1892 / 57 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 05 Mar 1892 18:00:01 GMT) scan diff

Schulschiff „Stosch'. Riedel, Corvetten Capitän, unter Ent⸗ bindung von dem Commando S. M. Panzerfahrjeug Sieg⸗ fried'᷑. zum Commandanten S. M. Schiffsjungen⸗Schulschiff „Rixe“, Draeger, Corvetten⸗Capitän, zum Commandanten S. M. Kreuzer⸗Corvette Arcona“, Stubenrauch, Gorv,. Capitän, unter Entbindung von der Vertretung des fehlenden Ausrüstungs Directors der Werft zu Kiel, zum Eommandanten S. M. Schiffsjungen— jungen⸗Schulschiff Gneisenau“, Gruner, Corv. Capitän, unter Entbindung von der Wahrnehmung der Geschäfte des Commandos der 2. Werft⸗Div, zum Eoömmandanten S. M. Panzerfahrzeug „Siegfried“. Schmidt, Corv. Capitän, unter Belassung in der Stellung als Commandeur der 1. Torpedo⸗Abtheil., zum Chef der Torpedoboots Flottille Schneider, Corv. Capitän, zum Comman⸗ danten S. M. Avifo „Zieteñ. Borcken hagen, Corp. Capitän, unter Enthindung von dem gommando S M. Avifo „Pfeil“, zum Commandanten S. M. Aviso Wacht , dp. Arndbidi, Corp. Capitän, zum Mitglied der Schiffs-Prüfunge⸗ commission, Fachmann, Corv. Capitän, zum Commandanten S. M. Vermessungsfahrzeug „Nautilus“, Obenheimer, Capitän Lt., unter Entbindung von der Wahrnehmung der Geschäfte des Präses des Torpedo⸗Versuchscommandos, zum Commandanten S. M. Aviso „Greif“, Hartmann, Capitän-Lt., zum Commandanten S. M. Ver⸗ messungsfahrzeug „Albatroß“, Grolp, Capitän⸗Lt., zum Chef einer Torpedoboots⸗Div,, Meyer 1, Capitän-Lt,, zum Commandanten S. N. Panzerfahrzeug ‚„Bremse“, Rollmann, Capitän⸗Lieutenant, zum Chef einer Torpedoboots-Division, Derzewski, Capitän⸗ Lieutenant, unter t h , n von dem Commando zur Dienstleistung beim Ober-Commando der Marine, zum Fommandanten S. M. Aviso „Grille“! ernannt. Ingenohl, Capitän-Lt,, unter Entbindung von der Stellung als Adjutant beim GCommando' der Marine⸗-Station der Nordsee, zum Stabe des Ober⸗ Commandos der Marine commandirt. Gerstung, Capitän-Lt., zum GCommandanten S. M. Panzerfahrzeug „Brummer“ ernannt. Güh⸗ ler, Capitän-Lt., als Adjutant beim Commando der Marine⸗-Station der Nordsee commandirt. Schutztruppe für Deut sch-Ostafxi ka.

Ax, Sec. Ct. a. D., bisher vom Rhein, Fuß⸗Art, Regt. Nr. 8, mit dem 8. März d. J. der Schutztruppe füt Deutsch-Ostafrika zu⸗ getheilt.

Deutscher Reichstag. 187. Sitzung vom Freitag, 4. März. 1 Uhr.

Am Tische des Bundesraths der Reichskanzler Graf von Caprivi, die Staatssecretäre Dr. von Boetticher, Freiherr von Maltzahn, Freiherr von Marschall und Hollmann sowie der Königlich bayerische Bevollmächtigte zum Bundesrath Graf von Lerchenfeld. ö

Präsident von Levetzow empfiehlt eine Reihe von Urlaubsgesuchen für längere Zeit dem Hause zur Bewilligung mit ausdrücklicher Anerkennung ihrer Begründung, dagegen die Ablehnung des vom Abg. Haerle (Vp.) wegen dringender Geschäfte für vierzehn Tage nachgesuchten Urlaubs. Das Haus beschließt demgemäß.

Auf der Tagesordnung steht die zweite Berathung des Etats des Auswärtigen Amts.

Beim Gehalt des Staatssecretärs kommt die von den Abgg. Dr. Barth (fr.) und Genossen beantragte Reso— lution zur J

Den Herrn Reichskanzler zu ersuchen, zu veranlassen, daß bei dem gegenwärtigen friedlichen Einvernehmen mit den auswärtigen Mächten Verhandlungen eingeleitet werden, welche zum Zweck haben, durch Uebereinkunft von Staat zu Staat die Freiheit des Privateigenthums zur See in Kriegszeiten zu einem ver— tragsmäßig anerkannten Grundsatz des Völkerrechts zu erheben.

Berichterstatter Abg. Pirinz von Arenberg (Centr.):: In der Commission sei an den Vertreter der verbündeten Regierungen eine Anfrage gerichtet wegen der Ausweisung des Zeitungscorrespondenten Eugen Wolff aus Ost-Afrika. Die Anfrage sei dahin beantwortet worden: daß die Ausweisung deshalb erfolgt sei, weil die Bericht⸗ erstattung des Herrn Wolff geeignet gewesen sei, erstens falsche Auf⸗ fassungen und Ansichten über die Colonialverwaltung in Ost-A Afrika nach Deutschland zu verbreiten, zweitens die Disciplin bei den dortigen Beamten zu erschüttern. Wegen der Rechtsfrage seien die Ansichten auseinander gegangen; da jedoch der Commission noch keine Petition oder Reelamation des Herrn Wolff vorgelegen habe, habe man in dieser Sache einen Beschluß nicht gefaßt. Eine andere Anfrage, wegen der Fertigstellung eines Auswanderungsgesetzes, sei dahin be⸗ antwortet worden, daß dieses Gesetz bereits dem Bundesrath vorliege.

