auf sein Betreiben vorgenommene Einführung des Tabackmonopols, die zu großen Verfolgungen von Europãern geführt habe; hätte der Konful die Verhältnisse richtig erkannt, so hätte er merken müssen, daß das Monopol fehr unpopulär sei. Uebrigens lieferten die Konsuln ja sebr interessante Berichte — r lꝗse sie immer gern. aber für den Handelsverkehr seien diese Berichte nur wenig fruchtbar. Die Konfuln — die deutschen nehme er aus — hätten viel dazu beige⸗ tragen, daß sich europäisches Kapital an ungünstigen Anlagen be⸗ heiligt habe, so z. B. an argentinischen, merikanischen u. dergl. An⸗ leihen. Die Konfuln hätten geglaubt, ihre Länder an dem Wett⸗ bewerb bei diesen anscheinend sehr günstigen Kapitalanlagen betheiligen zu sollen, und ohne diesen Wettbewerb wäre den in Betracht kom⸗ znen den Landern! gar kein Credit gewährt, worden. Uebrigens seien die vom Abg. Szmula so sehr gewünschten Berichte der Konsuln für den Handel, darum von, keinem erheblichen Werth. weil diese im „Handelsarchiv⸗ veröffentlichten Berichte nie so schnell den Verhaͤltniffen sich anschmiegen könnten, wie die Berichte der Presse, die heutzutage über alle interessirenden Verhãltnisse im Ausland schleunigst und eingehendst unterrichteten. Diesen Mitthei⸗ lungen der Presse kämen die Konsularberichte regelmäßig erst nach. Abg. Szmula (Centr.): Er, habe nur gewünscht, daß den Konsuͤln kaufmännisch gebildete Beiräthe gegeben würden, namentlich in Rußland, wo es schon wegen der Schwierigkeit der Sprache schwer sei, sich an der Hand des amtlichen Materials über die Verhältnisse genügend zu unterrichten. Der Konsul in Warschau habe vielleicht nicht ganz feine Pflicht gethan, indem er die Regierung nicht von dem Anschluß an die Berner Convention abgemahnt habe, durch welche die nützliche Thätigkeit der Zwischenspediteure an den Grenzen be— seitigt worden sei. Dadurch sei der deutsche Handel an der russischen Grenze zurückgegangen. Die Nachrichten der Presse seien nicht maß⸗ gebend. Die russische Presse habe lange über den Nothstand ge— schwiegen. Je größer die Anzahl der deutschen Konsuln sei, desto
besser fei es für den Handel.
Staatssecretär Freiherr von Marschall:
Dem Herrn Abg. Dr. Bamberger erwidere ich, daß der handels⸗ politische Werth der Berichte unserer Konsuln nicht in den Berichten liegt, die im „Handels-Archiv“ veröffentlicht werden, sondern in den jenigen, welche unseren Handelskammern und einzelnen Interessenten mitgetheilt werden. Ich könnte hier Beispiele anführen, wo gerade durch derartige Berichte, welche wir den Interessenten haben zu⸗ kommen lassen, dieselben in der Lage waren, ganz werthvolle und nützliche Handelsbeziehungen im Auslande anzuknüpfen.
Was nun die Bemerkungen des Herrn Vorredners betrifft, so habe ich aus denselben entnommen, daß er mit dem gegenwärtigen Stande unseres Konsulatswesens in Rußland nicht zufrieden ist. Es ist sehr schwer, auf derartige allgemeine Klagen zu antworten. Ich ann nur eins sagen. Ich möchte dringend davor warnen, daß wir unseren Konsuln bestimmte Beiräthe geben mit der Verpflichtung, diese Leute und niemand anders zu hören. Ich halte es für durchaus wesentlich für eine ersprießliche Thätigkeit eines Konsuls, daß er voll—
kommen frei ist bezüglich der Quellen seiner Informationen. (Sehr
richtig!)
Der geehrte Herr Vorredner hat dann davon gesprochen, daß unser General-Konsul in Warschau doch nicht vollkommen seine Pflicht gethan haben könne, indem er uns nicht von dem Abschluß des Berner Uebereinkommens abgemahnt habe. Aus dem weiteren Verlauf seiner Ausführungen habe ich entnommen, daß er wohl das Uebereinkommen über den Fracht— verkehr meint. Da muß ich offen gestehen: ich sehe nicht ein, welchen Einfluß ein Bericht des General-Konsuls in Warschau auf die Hal⸗ tung der verbündeten Regierungen bezüglich dieses Berner Ueberein⸗ kommens hätte haben können. Meines Wissens hat der General— Konsul in Warschau sich über diese Frage gar nicht geäußert, und wir haben auch in keinem Moment Anlaß gehabt, ihn zu einer gutacht— lichen Aeußerung darüber aufzufordern.
Das Kapitel wird bewilligt.
Unter den Allgemeinen Fonds sind 500 000 6 (bis⸗ her nur 18 000 46) zu geheimen Ausgaben angesctzt.
Berichterstatter Alg gn von Arenberg (Centr.) berichtet Über die Verhandlungen der Commission, in welcher die Mehrforderung namentlich mit Rücksicht darauf bewilligt sei, daß nach den Erklärungen der preußischen Regierung der sog. Welfenfonds künftig nicht mehr für die geheimen Ausgaben des Reichs zur Verfügung stehen werde. Man habe allgemein einen Fortschritt darin erkannt, daß das Reich nicht mehr aus der trüben Quelle des Welfenfonds zu schöpfen brauche. Ueber die Verwendung der geheimen Fonds sei von der Regierung die Mittheilung gemacht, daß ein Theil zu militärischen Zwecken ge— braucht werde.
