen Theiles mit der Schenkung als erklärt gelten solle, wenn dieser nicht innerhalb einer ihm von dem Zuwendenden zur Erklärung be— stimmten angemessenen Frist die Schenkung ablehnt. Die von einer Seite vorgeschlagene Construction, daß es in den he— zeichneten Fällen der Annahme der Schenkung nicht be⸗ dürfe, der Beschenkte aber die Schenkung ablehnen könne, so lange er sie nicht angenommen habe, fand nicht die Zu— stimmung der Mehrheit. Der 8 439 Abs. 1 wurde ge— strichen, desgleich der Abs. 2, soweit derselbe sich auf den Fall bezieht, wenn die für ein Recht bestehende pfand— rechtliche oder andere Sicherheit aufgegeben wird. Im übrigen wurde der sachliche Inhalt des 3 439 genehmigt. Zu den Ss 449, 441 war beantragt, die gerichtliche oder noiarielle Form nicht nur für das Schenkungsversprechen, sondern — außer dem Falle des 5 438 — für jede Schenkungserklärung in dem Sinne vorzuschreiben, daß von Beobachtung dieser Form die Gültigkeit der der Zuwendung zu Grunde liegen— den Schenkung (nicht des Juwendungsaets) abhängig sei, von dieser Regel aber für gewisse Fälle Ausnahmen“ zuzu— lassen, nämlich für die Schenkung einer beweglichen Sache ader eines Rechts an einer solchen, für die Schenkung einer Forderung und den schenkweisen Erlaß einer Schuld. Bei der Schenkung einer beweglichen Sache oder des Rechts an einer solchen solle jedoch die Uebertragung mittels sog. (onstitutum. possessoriim nicht genügen und bei der Schenkung einer Forderung die Anzeige der Uebertragung an den Schuldner seitens des Schenkgebers nicht erforderlich gehn soweit nicht ein Wechsel oder ein anderes Papier, welches durch Indossament übertragen werden könne, oder ein Inhaber⸗ papier den Gegenstand der Schenkung bilde. In Faͤllen der
letzteren Art solle die Beobachtung der Vorschriften der 5 1225, 1226 (Verpfändung) genügen. Von anderer Seite war vor⸗ geschlagen, zwar an dem Grundsatze des Entwurfs festzuhalten, daß nur das k der gerichtlichen oder notariellen Form bedürfe, daneben aber bei der Schenkung einer beweglichen Sache oder des Rechts an einer solchen, der Schenkung, einer Forderung oder eines sogenanntem immateriellen Rechts sowie dem schenkweisen Erlaß einer den Betrag von 309 übersteigenden Schuld die Gültigkeit von gewissen, den Vollzug der Schenkung erschwerenden Voraussetzungen (Ausschließung der in 5 803 Abf. 2 und S8 804, 805 vorgesehenen Fälle des Besitzerwerbes; Schriftlichkeit der Abtretung oder Aus⸗ händigung der Schuldurkunde; Schriftlichkeit des Erlasses oder Rückgabe der Schuldurkunde) . zu machen. Nach einer eingehenden Erörterung entschied sich die Mehrheit unter Ablehnung der Anträge für den Standpunkt des Ent— wurfs. Der § 440 Abs. 1 wurde mit dem Zusatz angenommen, daß der Mangel der Form durch Bewirkung der versprochenen Leistung geheilt werde. Der § 441 wurde gestrichen. Anlangend den 8 440 Abs. 2 fand ein auf Streichung desselben gerichteter Antrag keine Zustimmung; es wurde jedoch beschlossen, nur ein Schuldversprechen im Sinne des S 683, nicht aber auch andere abstracte Versprechen, z. B. ein schenkweise gegebenes Wechselversprechen, der Formvorschrift des 8 440 Abs. I zu unterwerfen. Der im übrigen nicht be— anstandete 5 442 erhielt den Zusatz, daß der Schenker auch in den Fällen der 88 345, 347 nur wegen Vorsatzes oder grober Fahrlässigkeit haftt. Als S 442a wurde ferner die Vorschrift aufgenommen, daß der Schenker die Erfüllung eines Schenkungsversprechens zu verweigern be— rechtigt ist, soweit er bei Berücksichtigung seiner anderweiten Verpflichtungen, insbesondere auch der ihm obliegenden gesetz— lichen Unterhaltspflichten, ohne Beeinträchtigung seines eigenen standesmäßigen Unterhalts die Erfüllung zu bewirken außer stande ist. Soweit hiernach der Schenker bei dem Zusammen— treffen der Ansprüche mehrerer Beschenkten nicht im stande ist, allen Ansprüchen zu genügen, soll der früher entstandene Anspruch dem später entstandenen vorgehen. Ein Antrag, dem Schenker im Falle seiner nach Vollziehung der Schenkung eingetretenen Verarmung das Recht zu geben, die Herausgabe der Hälfte des Geschenks zu verlangen, soweit diese zur Deckung des angemessenen Unterhalts für ihn, seinen Ehe—
gatten und seine Kinder erforderlich sei, wurde abgelehnt.