Abg, Dr. Baumbach (dfr.): Schon bei der Berathung des Marine⸗-Etats vor einigen Tagen sei wiederholt die Frage gestreift, die auch diese Resolution behandele, nämlich, wie wichtig es sei, einen internationalen Schutz des Privateigenthums zur See ee ,, Der eigentliche Zweck der theilweise geschützten Kreuzer-Corvetten sollte sein, den inländischen Handel nach Ausbruch eines Krieges zu schützen und dem ausländischen möglichst viel Schaden zuzufügen. Derselbe Zweck sei auch bereits in der Denkschrift zu dem Budget für 1889/90 ausgesprochen, worin nicht weniger als sieben solcher Kreuzer⸗ schiffe verlangt worden seien. Der Betrag für ein solches Schiff be⸗ ziffere sich auf 6 700 000 6, und obwohl vier von ihnen etwas kleiner ausgeführt werden sollten, so bleibe doch die erforderliche Gesammtsumme von rund 47 Millionen Mark dieselbe. In der Denkschrift sei auch auf die bedeutenden Ausgaben hingewiesen, die andere Staaten zu gleichem Zwecke gemacht hätten. So habe England neben zehn Kreuzer⸗Corvetten A theilweise geschützte Kreuzer, Frankreich neunzehn, Italien fünfzehn, Spanien und Nordamerika je elf, Rußland vier. Warum diese großen Aufwendungen? Hauptsächlich darum, weil der Grundsatz des Völker⸗ rechts, daß das Privateigenthum des friedlichen Bürgers von der krieg— führenden Macht geachtet werde, im Seekriege noch nicht zur Geltung gekommen sei. In jenem Grundsatz liege ein außerordentlicher Culturfortschritt. Früher habe die Plünderung als ein gutes Recht im Kriege gegolten, aus dem dreißigjährigen Kriege werde eine An⸗ sprache des Grafen Mansfeld an seine Soldaten berichtet: Kinder, bei Todesstrafe ist es Euch verboten, Zweierlei wegzunehmen: glühen des Eisen und Mühlsteine, alles Andere könnt Ihr Euch aneignen. Im Seekriege 3 die Sache noch ähnlich, während durch das Militär⸗-Strafgesetzbuch und die Kriegsartikel die Plünderung im zandkriege unter Umständen mit. Todesstrafe bestraft werde. Es sei freilich nicht thunlich, ohne weiteres deutschersests mit den gleichen Bestimmungen für den Seekrieg vorzugehen; aber das Deutsche Reich sollte auf diesem hochwichtigen Gebiet die Initiative ergreifen und dahin wirken, daß auch im Seekriege jener voͤlkerrecht⸗ liche Grundsatz rechtens werde. Durch die Pariser Convention von 1856 sei die Privatcaperei wenigstens in Ansehung einer größeren Anzahl von Staaten beseitigt, die preußische Regierung habe sich an dieser Convention betheiligt, vom Deutschen Reich sei ihm nicht be⸗ kannt, daß es sich ihr inzwischen angeschlossen habe. Angenommen, das Deutsche Reich sei durch die Unterzeichnung Preußens in jene Convention eingeschlossen, so hätten sich doch nicht alle Staaten daran betheiligt. Immerhin bedeute die Convention einen wichtigen Fort⸗ schritt auf dem Gebiet des internationalen Seerechts; denn es sei infolge dessen heute der Satz rechtens: „frei Schiff, frei Gut“, während man früher gewöhnlich gesagt habe: frei Siff unfrei Gut“, Die Flagge decke heute die Ladung. Auch Spanien habe sich an der Pariser Convention nicht betheiligt. Dieser Umstand hätte möglicherweise verhängnißvoll werden können infolge des Karolinenstreites, der durch einen Schiedsspruch des Papstes beigelegt worden sei. Das sei zugleich für das Deutsche Reich, das we ü, durch völkerrechtliche Abmachungen Kriege ver— mieden zu sehen wünsche, ein interessantes Beispiel. Man pflege leicht über diejenigen etwas abfällig zu urtheilen, die die Kriege durch

internationale Entscheidung seltener gemacht sehen wollten. Die Theilnehmer an dem römischen interparlamentarischen Congreß seien wiederholt in der Presse und auch in einer ede des Reichskanzlers mit leisem Hohn bedacht worden: man habe von einer kleinen rn, ne einer Extrarenommirtaur gesprochen. Seine Parteigenossen seien nicht solche phantasti⸗ schen ideal angelegten, romantischen Leute, daß sie glaubten, 8 sei ng gewesen, auf der römischen Conferenz den ewigen Frieden einfach zu verkündigen und herbeizuführen, aber es sei doch nützlich, daß man der interparlamentarischen Lösung der Frage vor⸗ arbeite. Die geschichtliche Thatsache lasse sich nicht bestreiten, daß es im Laufe dieses Jahrhunderts möglich gewesen sei, eine Reihe wichtiger Fragen im Wege internationaler Schiedsgerichte zu löͤfen und den asus belli aus der Welt zu schaffen. Auch die Ver⸗ einigten Staaten hätten 6 jener Convention wegen Abschaffung der 2 nicht angeschlossen. Die Vereinigten Staaten hätten ekanntlich ihre Richttheilnahme an der Pariser Convention schwer ebüßt. Der Reichskanzler habe mit Recht in diesen Tagen auf die Alabamafrage hingewiesen. Es habe i in diesem Streite nicht um ein Kreuzerschiff gehandelt, sondern, soweit er sich erinnere, um drei solcher Schiffe, die in englischen Häfen gegen die Satzungen der Neutralität ausgerüstet worden seien und der Union den empfind⸗ sichsten Schaden zugefügt hätten. Das internationale Schiedsgericht, das in Genf getagt a habe bekanntzich England verurtheilt, der Union eine he nn ne von 155 Millionen Dollars zu zahlen. Nord-Amerika sei nicht grundsätzlich gegen die Abschaffung der Caperei gewesen, ihm sei vielmehr die Pariser Convention nicht weit genug gegangen, Nord-Amerika habe vorgeschlagen, daß das Privatvermögen der Bürger der kriegführenden Theile auf See frei von jeder Wegnahme durch die feindlichen Schiffe sein solle. England habe aber auf eine solche Bestimmung nicht eingehen zu können geglaubt, weil es damit ein wirksames Mittel aus der Hand gebe, auf die anderen Staaten im Falle eines Seekrieges einen nach— theiligen Einfluß auszuüben. Im Hause der Gemeinen sei wieder⸗ holt davon die Rede gewesen, daß die Prisengelder, die im Falle eines Seekrieges bezahlt werden würden, eine gewisse Anregung für die englische Marine involvirten. Dieser Standpunkt dürfte jetzt kaum mehr geltend gemacht werden. Jedenfalls bedürfe die deutsche Marine einer derartigen Anregung nicht. Man habe sich englischerseits aus einer solchen Wegnahme des Privateigenthums auf See einen weit— tragenden Einfluß bis in das Herz des feindlichen Landes hinein⸗ versprochen. Ein früheres angesehenes Mitglied dieses Hauses, H. H. Meier aus Bremen, habe aber darauf hingewiesen, daß heutzutage die Rhederei infolge der Kabeleinrichtung beim Ausbruch eines Krieges ihre Schiffe veranlassen könne, in den neutralen Häfen zu verweilen oder sie aufzusuchen. Außerdem sei jene Maßregel doch ein sehr zweischneidiges Schwert. England könne sich aus sich selbst nur auf vier Monate mit Getreide versorgen, und es habe aus diesem Grunde im Krimkriege bei der Blockade des Schwarzen Meeres sich verschiedene Häfen offen halten müssen. Inzwischen hätten sich auch namhafte englische Publicisten in dem Sinne aus— gesprochen, wie seine Partei, daß nämlich das Privgtei enthum zur See unverletzlich sein solle, mit einigen selbstverständlichen ö Wenn der Reichskanzler gewillt wäre, jenen publicistischen Arbeiten zu einer wirklichen Geltung zu verhelfen, so würde er sich lediglich auf dem Boden der traditionellen preußischen Politik bewegen. Schon 1785 habe Friedrich der Große ein ähnliches Abkommen mit Frank—⸗ reich geschlossen, 1792 seien die deutschen. Hansestädte ge—⸗ folgt. In der neuesten Zeit sei namentlich die Bremer Handelskammer in dieser Beziehung sehr thätig gewesen. Im Jahre 1866 habe Preußen ausdrücklich auf die Wegnahme von Privateigen⸗ thum auf hoher See verzichtet. Im Jahre 1870 sei derselbe Grund⸗ satz verkündigt worden. Leider sei von Frankreich die Gegenseitigkeit nicht gewährt worden, und die entsprechende Verordnung sei 1871 wieder zurückgezogen worden. Im Norddeutschen Reichstage sei im Jahre 1868 derselbe Antrag, damals gestellt, von dem freiconser— vativen Abg. Aegidi, beinahe einstimmig angenommen, den man heute verhandele. Ein um den Ausbau des Deutschen Reichs hochverdienter Mann, der damalige Staats ⸗Minister Delbrück, habe sich mit der Absicht des Antrags einverstanden erklärt. Heute lägen die Verhältnisse für die Durchführung des Antrags noch viel günstiger als damals. Das Reich habe eine ausgesprochene Friedens⸗ politik nach den feierlichen Versicherungen des Reichsoberhaupts, und auch der. Dreibund bewege ö auf der Grundlage fried— licher Bestrebungen. Es handele sich hier durchaus nicht etwa nur um einen deutschfreisinnigen Parteiantrag. Er könne auch auf einige Unterschriften aus dem Lager national—⸗ liberaler Mitglieder hinweisen. Er nehme an, daß der Antrag auch bei anderen Parteien Beifall finden werde, sodaß bei dem Reichs⸗ kanzler das Gefühl einer freisinnigen Unbehaglichkeit nicht zu ent⸗ stehen brauche. Er bitte ihn also, sich freundlich zu dem Antrage zu stellen. Es handle sich nicht nur um den Schutz des deutschen Handels und der deutschen Industrie, sondern auch um ein Problem, an dessen Lösung die gesammte eivilisirte Welt ein Interesse habe.

