Großherzoglichen Hause geltenden Erbfolgeordnung Uns als nächstem Stammfolger nach dem Rechte der Eistgeburt und Linealfolge ange⸗ fallene Regierung des Großherzogthums angetreten haben. Demnach versehen Wir Uns zu Unseren getreuen Ständen, zu allen öffentlichen Beamten und Dienern, überhaupt zu allen Angehörigen des Groß— herzogthums, daß sie Uns als dem rechtmäßigen Landesherrn Treue und Gehorsam leisten und sich in allen Stücken als getreue Unter⸗ thanen erweisen.
Dagegen ertheilen Wir ihnen die Versicherung, daß Wir Uns die Handhabung von Recht und Gerechtigkeit, sowie die Förderung der Wohlfahrt und des Besten des Landes stets angelegen sein lassen, daß Wir die Verfassung der Großherzogthums hochhalten und beobachten, sowie auch dem Kaiser und Reich die von Unseren Vorfahren erwiesene Treue bewahren werden.
Sämmtlichen Behörden und Beamten geben Wir auf, bis zu etwaiger anderweiter Bestimmung die ihnen obliegenden Verpflichtungen nach wie vor zu erfüllen.
Gegeben zu Darmstadt, am 13. März 1892.
j ; Ernst Ludwig. Finger.
Die sterbliche Hülle weiland Seiner Königlichen Hoheit des Großherzogs Ludwig 7. ist nunmehr in, dem Audienzsaale aufgebahrt. Der Hohe Entschlafene ist mit der Feneralsuniform bekleidet, die zum theil von dem Militär— mantel bedeckt wird. ;
Die Erste und Zweite Kammer werden nach der „Köln. Itg.“ übermorgen Sitzungen halten, um über eine AUdresse an den Großherzog zu berathen.
Sachsen⸗Weimar⸗Eisenach.
Weimar, 14. März. Seine Königliche Hoheit der Großherzog ist, wie die „Th. C.“ mittheilt, von seinem Un⸗ wohlsein völlig wieder hergestellt und hat gestern zum ersten Male eine Ausfahrt unternommen. J . .
Zu den Beisetzungsfeierlichkeiten in Darmstadt wird sich in Vertretung Seiner Königlichen Hoheit des Großherzogs der Flügel-Adjutant, Oberst-Lieutenant von Palszieux begeben.
Der Finanzausschuß des Landtags beantragt die Annahme des Etats der Einnahmen im Hauptvoranschlag für 1833395 ohne erhebliche Abänderungen. Die Feststellung der Sätze der Einkommensteuer für die nächste Finanzperiode wird erst nach Abschluß des Hauptvoranschlags erfolgen. In Bezug auf die Erhöhung der Staatsdiener-Besoldungen hat sich der Ausschuß mit der von der Regierung beantragten procentualen Aufbesserung einverstanden erklärt, weil er erkannte, daß die auch von ihm als nothwendig erachtete Besoldungserhöhung nicht anders zu erreichen sein werde. Er beantragt beim Landtag zugleich die Erstreckung der Erhöhung der Besoldungen, wie sie für die anderen Beamten vorgesehen ist, auch auf die De— partementschefs, die in dem Voranschlage der Regierung nicht berücksichtigt worden waren, einem Herkommen folgend, nach welchem die Initiative zu einer Erhöhung der Minister-Gehälter bei einer allgemeinen Aufbesserung der Gehälter vom Landtag auszugehen hat.
([ 69 *
Braunschweig.
Braunschweig, 14. März. Der Landtag hat nach der „Köln. Zig.“ in seiner vorgestrigen Sitzung einstimmig die Vorlage der Regierung, 780000 46 zum Bau von Familien— wohnungen für landwirthschaftliche Arbeiter auf den Domänen zu verwenden, genehmigt.
Oefterreich⸗Ungarn.
Eine Deputation des 14. Infanterie-Regiments „Großherzog von Hessen“, bestehend aus dem Obersten Negrelli und drei Offizieren, wird sich, wie „W. T. B.“ aus Linz meldet, zu den Leichenfeierlichkeiten nach Darmstadt begeben. . .
In der gestrigen Sitzung der österreichischen Valuta— Enguste-Commission gaben vier Experten, darunter der Director der Oesterreichischen Creditanstalt Mauthner und der Krakauer Universitäts-Professor Milewski, ihre Gut— achten ab. Die Ansichten der andern drei Experten entsprachen mehr oder minder den bisherigen, Milewski aber bekannte sich zum Bimetallismus und empfahl, die Regierung aufzu— fordern, die Initiative zu einer internationalen bimetallistischen Vereinigung zu ergreifen. Falls dies unthunlich sei, möge man keine grundsätzliche Entscheidung treffen, sondern lediglich die bestehende Währung durch Aufnahme von Gold reformiren und Goldcourantmünzen ausprägen.
Bei einem gestern Abend von der „Gesellschaft öster— reichischer Volkswirthe“ zu Ehren der Mitglieder der Valuta⸗-Engu é te-Commission veranstalteten Bankett brachte der Präsident der Statistischen Centralcommission Dr. von Inama⸗Sternegg ein Hoch auf den Kaiser Franz Joseph aus. Abg. Dr. Peez feierte in einem Trinkspruch die Mitglieder der Valuta-Enguste-Commission und den anwesenden Finanz-⸗Minister Dr. Steinbach. Der Finanz-Minister ant— wortete mit einem Hoch auf die Gesellschaft. In seiner Rede hob er die treue Pflichterfüllung der Mitglieder der Valuta⸗Enquéte⸗Commission anerkennend hervor und leerte sein Glas auf das Gelingen des begonnenen Werks.