Die Thatsache, daß sich für das Jahr 1890 auf dem Ge— biete der Unfallversicherung eine Zunahme sowohl der Zahl der Verletzten, für welche Unfallanzeigen erstattet worden sind, als auch der Zahl derjenigen Unfaͤlle ergeben hat, für welche im Jahre 1890 erstmalig Entschädigungen festgestellt worden sind, — erstere betrug 200 901 (gegen 174 874 im Jahre 1889), letztere 42038 (gegen 31 449) — hat das Reichs⸗-Versiche⸗ rungsamt veranlaßt, die Genossenschaftsvorstände aufzufordern, über ihre Erfahrungen auf diesem Gebiete zu berichten. In einem Rundschreiben vom 22. Februar macht das Reichs-Versiche⸗ rungsamt bekannt, daß von den gewerblichen Berufs— genossenschaften die überwiegende Mehrzahl als die haupt— sächlichsten Gründe für die Zunahme der Unfälle folgende be— zeichnet hat:
I) die im Jahre 1890 wesentlich verschärfte Controle über die Anmeldung der Betriebsunfälle (56 104 Absatz 2 des Unfaͤllver— sicherungsgesetzes);
2) die angespanntere Thätigkeit der Industrie während des Jahres 1899 und des mit in Betracht kommenden letzten Theiles des Jahres 1889, sowie die dadurch vielfach herbeigeführte Einstellung von nicht genügend angelernten und geübten Arbeitern;
I)) die mehr und mehr in alle Kreise der arbeitenden Bevölkerung eingedrungene Vertrautheit mit den Bestimmungen der Unfallversiche— rungsgesetzgebung, welche naturgemäß zu einer häufigeren Verfolgung von Entschädigungsansprüchen, insbesondere auch bei leichten Ver— letzungen, geführt habe. Diese Bekanntschaft mit den einschlägigen Vorschriften und die gesteigerte Geltendmachung von Entschädigungs— ansprüchen werde auch von örtlichen Behörden, Lehrern, Arbeitgebern der Verletzten 2c. durch Ertheilung von Rath und durch Abfassung schriftlicher Anträge immer mehr gefördert; auch komme die Zunahme der Zahl der Winkelconsulenten in Betracht, welche die Berathung der Verletzten gewerbsmäßig betreiben und sie vielfach zur Erhebung unberechtigter Ansprüche verleiten sollen;
4) die durch die Rechtsprechung des Reichs⸗Versicherungsamts und der Schiedsgerichte gewonnene wohlwollende, übrigens . dem Geiste der sociglen Gesetzgebung entsprechende Auslegung des Begriffs „Betriebzunfall“, welche erst in den letzten Jahren in die Praxis der Genossenschaftsorgane in vollem Maße Eingang gefunden und zur Anerkennung einer erhöhten Zahl von Entschädigungsansprüchen, und auch hier gerade für die „leichteren“ Unfälle, beigetragen habe.
In letzterer Beziehung machen mehrere Genossenschaftsvorstände darauf aufmerksam, daß die Arbeiter in wachsendem Umfange für kleinere Verletzungen, wie, z. B. für geringfügige Be— schädigungen der Finger, der Augen u. s. w., welche vor Einführung der Unfallgesetzgebung nicht beachtet wurden, Ent— schädigungsansprüche erheben. Gerade diese Ansprüche, und zwar insbesondere auch die wegen angeblich durch Betriebsunfall entstandener Leistenbrüche erhobenen, immer zahlreicher auftretenden Entschädigungs— forderungen ergäben einen recht erheblichen Bruchtheil der insgefammt zu entschädigenden Unfälle.
Außer den vorbezeichneten hauptsächlichsten Ursachen werden von einzelnen Berufsgenossenschaften noch folgende Umstände geltend gemacht, welche zu der Steigerung der Unfallziffer im Jahre 1899 beigetragen haben sollen:
Von einigen Seiten wird das vielfach hervortretende Bestreben verletzter Arbeiter betont, anderweitig erworbene oder schon früher vorhanden gewesene Krankheiten, wie Lungentuberkulose u. s. w., auf einen Betriebsunfall als unmittelbare, häufiger noch als nur mit— wirkende und mittelbare Ursache zurückzuführen. Auch findet sich die Ansicht, daß das wachsende Gefühl der Sicherheit, das den Arbeitern aus der Aussicht auf eventuelle Entschädigung erwächst, sie hin und wieder zur Außerachtlassung der Unfallverhütungs— vorschriften und zu einer gewissen Nachlässigkeit bei dem Gebrauch der Schutzvorrichtungen zu verleiten scheine. Ferner wird die zunehmende Vermehrung der Unfälle in den großen Industriecentren theils auf die Gelegenheit zu e en. Arbeitswechsel, theils auf die die Frische und Besonnenheit der Arbeiter beeinträchtigende großstädtische Lebent— weise zurückgeführt; auch sollen die hier häufiger ausbrechenden Strikes einen leicht erklärlichen, ungünstigen Einfluß auf die Vermehrung der Unfälle ausüben. Ganz vereinzelt wird über Simulation von Arbei— tern Klage geführt, während mehrere Berufsgenossenschaften in allen diesen Beziehungen, besonders aber was die angebliche Simulation von Betriebsunfällen und deren Folgen betrifft, ausdrücklich davor warnen, aus vereinzelt beobachteten Vorkommnissen allgemeinere Schlüsse zu ziehen, welche zu Ungunsten des Arbeiterstandes sprechen.