Reichskanzler Graf von Caprivi:

Der vorliegende Antrag ist ein altes Postulat der Kaufleute, und humaner Herzen aus allen Ständen, und auch die verbündeten Re— gierungen würden ihrem humanen Herzen nach dieser Richtung hin gern Luft machen, wenn sie sich zur Zeit einen Erfolg davon ver— sprechen könnten. Mit Vergnügen würde ich die Sache in die Hand nehmen, selbst wenn sie von der freisinnigen Partei allein, ohne die Unterstützung ihrer, ich glaube der vorsichtigere Ausdruck war, national— liberalen Freunde ausgegangen sein sollte; sehr gern würde ich die Sache in die Hand nehmen, sobald ich mir irgend einen Erfolg davon verspräche. Das aber ist zur Zeit nicht der Fall, ich würde im Gegentheil eher mich zu der Besorgniß neigen, daß, wenn die Frage jetzt Gegenstand internationaler Verhandlungen würde, die Verhandlungen ein Resultat haben könnten, das der Humanität noch weniger günstig wäre, als die Feststellungen, die wir seit dem Jahre 1856 als allgemeines Recht gelten sehen und gern gelten lassen, Feststellungen, die zwar nicht, wie mir wohlbekannt ist, unter der Betheiligung Deutschlands im Jahre 1856, sondern unter derjenigen Preußens zu stande gekommen sind, die aber Deutschland ganz und voll anerkennt.

Nun aber, warum ist es zur Zeit nicht wahrscheinlich, daß Ver⸗ handlungen nach der angedeuteten Richtung einen Erfolg haben? Der Abgeordnete hat richtig angegeben, daß wir im Jahre 1866 das Privat⸗ eigenthum auf hoher See haben schonen können; unsere Gegner thaten desgleichen. Im Jahre 1870 fingen wir, wie er ebenfalls zutreffend angeführt hat, dasselbe an; wir konnten es nicht durchführen, sondern wir mußten es fallen lassen. Wenn ich mich zunächst nur auf dem Boden der Literatur und der humanen Bestrebungen halte, so habe ich nicht den Eindruck, den der Herr Vorredner hat, daß seit dem Jahre 1870 die Richtung nach dieser Seite hin stärker geworden wäre, als sie etwa im vorigen Jahrhundert, aus dem er auch Beispiele angeführt hat, ge⸗ wesen ist. Auf dem Congreß internationaler Männer im Jahre 1882 man kann wohl doch voraussetzen, daß dieser Congreß von ganz humanen Männern besucht war, die sehr geneigt waren, billige Be⸗ schlüsse zu fassen, ohne sich um die Ausführung zu kümmern (Heiter— keitR, obwohl dieser Congreß von solchen Männern besucht war, hat er die Erklärungen in Bezug auf den Schutz des Privateigen⸗ thums zur See nur mit zehn gegen, wenn ich nicht irre, sieben Stimmen angenommen. Also selbst in solchen Congressen ist eine starke Minderheit dagewesen. Es ist eine hervorragende, unzweifel⸗ haft das deutsche Gemüth und den deutschen Sinn ehrende Erscheinung,

daß in der Literatur, die sich mit diesen Gegenständen beschäftigt, die Deutschen allemal in erster Linie stehen; auch heute noch, wenn ich die Zahl und das Gewicht der Stimmen, die sich über diese Dinge geäußert haben, gegen einander abwäge, habe ich, abweichend vom Abg. Baumbach, den Eindruck, daß auf Seiten der humanen Tendenz in der Hauptsache die Deutschen stehen, während die Vertreter der anderen Staaten mehr nach der anderen Seite gravitiren. Wie die Stimmung in England jetzt ist, wie in Amerika, in den gesetzgeben— den Körperschaften, bei den Regierungen, das weiß ich nicht; ob aber Amerika nach dem Jahre 1864 noch dieselbe Stellung einnehmen sollte, die es im Jahre 1856 eingenommen hat, das kann immerhin zweifelhaft sein.

