1892 / 56 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 04 Mar 1892 18:00:01 GMT) scan diff

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tänden die Kriege doch nicht so plötzlich und über Nacht, wie im Zeit⸗ 2 des Faustrechts, und die Gefahr innerer Unruhen oder Barrikaden kämpfe liege heutzutage auch nicht vor, Elsaß. Lothringen sei doch 26 nicht gar fo weit von Berlin entfernt, &' beständen Telegraphen . Eifenbahnen. Elsaß Lothringen solle als Grenzland besonders ausgesetz sein, aber das seien doch die an Rußland . Landestheile eben falls, und hoffentlich bedeuteten die Worte des Staatssecretärs, das Gesetz solle kein Ausnahmegesetz sein, nicht, daß man 52 liches Gefetz für ganz Deutschland einführen woll Nach e . Richtung werde die Commission die Absichten der Regierung eson⸗ ders genau prüfen müssen. Die innere Lage des Reiche landes sei nach einer vor wenigen Tagen gehaltenen Rede des Statthalters durchaus befriedigend. Lothringen freilich werde wohl stets nur äußer⸗ lich mit Deutschland verbunden bleiben. aber das Elsaß sei trotz der falschen Behandlung durch die Behörden in Folge des narärlichen Schwergewichts der Thatfachen und einer gewissen, natürlichen Gutmüthigkeit der Bevölkerung dem Reiche näher gerückt, ein Protest keftehe nicht, die elfäffischen Abgeordneten bezeichneten sich nicht mehr als Protestler⸗, fondern meistens einfach als Elsaß . Lothrin er, ja es gäbe darunter einen Deutscheonservativen, einen Angehörigen ker * Reichspartei, einen. Rationallibexalen, einen Sgial, demokraten, und letzterer habe sich vor seiner Wahl sogar gegen den Protest ausgesprochen. Danach erscheine hin die Vorlage als ein schwerer politischer Fehler, die Elfässer würden dadurch von neuem gekränkt, in Frankreich würden die falschen Auffaffungen von neuem gekräftigt, und die Regierung gestehe dadurch ihre Unfähigkeit, in Elsaß . Tothringen auf regelmäßigem Wege gute Verhältniffe herbeizuführen. Die Vorlage erscheine seiner Partei kungünstig für das Reichsland, und für ganz Deutschland und schon darum, ohne Rücksicht auf die Einzelbestimmungen, werde sie dagegen stimmen. Sie meine, man hätte den Elsässern statt dessen die spärlichen Freiheiten, die man in Deutschland genieße, gewähren follen, damit sie nicht immer wieder von Neid erfüllt würden, und sie hoffe, daß der Reichstag die Vorlage ablehnen werde. Abg' Hr. Hartmann (cons. j. Der SGesetzentwurf, regele im

wesentlichen nur das, was schon zu Recht bestehe; nur seien die ent⸗ sprechenden rechtlichen Zustände in den einzelnen Landestheilen so unklar, daß es dringend wünschenswerth sei, daß ein solches Gefetz für das ganze Reich zu stande komme. Die Schwierigkeiten würden allerdings nicht gering sein, da sehr schwerwiegende Ver⸗ fasffungsfragen dabei in Betracht känen Das Reich werde warten können; ob aber auch Elsaß⸗Lothringen bis dahin warten könne, sei eine andere Frage. Die Stimmung der Bevölkerung in den Reichs= landen sei nicht derart, daß daraus ein Grund zur Einführung vieses Gesetzes abgeleitet werden könne; aber Elsaß⸗-Lothringen sei ein Grenz⸗ land, und der Grenznachbar sei ein Feind, der den guͤnstigen Augenblick sehnlichst herbeimünsche, das Deutsche Reich zu überfallen, und Alles thue, um diefen Jeitpunkt vorzubereiten. Wenn der Abg. von Vollmar gemeint habe, Deutschland habe auch im Osten einen feindlichen Nachbar, fo könne er ja einen Antrag einbringen, daß der Gesetzentwurf auch auf die östlichen Grenzprovinzen ausgedehnt werde. Wesentlich milsttärische Gründe hätten dazu genöthigt, diesen Gesetzentwurf für Elsaß⸗Lothringen einzubringen, und nicht zu warten, bis für das ganze Reich ein solcher vorbereitet sei. Man werde in Zukunft klare, unzweideutige und handliche Bestimmungen haben anstatt der heutigen Schwerfälligkeit. Zwei Punkte erheischten eine sorgfältige Prüfung in der Commission? einmal 8 8, wegen der Verhängung der Todes⸗ strafe, worin etwas Neues enthalten sei, wenn der S 8 des preußischen Gesetzbuches von 1851 noch zu Recht bestehe und nicht durch den 54 des Strafgesetzbuches beseitigt sei; außerdem die §§ 14 und 15, wo wegen der Befugnisse der Kriegsgerichte eine Verschärfung des heute geltenden Rechts beabsichtigt zu sein scheine. Diese beiden Fragen machten eine Commissionsberathung nöthig, und er beantrage daher eine Commission von vierzehn Mitgliedern, die genügen werde, da hier wesentlich juristischtechnische Fragen in Betracht kämen. Der Abg. von Vollmar habe darauf hingewiesen, daß die Annexion von Elsaß-Lothringen seiner Zeit erfolgt sei gegen den ausdrücklichen Widerspruch der Socialdemokraten, und er tadele es noch heute, daß Deutschland dieses Land den Franzosen genommen habe. Deutschland habe es aber nehmen müssen, um den Schlüssel zum Ausfallthor gegen das Deutsche Reich in seine Hände zu bringen. Die große Mehrheit der Deutschen habe die Genugthuung, daß dieses alte Reichsland wieder mit dem Vaterlande verbunden sei, dem es zugehört habe, denn Frankreich habe es nur vorübergehend besessen. An eine Versöhnung mit dem Erb— feinde sei überhaupt nicht zu denken, auch wenn Deutschland Elsaß⸗ Lothringen herausgeben würde. Er denke, Deutschland werde das Reichsland nicht herausgeben, nicht für gute Worte, nicht für Geld, und hoffentlich auch nicht durch Waffengewalt. Es werde für Elsgß⸗ Lothringen gelten, was einer seiner Dichter bereits in dem großen Jahre gesungen habe: „Nun sin wir dytsch für alle Zeit, von nun an bis in Ewigkeit!“