Abg. Rickert (dfr): Materiell sei man in dieser Frage einig, seine Partei habe die geheimen Fonds für das Auswärtige Amt, im Militär-Etat und im Marine-Etat niemals beanstandet, weil sie an⸗ erkenne, daß jede Regierung solche Fonds haben müsse. Es handle sich hier lediglich um eine Verschiedenheit, um die Höhe des Betrages. Bisher habe das Auswärtige Amt jährlich aus dem Welfenfonds un— gefähr dieselbe Summe bekommen, die hier gefordert werde. Er habe bedauert, daß der Reichskanzler im Abgeordnetenhause am 29. April vorigen Jahres die Frage des Welfenfonds mit dieser Position in Verbindung gebracht habe. Die preußische Regierung sei verpflichtet, die Frage des Welfenfonds zu lösen, gleichviel, was hier im Reiche geschehe. Wenn die Regierung die Nothwendigkeit der Erhöhung der geheimen Fonds nachweife, werde sich schwer eine Mehrheit finden, welche die Erhöhung ablehne. Der Reichskanzler habe aber im Abgeordnetenhause gesagt: „Eher können wir auf den Welfenfonds nicht verzichten, als bis uns höhere Summen im Reich zur Ver— fügung gestellt werden. Wir würden einen Theil unserer Politik zum Stillstand bringen und Folgen herbeiführen, für die wir die Verant⸗ wortung nicht übernehmen können, wenn wir nicht, ehe wir das Geld aus dem Welfenfonds aus der Hand geben, in den Betz eines anderen Fonds gesetzt sind. Allerdings ständen in anderen Staaten erheblich größere Summen für geheime Zwecke zur Verfügung, aber der Ver— gleich mit ihnen passe nicht vollkemmen. Der Staatssegretär des Auswärtigen Amts habe in der Commission erklärt, er könne über den Welfenfonds nichts sagen, da er sein Ressort nichts angehe, nur werde nach einem Schreiben des preußischen Minister⸗-Präsidenten das Auswärtige Amt keinen Pfennig mehr aus dem Welfenfonds erhalten. Für diese Fälle müsse im Reich Fürsorge getroffen werden. Seine Partei habe versucht, nech weitere Auskunft zu erhalten, habe sie aber nicht bekommen. Sie habe nur die Aufklärung erhalten, daß das Auswärtige Amt für keinerlei innere Zwecke, auch nicht zur Unter⸗ stützung inländischer Organe, für offiziöse. auswärtige Correspon⸗ denzen, Telepraphenbureaus u. dgl. irgend welche Unterstützung gezahlt habe. Nach den Mittheilungen des Staatssecretärs müsse man auch annehmen, daß es in Zukunft ebenso gehalten werden solle. Diese Auskunft wegen des Welfenfonds sei jedoch nicht genügend. Er möchte daher den Reichskanzler bitten, . er hier größere Gewißheit und Sicherheit über die zukünftige Gestal⸗ tung des Welfenfonds in der Hinsicht gebe, daß neben diesen 500 000 M in Zukunft aus dem Welfenfonds Beträge zu demselben Zweck unter keinen Umständen mehr gegeben würden. . möchte er den Wunsch aussprechen, daß in nächfter Zeit dem preußischen Landtag das bereits in der Thronrede angekündigte Gesetz vorgelegt werde, wodurch be— stimmt werde, daß vom 1. April 1892 ab kein Betrag für irgend⸗ welche politischen Zwecke aus dem Welfenfonds hergegeben werde. Hl die Auskunft befriedigend aus, so trage er kein Bedenken, diese erhöhte Summe zu bewilligen. Ausschlaggebend sei dabei für ihn der Wunsch, daß die Frage des Welfenfonds, dieser Punkt, an dem das ganze
preußische Volk seit Jahren einen tiefen Anstoß genommen habe, endlsch in einer den Wünschen der Staatsregierung und des gesammten preußischen Volks entsprechenden Weise erledigt werde. Sollte man sich trotz der Zusage der preußischen Staatsregierung darin, irren, so würde man immer im stande sein, im nächsten Jahre die Summe wieder zu streichen.
Reichskanzler Graf von Caprivi:
Ich erkläre erstens, daß vom 1. April dieses Jahres ab das Reich keinen Pfennig mehr aus dem Welfenfonds bekommt,
zweitens, daß neben den 500 000 (, die hier im Kap. 6 Tit. 4 gefordert sind, in Zukunft keine Beträge zu dem Zweck aus dem Welfenfonds bezahlt werden.
Ich erkläre drittens, was nach meiner Ueberzeugung überflüssig ist, da es schon in der Thronrede steht, aber zur Beruhigung des Herrn Abg. Rickert, daß die Staatsregierung ernstlich damit be⸗ schäftigt ist und daß ich das Resultat in nicht ferner Zeit für erreichbar halte, eine anderweitige gesetzliche Regelung für die Ver— waltung des Welfenfonds herbeizuführen. (Lebhafter Beifall.)
Abg. Graf von Balle strem (Centr.): Er und der größte Theil feiner politischen Freunde würden für, diese Position stimmen. Sie halte einen solchen Fonds auf dem auswärtigen Gebiet für durch⸗ aus nothwendig und auch seine . für angemessen. Für sie komme auschließlich der Umstand zur Erwägung, daß die Preußische Regie⸗ rung einen Fonds, den sie früher zu diesem Zweck zur Verfügung gestellt habe, vom 1. April d. J. ab zurüctziehe. Es wäre nach seiner Ansicht gar nicht nöthig gewesen, auf die Natur dieses Fonds hier ein⸗ zugehen. Da dies ch geschehen, so könne er nur seine Freude über die Erklärungen des Reichskanzlers und die Hoffnung aus⸗ sprechen, daß die Löfung dieser Frage nach den ewigen Regeln der Gerechtigkeit erfolge.
Äbg. von der Decken (b. k. F): Er verlange von der Re⸗ gierung eine bestimmte Erklärung, daß seine politischen Freunde nicht mittelbar durch diesen Fonds bekämpft würden. Es stehe fest, daß bis auf den heutigen Tag aus dem Welfenfends Mittel in die Reichskasse geflossen seien zur Befriedigung, von Bedürfnissen, die mit Ungriffen des Königs Georg nichts zu thun hätten. Dadurch sei ein Theil des Welfenfonds Neichssache geworden, und man habe zu untersuchen, wie sich das Reich zu dieser Angelegenheit stelle. Was habe denn der König Georg gethan, was hätten insbesondere diejenigen deutschen Fürsten dem König Georg vorzuwerfen, die einst mit ihm gestritten und gelitten hätten? Man wisse, daß in der Krisis von S6 Hannover ihnen eine peinlich gewissenhafte, treue Bundes— genossenschaft gehalten habe. .
Präsident von Levetzow: Der Welfenfonds habe mit Deutsch⸗ land nichts zu thun, sondern mit der preußischen Verwaltung, und wenn die preußische Verwaltung aus dem Welfenfonds an die Reichsregierung hin und wieder Mittel hergegeben habe, so berechtige . nicht, eine allgemeine Besprechung über den Welfenfonds hier zu führen.
Abg. v. d. Decken (b. k. F.): Der der politischen Entwickelung eng zusammen.
Präsident von Levetzow: Der Welfenfonds gehöre überhaupt nicht hierher.
Abg. v. d. Decken (b. F F.:; Der Abg, Rickert habe soeben in diefer Beziehung eine Interpellation an den Reichskanzler gerichtet und der Reichskanzler habe sie beantwortet. Er sei also durchaus berechtigt, auch hier über den Welfenfonds zu sprechen.
räßfident von Levetzow: Herr Abgeordneter, darüber, was zur Sache gehört, entscheidt der Präsident und nicht Sie!