Nun aber abgesehen hiervon, wenn weiter nichts vorläge, so könnte ja der Versuch doch immer der Mühe lohnen. In der That äber haben die realen Verhältnisse, die Entwickelung des Seehandels und die Veränderungen in den Mitteln der Seekriegsführung die Sachlage seit dem Jahre 1856 sehr geändert und haben sie geändert zu Ungunsten des Schutzes des Privateigenthums zur See. See— schlachten entscheiden sehr selten, werden entscheidend vielleicht nie in der Zukunft über das Schicksal von Staaten; sondern erst die Folgen der Seeschlachten sind das Entscheidende. Wenn zwei große Flotten den Kampf mit einander ausgekämpft haben, so ist an der Lage der beiden Staaten, die den Kampf kämpfen, nichts weiter geändert, als daß jeder von beiden einen größeren oder ge— ringeren Betrag seiner Kraft zur See eingebüßt hat. Auf die Nei— gung des in der Seeschlacht Besiegten, Frieden zu schließen, kann der Sieger nur auf zwei Wegen einwirken: einmal, wie der Herr Ab— geordnete richtig bemerkte, durch eine Landung im größeren Stil, und zweitens durch die Zerstörung des feindlichen Handels.

Nun hat der Herr Abg. Rickert neulich gemeint, es wäre ja nach dem Ende eines Krieges immerhin das Mittel anwendbar, daß man sich durch Milliarden an dem Anderen schadlos hielte. Dies Mittel ist doch nur anwendbar, wenn man zugleich einen Landkrieg führt, wenn man mit dem Staat, den man zur See bekriegt, auf dem Lande Nachbar ist. Wo diese Nachbarschaft nicht zutrifft, versagt das Mittel. Der Herr Abg. Baumbach hat die Möglichkeit, daß wir zu einem Kriege mit Spanien gekommen wären, hingestellt. Ich weiß nicht, wie wir uns Spanien auf einem anderen Wege hätten fühlbar machen wollen, als durch einen Seekrieg. Unsere Armee konnte nicht hin—⸗ kommen; eine Landung konnten wir nicht vornehmen. Wir konnten die Küste benagen, wir hätten im ührigen zur Zerstörung des feindlichen Handels schreiten müssen. Das wird in den meisten Fällen in Zukunft die Lage im Seekriege sein. Es wird der eine Theil trachten müssen, den Handel des anderen Theils zu zerstören. Dies Trachten wird um so nothwendiger sein, je mehr der andere auf seinen Handel angewiesen ist. Er kann darauf angewiesen sein, einmal in Bezug auf seine eigene Ernährung, dann aber auch in Bezug auf Rohproducte, die er nicht entbehren kann, um seine Industrie im Gang zu halten. Ich weiche von dem Herrn Abg. Baumbach in so fern ab, als ich der Anschauung bin, es kann die Zerstörung des feindlichen Handels im Seekriege ein unumgängliches Mittel bleiben, eben die ultima ratio, weil nichts Anderes da ist. „Es ist aber der Krieg ein roh gewaltsam Handwerk“, hat schon Schiller gesagt, und das zu Lande so gut wie zur See. Wer Krieg führt, will den Kriegs⸗ zweck erreichen, und wenn er energisch ist, erreicht er ihn unter An— wendung aller Mittel, und es wird zu diesem Zweck im Seekriege der Versuch, den feindlichen Handel zu zerstören, für denjenigen gehören, der die Mittel dazu besitzt. Daraus folgt weiter, daß die Stellung der Seemächte zu der Frage, die angeregt ist, eine sehr verschiedene sein kann, daß England, die größte Seemacht der Welt, eine ganz

andere Stellung dazu einnehmen kann, als kleinere Seemächte.

Das aber wird sich unter keinen Umständen behaupten lassen, daß Mächte, die mit einem Seekriege rechnen müssen, den sie nicht gegen ihre Nachbarn führen, geneigt sein würden, im entscheidenden Falle auf die Zerstörung des feindlichen Handels zu verzichten. Dazu kommt, daß es sich hierbei nicht bloß, wenn man vom Handel spricht, um das Gut, sondern auch um das Schiff handelt. Das Seebeute⸗ recht, wie es bisher besteht, umfaßt nicht bloß das feindliche Gut, sondern auch das feindliche Schiff. Was nun das Gut angeht, so kann sehr wohl ein Staat das Interesse haben, ohne sich dem Vor— wurf auszusetzen, wie er hier gemacht worden ist, daß er ein barbarisches System anwende, das Gut der feindlichen Bürger auf der See der Beschlag⸗ nahme zu unterziehen; während im Landkriege von dergleichen kaum die Rede sein kann, ohne daß man sich Vorwürfen aussetzt, wird nach meinem Dafürhalten die Möglichkeit nahe bleiben, daß Staaten dazu im Seekriege greifen. Es liegt das doch nicht so wesentlich anders als beim Landkriege, obwohl ich von Hause aus zugebe, daß zwischen See⸗ krieg und Landkrieg, zwischen Seehandel und Landhandel ein großer Unterschied vorhanden ist. Schreitet ein den Seekrieg führender Staat dazu, dem anderen Staat seinen Handel unterbinden zu wollen, so pflegt er damit anzufangen, daß er die Küste des Gegners blockirt. Es ist eine alte Frage, und die internationalen Rechts— lehrer haben sich den Kopf darüber zerbrochen, in der Praxis ist die Frage verschieden beantwortet worden: was ist eine effective Blockade? Von vorn herein ist zuzugeben, daß, selbst wenn ich eine Insel blockiren will, ich es nicht in der Weise thun kann, wie ich etwa eine feindliche Festung auf dem Lande blockire, sodaß keine Maus heraus oder herein kann. Bei bösem Wind und Wetter werden feind⸗ liche Schiffe, Blockadebrecher, immer durchkommen. Wenn nun der Blockirende Schiffe, die die Blockade durchbrechen wollen und unter feindlicher Flagge fahren, feindliches Gut an Bord haben, fortnimmt, ist das nun etwas so wesentlich Anderes, als was wir auf dem Lande thun würden? Wenn jemand während der Belagerung von Paris einen Extrazug ausgerüstet hätte, um Lebensmittel nach Paris zu bringen, so würden wir den einfach weggenommen haben. Genau dasselbe geschieht auf der See, wenn jemand Schiffe ausrüstet, um dem feindlichen Staat Mittel zuzuführen. Und wenn es auch nur Nahrungsmittel und Rohproducte wären für seine Industrie, die er nicht entbehren kann, so wird der Andere das Bestreben haben, sie wegzunehmen. Und wenn Staaten diese Tendenz im Kriege verfolgen, so würde ich eben sagen, sie bedienen sich nur der Mittel, die der Krieg ihnen an die Hand giebt. Ich würde darin aber keine, von der Weise, wie der Landkrieg geführt wird, abweichende Barbarei finden. Ich glaube doch, es ist vielfach dadurch, daß seit Nelson's Zeiten kein Seekrieg im großen Stil geführt worden ist, eine Vorstellung vom Seekrieg bei uns auf⸗ gekommen, die dessen Gewalt und dessen Kraft vielfach unterschätzt. Der Herr Abg. Rickert, der sich mit diesen Fragen ja mehr be⸗