. Abg. Dr. von Bar (dfr): Seine Partei sei bereit, der Re— gierung alle diejenigen Mittel zu bewilligen, die nothwendig seien, die Vereinigung Elsaß⸗Lothringens mit dem Deutschen Reiche zu be— festigen. Doch sei sie durch die Vorlage dieses Gesetzentwurfs ebenso überrascht, wie die Bevölkerung Elsaß⸗Lothringens; noch mehr aber sei er überrascht durch die Erklärung des Staatssecretärs, daß dieses Gesetz nur einige Punkte klarstellen solle, über die Zweifel beständen. Die Lösung dieser Zweifel sei überall derart, daß eine Verschärfung des bestehendes Gesetzes eintrete. Es beständen jedoch wesentliche Unterschiede zwischen dem preußischen Gesetz von 1851 und dem fran— zösischen von 1849, das heute in Elsaß⸗Lothringen noch Geltung habe. Das französische Gesetz unterscheide scharf zwischen dem Belagerungszustand, der erklärt werde auf Grund eines Krieges, und dem bei inneren Unruhen. Die militärischen Commandeure erhielten nur im ersten Falle die Befugniß, den Belagerungszustand zu erklären, das preußische Gesetz hingegen, das aus einer Zeit stamme, wo noch immer die Furcht vor einer Revolution im preußischen Staate bestanden habe, gebe ihnen auch die Befugniß im Falle eines Aufruhrs. Im vorliegenden Gesetzentwurf seien nun die beiden Ge— sichtspunkte in eigenthümlicher Weise miteinander in Verbindung ge⸗ bracht. Auf Eins möchte er noch aufmerksam machen: Der Titel des Besitzes von Elfaß-Lothringen sei völkerrechtlich unanfechtbar; aber es sei wünschenswerth, daß die Geschichte gleichsam ihr Siegel darauf drücke. Was thue nun dieses Gesetz? Es überrasche im höchsten Maße und, rufe Befürchtungen und Zweifel wach, ob es dem Deutschen Reiche möglich sei, die Bevölkerung von Elsaß⸗ Lothringen ohne Gewaltmaßregeln an das Reich zu fesseln. Aus diesen Gründen habe seine Partei, abgesehen von Einzelheiten, die noch genauer gefaßt werden müßten, die größten Bedenken, diesem Gesetzentwurf ihre nn zu geben. Was der Staatssecretär gesagt habe, habe nicht dazu beigetragen, die Bedenken seiner Partei zu zerstreuen. Eine Commission von vierzehn Mitgliedern reiche nicht aus, er empfehle einundzwanzig Mitglieder; denn es handele sich nicht nur um juristisch⸗technische Fragen, sondern um die großen politischen Wirkungen dieses Gesetzes. ;

Staatssecretär Dr. Bosse:

Meine Herren, der Herr Vorredner hat mich wohl mißverstanden, wenn er geglaubt hat, ich hätte erklärt, für dieses Gesetz sei eigentlich keine Veranlassung vorhanden. Das habe ich nicht erklärt und jeden— falls nicht erklären wollen. Ich habe hier meine Stenogramme und sehe daraus, daß ich gesagt habe:

Was wir wollten, ist nur das, die Rechtslage klar zu stellen;

denn sie ist nicht vollkommen klar,

und das ist in der That der Grund, aus welchem wir das Gesetz ein— gebracht haben. Wie ich schon vorhin ausgeführt, ist die Veranlassung zur Vorlage wesentlich nicht eine politische, sondern eine militärische, und deshalb paßt auch die Exemplification des Herrn von Vollmar auf die Lage von Elsaß— Lothringen zur Zeit, als es noch französisch war, nicht. Heute ist das

Land die exponirteste Vormauer, die wir an unserer westlichen Grenze haben, und da ist es uns nothwendig erschienen, Sicherheit dafür zu schaffen, daß, wenn eine Gefahr eintritt, man nicht in Unklarheiten sich bewegt, sondern daß jeder Betheiligte weiß, was dann zu geschehen hat. Darüber sind auch die verbündeten Regierungen vollkommen im Klaren, daß ein Gesetz über den Belagerungszustand nicht gerade mit

Begeisterung aufgenommen wird. Umsomehr aber dürfte doch anzu⸗

nehmen sein, daß es sehr wichtige, sehr gründliche Erwägungen gewesen sein müssen, die den verbündeten Regierungen die Nothwendigkeit dictirt haben, diese Vorlage Ihnen jetzt zu machen und ich bin über— zeugt, daß es uns in der Commission gelingen wird, Ihnen die Ueber⸗ zeugung von dieser Nothwendigkeit zu verschaffen. Ist sie aber vorhanden, fo bin ich auch überzeugt, daß der ganze Reichstag, wenigstens eine große Majoritãt mit uns darin einverstanden sein wird, daß die Mittel gewährt werden müssen, um das Vaterland sicherzustellen. (Zuruf links.)

Abg. Dr. Orterer (Centr.) . Diese Vorlage habe allerdings Ueberraschung hervorgerufen, der Abg. Dr. Petri sei ja der leben⸗ digste Beweis für ihre Aufnahme in den Reichslanden. Man habe bisher an eine ruhige und stetige Assimilirung der Elsaß⸗ Lothringer mit dem deutschen Vaterlande geglaubt und bei den letzten Verhandlungen über die Aufhebung des Paßzwanges habe man hier allseitig seine Befriedigung über die Fortschritte zur Besserung aus⸗ gesprochen. Der Abg. Dr. Windthorst habe wiederholt verlangt, daß man diese Fortschritte nicht durch Eingriffe mit rauher Hand stören solle. Darum habe dieses Gesetz Verwunderung erregen müssen, das wenigstens einen starken Schein eines Ausnahmegesetzes habe und das eher beunruhigend und aufregend als beruhigend und heilend wirken werde. Darauf wolle er nicht eingehen, ob die Regierung jeder Zeit die geeignetsten Schritte gethan habe, um die Assimilirung der Reichslande an Deutschland zu fördern. Die Vor— lage enthalte jedenfalls eine Dilatation des bestehenden preußischen Gesetzes in pejus. Er könne nicht anerkennen, daß die Vorlage nur bestehende Rechtsverhältnisse festlege. Die vor⸗ handenen Befugnisse für den Kaiser und den Statthalter von Elsaß⸗Lothringen reichten völlig aus. Die Gründe der Vorlage seien nicht erschöpfend und sie seien auch hier durch den Staatsseeretär nicht ergänzt worden. Man könne jedoch nicht sagen, daß die militä⸗ rischen Grunde nichts anzeigten. Wenn bei der exponirten Lage und den eigenartigen Verhältnissen der Reichslande die Regierung militä⸗ rische Rücksichten in die Wagschale werfe, müsse der Reichstag diese Rücksichten voll würdigen. Ob sie seine Partei aber zur Annahme des Gesetzes führen würden, erscheine ihm allerdings noch sehr zweifel⸗ haft. Er wisse nicht, ob der Abg. Dr. Petri ganz im Sinne der Nationalliberalen gesprochen habe, manchen seiner Ausführungen könne man wohl widersprechen. Eine Commissionsberathung sei nach der letzten Aeußerung des Staatssecretärs unumgänglich nöthig, vierzehn Mitglieder genügten aber dafür. In der Commission bedürfe es noch einer wesentlichen Ergänzung der Gründe, um seine Partei zur An⸗ nahme zu veranlassen.

