1892 / 67 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 17 Mar 1892 18:00:01 GMT) scan diff

beiter besser kennen, als Abg. Dr. Buhl und die anderen Herren, die an diesem Gesetz so eifrig Theil nähmen. ; .

Abg. Freiherr von Stumm (Rp.): Wenn man, wie seine Partei, jede Ueberversicherung beseitigen wolle als förmliche Verfüh⸗ fung zur Simulation, müsse man consequenter Weise den Antrag Möller annehmen. Im übrigen bitte er um Beibehaltung der Be— schlüffe zweiter Lesung, also um Ablehnung der Anträge Höffel und Grillenberger.

Abg. Dr. Buhl (nl. ): Der Abg. Grillenberger mache ihm den Vorwurf mangelhafter Kenntniß der Arbeiterverhältnisse; aber er kenne diese Verhältnisse doch genug, um, wie Abg. Grillenberger zugebe, zu wissen, daß in den Medizinalvereinen nur Aerzte angestellt würden, die bestimmten Bedingungen genügten, und hier muthe der Abg. Grillenberger seiner Partei zu, daß bei den Krankenkassen alle Aerzte bedingungslos thätig sein sollten!

Abg. Grillenberger (Soc.): Die Medizinalvereine seien nur auf die Beiträge ihrer Mitglieder angewiesen, könnten also bei ihren schwachen Mitteln nicht mit den Zwangskassen in Parallele gesetzt werden. Aus der socialen Stellung des Abg. Dr. Buhl folge mit Nothwendigkeit, daß er die Arbeiterverhältnisse nicht so gut kenne und ihnen nicht das Interesse zuwende, wie seine Partei, die Jahre lang in diesen Kreisen gelebt habe.

Abg. Dr. Buhl (ul.): Er habe es stets als Ausfluß seiner socialen Stellung betrachtet, sich für die Lage der Arbeiter, nament⸗ lich der erkrankten, zu interessiren; er kenne ihre Verhältnisse ganz enau.

; R Dr. Baumbach: Das amtliche Stenogramm lasse ihn bei seiner Auffassung beharren, daß die von ihm gerügten Worte des Abg. Grillenberger sich auf den Abg. Dr. Höffel hatten beziehen sollen, er habe also keinen Anlaß, die Rüge zurückzunehmen.

Der Antrag Höffel wird zurückgezogen, 8 26a nach Ab— lehnung der socialdemokratischen Anträge mit den redactionellen Anträgen der freien Commission und dem Antrag Möller— Merbach angenommen, desgl. S8 27, 28, 31, 32, 33, 342, 37, 38, 38a, 39, 40, 43a, 44, 46, 466, 460, 47, 48, 48a nach den Vorschlägen der freien Commission Gutfleisch und Genossen.

s 49ga der Vorlage hatte vorgeschrieben, daß der An— spruch einer van n n Person, von der Ver— pflichtung, der Gemeindeversicherung oder einer Ortskranken— kasse anzugehören, befreit zu werden, binnen einer gewissen Frist bei der Meldestelle anzumelden und der Nachweis des

efreiungsgrundes zu führen sei. 5 49 schrieb eine gleiche Meldepflicht den freien Hilfskassen bei jedem Ausscheiden eines Mitgliedes und bei jedem Uebertritt eines Mitgliedes in eine niedrigere Mitgliederklasse vor.

Beide Paragraphen waren in zweiter Lesung ohne Dis⸗ cussion nach dem Commissionsantrage gestrichen worden. Ein Antrag der freien Commission will nun 5 496 wieder her— stellen mit der Maßgabe, daß die Meldefrist von einer Woche auf einen Monat ausgedehnt wird, .

Der Antrag wird von den Abgg. Dr. Gutfleisch (dfr.) und Dr. Buhl (nl. unter Hinweis auf 8 76, welcher eine fast gleichlautende Bestimmung enthält, befürwortet, während Abg. Molkenb uhr (Soc.,) wegen der mit der Meldung ver— bundenen unnützen Scheerereien die Ablehnung empfiehlt.

Geheimer Ober⸗-Regierungs⸗Rath von Woedtke ist, ob— wohl die Wiederherstellung auch des 8 49a den Vorzug ver⸗ diene, auch mit der Annahme des 8 496 einverstanden.

Abg. Dr. Hirsch (dfr. kann eine Nothwendigkeit auch für die Meldepflicht der Hilfskassen nicht erkennen und bittet, den Antrag abzulehnen. Abg. Molkenbuhr (Soc) weist darauf hin, daß die großen centralisirten Kassen bisher nur vierteljährlich mit ihren örtlichen Verwaltungsstellen abrechneten und durch die Meldepflicht binnen Monatsfrist in große Ver— legenheiten gesetzt würden. .

8 49h wird nach dem Antrag Gutfleisch angenommen, desgl, die S 50 55. ;

Zu Sha, welcher der höheren Verwaltungshehörde die Befugniß giebt, auf Antrag von mindestens 30 Versicherten auch andere Aerzte, Apotheken und Krankenhäuser als die im Kassenstatut bestimmten zuzulassen, wird von dem Abg. von der Schulenburg , ein Abänderungsantrag ein⸗ gebracht. Da die Tragweite dieses nicht gedruckt vorliegenden ÄUntrags nicht sofort zu übersehen ist, beantragt 2A von der Schulenburg die Vertagung, welche gegen den Widerspruch des Abg. 3 (Centr.) beschlossen wird.

Schluß 4M Uhr.

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 33. Sitzung vom Mittwoch, 16. März.

Der Sitzung wohnen der Finanz-Minister Dr., Miquel und der Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten Graf von Zedlitz bei.

Die zweite Berathung des Staatshaushalts⸗ Etats für 1892ñ93 wird fortgesetzt, und zwar im Etat des Ministeriums der geistlichen 2c. Angelegen— heiten beim Kap. 124: „Cultus und Unterricht gemeinsam“, in welchem u. a. ausgeworfen sind; 750 00046 halbjährlicher Betrag des Staatszuschusses für die evangelische Landeskirche als Beihilfe zur theilweisen Ablösung der Stolgebühren.

Referent Abg. Dr. Sattler (nl) erklärt, daß die Budget— commission die Bewilligung nur habe eintreten lassen unter der Vor⸗ aussetzung, daß die daruͤber zu erlassenden Gesetze von denen zwei dem Hause bereits vorgelegt seien vom Hause genehmigt würden; die Budgetcommission bitte, daß der Minister eine dahin gehende Erklärung abgebe.

Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten Graf von Zedlitz:

Ich bin namens der Staatsrégierung in der Lage, zu erklären, daß die Voraussetzung der Budgetéommission zutrifft, und die hier eingestellte Summe nur soweit seitens der Staatsregierung zur Ver— ausgabung gelangen wird, als die betreffenden Gesetze, welche dem hohen Hause entweder schon vorliegen oder noch vorgelegt werden sollen, zur Verabschiedung gelangen.

Abg. Richter (dfr): Die Forderung präjudieire den Rechten der katholischen Kirche; der evangelischen Kirche sollten vom 1. Oktober ab die 750 0900 6 gewährt werden, während für die katholische Kirche erst noch die statistischen Unterlagen geschaffen werden sollten, worauf dann erst die Verhandlungen mit den Bischöfen eingeleitet werden könnten. Wie solle die Sache für die katholische Kirche geordnet werden? Eine landeskirchliche Organisation gebe es für die katho— sische Kirche nicht, sondern nur eine Organisation nach Bisthümern; ebenfo wenig könne die katholische Kirche Kirchensteuern ausschreiben, wie die evangelische Landeskirche. Warum also für die evan— gelische Kirche schneller vorgehen als für die katholische? Das viderspreche der Parität. Man würde wohl jetzt nicht vorgegangen sein, wenn nicht gerade die evangelische Generalsynode jetzt getagt hätte. Das sei aber kein Grund zum einseitigen Vorgehen. Sollten auf Kosten der Steuerzahler die evangelische und katholische Kirche allein bedacht werden? Sollten die anderen Confessionen, auch die jüdische, leer ausgehen? Warum wolle man gerade kei der schlechten

Finanzlage mit dieser einseitigen Bewilligung vorgehen? Aus den 50 000 4 könne man eine Menge anderer Bedürfnisse befriedigen. Die Resolutionen, welche diese Ausgabe forderten, seien bei günstiger . gefaßt; jetzt würde man vielleicht gar nicht daran denken. Fin Ausgleich für die Zahlung der Sperrgelder liege hier nicht vor; denn die Entschädigung für die Stolgebühren solle später auch den Katholiken zugewendet werden. Eine rechtliche Verpflichtung liege nicht vor und auch keine moralische Verpflichtung, denn für den Ausfall von Stolgebühren seien die Geistlichen ja entschädigt durch die Alterszu lagen. Die letzte Erhöhung von 2 Mill. Mark sei damit motivirt worden. Die Stolgebühren hätten überhaupt 1874 nur 230 00010 betragen und betrügen jetzt noch ebensoviel, denn der Ausfall der Trauungen und Taufen infolge des Civilstandsgesetzes sei kein so großer. Warum gehe man so eilig in dieser 3. vor, während man in der evan— gelischen Kirche getheilter Meinung sei? Es hätten sich viele an⸗ gesehene Perfonen gegen die Aufhebung der Stolgebühren aus⸗ gesprochen. Nicht die Stolgebühren allein verhinderten die kirchliche Trauung, sondern der durch den kirchlichen Act mittelbar veranlaßte Aufwand, den die ärmeren Leute scheuten. Indem man die einfachste Trauung unentgeltlich mache, gebe man ihr den Charakter der Armentrauung. Jeder, der etwas auf sich halte, werde eine bessere Form verlangen und dafür bezahlen müssen, trotz der Entschädigung, welche der Staat gewähre für die Ablösung der Stolgebühren. Man sehne sich in der evangelischen Kirche gar nicht so allgemein nach Aufhebung der Stolgebühren und in der katholischen erst recht nicht; dieser letzteren werde die Sache ziemlich gegen ihren Willen aufgedrängt. Es liege also gar kein Grund vor, die Sache jetzt zu Üüberstürzen. Er bitte, für dieses Jahr die Forderung ab⸗ zulehnen.

Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten Graf von Zedlitz:

Meine Herren! Ich muß auf den Inhalt des Gesetzes ebenfalls etwas näher eingehen, weil es sonst kaum möglich sein würde, den Aus⸗ führungen des Herrn Vorredners gegenüber zu antworten.

Zunächst möchte ich die Frage beantworten, warum die Staats— regierung mit der theilweisen Regelung wenn ich recht gehört habe in so „übereilter Weise“ vor das Haus getreten ist. Die Verhandlungen über die Ablösung der Stolgebühren einfacher Form schweben seit länger als einem Jahrzehnt im Lande und ebenso in diesem hohen Hause. (Sehr richtig! rechts) Im Jahre 1890 haben fich diese Verhandlungen in dem Hause der Abgeordneten zu folgender Resolution verdichtet:

die bestimmte Erwartung auszusprechen, daß die Königliche Staats⸗ regierung ohne Verzug mit den geordneten Organen der christlichen Kirchen zur Herbeiführung einer sachgemäßen Ordnung der Stol— gebühren ins Benehmen trete und die hierzu erforderlichen Staats— ittel thunlichst schon durch den nächsten Etat flüssig mache.

Meine Herren, wenn die Staatsregierung es übermäßig eilig gehabt hätte mit der Regelung dieser Frage, so würde ihr, glaube ich, der Voꝗwwurf in der vorjährigen Verhandlung der Sperrgeldvorlage in diesem Hause erspart worden sein, der ihr von verschiedenen Rednern deshalb gemacht ist, weil sie damals der Anregung dieses Hauses noch nicht gefolgt war und nicht schon eine entsprechende Vor— lage gemacht hatte. Und wenn Sie sich der Verhandlungen im vorigen Jahre erinnern, so werden Sie finden, daß damals sowohl der Herr Minister⸗Präsident als auch der damalige Herr Cultus⸗Minister die Erklärung abgaben: die Vorverhandlungen, insbesondere die noth— wendigen statistischen Unterlagen hätten noch nicht beschafft werden können; indessen stehe die Staatsregierung im Begriffe, mit Energie die Sache zu Ende zu führen. Diese Erklärung wurde mit lebhaftem Beifall in diesem Hause aufgenommen. (Sehr richtig! rechts) Ich glaube also, man kann der jetzigen Staatsregierung keinen Vorwurf daraus machen, wenn sie jener Anregung folgend pflichtgemäß nicht nur die Sache in Angriff genommen und die statistischen Erhebungen eingeleitet, sondern die Sache, soweit es möglich war, jetzt auch zu Ende geführt hat.