In der gestrigen Sitzung des böhmischen Landtags beantragte der Fürst Windischgrätz bei der ersten Lesung der AusgleichsÜvorlagen deren Ueberweisung an eine Commission von 27 Mitgliedern. Kutschera erklärte im Namen der Jungczechen, daß die Letzteren auf den Antrag eingingen, da sie die Ueberweisung der Vorlagen an eine Commission nicht hindern könnten. Ihren bekannten Stand— punkt hielten sie jedoch vollkommen aufrecht. Der Antrag wurde angenommen. Dagegen stimmten nur die Jungezechen.
Die Commission constituirte sich noch gestern und wählte den Prinzen Ferdinand Lobkowitz zum Obmann, Schmeykal und Trojan zu Obmann-Stellvertretern. Dr. von Plener beantragte, die erste Sitzung der Com— mission heute abzuhalten, und Schmeykal, hierzu den Statthalter einzuladen. Nach Ablehnung beider Anträge wurde beschlossen, dem Antrage Herold's gemäß, die Be— stimmung für die nächste Sitzung dem Vorsitzenden der Com— mission zu überlassen.
Im ungarischen Unterhause trat gestern bei der weiteren Debatte über den Adreßentwurf Koloman Tisza auf das wärmste für den Ausgleich ein, dessen einseitige Ab⸗ anderung verfassungsmäßig unzulässig sei. Die erzielten Fort—⸗
schritte auf geistigem und materiellem Gebiete, die Regelung der Finanzen, das Vertrauen Europas auf den ungarischen Staat seien Wirkungen des Ausgleichs. Die Aufgabe der liberalen Partei sei und bleibe die Aufrechterhaltung des Aus— gleichs. Zum Schluß gab Redner die Versicherung ab, daß er nicht danach strebe, wieder die Macht zu erlangen.
Großzꝛbritannien und Irland.
Anläßlich des Ablebens des Großherzogs von Hessen hat die Königin eine vierzehntägige volle Hof trauer an⸗ geordnet. Ferner bestimmte Ihre Majestät, daß in der Albert Memorial-Kapelle zu Windsor am Donnerstag, zu der⸗ selben Zeit, wo die Beisetzung erfolgt, für den verewigten Großherzog ein Trauergottesdienst abgehalten werden soll, dem die Königin, die . Christian zu Schleswig⸗ Holstein und Battenberg, sowie andere Mitglieder der König—⸗ lichen Familie beiwohnen werden.
In der gestrigen Sitzung des Unter hauses gab, wie „W. T. B.“ berichtet, der Parlaments⸗Secretär des Aus⸗ wärtigen Amtes Lowther eine Erklärung ab über die An⸗ gelegenheit der beiden Engländer, Brüder Purdie, die am 6. d. M. auf der Rennbahn von Auteui!l auf die Anschuldigung einer Dame wegen Diebstahls verhaftet und erst infolge Einschreitens der engli— schen Botschaft in Paris freigelassen worden sind. Lowther fügte hinzu, die Verhaftung der Brüder Purdie, deren Unschuld inzwischen erwiesen worden, sei eine sehr ernste Frage und bilde den Gegenstand eines Schrift— wechsels zwischen der englischen und französischen Regierung. Die englische Regierung hoffe, daß Frankreich bereit sein werde, das begangene Unrecht wieder gut zu machen und Schritte zu thun, um die Wiederholung ähnlicher Zwischen— fälle zu verhuͤten.
Die liberale Partei feierte am letzten Sonnabend ihren Sieg bei den Londoner Grafschaftswahlen durch ein Festmahl im Reform-Club. Sämmtliche neuen liberalen Grafschafts⸗ räthe hatten Einladungen bekommen, und von den Führern der Partei wohnten die Earls von Kimberley und Aberdeen, die Abgeordneten Campbell-Bannermann, Sir Lyon Plapfair, Arnold Morley, Stansfield und Sir Charles Russell dem Feste bei. Sir William Harcourt und John Morley, die einfluß— reichsten politischen Freunde Gladstone's, warenß durch Unwohl⸗ sein am Erscheinen verhindert. Durch fast alle Reden zog sich, nach der ‚A. C.“, das Siegesbewußtsein der Partei wie ein rother Faden hindurch. Nur der bekannte Advocat Sir Charles Russell dämpfte einigermaßen die siegesfrohe Stim— mung mancher Redner. Man könne sich, meinte er, doch nicht vorstellen, daß das urconservative London an einem Tage liberal geworden sei. Das aber bewiesen die Londoner Graf— schaftswahlen wohl, daß neue Triebfedern in die Massen ge— kommen seien, die sich wahrscheinlich immer mehr fühlbar machen würden.
Frankreich.
Die Budgetcommission hat laut Meldung des „W. T. B.“ die von dem Kriegs-Minister für das Rechnungs— jahr 1891 geforderten Supplementarcredite um 1000 Fres herabgesetzt. Die Herabsetzung wird namentlich damit motivirt, daß die Zahl der wiederangenommenen Unter— offiziere die gesetzlich vorgesehene überschritten habe. Die Commission will durch diesen Beschluß gegen die Ueber⸗ schreitung der Credite Verwahrung einlegen.
In der Lobau-Kaserne, in der die Garde républicaine untergebracht ist, fand, wie aus Paris gemeldet wird, diese Nacht 2 Uhr eine äußerst heftige Explosion statt. Die Büchse, die den Sprengstoff — wahr— scheinlich DDnamit — und Kugeln enthielt, war in einer Fensternische des Speisesaals der Kaserne untergebracht. Das Fenster wurde zerschmettert, das Mauerwerk leicht beschädigt. Zahlreiche Fensterscheiben der Kaserne und der benachbarten Häuser sind gesprungen. Obwohl die über dem Fenster, von dem die Explosion ausgegangen ist, belegenen Räumlich⸗ keiten von Soldaten der Garde républicaine bewohnt sind, ist niemand verletzt worden. Die Behörden befinden sich am Thatorte. Die Lunte und Bruchstücke von Kupfermetall sind aufgefunden worden.