Abg. Dr. von Dziembowski (Pole): Seine Partei sei stets für die Sicherheit des Reichsgebiets eingetreten, stehe aber trotzdem der Vorlage nicht sympathisch gegenüber, weil sie ein Ausnahmegesetz sei, und als solches von der Bevölkerung Elsaß⸗Lothringens angesehen werde. Seine Parteigenossen seien grundsätzliche Gegner von Ausnahme— gesetzen. Ein Ausnahmegesetz errege nur Unzufriedenheit; eine zu—⸗ friedene Bevölkerung in den Grenzmarken sei eine bessere Gewähr für die Sicherheit des Reichs, als ein Gesetz. Seine Partei stimme aber für die Verweisung an eine Commission, weil vielleicht dort erst ein Theil der Gründe mitgetheilt werden könne.

Abg. Dr. Petri (nl. ): Der Staatssecretär wolle dem Gesetz nicht eine Bedeutung beigelegt wissen, die es nicht habe. Wenn die Vorlage für die Regierung nicht selbst, von entscheidender Bedeutung sei, e sie lieber davon ablassen. Die Gründe dafür seien äußerst schwach. Habe man durch die Erfahrung den Nachweis, daß die Rechtslage nicht klargestellt sei? Der Belagerungszustand sei a. seit 1371 nicht über Elsaß⸗Lothringen verhängt worden. Es handele si nicht um eine Erläuterung bestehender ,, . Bestimmungen, sondern um ein neues Gesetz. Nach der Verfassung könne nur der Kaiser den Be⸗ lagerungszustand verhängen, nach der Vorlage aber jeder militärische Befehlshaber, also auch jeder Second-Lieutenant an irgend einem Orte. Die Gefahr, die in der Westmark bestehen solle, könne nie—= mals aus der Bevölkerung herrühren, sondern höchstens aus, dem Aus—⸗ lande. Aber die Besorgniß vor der Revanche⸗Idee in Frankreich beseitige man durch dieses Gesetz nicht. Die große Mehrheit des französischen Volkes sei übrigens ebenso friedliebend wie das deutsche Volk, und lasse sich nicht durch ein paar Schreier aufhetzen. Auf das allgemeine Reichsgesetz könne man ruhig noch warten, denn selbst zu Zeiten der größten Erregung der Gemüther hüben und drüben von den Vogesen sei es ohne ein solches Gesetz gegangen. Durch die Parole „Schroff voran!“ erreiche man nichts in Elsaß⸗Lothringen. Man störe die Elsaß⸗Lothringer nicht in dem gemeinsamen Werk der Verschmelzung mit Altdeutschland, man lasse sie in Ruhe mit Gesetzen, die nur beunruhigten, und hüte sich wohl, gewissen aus—⸗ ländischen Blättern und Elementen Anlaß zu geben, wieder eine question lorraine aufzuwerfen, von der die Elsaß⸗Lothringer nichts wissen wollten. Wenn solche Nachtheile durch das Gesetz entstehen tönnten, müßten alle Gründe dafür in den Hintergrund treten.

Abg. von Vollmar (Soc.): Wenn man auch die militärischen Gründe berücksichtigen müsse, so kämen doch die bürgerlichen Nück— sichten in erster Linie in Frage. Die geographische Lage von Elsaß— Lothringen habe sich seit 22 Jahren nicht verändert. Während der ganzen Zeit habe dieselbe Gefahr bestanden, deshalb müsse die Regie⸗ rung die besonderen Gründe für die Vorlage andeuten. Der Abg. Dr. Hartmann scheine zu wünschen, . Deutschland alles, was einmal einen deutschen Namen gehabt habe, wiederbekomme. Er (Redner) habe kein Wort von einer Rückgabe Elsaß⸗Lothringens ge⸗ sagt; er habe nur die grundsätzliche Stellung seiner Partei zur Zeit, der Annexion gegen diese dargelegt, sich dann aber auf das Gebiet der Thatsachen begeben, um die Vorlage abzulehnen. Wenn man eine Vereinigung der Elsaß⸗Lothringer mit den alten Landsleuten wünsche, solle man sie wie Landsleute behandeln und nicht als gemein⸗ gefährliche Leute.

Abg. Dr. Hartmann (cons): Er habe nicht so weitgehende chauvinistische Pläne, wie der Abg. von Vollmar ihm zuschiebe. Wenn der 5 von Vollmar annehme, er habe ihm zugemuthet, für eine Rückgabe von Elsaß⸗Lothringen zu sein, so habe er ihn mißverstanden. Er (Redner) stelle also fest, daß der Abg. von Vollmar der Rückgabe Elsaß-Lothringens heute nicht zustimmen würde. Er empfehle ihm, sich darüber mit dem Abg. Liebknecht auseinanderzusetzen.

Abg. Dr. Orterer Centr.) : Der Abg. von Vollmar habe Be⸗ weise vermißt, welche die Verhängung des Belagerungszustandes in Elsaß-Lothringen begründen könnten. Der Staatssecrekär habe auf militärische Rücksichten hingewiesen und er lade den Abg. von Voll⸗ mar ein, diesen Gesichtspunkt in der Commission weiter zu ver— folgen, obgleich zweifelhaft sei, ob dieser Beweis gelingen werde.

Abg. Singer (Soe.): Der Abg. Dr. Hartmann habe in der elsässischen Frage einen Gegensatz zwischen den Abgg. Liebknecht und von Vollmar herausfinden wollen. Er weise zunächst darauf hin, daß vor gar nicht langer Zeit der Abg. Bebel dem Kriegs-Minister gegenüber auf das Entschiedenste bestritten habe, seinerseits die ihm damals unter⸗ stellte Behauptung, er sei für die Rückgabe Elsaß-Lothringens an en trg eingetreten, jemals , zu haben. Waz die Stellung einer Partei zu dieser Frage anlange, so könne er im Einverständniß mit seinen sämmtlichen Parteigenossen erklären, daß für sie eine elsaß⸗ lothringische Frage gar nicht bestehe. Er verlange daher vom Abg. Dr. Jart mann daß er dem Reichstage mittheile, wann und wo der Abg. Liebknecht jemals die Rückgabe Elsaß⸗Lothringens gefordert habe. Be— vor er diese Erklärung abgegeben habe, werde er ihm gestatten, an der Wahrheit seiner Behauptungen zu zweifeln.

Abg. Dr. Hartmann (cons.): Er hoffe, den Beweis liefern zu

können aus den Stenogrammen des Neichstggs, natürlich nicht jetzt augenblicklich und stelle mit aufrichtiger fest, daß der Abg. Singer im Namen seiner Partei erklärt habe, es gebe für sie keine elsaß⸗lothringische Frage. Seinen Antrag auf Ein 23 einer Com- mission von vierzehn Mitgliedern ziehe er zu Gunsten des Antrags der einundzwanzig Mitglieder verlange, . .