Als ein beachtenswerthes Moment wird ferner die im Bereiche einiger Berufsgenossenschaften beobachtete, immer mehr zunehmende , der Handarbeit durch den gefahrvolleren Maschinenbetrieb hervorgehoben. So hat die See⸗Berufsgenossenschaft durch Auf⸗ stellung einer Statistik nachgewiesen, daß auf die Dampfschiffsbefatzungen
durchschnittlich beinahe ein Drittel mehr Unfälle, als auf die B. satzung der Segelschiffe entfällt, und daß sich demgemäß als Haupt rund für die Vermehrung der Seeunfälle im Jahre 18959 der Um e ergiebt, daß die Hahl der zur Besatzung von Segelschiffe gehörenden Personen gegen das Vorjahr bedeutend zurückgegangen it während die Zahl der Besatzung von Dampsschiffen um 125,0 ! genommen hat. ;. . . ;
Eine Reihe von Berufsgenossenschaften weist darauf hin, daß die Vorbildung und Zucht des Arbeiternachmuch et bei der immer mehr zunehmenden Arbeitstheilung und „nach Aufhebung der alten be währten Dreiheit: Meister, Geselle, Lehrling“, wie sich ein Bericht ausdrückt, sehr im Argen liege, und daß durch die infolge dessen g= botene Einstellung von mehr und mehr unerfahrenen und unausgebil— deten jungen Arbeitern das Gefahrenrisiko in letzter Zeit bedeutend vermehrt worden sei.
Die Vorstände der Baugewerks⸗-Berufsgenossenschaften schreiben die im Baugewerbe allerdings in besonderem Maße eingetretene Steigerung der Zahl der Unfälle vorzugsweise dem Umstande zu, daß nach ihren Erfahrungen sich fortwährend eine starke Zunahme der— jenigen Mitglieder ihrer Genossenschaften bemerkbar mache, welche ohne jede ö Vorbildung die Ausführung von Bauten über— nehmen. Je weniger diese Unternehmer mit den mannigfaltigen Ge— fahren des Baubetriebes vertraut seien, umsomehr werde die Vorsicht bei der Anlage von Rüstungen, Constructionen u. s. w. ver— mißt, während die hierdurch herbeigeführte Gefährdung der Arbeiter noch dadurch vermehrt werde, daß das häufig vertragsmäßig über— nommene überschnelle Emporbauen der Gebäude zugleich eine über— . Concentration von Arbeitern auf der Baustelle zur Folge
abe.
In den landwirthschaftlichen Betrieben wird die e, der Zahl der entschädigten Unfälle zwar durch den Umstand zur Genüge erklärt, daß bei einem großen Theile der landwirthschaftlichen Berufsgenossenschaften im Jahre 1890 das Gesetz überhaupt erst während eines vollen Rechnungs— jahres in Kraft war. Auch bestätigen die eingegangenen Berichte durchgehends, daß der oben unter 3 ausgeführte Umstand im Bereiche der Landwirthschaft für die Vermehrung der Zahl der entschädigten Unfälle der ausschlaggebende ist, da naturgemäß die Kenntniß der Unfallgesetzgebung auf dem Lande viel langsamere Fortschritte gemacht habe.
Bei dem kurzen Bestande der landwirthschaftlichen Unfall— versicherung ist es auch erklärlich, daß den landwirthschaftlichen Berufsgenossenschaften noch keine Gelegenheit zur Sammlung umfassenderer Erfahrungen nach Art der von den gewerblichen Berufsgenossenschaften in ihren Berichten niedergelegten gegeben war. Doch ist zu erwähnen, daß die Mehrzahl der Berufs— genossenschaften ebenfalls die verschärfte Controle über die
Anmeldung der Betriebsunfälle und die Spruchübung des
Reichs-Versicherungsamts und der Schiedsgerichte, einige auch die vermehrte Ausbeutung unbedeutender Unfälle und schon früher bestandener Krankheiten als Gründe der Vermehrung der bekannt gewordenen Unfälle bezeichnet haben.
Auch für das Jahr 1891 hat . eine Steigerung der zur Anmeldung gelangenden und der entschädigten Unfälle ergeben: erstere betrug 224 028, letztere 51 4537. Das Reichs—⸗ Versicherungsamt hat die Berufsgenossenschaften aufgefordert, diese Angelegenheit nicht nur fortgesetzt im Auge zu behalten, sondern auch sich die Ermittelung der in dem Arbeiterstande über die Sache hervortretenden Ansichten durch entsprechende Anhörung der Vertreter der Arbeiter — insbesondere gelegent— lich ihrer etwaigen Zuziehung zu der Berathung und Beschluß— fassung über den Erlaß oder die Abänderung der Unfall— verhütungsvorschriften — nach Möglichkeit angelegen sein zu
lassen.
Der gestern Abend von hier nach Bromberg abgelassene Schnellzug 61 ist heute Morgen um 5 Uhr 45 Minuten vor dem Bahnhof Bromberg auf einen dort haltenden Güter— zug gestoßen. Hierbei sind eine Locomotive, zwei Personen-⸗, der Packwagen und der Postwagen erheblich, zwei Personen⸗ wagen und der Schlafwagen leicht beschädigt. Reisende sind nicht verletzt, dagegen sind bei diesem Unfall leider der Packmeister, der Heizer und der Bremswärter des Schnellzuges getödtet, der Zugführer, ein Postschaffner und einige Bremser leicht verletzt. Der Unfall scheint nach den vorläufigen Erhebungen durch das vorschriftswidrige Verfahren des dienstthuenden Telegraphisten in Bromberg herbeigeführt
zu sein. Näheres wird die Untersuchung, die sofort eingeleitet ist, ergeben. (Vgl. die Meldung nach Schluß der Re— daction. D. R.)