Italien.
In der italienischen Deputirtenkam mer gab gestern der von dem römischen Correspondenten des „Berliner Tageblatts“ an sein Blatt gesandte Bericht über ein ihm gewährtes Interview mit dem zum Nachfolger des verstorbenen Grafen de Launay für den Posten des italienischen Botschafters in Berlin designirten Grafen Taverna Anlaß zu einer größeren Debatte. Graf Taverna sollte bei dem Interwiew, dem ge— nannten Blatte zufolge, gesagt haben: ]
„Er selbst sei immer ein aufrichtiger Freund nicht bloß Deutsch⸗ lands, sondern auch speciell des schönen Berlin gewesen, nach welchem sein Herz ihn immer gezogen habe. Der Dreibund habe in Italien kaum einen eifrigeren, überzeugteren Förderer als ihn, der die Voth⸗ wendigkeit dieses Bündnisses seit langen Jahren erkannt habe. Schon im Jahre 1868, als er von Berlin, wo er dem Zweiten Garde ⸗ Regiment attachirt gewesen, nach Italien heim⸗ kehrte, habe er der italienischen Regierung offen gesagt, wenn es zwischen Frankreich und Preußen zum Kriege komme, werde Preußen siegen, und dieselbe Ueberzeugung besitze er auch heute noch angesichts der Epentualität eines europäischen Confliets; denn selbst von zwei Seiten angegriffen, habe Deutschland, vor Allem dank seinem treff— lichen Offiziercorps, welches er aus eigener Erfahrung genau kenne, keinen Grund zu Besorgnissen. Gehöre doch die Zukunft unstreitig dem gesunden kernigen deutschen Volke, welches die Quelle jeden vahren Forischritts sei.“
Nicht weniger als sieben Anfragen an den Minister-Prä⸗ sidenten waren, wie der Kammer-Präsident mittheilte, darüber beim Bureau eingegangen, und zwar von den Deputirten Sani, Molmenti, Cavalli, Cavallotti, Ronchetti, Cavallini und Imbriani. In seiner Erwiderung darauf erklärte der Marchese di Rudini, nach dem Bericht des, W. T. B.“: Es sei wahr, daß Graf Taverna für den Botschafter— posten in Berlin ausersehen sei, auch das Interview mit dem Correspondenten des Berliner Blattes habe stattgefunden; dagegen sei es nicht wahr, daß Taverna Erklä⸗— rungen politischer Natur abgegeben habe. Die Kammer könne sich nicht ernsthaft mit solchen Dingen beschäftigen (Bei⸗ fall rechts,, ein Journal könne nicht die Politik der Regierung bestimmen: eine Discussion hierüber acceptire er nicht. Die Fragesteller erklärten sich von dieser Antwort nicht be⸗ friedigt, Sani wenigstens nicht vollständig. Molmenti wünschte ausführlichere Erklärungen, um jedes Mißverständ⸗ niß zu zerstreuen und Frankreich der freundschaftlichen Gesinnungen Italiens zu versichern. Cavalli erklärte sich nicht zufrieden gestellt; Cavallotti meinte, es sei ein ernstes
Recht des Parlaments, sich auch mit Journalnachrichten zu be schäftigen; die Wahl Taverng's für den Bots . Berlin sei keine gute. Imbriani sprach sich in demselben Sinne aus. Der Minister-Präsident bedauerte, daß obgleich er formell erklärt habe, die Worte, mi denen über das Interview an das Berliner Blatt be— richtet worden, seien nicht wahr, man gleichwohl fort⸗ fahre, diese zu discutiren, als oh sie vollständig zu⸗ treffend wären. Da aber nun einmal Molmenti und andere Redner Hindeutungen gemacht hätten auf die Beziehungen Italiens zu Frankreich, so bemerke er, daß die Fragesteller bei ihrem Vorgehen das Ziel verfolgten, glauben zu inachen als ob die Haltung der italienischen we, . wenig auf⸗ richtig sei. Dem gegenüber könne er mit Genugthuung constatiren, daß Frankreich sowohl wie ganz Europa nicht an den freundschaftlichen Zielen und der Loyalität Italiens zweifelten. Diese Erklärung wurde von der Kammer mit Aeußerungen lebhafter Zustimmung aufgenommen, und die Sitzung sodann aufgehoben.
Bezüglich eines seitens Italiens an Frankreich gestellten Ansuchens, wegen Beschaffung von kleiner Münze sowie behufs Verhinderung des Ausströmens derselben nach dem Auslande Silbergeld geringerer Titres prägen zu dürfen, bemerkt der „Temps“, Frankreich könne das Ansuchen Italiens nicht unterstützen, da das Eindringen derartigen minderwerthigen Geldes in die südöstlichen Departe— ments unvermeidlich wäre.
Luxemburg.
Luxemburg, 15. März. Das Amtsblatt veröffentlicht in seiner heutigen Nummer ein Decret des Großherzogs, welches den städtischen Gemeinderath auflöst und Neu⸗ wahlen auf den 29. d. M. anordnet.
Türkei. —
Der Adjunct des Directors der Dette publique Noblet ist, wie W. T. B.“ aus Konstantinopel meldet, an Stelle von Selim Effendi zum General-Director ernannt worden.
Serbien.