Meine Herren, ich bemerke in dieser Beziehung, die statistischen Erhebungen konnten nur erfolgen unter Mitwirkung der geordneten kirchlichen Organe, der Kirchenregierungen oder Kirchenoberen. An demselben Tage, an welchem die evangelischen Kirchenregierungen von den beiden Ministern, welche jetzt vor Ihnen stehen, ersucht worden sind, mit der Staatsregierung gemeinsam in diese Erhebungen ein⸗ zutreten, ist das gleiche Ersuchen an die Bischöfe der katholischen Kirche ergangen. Nun ist das Resultat allerdings das gewesen, daß die Erhebungen zum Abschluß gebracht werden konnten für die evan— gelische Kirche, bisher aber nicht zum Abschluß gebracht werden konnten für die katholische Kirche; aber nicht deshalb, weil etwa auf die ka— tholische Statistik ein geringeres Maß von Eifer seitens der Staats⸗ regierung verwendet ist, sondern lediglich deshalb, weil ich darf das wohl, ohne indiseret zu sein, aussprechen zunächst im Schoße der katholischen Kirche gewisse Bedenken obwalteten, ob man sich an diesen statistischen Erhebungen betheiligen könnte, und etwa schon damit auf eine gewisse präjudizirliche Stellungnahme zu der ganzen Frage einlassen sollte. Nachdem zu meiner Freude diese Bedenken unter den Bischöfen geschwunden sind, die katholischen Oberen die Erhebung dieser Statistik gestattet, resp. geleitet haben, ist sie genau in denselben Gang gebracht worden, wie bei den evangelischen; die Resultate sind gesammelt, unterliegen jetzt der Prüfung und werden hoffentlich in nicht allzu langer Frist zum Abschluß gelangen. Es ist richtig daß dann genau ebenso wie mit den Kirchenregie— rungen der evangelischen Kirche mit den Bischöfen über die Modalitäten der Ausführung Abmachungen getroffen werden müssen, und daß diese Abmachungen Zeit erfordern werden, genau wie das bei dẽr evangelischen Kirche der Fall war und zum theil noch ist. Ich hoffe, daß diese Abmachungen zu einem für die katholische Kirche befriedigenden und für uns alle erwünschten Resultate führen werden, wie diese Hoffnung bei einzelnen Kirchenregierungen der evan— gelischen Kirche bereits sich verwirklicht hat, bei anderen sich hoffentlich in Bälde verwirklichen wird. Die Staatsregierung das erkläre ich ausdrücklich beabsichtigt also in keiner Weise, die katholische Kirche differentiell von der evangelischen auf diesem Gebiete zu behandeln, und es kann sich nur um die Frage handeln, ob man, wie der Herr Abg. Richter dies will, weil es nicht möglich gewesen ist, für alle evangelischen Kirchenverbände und für die katholische Kirche gleichzeitig schon jetzt das erforderliche Quantum zu bewilligen und die erforder— lichen Festsetzungen zu treffen, die Ausführung Ihrer Resolution gegenüber der evangelischen Landeskirche der älteren Provinzen, der Provinzialkirche von Schleswig-Holstein und, wie ich hoffe, auch noch der hannoverschen Landeskirche, ob man nun die Ausführung der Re⸗ solution diesen Kirchen gegenüber einstweilen sistiren will, aus dem

Grundsatz: entweder gleichzeitige allgemeine Regelung oder noch keine.

Meine Herren, ich brauche ja wohl nicht darauf hinzuweisen, daß es im Lande bei allen Fortschritten kaum ein bequemeres Mittel giebt,

Geistlichen ersetzt.

um sie zu hindern, als jeden einzelnen Schritt abhängig zu machen

von einer gewissen Verallgemeinerung. (Sehr richtig! rechts.) Mit

diesem Einwurf kann fast jede gesetzgeberische Fortentwicklung belãmyt

werden, und ich würde diesen Einwurf, wenn er von dem hohen Sause

berücksichtigt werden sollte, auf das tiefste beklagen und würde meinen daß das hohe Haus mit seinen eigenen Absichten und mit seinen eigenen Entschließungen in früherer Zeit dadurch in Widerspruch geriethe. /

Nun, meine Herren, hat der Herr Abg. Richter aber dies ganze Vorgehen der Staatsregierung doch, wie ich glaube, unter einen nicht zutreffenden Gesichtspunkt gestellt. Es handelt sich bei dieser Frage gar nicht in erster Linie um ein Beneficium, welches der Staat den Kirchen gewährt, sondern es handelt sich um die Ausführung einer Maßregel ganz allgemein socialpolitischer und ethischer Natur. (Sehr richtig! rechtz. ) Man will den breiten Volksmassen, welche durch die staatliche Gesetz gebung das ist doch nicht zu leugnen von dem inneren kirch— lichen Zusammenhang losgelöst sind (sehr richtig! rechts), die Mög⸗ lichkeit schaffen, ohne finanzielle Opfer diesen Zusammenhang noch ferner zu bewahren oder wieder zu gewinnen. (Sehr richtig! rechts. Also dieser eminent politische und eminent staatliche Gedanke hat, wie ich annehme, auch Sie, meine Herren, bei Ihren früheren Beschlußfassungen und hat die Staatsregierung jetzt bei ihrem ent— scheidenden Schritte geleitet.

Es handelt sich ferner dabei gar nicht um die Interessen der Geiftlichkeit; es handelt sich um einen Zuschuß, den der Staat den Kirchenverbänden beziehentlich den Gemeinden gewährt, um ihnen unter der Bedingung, daß sie die Stolgebühren für Taufen und Trauungen in einfacher Form außer Geltung setzen, bei Schadlos= haltung ihrer Geistlichen und Kirchendiener behilflich zu sein. Die Schadloshaltung, die Entschädigung der Geistlichen und Kirchendiener selbst soll, da sie vom Staat nicht in ihrer Gesammtheit übernommen wird, principal das bitte ich aus dem Gesetz zu entnehmen bis zu 4 Procent eventuell bis zu 5 Procent von den Gemeinden be— stritten werden, und erst, wenn dies Maß der eigenen Leistung über— schritten wird, soll der landeskirchliche Fonds oder die Staatsunter— stützung dafür eintreten und die erforderlichen Zuschüsse leisten.