Die Vorlage wird einer Commissiou von einundzwanzig Mitgliedern überwiesen.

Darauf wird die Berathung des Telegraphengesetzes fortgesetzt, und zwar bei der Abstimmung über den y Der Antrag Bar, wonach die Telegraphenleitungen in si selbst geschützt sein sollen, wird abgelehnt; angenommen . der Antrag Bödiker:

Elektrische Anlagen sind, sobald eine Störung der einen Leitung durch die andere zu befürchten ist, auf Kosten desjenigen Theils, welcher durch eine spätere Anlage oder durch eine später ein— tretende Aenderung einer bestehenden Anlage diese Gefahr veran—⸗ 46 39. Möglichkeit so anzulegen, daß sie sich nicht störend be⸗ einsflussen.

Es wird die Einschaltung eines neuen ö beantragt, und zwar von drei Seiten: 1) die Abgg. Auer (Soc.) und Genossen wollen die Streitigkeiten, ob eine Telegraphenanlage den Anforderungen bezüglich des 3 genügt, den ordent⸗ lichen Gerichten überweisen. Die Physi gin . Reichs⸗ anstalt soll zur Erstattung von Gutachten verpflichtet sein. 2) Abg. Dr. von Bar (dfr) will die Streitigkeiten, sofern sie nicht aus privatrechtlichen Verhältnissen herrühren, dem Ver⸗ waltungsstreitverfahren unterwerfen; auch nach diesem Antrage soll die Physikalisch⸗Technische Reichsanstalt zur Erstattung von Gutachten verpflichtet sein. 3) Abg. Bödiker (Centr.) will die Streitigkeiten ebenfalls dem ordentlichen Gerichte über— weisen, und zwar sollen dieselben als schleunige und als Ferien— sachen gelten.

Abg. Bödiker (Centr.): Der 7a sei ein Vorgriff auf das Elektricitätsgesetz, indessen müsse man hier schon einige Vorsichte— maßregeln schaffen. Er verstehe den Paragraphen nicht so, daß damit eine polizeiliche Zwangsvorschrift gegeben werden solle, und wolle in seinem Antrage Vorsorge für die Streitigkeiten treffen, die privat⸗ rechtliche Verhältnisse berührten. Es könnten die verschiedensten Conflicte subjectiver und objectiver Art zwischen elektrischen Anlagen eintreten, bei allen diesen Conflikten müsse aber nach dem Gesetz die Betheiligung einer Telegraphenanlage , . werden. F 7a verlange eine sachverständige ,,, darüber, ob die spätere An— lage thatsächlich die Veranlassung der Störung sei. Diese sachver⸗ ständige Untersuchung könne auch durch die ordentlichen Gerichte ver— anlaßt werden. Eine Verschleppung werde durch die Ueberweisung an die ordentlichen Gerichte nicht herbeigeführt, zumal wenn, wie er beantragt habe, das Verfahren beschleunigt und die Sache zur Feriensache gemacht werde. Dagegen halte er es für höchst bedenklich, bee en cher. Gutachten der Physikalisch⸗Technischen Reichsanstalt zu übertragen. Solche Gutachten würden flüchtig ertheilt.

Commissar des Reichs⸗Postamts Wirklicher Geheimer Ober-Post⸗ rath Dr. Dam bach: Zweifellos gehörten die hier etwa entstehenden Streitigkeiten vor den . ichter, und es bedürfe eigentlich des Antrages Bödiker nicht. enn es aber den Herren zur Be⸗ ruhigung dienen könne, so habe die Telegraphenverwaltung kein Bedenken, daß dies besonders im Gesetz ausgedrückt werde. Er glaube allerdings, daß der Abg. Bödiker die Sache zu schwarz ansehe und daß Streitigkeiten vor Gericht entweder gar nicht oder doch in sehr wenigen Fällen vorkommen würden. Auch der zweite Theil des An⸗ trages sei nicht gerade nothwendig. Diese Sachen würden auf Grund des Gerichtsverfassungsgesetzes und der Civilprozeßordnung selbstverständlich als schleunige behandelt werden. Doch habe die Verwaltung auch gegen diese Bestimmung nichts einzuwenden.

Abg. Schrader (dfr.: Streitigkeiten würden nicht entstehen zwischen der Telegraphenverwaltung und den Interessenten, sondern zwischen der Polizeibehörde, die sich an die Stelle der ersteren setze, und den Interessenten. Wenn jemand eine elektrische Anlage ein⸗ richten wolle, so werde ihm die Concession nicht eher ertheilt werden, als bis er alle , der Telegraphenverwaltung erfülle, oder es werde der Competenzeonfliet erhoben werden. Redner verweist auf das schweizerische Gesetz, dessen Bestimmungen der Staats secretär Pr. von Stephan nur theilweise verlesen habe: nämlich nur den Theil, der den freisinnigen Anträgen widerspreche, nicht aber den. der mit ihnen übereinstimme. Da die Polizei in den meisten Fällen ein Wort mitzureden haben werde, empfehle sich mehr das Verwaltungs⸗ streitverfahren, als das gerichtliche Verfahren. Die Einfügung der Physikalisch⸗Technischen Reichsanstalt als gutachtende Behörde werde aber nothwendig sein, um einen unparteiischen Sachverständigen zu be⸗ zeichnen. Da der Bundesrath keinen Werth darauf lege, das Gesetz über die elektrischen Anlagen bald zu stande zu bringen, müßten die Vorschriften schon hier in 5 Gesetz hereingebracht werden, die eigentlich erst in jenes Gesetz gehören würden.

!. 4 Singer (Soc): Die Ausführungen des Abg. Schrader hätten ihn nicht überzeugt, er meine vielmehr, daß, da man nach An⸗ nahme des F 7a eine Instanz für Entscheidung von Streitigkeiten schaffen müsse, das er h Gericht, dessen Vertheidiger seine Partei ja sonst nicht sei, mehr Sicherheit biete, als das Verwaltungsgericht.