schäftigt, wie viele Andere, hat, wenn ich mich nicht irre, neulich den Ausspruch gethan; warum sollten wir noch neue , e, ne. bauen, die eine Alabama! hãtte hingereicht. um den ganzen Handel in der höchsten Weise zu schädigen. Diese Verstellung ist schon heute von dem Herrn Abg. Baumbach in etwas rectifieirt worden. Er er⸗ fannte an, daß es drei Schiffe der Südstaaten gewesen wären; er hat sich aber nur auf die Schiffe beschränkt, die in England ausgerüstet waren. Im ganzen sind die Südstaaten im Besitz von 11 Kreuzern ge⸗ wesen. Und daß ein von solchen Kreuzern geführter Krieg colossale Relnl. tate haben kann, hat der Herr Abg. Baumbach selbst anerkannt. Er hat Zahlen angegeben. Ich glaube, es beläuft sich im ganzen auf z8 Millionen Dollars, was die Südstaaten durch die Kreuzer den Nordstaaten Schaden gethan haben. Sie haben den Dandel, riel mehr noch die Rhederei Nord Amerikas, bis auf den heutigen Tag ge— schãdigt dadurch, daß ein großer Theil der Rhederei in andere Hände überging. Im Jahre 1863 allein sind 348 Schiffe de nordamerika⸗ nischen Handelsmarine unter andere Flagge gegangen. Ist das einmal geschehen, hat ein Handel solchen Schaden erlitten, so erholt er sich schwer davon. . Ich bin also geneigt, vor einer Unterschätzung des Seekrieges in seiner ganzen Gewalt zu warnen. Sind Staaten eben auf dies Mittel angewiesen, so werden sie davon Gebrauch machen. . Der Herr Abgeordnete hat gemeint, die nordamerikanischen Staaten hätten es schwer gebüßt, daß sie der Convention von 1866 nicht beigetreten sind. Das habe ich nicht ganz verstanden. Die nordamerikanische Handelsmarine wurde geschädigt nicht durch eine Macht, die 1856 beigetreten oder nicht beigetreten wäre, sondern sie wurde durch Schiffe des eigenen Landes, das sich im Bürgerkriege ge⸗ spalten hatte, geschädigt. ö Ist nun das feindliche Gut schwerlich in dem Zukunftskriege überall vor der Hand des Feindes zu schützen, so gilt das noch in höherem Grade von den feindlichen Schiffen, nnd darin liegt ein tief⸗ gehender Unterschied gegen die Zeit Nelson's. Wenn früher ein Admiral auf. den Gedanken gekommen wäre, seine Kriegsflotte dadurch, daß er Handelsschiffe in die Kriegsflotte einstellte, zu verstärken, so würde er geringen Erfolg gehabt haben. Die Schiffe waren darauf nicht eingerichtet, nicht dazu gebaut, es wäre schwerlich etwas mit ihnen anzufangen gewesen. Heutzutage liegt die Sache ganz anders. In allen Oceanen fahren unter allen Flaggen große Schiffe mit schneller Ge⸗ schwindigkeit, Schiffe, die wohl geeignet sind, in der einen oder anderen Weise für den Seekrieg brauchbar gemacht zu werden.

Da giebt es eine Menge Zwecke; man kann sie zum Recognosciren brauchen, man kann sie auch mit Artillerie bestellen, man kann sie selbst im Kreuzerkriege brauchen, man kann sie zum Truppentransport verwenden. Solche Schiffe gab es nicht zu Nelson s Zeiten und diese Privatschiffe haben fast immer vor den Kriegsschiffen voraus, daß sie eine größere Geschwindigkeit haben; sie werden darauf gebaut, zwischen Bremen und New-Pork in sieben Tagen zu laufen J der Con⸗ strueteur hat ganz andere Ziele zu verfolgen, nämlich die Geschwindig⸗ keit und die Bequemlichkeit der Passagiere; der Militär-Constructeur muß, wenn er das Deplacement veranschlagt, das ihm zur Verfügung steht, für Artillerie, für Munition, für große Besatzung, für Torpedo⸗ wesen das Gewicht berechnen, er kann nicht bloß auf Geschwindigkeit construiren. Die Folge davon ist, daß Schiffe der Handelsmarine in der Geschwindigkeit fast immer der Kriegsmarine überlegen sein werden. .

Nun sprechen sehr viele und ich müßte, um dies näher aus— zuführen, einen längeren Excurs halten, als mir lieb wäre Rück⸗ sichten gegen den Gebrauch solcher Schiffe; aber wir sehen doch, daß die Mehrzahl der großen Seestaaten mit der Möglichkeit und Noth⸗ wendigkeit rechnet, solche Schiffe der Handelsmarine im Kriegsfalle dienstbar zu machen. Es ist das bekannt in Bezug auf die französischen Schiffe; die englische Admiralität führt Listen, die man die Admi— ralitätslisten nennt: Schiffe, die von englischen Rhedern gebaut werden, suchen die Gunst nach, in diese Admiralitätsliste aufgenommen zu werden, sie können aber dieser Vergünstigung nur theilhaftig werden einer Vergünstigung, die ihnen ein gewisses Renommée giebt wenn sie gewissen militärischen Bedingungen genügen.

Also auch in England wird der Gebrauch von Privatschiffen im Kriegsfall schon im voraus ins Auge gefaßt. Es ist ja bekannt, daß Rußland eine freiwillige Kreuzerflotte hat; das ist ja auch nichts Anderes, als die Tendenz, Privatschiffe für den Krieg auszunutzen.

Es geht also die Entwickelung dahin, im Seekriege Schiffe des Privathandels zu benutzen. Es bleiben die Schiffe nichtsdestoweniger Privatschiffe so lange, bis sie eine Flagge heißen, die kund giebt, daß sie von der Regierung als Kriegsschiffe anerkannt sind.

Aber glaubt man wohl, daß der Gegner diese Schiffe so lange ruhig durch den Ocean wird laufen lassen, bis der andere sie requirirt hat und zum Kriegsgebrauch einzieht? Nein, er wird das Bestreben haben, sich in den Besitz dieser Schiffe zu setzen, sie unschädlich zu machen, ehe es so weit kommt. .

Ich habe hiermit zeigen wollen, daß auch, abgesehen von aller Humanität, abgesehen von der Richtung, die die Geister in der Welt nehmen, sehr starke sachliche Gründe da sind, die es wahrscheinlich machen, daß man im Kriege das Privateigenthum auf der See auf keinen Fall mehr respectiren wird als bisher, und ich folgere daraus, daß es für die verbündeten Regierungen nutzlos sein würde, in Ver— handlungen mit anderen Regierungen in der beantragten Richtung einzutreten. (Bravo! rechts.)