. Die Behauptung, daß es sich hier um eine staatliche Doppel= leistung gegenüber einer früher bereits in anderer Weise erfolgten Ent— schädigung auf Grund des Civilstandsgesetzes handle, ist in keiner Weise zutreffend. Meine Herren, bei den früheren Entschädigungen war der einzelne Geistliche der Interessent. Es handelte sich darum, in welchem Umfange infolge des Civilstandsgesetzes der einzelne damals im Amt befindliche Geistliche eine Einbuße an seinen Ein— nahmen erlitte. Diese Einbuße wurde vom Staat dem einzelnen Geistliche, welche später in das Amt traten, haben auf diese Entschädigung kein Anrecht. An Stelle der auch ihnen im §z 54 des Civilstandsgesetzes vom 9. März 1874 in Aussicht gestellten Ersatzleistung sind die Verstärkungen des Fünfmillionentitels getreten, welcher an sich ja nur in einem ganz losen Zusammenhange mit dem Civilstandsgesetz steht. Denn dieser Titel ist vorzugsweise dazu be— stimmt, die ungenügend und aus der Leistungsfähigkeit der Gemeinden nicht zu dotirenden Minimalstellen zu sustentiren. Aus diesem Titel Kap. 124 Tit. 2 bekommen gar nicht alle Geistlichen, sondern nur katholische und evangelische unter gewissen Voraussetzungen, die

in der Unzulänglichkeit ihrer Pfründe und in der Nichtleistungẽ—

fähigkeit der Gemeinden bestehen, eine Gehaltserhöhung, welche in sehr mäßigen Umfängen ihre Exiftenz garantiren foll.

Jener Einkommenausfall, den die Geistlichen nach Einführung des Civilstandsgesetzes in Folge der Verabsäumung der kirchlichen Handlungen seitens ihrer Gemeindeglieder erlitten, steht nun hier aber gar nicht in Frage. Hier handelt es sich vielmehr um Umwandlunz der Einnahmen, die ihnen trotz des Civilstandsgesetzes aus Stol— gebühren geblieben sind, in eine feste Rente. Von einer doppelten Entschädigung kann also nicht die Rede sein.

Meine Herren, daß das eine nicht nur berechtigte Forderung der Kirche ist, in dieser oder ähnlicher Weise vom Staate unterstützt zu werden, das ist so häufig in diesem hohen Hause verhandelt worden, daß ich wohl verzichten kann, darauf näher einzugehen. Nur einen Gesichtspunkt will ich noch hervorheben. Sie müssen doch immer anerkennen, daß auch finanziell in unserem Staatshaushalts⸗Etat, in unserem ganzen Staatswesen eine sehr große Zahl von Mitten figurirt, welche ihrem Ursprung nach kirchlicher Natur sind, und für welche die Leistungen, welche die verschiedenen Titel unseres Staagtẽ— haushalts für kirchliche Zwecke darstellen, nur eine Compensation bilden. (Sehr richtig! rechts.)

Endlich, meine Herren, die Frage: soll der Ihnen jetzt gemacht Gesetzesvorschlag und die Position, welche in diefen Etat eingestelt ist, eine Ausgleichung gegenüber der Zahlung der Sperrgelder, der 16 Millionen, an die katholische Kirche sein? Ich kann rundnweß erklären, daß dies nicht der Fall ist. Die Staatsregierung hat i nicht im vorigen Jahre so angesehen ich erinnere an die ausdric lichen Worte, welche der Minister-Präsident und der Kultus⸗Minist gesprochen hat ; auch jetzt ist davon nicht die Rede. Es steht ut in der Begründung des Gesetzentwurfes nichts davon; es ist also nicht der geringste Grund zu dem Verdacht vorhanden so muß es dech wohl genannt werden daß in diesem einseitigen Vorgehen zu gunsten zweier evangelischer Landeskirchen etwa die Anrechte oder di Hoffnungen anderer Landeskirchen oder der katholischen Kirche in irgend einer Weise verschränkt werden könnten. (Bravo! rechts.)

Abg. von Fagew (cons : Im Gegensatz zum Abg. Nicht. halte er das Gesetz über die Ablösung der Stolgebühren für dringend nothwendig. Wenn die vorgelegten Gesetzentwürfe nicht genehm werden sollten. würden die Gelder natürlich zu ersparen sein. Wenn man einen schreienden Uebelstand beseitigen könne, dann solle man sobald es gehe, damit vorgehen, auch wenn es zunächst nur möglich a einem Theil der Betroffenen diese Wohlthat zu Theil werden ö laffen. Daß den Katholiken auch ihr Recht zu Theil werden solle, . der Minister bereits erklärt. Mit, der Sperrgelderfrage habe dier Sache nichts zu thun, wenn auch früher beim Sperrgeldergeseß . die Rede gewesen sei; es habe sich damals um schreiende llebelstim in beiden Kirchen gehandelt, die gleichzeitig zur Sprache hätten . bracht werden müssen. Nicht die Ablösung der Stolgebühren i Hauptsache, sondern die Aufhebung derselben; darin sehe seine a den soeialpolitischen und ethischen Grundgedanken der Vorlage. . besonders eilig in dieser Sache verfahren fei, könne seine Part durchaus nicht zugeben. (Zustimmung rechts. . Abg. Dr. Enneccerus (nl): Nach der Erklärung des Nini st⸗ sei sowohl die etatsrechtliche Frage erledigt, ob die Mittel aj wendet werden würden, wenn das vorgelegte Gesetz nicht zustan komme, als auch das Bedenken, daß die katholifche Kirche beln theiligt werden könne. Ein, Bedenken habe er: Es werde ö. weiter zahlen, der nicht geneigt sei, eine Armenunterstützung anz

Seine Partei

Das urtheil über den materiellen Inhalt der vorgelegten

mwürfe behalte seine Partei sich vor. ; ; an, 9 Frhr. von Heereman (Centr): Er hätte gewünscht, daß

Ibg. Richter die Stellung der katholischen Kirche zu dieser Frage der li Cebatte gelassen hätte. Seine Partei habe die Vorlage noch . prüft und noch keine Stellung zu derselben genommen. Durch nn h milligung dieses Postens engagire sie sich in keiner Weise und * fe kein ö für die Stellung zu den vorgelegten Gesetz—⸗ . Würden sie abgelehnt, so sei die rf en; hinfällig. r as Gesetz angenommen, dann könne man Fürsorge darin 2 s Ungerechtigkeiten vermieden würden. Die zärtliche Rück⸗ treffen. da gere 3 . ö ; acht kes Abg, Richter für seine (des Redners) Partei habe etwas ihrendes. Heiterkeit Vielleicht komme eine Gelegenheit, wo er hn an seine Zärtlichkeit erinnern werde. Durch die Zustimmung zu ser Pofition engagire er sich und seine politischen Freunde in einer Weise. = . . von Eynern (ul.); Zu den Ges ,,. werde seine Partei zt noch keine Stellung nehmen. Die Gesetzentwürfe seien von den Dnoden genehmigt worden und das Haus könne sie nicht ändern. m sei ein Uebelstand. Er hätte nicht geglaubt, daß die Ent⸗ shadigung allein dem Osten der Monarchie zufallen werde und nichts dem Westen. Die Rheinprovinz solle von den 13 Millionen nur 6 0 . ναν erhalten. weil dort die Stolgebühren schon zum größten Che abgeschafft seien. Die. Rheinprovinz habe nur . die Freude die Kirchensteuern aufzubringen, um dem Osten zu helfen. Im Jahr lang würde die Frage wohl noch haben vertagt werden önnen: er hätte gewünscht, daß die Vorlage für beide Kirchen ge⸗ meinsam ein ebracht worden wäre. Vielleicht würde die katl olische Kirche der Rheinprovinz auch schlecht behandelt worden sein und die dortigen Protestanten hätten, dann an den Katholiken Bundes⸗ genofsen gefunden. Wenn man die Vorlage jetzt annehme, werde man ie Vorlage bezüglich der katholischen Kirche ebenfalls unbesehen an⸗ nehmen müssen. Diese Erwägung sei doch wohl beachtenswerth. Die Vorlage könne vielleicht zurückgestellt werden bis zur nächsten Session.

