1892 / 71 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 22 Mar 1892 18:00:01 GMT) scan diff

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bildungsschulen, zu deren Besuch keine Verpflichtung besteht, bis zum 1. Oktober 1894 gestatten.

Als Fortbildungeschulen im Sinne dieser Bestimmungen gelten auch Anstälten, in welchen Unterricht in weiblichen Hand⸗ und Haus⸗ arbeiten ertheilt wird.

Durch statutarische Bestimmung einer Gemeinde oder eines wei⸗ teren Communalverbandes, welcher nach Maßgabe des § 142 der Ge⸗ werbeordnung erlassen wird, kann mit Zustimmung des Ober⸗Berg⸗ amts für maͤnnliche Arbeiter unter achtzehn Jahren die Verpflichtung zum Besuch einer Fortbildungsschule begründet werden. Auf demselben Wege können die zur Durchfuhrung vi Verpflichtung erforderlichen Bestimmungen getroffen werden. Insbesondere können durch statutarische Bestimmung die zur Sicherung eines regelmäßigen Schulbesuchs den Schul⸗ pflichtigen sowie deren Eltern, Vormündern und Arbeitgebern ob⸗ liegenden Verpflichtungen bestimmt und diejenigen Vorschriften er—⸗ 32 werden, durch welche die Ordnung in der Fortbildungsschule und ein gebührliches Verhalten der Schu ker gesichert wird. Von der durch statutarische Bestimmung begründeten Verpflichtung zum Besuch einer Fortbildungsschule sind diejenigen befreit. welche eine andere Fortbildunge⸗ oder Fachschule Steigerschule, Bergvorschule, Berg⸗ schule) besuchen, sofern der Unterricht dieser Schule von dem Ober⸗ Bergamt als ausreichender Ersatz des durch statutarische Bestimmnng geregelten ger nen n nm,, anerkannt wird.

88.

Das Dienstverhältniß der von den Bergwerksbesitzern gegen feste Bezüge zur Leitung und Beaufsichtigung des Betriebes nach Maßgabe der 73 und 74 angenommen oder dauernd mit höheren technischen Dienstleistungen betrauten Personen (Maschinen⸗ und Bautechniker, Chemiker, Zeichner und dergleichen) kann, wenn nicht etwas anderes verabredet ist, von jedem Theile mit Ablauf jedes Kalenderviertel⸗ jahres nach sechs Wochen vorher erklärter Aufkündung aufgehoben werden.

Jeder der beiden Theile kann vor Ablauf der vertragsmäßigen . und ohne Innehaltung einer Kündigungsfrist die Aufhebung des

ienstverhältniffes verlangen, wenn ein wichtiger, nach den Umstaͤnden des Falles die Aufhebung ,, Grund vorliegt. 89.

Gegenüber den im 8 88 bezeichneten Personen kann die Aufhebung des Dienstverhältnisses ins besondere verlangt werden:

I) wenn sie beim Abschluß des Dienstpertrages den Bergwerks— besitzet durch Vorbringen falscher oder verfälschter Zeugnisse hinter— gangen oder ihn über das Bestehen eines anderen sie gleichzeitig ver⸗ pflichtenden Dienstverhältnisses in einen Irrthum versetzt haben;

** .

2) wenn sie im Dienste untreu sind oder das Vertrauen miß⸗ brauchen;

I) wenn sie ihren Dienst unbefugt verlassen oder den nach dem Dienstvertrage ihnen obliegenden Verpflichtungen nachzukommen be— harrlich verweigern;

4) wenn sie eine sicherheitspolizeiliche Vorschrift bei der Leitun oder Beaufsichtigung der Bergarbeit übertreten oder wenn ihnen 9266 die Bergbehörde die Befähigung zum Aufsichtsbeamten aberkannt ist;

5) wenn sie durch anhaltende Krankheit oder durch eine längere Freiheitsstrafe oder Abwesenheit an der Verrichtung ihrer Dienste verhindert werden;

6) wenn sie sich Thätlichkeiten oder Ehrverletzungen gegen den Bergwerksbesitzer oder seine Vertreter zu Schulden kommen lassen;

7) wenn sie sich einem unsittlichen Lebenswandel ergeben.