Infolge des Widerspruchs des radicalen Clubs, den finan— ziellen Theil des Abkommens zwischen der Regierung und dem König Milan durch Beschluß der Volksvertretung zu sanctioniren, werden die finanziellen Forderungen Milan? nunmehr der Skupschtina nicht unterbreitet werden; die Beseitigung etwa sich hieraus ergebender Schwierigkeiten bleibt der Regierung überlassen. Der abgeänderte Gesetzentwurf enthält nach dem Ausschußbericht nunmehr, wie W. T. B.“ mittheilt, folgende Bestimmungen: Der König Milan hört auf, Mitglied des Königshauses zu sein, und verliert die ihm als solchem zustehenden Rechte, im Einvernehmen mit den Regenten auf die Erziehung und Vermögensverwaltung des Königs Einfluß zu üben. Er darf unter keiner Bedingung weder an den serbischen Staat noch an das Königshaus irgend eine Forderung stellen. Er kann ohne die vorherige Ge— nehmigung durch die Skupschtina nicht neuerdings serbischer Bürger werden. Es ist ihm jedes Wiederkommen, Verweilen oder Ansiedeln in Serbien verboten. Nur im Falle einer ernstlichen Erkrankung seines Sohnes kann ihm die Regent—⸗ schaft im Einvernehmen mit der Regierung, aber nur für die Dauer der Krankheit, den Aufenthalt gestatten. Das Gesetz erhält mit der Unterschrift des Königs Rechtskraft. Der Vorsitzende des Staatsraths ist den Abänderungen beigetreten.
Das Schreiben des Königs Milan an die Regenten, auf welches hin das Abkommen ausgearbeitet worden ist, lautet nach der „Nat.-Itg.“ wie folgt:
„An die Königlichen Regenten!
Anknüpfend an meinen Act vom 3090. März d. J., welchen ich an Sie gerichtet habe, und nach dessen Mittheilung die Skupschtina an demselben Tage die bekannte Resolution gefaßt hat, beehre ich mich, Sie zu benachrichtigen, daß ich, geleitet von denselben Gründen und Erwägungen, mich entschlossen . noch ein weiteres, und zwar das größte und letzte Opfer diesem Ziele zu bringen. Dieses Opfer besteht darin, daß ich Ihnen, Königliche Regenten, hiermit feierlich erkläre, daß ich mit gegenwärtigem Act, welcher für mich verbindliche Kraft hat, freiwillig und für immer der Mitgliedschaft des serbischen Königshauses, sowie allen Rechten und Pflichten entsage, welche mit dieser Mitgliedschaft nach der Ver—⸗ fassung und den Landesgesetzen verknüpft sind. Daraus folgt von selbst, daß die Aufsicht über die Erziehung Seiner Majestät des Königs Alexander, welche mir dem Art. 72 der Verfassung gemäß zustand, nach dem Geist und Sinn dieses Artikels auf Sie, König⸗ liche Regenten, übergeht, infolge dessen auch die Vormünder der CEivilliste Seiner Majestät des Königs Alexander fortan von Ihnen ihre Weisungen erhalten, Ihnen he nungen vorzulegen und von Ihnen Entscheidungen zu empfangen haben. Ebenso entsage ich allen Ansprüchen, welcher Art immer, sei es bezüglich des serbi⸗ schen Staats, sei es bezüglich des serbischen Königshauses. Nebst dieser Erklärung, betreffend die Resignation auf meine Rechte, beehre ich mich, Sie noch von meiner ferneren rechtsverbindlichen Entschließung zu benachrichtigen, kraft welcher ich auch der serbischen Staatsbürgerschaft entsage, sowie allen Rechten, welche dieselbe gewährt, und zwar derart, daß ich für immer außerhalb Serbiens leben und niemals nach Serbien kommen werde, ausgenommen den in der erwähnten Resolution der Skupschtina vom 36. März 1891 vorgesehenen Fall (einer schweren Erkrankung des Königs Alexander. Die Red) Im Zusammenhange mit diesem meinem unabänderlichen Entschlusse bitte ich Sie, König⸗ liche Regenten, im geeigneten Wege das Erforderliche veranlassen zu wollen, damit mein Austritt aus dem serbischen Staatsverbande durchgeführt werde und ich eine fremde Staatsbürgerschaft erwerben kann. Indem ich Ihnen diese Erklärung mittheile, bitte ich Sie, Königliche Regenten, mich durch einen besonderen Act von Ihrer Billigung und Ihrem Einverständnisse mit diesen meinen im gegen— wärtigen Acte niedergelegten bleibenden und rechtsverbindlichen Ent— schließungen benachrichtigen zu wollen.
Paris, 30. September 1891. Mi lan.“
Bulgarien.
Wie die „Pol. Corresp.“ erfährt, würde der bisherige Führer der Opposition Radoslawow zum diplo matischen Agenten in Bukarest ernannt werden an Stelle Theo— dorow's, welcher den nach Konstantinopel berufenen diplo— matischen Agenten Dimitrow in Belgrad ablösen solle.
Schweden und Norwegen.
(FE) Stockholm, 12. März. Der König und der
Kronprinz sind gestern Abend nach Christiania abgereist. —
In Veranlassung des heutigen Namenstages der Kron⸗ prinzessin hatten die öffentlichen und viele private Gebäude sowie die Schiffe im Hafen geflaggt.
Christiania, 14. März. Die seit längerer Zeit schwebende Konsulatsfrage hat laut Meldung des „W. T. B.“ in einem gestern abgehaltenen Conseil ihre Erledigung gefunden, und zwar ohne daß der mehrfach erwartete Rücktritt des Ministeriums eingetreten wäre. Der König hat, wie es in
der Drahtmeldung heißt, seine Zustimmung dazu ertheilt, daß der Vortrag des Departements dem Storthing übermittelt werde, zugleich aber ein persönliches Dictamen 8 Protokoll gegeben des Inhalts, daß er sich vorbehalte, später Bestimmung owohl über die materielle Seite der Sache, wie über die Art der Behandlung, in Uebereinstimmung mit dem für die Union hestehenden Gesetze (Rigsacten), zu treffen. Das Ministerium ließ seinerseits dem Protokoll hinzufügen, daß es dem König dieses Dictamen widerrathen habe.
Asien.