Auch gegen die ö wegen der Beschleunigung der Sachen se

und ihrer Behandlung als Feriensachen habe er nichts einzuwenden. Dagegen sei er, im Gegensatz zum Abg. Bödiker, mit dem Abg. Schrader einverstanden wegen der Heranziehung der Physifalisch= Technischen Reichsanstalt zu Gutachten; solche Gutachten in Streit- sachen sollten möglichst unparteiisch, möglichst wenig von Sachver—⸗ ständigen abgegeben werden, die von den Parteien ernannt seien, und da könne man sich Glück wünschen, daß man in dieser Reichsanstalt eine unparteiische und zu den entsprechenden Gutachten sehr geeignete Stelle habe. Der Einwand, daß das Gutachten einer nach Mehrheit entscheidenden Behörde wenig Werth vor Gericht habe, werde wider⸗ legt durch die Sachverständigen⸗ Gutachten der Vereinigungen für Preß⸗ erzeugnisse, für musikalische, für photographische Angelegenheiten, für Cewerhlichen Musterschutz, die alle unter dem Wirklichen Geheimen Ober⸗Postrath Dr. Dambach tagten und deren Gutachten das An— sehen genössen, das Gutachten überhaupt haben könnten, und die auch nach Mehrheiten entschieden. Sollte also der erste Theil des Antrages seiner Partei verworfen werden, so werde sie für den Antrag Böäödiker stimmen, sie bitte aber, daneben den zweiten Theil ihres Antrages zu genehmigen. - ;

Commissar des Reichs⸗Postamts Wirklicher Geheimer Ober-Post⸗ rath Dr. Dambach: Er sei dem Abg. Singer sehr dankbar dafür, daß er den unter seiner Leitung stehenden Sachverständigen⸗Ver⸗ einen ein so gutes Zeugniß un telle aber der Richter sei nicht genöthigt, an diese Vereinigungen allein sich zu wenden, sondern er könne daneben oder vorher auch andere, von ihm oder von den Parteien ernannte Sachverständige hören. Er bitte, den Antrag Auer abzulehnen; man möge hier dem Richter dieselbe Fefrgsiß lassen, die er nach der Straf⸗ und Cipilprozeßordnung auch sonst habe, nach seinem Befinden oder dem Antrag der Parteien Sachverständige zu hören, und auch, wenn er wolle, sich an ein Sachverständigen⸗ , zu wenden; aber er bitte, den Richter nicht zu vinkuliren.

bg. Dr, Hammacher (nl): Er meine, daß die nach diesem Gesetz entstehenden Streitigkeiten am wenigsten vor den ordentlichen Richter gehörten, denn es werde sich nicht um Rechtsfragen handeln, sondern um solche technische Fragen, wie sie auch sonst bei Concessionsertheilungen zur Entscheidung kämen, und die nach der Gewerbeordnung dem Verwaltungsgericht vorbehalten seien. Hier spreche er sich also für den Antrag Schrader aus. Im übrigen bitte er, der Telegraphenverwaltung gegenüber nicht so mißtrauisch zu sein; dies wirklich unbegründete Mißtrauen scheine ihm wesentlich durch den unglücklichen im „Reichs⸗Anzeiger veröffentlichten Entwurf eines Elektricitätsgesetzes hervorgerufen zu sein; er sei aber überzeugt, daß, wenn das vorliegende Gesetz nur kurze Zeit in Kraft sein werde, die

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i elbst genöthigt sein werde, ein den Wünschen aller Inter- . h r e,, gClelt eilt esetz vorzulegen, sodeß letzteres in. bie gegenwärtige Vorlage nicht verzögert, jondern, beschlsunigt *. werde. Uebrigens sei es eine falsche Auffassung, daß die Polizei . Gencefsionirunj von Clettricitätsanlagen von den Wünschen der Tlegraphenverwaltung ahh eng sei, letzter werde im Ge . ach den Bestimmungen des inisterial⸗Rescripts wie jeder Private

andelt. . ö 2 cha gr Gch rg der dfr.): Hätte man das Gesetz nach den Wünschen feiner Partei gestaltet, se wäre zum Mißtrauen kein Anlaß gewesen; nber solle man nicht schließlich mißtrauisch werden, wenn man von en Ansichten der Regierung gar keine Kenntniß erhalte, wenn man ar leine Antwort darauf bekomme, wie die Telegraphenverwaltung hee Rechte auffasse⸗ Die Verwendung der asserkräfte werde allgemein gew ünsch aber die Ausführung dieser Anlagen hänge voll⸗ ständig von der illkür der Telegraphenperwaltung ab. Nunmehr erde die Entwickelung der, Sache vermuthlich die sein, daß man in icem vorliegenden Gesetz die Grundlagen der Rechte der Telegraphen⸗ verwaltung kenn und auf Grund dessen ein zweites Gesetz bringe, das wesentlich die Interessen der Telegraphenverwaltung ver⸗ r die der privaten elektrichen Anlagen aher. nicht beachte; man möge doch bedenken, daß in jüngster Zeit lebhafte Anfänge gemacht seien, die r ttriciãt für die Landwirkhschaft zu verwerthen, sodaß die Gefahr be liege, daß die Landwirthschaft durch die Telegraphenverwaltung zeschädigt werde. In Bezug auf die Gutachten der Physikalisch⸗ Tcchnischen Reichsanstalt sei er mit dem Wirklichen Geheimen Ober⸗ Postrath Dr. Dambach einer Meinung; er wolle nur, daß diese Iinstalt zur Abgabe von Gutachten verpflichtet sein solle, daneben aber wolle er auch noch Gutachten anderer Sachverständiger, also sesche von Elektrotechnikern zulassen. Ob es gerade zweckmäßig sei, Telegraphentechniker als Sachverständige zuzulassen, sei ihm in der seßten Zeit etwas zweifelhaft geworden. Denn die Telegraphenbeamten e en in einer feltfamen Stimmung zu sein. Ihm sei kürzlich ein elliger Brief des vor einigen Tagen von ihm erwähnten sächsischen Tele⸗ zrarhen⸗Ingenieurs Ulrich zugegangen, worin dieser energisch betone, daß eine damals von ihm (dem Redner) erwähnte Betheiligung am Frankfurter Glektrikercongreß nicht in amtlicher Eigenschaft, sondern ganz privatim stattgefunden habe; er habe das gar nicht bezweifelt, aber dieser Brief scheine doch für eine gewisse Gereiztheit in den Kreisen dieser Herren zu sprechen. Man empfinde es jetzt in elektrotechnischen Vereinen auf Seiten dieser Herren unbequem, wenn von anderer Seite Streitfragen angeregt würden. Der. elektrotechnische Verein Mn Frankfurt a. M. sei sogar vor die Polizei gefordert worden wegen Veranstaltung einer unerlaubten Versammlung, zu der, nebenbei be⸗ merkt, auch der Polizei⸗Präsident eingeladen worden sei, der sich durch einen Rath habe vertreten lassen. Es wäre vielleicht zweck= mäßig, in dritter in, noch einmal auf diese Fragen zurückzukommen und das Gesetz in ähnlicher Form zu stande zu bringen, wie es in der Schwei bestehe. Er hoffe, daß die Mehrheit in dritter Lesung der Antrag seiner Partei annehmen werde, nachdem sich auch der Abg. Dr. Ham macher dafür ausgesprochen habe; jedenfalls werde der bestehende Zustand dadurch verbessert. .