Abg. Richter (dfr.): Der Abg. von Eynern hätte den Schluß zichen sellen aus seiner Aeußerung und die Position für jetzt ab⸗ sehnen follen. Zärtlichkeit sei seine (des Redners) Eigenthümlichkeit gerade nicht; er habe auch schon zu anderen Zeiten katholische Interessen vertreten, wo er sie benachtheiligt geglaubt habe. Die Bedeutung der Kirche sei doch eine ene als daß die Zugehörigkeit zu derselben abhängig sei von der Zahlung von ein pagr Mark für Taufen und Trguungen. Diese Zugehörigkeit werde gefördert durch die Macht der Sitte; das zeige auch schon der geringe Rückgang der Taufen und Trauungen. Er halte es überhaupt für bedenklich, große Rassen des Volks daran zu gewöhnen, daß öffentliche Leistungen mentgeltlich seien. Dadurch werde nur das Bewußtsein der großen Rassen irre geführt. Redner eitirt die Stimmen von Geistlichen aus der Generalsynode, die sich nachdrücklich gegen die Vorlage aus— geprochen haben. Der Regierung habe er keinen Vorwurf daraus zenacht, daß sie die Vorlage gemacht habe; sie habe dies thun müssen, nachdem das Haus die Resolutionen angenommen, aber daraus folge noch nicht, daß das Haus der Vorlage zustimmen müsse. Der Noth⸗ stand der Diätarien sei von dem Hause ebenfalls der Regierung an das Herz gelegt worden; aber für diese geschehe nichts, die Geistlichen gingen vor. Die eigenen Beamten des Staats sollten doch eher be⸗ richschtigt werden. Für nichts habe man in diesem Jahre Geld, als fir kirchliche Zwecke; da scheue man die Millionen nicht. Mindestens solle man die Frage für beide Kirchen gleichzeitig regeln. Wenn das Gesetz nicht jetzt in Kraft trete, sondern erst im nächsten Jahre, dann würden die 750 000 ä frei für andere Zwecke.

Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten Graf von 9 d ĩ ö Hedlitz;

Meine Herren, ich will nicht mehr materiell auf die Debatte ein⸗ gehen. Nur liegt es mir daran, ein Wort nicht unwidersprochen in die Außenwelt hinausgehen zu lassen, welches der Herr Abg. Richter mir gegenüber angewandt hat. Er sagte: für nichts hat man in diesen Jahre Geld, wie für kirchliche Zwecke. Ihnen in diesem Hause, die Sie den Etat in Händen haben, die Sie den Cultus⸗-Etat kennen und das Volksschulgesetz durchgesehen haben, brauche ich nicht zu sagen, daß diese Behauptung absolut unrichtig ist. (Sehr richtig! rechts.) Ich glaube, die Erhöhung des Etats für kirchliche Zwecke hält sich in den allerbescheidensten Grenzen. Demgegenüber sind diejenigen Summen, welche für das höhere Schul- und Seminarwesen, namentlich für die Erhöhung der Lehrergehälter, sowie für das Universitätswesen gefordert sind und zu meiner Freude bereits Ihre Billigung gefunden haben, doch sehr erheblich. Dazu kommen nun noch die 9g Millionen für die Volksschullehrer hinzu, und ich glaube, wenn Sie das alles berück— sichtigen, so wird der Vorwurf . . . . (Zuruf links) ja, ich habe noch die Hoffnung, daß Sie die 9 Millionen auch bewilligen werden; wenn Sie sie nicht bewilligen werden, ist es jedenfalls nicht Schuld des Cultus⸗-Ministers, daß die Volksschullehrer das nicht bekommen. Also jene Summen zusammengenommen repräsentiren doch ein recht erhebliches Quantum mehr, wie der Betrag zur Ablösung der Stol⸗ bühren, und es hat, glaube ich, niemand die Berechtigung, zu sagen: für nichts hat man Geld, außer für kirchliche Zwecke. (Bravo! rechts.)

Dann war es mir noch sehr interessant, eine Aeußerung des Abg. Richter zu hören, in der er betonte, es wäre politisch ganz falsch, die großen Massen daran zu gewöhnen, für jede Leistung, die ihnen ge⸗ währt würde, keine Gegenleistung mehr zu prästiren, sondern alles vom Staate zu erwarten. Ja, meine Herren, wie stimmt denn das nun mit der Aufhebung des Schulgeldes? (Hört! hört! rechts.) Ich glaube, das ist doch auch eine Gegenleistung. Ich bin kein Gegner der Aufhebung des Schulgeldes, ich halte sie für richtig, ich glaube,

daß man diesen Satz, den der Herr Abg. Richter aussprach und der

an sich absolut richtig ist, nur nicht verallgemeinern darf, sondern daß man seden speciellen Fall auf seine Anwendbarkeit prüfen muß, und ic meine, so gut wie in jenem Falle die Aufhebung des Schulgeldes richtig war, so richtig ist in dem anderen die Aufhebung der Gebühren sür einfache Trauungen und Taufen in den christlichen Kirchen. (Bravo! rechts.)

die Abs. Stöcker (cons.): Wenn ein Beschluß des Hauses vorliege, . Frage zu regeln, dann verstehe er nicht, wie 15 Jahre nach . Ilchen Beschluß Widerspruch erhoben werden könne gegen eine i, Torlage Es sei eine Genugthuung für ihn, daß Der Abg, ler der einzige sei, der gegen diese kirchenfreundliche Maßregel

id spruch erhebe.