Ahg. Dr. Hartmann (eons.): Es sei klar, daß ein großer Seekrieg durch die beiderseitigen Kriegsmarinen allein niemals so geführt werden könne, daß man dem Gegner den Lebensnerv derart treffe, daß er gezwungen sei, Frieden zu schließen. Schon aus diesem Grunde, meine er, könne der Reichstag die vorgelegte Nesolution nicht annehmen. Am besten . es, wenn die Antragsteller sich entschlössen, ihren Antrag zurückzuziehen, um nicht den Anschein zu erwecken, als ob der Reichstag ein Gegner der zu Grunde liegenden humanen Be— strebungen fei, was durchaus nicht der Fall sei. Alle Mitglieder wäünschten, daß das Privateigenthum der Deutschen auf allen Meeren geschützt sei; könnte man das durch den Antrag erreichen, dann würde seine Partei selbstverständlich für denselben stimmen. Der Antrag verlange unter allen Umständen zu viel. Leere Demon⸗ strationen aber möge, man dem Friedenscongreß in Rom überlassen, der Deutsche Reichstag müsse, sich davor hüten. Der Wunsch, das Franctireurwesen zur See nicht wieder aufkommen zu lassen, werde von recht vielen Staaten auch heute getheilt. Aber bisher schon sei es nicht möglich gewesen, ein Uebereinkommen zwischen Illen seefahrenden Staaten über diese Frage zu stande zu bringen. Bei den großen Veränderungen, die in den Verhältnissen eingetreten

seien, werde man die Hoffnung aufgeben müssen, daß letz mehr erreicht werden könne, als was 1856 durch die Pariser Convention

wegen des Caperwesens erreicht worden sei. Der Antrag gehe weit

darüber hinaus. Auf Blockadebrecher z. B. könnten doch unmöglich die Bestimmungen, welche die Resolution treffen wolle, Anwendung finden; ebensowenig auf Schiffe, die sich im Kriegsfalle in den Dienst der fremden . gestellt hätten, und auf. solche, die Contrebande führten. Alle diese Ausnahmen, berücksichtige die Resolution nicht, und er hoffe, die Antragsteller sähen selbst ein, 56 in dieser Un⸗ beschränktheit nicht angenommen werden könne. Mit Worten könne man den Schutz des deutschen Privateigenthums zur See nicht erreichen; man möge Thaͤten zeigen, man möge der Regierung bewilligen, was sie brauche, um den Handel zu schützen. Er hoffe, daß die Antrag⸗ steller in der dritten Lesung die Gelegenheit wahrnehmen würden, Thaten zu zeigen, wenn seine Partei den Antrag auf Bewilligung der Kreuzer⸗Corvette „K“ wieder einbringe.

Abg. Jebsen (nl): Er müsse seine große Verwunderung darüber aussprechen, daß in so vielen Jahren noch keine Anregung von der Regierung ausgegangen sei, um diese humanen Bestrebungen zu fördern. Er sehe auch gar nicht die Schwierigkeiten ein, die gegen den Antrag sprechen sollten. Wenn nur der gute Wille da sei, werde man sich leicht verständigen können. Die von dem Reichskanzler erwähnten englischen Schiffe der Admiralitätsliste seien keine gewöhn⸗ lichen Kauffahrteischiffe, die könnten ja auch ausgenommen werden. Zur Zeit Nelson's hätten die Verhaͤltnisse durchaus nicht anders gelegen als heute, das Verhältniß zwischen den Segelschiffen Nelson's und den Kauffahrteischiffen sei ganz dasselbe gewesen, wie zwischen den heutigen Kriegsfahrzeugen und den schnellfahrenden Privatdampfern. Wenn der Reichskanzler auf die Blockadebrecher Bezug genommen habe, so liege da die Sache ganz anders; diese und Contrebande führende Schiffe wolle man ja nicht schützen. Die ö seien schon zufrieden, wenn man so weit komme, daß ruhig ihres Weges fahrende Kauffahrteischiffe auf See, die von nichts wüßten, vor der Aufbringung geschützt seien. Er selbst sei 1870 bei Ausbruch des Krieges auf 3 gewesen, hätte da sein Schiff nun gleich dem Feinde in die Hände fallen sollen? Dagegen müsse es einen Schutz geben; es müßten Schritte gethan werden, um allseitig

anerkannten Uebelständen abzuhelfen, es müßten Unterscheidungen

getroffen werden zwischen Kriegsschiffen und Privatschiffen.

Abg. Dr. von Bar (dfr.):: Das Institut für internationales Recht, dessen Mitglied er sei, habe sich 1882 in München mit der zur Verhandlung stehenden Frage beschäftigt. Dort sei nicht nur von den Deutschen die Freiheit des Privateigenthums auf See angestrebt worden, sondern auch die Italiener und verschiedene andere seefahrende Nationen hätten sich dafür ausgesprochen; der Widerstand sei damals hauptsächlich von England ausgegangen. Die Ansichten Englands seien jetzt in dieser Frage ganz andere geworden; man habe eingesehen, daß, fo groß die Kriegsflotte Englands sei, sie keineswegs in der Lage sei, den englischen Handel in den weit ausgedehnten Colonien ausreichend zu schützen. Der Handel könne sogar durch, eine be⸗ deutend kleinere Fkotte erhebliche Verluste erleiden. Die Bauart der Schnellfahrer der Handelsmarine und der Kriegsflotte sei eine außerordentlich verschiedene; Sachverständige hätten gesagt, daß es nicht leicht sei, Kauffahrteischiffe im Kriegsfalle als Kriegs— schiffe zu verwenden, dagegen spreche die ganze Bauart der Schiffe, die sie für eine Kriegsausrüstung untauglich mache. Daß also aus dem Grunde, daß eine Unterscheidung zwischen Kriegeschiffen und Handelsschiffen nicht möglich sein solle, eine internationale Ver— einbarung nicht zu erreichen sei, glaube er nicht. Es verstehe sich ja von selbst, daß auf Blockadebrecher u. s. w. sich die Resolution nicht beziehe; besondere Ausnahmen wollten die Antragsteller auch zulassen. 1867 habe der Reichstag eine der heutigen gleichlautende Resolution angenommen; wenn man sie heute ablehne, thue man seines Erachtens einen Schritt. rückwärts. In der, ganzen übrigen Welt hätten sich die Ansichten durchaus auf die Seite estellt, welche die Freiheit des Pripateigenthums anerkenne. Man ö immer mehr zu der Erkenntniß, daß es nutzlos sei, im Falle eines Krieges dem Feinde an seiner Handelsflotte Schaden zuzufügen; man könne es also nicht gutheißen, Gewaltmittel da anzu— wenden, wo sie keinen Erfolg hätten. Alle Staaten, die nicht vollständige Binnenländer seien, könnten durch aus⸗ gedehnte Eisenbahnverbindungen auf kleinen Umwegen das Röthige sich herbeischaffen, was sie sonst zur See erhielten. Der einzige Schaden, der dadurch entstehe, sei nur der, daß die Schiffe, wenn die Freiheit des Pribateigenthums nicht gewährleistet sei, in einem neutralen Hafen liegen blieben, und die Kriegführenden ihren Seehandel für die Zeit ekwas einschränken müßten. Dieser Schaden sei jedoch nicht so bedeutend. Man möge daher die Forderungen der Humanität erfüllen und der Resolution zustimmen.

