1892 / 58 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 07 Mar 1892 18:00:01 GMT) scan diff

stätigung der Befürchtungen zu haben. Sollte er durch ein Telegramm nach Berlin, daß fast alles verloren, nur die Küste noch zu halten sei, eine Aufregung schaffen, die ihm vorläufig noch nicht nöthig erscheint?

Ich muß

fährt Rüdiger fort mich bei aller Möglichkeit der Vorhersagungen und Befürchtungen des Majors von Wissmann doch auch der Ansicht des Herrn Gouver— neurs anschließen, die vorläufig darin gipfelt: „es könnte doch anders sein, und deshalb will ich abwarten.“

Thatsächlich ist inzwischen erwiesen, daß es anders gewesen ist. Indessen die Berichte, die Telegramme des Herrn Eugen Wolf riefen in dem deutschen Publikum doch einen Grad von Aufregung hervor, der der Colonialabtheilung nicht ganz unbedenklich erschien, und es fand ein ziemlich lebhafter Depeschenwechsel zwischen uns und Herrn von Soden statt. Es waren Tage seitdem wieder vergangen, Herr von Soden bestätigte immer mehr: es ist nichts verloren, es ist gar keine Gefahr da, nur ruhig bleiben! Es wurde ihm dann eins der aufregendsten Telegramme des Herrn Eugen Wolf von hier mitgetheilt, und er sandte darauf das inzwischen vielfach eitirte Telegramm zurück: „Alles ruhig!“ Soweit habe ich das Telegramm damals veröffentlicht. Es hatte aber noch einen Zusatz, den will ich heute aussprechen und der hieß: ausgenommen Eugen Wolf“. (Große Heiterkeit. Unter dem 26. September, also 14 Tage, nachdem Herr Eugen Wolf in Sansibar seinen Bericht geschrieben hatte, nachdem der Depeschenwechsel zwischen uns und Herrn von Soden stattgefunden hatte, schreibt Herr von Soden:

Aus Ton und Inhalt der seitens des Auswärtigen Amts neuer⸗ dings an mich gerichteten Telegramme muß ich schließen, daß man dem Untergang der Expedition Zelewski zu Hause wohl eine viel größere Tragweite beigemessen hat, als er unter den hier herrschenden Ver— hältnissen hatte und haben konnte.

Ich mußte mich darauf beschränken, wiederholt zu antworten, daß Alles ruhig sei, da die ganze ostafrikanische Legende sich leider telegraphisch nicht zerstören läßt. Das Aeußerste, was überhaupt zu befürchten stand, war eine Bedrohung der Mission Condoa und der Station Mpywapwa sowie der dortigen Karawanenstraße, Ereignisse, die unter allen Um⸗ ständen jederzeit hier eintreten können, die aber im vorliegenden Falle insofern einen etwas ernsteren Charakter gehabt hätten, als man zu Gegenmaßregeln nicht sofort die nöthigen Truppen zur Verfügung gehabt hätte, oder doch bloß Truppen, die durch die Katastrophe in Uhehe als nicht unbedingt zuverlässig gelten konnten.

Bis zu Abgang dieses Briefes hat sich aber auch diese einzig mögliche Befürchtung nicht bestätigt; wenigstens sind indessen Missionare aus Condoa zurückgekehrt, die beruhigende Nachrichten brachten.

Von dieser Zeit her datirt nun in unserer Presse eine Art Krieg— führung des Herrn Wolf gegen Herrn von Soden. Ich möchte mich alles Persönlichen über Herrn Wolf enthalten und auf die Einzelheiten seiner späteren Berichte, die ja auch alle zu den Acten zu legen sind, weil sie zum größten Theil durch die Thatsachen widerlegt sind, nicht weiter eingehen. Ich finde das ja ganz begreiflich, daß, nachdem Herr Wolf einmal diese Depeschen abgelassen hatte, er dann weiter in dem—⸗ selben Tone fortfuhr. Es ist ja auch weiter ganz begreiflich, daß ein solcher Correspondent dazu neigt, sich in Opposition mit den bestehen⸗ den Verhältnissen zu setzen; das Material wird reicher, es läßt sich für den heimischen Leser besser gruppiren. Wenn der Herr immer nur wiederholt hätte, was auch amtlich durch den Gouverneur hier einkam, so würden seine Berichte ziemlich mager ge⸗ worden sein. Ich verstehe also menschlich ganz gut, daß der Herr in dieser Bahn verblieb. Ich verstehe auch, und ich glaube, er hat ganz recht, wenn er von der Unzufriedenheit in der Colonie spricht. Denn es ist mir wahrscheinlich, daß bis zu einem gewissen Grade alle Men— schen in der Colonie unzufrieden sein werden. Was die Neger an— langt, so ist das wohl zweifelloz. Der Araber, der mit uns diesen Aufstand durchgemacht hat und von uns bekämpft ist, findet sich unter keinen Umständen wohl in den neuen Verhältnissen. Auch der indische Kaufmann ist hier und da aus alten Bahnen in andere Verhältnisse gedrängt; auch dem ist es nicht recht. Und die Weißen, die Deutschen? Ein Theil, wie z. B. Herr von Soden, ist aus reinem Pflichtgefühl da, und ihm ist vielleicht auch einmal der Gedanke gekommen, daß es wo anders besser ist als unter der Sonne von Dar-es-Salam. Aber dann sind Deutsche dort, die unter anderen Erwartungen hingegangen sind. Ein Theil wollte schnell gewinnen, so schnell geht es nicht. Die Herren werden unzufrieden. Es sind tüchtige, forsche, schneidige Menschen hingegangen, die nach Abenteuern dürsteten. Aber, wir müssen die Tendenz haben, Abenteuer zu vermeiden, und auch diese Leute sind nun enttäuscht, und ich verstehe deshalb sehr gut, daß, wenn jemand die Tendenz befolgt, Aeußerungen des Mißvergnügens in Deutsch-Ostafrika zu sammeln, dies unendlich leicht herzustellen ist. (Sehr richtig! rechts.)

Es folgt aber daraus noch nicht, daß die Aeußerungen eines solchen Correspondenten für die Regierung einen Werth haben könnten, der sie veranlaßt, zu anderen Maßregeln zu greifen. Der Herr Wolf nennt sich mit fragwürdiger Bescheidenheit die vox populi von Afrika. (Heiterkeit, Ja, wo ist denn eigentlich der populus, von dem er spricht? Die Schwarzen, die Braunen oder die Weißen? (Heiterkeit; Man muß doch nicht die Begriffe, die wir in dieser Beziehung haben, auf Ost-Afrika übertragen wollen. Das ist ja total verfehlt, und der Herr mag noch so geistreich und noch so angenehm schreiben, so kann er nicht verlangen, daß das auf uns einen anderen Eindruck macht, als wenn wir etwa einen Reise⸗ bericht lesen. Er hat es aber verlangt und hat es nun der Regierung übelgenommen, daß sie auf seine Berichte nicht reagirt.