. Ag. Stengel sfreicons. . Die Disecussion gestalte sich fast zu ier Generaldiscussion über die Vorlage, betr. die Stolgebühren. muh werde ihre Bedenken bei dieser Vorlage geltend ö. und heute die Forderung bewilligen. Abe Abg. Richter (dfr.): Manner, die der kirchlichen Richtung des ö Stöcker angehörten, hätten dieselben Bedenken über, die Vor⸗ hen 1 er (Redner). Das Haus hahe verschiedene Beschlüsse gefaßt; e , der Diätarien enthalte sich das Haus, eine Vorlage zu 6 ie „mur für die Geistlichen solle etwas geschehen. Das um Gin 16 erlassen worden für die Volksschule, soweit der Zwang ee ü Hesuch bestehe. Hier liege die Sache umgekehrt: der vie 66 3 Zwang. aufgehoben, sich kirchlich trauen zu lassen. an ö in nen Mart für die Volksschullehrer kämen in diesem her e . in Frage. Die Aufbesserung für die Lehrer der a Ich nulen vollziehe sich durch Erhöhung des Schulgeldes. heit dẽ ö geld Lei doch auch eine Gebühr. Das heiß die Wohlfeil⸗

Unterrichts kirchlichen Interessen zum Opfer bringen.

Finanz⸗Minister Dr. Miquel:

Meine Herren, ich will schon aus dem Grunde mich nicht weiter eingehend an der Debatte betheiligen, weil ich dringend wünsche, daß wir noch in dieser Woche den Etat zum Abschluß bringen. (Sehr richtig! rechts.)

Ich glaube, das ist eine dringende Rücksicht, welche früher von allen Parteien anerkannt ist, die sich das Abgeordenhaus auferlegt zu Gunsten des Herrenhauses und zu Gunsten eines rechtzeitigen Ab⸗ schlusses des Etats. (Sehr richtig Wir können ja auf diese Frage bei anderer Gelegenheit, bei Berathung des Kirchengesetzes weiter eingehen. Ich möchte nur eine Aeußerung des Herrn Richter berichtigen. Eine andere Resolution, die dahin geht, daß erwartet wird, daß ohne Verzug und zwar in diesem Landtage noch die Mittel zur Disposition gestellt werden, ist mir durchaus nicht bekannt. Allerdings besteht die Absicht, in Uebereinstimmung zwischen Landesvertretung und Staatsregierung andere Aufbesserungen vorzunehmen; aber daß ein Beschluß vorläge, daß dies gerade in diesem Landtage ohne Verzug geschehe, das ist mir durchaus nicht bekannt.

. Wenn der Herr Abgeordnete aber weiter meint, es sei nichts weiter im Etat zur Verbesserung der Verhältnisse der Lehrer und der Schulen geschehen, als die Einstellung einer Summe von 170 000 . für die Lehrer an den höheren Schulen, so irrt er auch in dieser Be— ziehung. Außerdem ist noch in diesem Etat ganz abgesehen von den Bestimmungen im Schulgesetz mehr als 1 Million für Elementarschulen ausgebracht.

Abg. Richter (dfr): Diese Vermehrung sei eine Folge be— stehender Gesetze und kein Verdienst irgend eines Ministers. JZ09 600 - für die Aufbesserung der Gerichtsschreiber-Assistenten seien abgelehnt worden, weil man sonst eine Anleihe aufnehmen müsse, und hier wür— den ohne Noth 750 000 für die Geistlichen verlangt.

Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Graf von Zedlitz:

Ja, meine Herren, ich muß doch auf das entschiedenste dagegen protestiren, daß hier behauptet wird, die 750 000 60 kämen der evangelischen Geistlichkeit zu gut. Wenn jemand das Gesetz gelesen hat, so muß er anerkennen, daß die Geistlichen aus diesen 750 000 46 auch nicht einen Deut mehr bekommen, als sie jetzt schon haben, daß im Gegentheil diejenigen Geistlichen, welche künftig eine Stelle von 6000 6 und mehr Einkommen inne haben werden, ausgeschlossen sind selbst von dem Wiederersatz für den Fortfall derjenigen Stolgebühren, welche durch das Gesetz aufgehoben werden. Es ist also nicht nur keine pecuniäre Verbesserung für die Geistlichen in Frage, sondern es tritt thatsächlich für die höher dotirten Stellen eine Verschlechterung des Einkommens ein, und ich constatire, daß die General-Synode der evangelischen Landeskirche ihren Geistlichen im Interesse der Sache dieses Opfer auferlegt hat, daß also Kirche und Geistliche Anerkennung verdienen, nicht aber im Gegensatz zu anderen Beamtenkategorien, die zu meinem Bedauern keine Aufbesserung erfahren, etwa besonders bevorzugt werden.

Finanz⸗Minister Dr. Miquel:

Der Herr Abg. Richter hat meine Behauptung, daß thatsächlich eine neue Ausgabe von 1 Million für das Elementarschulwesen in den Etat in diesem Jahre eingestellt ist, nicht widerlegen können. Ob diese Ausgabe auf Grund früher von uns beschlossener Gesetze statt— findet, ändert an der Thatsache, daß dies eine neue Verwendung für das Schulwesen ist, nicht das Geringste. (Sehr richtig) Außerdem ist aber auch seine Behauptung nicht einmal zutreffend; denn es be— findet sich in dem Etat auch ein Betrag von 200 000 6 Mehrzuschüssen für Schulbauten, die auf keinerlei gesetzlicher Anordnung beruhen.

Abg. Richter (dfr): Er habe nicht Zuwendungen an die Geist⸗ lichen speciell, gemeint, sondern an die Kirche, Er glaube aber, daß auch die Geistlichen sich gut dabei stehen würden, weil die Taufen und Trauungen doch in einer Form verlangt werden würden, für die bezahlt werden müsse, ö .

Der Titel wird darauf gegen die Stimmen der Freisinnigen und einiger Nationalliberalen bewilligt. ;

Beim Kapitel „Medizinalwesen“ kommt Abg. Olzem (nl. auf die Regelung des Apothekenwesens zurück; die im Reichstage vorgeschlagene Verstaatkichung der Apotheken sei doch eine zu radicale Lösung. Der Staatssecretär von Boetticher habe im Reichstage erklärt, daß die Sache im preußischen Ministerium bear— beitet werde. Ferner bespricht Redner den Geheimmittelschwindel. Darüber müsse endlich eine allgemeine Verordnung erlassen werden, weil jetzt der Rechtszustand ein solcher sei, daß die Freiheit der Presse dabei in Mitleidenschaft gezogen würde. 6.