Abg. bon der Decken (b. k. F.): Er könne doch jedenfalls über diejenigen Mittel sprechen, die noch in der Reichskasse geblieben feien. Jedenfalls flössen bis zum 1. April aus dem Welfenfonds Mittel in die Reichskasse, und der Präsident werde ihm also gestatten müssen, daß er die Natur dieses Welfenfonds hier beleuchte. Nachdem König Georg Land und Leute verloren habe, habe es die preußische Regierung doch für unmöglich gehalten, ihm sein Privatvermögen porzuenthalten. Demzufolge sei ein Vertrag abgeschlossen worden. Kaum aber sei der Vertrag untersiegelt worden, so sei auch schon die Beschlagnahme des Vermögens erfolgt, während auf der anderen Seite der König Georg vertragsgetreu die Bedingungen erfüllt habe.
Präsident von Levetzow: Er frage den Redner, inwiefern seine Ausführungen mit der Reichsregierung zusammenhingen; er richte seine Worte doch ausschließlich an die preußische Regierung, und diese könne doch hier im Reichstage nicht angegriffen werden.
Abg. von der Decken (b. k. F.: Er müsse in dieser Beziehung eine vorgreifende Bemerkung machen, um den verderblichen Charakter des Welfenfonds klarzustellen.
Präsident von Levetzow; Er müsse dabei bleiben, daß, wenn der Welfenfonds einen verderblichen Charakter habe, die Reichsregierung
daran ö. nicht betheiligt sei. ⸗ l Gerade weil der Welfen—
Abg. von der Decken (b. k. 5. ö fonds einen verderblichen Charakter habe, so wolle er zu dem Petitum
kommen, daß alles geschehen müsse, daß die Reichsregierung die Mittel aus ihrer Tasche wieder los werde. Er komme also auf den Welfen— fonds wieder zurück. Die Beschlagnahme sei erfolgt —
Präsident von Levetzow: Sie fangen immer wieder da an, wo Sie aufgehört haben, das kann ich nicht zugeben.
Abg. von der Decken (b. k. F.: Es sei nicht seine Absicht, dem Präsidenten zu trotzen. Wenn er über die Natur des Welfen— fonds spreche, so sei es doch nothwendig auszuführen, wozu er be— kanntermaßen benutzt werde.
Präfident von Levetzow: Ich rufe Sie zur Sache und machè Sie auf die geschäfksordnungsmäßigen Folgen eines wieder— holten Rufs zur Sache aufmerksam.
Abg. von der Decken (b. k. F.): Jahre lang sei das Deutsche Reich aus diesem Fonds unterstützt worden. Die verbündeten Re— gierungen hätten gar nicht gewußt, daß das Reich aus dem Welfen⸗ fonds unterstützt worden sei; sie seien des Glaubens gewesen, daß dem Reich für den geheimen Fonds nur die 48 000 6. zur Ver⸗ fügung gestellt seien. Seine politischen Freunde müßten ihre Abstimmung davon abhängig machen, daß ihnen versichert werde, daß sie wenigstens mit diesem Gelde nicht bekämpft würden. Die Erklärungen des Staatssecretärs in der Commission hätten ihnen genügt, und sie hätten für die Bewilligung der ö0 000 * 6½½, gestimmt. Sie knüpften daran die. Hoffnung, daß die verbündeten Regierungen alle Summen, die im Laufe dieser Jahre in die Reichskasse geflossen seien, feststellen lassen würden, um sie dann dem Eigenthümer wieder zurückzugeben, und daß
sie unter allen Umständen dafür sorgten, daß sie nicht in der Reichs— kasse blieben.
Abg. Richter (dOfr): Der Reichskanzler habe die Erklärung abgegeben, daß die Absicht der Regierung bestehe, einen Gesetzentwurf vorzulegen, der die Verwendung des Welfenfonds regele. Indeß hahe diese Erklärung an der Sachlage nichts geändert denn eine ebensolchẽ Erklärung habe der Reichskanzler bereits am 27. November v. J. hier und im April im preußischen Abgeordnetenhause gegeben. Man kenne weder den Inhalt der Vorlage, noch wisse man, ob ein solcher Gesetz⸗ entwurf im Landtage zu stande komme. Für ihn würde eine Sicher— heit, daß keine Gelder aus dem Welfenfonds zu politischen Zwecken verwendet werden sollten, erst vorhanden sein, wenn ein entsprechen— des Gesetz veröffentlicht würde. Die Erklärung, daß nach dem 1. April Verwendungen aus dem Welfenfonds zu politischen Zwecken nicht mehr stattfinden sollten, binde nur den Reichskanzler und den Staatssecretär Freiherrn von Marschall und nicht irgend einen Nachfolger. Mit dieser Erklärung sei zu vereinbaren eine um so stärkere Verwendung des Welfenfonds für die allgemeinen Fonds des preußischen Ministeriums. Zu unterscheiden zwischen geheimen preußischen und Reichsfonds scheine ihm eine Vogelstraußpolitik, da das preußische und das Reichs⸗ Ministerium durch Personalunion verbunden seien. Er meine auch, daß für Form und Höhe des Fonds nicht genügend ein Bedürfniß
Welfenfonds hänge mit
nachgewiesen sei. Wenn das Reich für militärische Zwecke höhere
Summen bedürfe, als in den geheimen Fonds des Kriegs-Ministe⸗ riums ausgeworfen seien, so sollte man diese erhöhen. r begreife nicht, warum die Beträge für militärische Zwecke in diesem erhöhten Fonds stecken bleiben sollten. Seines Erachtens seien gerade mit den eheimen Fonds des Auswärtigen Amts früher die größten Miß— n. getrieben. Gerade die Verwendungen aus dem Fonds des Aus— wärtigen Amts, nicht aus dem , . en Fonds, wie er vermuthe hätten in letzter Zeit großes Aufsehen erregt. Wenn die Ver wendung des Fonds für die Presse ausgeschlossen sei, dann vermöge er sich überhaupt keine Vorstellung zu machen, wie Summen in dieser Höhe für auswärtige Zwecke berwendet werden sollten. In dieser Beziehung sei in der Budgetcommission nicht die mindeste Auskunft gegeben. Wenn man sich auf andere Staaten berufe, so könne sihm das nicht den Beweis ersetzen. In den anderen Staaten sei das Etatsrecht ein anderes und die Natur der Fonds eine andere. In Preußen habe vor 1848 das Auswärtige Amt solcher geheimen Fonds nicht bedurft, obwohl, gerade. damals eine kritische Zeit für die Diplomatie gewesen sei. 1868 habe Fürst Bismarck bei der Erörterung über das beschlagnahmte Vermögen des Königs Georg selbst gesagt: „Wenn