Aus Yokohama wird über San Francisco vom 14. d. M. gemeldet, daß die Parlamentswahlen in Japan nun— mehr beendet seien und den Regierungsorganen zufolge eine Mehrheit von zwanzig Stimmen fuͤr die Regierung er— geben hätten. Ferner wird bestätigt, daß es während der Wahlen mehrfach zu Ruhestörungen gekommen ist, bei denen mehrere Personen getödtet und eine größere Anzahl verwundet wurden.
Afrika.
Nach einem Telegramm des „Reuter'schen Bureaus“ aus Mozambique vom 12. d. M. meldet der Vertreter der eng⸗ lischen „Afrikanischen Seen-Gesellschaft“, daß sich ein neuer Unfall beim Fort Johnston ereignet habe, indem die Eingeborenen eine Expedition der Gesellschaft überfielen, wobei die Chefs der Expedition King und Watson verwundet wurden. Die Eingeborenen verwundeten
und tödteten außerdem mehrere Soldaten sowie eine Anzahl Sikhs und Sansibariten und nahmen das von der Expedition mitgeführte Geschütz fort.
Parlamentarische Nachrichten.
In der heutigen (194.) Sitzung des Reichstags, welcher
der Ministerial-Director Lohmann beiwohnte, begann die Specialdiscussion der Novelle zum K dessen S 1 feststellt, welche Kreise von Personen der Verpfli tung zur Versicherung gegen Krankheit unterliegen sollen; durch die Novelle wird diese Verpflichtung auf alle im Handels— gewerbe gegen Gehalt oder Lohn beschäftigten Personen aus— gedehnt. Die Abgg. Dr. Buhl (nl. und Dr. Gutfleisch (dfr.) beantragten die Einschaltung folgenden Zusatzes im 81: „Handlungsgehilfen und Lehrlinge unterliegen der Versicherungs— pflicht nur, sofern durch Vertrag die ihnen nach Art. 60 des Deutschen Handelsgesetzbuches zustehenden Rechte aufgehoben oder beschränkt sind.“
Abg. Dr. Höffel (Rp.) beantragte den Zusatz: „sofern ihr Jahreseinkommen 2000 MW nicht übersteigt“.
Die freis. Abgg. Goldschmidt und Eberty erklärten den Antrag Buhl-Gutfleisch als ein Auskunftsmittel, um den Handlungsgehilfen den Vortheil, den ihnen Art. 60 des deutschen Handelsgesetzbuchs gewähre (durch Fortzahlung des Gehalts für sechs Wochen im Erkrankungsfalle gegenüber der mn, von 150 —2 4, die die Krankenkassen gewähren), zu sichern.
Abg. Dr. Hirsch (dfr. äußerte sich ähnlich, während der Abg. Singer (Soc, den Kassenzwang auf alle Gehilfen ohne Unterschied ausdehnen will.
Der Absicht des vermittelnden Antrags, der von den Abgg. Dr. Buhl (pl.) und Dr. Gutfleissch (fr.) begründet wurde, widersprach der Ministerial-Director Lohmann. Schließlich wurde der 8 1 der Novelle mit dem Antrag Buhl-Gutfleisch angenommen. (Schluß des Blattes.)
* 2*
— In der heutigen G62.) Sitzung des Hauses der Abgeordneten, welcher der Finanz-Minister Br. Miquel und der Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten Graf von Zedlitz beiwohnten, wurde die zweite Berathung des Staatshaushalts-Etats für 189293 im Etat des Ministeriums der geistlichen 2c. Angelegen— . beim Kapitel „Kunst und Wissenschaft“ fort— gesetzt.
Bei den Ausgaben für das Kunstgewerbe-Museum empfahl Abg. Freiherr von Heereman (Centr.) die staatliche Förde—⸗ rung der Mosaikmalerei.
Bei den Ausgaben für das geodätische Institut brachte der Abg. Graf von Kanitz (cons.) den Antrag ein, eine der Sternwarten mit einem größeren Refractor zu versehen, der den jetzigen Ansprüchen der astronomischen Wissenschaft ent— spreche, und wies darauf hin, daß Preußen in der Ausstattung seiner Sternwarten hinter anderen Staaten etwas zurück— geblieben sei und daß die astronomischen Beobachtungen für Schiffahrt und Handel von großer Bedeutung seien.
Geheimer Ober⸗Regierungs⸗Rath Dr. Althoff erkannte das Bedürfniß für einen solchen Refractor an und sagte eine Berücksichtigung des Wunsches bei günstigerer Finanzlage zu. Die Ausgaben wurden bewilligt, der Antrag wurde an die Budgetconimission überwiesen.
. Bei der Neuforderung von 33 000 46 für die Einrichtung einer biologischen Anstalk auf Helgoland sprach sich Abg. Dr. Hermes (dfr) im Interesse der zoologischen Wissenschaft, der Erforschung der Fischgründe und der Hochseefischerei, namentlich der Lebensweise des Herings, für die Forderung aus.
Der Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten Graf von Zedlitz wies auf den Zweck der Anstalt hin, die Fauna und Flora des Meeres zu erforschen und für die Hochsee— gscherei die wissenschaftliche Grundlage zu geben. Auch die Production des Meeres solle dadurch nach Möglichkeit ge⸗ fördert werden. Der Regierung sei es auch erwünscht, den delgoländern dadurch einen Beweis ihrer Fürsorge zu geben.
Die Forderung wurde bewilligt. —
Bei den Ausgaben für die Ueberwachung und Erhaltung von Denkmälern und Alterthümern empfahl! Abg. Szmula (Centr.) die Erhaltung des alten Piastenschlosses in Brieg und des Mausoleums in der Johanniskirche in Liegnitz. Geheimer Ober⸗Regierungs-Rath Polenz erklärte, daß der Finanz⸗Minister grundsätzlich mit der Bildung eines Fonds Ln Unterhaltung von Denkmälern einverstanden sei, und sagte rr ng über den Wunsch des Abg. Szmula zu. 8 Der Finanz. Minister Dr. Miguel erklärte, daß der . . seine Mitwirkung bei der Erhaltung von Denkmälern i Dersagen werde, jedoch müßten Geschichts- und Alter— kö , n . Bernacht , , Seelig beklagte die Vernachlässigun einer Statue Friedrich's des Großen ö. Oppeln. ö male ll Richter (ofr.) wollte die Fürsorge für die Denk—
und Alterthümer den Provinzen überlasten, während
der Staat nur im Staatsbesitze befindliche Denkmäler zu conserviren habe.