Geheimer Medizinal⸗Rath Dr. Pistor: Die Apothekenfrage sei y weit geregelt, daß demnächst eine Vorlage gemacht werden werde, Auch die Geheimmittelfrage sei so weit vorbereitet, daß demnächst eine Vorlage gemacht werden könne, ob hier oder im Reichstag, sei zweifelhaft. . ; J ö

Abg. Dr. Gra,sf⸗-Elberfeld (nl) spricht für, die Besserstellung der preußischen Medizinalbeamten und empfiehlt die bessere Ausgestal= tung der ärztlichen Disciplin. Die Presse wende sich, allerdings dagegen; es werde gesagt, die Aerzte würden einmüthig dagegen Widerspruch erheben, wenn den Aerztekammern eine Diseiplinar— gewalt eingeräumt werden solle. Fürst Bismarck sei dem Wunsche der Aerzte, eine deutsche Aexzteordnung zu schaffen, entgegengetreten. Deshalb hätten die Aerztekammern sich an die Landesgesetzgebung wenden müssen. Wenn der klare Wortlaut des Krankenkassengesetzes es nicht hindern könne, daß unter ärztlicher Hilfe auch die Hilfe von Kurpfuschern verstanden werden könne, dann könnten die Aerzte nur auf die Hilfe der Landesbehörden rechnen. .

Ministerial-Director hr. Bartsch: Der, Minister habe, ein warmes Interesse für die Aufbesserung, der Bezüge der. Medizinal⸗ beamten und hoffe, dieses Ziel zu erreichen. Bezüglich der Stellung der Aerzte zu den Krankenkassen habe der Minister ganz dieselbe Auf— un wie der Vorredner und ihr auch Ausdruck gegeben. An den Minister seien Anregungen herangetreten, ob die Königliche Verord— nung über die Aerztekammern . in manchen Punkten einer Aende⸗ rung bedürfe. Der Minister sei diesen Anregungen ir, gn, und

' 3 ** 2

habe vorbereitende Schritte gethan. Man habe in ärztlichen Kreisen gemeint, daß die Diseiplinarbefugnisse der Kammern erweitert werden könnten. Um das Bedürfniß festzustellen, habe der Minister ein Rundschreiben erlassen, um Gutachten zu verlangen. Gegenüber diesen Informationen habe der Minister bisher eine völlig objective Haltung eingenommen. Der Minister werde alle diese Dinge mit größter Vorsicht prüfen und nicht aus eigener Machtvollkommenheit eine Maßregel ins Werk setzen, ohne sich zu versichern, ob die be— theiligten Kreise eine solche für zweckmãßig hielten.

Abg. Dr. Langerhans (dfr.): Der Abg. Graf vertrete einen großen Theil der deutschen Aerzte, aber daß er die Mehrheit der⸗ selben vertrete, möchte er bezweifeln. Hätten denn die Aerzte Ver⸗ anlassung gegeben, hätten sie öffentlich Aergerniß hervorgerufen, daß man ihnen eine neue Diseiplinarbehörde vorsetzen wolle? Das Zu⸗ sammendrängen der Aerzte in den großen Städten führe zur starken Konkurrenz und daher zur Reklame u. s. w., Uebelstände, die die Aerztekammern aber auch nicht verhindern würden. Es sei uner— hört, daß die Aerztekammern beanspruchten, den Aerzten vorzu⸗ schreiben, ob sie sich Specialisten nennen, Kliniken einrichten könnten

Abg.

u. s. w.; ja sie wollten sogar das Recht haben, den Aerzten die Praxis zu entziehen. Die Ehrengerichte seien nicht nothwendig; eine Standes⸗ ehre erkenne er nicht an. Jeder Mann solle als Ehrenmann handeln das thäten auch die Aerzte, und wo sie es nicht thäten, hülfen auch die Aerztekammern nicht. Die Aerztevereine hätten früher eine Er⸗ höhung der Taxe herbeiführen wollen und jetzt böten sich die Aerzte zu möglichst billigen Preisen bei den Krankenkassen an. Das sei sehr bedenklich, dadurch werde der ärztliche Stand herabgedrückt. Bezüglich des Geheimmittelwesens werde in Berlin jezt ganz zweck⸗ mäßig vorgegangen; ein Gesetz zu machen sei deshalb wohl nicht nöthig. Redner empfiehlt die Einführung der obligatorischen Leichen⸗ schau; wo nicht Aerzte zugezogen werden könnten, müßte eine Leichen— schaucommission die Sache machen.

Ministerial⸗Director Dr. Bar tsch: Er könne über die Leichen—⸗ schau nur eine dilatorische Antwort geben; die Angelegenheit befinde sich in der Verhandlung. Ob die Vorlage im 5. oder in Preußen gemacht werden würde, könne er noch nicht angeben.

Abg. Dr. Graf⸗Elberfeld (n.): Bereits 1849 sei von einer Commission von Aerzten, zu denen Virchow und Körte gehört hätten, eine Aerzteordnung ausgearbeitet worden, welche die Einsetzung von Ehrengerichten verlangt habe. Die große Mehrzahl der Aerzte habe sich auf den Aerztetagen dafür ausgesprochen, daß die Aerzte aus der Gewerbeordnung herauskommen müßten.

Abg. Lr. Meyer (dfr. : Die Aerztekammern hätten durchaus nicht das Recht, allein im Namen der Aerzte zu sprechen. Das sei eine Herabsetzung der Bedeutung der freien Vereine. Daß der Abg. Graf nur den Aerztekammern ein Recht gewähren wolle, gehört zu werden, beweise, daß man ihm mit Recht einen zünftlerischen Geist ö habe. Wer nicht zur Zunft gehöre, solle nach ihm nicht gehört werden. Das sei bei Handelskammern u. s. w. auch nicht der Fall. Jeder, der gute Gründe vorbringen könne, solle gehört werden. Das Publikum wisse schon bei einem Arzte Weizen von der Spreu zu scheiden das Urtheil der Disciplinarkammer werde daran nichts ändern. Der größte Schaden des Krankenkassengesetzes liege darin, daß eine große Zahl von Personen den Kreisen der Kundschaft entzogen werde, welche die Aerzte für sich gewinnen zu können hofften, daß diese Personen das Recht erhielten, für eine Minimaltaxe behandelt zu werden. Wo der Staat amtlich zu handeln habe, müsse er streng scheiden zwischen approbirten Aerzten und Kurpfuschern. Die Krankenkassen dürften die Kurpfuscher nicht annehmen. Eine Krankenkasse habe einen Band— wurmdoctor zugezogen, der schließlich nur dieselben Mittel verwende, wie ein Arzt. Der Berliner Polizei⸗Präsident sei in diesem Falle ein⸗ geschritten, aber um eine Garantie gegen die Wiederholung zu schaffen, solle man die Sache klar im Gesetz ausdrücken. Im Interesse der Aerzte liege es nicht, den Kreis der verpflichtungsfähigen Personen zu erweitern. Die Partei des Abg. Graf habe in diesem Falle im Reichstag nicht seinen Standpunkt vertreten.