Sie mir einen geheimen Fonds von 560 600 M bewilligen wollten, ich würde gar nicht wissen, wozu ich ihn verwenden sollte. Formell sei es richtig, daß, wenn seine Partei diesen Fonds jetzt bewillige, sie die Bewilligung im nächsten Jahre nicht zu wiederholen brauche; aber sie sei jetzt nicht die ausschlaggebende Partei und habe keine Sicherheit für die Zukunft. Sei der Fonds einmal bewilligt, so sei es außerordentlich schwierig, die Bewilligung im Falle des Mißbrauchs aus dem nächsten Etat herauszuschaffen. Nach allem, was er parlamentarisch in zwanzig Jahren mit geheimen Fonds erlebt habe, sei er sehr vorsichtig und auch sehr mißtrauisch. Die Bewilligung des Fonds wäre eben⸗ sowenig ein Vertrauensvotum wie die ö ein Mißtrauens⸗ potum. Indeß die jüngsten Vorgänge in der inneren Politik ent⸗ hielten für ihn eine gewisse Warnung, in Bewilligungen nicht mehr zu thun, als durchaus klar sei, wozu sie verwendet werden sollten. Das sei für ihn hier durchaus nicht der Fall, deshalb müsse er den Fonds ablehnen. ;
Abg. Dr. von Bennig sen (al): Es handele sich hier lediglich um eine Summe von 500 000 Me für geheime Fonds in der aus⸗ wärtigen Politik des Deutschen Reichs, die man bewilligen müsse, weil fonst die Bereitstellung derselben Summe aus anderen Fonds erfolgen müßte. Dem Abg. Richter sei es nicht gelungen, nachzu⸗ weisen oder nur wahrschelnlich zu machen, daß diese Summe für die Zwecke der auswärtigen Politik irgendwie zu hoch gegriffen sei. In der Commission sei im Gegentheil unwidersprochen geblieben, daß die Summe im Verhältniß noch mäßig gegriffen sei. Der Abg. Richter habe gemeint, man könne die Summe nicht bewilligen, weil sie bekanntermaßen bis auf einen Betrag von 48009 1 bestritten worden sei aus den Mitteln des Welfenfonds, und weil der Reichs kanzler und der Staatssecretär des Auswärtigen keine Sicherheit für die Zukunft gäben, daß aus dem Welfenfonds oder irgendwelchen anderen Fonds nicht wiederum Mittel würden flüssig gemacht werden. Zunächst spreche er im Namen seiner Freunde, insbesondere seiner politischen Freunde, aus der Provinz Hannover aus, daß sie die Erklärung des Reichskanzlers und Minister⸗ Präsidenten im Preußischen Abgeordnetenhause und hier im Reichs⸗ lag freudig begrüßt hätten: daß es die Absicht der vreußischen Regie⸗ rung sei, hinsichtlich der Verwendung der Einkünfte aus dem so⸗ , Welfenfonds auf gesetzlichem Wege künftig eine anderweitige Regelung eintreten zu lassen. Wenn dies gelinge, so werde ein folches Vorhaben in der Provinz Hannover die größte Befriedigung und Genugthuung nicht allein in den sogengnnten welfischen Kreisen, fondern weit darüber hinaus hervorrufen. Die Erklärung des Reichs⸗ kanzlers, daß vom 1. April 1892 ab die Mittel aus dem Welfenfonds für die auswärtige Politik nicht mehr zur Verfügung gestellt werden follten, fei eine durchaus bestimmte, und an dieser Bestimmtheit habe auch der Abg. Richter im großen und, ganzen keinen Anstoß genommen, er habe nur eine Befürchtung für die Zukunft ausgesprochen. Was stehe denn aber im Wege, wenn künftig eine Aenderung eintrete, diese Summe nicht mehr zu bewilligen? Der Reichskanzler und der Staatssecretär des Auswärtigen Amts seien formell und moralisch an durchaus bestimmte Verpflichtungen gebunden; hätten aber der Abg. Richter und andere Mitglieder des Hauses einen Zweifel wegen der künftigen Persönlichkeiten in diesen Aemtern, was stehe denn im Wege, wenn bei der Etatsberathung andere Persönlichkeiten zum ersten Male vor den Reichstag träten, daß er dann dieselben Erklärungen von diesen fordere? Das Mißtrauen und die Unzufriedenheit wegen der politischen Verhältnisse der neuesten Zeit mögen ja einen Grund zur Vorsicht der Parteien gegenüber einzelnen politischen Vorlagen abgeben; aber ein Grund dazu, diese Forderung abzulehnen, die nach der Erfahrung anderer Länder in dieser Höhe als nothwendig durchaus nicht bestritten werden könne, liege nicht, vor. Man werde sie doch nicht dazu benutzen, um irgend ein Ministerium oder eine Regierung zu stürzen, und da dies auch nicht in der Absicht des Abg. Richter liege, so seien seine Ausführungen sicherlich nicht für das Haus und auch nicht für ihn in seiner politischen Stellung ein ausreichen⸗ der Grund, die Forderung abzulehnen. Seine Partei werde dafür stimmen. (Beifall.) . .
Die Mehrforderung wird darauf bewilligt.
Zur Unterstützung deutscher Schulen im Aus— lande sind 60 000 S ausgesetzt.
Abg. Siegle (nl) bittet, die Regierungen, die deutschen Schulen in Palästina besser als bisher zu unterstützen.
Staatssecretär Freiherr von Marschall:
Meine Herren! Das Auswärtige Amt hat den in Palästina vor⸗ handenen Tempelgemeinden dadurch das rege Interesse bekundet, daß wir, wie der Herr Vorredner richtig angegeben hat, den Schulen im ganzen einen Beitrag aus diesen Fonds von 3260 (. jährlich zu⸗ kommen lassen, und zwar vertheilt sich dieser Betrag in folgender Weise: auf die Schule in Jerusalem 1500 6, in Jaffa 625106 in Sarona 625 M6 und in Haifa 00 S Wenn die Kopfzahl der Templer zur Zeit 1340 beträgt, so wird man zugeben, daß der Betrag von 3250 6 im Verhältniß zur Gesammthöhe dieses Fonds von 60 900 „ ein sehr erheblicher ist. Ich bin übrigens gerne bereit, einer Erhöhung dieser Beträge näher zu treten (Bravo), aber unter der Voraussetzung, daß auch der Fonds erhöht wird. Es haben darüber bereits in meinem Amt Erwägungen stattgefunden, und die Erhöhung ist zurückgestellt worden wesentlich aus dem Grunde, weil eine große Reihe anderer Erhöhungen in diesem Etat vorgesehen sind, und wir deshalb für dieses Jahr uns bescheiden müssen.
Abg. Siegle (ul.): Niemand im Hause würde Widerspruch dagegen erheben, wenn dieser Fonds erhöht würde, .