Abg. r. Orterer (Cent.): Es herrsche Einstimmigkeit darüber, daß die Absicht des Antrags eine humane und wohlwollende sei; aber die Ausführungen des Reichskanzlers hätten auf die hierbei so wichtige Rolle der internationalen Vereinbarungen ein ganz neues Licht geworfen, sodaß er den Antragstellern empfehlen möchte, die Sache für jetzt zurückzustellen. Die Stellung der Regierung sei hierbei maßgebend, diese veranlasse ihn zu seiner Bitte; ob in abseh⸗ barer Zeit die Verhältnisse dem Antrage günstiger sein würden, könne er nicht beurtheilen. Sollten die Äntragsteller es aber zu einer Abstimmung kommen lassen, so werde er mit dem, größten Theile feiner Freunde nicht in der Lage sein, für die Resolution zu stimmen.

Abg. Dr. Barth (dfr.): Der Reichskanzler sage, daß die gegen⸗ wärtige politische Lage den von den Antragstellern gewünschten Ver⸗ handlungen nicht günstig sei daß dies aber der Fall sei, sei die Voraussetzung der Resolution. Sie seien gerade überzeugt gewesen, daß der jetzige Zeitpunkt der Resolution günstig sei, weil in den beiden hauptsächlich in Betracht kommenden Ländern, England und Nord⸗Amerlika, die öffentliche Meinung sich der Unantast arkeit des . im Seekrieg günstiger zeige, und weil in diesen

eiden Ländern die Gesetzgebung auf die öffentliche Meinung wesent⸗ liche Rücksicht nehme. Hier wichen die Antragsteller also von dem Reichskanzler ab. Die Resolution solle durchaus keine leere De⸗ monftration sein, auch der Norddeutsche Bundestag habe es für keine Demonstration gehalten, als er 1868 eine der heute beantragten wörtlich gleichende Resolution fast einsätimmig angenommen habe, wobei übrigens der Staats⸗Minister Dr. Delbrück, erklärt habe, die Regierung stehe der Sache sympathisch gegenüber. Damals habe man allerdings unter dem Eindruck, des kurz vorher erst beendeten nordamerikanischen Secessionskrieges gestanden. Da⸗ mals habe die Kriegsflotte der Vereinigten Staaten deren Handels⸗ flotte nicht gegen Beschädigungen durch feindliche Kriegsschiffe, nament⸗ lich durch die „Alabama“, schützen können, Das habe auf den Gang des Krieges aber gar keinen Einfluß gehabt, sogar noch zu internatio— nalen Verwickelungen zwischen der amerikanischen Union und Groß britannien geführt, und daraus habe sich die Stimmung für den Schutz des Privateigenthums zur See entwickelt; der Reichskanzler habe alfo unrecht, wenn er meine, seit 1856 sei die Stimmung der in a. kommenden fremden Mächte eine un ünstigere geworden. Der deichstag sollte nach dem Antrage dem Reichskanzler ein Mandat ertheilen, internationale Vereinbarungen in Angriff zu nehmen zwingen könne man den Reichskanzler natürlich nicht dazu. Da nun viele Reichstagsmitglieder unter diesen Umständen gegen diese Man— datsertheilung stünmen würden, trotzdem sie im Herzen für die Re⸗ solution seien, die Abstimmung also nicht die volle Zahl der dem Antrag günstigen Abgeordneten erkennen lassen würde, ziehe er für feine Perfon den Antrag zurück, in der Annahme, daß sich seine Mit⸗ antragsteller ihm darin anschließen würden. Er behalte sich aber vor, den Antrag bei geeigneter Zeit wieder vorzubringen.

Abg. Hr. Baumbach (dfr.): Nach erfolgter Zustimmung der übrigen Mitantragsteller schließe er sich in deren Namen dem Abg. Dr. Barth bezüglich der Zurückziehung des Antrags an und behalte sich vor, bei gelegener Zeit darauf zurückzukommen.

Abg. Rickert g Es sei in der , re nu er⸗ wähnt, daß in der Angelegenheit der Ausweisung des Herrn Wolff eine Petition eingehen werde; er möchte . ob sie eingegangen fei, und rechne darauf, daß man bei ihrer Berathung die in der Com- mission begonnene Besprechung rie Sag fortsetzen werde. .

Abg. Büsing (nl): Eine syolche Petition sei allerdings ein⸗

gelaufen und der Petitionscommission überwiesen worden, es seien

auch schon die Berichterstatter dafür bestellt, zur Verhandlung in der Petitionscommission sei die Sache noch nicht gekommen. 3.

Darauf wird das Gehalt des Staatssecretärs bewilligt, ebenso die übrigen Ausgaben des Auswärtigen Amts.

Beim Kapitel Gesandtschaften, Konsulate 2c. bemerkt: ; . ,

Abg. Dr. Hammacher (nl): Bei der jetzigen Organisation des Konsularwesens würden häufig Konsuln versetzt, weil sie nach ihren dienstlichen Verhältnissen Anspruch auf Beförderung hätten; das rufe nicht nur Kosten hervor, sondern schädige auch den Dienst, denn eine gute Wahrnehmung der Konsulatspflichten sei nur dann möglich, wenn die Konsuln möglichst weitgehende Kenntniß der Verhältnisse ihres Bezirks hätten, und dem wirkten die wiederholten Versetzungen ent— gegen. Er möchte also dem Staatssecretär anheimgeben, diese Miß⸗ staͤnde, die sich ührigens nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen europäischen Staaten geltend machten, durch Aenderung des Konsulatswesens zu beseitigen. In Frankreich sei eine n hen. Vorlage an die Kammer gelangt, vielleicht lasse sich die Sache hier in derselben Weise regeln.

Staatssecretär Freiherr von Marschall:

Ich kann nur dem geehrten Herrn Vorredner die Versicherung wiederholen, die ich bereits in der Commission abgegeben habe, daß meine Verwaltung sehr gern die Frage nochmals in Erwägung ziehen wird, deren Bedeutung sie vollkommen anerkennt.