Er wurde darauf immer schärfer gegen die Person des Herrn von Soden. Mir liegt hier das „Berliner Tageblatt“ vom 29. Ok— tober vor, wo er davon spricht, daß jener wie der Vogel Strauß den Kopf in den Sand stecke.

Warum aber, frage ich mich sagt er an einer anderen Stelle —, verheimlicht Herr von Soden den plötzlich eingetretenen schlimmen Zu— stand seiner Colonie? Sollte Herr von Soden für seinen Posten befürchten? Es läßt dies eben

fährt er fort, nachdem er Einzelheiten angeführt

auf eine absolute Unkenntniß der Verhältnisse schließen.

Nun war Herr von Soden schon lange da, als Herr Eugen Wolf erst hinkam; ihm standen alle Mittel wie Herrn Wolf und noch einige andere zu Gebote. Es ist immer ein hübscher Grad von Selbstgefühl, wenn Herr Wolf Herrn von Soden Unkenntniß vorwirft. Heiterkeit) Was ich aber auf das tiefste ich will einen ehr

milden Ausdruck gebrauchen beklage, das ist die Weise, in der er auf die persönlichen Verhältnisse des Gouverneurs von Ost⸗Afrika eingeht. (Sehr richtig! rechts.)

Am Schlusse dieses persönlichen Artikels sagt Herr Eugen Wolf von Herrn von Soden:

Wenn man ein Gehalt von 50 000 4 bezieht, nebenbei noch 15 bis 20 000 M für eine Privat⸗Gartenanlage bewilligt bekommt, sich ein Palais als Wohnung aufführen läßt, eigene Dampfer für Küstenfahrten zur Verfügung hat, nebenbei noch Tagegelder, wie ich höre, erhält, so kann man doch auch an solchen Tagen, will man es nicht aus Regierungsgeldern thun, aus seiner Tasche ein paar Rupien springen lassen.

Dieser Deutsche, Eugen Wolf, schildert den deutschen Gouverneur von Ost-Afrika als einen geizigen Mann, der für seine Stellung fürchtet und viel Geld ausgiebt in seinem eigenen Interesse. Wenn nun etwas den thatsächlichen Verhältnissen nicht entspricht, so ist es das. Es ist ja bekannt, daß Herr von Soden ein Gehalt von 50 000 M bezieht, also etwa das Gehalt eines Gesandten in Athen, während ebenso bekannt ist, wie theuer das Leben in Ost-Afrika ist. Herr von Soden ist nach meiner Ueberzeugung einer der in dieser Beziehung selbstlosesten Beamten, die wir haben. Er ist ein durchaus unabhängiger Mann, der den Staats- und Reichsdienst jeden Tag quittiren könnte, wenn er dazu Lust hätte; und daß er nicht dazu Lust hat, das kommt eben daher, daß er das Pflichtgefühl hat, auf fatalem Posten auszuharren, und daß er denjenigen Grad von Passion für den Colonialdienst hat, der es ermöglicht, vieles, was manchem sehr schlimm erscheinen würde, leicht zu nehmen.

Herr von Soden bewohnt kein Palais, sondern ich bin bereit die Zeichnung auf den Tisch dieses Hauses niederzulegen ein Ding, das man vielleicht eher ein Schweizer Chalet nennen könnte, ein Haus, das unten von Stein gebaut ist; der Oberbau ist aus Altona bezogen. Trotz des weiten Transportes kostet der ganze Ban 63 000 SM, und in diesem seinem „Palais“ hat Herr von Soden sechs Stuben für sich: er hat Bureauzimmer, Dienerzimmer, er muß mehr als zwei, drei Stuben für sich haben, weil er in der Lage sein muß, durch— kommende Fremde, ankommende Offiziere vom Innern bei sich zu beherbergen. Das weiß der Herr Eugen Wolf ebenso gut wie wir alle; denn er ist in Dar⸗-es⸗-Salem gewesen, und doch hat er die Dreistigkeit von Herrn von Soden zu behaupten, daß er im Wohl— leben praßt.

Was er in Bezug auf die Tagegelder und Gartenanlagen sagt, ist vollkommen aus der Luft gegriffen. Herr von Soden hat, wie mir nicht durch ihn bekannt geworden ist, aber auf einem anderen, ganz sicheren Wege, in Kamerun aus seinem eigenen Vermögen nicht un— erheblich zugesetzt, um Aeclimatisationsversuche in größerem Maß— stabe mit Pflanzen und Thieren zu machen. Wenn derselbe Herr sich jetzt Pflanzen um sein Haus pflanzt, so bin ich überzeugt, daß das dem Reiche nichts kostet, und daß das nicht, wie Herr Eugen Wolf hier angiebt, eine Art von Bequemlichkeit, von Neigung zur Größe ist. Herr von Soden erspart nichts, Herr von Soden setzt zu in seinem Dienst, er setzt zu um Deutschlands willen, und da sollte ich meinen ich habe keinen Ausdruck für die Aeußerung des Herrn Eugen Wolf nach dieser Richtung. (Lebhaftes Bravo rechts und im Centrum.)

Ich will mir nur noch erlauben, etwas zur Schilderung dieses Herrn beizutragen; denn ich empfinde als Vorgesetzter das Gefühl sehr lebhaft, einen Mann, der von hier mit Schmutz beworfen wird, der nicht in der Lage ist, sich dagegen wehren zu können, hier aufs äußerste zu vertreten (Bravo! rechts und im Centrum) und klarzustellen, was ich kann, um auch dem hohen Hause diese Ueberzeugung beizubri ngen daß das ein rechtschaffener, kluger Mann, der beste Beamte ist, den wir haben können, und ich bitte nun um die Erlaubniß, den letzten Bericht von ihm vorlesen zu dürfen, der vielleicht auch insofern für Sie interessant sein wird, als er ein Bild von den Verhältnissen in Ost-Afrika und von der Weise, wie sie Herrn von Soden erscheinen, gewährt. Der Bericht ist nicht ganz kurz, er sagt unter dem 10. Januar:

Die zu Hause, wie es scheint, immer wieder von neuem auf— tauchenden Alarmnachrichten von einem „Wiederausbruch des Auf— standes“, von „Empörung der Küstenstämme“ und dergleichen, Nach⸗ richten, welche lediglich in vollständiger Unkenntniß oder aber in ab— sichtlicher Entstellung der hiesigen Verhältnisse ihren Grund haben können, veranlassen mich, meine bereits früher hierüber erstatteten, jederzeit die Sicherheit der Küste betonenden Berichte durch die nachfolgende zusammenfassende Darstellung der hiesigen politischen Zustände nochmals kurz zu vervollständigen.