In dem Falle zu 5. bleibt der Anspruch auf die vertragsmäßigen Leistungen des Bergwerksbesißers für die Dauer von sechs Wochen in Kraft, wenn die Verrichtung der Dienste durch unverschuldetes Unglück verhindert worden ist. Jedoch mindern sich die Ansprüche in diesem 53 um denjenigen Betrag, welcher dem Berechtigten aus einer auf Grund gesetzlicher Verpflichtung bestehenden Kranken- oder Unfall— versicherung oder aus einer Knappschaftskasse zukommt.

S 96.

Die im § 88 bezeichneten Personen können die Aufhebung des Dienstverhältnisses insbesondere verlangen:

1) wenn der Bergwerksbesitzer oder seine Stellvertreter sich Thätlichkeiten oder Ehrverletzungen gegen sie zu Schulden kommen lassen;

2) wenn der Bergwerkosbesitzer die vertragsmäßigen Leistungen nicht gewährt;

I) wenn der Bergwerksbesitzer oder dessen Stellvertreter Anord— nungen ergehen läßt, welche gegen den Betriebsplan oder gegen sicher— heitspolizelliche Vorschriften verstoßen, oder wenn er die Mittel zur Ausführnng der von der Bergbehörde getroffenen polizeilichen Anord— nungen verweigert.

§ 91.

Unter den im 8 86 aufgestellten Voraussetzungen tritt die daselbst bestimmte Haftung des Bergwerksbesitzers auch für den Fall ein, wenn die im 88 bezeichneten Personen zur Aufgabe des Dienst— verhältnisses verleitet, in Dienst genommen oder im Dienst behalten werden.

92.

Die wegen Uebertretungen der 84 Absatz 5, 85 und S5 f Absatz 3 festgesetzten Geldstrafen fließen zu der Knappschaftskasse, welcher das betreffende Werk ö.

Auf jedem Bergwerk ist über die daselbst beschäftigten Arbeiter eine Liste zu führen, welche die Vor- und Zunamen, das Geburtsjahr, den Wohnort, den Tag des Dienstantritts und der Entlassung sowie das Datum des letzten Arbeitszeugnisses enthält.

Die Liste muß der Bergbehörde auf Verlangen vorgelegt werden.

B. Betreffend die Befugnisse der Bergbehörden.

* Artikel II. An Stelle des § 77 im Allgemeinen Berggesetze tritt folgende Bestimmung:

Dieselben sind verpflichtet, die Bergbeamten, welche im Dienste das Bergwerk befahren, zu begleiten und denselben auf Erfordern Auskunft über den Betrieb, über die Ausführung der Arbeitsordnung und über alle sonstigen, der Aufsicht der Bergbehörde unterliegenden Gegenstände zu ertheilen.“

Artikel III.

Der 2. Absatz des 5 189 erhält folgende Fassung:

»Sie handhaben insbesondere die Bergpolizei nach Vorschrift des Gesetzes. In Beziehung auf die ihrer Aufsicht unterworfenen Anlagen und Betriebe stehen ihnen, insbesondere bei der Ueberwachung der n, . dieses Gesetzes, die Befugnisse und Obliegenheiten der im § 1356 der Reichsgewerbeordnung bezeichneten Aufsichts—⸗

beamten zu.“ Artikel T. In §z 196 wird hinter den Worten: die Sicherheit des Lebens und der Gesundheit der Arbeiter,“ folgender Absatz eingeschaltet:

2xdie Aufrechterhaltung der guten Sitten und des Anstandes durch

die Einrichtung des Betriebes.“ ; Artikel V. Der Absatz 1 des § 197 erhält folgenden Zusatz:

; ¶Inebesondere können die Ober⸗Bergämter, wenn durch über— mäßige Dauer der n Arbeitszeit die Gesundheit der Arbeiter gefährdet wird, Dauer, Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit und der zu gewährenden Pausen vorschreiben und die zur Durch⸗ führung dieser Vorschriften erforderlichen Anordnungen erlassen.“

,

1 Der § 192 erhält folgenden 26 8

Widersprechen Verfügungen oder Beschlüsse des Revierbeamten oder des Ober⸗Bergamts den von der zuständigen er, erlassenen Vorschriften zur Verhütung von . so ist zur Ein⸗ legung des Recurses binnen der vorstehend bezeichneten Frist auch der . der Berufsgenossenschaft oder Berufsgenossenschaftssection

ugt.