Der Kaiserliche Minister⸗Resident in Bangkok Kemper— mann hat einen ihm Allerhöchst bewilligten Urlaub an— getreten.
Der General-Lieutenant z. D. von Kotze, Ober⸗Jäger⸗ meister Seiner Majestät des Kaisers und Königs, ist zu kurzem Aufenthalt hier eingetroffen.
Der Regierungs Assessor von Harlem zu Cassel ist mit der commissarischen Verwaltung des Landrathsamts im Kreise Ottweiler, Regierungsbezirk Trier, beauftragt worden.
S. M. Kanonenboot „Iltis“, Commandant Capitän— Lieutenant Müller, ist am 2. März in Swatow eingetroffen und geht am 7. März nach Amoy). — S. M. Kreuzer „Sperber“, Commandant Corvetten-Capitän Fischer, ist am 3. März in Sydney eingetroffen. — S. M. S. „Prinzeß Wilhelm“, Commandant Capitän zur See Boeters, ist am 3. März von Plymouth nach Neufahrwasser in See gegangen.
Bayern. München, 3. März. Die Kammer der Abgeord— neten setzte heute, wie der „Köln. Itg.“ gemeldet wird, die Erörterung über die deutschen Schulen fort. Der Cultus— Minister Dr. von Müld'bse3r erwiderte auf die vielen vor— gebrachten Einzelheiten, Bayern habe die confessionelle Schule, und seine Simultanschulen, in denen der Religionsunterricht genau geregelt sei, dürften nicht mit confessionslosen Schulen auf gleiche Stufe gestellt werden. Die Parität habe die baherische Regierung von jeher gewahrt, und er habe in dieser Beziehung neue Bahnen nicht einzuschlagen. Schließlich wandte sich der Minister gegen die Agitation gewisser Lehrer⸗ vereine gegenüber der Aufbesserungsvorlage der Regierung, indem er seine Worte vom vorigen Sonnabend (Siehe Nr. 52 des „R. u. St⸗A.“ vom 29. v. M) aufrechterhielt. Wenn immer auf Ueberschüsse hingewiesen werde, so sei das eine Verschleierung
. oder Verdrehung, denn mit vorübergehenden Ueberschüssen könne man nicht
e Mehrausgaben decken. Die Artikel der Lehrer⸗ 4 k n die Redaction entsprechende Weisungen von der Vorstand⸗ schaft ergangen seien. Der Lehrerverein habe keine Politik zu reiben. Der Abg. Schubert erwiderte in längerer Rede und bedauerte, daß nicht auch auf klerikaler Seite ebenso sachlich debattirt werde, wie er angefangen habe. Er werde niemals bie Hand dazu bieten, daß die Lehrer Bayerns sich in zwei nach Confessionen getrennte Vereine schieden.
Der Finanzausschuß der Kammer der Abgeordneten
hat auf Antrag des Finanz-Ministers die infolge des Nonnen⸗
aßes für Holzhauerlöhne ausgeworfene Summe um 485 000 46,
den Posten . Vertilgung der Jarstinsecten um 9809000 M
und die zu Baumleim und zu Leimschutzringen für die vom
Nonnenfraße bedrohten 28 000 ha Forst erforderliche Summe m 6h hh 46 erhöht.
Sachsen.
Dresden, 3. März. Die Erste Kammer berieth heute, wie das Dr. J. meldet, den Bericht der ersten Deputation uber den Gesetzentwurf, wegen Abänderungen der gesetzlichen BVestimmungen über die Pensionsverhältnisse der ständigen Jehrer an den Volksschulen und an den höheren Schul⸗ anstalten sowie ihrer Hinterlassenen. Der Gesetzentwurf wurde nach den Vorschlägen der Deputation und im ganzen Inhalt in der von der Zweiten Kammer beschlossenen Jassung an⸗ genommen. Die hierauf folgende Wahl von drei Mitgliedern zes Staatsgerichtshofes ergab die einstimmige Wiederwahl der seitherigen Mitglieder.
Sachsen⸗Weimar⸗Eisenach.
Weimar, 3. März. Seine Königliche Hoheit der Groß⸗— herzog ist, wie die ‚Weim. Ztg.“ meldet, am 1, März an einer leichteren Form der Influenza, erkrankt. Die Fieber— erscheinungen haben sich indessen bereits gemäßigt und die Ge⸗ nesung nimmt einen regelmäßig guten Verlauf.
Deutsche Colonien.