Der Fonds wird bewilligt, ebenso die übrigen laufenden Ausgaben. . ; .
Bei der einmaligen Ausgabe für die zoologische Station des Professors Dohrn in Neapel regt
Abg. Dr. Hamm acher (nl) an, auch die zoologische Station in Rovigno, die neuerdings begründet sei, zu unterstützen. .
Abg. Dr. Virchow Gfr;) schließt sich dem an und macht darauf aufmerkfam, daß diese Station viel leichter zu erreichen sei, als Neapel. . 36 .
Die einmaligen Ausgaben werden e tz bewilligt, mit Ausnahme derjenigen, welche sich auf die Schutzgebiete be⸗ ziehen.
Schluß 5 Uhr.
sowie
3 57.
Statistik und Volkswirthschaft.
Der deutsche Steinkohlenbergbau in den Jahren 1861/1809. ; .
Das erste Vierteljahrsheft zur Statistik des Deutschen Reichs enthäst einen Nachweis über den deutschen Steinkohlen⸗ Bergbau in den Jahren 1881 bis 1890, worin, dem natürlichen Vorkommen der Steinkohlen entsprechend, die einzelnen Kohlenlager unterschieden, und sir diese die Zahl der Bergwerke, Menge und Werth der Förderung die Belegschaft der Werke in jedem der genannten ehn Jahre angegeben sind. Daneben sind. einige Verhältniß. nahlen berechnet, und besonders ist die durchschnittliche Förderung auf nen Arbeiter verzeichnet, wobei bemerkt ist, daß die Höhe der Durch⸗ stznittsfürderung nicht bloß von der Körperkraft, der Gewandtheit und em Fleiß der Arbeiter, sondern wesentlich auch von der geologischen Beschaffenheit der Bergwerke, der Mächtigkeit und Regelmäßigkeit owie dem Reinheitsgrad der ausgebeuteten Schichten und der Tiefe rer Gänge, ferner von der technischen Einrichtung der Werke und der Dauer der Arbeitsschichten ahhängig ist. Die Ergebnisse des Staats⸗ betriebs sind gesondert dargestellt. . . ö.
Faßt man zunächst das gesammte Gebiet des Deutschen Neichs ins Auge, fo ergiebt sich, daß 1881 von 497 Werten mit einer Beleg⸗ schaft von zusammen 186 335 Arbeitern 48. Mill. Tonnen Stein⸗ kohlen im Werthe von 25253 Mill. Mark gefördert worden sind, 1890 dagegen durch 25 Werke mit einer Belegschast von 262 75 Köpfen 0.) Mill. Tonnen im Werthe von 538,9 Mill. Mark. Während demnach die Zahl der Werke in der angegebenen Zeit um 14.5 o zurückgegangen ist, hat sich die Förderung der Menge nach um 44,330, dem Werthe nach um IJ, zo / gesteigert und die Arbeiter⸗Belegschaft um 10,90 vermehrt. Unter den eurspäischen Ländern, in denen Steinkohlen gefördert, werden, kommt nach der Menge der Förderung Deutschland in zweiter Linie in Betracht, da nur Großbritannien größere Mengen (1390 1845 Mill. Tonnen) erzeugt, dagegen Frankreich (1890 26,3 Mill. Tonnen), Belgien (1889 19.9 Mill. Tonnen), Desterreich⸗Ungarn (1889 9,5 Mill. Tonnen) und Rußland (1889 6,2 Mill. Tonnen) erheblich zurückstehen.
Die durchschnittliche Förderung auf einen Arheiter berechnete sich im ganzen Deutschen Reich 1881 zu 261 t und ist bis zu 290 t im Jahre 1888 gestiegen, dann aber wieder auf 268 t im Jahre 1890 zurückgegangen. Biefer Rückgang ist ohne Zweifel auf die allgemeine Herabsetzung der regelmäßigen Schichtdauer zurückzuführen. Der Durchschnittswerth einer Tonne der geförderten Steinkohlen (d. h. der durchfchnittliche Verkaufswerth am Ursprungsort) betrug 1881 5, I8 A6 und hat sich bis zum Jahre 1888 wenig verändert, stieg aber dann 1889 auf 5,572 und 1890 auf 7, 66 t
Von der Gefammtzahl der deutschen Werke befanden sich 1881 25 und 1890 25 im Staatsbetriebe. Diese Staatswerke haben im erstgenannten Jahr mit einer Belegschaft von 35 766 Köpfen S5 Mill. Tonnen [17,53 09 der Förderung sämmtlicher Werke) im Werthe von 56,4 Mill. Mark, im Jahre 1890 dagegen mit einer Belegschaft von 46468 Köpfen 11,3 Mill. Tonnen (16.140 der , im Werthe von 102,5 Mill. Mark zum Tage gebracht.
Das bedeutendste unter den deutschen Kohlenablagerungen (Kohlen— becken, ist das rheinisch-westfälische Kohlenlager (das sog. Ruhr⸗ becken das sich in der Richtung von Osten nach Westen von Samm in Westfalen bis in die Gegend von Krefeld hinzieht und zwischen Wetter und Kettwich durch die Ruhr in vielen Windungen durch— schnitten wird. Gefördert wurden in diesem Gebiet 1881 in 192 Werken mit einer Belegschaft von 82 239 Köpfen 2336 Mill. Tonnen im Werthe von 107, Mill. Mark, 1890 in 175 Werken mit einer Belegschaft von 127534 Köpfen 35,5 Mill. Tonnen (d. h. mehr als
die Hälfte der gefammten Förderung Deutschlands] im Werthe von We Mill. Mark. Statswerke sind hier nicht vorhanden.