Der geehrte Herr Vorredner hat bereits die großen Schwierig— keiten geschildert, mit denen das Auswärtige Amt dabei zu rechnen hat. Es ist ja gewiß in hohem Grade wünschenswerth, daß ein Konsularbeamter möglichst lange auf seinem Posten verbleibt, weil er nur dann, wenn er die wirklichen Verhältnisse übersieht, dem Deutschen Reiche nutzbar sein kann. Auf der anderen Seite bestehen eine Menge von Rücksichten, die unter Umständen so zwingender Natur sind, daß die Verwaltung nicht Widerstand leisten kann. Es sind Fragen der Aneiennitet, Fragen der Gesundheit, mitunter auch andere persönliche Wünsche, denen man doch in gewisser Hinsicht Rechnung tragen muß. Im allgemeinen besteht aber schon jetzt der Grundsatz bei der Verwaltung des Auswärtigen Amts, daß ein Konsularbeamter so lange wie möglich auf seinem Posten belassen wird, und auch dann, wenn seine Versetzung nothwendig wird, dieselbe womöglich an einen Ort derselben wirthschaftlichen Zone erfolgt, damit er die Kenntnisse, die er erworben, wieder nutzbar machen kann.

Abg. Dr. Bgmberger - (dfr. : Er sei selbstverständlich auch der Ansicht, daß der Wechsel in dem Konsulatspersonal nach Möglichkeit eingeschränkt werde, bitte aber die Regierung, sich zu diesem Zwecke nach ö Gesetzentwurf nicht zu richten. Man mache sich nämlich viel zu große Vorstellungen von dem Nutzen, den die Konsuln dem Handel bei Anbahnung neuer Verbindungen bringen könnten; die Konsuln hätten wesentlich die Aufgabe, den Deutschen im Auslande Schutz zu gewähren. Der französische Gesetzentwurf gehe aber von der Annahme aus, die Konsuln seien wesentlich zur An— bahnung neuer Handelsbeziehungen da, und darum sei dieser Gesetz— entwurf für Deutschland ungeeignet. -

Abg. Dr. Ham macher (nl. : Er habe natürlich diesen Gesetz— entwurf, nur soweit empfohlen, als seine Einzelbestimmungen für Deutschland geeignet seien; an sich beziehe er sich nur auf die Orga— nisation des Konsulatswesens. Allerdings dürfe man sich von der Wirksamkeit der Kensuln für den Handel keine zu großen Vor— stellungen machen, aber er könne aus eigener Erfahrung bestätigen, daß, wie die Gesandten und Botschafter, so auch namentlich die Kon⸗ suln, durch Unterstützung der Privaten dem Handel doch große Förde— rung zu theil werden ließen. . .

Abg. Szmulg Centr. ) Er glaube, man sollte die Konsuln dahin anweisen, daß sie dem Handelsberkehr neue Wege, der Industrie neue Absatzgebiete zu schaffen sich bemühten. Wie das möglich sei, lehre ein Vorkommniß aus der jüngsten Zeit. In Teheran hätten England und Rußland wegen der Baumwolleneinfuhr gewetteifert, Rußland habe aber die Oberhand bekommen, und nun hätten die Engländer ihrem persischen Konsulat Linen Techniker der Baum⸗ wollenfabrikation beigegeben, der, den Geschmack der Perser studirt, diesem Geschmack entsprechende Zeichnungen entworfen, diese nach Eng— land gesandt habe, wo dann die Anfertigung gemacht und danach in Persien der Absatz gestiegen sei. So empfehle es sich auch für Deutsch⸗ land, den Konsulaten, namentlich im Orient, Techniker der für das betreffende Land wichtigen Industrien beizugeben. Ferner sei zu be⸗ klagen, daß Deutschland in Rußland zu wenig Konsulate habe das Konsulat Moskau habe einen Bezirk, der dreimal so groß sei wie ganz Deutschland. sodaß der Konsul den einzelnen Industrien viel zu, wenig Interesse widmen könne. In der berühmten Messestadt Nischny Nowgorod, wo auf der jährlichen Messe hunderte von Millionen umgesetzt würden und deren Handel sich über 6. Sibirien erstrecke, habe. Deutschland keinen Konsul; äätte es dort einen solchen, so würde es auch an diesem Handel betheiligt sein, trotz des Abschließungssystems Rußlands, und würde von diesem Handel, wohl großen Vortheil haben. Er bitte also die Reichsregierung, im Osten mehr Konsulate mit technischen Berathern einzurichten. Namentlich in Täbris und Bender-Buschir würden solche Konsulate sehr erwünscht und nutzbringend sein.

Staatssecretär Freiherr von Marschall:

Alles, was der geehrte Herr Vorredner von unseren Konsulaten wünscht, geschieht schon heute. Es haben die Konsulate die allgemeine Instruction, nach allen Richtungen hin die Interessen des Deutschen Reichs zu vertreten und in ihren Berichten ins⸗ besondere auf alle neuen Erscheinungen auf dem auswärtigen Markte, die für unsere Interessen von Bedeutung sein können, auf— merksam zu machen. Das geschieht auch in ausgedehntem Maße, und ich glaube, daß die Herren, die Mitglied einer Handelskammer sind, mir bestätigen werden, daß die Berichte unserer Konsuln, die wir diesen mittheilen, ein reiches und bedeutsames Material für den Handel darbieten.

Was die Verhältnisse in Persien betrifft, so ist dort unser gegenwärtiger Gesandter in Teheran zugleich General-Konsul. Wir haben das Recht, auch in Tabris und Benderbuschir Konsulate zu errichten, es ist aber ein Bedürfniß nach dieser Richtung bis jetzt nicht hervorgetreten.

Was der geehrte Herr Vorredner uns von der Thätigkeit des dortigen englischen Konsuls erzählt, ist nach unserm Bericht im ganzen zutreffend; daraus aber folgt etwas Weiteres nicht, als daß der englische Konsul dort seine Pflicht gethan hat, aber keineswegs, daß der deutsche General⸗-Konsul seine Pflicht nicht gethan hat. Wir sind vollkommen auf dem laufenden über das, was in Persien auf wirthschaftlichem Gebiet geschieht, und wir ermangeln nicht, alle diese Berichte den Interessenten zukommen zu lassen, für die das betreffende Material von Bedeutung ist.

Was unsere Konsulate in Rußland betrifft, so kann ich nicht zugeben, daß in dieser Beziehung etwas von unserem Konsul versäumt worden sei. Wir haben von der Thatsache der russischen Mißernte genau in dem Augenblick Kenntniß bekommen, wo es fest⸗ stand, daß eine Mißernte in einer Reihe von Gouvernements ein— getreten war. ö

Abg. Dr. Bamberger al Daß der englische Konsul in Teheran doch nicht immer so mustergültig verfahren habe, beweise die

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