Nach einem Bericht des stellvertretenden Kaiserlichen Com⸗ missars Hauptmanns von Frangois über den Zustand und die Entwickelung des südwestafrikanischen Schutzgebiets im Jahre 1891 zählt die weiße Bevölkerung des Schutz— geblets: 319 Deutsche, 273 Engländer, 19 Schweden, 8 Finn⸗ länder, 10 Holländer, 1Belgier, 1Schweizer, in Summa 622 Weiße, von denen ein großer 8 jedoch keine Staatsangehörigkeit besitzt, sondern zu den sogenannten Afrikandern zu rechnen ist. Alle diese ernähren sich durch Handel und Viehzucht. Einige betreiben nebenbei ein Handwerk, wie Zimmerei, Stellmacherei und das Schmiedehandwerk. Die ein geborene Bevölkerung besteht aus: 1) 3000 Bastards, 2 30 009 Hereros, 3) 30 000 Dvambos, 4) 30 000 Okovangoleuten, 5) Sig) Namaquas, 12 000 Bergdamaras, 7) 3000 Buschleuten, in Summa 116100 Farbigen. Die 1 bis 4 genannten Stämme ernähren sich durch Vieh— zucht, Jagd und Anbau von Weizen, Mais und Kürbiß. ) und G) treiben weniger Viehzucht und Gartenbau, sondern leben mehr von Raub, Jagd und Feldfrüchten. Die Busch— leute leben nur von Jagd und Feldfrüchten. ;
Die Ein- und Auswanderung beschränkt sich auf nomadi— sirendes Wechseln der Wohnplätze an den Grenzen des Schutz⸗
ebietes.
; Die Haupt-⸗Wohnplätze im nördlichen Theile des Schutz⸗ gebietes find: Windhoek, Rehoboth, Hornkranz, Otiöikango, Okahandja, Omaruru, Omburu, Otiimbingue, Otjisazu, Okombahe, Otjozondjupa, Otjitambi, Ondonga, Andara, im südlichen Theile: Gibeon, Berseba, Keetmannshoop, Bethanien, Gochas, Warmbad, Rietfontain. J .
Das Klima und die Gesundheitsverhältnisse sind gut. Nur in den Uebergangsmonaten von der trockenen zur regnerischen Jahreszeit treten in den tiefer liegenden Gegenden Malaria‘ und Halskatarrhe auf. Am häufigsten sind diese Erscheinungen in dem nördlich von Otjitambi gelegenen Theile des Schutzgebiets und in den an die Kalahari grenzen⸗ den Flußthälern des Aub und Nosob. Europäer merden weniger als Eingeborene von Krankheiten befallen. So sind durch die vom Juni bis zum November im Damaralande grassirenden Pocken ausschließlich Eingeborene, etwa 6h, dahin⸗ gerafft worden. Unter dem Beamtenpersonal und der Schutz⸗ truppe sind mit Ausnahme leichter Fieberanfälle keine Er—⸗ krankungen vorgekommen. . .
Von Urprtoducten wurde Gummi arabicum, welches in dem Damara- und dem Nama⸗-Lande gewonnen wird, im Laufe des Jahres 18900 im Werthe von 3389 6 ausgeführt. Der Feld- und Gartenbau liefert zweimal im Jahre Weizen, Mais und fast alle Gemüsesorten. Da die Felder beziehungs—⸗ weise Gärten jedoch in den Flußläufen angelegt sind, ohne daß irgendwelche Vorkehrungen getroffen werden, um die bei Beginn der Regenzeit stark abfließenden Gewässer abzuleiten, so wird in den seltensten Fällen die ganze Frucht geerntet, sondern meistens im halbreifen Zustande fortgespült. Taback wird gebaut und gedeiht gut. Obstbäume, wie Wein, Pfirsiche, Feigen, Datteln, Maulbeeren und Bananen sind mit Erfolg
angepflanzt. . ö Der Bestand an Pferden und Hornvieh beläuft sich nach Schätzung im . ;. Pferde Rinder Kleinvieh Damaraland auf 1000 2009900 190009000 Ovamboland , — 1000090 500 000 Okovangogebiet — 3090 1090 0909 Namaqualand , 3000 50 000 2000000
Ueber das neuentdeckte Minerallager am Kilima⸗ ndschar o, wovon wir in Nr. 36 des „R- u. St -A.“ vom 10. Februar Mittheilung machten, liegt jetzt ein Bericht des Kaiserlichen Commissars Dr. Peters vor, der dem Gouver— neur Proben von Verdampfungsproduct, Wasser und Erde aus dem Natron-See Mandschara übersandt hat. In dem Bericht heißt es: ö
Das Wasser ist zur Hälfte vom Rande, zur Hälfte aus der Mitte des Sees entnommen. Das Salz scheint ziemlich reines Natron Licarbonicum mit etwas Schwefeljufatz zu sein. Das Wasser, welches vom Rande des Teiches genommen ist, enthält eine sehr große Menge Schwefelwasserstoff; das aus der Mitte scheint außerdem Brom, Ehkor und andere chemikalische Substanzen zu enthalten. Der Mandschara wird von Kibonoto in genau westlicher Richtung in zwei bis drei starken Tagemärschen erreicht und scheint demnach acht bis zehn deutsche Meilen westlich von Kibonoto, unserer äußersten Position am Kilimandscharo, zu liegen. Es scheint mir, daß der sogenannte Mandschara⸗See ziemlich in der Mitte zwischen Kilimandscharo und Dönjo Ngai liegt. Demnach ist seine Einzeichnung auf den Karten, üdwestlich von Aruscha nju falsch. Vom Mandschara aus hat man den Dönjo Ngai wenigstens in Sicht. *
Dieser sogenannte See stellt nun in Wirklichkeit ein kleines run⸗ des Teichlein mit einem Durchmesser von etwa. 150 m dar. Die Ufer sind kahl. Die Wasserfläche ist an ihrer tiefsten Stelle etwas über Knietiefe. In der Mitte dieser Wasserfläche befinden sich zwei Quellen, eine etwas größere und eine etwas kleinere. Dieses hervorsprudelnde Wasser ist nicht heiß, sondern kalt. Um die Quelle herum hat sich ein Niederschlag Natron gesteinartig über die Wasser⸗ fläche empor angesetzt. Das Wasser läuft rinnenartig über diese Natronschicht, welche sich demnach wie die Röhrenumkleidung eines Wasserwerks ausnimmt, in das weitere Becken ab. .