An einen Aufstand im politischen Sinne des Wortes, an eine Empörung mit der Absicht, die deutsche Herrschaft zu stürzen und irgend etwas anderes an deren Stelle zu setzen, daran denkt ernstlich an der ganzen Küste kein Mensch, welcher Religion und Rasse er auch angehören möge. Wäre aber auch je dazu der gute Wille vor— handen, was bei der überwiegenden Mehrzahl der Bevölkerung, wie gesagt, nicht der Fall ist jedenfalls fehlte die Macht und die nöthige Organisation dazu.

Wenn trotzdem aus dem Küstengebiete ab und zu Nachrichten über sogenannte Kriege, kriegerische Expeditionen oder Kämpfe mit den Eingeborenen nach Hause dringen, so wird bei allen diesen An— lässen nichts weniger als um die Herrschaft oder gar das Dasein gekämpft; vielmehr handelt es sich dabei einfach um kleinere Straf— expeditionen oder Strafexecutionen gegen einzelne widerspenstige Dörfer oder Dorfhäuptlinge, welche die Geduld der Behörde auf eine allzu harte Probe gestellt haben. Ein Widerstand findet dabei in der Regel garnicht statt; wo dies aber wider Erwarten doch einmal der Fall sein sollte, kann dessen Erfolglosigkeit auch im voraus mit apo— diktischer Sicherheit vorausgesagt werden. Der eigentliche Zweck dieser Expeditionen, der Schuldigen in Person habhaft zu werden, um sie dann zur Strafe zu ziehen, wird zur Zeit in der Regel noch viel⸗ fach vereitelt, da meist die ganze Bevölkerung, Gerechte wie Un— gerechte, die Dörfer verlassen und „in den Busch“ fliehen, sodaß nichts Anderes übrig bleibt, als das Dorf oder die Hütten der Hauptschuldigen niederzubrennen, welche materielle Schädigung etwa einer Geldstrafe zu Hause gleich zu achten ist. Meistens erscheinen dann nach einigen Wochen die Schuldigen bei der Behörde, bitten, sich wieder anbauen zu dürfen, versprechen, in Zukunft artig zu sein, und halten dies auch bis zum nächsten Mal. (Heiterkeit.)

Daß eine derartige Strafexpedition ab und zu, sei es nun durch eine Ungeschicklichkeit des Führers, sei es durch irgend einen widrigen Zufall, ihren Zweck verfehlen, daß auch unsererseits dabei ein schwarzer Soldat oder selbst ein Europäer durch einen Schuß aus sicherem

Versteck verwundet, ja selbst getödtet werden, daß dabei Haus oder die Scheune irgend eines Europäers einmal zu u kommen kann, alles das sind Fälle, deren Möglichkeit nich den geschlossen ist, die aber zugleich auch das höchste Maß ven un darstellen, das mit solchen Expeditionen verbunden zu sein mn Darauf also laufen die „Aufstände' und Empirum! Küstenstämme“ hinaus; über jeden derartigen Straffall Bericht oder gar telegraphische Meldung zu erstatten, w unverantwortliche Zeit⸗ und Geldvergeudung und überdies eine J führung der öffentlichen Meinung über die wirkliche Tragweit sr Vorgänge, die bei fortschreitender Aufklärung der ein em s Bevölkerung über Zweck und Ziele unserer Verwaltung siche x jedem Jahre seltener werden, zumal Unverstand und Mitre dabei oft eine weit größere Rolle spielen als böser Wille: i es doch schon jetzt vor, daß die Schuldigen es handelt sich e. um räuberische Ueberfälle, Erpressungen oder sonstige Gewallsal keiten Eingeborener untereinander von dem vernünftigeren 3 der Bevölkerung freiwillig ausgeliefert und der Behörde zur di fügung gestellt werden. 3

Nicht in diese Kategorie mehr oder minder harmloser Cn eutionen fallen die militärischen Erpeditionen gegen die groß Räuberstämme des Innern, die Massal, Mafiti, Wahehe n Die größere Gefährlichkeit des Gegners, die Entfernung des drin schauplatzes von der Küste, unsere Unbekanntheit mit Land un Leuten drücken diesen Unternehmungen einen weit ernsteren C haralt auf; allein sie haben mit der ersten Kategorie doch auch das gemen daß es sich dabei nicht etwa um die Niederwerfung einer feindliche? politischen oder religiösen Bewegung, nicht um Aufstand und Gn— pörung gegen die deutsche Herrschaft, sondern lediglich um Rauk— züge handelt, wie sie zu den alten liebgewordenen Gewohnheit dieser Stämme gehören, worauf sie ein gewisses angestammte Recht zu haben glauben, in dessen Ausübung sie nicht gestört sein wünschen, selbst nicht durch die Deutschen, deren Flagge sie in übrigen respectiren. Auch das bisherige Benehmen der Wahche nach der Vernichtung der Expedition Zelewski ist ein Beweis sn diese Behauptung. Weit entfernt, diesen Erfolg gegen die Deutschgn und deren Herrschaft auszunützen, hat der Oberhäuptling der Wahehe erklärt, daß der Ueberfall ohne sein Zuthun infolge eines M, verständnisses erfolgt sei, daß er nichts gegen die Deutschen unte nehmen, sondern Frieden mit ihnen haben wolle.

Die Wahehe sind der Stamm, mit dem Zelewski zusamme⸗ gestoßen war; also dieser Stamm ist ohne weiteres Zuthun auf d Standpunkt gekommen, daß er Frieden mit uns haben will.

Daß ein Schlag, wie der Ueberfall der Expedition Zelewek, wenn auch zunächst nur von localer Bedeutung und nicht unmittel— bar gegen unsere Herrschaft geführt, doch in seinen mittelbaren Folgen nicht unterschätzt werden darf, habe ich niemals verkannt und daher auch, wie Euerer Excellenz bekannt, endgültig mit dem System der hier in Rede stehenden Expeditionen gebrochen, sodeß schon deshalb eine Wiederholung eines ähnlichen Unglücks nicht wohl möglich erscheint.