Der Finanz⸗Minister Dr. Miquel war mit der Ein⸗ richtung provinzieller Organisationen einverstanden; der Staat solle sich auf mäßige Zuschüsse für den leitenden Conservator beschränken.
Abg. Freiherr von Heerem an (Centr.) sprach sich gleich⸗ falls für eine Decentralisation aus.
Abg. von Eynern (nl) empfahl die Wiederherstellung des Schlosses an der Burg. .
Abg. Brandenburg (Centr) billigte es, daß der Stadt Osnabrück der Verkauf ihres Kaiserpokals zu Gunsten kom— munaler Ausgaben verboten sei, aber die Erhaltung eines solchen Stücks dürfe man nicht der Stadt allein überlassen.
Der Minister der geistlichen u. s. w. Angelegenheiten Graf von Zedlitz erklärte, daß die Verhandlungen in dieser Frage noch schwebten und er daher noch keine bestimmte Stel⸗ lung nehmen könne.
Die Ausgaben wurden bewilligt.
Bei dem Kapitel „Technisches Unterrichtswesen“ empfahl Abg. Dr. Dünckelberg (nl. die Einrichtung von Special⸗ cursen für Landmesser an den technischen Lehranstalten, worauf sich Geheimer Ober-Regierungs Rath Dr. Wehrenpfennig zusagend äußerte.
Neu eingestellt ist in den Etat ein Posten von 65 000 M: Antheile der Docenten der technischen Hochschulen an den Collegiengeldern und 30 000 S zu Besoldungszuschüssen zum Zweck der Heranziehung und Erhaltung tüchtiger Lehrkräfte luigi technischen Hochschulen in Berlin, Hannover und
achen. Die Budgetcommission beantragte, den ersten Titel zu streichen, dagegen den Betrag des letzteren von 30 000 auf 20 000 4 zu erhöhen. Abg. Sperlich (Centr.) empfahl die Annahme des Vor— schlags der Regierung schon deshalb, weil dadurch die Schaffung eines neuen Dispositionsfonds verhindert werde.
In demselben Sinne sprach Abg. Schmidt-Warburg (Centr., während Abg. Francke (nl. die Annahme des Commissionsantrags empfahl.
Abg. Dr. Meyer (sofr.) empfahl die Annahme der Re— gierungsvorlage.
Geheimer Ober⸗Regierungs⸗Rath Dr. Wehrenpfennig begründete die Vorlage mit den Verhältnissen unserer technischen Hochschulen gegenüber den Universitäten auf dem Gebiet der Mathematik und Chemie.
Abg. Graf zu Limburg-Stirum Ccons-) erklärte sich für den Commissionsantrag.
Der Antrag der Budgetcommission wurde abgelehnt, der Vorschlag des Etats mit 126 gegen 111 Stimmen angenom— men. (Schluß des Blattes.)
— Dem Hause der Abgeordneten ist heute der i . Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Auf— hebung der durch die Verordnung vom 2. März 1358, verhängten Beschlagnahme König Georg's, zugegangen:
ö Einziger Artikel.
Das Gesetz vom 15. Februar 1869 (GesetzSamml. S. 322), betreffend eine Abänderung der Beschlagnahmeverordnung vom 2. März 1868, wird dahin abgeändert, daß die Wiederaufhebung der durch diese Verordnung vom 2. März 1868 (Gesetz-Samml. S. 166) über das Vermögen des Königs Georg verhängten Beschlagnahme König— licher Verordnung vorbehalten bleibt.
Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Königlichen Insiegel. ;
Gegeben ꝛe.
Dem Gesetzentwurf ist die nachstehende Begründung bei— gegeben:
Die vom Landtag unterm 15. Februar 1869 — Gesetz⸗Samml. S. 323 — genehmigte Königliche Verordnung vom 2. Mär; 1868 — GesetzSamml. S. 166 — verhängte die Beschlagnahme über die Vermögenswerthe, welche der mit dem König Georg geschlossene Ver— trag vom 29. September 1867 zum Gegenstande hat, sowie über den hierunter nicht mitbegriffenen, innerhalb des preußischen Staatsgebiets befindlichen Theil des Allodialvermögens des Königs Georg.
Im §z 2 Absatz 3 der Verordnung ist bestimmt, daß aus den beschlag⸗ nahmten Vermögenswerthen und aus deren Erträgnissen die Kosten der Beschlagnahme und der Verwaltung, sowie der Maßregeln zur Ueberwachung und Abwehr der gegen Preußen gerichteten Unter— nehmungen König Georg's und seiner Agenten zu bestreiten, und daß verbleibende Ueberschüsse dem Vermögensbestande zuzuführen sind.
Die gegenwärtigen Verhältnisse lassen es nunmehr als zulässig und angezeigt erscheinen, die Wiederaufhebung der Beschlagnahme des Vermögens weiland König Georg's eintreten zu lassen.
Die Zustände der Provinz Hannover sind gegenwärtig so beruhigt und befestigt, daß es besonderer Mittel zur Abwehr etwaiger gegen die Zusammengehörigkeit der Provinz mit dem preußischen Staate ge— richteter Agitationen nicht mehr bedürfen wird.