Abg. Bödiker (Centr.): Es sei kein Grund vorhanden, hier die Verwalkungsgerichte an Stelle der ordentlichen Gerichte zu setzen. Abgesehen davon, ob überhaupt in allen Bundesstaaten ein derartiges Verfahren möglich sei, würde dies jedenfalls die Gefahr einer Diver⸗ genz der sonst zur Anerkennung kommenden Grundsätze herbeiführen. Eine viel größere Sicherheit für die Einheitlichkeit böten die ordent⸗ sichen Gerichte. Ohne Zuziehung eines Sachverständigen könne kein Gericht in diesen wichtigen Fragen ein Urtheil abgeben. Die Zu— siehung der Physikalisch⸗Technischen Reichsanstalt könne er jedoch nicht befürworten; ein Sachverständiger müsse vereidigt werden, das könne die Reichsanstalt als solche nicht. Daher empfehle er die An—⸗ nahme seines Antrags.

Staatssecretär Dr. von Stephan:

Ich habe mir nur das Wort erbeten, meine Herren, um noch einige Fragen zu beantworten, die im Verlauf der vorangegangenen Ausführungen gestellt wurden.

Zunächst hat der Herr Abg. Schrader gesagt, er habe keine Antwort darauf bekommen, welche Rechte die Telegraphenverwaltung aus diesem Gesetz in Anspruch nehme. Diese Antwort ist nicht einmal, sie ist vielleicht fünf- bis sechsmal sowohl hier im Plenum wie in der Commission gegeben worden. Ich habe sogar die Duellen angegeben, in denen diese Rechte festgestellt sind. Ich lasse mich jetzt weiter nicht darauf ein, Sie können ja fortfahren zu sagen: ich bin nicht befriedigt; aber eine andere Antwort werden Sie von mir nicht erhalten.

Was das Elektrieitätsgesetz betrifft, so habe ich Ihnen ebenfalls und zwar in der Commission zur Antwort gegeben, daß die Regierung das größte Interesse daran hat, jenes Gesetz fertig zu bringen, und ich weiß nicht, wo der Herr Abg. Schrader die Veranlassung hernimmt, hier vor dem Hause zu behaupten, daß er eine Antwort darauf nicht bekommen habe, und daß die Re— gierung sogar die Sache zu verzögern beabsichtige. Davon ist durchaus nicht die Rede. Ich habe Ihnen in der Commission ausdrücklich gesagt, daß diese Materie dem Bundesrath vorliegt, daß sie große Schwierigkeiten in sich besitzt, daß ein umfängliches Material eingefordert ist, welches durchstudirt wird, daß eine Reihe von An⸗ trägen der einzelnen Bundesregierungen vorliegen, die die größte Würdigung erheischen, und daß das alles Dinge sind, die sich nicht don heute bis morgen erledigen lassen. . .

Der Ansicht möchte ich auch sein, daß das Elektricitätsgesetz weit cher Aussicht hat, zu stande zu kommen, wenn das Regalgesetz jetzt fertig gemacht wird, als im umgekehrten Falle, und das bitte ich Sie wohl zu beherzigen, wenn Sie sich für das Elektricitätsgesetz so interessiren.

Dann ist auch gesagt worden, die Regierung hätte zu wenig Nachgiebigkeit gezeigt bei Berathung dieses Gesetzes, und deshalb müßte man uns entgegentreten. An sich wäre das ja ein pspcholo— gisches Moment, und damit haben wir unsererseits nicht zu rechten. Ich will Ihnen aber Thatsachen anführen und beweisen, daß die Nach- ziebigkeit von Seiten der Vertreter der verbündeten Regierungen bei dieser Materie viel weiter gegangen ist, als bei mancher anderen. Es sind ja eine ganze Reihe von Anträgen aus dem Hause angenommen, und das Gesetz ist infolge dessen doppelt so lang aus der Commission herausgekommen, als es bei der ersten Vorlage im hohen Hause war. Wir haben eine ganze Reihe von Anträgen des Herrn Abg. Dr. Dammacher angenommen, neulich noch einen Antrag eines anderen Mitgliedes wegen der Deichcorporation und Entwässerung. Wir haben gerade auf Betreiben der Herren von jener Seite des Hauses den Paragraphen wegen des Telegraphengeheim—⸗ nisses in das Gesetz gesetzt; wir haben ferner den uns sehr unbequemen Paragraphen angenommen, daß von einer Erhöhung der Gebühren für Fernsprecher und Telegraphen im Verwaltungswege Abstand ge— nommen, daß das vielmehr lediglich dem Gesetz vorbehalten werden soll. Wir haben endlich erklärt, daß wir den Antrag Bödiker an— nehmen wollen, den 7a, der uns garnicht paßt, weil diese ganze Materie nach der unveränderten Auffassung der Regierung überhaupt nicht in das Regalgesetz gehört, und weil sie der Ansicht ist, daß die Verhandlungen auf diese Weise noch in die Länge gezogen werden.

Wie Sie dieser Nachgiebigkeit gegenüber noch behaupten können, es wäre Ihnen nicht entgegengekommen worden, ist mir unerfindlich; Sie müssen hier bestimmte Absichten haben, die ich nicht näher unter⸗ suchen will.

Dann hat der Herr Abg. Schrader gesagt, die Eisenbahnen wären beschäftigt, Starkstromleitungen in ihren Betrieben anzulegen. Ich glaube, das hat der Herr Abgeordnete in einer Petition gelesen, die mit den Namen Haslacher oder Lahmeyer aus Frankfurt unterzeichnet ist, worin aber nur steht: Diese und jene Eisenbahn hat sich ein Project vorlegen lassen. Daß das Project ausgeführt ist, habe ich nirgends gelesen, und Sie können doch erst auf Grund von aus“ geführten Projecten Schlußfolgerungen ziehen. Die Petition aus Frankfurt führt nur einen einzigen bestimmten Fall an, und zwar, daß im Bereich der Potsdam⸗Magdeburger Eisenbahn eine solche Starkstromanlage angelegt sei. Darauf habe ich Erkundigungen eingezogen und folgende Nachricht erhalten:

Die einzige elektrische Betriebsanlage, nur im kleinsten Maß⸗ stabe, im Eisenbahn-Directionsbezirk Magdeburg besteht bei der Eisenbahn⸗Werkstätte in Potsdam zum Antrieb einer Farbmühle; letztere braucht zwei Pferdekräfte.

Also, meine Herren, das ist die ganze Anlage, die bis jetzt aus⸗ geführt worden ist. (Heiterkeit) Auf Projecte können wir uns nicht einlassen; wir sprechen hier vom Thatsächlichen.