Im Norden des Mandschara, etwa zwei Tagemärsche davon, ist
die Quelle Kilonito, welche heiß ist, aber cine ähnliche chemische Zusammensetzung hat. Das Wasser ist von solcher Stärke, wie sicherlich die chemische Analyse ergeben
wird, und die ganze Beschreibung paßt so sehr auf die peruanischen Landschaften, daß ich hoffe, die Analyse wird auch Salpetersäure neben dem Natron ergeben. Immerhin läßt sich schon jetzt aus⸗ sprechen, daß zwischen Kilimandscharo und Dönjo Ngai chemische Minerallager von mächtiger Ausdehnung sich befinden. Von dem beigefügten Natron bicarbonicum soll so viel am Mandschara sein, daß man es aufsammeln und auf Wagen fort— fahren kann.
Falls sich die gemachten Feststellungen verwerthbar und die ent⸗ deckten Mineralschichten abbaufähig erweisen sollten, so würde das Kilimandscharo⸗-Gebiet dadurch eine erheblich verstärkte Bedeutung für unsere Colonie erhalten. Dann würde die Frage sich aufdrängen, ob es sich nicht empfiehlt, zum Schutze eines etwaigen chemischen Unter— nehmens eine Station nach Westen vorzuschieben und unsere Stellung hier entsprechend zu verringern. . . . .
Ich bin überzeugt, daß für ein so fundamentirtes Unternehmen sich sofort in Deutschland das Kapital finden würde. Und dann würden sich auch andere wirthschaftliche Unternehmungen anschließen.
Oesterreich⸗ Ungarn.
Wie das „Fremdenblatt“ meldet, ist der ungarische Finanz⸗Minister Br. Wekerle gestern in Wien eingetroffen und hat mit dem österreichischen Finanz-Minister r. Stein⸗ bach eine Conferenz über die zukünftige Gestaltung der „Oesterreichisch-ungarischen Bank“ gehabt.
Sämmtliche Landtage der Monarchie, mit Ausnahme desjenigen der Bukowina, sind, wie „W. T. B.“ berichtet, gestern zusammengetreten. Auf dem Tiroler Landtagewaren die italie⸗ nischen Abgeordneten nicht erschienen. Der Statthalter Graf von Merveldt, sowie der Landeshauptmann Graf Brandis gaben dem Bedauern über deren Fernbleiben Ausdruck. Ersterer sprach die Hoffnung aus, daß die italienischen Abgeordneten zum Landtag zurückkehren würden. Inzwischen sei es Pflicht der Regierung und der Landesver— tretung, dafür zu sorgen, daß die Interessen der italienischen
Landestheile durch das Fernbleiben ihrer Vertreter keine Schädigung erführen. Im Galizischen Land—
tag hob der Landmarschall Fürst Sanguszko hervor, daß die versöhnlichen Erklärungen der xuthenischen Ab— geordneten am Schlusse der letzten Session, und ihre Versicherung der Treue für den Kaiser und die katholische Kirche die Grundlage einer gemeinsamen politischen Action bilden könnten. Im Böhmischen Landtage drückte der Oberst Landmarschall Fürst Lobkowitz in seiner Rede die Hoffnung aus, es werde trotz der vielfach vorhandenen Gegen⸗ sätze gelingen, im Interesse der Bevölkerung erfolgreiche Resultate zu erzielen.
Ueber den voraussichtlichen Gang der Ausgleichsver⸗ handlungen im böhmischen Landtage weiß die „Bohemia“ Folgendes zu melden: Bei der ersten Lesung der betreffenden Vorlage werde der Antrag gestellt werden, sie abermals einer aus 27 Mitgliedern bestehenden, zu je neun aus jeder Kurie gewählten Commissson zuzuweisen. Dieser Antrag dürfe, da, wie verlautet, auch die Großgrundbesitzer für ihn stimmen werden, die Majorität finden. Seitens der Jungczechen stehe bei dieser Gelegenheit eine besondere Erklärung in Aussicht, in der sie ihren gegnerischen Standpunkt gegen— über den Vorlagen darlegen und im Vorhinein der Ansicht Ausdruck leihen wollten, daß die Ausgleichs vorlagen vollständig beseitigt werden müßten. In der ersten Sitzung der Ausgleichscommission selbst werde nun von den Mitgliedern des conservativen Großgrundbesitzes und des Altezechenclubs für die Vertagung dieser Berathungen plädirt und in diesem Sinne sicherlich auch ein Beschluß gefaßt werden, da die Vertreter dieser beiden Gruppen, mit denen in dieser Frage auch die jungczechischen Mitglieder der Commission zusammengehen würden, in dieser über die Majorität verfügten. Die deutschen Mitglieder der Commission würden diesem Vor⸗ gehen in der entschiedensten Weise entgegentreten. Zugleich werde der Statthalter namens der Regierung eine Erklärung abgeben, daß diese als Theilnehmerin an den Ausgleichsvereinbarungen an ihnen festhalte und deren Durchführung mit allen ver⸗ fassungsmäßigen und gesetzlichen Mitteln anstreben wolle.