Im oberschlesischen Kohlenbecken, das an der österreichisch⸗
russischen Grenze, liegt und, einen größeren Theil des Regierungs—⸗ bezitks Oppeln einnimmt, sind gezählt 1881 109 Werke mit einer Belegschaft von 33 554 Köpfen und einer Förderung von 194 Mill. Tonnen im Werthe von 41, Mill. Mark, 1890, dagegen 90 Werke mit ciner Belegschaft von 49,453 Köpfen und einer Förderung von 16,3 Mill. Tonnen (nahezu S der Gesammtförderung Deutschlands) im Werthe von 847 Mill. Mark. Die durchschnittliche Förderung eines Arbeiters berechnete sich 1881 auf 310 und 1890 auf 341 t und ist in keinem anderen deutschen Kohlengebiet so hoch wie in diesem. Staatswerke waren hier 13560 4 im Betrieb, die mit einer Belegschaft bon 11 786 Köpfen 3,8 Mill. Tonnen im Werthe von 22,3 Mill. Mark gefördert haben. ; we Im Saarbecken bei Saarbrücken, das auch in die bayerische Rheinpfalz und nach Lothringen hineinragt, und zu dem das kleine Kohlenbecken bei Offenburg in Baden zugerechnet ist, sind 1381 durch 32 Werke mit einer Belegschaft von 25 377 Köpfen 64 Mill. Tonnen im Werthe von 44,5 Mill. Mark, 1890 dagegen durch 314, Werke mit einer Belegschaft von 34 227 Köpfen 7,4 Mill Tonnen (etwas über ao der Gefammtförderung Deutschlands) im Wertbe von 80,55 Mill. Markt gefördert worden. Der größte Theil, der Förderung dieses Gebiets entfällt auf die Staat swerke die im Jahre 1881 (12 an der Zahl) mit einer Belegschaft von 23 216 Köpfen 5,z Mill. Tonnen im Werthe von 39,5 Mill. Mart, und 1890 (13 an der, Zahl) mit einer Belegschaft von 28 S0 Köpfen 6,4 Mill. Tonnen im Werthe oon 69,8 Mill. Mart erzeugt haben. Das Kohlenbecken bei Zwickau und Chemnitz im Königreich Sachsen weist im Jahre 1881 51 Werke mit einer Belegschaft ven 1z 9itz Köpfen und einer Förderung von 32 Mill. Tonnen im Werthe von 20, Mill. Mark, 1890 jedoch 34 Werke mit einer Belegschaft von 16888 Köpfen und einer Förderung von 3,6 Mill. Tonnen H, o7 o von der Gesammtförderüng Deutschlands im Werthe von 35,4 Mill. Mark auf. Staatswerke sind nicht vorhanden.
Das niederschlesische Kohlenbecken zwischen Charlottenbrunn und Landeshut zählte 1381 42 und 1890 41 Werke, Gefördert wurden im ersteren Jahre durch eine Belegschaft von 12 469 Köpfen 2,7 Mill. Tonnen im Werthe von 17,9 Mill. Mark, dagegen 1890. 3,3 Mill. Tonnen (4,5660 von der Gesammtförderung Deutschlands) im Werthe von 25,5 Mill. Mark. Die Werke sind sämmtlich im Privatbesitz.
Inpaliditäts- und Al tersversicherung.
An Anträgen auf, Gewährung von Altersrenten sind bei der ang eat is chen Versicherungsanstalt im Februar 40 und seit Beginn des Jahres 1891 1184 eingegangen. Von diesen entfallen auf das Gebiet der freien Hansestadt Lübeck 217, Bremen 2555 Hamburg 712. Von den eingegangenen Anträgen sind bis Ende Februar er— ledigt 1130 Anträge, und zwar 989 durch Rentengewährung und 141 durch Ablehnung. Die Jahressumme der bis jetzt gewährten Renten macht insgesammt 156 426,20 16 aus. Nach den Berufszweigen ver⸗ theilen sich die 989 Rentenempfänger auf folgende Gruppen: Land⸗ wirthschaft und Gärtnerei 73 Rentenempfänger, Industrie und Bau⸗ wesen 391 Rentenempfänger, Handel und Verkehr 134 Renten⸗ empfänger, sonstige Berufsarten 77 Rentenempfänger, Dienstboten 2c. 314 Rentenempfänger. ;
Deutscher Landwirthschaftsrath. Dem soeben erschienenen Geschäftsbericht des Deutschen Land⸗ wirthschaftsraths ist zu entnehmen, daß zwischen den Landesregierungen und der Reichsregierung Verhandlungen über die Frage des Con⸗—
traetbruchs der ländlichen Arbeiter stattgefunden haben.
Zweite Beilage
zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Prenßischen Staats- Anzeiger. 7
Berlin, Sonnabend, den 5. März
Ob diese Verhandlungen eine Grundlage für die einheitliche gesetz= liche Regelung der Frage haben gewinnen lassen, sei bisher nicht be— kannt geworden. „In landwirthschaftlichen Kreisen“, so heißt es weiter in dem Geschäftsbericht, „wird im allgemeinen die Forderung der Bestrafung des Contraectbruchs zustimmend beurtheilt. Ausdrücklich gegen die reichsgesetzliche Regelung hat sich indessen das General-Eomité des landwirthschaftlichen Vereins im Königreich Bayern erklärt, weil in Bayern das Bedürfniß einer gesetzlichen Re⸗ gelung nicht vorliege. Im übrigen greift unter den Landwirthen jetzt selbst das Bestreben Platz, zu gemeinsamer Arbeit und Selbsthilfe sich zusammenzuschließen, um bessernd und regelnd auf die ländlichen Arbeiterverhältnisse einzuwirken.“
Die Entwickelung der Genossenschaften unter dem
neuen Genossenschaftsgesetz.
Die Zahl aller deutschen Genossenschaften sst nicht bekannt, denn besonders auf dem Lande kommt es zu vielen wirthschaft— lichen Vereinigungen, oft von erheblichem Geschäftsumfang, ohne daß man sie eintragen läßt; um Schreibereien zu vermeiden, um nichts mit Obrigkeiten und Gerichten zu thun zu haben, verzichtet man auf den gesetzlichen Schutz, den die Eintragung bietet. So wurde kürzlich festgestellt, daß von den schleswig⸗ holsteinischen Molkereigenossenschaften 176 eingetragen, etwa 350 aber nicht eingetragen waren. Ebenso verzichten auch viele Vereinigungen, mindestens die Hälfte aller, auf den Anschluß an größere Verbände, weil sie deren Vortheile nicht würdigen. Wenn wir Zahlen geben, so beziehen sich diese nur auf die im . Reichs⸗ Anzeiger“ bekannt gegebenen, in die Genossenschaftsregister eingetragenen Vereine. Am 1. Mai vorigen Jahres kannte man im Deutschen Reiche 7608 Genossenschaften, namlich 3910 Creditgenossenschaften, 2264 Genossenschaften in einzelnen Gewerbszweigen, 984 Consum— vereine und 50 Baugenossenschaften. Dies schicken wir voraus, um nun die Entwickelung der Genossenschaften vom Oktober 1890 bis Oftober 1891 zu betrachten, d. h. im zweiten Jahre des neuen Ge— setzes, welches normaler und darum lehrreicher ist als das erste mit seinen Uebergangsstörungen.