2) Der § 197 erhält folgenden Absatz 3:

Vor dem Erlaß von Polizeiverordnungen, welche sich auf die Sicherheit des Lebens und der Gesundheit der Arbeiter und auf die

Aufrechterhaltung der guten Sitten und des Anstandes im Betriebe beziehen, ist dem Vorstande der betheiligten n, , oder Berufsgenossenschaftssection Gelegenheit zu einer gutachtlichen Aeuße⸗ rung zu geben. Auf diese finden die Bestimmungen des 8 79 Abs. ] des Unfallversicherungsgesetzes vom 6. Juli 1834 (Reichs⸗Gesetzbl. S. 69) Anwendung.“

Artikel VII.

Der § 202 erhält folgenden Absatz 2: ;

Im gleichen Falle, ö wenn der Bergwerkosbesitzer einer auf Grund des § 197 ergangenen Polizeiverordnung zuwiderhandelt, kann der Revierbeamte bis zur Herstellung des der Verordnung oder der Verfügung entsprechenden Zustandes die Einstellung des Betriebes, soweit derselbe durch die Verordnung oder Verfügung getroffen wird, anordnen, falls dessen Fortsetzung erhebliche Nachtheile oder Gefahren herbeizuführen geeignet sein würde.“

C. Straf⸗ und Schlußbestimmungen. Artikel VIII.

Der dritte Abschnitt des neunten Titels im Allgemeinen Berg—⸗ gesetz vom 24. Juni 1865 enthält folgende Fassung: Dritter Abschnitt. Strafbestim mungen. 5 W.

Uebertretungen der Vorschriften in den 4, 109, 66, 67, 69, 71, 72, 73, 74, 77, 93, 163, 200, 291, 203, 204, 205 werden mit Geldstrafe bis zu einhundertfünfzig Mark und im Unvermögensfalle mit Haft bestraft. .

In den Fällen der SS 67 und 69, sowie 73 und 74 tritt diese Strafe auch dann ein, wenn auf Grund der 70 und 75 der Be— trieb von der Bergbehörde eingestellt wird.

S 207 a.

Mit Geldstrafe bis zu zweitausend Mark und im Unvermögens— falle mit Gefängniß bis zu sechs Monaten werden Bergwerksbesitzer bestraft, welche den 58 84 Absatz 5 und 85 f Absatz 3 zuwider⸗

handeln. § 207b.

Mit Geldstrafe bis zu dreihundert Mark und im Unvermögens— falle mit Haft wird bestraft, wer ein Bergwerk betreibt, für welches eine Arbeitsordnung (6 80a) nicht besteht, oder wer der endgültigen Ano dnung der Behörde wegen Ersetzung oder Abänderung der Arbeitsordnung (6 80h) nicht nachkommt.

§ 207 c.

Mit Geldstrafe bis zu einhundertfünfzig Mark und im Unver— mögensfalle mit Haft bis zu vier Wochen wird bestraft:

I) wer der Bestimmung des § 80e Absatz 2 zuwider gegen Arbeiter Strafen verhängt, welche in der Arbeitsordnung nicht vor— gesehen ö oder den gesetzlich zulässigen Betrag übersteigen, oder wer Strafgelder, Lohnabzüge 80 Nr. 3) oder die in § ob Nr. 6 bezeichneten Beträge in einer in der Arbeitsordnung nicht vorgesehenen Weise verwendet;

2) wer es unterläßt, den durch die 588 89e Absatz 2, 80g Ab⸗ satz l, 80 und 80k für ihn begründeten Verpflichtungen nachzu— kommen.