Seine Majestät der Kaiser und König haben daher in der Ab— sicht, der Bevölkerung dieser Provinz einen Beweis Allerhöchstseines vollen Vertrauens zu geben und in dem Wunsche, dadurch zur weiteren Beruhigung beizutragen, Allerhöchstseine Willensmeinung dem Staats⸗Ministerium hin zu erkennen zu geben geruht, daß die Beschlagnahme der fkaglichen Revenüen nicht weiter aufrecht zu er— halten, vielmehr wegen der Ausführung des Vertrages vom 29. Sep⸗ tember 1867, soweit dieselbe überhaupt noch aussteht, die entsprechenden Schritte zu thun seien, falls Seine Königliche Hoheit der Herzog von Cumberland vorher die Zusicherung ertheilen würde, die Höchst— demselben dann zufließenden oder sonst zustehenden Mittel nicht zu feindseligen Unternehmungen gegen Seine Majestät den Kaiser und König oder gegen den preußischen Staat verwenden zu wollen.
Diese Zusicherung ist durch das (bereits von dem R. u. St.⸗A.“ mitgetheilte] an Seine Majestät den Kaiser und König gerichtete Schreiben Seiner Königlichen Hoheit des Herzogs von Cumberland vom 10. März 1892 gegeben worden.
Im § 4 der Beschlagnahmeverordnung war die Wiederaufhebun der Beschlagnahme der Königlichen Verordnung vorbehalten. Dur Gesetz vom 15. Februar 1869 (GesetzSamml. S. 322) ist indessen abändernd bestimmt worden, daß die Wiederaufhebung der Beschlag⸗ nahme auf diesem Wege nur dritten gutgläubigen Erwerbern und Cessionarien gegenüber, in allen übrigen Fällen aber nur durch Gesetz erfolgen solle. Infolge dessen haben Seine Majestät dem Staats⸗ Ministerium Allerhöchst die Ermächtigung zu ertheilen geruht, dem Landtag der Monarchie den vorstehenden Gesetzentwurf zur verfassungs— mäßigen Zustimmung vorzulegen.
Durch das Gesetz soll das grundsätzliche Einverständniß des Land⸗ tags mit der Wiederaufhebung der Beschlagnahme an sich zum Aus⸗ druck gebracht und die Möglichkeit gewährt werden, die Wiederauf— hebung der Beschlagnahme durch Königliche Verordnung auszusprechen. Die Staatsregierung giebt sich der Hoffnung hin, daß die Beschluß⸗ fassung der Landesvertretung über diesen Gesetzentwurf in dem gleichen versöhnlichen Geiste erfo . wird, von welchein sie sich dabei dem Aller⸗
des Vermögens
höchsten Willen und Wunsche entsprechend selbst hat leiten lassen, und daß auf diese Weise etwa noch vorhandene, aus den historischen Ereignissen entsprungene Schwierigkeiten in der Provinz Hannover vollends werden beseitigt werden.
Nach erfolgter Zustimmung des Landtags werden unmittelbar
Verhandlungen wegen der für die Auseinandersetzung maßgebenden Gesichtspunkte und wegen der Ausführung des noch nicht erfüllten Theils des Vertrages vom 29. September 1867 mit dem Herzog von Cumberland eingeleitet und die erforderlichen vorbereitenden Schritte zur Aufhebung der Beschlagnahme gethan werden.
— Im 3. Posener Landtagswahlkreise (Samter⸗ Birnbaum⸗Schwerin a. W) ist an Stelle des verstorbenen Abgeordneten Kiepert-Marienfelde der Rittergutsbesitzer von Brandis-Neuhaus (cons) mit 175 Stimmen zum Mit⸗ liede des Hauses der Abgeordneten gewählt worden. Amtsrichter Müller⸗Schwerin (Centr. erhielt 130 und Land⸗ gerichts⸗Präsident Wettke⸗Meseritz (freicons. 12 Stimmen.
Theater und Musik.
Deutsches Theater. . Gestern Abend kam auf der Bühne des Deutschen Theaters ein Dichter zu Wort, der unter den Dramätikẽrn Fer nachklassischen beriode einen einnimmt. Man führte
gsart
gewann, war Bewunderung, vielleicht Ehrfurcht, aber jene aufrichtige Begeisterung, die in spontan hervor⸗ brechendem stürmischen Befall ihren Ausdruck findet. Friedrich Hebbel's urkräftiges dramatisches Talent nahm mit Vorliebe reckenhafte Gestalten aus der fernen Sagenwelt oder aus entlegener geschichtlicher Zeit zum Ausgangspunkt tragischer Ent— würfe, ohne allerdings dem bürgerlichen Schauspiel sich völlig zu ver— sagen. Bei solcher Wahl konnte er die Charaktere, seinem machtvollen Wort entsprechend, in starrer Eigenart wohl über die eigentliche Grenze menschlicher Größen hinausragen lassen, wie in der Gestalt der Königin Rhodope in „Gyges und sein Ring“.
Das höchste Keuschheitsideal verkörpert der Dichter in dieser sagenhaften Königin; schon eines fremden Mannes Blick entweiht sie und wird empfunden wie die Verletzung eines Heiligthums. Sie fordert zuerst den Tod des Gyges, des kühnen Eindringlings, der sie im Schlafgemach sah; als sie aber erfährt, daß der König selbst den Fremdling eingeführt habe, um sich an dem Eindruck zu ergötzen, den seines Weibes wunderbare und stets verborgen gehaltene Schönheit auf jeden Sterblichen hervorbringen muß, verlangt sie den Tod des Königlichen Gatten zur Sühne für das Vergehen an ihrer Keuschheit. König Kandaules stirbt von der Hand des Gyges, den die Königin alsdann zum Gatten wählt; aber noch an des Altars Stufen giebt sie sich selbst den Tod.