Es sind in diesem Jahre, wie wir einer Zusammenstellung der „Social-Corr.“ entnehmen, 127 Genossenschaften aufgelöst und * neu eingetragen; der Zuwachs beträgt 837 oder etwa 120,,. Die Creditpereine haben 37 verloren, 486 gewonnen; die Consumpereine 31 verloren, 163 gewonnen; die landwirthschaftlichen Consumvereine 23 verloren, 123 gewonnen; die Moltereigenossenschaften 11 verloren, 116 gewonnen; die anderen Genossenschaften 25 verloren, 76 gewonnen. Die neuen Ereditvereine, fast sämmtlich ländliche Darlehnskassen nach Raiffeisen, sind besonders entstanden in Bayern, Hessen, Württemberg, Hessen-Nassau, Elsaß-Lothringen und anderen Bezirken des Südens und Westens. Die neuen Consumpereine sind meist in Norddeutschland, westlich der Elbe und außerdem in Bayern und Elfaß zu suchen; die neuen landwirthschaftlichen Consumwpereine in den Gebieten, wo Kleinbesitz vorherrschend ist, die Molkexei⸗ genossenschaften auch in anderen landwirthschaftlichen Bezirken. Die Zahl sämmtlicher eingetragener Genossenschaften hat sich in allen Theilen des Reichs verinehrt und zwar in Ostvreußen um 13, West— preußen 3, Brandenburg 2, Pommern 16, Posen 109. Schlesien 14, Sachsen 33, Hannover 56. Westfalen 33. Hessen-Nassau 54. Rhein⸗ land 73, Bayern 149, Sachsen 16, Württemberg 103, Baden g, Hessen 06, Elsaß⸗Lothringen 42 u. s. w.; einzig in Schleswig— Bolftein stehen nur 5 neue s aufgelösten Vereinigungen gegenüber,
Was die Haftart anbetrifft, so haben von den 664 neuen Ver— einen 7Il5 die alte unbeschränkte Haftpflicht gewählt. 235 die be— schränkte und 14 die unbeschränkte Nachschußpflicht. Im ganzen gab es am 1. Oktober 1891: 740 Genossenschaften mit beschränkter Haftung. Sie sind ganz besonders als die dankenswerthe Frucht des neuen Gesetzes zu bezeichnen.
Zur Arbeiterbewegung.
Aus dem Kreise Pillkallen wird der Berliner „Volks— zeitung“ über dort vorgekommene Arbeitseinstellungen ge— schrieben:
In diesem Winter ist auch im hiesigen Kreise der Anfang mit Arbeitseinstellungen gemacht worden. Nachdem vor einigen Wochen gegen 100 Arbeiter bei der Kieslieferung für den Bahnbau wegen zu geringen Lohnes gestrikt hatten, haben am vergangenen Sonnabend sämmtliche Arbeiter auf dem großen. Bauplatze der Dampfschneidemühle Masznäken die Arbeit nieder⸗ gelegt, weil die Verwaltung nicht in eine Erhöhung des 90 „ be— tragenden Tagelohnes um 30 Wwilligen wollte,
Einer Mittheilung der „Deutschen Böttcher-Ztg.“ zufolge be— stehen in den Braunschweiger Cementwerken, und der Stettiner Cementfabrik in Bredow Lohnstreitigkeiten zwischen den Böttchern und ihren Arbeitgebern.
Die Arbeiterun ruhen in Hannover (vgl. Nr. 54 und 55 d. Bl) hatten, wie der „Köln. Itg. geschrieben wird, einen Aus— gangspunkt rein örtlicher Natur und mit der allgemeinen Arbeiter⸗ bewegung nichts zu thun. Unter den Arbeitern, die vergeblich nach Beschäͤftigung suchten, war die Meinung verbreitet worden, vielleicht aus böser Absicht, beim Kanalbau würden vorzugsweise polnische Arbeiter beschäftigt; sie beantragten in. ange— messener Form ihre Ersetzung durch, hannoversche Arbeiter. Arbeitsscheues Gesindel nahm hieraus Anlaß zu lärmenden Auftritten. Nur zu diefem Zweck, nicht um Arbeit zu bekommen, suchten sie gewaltsam die Arbeiter aus dem Kanalbau zu verdrängen. Es mußten hannoversche Arbeiter selbst darunter leiden, denn von den 48 Arbeitern an dem Theil des Baues, bei dem die Auftritte begannen, gehören nur acht nicht der Provinz Hannover an.
Der bremischen Bürgerschaft wurde von einem Herrn Gottlieb und fünf anderen Mitgliedern folgender die beschäftigungslosen Arbeiter betreffender Antrag unterbreitet:
Die Bürgerschaft erkennt die Nothwendigkeit an, daß zur Linde⸗ rung der herrschenden Arbeitslosigkeit sofort, größere Staats⸗ arbeiten in Angriff genommen werden müssen, und ersucht den Senat, ihr hierin beizutreten und die geeigneten Maßnahmen zu treffen. Im weiteren wünscht die Bürgerschaft, daß den Submittenten die Pflicht auferlegt wird, ihren Arbeitern mindestens den ortsüblichen Tagelohn zu zahlen; das Gleiche gilt für den Staat, wo er als directer Arbeitgeber auftritt. Die in Betracht kommende Arbeitszeit darf zehn Stunden täglich nicht überschreiten.
Dieser Antrag wurde in der Sitzung vom 2.3 März, wie wir der „Wes. Itg.“ entnehmen, mit allen gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt und folgender Antrag des Herrn Dr. Boisselier angenommen;
Die Bürgerschaft hat den anliegenden Antrag der Herren Gott⸗ lieb und Genossen abgelehnt; sie giebt dabei aber der Ueberzeugung Ausdruck, daß die staatlichen und städtischen Behörden nach Kräften bemüht find, bei ihren Dispositionen über die von ihnen zu leitenden öffentlichen Arbeiten die Verhältnisse des Arbeitsmarktes zu berück⸗ sichtigen, und soweit thunlich ist, gerade in Zeiten, wo Arbeits⸗ gelegenheit mangelt, ausgleichend einzutreten. Sie ersucht den Senat, ein derartiges Bemühen überall zu fördern und wo etwa dasselbe nicht in dem wünschenswerthen Maße sich zeigen sollte, anzuregen.
In Leipzig fand am Donnerstag eine Versammlung der
1892.
nuar in Frankfurt a. M. abgehaltenen Congreß der deutschen Naler berichtet wurde. Der Congreß hat die beantragte Errichtung iner die Maler, Lackirer und sämmtliche verwandten Berufszweige umfassenden Union abgelehnt und die jetzige Organisatien beizubehal⸗ ten beschloffen. Ferner beschäftigte sich die Versammlung mit dem Herbergswesen und stimmte der vom Gewerkschaftscartell vorgeschlagenen Gründung einer Centralherberge für alle Ge⸗ werkschaften zu. Weiter beschloß die Versammlung nach dem Bericht der „‚Lpz. Ztg.“, die bei der. nächsten Maifeier zu sammelnden Gelder nicht wieder der Gewerkschafts⸗General⸗ commifsion in Hamburg (die den vorjährigen Maifonds in vertrags— widriger Weise zur Unterstützung eines Hamburger Ausstandes ver⸗ wendet hafte), sondern dem Unterstützungsfonds der Maler in Leivzig zuzuführen und die Reiseunterstützung ausnahmsweise auch noch im Monat März zu gewähren. — Die Notenstecher Leipzigs be⸗ schlofssen am Donnerstag die Annahme des von den Arbeitgebern vor⸗ geschlagenen Lohn tarifs, dessen Sätze etwa eine fünfprocentige Er⸗ höhung des bisherigen Lohnes darstellen.