§ 204.

Mit Geldstrafe bis zu dreißig Mark und im Unvermögensfalle mit Haft bis zu acht Tagen wird bestraft, wer es unterläßt, der durch F 80g Absatz 2 für ihn rn, Verpflichtung nachzukommen.

§ 202.

Mit Geldstrafe bis zu zwanzig Mark und im Unvermögensfalle mit Haft bis zu drei Tagen für jeden Fall der Verletzung des Gesetzes wird bestraft:

I) wer den Bestimmungen der 85 und S5b bis 85g zuwider einen Arbeiter in Beschäftigung nimmt oder behält;

2) wer außer dem im § 207a vorgesehenen Falle den Bestim— mungen dieses Gesetzes in Ansehung der Arbeitsbücher zuwiderhandelt;

3) wer vorsätzlich ein auf seinen Namen ausgestelltes Arbeitsbuch unbrauchbar macht oder vernichtet;

4) wer den Bestimmungen des § 87 Absatz 1 oder einer auf ö des 5 87 Absatz 3 erlassenen statutarischen Bestimmung zuwider

andelt;

5) wer es unterläßt, den durch § 80e Absatz 3 für ihn begrün— deten Verpflichtungen .

208.

Zuwiderhandlungen gegen die von den Bergbehörden bereits er— lassenen, sowie die von den Ober⸗Bergämtern auf Grund des § 197 noch zu erlassenden Bergpolizeiverordnungen werden mit Geldstrafe bis zu dreihundert Mark und im Unvermögensfalle mit Haft bestraft.

Dieselbe Strafe findet bei Znwiderhandlnngen gegen die auf Grund der §§ 198 und 199 getroffenen polizeilichen Anordnungen Anwendung.

Die lrafe tritt auch ein, wenn der Betrieb auf Grund des § 202 Absatz 2 von der Bergbe eingestellt wird.

Ueber die Zuwiderhandlungen gegen die vorstehenden Vorschriften (8 207, 8 2072 bis 207 e, § 208) sind von den Revierbeamten Pro⸗ tocolle aufzunehmen.

Diese Protocolle werden der Staatsanwaltschaft zur Verfolgung ũbergeben.

Die Entscheidung steht den ordentlichen Gerichten zu. Dieselben haben hierbei nicht die Nothwendigkeit oder Zweckmäßigkeit, sondern nur die gesetzliche Gültigkeit der von den Bergbehörden erlassenen polizeilichen Vorschriften zu prüfen.

S 209 a.

Die Strafverfolgung der in den S5 2076 und 208 mit Strafe bedrohten Handlungen verjährt innerhalb drei Monaten von dem Tage an gerechnet, an e, sie begangen sind.

Artikel JX. Dieses Gesetz tritt am 1. Juli 1892 in Kraft. Mit der Aus— führung desselben wird der Minister für Handel und Gewerbe be— auftragt.

Die Ober⸗Bergämter sind ermächtigt, den Bergwerksbesitzern auf Antrag angemessene Fristen, längstens bis zum 1. Januar 1893, be⸗ hufs Herstellung der zur Durchführung des 5 80k Absatz 1 erforder— lichen Einrichtungen zu gewähren.

Urkundlich ꝛc.