Die Umrisse der Fabel, die dem Herodot entlehnt ist, sind von dem modernen Dichter kaum verändert worden, nur den Tod der Königin hat Hebbel hinzugefügt. Um diesen zu erklären, hat er den Charakter der Rhodope Lichterisch ausgestaltet und ausgebaut, daß die Gestalt nur von einer Empfindung wie von einer mächtigen Leiden schaft beherrscht vor uns steht, von dem Gefühl ihrer stolzen und unantastbaren Keuschheit. Dieser eigentlich zarte Charakterzug ragt wie ein Fels starr und drohend aus dem ihn umschließenden wogenden Meere des ganzen Seelenlebens der Königin auf und bringt Jedem Verderben, der sich in menschlicher Schwachheit zu nahen wagt. Die Gestalt des Dichters muß Bewunderung erregen, aber auch ein leises Grauen, wenn sie dem hochgespannten Begriff der Keuschheit einen edlen Gatten und sich selbst opfert; es wird hier eben die Grenze zwischen reinstem menschlichen Empfinden und der Selbstvergötterung gestreift. Unser Mitgefühl neigt sich mehr der Gestalt des Königs Kandaules, des edlen milden Königs, zu, der die menschliche Schwäche besitzt, sein höchstes Glück auch von Andern erkannt und geschätzt zu wissen, und wendet sich lebhaft auch dem Gyges zu, dem edlen Jüngling, der, von seinem Königlichen Freunde zum Schauen gedrängt, zu heißer Liebesglut entflammt wird und dann nach unendlichen Seelenkämpfen den theuren Freund tödten und die Geliebte, kaum geschaut, ebenfalls sterben sehen muß. Dieser schwere Kampf der Empfindungen in der Seele des Königs und in der Brust des liebenswerthen Griechenjünglings Gyges, und die männliche Ergebung in das mit titanenhaftem Trotz und unerbitt— licher Willenskraft herbeigeführte Geschick der Freunde weckt wirkliche, warme Theilnahme; wir verstehen den Dichter und unterstehen der Gewalt seines Zauberworts, sobald er uns Menschen vorführt und nicht Gestalten, die die Phantasie ins Riesengroße und Ueberirdische hineinwachsen ließ.
Einen eigenen Reiz übt die vollendet schöne Sprache aus, die den Fluß der edlen Gedanken in schöner Klarheit, in einfacher Größe dar⸗ stellt. Der Aufbau der Handlung ist mit großem Geschick pfychologisch durchgeführt; die Wirkung der Vorgänge steigert sich bis zum dritten Aufzuge von Act zu Act; im vierten und fünften tritt die Handlung etwas hinter der Diction zurück, die nun gedankenschwer, mit düster prophetischem Sinn den Gang der Ereignisse hemmt und auf Augen— blicke fast vergessen macht.
Unter den Darstellern löste ihre Aufgabe am besten Frau Geßner in der Rolle der Königin; Königliche Würde, strenge, unnahbare Keuschheit athmete die ganze Gestalt, wenn auch das wilde Feuer der Leidenschaft, das rächend und verzehrend um sich greift, zuweilen mäch— tiger in ihr hätte aufflammen können. Herr Sommerstorff hatte als König Kandaules in der ersten Hälfte der Tragödie den genuß— frohen, glücklichen Mann zu betonen, der sich in dem ab— schließenden Theil des Stückes in den durch Schuld und Sühne veredelten milden Träger der Königskrone verwan⸗ delt; beide Seiten dieses Charakters wußte der Künstler sympathisch zu gestalten. Einen schwierigen Stand hatte Herr Barthel als Gyges, der eine warme, bis zum Tod getreue Freundschaft in stetem Ringen mit seiner heißen, sehnsuchtspollen Liebe veranschaulichen sollte; er kennzeichnete die feurige Lohe der Leidenschaft und hatte herzenswarme Töne tiefer Empfindung; aber er vermochte ebenso wenig wie die vorhergenannten Darsteller völlig in seiner Rolle auf— zugehen; schöne Declamation trat öfter an die Stelle des warmen, pulsirenden Lebens.
Die Inscenirung war sorgfältig und verständnißvoll vorbereitet und tadellos durchgeführt; jedenfalls gebührt der Direction besondere Anerkennung für den Muth, im Gewoge des Realismus und Natura lismus die schönen Blüthen deutscher Dichtung, die noch nicht Ge— meingut Aller geworden sind, wieder an das Licht zu ziehen und weiten Kreisen des gebildeten Publikums zugänglich zu machen.
Sing⸗Aka demie.
Der zweite Liederabend des Kotzolt'schen Gesangvereins (a cappella), welcher am Sonntag vor einem sehr zahlreich erschienenen Publikum stattfand, wurde zum Andenken an den jüngst dahin— geschiedenen Capellmeister Heinrich Dorn mit zweien seiner Chor— lieder Lob des Gesanges“ und „Das beste Instrument“ eröffnet, die durch ihren tiefen, gemüthvollen Inhalt einen nachhaltigen Eindruck hinterließen. Es folgten hierauf Chorgesänge von Cornelius, Thomas Morley (1595), A. Becker, Brahms, E. E. Taubert, L. Herman, Schumann und Vierling. Als neue sehr interessanke und werthvolle Beiträge zu dem Chorliederschatßz des Vereins heben wir Taubert's „Abends? und „Spielmannslied“ sowie Derman's Die Tage der Rosen“ ganz besonders hervor. Schumann's Chorlied mit Solo⸗Quartett, das durch seine Echoklänge einen bezaubernden Eindruck macht, wurde auf Wunsch wiederholt Die Concertsängerin Fräulein Eugenie Sorgatz trug mit sehr klangvoller und wohlgeschulter Stimme eine Arie von Rossini und mehrere Lieder vor, von denen das heitere Das Mädchen an den Mond“ von Dorn wiederholt wurde. Schließlich sind noch die Klaviervorträge des Herrn Hr. Nießen zu erwähnen, der mit solider Technik und verständnißvoller Ausdrucksweise Varia—