Nun möchte ich noch zum Schluß ein Wort in Beziehung auf die Bemerkungen sagen, die der Herr Dr. Hammacher über das Ver— fahren vor Gericht oder vor einer Verwaltungsbehörde gemacht hat. Wenn ich ihn recht verstanden habe, ging seine Ansicht eigentlich mehr nach der Seite, daß es zweckmäßiger sein würde, diese Streitigkeiten den Verwaltungsbehörden zu übertragen. Ich halte das bei der gegenwärtigen Lage der Verhältnisse nicht für zweckmäßig, schließe mich vielmehr im ganzen den Ausführungen an, die der Herr Abg. Bödiker in seiner zweiten Rede gegeben hat. Namentlich bin ich mit ihm der Ansicht, daß bei den Ver— waltungsbehörden in den verschiedenen Bundesstaaten möglicherweise eine sehr große Diversität in dem Verfahren und in den Entscheidungen herauskommt. Ich bin noch garnicht sicher ich übersehe das betreffende Rechtsgebiet nicht in dem Umfange, um sagen zu können, daß ich völlig sicher darüber bin ob ein solches Verwaltungsstreit— verfahren namentlich in den Formen, die wir in Preußen haben, in den einzelnen Bundesstaaten zulässig ist.

Dann steht in dem Antrage, die Centralbehörden sollen die be⸗ treffenden Behörden bezeichnen. Das wird auch manche Schwierig— keiten bereiten, während, wenn die Sache den ordentlichen Gerichten über⸗ tragen wird, wohin eigentlich diese Streitigkeiten in erster Linie gehören, Sie in dem Reichsgericht eine einheitliche oberste Instanz haben, die für die Einheit der Entscheidungen auf diesem wichtigen Gebiete die größtmögliche Bürgschaft bietet.

Ich möchte also bitten, daß Sie sich auch in dieser Richtung dem Antrage Bÿödiker anschließen und den Antrag Auer zu dem F7aa ver— werfen.

Abg. Schrader (dfr. : Er weise wiederholt darauf hin, daß eine Antwort auf seine Frage, welche Rechte die Telegraphen— verwaltung anderen llettrischen Betrieben gegenüber in Anspruch nehme, von dem Staatssecretär nicht erfolgt sei. Er wünsche lebhaft, daß das Land bald ein Elektricitätsgesetz bekomme, aber ein solches, wie es den Ansichten dieses Hauses entspreche. Wenn er davon ge— sprochen habe, daß die Eisenbahnverwaltung Starkstromanlagen machen wolle, so habe er das nicht aus der Luft gegriffen, sondern dem preußischen Eisenbahn-Etat entnommen. Seinen Hinweis auf k Gesetz habe der Staatssecretär ebenfalls nicht be⸗ achtet.

Staatssecretär Dr. von Stephan:

Die Antwort, die der Herr Abg. Schrader vermißt hat, kann ich ihm sehr leicht geben. Hier steht im § 8, den er selber verlesen hat:

Zur Erreichung dieses Zwecks wird die eidgenössische Verwaltung auch an ihren eigenen Linien die entsprechenden Vorkehrungen treffen.

Das ist nicht mitgetheilt worden, weil es zu dem Paragraphen, der damals vorlag, nicht nothwendig war. Cachen links.) Warten Sie, Sie werden Ihr Lachen wohl zurücknehmen, wenn wir soweit sind. Dieser Satz ist ganz einfach; es versteht sich von selbst, daß wir auch in Deutschland an unseren Telegraphen die Sicherheitsvorkehrungen treffen, wir werden es doch keinem Ingenieur oder Unternehmer von Starkstromanlagen überlassen, an unseren Leitungen derartige Arbeiten auszuführen. Nur das ist hier im S8 gesagt. Das wichtigste aber ent⸗= hält der S 10, der über die Kosten handelt, und die Kostenfrage ist diejenige, die eigentlich hier in Betracht kommt. Wir stimmen ganz mit der Schweiz und mit Ihnen überein, daß wir selber die Vorkehrungen treffen. So haben wir es in Halle und in Berlin gemacht, aber die Starkstromanlagen haben uns die Kosten ersetzt, und das ist die Hauptsache; das steht auch hier in dem schweizerischen Gesetz, in dem § 10 heißt es zuerst ganz allgemein, wer zuletzt kommt, hat die Kosten zu zahlen, und dann folgt wörtlich Folgendes:

Wird durch die Neuanlage einer elektrischen Linie (Starkstrom⸗ und staatliche Telegraphen⸗ oder Telephonanlage) die Aenderung einer schon bestehenden Linie nothwendig, so sind die hieraus ent⸗ stehenden Kosten, insoweit dieselben nicht in der Mangelhaftigkeit dieser letzteren Linie ihren Grund haben, in der Regel ausschließ—⸗ lich durch die Unternehmung der Neuanlage zu bestreiten.

Also, wer zuletzt kommt: mithin genau das, was der Antrag Bödiker will, den ich von vornherein anzunehmen erklärt habe.

Ich habe hier außerdem das Kreisschreiben, welches das betreffende schweizer Bundesraths Departement unter dem 14. Oktober 1890 über diese Starkstromanlagen erlassen hat, worin es folgendermaßen heißt ich bitte das hohe Haus um Vergebung, wenn ich Sie durch die Verlesung ermüden sollte; aber ich constatire, daß ich durch diese fortwährenden und immer wieder erneuerten Anfragen des Herrn Abg. Schrader zu dieser Verlesung gezwungen bin —:

Die längs einer Eisenbahn projectirten Draht- oder Drahtseil⸗ leitungen für elektrische Beleuchtung oder Kraftübertragung, sowie alle auf Stangen angelegten Starkstromleitungen überhaupt, sind in einem solchen Abstande von den an der Bahn befindlichen Telegraphen⸗, Telephon⸗ und Signalleitungen ꝛc. anzubringen, daß im Falle des Umstürzens einer oder mehrerer Stangen der einen Leitung eine gegenseitige Berührung der Starkstromdrähte und der Telegraphendrähte nicht stattfinden kann.

Wo ein solcher Abstand aus diesem oder jenem Grunde nicht eingehalten werden kann, ist auf eine unterirdische Kabelleitung Be⸗ dacht zu nehmen.

Staatsrath von M Vertreters vollständig an.

Das ist es, was wir wollen; weiter wollen wir nichts.

Wird die Bahn durch die Starkstromleitung gekreuzt, so ist diese unter dem Bahnplanum durchzuführen, und zwar in einer solchen Tiefe, daß die Arbeiten des Bahnunterhalts, wie das Unter⸗ krampen der Schwellen, die Erneuerung des Schotters u. s. w. ohne Gefahr für die Bahnarbeiter und ohne Beschädigung der betreffenden Leitung ausgeführt werden können. Ebenso muß die elektrische Starkstromleitung ohne Störung für die Bahn und deren Betrieb eingelegt, unterhalten und weggenommen werden können.

Wo die Starkstromanlage längs der Bahn, also parallel mit den Schwachstromdrähten läuft, ist behufs Vermeidung von Be⸗ einträchtigungen des Telegraphendienstes durch Hervorrufung starker Inductionsströme in den Telegraphendrähten die Hin- und Rück⸗ leitung der Starkstromdrähte parallel zu führen und die ganze Starkstromanlage möglichst gut von der Erde zu isoliren.