Abg. Dr. Virchow (dfr.: Der Abg. Graf und seine doctrinären Freunde schienen zu glauben, je zunftmäßiger sie die Sache betrieben, desto mehr würden sie die Achtung des Publikums finden. Er glaube aber, daß keine andere Hilfe sei, als daß die ärztliche Bildung auf eine höhere Stufe gebracht werde. Es müsse niemand zweifelhaft sein, ob er einen Naturarzt oder einen geprüften Arzt zu— ziehe. Daß die Aerzte auch etwas nach dem Gelde seien, möge richtig sein; aber sie hätten sich dabei doch keiner ehren— rührigen Dinge schuldig gemacht. Die Sache sei wohl nur im zunftmäßigen Sinne aufgebauscht. Als er einmal krank gewesen sei, habe ihm ein Apotheker aus Schaffhausen eine Schachtel Pillen

esandt, er habe sie versucht und sie seien ihm ganz gut bekommen.

r habe ihm seinen Dank ausgesprochen. Der Mann habe das für sich verwandt und ein ö Verein habe ihm (Redner) deshalb eine Censur ertheilt, die er sich nicht habe gefallen lassen. Er habe den Verein verlassen und sei einsam seinen Weg . Leben ge⸗ gangen. Er sei sich aber nicht bewußt, damit etwas Böses gethan zu haben. Im Reichstage sei gestern die Episode Koch als die größte Blamage fuͤr die Medizin angeführt worden; wie heute der Abg. Graf darüber denke, wisse er (Redner) nicht. Jedenfalls seien aber dabei Dinge vorgekommen, die zu einem disciplinaren Einschreiten hätten Anlaß bieten können. Wie solle das werden, wenn dieselben Personen, die heute einem neuen Dinge zujubelten, nachher die herbsten Verurtheilungen aussprächen. Daß die Aerzte unter sich Disciplin halten sollten in ihren Vereinen, sei selbstverständlich; aber das solle nicht geschehen in Form der Zunft.

Abg. Dr. Graf⸗Elberfeld (nl): Von einer Zunft sei bei den Aerztekammern nicht die Rede. Daß der Abg. Virchow bei den Schweizer-Pillen hineingefallen sei, werde ihm selbst nicht angenehm sein. In Bezug auf die Koch'sche Affäre urtheile er ebenso wie früher. Die gestrige Abstimmung im Reichstage habe bewiesen, daß der Abg. Virchow Unrecht gehabt habe, als er 1869 die Aerzte in die Gewerbeordnung hineingebracht habe.

Damit schließt die Debatte.

Bei den Ausgaben für die Kreisphysiker tritt

Abg. von Pilgrim lfreicons.) für die Aufbesserung der Ge— hälter dieser Beamten ein und empfiehlt mindestens die ö eines höheren Ranges für die älteren unter diesen Beamten, vielleicht unter Verleihung des Titels „Kreis-Medizinal⸗Rath“.

Abg. Brandenburg Centr.) schließt sich diesen führungen an. ;

Bei den Ausgaben für die Charité weist

Abg. Goldschmidt (dfr. darauf hin, daß eine Poliklinik er⸗ richtet worden sei für Orthopädie. Man habe dem Director eine einmalige Entschädigung von 5000 A und eine jährliche von 3000 M. gewährt. Er 6 aber zur ersten Einrichtung mehr als 5000 S verwenden müssen. Die Uebernahme der Poliklinik auf den Staat sei nicht erfolgt; es dürfe aber doch wohl nicht richtig sein, daß der Director die Einrichtung aus seiner Tasche bezahle.

Abg. Pr. Langerhans (dfr.) bringt die Unterbringung von Geisteskranken zur Sprache und bezeichnet die Urtheile verschiedener Zeitungen über einen bestimmten Fall, der zu Parteizwecken ausgebeutet worden sei, als unzutreffende. i . sei es so gewesen, daß ein Geisteskranker nur auf Grund des Attestes zweier Aerzte in einer Irren⸗ anstalt habe aufgenommen werden können. Jetzt genüge das Urtheil des Kreisphysikus und es solle der Staatsanwalt benachrichtigt werden. Die große Beunruhigung, welche der eine Fall her⸗ vorgerufen habe, habe den Gedanken nahe gelegt, ob man nicht zu dem alten Verfahren wieder zurückkehren wolle. Außer in Romanen werde man wohl noch nicht erfahren haben, daß Leute wider ihren Willen in Irrenhäusern untergebracht seien. Es müsse aber auch dafür gesorgt werden, daß gemeingefährliche Kranke nicht bei ihren ö blieben, wo sie bei mangelnder Aufsicht Unheil anrichten könnten.

Abg. Stöcker (cons.): Das Haus werde einverstanden sein, wenn er den Fall, den er zur Sprache habe bringen wollen, heute nicht vorbringe. Er wolle einen Antrag stellen und dabei den Fall be⸗ handeln. So einfach lägen die Sachen doch nicht, wie der Abg. Langerhans es darstelle. Es handele sich nicht um einen Fall, sondern um viele. Nicht auf Urtheil des Kreisphysicus, sondern auf Urtheil beliebiger Aerzte würden Leute in die Irrenanstalten gebracht. Das Eintreten des Staatsanwalts erfolge auch nicht. Es lägen hier eine Menge Unbegreiflichkeiten vor, die eingehend erörtert werden müßten.

Abg. Simon von Zastrow (eons.) weist darauf hin, daß die Aerzte furchtbar schnell bei der Hand seien, jemanden in die Irren⸗ anstalt zu bringen. Die Richter seien gegenüber dem Urtheil der Aerzte oft machtlos, in dieser Beziehung müsse hier Wandel geschaffen werden. Bei den öffentlichen Anstalten werde Bedenkliches nicht vor⸗ kommen, bei Privatanstalten sei es öfter vorgekommen. Es könne sehr leicht n rt getrieben werden; ehe nicht die Entmündi⸗ gung stattgefunden habe, sollte niemand in einer Privatanstalt unter⸗ gebracht werden.

Abg. Dr. Langerhans (dfr.): Das würde große Gefahren mit sich bringen; wie solle denn jemand einen Tobsüchtigen so lange in seiner vielleicht beschränkten Wohnung behalten! Wenn die Unter⸗

Aus⸗