Darüber, daß die Raubzüge der genannten Völkerschaften zu⸗ nächst höchstens in ihrer Ausdehnung eingeschränkt, vollständig aber nur ganz allmählich, das heißt mit dem Vorschreiten unserer Hert= schaft und der Gesittung im allgemeinen, unterdrückt werden können, darf man sich allerdings keinerlei Zweifel hingeben. Es wid also voraussichtlich auch noch in den folgenden Jahren stets wieder va salchen Einfällen zu berichten sein; doch hoffe ich, schon im nächs Jahre wenigstens den nördlichen und mittleren Theil unseres Küst, gebiets mit einem militärischen Gürtel der Art umschlofsen zu habn, daß selbst solche Gegenden, die bisher regelmäßig den Schanplz räuberischer Ueberfälle bildeten, davon verschont bleiben wenen Eine Heimsuchung der Küstenplätze und der dort wohnenden Cue päer ist schon unter den heutigen Verhältnissen unbedingt a geschlossen, somit auch von dieser Seite her nichts zu befürchta und jedes dahin gehende Gerücht mit entschiedenem Mißtramn aufzunehmen. Die aus dem Innern einlaufenden Berichte ben

Jen der mtlichn are tn

Offizieren, Beamten, Missionaren, Reisenden, die ja zum größté

Theil Euerer Excellenz vorgelegen haben, würden mich an sit zwar berechtigen, das obige, zunächst auf den Küstenstrich, du eigentlichen Sitz unserer Verwaltung, beschränkte Urtheil bezigli der Sicherheit unserer Herrschaft auf das ganze übrige Schutzgebit, soweit solches bislang von uns besetzt worden ist, auszudehnen; ? wäre jedoch Vermessenheit, die unbedingte Dauer dieses Zustamd schon jetzt verbürgen zu wollen in einem unermeßlichen Lindt gebiet, wo wir zum theil erst vor Jahresfrist festen Fuß geit und das beinahe in jeder Beziehung für uns noch terra incognu ist. Man wird also zu Hause gut thun, sich in dieser Beziehm keinerlei Illusionen hinzugeben; es werden immer noch von Zeit! Zeit Nachrichten von Unglücksfällen Einzelner wie ganzer Emäh tionen, von Kämpfen und Verlusten an Menschenleben und Gihk— trum eintreffen: es liegt aber keinerlei Grund vor, hieraus alebs auf den drohenden Untergang unserer Herrschaft, auf den Zusamme bruch aller Colonialunternehmungen u. s. w. zu schließen. Es si

unvermeidlich verbunden sind und bei einer vermehrten Beseßm der Karawanenstraßen und einer Verstärkung der einzelnen Statiom sicherlich immer seltener vorkommen werden.

Nun frage ich Sie, meine Herren: ist das der Bericht eint Mannes, der wie der Vogel Strauß den Kopf in den Sand stet⸗ oder der den schlimmen Zustand der Colonie zu verheimlichen bestü ist? Ich habe durch die Berichte des Herrn von Soden von Anfant an den Eindruck behalten, daß er einen klaren Weg zielbewußt bm folgt, und er hat darin schon nennenswerthe Erfolge zu verzeichnet Es geht seine Absicht dahin, zunächst die Küste sicher zu stellen, in zwar dadurch, daß er das Hinterland der Küste in einer Gu fernung von 100 bis 150 km mit militärischen Stationen besekt in dem Maße, wie diese Stationen wirksam werden und die umliegend— Bevölkerung zur Ruhe bringen, will er sie weiter ins Innere bot, schieben und dann an der Küste durch eine mehr civile Verwaltun ersetzen, sodaß also an der Küste nach und nach eine eivile Verwaltun eingerichtet wird;: die ganze lange Küste durch eine Reihe von militär besetzten Stationen sichern; diese Stationen mit der Zeit weiter von schieben; außerdem Karawanenstraßen in das Innere anlegen und mn militärischen Stationen besetzen, und hierüber hinaus nach den Stern einzelne Expeditionen energischer Afrikareisender nach wie vor zulassc⸗ und begünstigen.

Ich glaube, das das ein Eystem ist mit dem man nur ein⸗ verstanden sein kann, und das wir nur wünschen können. .

Ich komme auf den Anfang meiner Rede zurück und erkläre . einmal, daß ich Herrn Eugen Wolf nicht allein , , ö ö. sondern die Ausweisung auch aufrecht zu erhalten gewillt bin. möglich, daß durch solche Maßregeln ein Einzelner hart betroffen wird; ich bin aber auch der Meinung, daß in diesen Dingen der Einzelne dem Ganzen untergeordnet werden muß, und daß es meine Pflicht ist, in erster Linie das Wohl und das Gedeihen dieser Colonie m Auge zu behalten und danach zu handeln. Bravo) .