Aus Wiem wird der „Voss. Ztg.“ über die Maßnahmen zur Abhilfe der Noth der Arbeitslo fen unter dem 4. d. M. weiter berichtet: Infolge heftiger Kälte nahm der Andrang zur Brot- vert heilung zu. Besonders auffallend ist die große Anzahl von Frauen. Taufende warteten stundenlang im Schnee, um nicht leer auszugehen. Obwohl 12 000 Brotlaibe vertheilt wurden, konnten doch nicht Alle befriedigt werden. Eingelaufene Spenden an Milch und Fleisch wurden Frauen zugewiesen. Da viele Frauen mit bar— füßigen Kindern erschienen, wurden an letztere 400 Paar Schuhe vertheilt.
Aus Basel wird dem „Vorwärts“ mitgetheilt, da garrenarbeiter der dortigen Firma J. Thierry u.“ Ausstande befinden.
In Lecco haben einer Meldung de fold die Seiden spinnereien die Arb Tagelohn um 100, gekürzt wurde.
In der Nähe von Finale (talienische Provinz Modena) haben die Beichgräber, die bei der Flußregulirung beschäftigt wurden, die Arbeit eingestellt. .
Ueber den in Aussicht stehenden allgemeinen Aus stand der englischen Bergarbeiter liegen folgende weitere Mit— theilungen vor:
Dem Beschluß der Bergleute der Grafschaft Durham, sich dem allgemeinen Ausstand der Bergarbeiterförderation anzuschließen, ging, wie die Londoner „Allg. Corr.“ mittheilt, eine Abstimmung über folgende Vorschläge vorher: 1) eine sofortige Lohnherabsetzung von 7 5 anzunehmen oder abzulehnen; 2) sich eine sofortige Lohn⸗ herabsetzung von 6 und eine weitere von Ho im Mai gefallen zu lassen, 3) die Arbeit einzustellen und 4) dem Vorstand der Bergarbeiter— föderation der Grafschaft Durham Vollmacht zur Schlichtung der Streitpunkte zu ertheilen. Am Mittwoch Nachmittag wurde den Grubenbesitzern mitgetheilt, daß die Arbeiter ihre Vorschläge verworfen und sich mit einer überwältigenden Mehrheit zu Gunsten des allgemeinen Ausstandes entschieden hätten.
In Lanarkshire wollen die Bergwerksbesitzer die Löhne nicht herabsetzen, trotzdem sie in Anbetracht der Kohlenpreise i letzten Zeit recht hoch gewesen sind, in der Hoffnung, daß das der Preise sie schadlos halten werde. Den gleichen Stan nehmen viele schottischen Gruben ein.
Die Nagelmacher von Woxreestershire und Stafford⸗ shire haben eine 15 09,½ Lohnerhöhung verlangt und wollen, wenn sie ihnen nicht gewährt wird, am Sonnabend einen Ausstand be— ginnen.
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Nach Mittheilung des Statistischen Amts der Stadt Berlin sind bei den hiesigen Standes⸗Aemtern in der Woche vom 21. Februar bis inel. 27. Februar er. zur Anmeldung gekommen: A9 Eheschließungen, 1022 Lebendgeborene, 30 Todtgeborene Sterbefälle.
Kunft und Wissenschaft.
Sonntag, den 6. März, wird im dritten Geschosse der Königlichen Rational-Galerie eine Ausstellung von Werken des verstorbenen Historienmalers Professors Gustav Swvan⸗ genberg eröffnet werden.
gelegenen
Außuf dem nahe bei Birnbaum
Much ocin wurde, wie der „P. 3.“ berichtet wird, am 1. d. Arbeitern beim Erdekarren ein größerer Münzfund gemacht. einem irdenen Topf, der oben mit einem Deckel zugedeckt war, fanden sich gegen 800 Stück Silber- und Goldmünjen mit de präge aus dem 15. und 16. Jahrhundert, Bildnisse der Polen, Sachsen, vor allem der damaligen deutschen Kaiser, d Lübeck, Hamburg u. s. w.
— Ein neuer Planet ist, wie der K. in den Frühstunden des 25. Februar ven r Wiener Sternwarte entdeckt worden. Sein Ort war: 15.3 Minuten mittlerer Zeit von Wien, Rectascension 15tze 3 nördliche Declination 70 40 35“, seine Helligkeit 11. Größe. Nr. 324 in der Reihe der Asteroiden.
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Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs⸗ Maßregeln.
Portugal. Durch eine im „Diario do Governo“ vom veröffentlichte Verfügung des Königlich portugiesischen Ministeriums des Innern werden die Häfen von Portugiesisch-Indien für rein? von Cholera erklärt. (Vergl. . R. A.“ Nr. 269 vom 14. No vember 1891.)
J ; 25. Februar 1892
Die gelbe Fieber-Epidemie in Santos Brasilien) bat nach den ‚Rio News“ vom 2s. Januar einen solchen Söhepunkt erreicht, daß mehrere Dampferlinien die Empfangnahme von Ladung für den genannten Hafen eingestellt haben und die einflußreichsten fremden Häufer der Stadt ihre Locale schließen. In einigen Fällen ist thatsuchlich niemand mehr da, um das Geschäft fortzusetzen, da die Gesunden gezwungen sind, ihre Aufmerksamkeit den Fremden zu— zuwenden. Die Lage ist bis zum äußersten verzweifelt und das einzige Auskunftsmittel befteht, soweit sich beurtheilen läßt, darin, daß man den Hafen für den fremden Wandel vollständig schließt,
Rom, 4. März. Das Departement für öffentliche Gesundheit im Ministerium des Innern erklärt laut Meldung des. W. T. B. formell die in auswärtigen Blättern verbreiteten ungünstigen Gerüchte über den Gef undheitszustand in Italien für unbegründet, mit dem Hinzufügen, daß die Gesundheitsverhältnisse vollkommen nor⸗ male seien.
Schaffhausen-— Hier und in der Umgegend nehmen, wie dem Bund“ gemeldet wird, die Erkrankungen an Influenia fo überhand, daß die Spitalräumlichkeiten zur Aufnahme der Kranken nicht mehr ausreichen und deshalb das Absonderungshaus bierzu be
Maler- und Lackirer-Gehilfen statt, in der über den im Ja—
nutzt werden muß.