Großbritannien und Irland.
Nach den bisherigen Dispositioönen über die Reise der Königin Victoria nach der Riviera wird, wie die „A. C.“ erfährt, Ihre Majestät Sonnabend, den 19. März, 4 Uhr Nachmittags, in Costebelle bei Hyeres eintreffen. Ihre Majestät wird sich auf der Königlichen Yacht „Victoria and Albert“ von Portsmouth nach Cherbourg begeben und von dort mit der Eisenbahn weiterreisen. In Paris wird die Gürtelbahn den Königlichen Zug auf die Südbahn bringen.
Das gestern veröffentlichte Militärbudget auf. das Finanzjahr 1892/95 wirft nach der „Magdb. Ztg.“ für die Bedürfnisse des Heeres 17515000 Pfd. Sterl. aus, S5 900 Pfd. Sterl. mehr als im Vorjahre. Die numerische Stärke des Heeres wird nicht wesentlich verändert, aber die Reserve soll auf ;8 000 Mann gebracht werden.
Das Unterhaus berieth in seiner gestrigen Sitzung über den beantragten Credit zur Vermessung einer ,, von Mombassa nach dem Vietoria-Nyanza (vgl. Nr. 52 d. Bl.). Der Parlaments⸗Secretär des Auswärtigen Amts Lowther erklärte, dem „W. T. B.“ zufolge, im Namen der Regierung: es handele sich bei der Forderung darum, ob England seine traditionelle Politik zu Gunsten der Unterdrückung des Sklavenhandels fortsetzen wolle oder nicht; die Eisenbahn sei ein friedliches Mittel ur Unterdrückung des Sklavenhandels im Innern von Rifrike Andere Länder wendeten bedeutende Summen zur Entwickelung ihrer afrikanischen Gebiete auf, während England in . Hinsicht bisher nichts gethan habe. Von der Eisenbahn⸗Route seien 150 Meilen bereits vermessen und nur 15 Meilen bisher schwierig befunden worden. Sobald die Vermessung vollständig abgeschlossen sei, würden die Re— gierung und das Land besser in der Lage sein, die Ausführbar—
keit der Eisenbahn zu beurtheilen; wenn England nichts thue, würde der Sklavenhandel in Uganda wieder aufleben.
Am Dienstag Nachmittag wurde das neue Panzer⸗ schiff erster Klasse ‚Ramillies“ auf der Thomson'schen Schiffswerft in Elydebank vom Stapel gelassen. Der Stapellauf ging, der „A. C.“ zufolge, nicht ganz glatt von statten. Die Herzogin von Aberdeen hatte die Taufe vollzogen, als der eiserne Coloß, nachdem er 12 Fuß hinabgeglitten war, unerwarteter Weise nicht weiter von der Stelle wollte. Es dauerte geraume Zeit, bis der „Ramillies“ im Clyde schwamm. Das neue Schlachtschiff ist eins von den acht, welche nach dem Flottenvermehrungs⸗ plan von 1889 gebaut werden sollen. Es ist eins der größten Kriegsschiffe der Welt: 380 Fuß lang, 75 Fuß breit und 4H½ Fuß hoch. Die Wasserverdrängung beträgt 14399 Tons. Der Compound-⸗Stahlpanzer ist 250 Fuß lang und 8isz Fuß breit mit einer Maximalstärke von 18 Zoll in der Mitte des Schiffs. Die vier schweren 131/zölligen Geschütze wiegen jedes 67 Tons (4 2000 Pfund). Je zwei werden auf den Barbettes aufgestellt werden, welche einen 1836lligen Compound— Stahlpanzer haben. Der „Ramillies“ wird zwei Triple— Expansions-Maschinen bekommen, welche zwei Doppelschrauben in Bewegung setzen. Das Schiff soll 17/1 Knoten die Stunde machen und als Flaggenschiff eine Besatzung von 565 Offizieren und Mannschaften haben. Im Ganzen werden sich auf dem „Ramillies“ 78 Dampfmaschinen befinden.
Frankreich.