Abg. Graf von Arnim (Rp: Er sei der Meinung, daß die

f 23 Millionen das Mindeste seien, was man geben müsse. , ,, ür ihn die Thatsache hervor⸗ Hin es sei aus den ganzen Berichten für ihn die n ,. Etreten, daß der Gouverneur bei all seiner Energie doch dadurch in er Thätigkeit wesentlich beschränkt werde, daß er mit außerordentlich 2. Müteln die Colonie verwalten müsse. Der Gouvernenr habe . iber von Zöllen und Steuern allerdings nicht die Ge. „hren, heraufbeschworen, die der Bexichterstaiter Wolf vorausgesagt br, doch laffe sich nicht leugnen, daß diese Maßnahmen eine gewisse Unzufriedenheit, hervorgerufen hätten. Vielleicht wäre es eher är gölle auf. Seam und Erdnüsse, die sehr geringe Erträge gäben, vorlaufig aufzuheben und erst wieder einzuführen, wenn die . duction größere Ausdehnung angenemmen habe. Aber der Gou⸗ derncur mtssse sinnen, auf alle Weise Mittel zu schaffen, und glaube die Zölle nicht aufheben zu können, Die Steuern brächten enfalls wenig ein, riefen aber Mißmuth, hervor; eine Palmen⸗ steuer werde garnicht erhoben. Aus diesen Ursachen sei jedoch der Auf⸗ stand der Wadigoes nicht entstanden. Von einem Theil der in Sst -Afrika lebenden Deutschen sei der. Verdacht ausgesprochen wor— den, daß die englischen Missionäre, getrieben von einer gewissen Eifer⸗ fucht gegen die Deutschen, eine gewisse Unzufriedenheit bei den Wa—⸗ digoes künstlich hervorgerufen hätten. Er mache sich diese Ver⸗ muthung nicht zu eigen, sei aber ß daß es nur einer kleinen Andeutung der Regierung bei der engli chen edürfe, um die Mis⸗ fionüre auf ihr Feld zurückzuweisen. Daß die Freihafenstellung von Sansibar ein erheblicher Wettbewerb für die deutsche Colonie sci, sei nicht zu leugnen; er begrüße daher mit Freuden den Plan er Ostafrikanischen Gesellschaft, an der Küste entlang häufigere Dampferverbindungen eintreten zu lassen und eine directe Tnie von Bombay nach der Küste mit Umgehung von Sansibar einzurichten, um Handel und Verkehr mehr an die Küstenplãätze zu ziehen. Man sehe in OstAfrika an verschiedenen Stellen, daß sich Ctablissements erhöben, die zu den größten Hoffnungen berech⸗ tigten, z. B. die Plantage Lewa, wo 309 Arbeiter beschäftigt würden. ö. baue dort Taback und Baumwolle, deren Cultur einer reichen Zukunft entgegengehe; auch Versuche mit Anbau von Kaffee und Ge— müsen seien gemacht worden. Diese Gründe brächten ihn zu der lleberzeugung, daß Deutschland in den Colonien eine Grundlage habe, welche die Aufwendungen reichlich lohnen werde. England würde für die Cisenbahn keinen Zuschuß geben, wenn die Regierung nicht die lieberzeugung hätte, daß thatfächlich in Ost-Afrika etwas zu holen sei. Es sei inn schmerzlich, daß man derartig große Summen von der Re⸗ gierung fordern müsse. Das Privatkapital müßte sich mehr daran? betheiligen, aber die Schilderungen von der Ge⸗ ringwerthigkeit der Colonien verhinderten eine solche ei gn Die Gründe, warum Emin Pascha den deutschen, Dienst aufgegeben habe, lägen zum theik in der gespannten Stellung gegenüber den Offizieren des Majors von Wissmann und zum theil dielleicht auch in dem Gefühl, daß für die Colonien nicht genug von deutscher Seite gethan werde. Daß die deutschen Colonien minder— werthig sein sollten, sei nicht anzunehmen. Er sei überzeugt, daß Dr. Peters recht gern eine größere Aufgabe übernehmen werde, die ihm die Regierung anweise. Das Dampferunternehmen des Majors von Wissmann gehe den Reichstag gar nichts an, das sei eine Privat⸗ fache. Eine Verwerthung des Dampfers sei schließlich auch noch für den Küstendienst möglich, das Geld sei also durchaus nicht fort geworfen. Er glaube, ein großer Theil der Nation stehe nicht auf dem Standpunkt des Abg. Hr. Bamberger, sondern hoffe, daß die Regierung mit starker Hand die Colonialpolitik weiter führen werde, unbehindert durch die Klagen der Schwarzseher. Er sei überzeugt, daß Ost-Afrika eine große wirthschaftliche Zukunft, habe, vorausgesetzt, daß die Regierung nicht mit zu knappen Mitteln ans Werk gehe, und bitte dringend, die Vorlage anzunehmen.

Abg. Reichsgraf von und zu Hoensbroech (Centr.): Er stelle fest, daß die Auffassung der Mitglieder von der Linken in Betreff der Colonialpolitik heute eine wesentlich andere sei als sonst, indem

auch sie einen Theil der Forderung bewilligen wollten, und sehe darin eine Anerkennung der ruhigen und sachlichen Behandlung durch den Reichstag. Die Colonialpolitik habe eine materielle und ethische

Seite. Was die erstere anbetreffe, so meine er, könne man in so

kurzer Zeit noch keine, finanziellen Erfolge erwarten. Die

Schwierigkeiten, welche die Anlegung von Plantagen verursache, und

den Gewinn aus den Anpflanzungen könne man nicht vergleichen mit den mühelosen und gewinnbringenden Geschäften an der Börse.

Wenn Deutschland die Millionen, die es heute an das Ausland zahle, im eigenen Interesse verwenden könnte, so wäre, das von großem wirthschaftlichen Werth. Seine Partei werde auch in Zukunft bereit sein, mit der Regierung die Wege einer gemäßigten Coloniglpolitit zu gehen. Wegen der Petition des Herrn Wolf sei er der Ansicht, daß sie zunächst in der Petitionscommission zur Verhandlung. kommen müsse, dort könnten etwa bestehende Zweifel über die Berechtigung der Ausweisung aufgeklärt werden. Das jetzige Regierungssystem besitze in der Person des Gouverneurs von Soden einen durchaus geeigneten Vertreter, der nicht nur von Seiten der Kolonialgesellschaft, son= dern auch von Seiten der Missionsgesellschaften beider Gonfessionen un⸗ bedingtes Vertrauen genieße. Die Missionsthätigkeit sei ohne Zweifel bon großer Bedeutung. Die Missionäre seien als die Pioniere der Cultur nicht nur an der sicheren Küste, sondern auch weit im Innern, von allen Seiten anerkannt. Diese auf jede Weise it unt ter, sei eine der hervorragenden Aufgaben der Colonialpolitif. Ihr abe auch der von dem Major von Wissmann für den Victoria Nyanza geplante Dampfer dienen sollen, aber es habe sich herausgestellt, daß seiner Hinschaffung dort große Schwierigkeiten entgegenständen; an Stelle dessen werde man nunmehr den Dampfer auf dem Wasserwege durch den Fyassa nach dem Tanganika schaffen. Dafür spreche der Umstand, daß die Mifsionsberichte vom Victoria Nyanza verhältniß⸗ mäßig günstig, die vom Tanganika aber erschreckend ungünstig lauteten. Von großer ö sei auch die Frage der Schnapseinfuhr; wer aus Handelsrücksichten sich nicht scheue, dort Schnaps einzuführen wirke der zwilifatorischen Aufgabe Deutschlands entgegen. Während in Südwest⸗ Afrika die Branntwenpest trotz aller dagegen angewandten Mittel herrsche, sei Ost-Afrika bisher glücklicher Weise davon frei e g. leider scheine es aber auch damit am Ende zu sein. Er abe kürzlich in einer Zeitung gelesen, daß in Sansibar 30090 Fässer Rum gelandet ien, das würde er sehr beklagen. Hoffentlich werde das ruhige Vorgehen auf dem colonialen Gebiete auch weitere Erfolge zeitigen, und so lange die Regierung auf dem Boden der givilisirung ö. fortschreite, könne sie auf die Unterstützung seiner Fraktion rechnen.

Director der Colonial-Abtheilung im Auswärtigen Amt, Wirklicher Geheimer Legations⸗Rath Dr. Kay ser: Das Haus möge. überzeugt sein, daß die Regierung auf die Missionsgesellschaften und ihre Thaͤtigkeit denselben hohen Wurlh lege, wie der Vorredner. Auch wegen des Branntweins theile sie seine Ansicht, sie gebe sich alle Mühe, daß Ost⸗Afrika nicht, wie es in West⸗Afrikg leider der Fall sei, von der Branntweinpest angesteckt werde. Der Reichskommissar von Wissmann habe früher verfügt, daß die Schnapseinfuhr von seiner jedesmaligen esonderen Genehmigung abhängig sei; das habe sich durchführen lassen, fo lange dort wegen des Llufstandes von Curopäern nur Offi⸗ äiere und Mitglieder der Schutztruppe gewohnt hätten, die von Amts; wegen verpflegt worden seien; lasse iich aber jetzt nicht mehr aufrecht erhalten, wo auch fonft noch viel Europäer dort angesiedelt seien.