Also alles entscheidende Bestimmungen zum Schutze der Telegraphen und Telephone gegen die Starkstromanlagen, welche ja eine solche Gefährdung hervorrufen.

Ich kann Ihnen endlich ein amtliches Schreiben der schwei⸗ zerischen Telephonve rwaltung mittheilẽn, worin es heißt:

Es hat sich herausgestellt, daß die durch das Bundesgesetz vom 26. Juni 1889 der Telegraphenverwaltung übertragene Ueberwachung der Starkstromanlagen ausreichend ist, um eine Entwickelung beider Betriebe nebeneinander zu ermöglichen. In der Beilage übermachen wir dem Reichs-Postamte die über die Ausführung der bezüglichen Gesetzesbestimmungen bisher erlassenen Instructionen.

Das war das, was ich eben aus dem Kreisschreiben des Bundes⸗ raths⸗Departements verlesen habe.

Eine Störung des Telegraphenbetriebes ist bisher noch nirgends beobachtet worden, dagegen traten hie und da Störungen auf einzelnen Fernsprechleitungen auf, welche aber jeweilen auf einen Fehler der Starkstromanlage zurückgeführt werden konnten und deren sofortige Beseitigung dem betreffenden Unternehmer überbunden wurde. Waren durch solche Stö— rungen der Telegraphenverwaltung erhebliche Unkosten er— wachsen (durch Beschädigung der Apparate oder der Leitungen), so wurde der Unternehmer überdies zur Ersetzung derselben an— gehalten.

Im allgemeinen begegnen die Anordnungen zur Sicherung des beiderseitigen Betriebes keinerlei Schwierigkeiten weder von Seite der Unternehmer noch von Seite ihrer Auftraggeber. Die letzteren sind zur Einsicht gekommen, daß die staatliche Ueberwachung für sie von großem Werth ist, da dieselbe ihnen eine Garantie für die zweck— mäßige und solide Ausführung gewährt; auch wird durch die— selbe verhindert, daß die Anlagen verschiedener Unternehmer ein— ander schädigen oder verunmöglichen.

Und nun der Schluß:

Wenn die bisherige Erfahrung gezeigt hat, daß die bestehenden gesetzlichen Bestimmungen ausreichend sind, um eine gedeihliche Entwickelung der Starkstromanlagen und der Telegraphen— und Telephonleitungen neben einander zu sichern, so haben wir andererseits die Ueberzeugung gewonnen, daß ohne eine staatliche Ueberwachung nicht nur das Neben— einanderbestehen beider Betriebe ohne beiderseitige erhebliche Stö⸗ rungen unmöglich wäre, sondern daß auch die Entwickelung der Starkstromanlagen selbst nicht in dem Maße möglich gewesen wäre, wie dies thatsächlich der Fall ist. Es bestehen gegenwärtig 126 Starkstromanlagen in der Schweiz, welche der staatlichen Aufsicht unterstellt sind.

Also, meine Herren, das beweist doch nur ganz deutlich, daß das,

was ich angeführt habe, richtig ist, und daß wir mit dem Amendement Bödiker gerade das erreichen, was hier in der schweizerischen Gesetz— gebung gewährt ist. Sie hören, wie gut sie sich auch im Interesse der Starkstromleitungen bewährt hat.

Ich wiederhole: durch die langhingezogenen und in das Regal⸗

gesetz von Ihnen hineingetragenen Discussionen werden Sie höchstens erreichen, daß Sie der Industrie, für die Sie sich so lebhaft zu inter⸗ essiren scheinen, in welcher Beziehung die Regierung ja auf demselben Boden mit Ihnen steht, eigentlich mehr schaden als nützen.

Abg. Bödiker (Centr.): Wenn die Ansprüche der Telegraphen⸗

3 nicht festgestellt seien, dann würden sie am besten durch die ordent mehr als der Antrag Bar.

ichen Gerichte festgestellt; deshalb empfehle sich sein Antrag

Abg. Schrader (dfr.: Der Staatssecretär habe wieder ver⸗

gessen zu verlesen, daß die Kosten der späteren Anlage erlassen werden könnten, wenn es sich dabei um ein öffentliches Interesse handele.

Der Antrag Bödiker wird darauf mit großer Mehrheit

angenommen.

Nach § 76 erlangt das Reich durch dieses Gesetz keine

weitergehenden Rechte als die bisher bestehenden auf die Ver— fügung über fremden Grund und Boden.

Abg. Dr. Hammacher (nl) erklärt, daß diese Bestimmung

nur aufgenommen sei, um Beunruhigungen zu vermeiden.

Abg. Bödiker (Centr.) erklärt, daß unter Grund und Boden

auch die Häͤuser zu verstehen seien.

Abg. Schrader (dfr) hält die Bestimmung für überflüssig. S 7b wird angenommen.

Nach 8 8 soll das Gesetz für Bayern und Württemberg

mit der Maßgabe gelten, daß für deren Gebiete die Rechte des Reichs diesen Bundesstaaten zustehen und daß die Bestim⸗ mungen über die gesetzliche Festsetzung der Telegraphen⸗ und Telephongebühren auf den inneren Verkehr in diesen Bundes⸗ staaten keine Anwendung finden.

Die Abgg. Dr. von Bar (fr.) u. Gen. beantragen, das Gesetz

in Bavern und Württemberg nicht gelten zu lassen und, falls dies abgelehnt wird, den letzten Theil des 8 von „und daß“ bis zu Ende zu streichen.

Abg. Graf von Arnim (Rp.) tritt für diesen 8 8 ein, weil

dadurch die Reservatrechte Baverns geschützt werden.

Abg. Schrader (dfr.) empfiehlt den Antrag Bar. Wenn man

ein Reichs⸗Telegraphenmonopol schaffen wolle, dann solle man nicht zu gleicher Zeit für Bayern und. Württemberg ein Staats Telegra⸗ phenmonopo schaffen.

Dazu sei der Reichstag nicht da und auch arnicht berechtigt. Diese Reservatrechte müßten doch über kurz oder

ang fallen.

öniglich baverischer Bevollmächtigter zum Bundesrath Aber

Regierungs Rath Landmann erklart sich gegen den Antrag Bar; dadurch wolle man nur die baverische und württembergische Regierung mittelbar zwingen, auf ihre Reservatrechte zu verzichten; einem solchen Verfuch werde der Reichstag in seiner Mehrheit wohl nicht zustimmen.

Königlich württembergischer Bevollmãchtigter zum Bundesratb h von Mofer schließt sich den Ausführungen des baverischen

Abg. von Vollmar (Soc.): Von großer Tragweite sei die

ganze Sache nicht; es sei deshalb eigentlich zu verwundern, weshalb mit solchem Eifer für den 8 gekämpft werde.