Im Senat verlas gestern, wie „W. T. B.“ meldet, der Justiz-Minister Ricard, in der Deputirtenkammer der Minister-Präsident Loubet eine Erklärung des neuen Cabinets, worin es heißt: Die Regierung wird alle republikanischen Gesetze, namentlich das Militär⸗ gesetz und Schulgesetz, vertheidigen. Sie glaubt sedoch nicht, das Mandat zur Vorbereitung einer Trennung der Kirche vom Staate zu haben. Die Regierung wird demnach die Concordatsgesetzgebung mit fester Hand aufrechterhalten und sie ihrem wahren Geist entsprechend anwenden. Die Mitglieder des Klerus haben den nationalen Gesetzen Gehorsam zu leisten und sich von den Parteikämpfen und den Parteistreitigkeiten fernzuhalten. Sollten sich die Concordatsgesetze als unzulänglich erweisen, so werde das Cabinet vom Parlament die zu einer weiteren Action nothwendigen Mittel verlangen. Die Erklärung der Re⸗ gierung weist sodann darauf hin, daß das Parlament durch die ökonomische Gesetzgebung den Schutz des Ackerbaues und der Industrie Frankreichs, sowie die Freiheit der Tarife gesichert habe und daß es dem Parlamente allein zustehe, diese Gesetze zu ändern. Zum Schlusse wird auf die der Deputirten— kammer vorgelegten Arbeitergesetze hingewiesen und an die Einigkeit der republikanischen Abgeordneten appellirt.
Der Senat nahm die Erklärung sehr beifällig auf und vertagte sich sodann bis Montag. In der Deputirten⸗ kammer wurde die Erklärung vom Centrum mit lebhaftem Beifall, von der Rechten und äußersten Linken ziemlich kühl aufgenommen. Ri vet (Republikaner) wünschte ergänzende Erklärungen des Cabinets über dessen Kirchenpolitik. Der Minister des Auswärtigen Ribot erklärte, es bestehe keinerlei Verhandlung und keinerlei Einvernehmen mit dem Vatican über die jüngste Encyelika, es könne dafür zwischen dem Staat und dem Clerus nur das Concordat maßgebend sein. Das vorige Cabinet habe die Aufmerksamkeit des Papstes auf die Kundgebung der Bischöfe über die Wahlkatechismen gelenkt, und der Papst habe in seiner Antwort die Zusicherung ertheilt, daß er die Wahlkatechismen verschwinden lassen werde. Zum Schluß forderte Ribot die Kammer auf, sich rück— halts los im Sinne der Politik des jetzigen Cabinets auszu⸗ sprechen. Barthou (Republikaner) drückte sein Erstaunen über die letzte Krise aus, da ja die Kammer dieselben Minister und dieselben Regierungsgrundsätze wiederfinde. Der Minister-Präsident Loubet erklärte, er nehme die Verant— wortlichkeit für die Kirchenpolitik des vorigen Cabinets auf sich; die Regierung werde den Gesetzentwurf über die Ge— nossenschaften aufrechterhalten. Pelletan verlangte die Ver— öffentlichung eines Gelbbuchs über die Verhandlungen mit dem Vatican und sprach gleichfalls seine Verwunderung darüber aus, daß das neugebildete Cabinet dasselbe sei wie das vorige. Der Minister-Präsident Loubet gab die Versicherung ab, daß das Cabinet durch keine Verpflichtung und keinen Vertrag mit dem Vatican gebunden sei. Die Kammer nahm schließ⸗ lich mit 325 gegen 75 Stimmen eine Tagesordnung Rivet an, in welcher die Erklärungen der Regierung gebilligt werden. Die Sitzung wurde alsdann aufgehoben. Die Tribünen waren überfüllt, fast sämmtliche Botschafter, darunter Graf Münster, wohnten der Sitzung bei. Im Laufe der Besprechung der Interpellation Rivet's veränderte sich die anfänglich reservirte Haltung der Kammer und die Ausführungen Ribot's und Loubet's wurden zu wiederholten Malen mit Beifall begrüßt.
Die große Majorität, mit welcher die die Erklärung der Regierung billigende Tagesordnung von der Kammer ange⸗ nommen wurde, hat, wie „W. T. B.“ weiter meldet, selbst die Anhänger des Cabinets überrascht. Die Minorität bestand fast nur aus Mitgliedern der äußersten Linken; selbst die eifrigsten Anhänger Constans' stimmten für die Regierung, angeblich um dadurch ihrer Miß⸗ billigung über die pamphletartigen Angriffe Ausdruck zu geben, durch welche einige ö Constans eintretende Journale bas Prestige Freycinet's als Kriegs-Minister zu schadigen trachteten. ö. (
Die Mehrzahl der heute erschienenen Blätter weist auf die disparate Zusammensetzung der gestrigen Ma⸗ jorität hin, welche wenig Dauer verbürge, constatirt jedoch den guten Eindruck, den die Offenheit des. Minister⸗ . Loubet hervorgerufen habe. Die „République Frangaise“ erklärt, die Republikaner würden ihr volles Vertrauen nur derjenigen Regierung zuwenden, der die Boulangisten ihr Vertrauen systematisch verweigerten. Die „Justice“ nennt die gestrige Abstimmung eine Abdication der Kammer, die dadurch proclamirt habe, daß sie nicht wisse, weshalb sie das frühere Cabinet gestürzt habe. Die „Lanterne“ bemerkt, man habe nicht für das Cabinet gestimmt, sondern gegen die Ministerkrise, vielleicht gegen eine ae , vielleicht vor allem gegen Constans. Die monarchistischen Organe sind von einer baldigen Zer— setzung des Cabinets überzeugt.
Eine Versammlung von etwa 40 Deputirten der Rechten, die sich zu der sogenannten constitutionellen Gruppe vereinigt haben, hat gestern ihr Programm fest⸗ gestellt, aus welchem sich ergiebt, daß die Gruppe eine auf dem Boden der Republik stehende conservative Partei bildet.