234 sei die Einfuhr erstens durch einen sehr hohen oll erschwert, für jeden Liter verkauften Branntweins werde zweitens eine sehr hohe Licenzabgabe erhoben, außerdem sei der Eingang von r rh, Getränken mit einer dritten sehr hohen Abgabe belegt, und schließlich dürfe, wo nach dem Muster englischer Colonial⸗ behörden, wie sie jetzt am Kapland verführen, an Ein eborene Brannt⸗ wein nur verabfolgt werden, wenn sie eine schriftliche Genehmigung ihrer Ortsbehörde, . des Stationschefs oder Bezirkschefs hätten, und diesen sei aufgegeben, solche Genehmigungen nur ausnahmsweise, also etwa, wenn es sich um sanitäre Zwecke handele, zu ertheilen. Daß kürzlich in Deutsch⸗Ostafrika größere Mengen von Rum ein eführt seien, sei hier nicht bekannt geworden; die Einfuhr in. San— . wolle dafür nichts bedeuten, denn von Sansibar bestehe ein leb— hafter Handelsverkehr nach portugiesischen und eg gn Colonien. Die vom Abg. Grafen von Arnim ausgesprochene Ansicht, daß eng— sische Missionen die deutschen im deutschen Schutzgebiet störten, sei unbegründet und beruhe wohl auf ungenauen Nachrichten solcher Leute, die, in Ost⸗Afrika wohnend, ein gewisses Mißtrauen England gegen⸗ über an den Tag legten. Wegen der Steuern könne er nur wieder⸗ holen, daß sie im wesentlichen dieselben seien, wie früher unter dem Sultanat Sansibar. Der Zollsatz sei nicht geändert, nur einige Modalitäten seien getroffen worden. Der Abg. Br. Bamberger werde sich aus dem Colonialblatt leicht unterrichten können, daß die Usambarg⸗Eisenbahngesellschaft von Hause aus eine Tochtergesellschaft der Ostafrikanischen Gesellschaft gewesen sei. Die Eisen⸗ bahn von Bagamoyo, nach Dar⸗es⸗Salam sei garnicht in Bau getreten; sie sei eine Lieblingsidee des verstorbenen Freiherrn von Gravenreuth gewesen, der darin den Widerspruch anderer Afrika—⸗ kenner gefunden habe. Was die Dampferunterstützungen anlange, so habe die Regierung das vertragsmäßige Recht, die Bücher der unterstützten Gesellschaften einzusehen; in der kurzen Zeit seitdem die Unterstützung bestehe, sei dazu noch kein Anlaß gewesen, privatim sei ihm mitgetheilt worden, daß die Außenlinie sich gut lohne, die Küstenlinie weniger. Die Einfuhr von Ost⸗Afrika 9 Deutschland sei allerdings zur Zeit noch nicht groß, aber daraus dürfe man doch keinen Schluß auf den Gesammtwerth der Colonien ziehen. Früher seien die Ost⸗ Afrikaner nur in Verbindung mit englischen Kaufleuten gewesen, diese Verbindungen ließen sich nicht plötzlich lösen, man müsse und könne mit dem bisher für den Handel Erreichten zufrieden sein. Man könne zur Zeit für die Schutzgebiete noch keine so genaue Ein- und Aus— fuhrstatistik aufstellen, er habe aber, sowie er ins Amt gekommen sei, alle Vorsorge für die Einrichtung solcher Statistik getroffen und er hoffe, sie dem Reichstage demnächst, spätestens aber bei der nächsten Etatsberathung vorlegen zu können. Nach seinen eigenen Zusammen— stellungen, die allerdings auf genaue Richtigkeit keinen Anspruch machen könnten, habe die Jahreseinfuhr nach Deutsch-Ostafrika sz. Millionen betragen, die Ausfuhr 7 Millionen, der Gesammtverkehr also immerhin schon gegen 16 Millionen das sei allerdings der Verkehr nicht nur von und nach Deutschland, sondern nach allen Ländern. ö

Abg. Dr. Ham macher (ul.): Den Ausführungen des Abg. Grafen bon Arnim stimme er völlig bei Nun habe aber der Abg. Hr. Bamberger die völlig berechtigte Frage, ob die von den Colo— nien gebrachten Vortheile der daran gewandten fer werth seien, verneint, und die g fan auf Besserung dieser Sachlage für un— berechtigt erklärt; die Zahlenangaben des Abg. Dr. Bamberger seien aber unrichtig. Mit einer . des Plantagenbaues wachse naturgemäß die Zahl der Arbeiter, allmählich steige der Lohn, ein gewiffes Wohlleben stelle sich ein, und damit steige auch die Einfuhr von Industrieerzeugnissen nach der Colonie; das sei eine alte Erfah⸗ rung, die überall, wo Colonien beständen, gemacht werde, und die durch einen ihm zugegangenen Bericht über die Entwickelung Neu⸗ Guineas, wozu das Reich bekanntlich garnichts beisteuere, noch be⸗ stätigt werde. In Neu⸗Guinen sei mit der Entwickelung der Plantagen die Einfuhr so gestiegen, daß sie heute die ganze Einfuhr nach Ost⸗ Afrika übertreffe. Ein weiterer Irrthum des Abg. Dr. Bamberger betreffe den Tabackbau in Ost-Afrika. Für den Abg. Dr. Bamberger gebe es nur zwei Sorten von Taback: einen schlechten und einen ganz vorzüglichen, und er meine, wenn Deutschland mit Kuba nicht wetteifern könne, werde der afrikanische. Tabackbau Deutschlands nie lohnend werden. Die holländisch-indischen Taback⸗ plantagen würfen in letzter Zeit mehr Gewinn ah, als die kubgnischen, einzelne bis zu hundert Prozent. Nun habe sich aber die Qualität des Sumatratabacks in jüngster Zeit verschlechtert; früher sei der Sumatrataback in Europa und Nordamerika gern zu Deckblättern ver⸗ wendet worden. Wenn sich der afrikanische Taback auch dazu eigne, so finde er gerade jetzt in Folge des Zurückgehens der holländischen Tabacke vorzügliche Marktverhältnisse und die Tabackfabrikanten würden ihn gern zu guten Preisen kaufen. Alles in Allem werde die Zukunft des ostafrikanischen wie überhaupt aller deutscher Schußgebiete wesentlich von der Privatthätigkeit abhängen. Er widerftrebe daher jeder Maßregel, welche die Privatthätigkeit ab⸗ schwäche, wie er Alles befürworte, was die Schutzgebiete heben und fördern könne. . . ;

Abg. Dr. Barth (dfr. : Seine Parteigenossen seien weit entfernt, grundfätzliche Gegner des Systems des Gouverneurs von Soden, und noch welter entfernt, Freunde des Systems des Majors von Wissmann zu fein, sie hätten in dem System des Gouverneurs von Soden einen, wenn auch geringen Fortschritt gegen früher gesehen und wiederholt öffentlich diefes System gegen die Angriffe der Anhänger des Systems des Masors von Wissmann vertheidigt. Seine Partei sei also von dem Verdacht besonderer Sympathien für das System des, Majors von Wiffmann und dessen Träger Gugen Wolf frei. Die Ange—⸗ legenheit Wolf's habe für sie ausschließlich einen grundsätzlichen Cha⸗ rakter, und sie könne sie um so unparteiischer prüfen, als sie mit seiner Thätigkeit als Berichterstatter nicht einverstanden sei. Der Reichs⸗ kanzler habe in dieser Sache aber einen Grundsatz aufgestellt, der von außerordentlicher Bedeutung für die gesammte Auffassung der colonialen Kritik werden könne. Er wolle nicht bestreiten, daß die Regierung berechtigt gewesen sei. Wolf, auszuweisen; die Frage sei nur, ob es räthlich gewesen sei. Bei der großen Machtbefugniß, welche die Gesetzgebung dem Reichskanzler eingeräumt habe, komme es schließlich auf das freie Belieben des Reichskanzlers an, bis zu welchem Umfange er eine Kritik an Ort und Stelle dulden oder ob er den Betreffenden . wolle. Wolf habe außerordent⸗ lich parteiisch geurtheilt, weil er sich für das System des Majors von Wisfmann verpflichtet habe, und sei weit über das Maß sachlicher Berichterstattung hinausgegangen. Aber bei jeder öffentlichen Kritik urtheile man mehr oder weniger parteiisch von seinem Standpunkt aus, ohne deshalb schon ein Vaterlandsverräther zu sein. An und für sich sei eine scharfe Kritik gerade in der Colonialpolitik wünschens— werth. Wie weng räthlich die Ausweisung Wolf's gewesen sei, be— weise auch deren Erfolg. Die Ausweisung habe Wolf bis zu einem gewissen Grade zu einer sehr bekannten Persöoͤnlichkeit gemacht. Grund⸗ sätzlich sel es überhaupt nicht wünschenswerth, daß man der öffentlichen Kritik gegenüher gar zu empfindlich sei. Dem Wirklichen Geheimen Legations-Rath Dr. Kayser erwidere er, daß der gesammte Aus⸗ und Einfuhrverkehr von Ost-Afrika mit allen Theilen der Erde allerdings 16 NMillionen Mark betrage, aber bei dem Verkehr mit Deutschland allein handele es sich nur um einige Tausend Mark. Der Handel, der dort ja nicht neu sei, habe 4c nicht nach Deutschland ablenken lassen, es sei also außerordentlich schwer, durch den . von Colonien Einfluß auf den Handelsverkehr zu üben. Dem Abg. Dr. Hammacher bemerke er, daß die Steigerung des Aus- und Einfuhrverkehrs von Neu⸗Guinea mit Deutschland von etwa 229 000 M in 1888 auf 1 070 000 M in 1899 ja ein inter⸗ essantes Ergebniß sei, er vermuthe aber, daß darin die Ausfuhr an Maschinen und Ausrüstungsgegenständen für die Neu-Guineag— Compagnie inbegriffen sei, und dann würde diese Ziffer für die Aus⸗ dehnungsfähigkeik des dortigen Handels keineswegs sprechen. Die aus den günstigen Ergebnissen des Tabackbaues in Holländisch⸗Indien und Sumatra geschöpften großen Hoffnungen auf den Tabackbau könne er nicht theilen. Gerade der Anbau dieser Nutz⸗ pflanzen sei sehr gefährlich und seine Partei verhalte sich allen Zukunftshoffnungen gegenüber möglichst zweifelnd. Man werde ihr nicht

vorwerfen, daß sie der Colonialschwärmerei gegenüber nicht miß⸗ trauisch genug sei. . ü .

Abg. Graf von Mirbach Cons. Die Meinung über die Aus⸗ weisungöbefugniß gegen Wolf sei auch in seiner Partei verschieden beurtheilt; er hätte bedauert, wenn die Regierung weiter gegangen wäre, als ihr rechtlich zugestanden habe. Er freue sich über die bündige Erklärung des Reichskanzlers, daß an den leitenden Stellen kein Jweifel über die Ausweisungsbefugniß bestehe. Der Gouverneur von Soden habe im Ramen des Reichs die Ordnung in Ost-⸗AUfrita aufrecht zu erhalten, und wenn Wolf Gerüchte verbreitet habe, wo⸗ durch das ganze Anfehen des Gouverneurs erschüttert worden sei, so sei die Lt hin ng nicht richtig, daß er s harfe Kritik geübt habe, weil er große Sympathien für das System des Majors von Wissmann gehabt habe, Schwächlich und falsch wäre es von der Regierung gewefen, wenn sie aus Furcht vor der Kritik Wolf's diesen nicht ausgewiesen hätte. Man habe sich vor einer Kritik nur zu i. ten, wenn man nicht recht gehandelt habe. Die Regierung habe aber recht gehandelt, und der Gouverneur von Soden habe nur gute Rathschläge ertheilt. Aus⸗ und Einfuhr seien nicht un⸗ bedingt ein Maßstab für den wirthschaftlichen. Werth einer Colonie. In den niederländischen Colonien seien ungeheure Vermögen erworben worden ohne erhebliche Ausfuhr. Durch die Colonialpolitik könne man eine große Aujahl Gebildeter an die Colonien abgeben, die in Verbindung mit dem Mutterlande blieben, während sie sonst ins Ausland 5 Deutschland hahe sberhaupt mehr Ueberfluß an gebildeten unbeschäftigten Leuten, als an Arbeitern, die auf dem platten Lande sehr leicht Beschäftigung fänden, wenn sie es nicht vorzögen, in die großen Städte zu gehen. Diese 2 Millionen dienten mit zur Unterdruͤckung des Sklaven⸗ handels und der Sklavenjagden. Die Unterdrückung des Sklaven⸗ handels sei aber nur . wenn man zugleich die olonien wirth⸗ schaftlich schütze. Was seien denn 25 Millionen für das Deutsche Reich? Man möge doch an die Kosten der Prachtbauten im ganzen Lande denken. Was könnte man da sparen, auch an dem neuen Peichs⸗ tagsgebäude! Gegenüber der civilisatorischen Aufgabe und der Macht⸗ stellung des Deutschen Reichs könne der eichstag eine Forderung wie diese ruhig bewilligen. . .

Abg. Ricke rk (dfr): Mit der Colonialschwärmerei werde man dem Deutschen Reiche keinen Zuwachs an Macht verschaffen, wohl aber eine bedenkliche Schwächung. Die Vertreter der verbündeten Regie⸗ rungen hätten Herrn Eugen Wolf als einen Mann erkannt, der ledig; lich aus patriotischen Interessen und aus i mn n Schwärmerei für die Eolonialpolitik nach Afrika gegangen sei, nach seiner innersten Ueberzeugung, um dem Vaterlande zu dienen. Er habe Empfehlungen von der Reichsregierung bekommen und sei darauf aufmerksam gemacht worden, daß er auch in der Presse, wirken und ein möglichst weit verbreitetes Blatt für seine Berichte wählen möchte. Er (Redner) meine, es sei auch ein Verdienst eines deutschen Blattes, derartige Berichte den Lesern mitzutheilen. Unter diesen Umständen hätte man doch etwas andere Formen wählen können, wenn man diesen Mann habe beseitigen wollen. Die Rechtsfrage wolle er nicht er= örtern, er glaube, der Reichskanzler habe Recht, es sei ihm auch von befreundeten Staatsrechts lehrern einstimmig seseg worden, daß an dem Rechte der Ausweisung nicht zu zweifeln sei; aber die, Frage der Zweckmäßigkeit müsse er unbedingt verneinen. In einem con⸗ stitutionellen Staate sei, die Grundbedingung, die Unempfindlichkeit gegen die öffentliche Kritik, wenn sich einmal ein Blatt zu unpassenden Aeußerungen verleiten lasse.

Reichskanzler Graf von Caprivi—

Wenn Herr Eugen Wolf, wie der Herr Abg. Rickert annimmt, aus Patriotismus gehandelt hat, so kann ich dem nicht widersprechen; ich bin aber der Meinung, dieser Patriotismus war mißverstandener Patriotismus. Wenn Herr Eugen Wolf von hier mit Empfehlungen nach Afrika gegangen ist, wenn er im Anfang von den Beamten und, ich glaube, auch von Herrn von Soden freundlich aufgenommen worden ist, so bin ich der Meinung, daß ihm das erst recht die Ver— pflichtung auferlegt hätte, in seinen Mittheilungen doch gewisse Grenzen nicht zu überschreiten. Herr Rickert meint, das Unheil, das Herr Eugen Wolf anrichten könnte, könnte er ja von hier aus, vom Kaiserhof aus, auch anrichten. Zweifellos ist die Fähigkeit der Men⸗ schen, Unheil anzurichten, größer, als die, zum Heil zu wirken. (Heiterkeit) Aber er wird hier aus dem Kaiserhof wenigstens nicht mehr mit dem Nimbus eines von der afrikanischen Sonne gebräunten Sachverständigen auftreten; sondern er wird hier auf das Niveau der—⸗ jenigen zurücktreten, die über solche Dinge von hier aus schreiben.

Den guten Rath des Herrn Rickert hinsichtlich der Unempfind— lichkeit, die er als eine Grundbedingung des eonstitutionellen Lebens bezeichnet hat, würde ich gern annehmen, auch seiner Aeußerung gegenüber, in so fern, als ich gar keine Reue darüber empfinde, daß ich Herrn Eugen Wolf ausgewiesen habe. Ich hatte auch keinen Anlaß, empfindlich zu sein: mir ist bei der ganzen Sache nichts geschehen. Ich bin für einen Untergebenen und für die deutsche Sache hier ein— getreten, so gut, wie ich sie verstehe und wie es mir nach meinem Gewissen erscheint. (Bravo! rechts.)

Nun bin ich eingetreten, nun kann die öffentliche Meinung gegen mich losgehen, und auch da garantire ich Herrn Rickert vollständige Unempfindlichkeit. (Heiterkeit. Bravo! rechts.)

Abg. von Kardorff (Rp.): Die Herren vergäßen, daß in Ost— Afrika noch Ausnahme- und Anfangszustände seien, die 8 in der That sehr wenig rathsam machten, daß solche aufregenden Dinge dort verbreitet würden. Die Ausweisung des Herrn Wolf könne er nicht verurtheilen. Der Abg. Rickert meine, 30 990 ½ würden nur für die Sklavenbefreiung verwendet. Er wisse nicht, ob der Abg. Rickert ganz unempfindlich dagegen sei, daß auf der ganzen Küste, die Deutschland besitze, der Sklavenhandel vollständig ver⸗ hindert sei. Das sei doch ein gewaltiger Fortschritt. Auch ihm scheine das System des Gouverneurs von Soden im Augenblick das richtigere zu sein. Wenn aber dieses System immerfort an gegriffen werde, wenn ihm seine geschlossene Hand vorgeworfen werde, so möge man doch dem Gouverneur von Soden diese 21 Millionen bewilligen. Was den Werth der Colonien betreffe, so habe er seine Meinung bereits oft genug ausgesprochen. Wenn Deutschland sie veräußern wollte, so würde es ein Gebot von England erhalten, das zehnfach das Geld übersteige, das es bisher dafür, aufgewendet habe. Der beste Beweis für den Werth Ost⸗Afrikas sei die Summe von 1400 000 e, die das englische Parlament für eine Eisenbahn bewilligt habe, sowie die 40 Millionen Mark, welche die englisch⸗ostafrika⸗ nische Gesellschaft aufgewendet habe, um das Land in Besitz zu nehmen.

Damit schließt die Besprechung. Die Forderung wird entgegen dem Antrage Bamberger bewilligt. ;

Auf eine Anfrage des Abg. Br. QOrterer, (Centr.) erklärt der Präsident, daß er die Vertagung des Reichstags etwa für die zweite Hälfte der kommenden Woche, vielleicht von Donnerstag ab, in Aussicht genommen habe.

Schluß 5. Uhr.

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 25. Sitzung vom Sonnabend, 5. März. Der Sitzung wohnen der Minister des Innern Herr⸗

furth, der Justiz⸗Minister Dr. von Schelling und der ginn , er ssot Dr. Miquel bei.

Auf der Tagesordnung steht inch die dritte Be⸗

rathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Kosten