In der Begründung zu dem Entwurf wird zunächst auf die n, . Entwickelung des Arbeitsverhältnisses der Bergarbeiter Aingewiesen. Bis zum Jahre 1860 wurden die Bergarbeiter von den Staats⸗Bergbehörden angenommen, verlegt und entlassen; die Berg⸗ behörde bezw. in deren Vertretung vereidete Beamte des Bergwerks— besitzers trugen für die Einhaltung der in den Bergordnungen vorge⸗ schriebenen Anfahrtszeit, Schichtdauer und sonstiger Modalitäten des Arbeitsverhältnisses Sorge, stellten das Gedinge oder überwachten dessen Stellung, beeinflußten somit auch die Lohnhöhe und trugen für richtige Auszahlung des Lohns Sorge; die Bergbehörde übte eine Disciplin über die Arbeiter aus, erließ Disciplinar⸗Strafreglements und schritt erfor⸗ derlichen Falls ein. Das Gesetz vom 21. Mai 1860, die Aufsicht der Bergbehörden über den Bergbau und das Verhältniß der Berg⸗ und Hüttenarbeiter betreffend, ker r, diesen Rechtszustand, indem es die Abschließung der Verträge zwischen dem Bergwerkseigenthümer und den Bergleuten ihrem freien Ermessen überließ, eine Mitwirkung der Bergbehörde nicht mehr in Anspruch nahm; die Bergbehörde hatte nach diesem Gesetz nur die von den Bergwerkseigenthümern für ihre Werke erlassenen Arbeitsordnungen, zu bestätigen, der nn, ,, war indeß nicht obligatorisch; eine Grund⸗ lage für die gesammten gegenseitigen Beziehungen des Bergwersbesitzers und des Bergarbeiters war mit dem eg nicht geschaffen worden. Infolgedessen waren auf einer Reihe von Bergwerken überhaupt keine Arbeitsordnungen erlassen und somit den Bergbehörden keine Ge— legenheit gegeben worden, dieserhalb mit Zwangsmaßregeln vorzugehen; ferner waren da, wo Arbeits ordnungen int 8e traten, wichtige, die gegenseitigen Beziehungen regelnde Festsetzungen nicht in den Arbeits ordnungen, sondern vielmehr in einem nicht bestätigten Anhange auf⸗

enommen worden. Das Allgemeine Berggesetz vom 24. Jun

at den in dem vorerwähnten Gesetz zum dA nen n s Hrundfatz des freien, der Einwirkung der Stantsbehärden altlhe , noch weiter ausgebildet; es erhielt in diefer ö folgende wn n. . ;

6. ertragsverhältniß zwischen den e n n, und d

Bergleuten wird nach den allgemeinen gesetzlichen Norschriste⸗ 9

urtheilt, foweit nicht nachstehend etwas Anderes bestimmt it 63.

lassen die Bergwerksbesitzer Arbeitsordnungen für ihre Werke *

müässen dieselben gleichzeitig mit der Bekanntmachung auf dem Vert .

zur Kenntniß der Bergbehörde gebracht werden.“ 1

Also von der Nothwendigkeit des Erlasses von Arbeitsordnung war abgesehen; an Stelle der Bestätigung trat Kenntnißnahme 5 eventuell zu erlassenden Arbeitsordnungen durch die Bergbehörde. Die Folge davon war, daß entweder gar keine Arbeitsordnungen erlaffen wurden, oder daß, wo solche entstanden, darin nicht der Grundsatz Aus. druck fand, daß die vertragsmäßig bestehenden Beziehungen zwischen Bergwerksbesitzer und Bergarbeitern zur Vermeidung von Mißver= ständniffen, welche zu einer Quelle von Streitigkeiten werden kenne vollständig zu regeln seien. Hieraus sind mannigfache Uebelstän? hervorgegangen, welche in den Lrbeiteraus stãnden vom Frühjahr 1889 zu Tage traten und von der zur Untersuchung der Arbeiterverhältnisse ein. 3 etzten Commission der Ministerien des Innern und der öffentlichen Ar= eitẽn aufgedeckt wurden. Nachdem die Reichsgesetzgesetzgebung obligatorifch⸗ Arbeitsordnungen eingeführt hat, hat nun die Landesgesetzgebung dar⸗ auf zu achten, daß die Arbeitsordnungen beim Bergbau eine deutlich Mißverständnisse nach Möglichkeit ausschließende und die Einzelheiten des Arbeitsvertrags klarlegende Fassung erhalten und daß Bergwerke besitzer und Bergmann die Arbeitsordnung als Grundlage des . verhältnisses betrachten lernen. Dies ist der Zweck des vorstehenden Gesetzentwurfs. . Weiter beabsichtigt er, einige Bestimmungen des III. Theils des Allgemeinen Berggesetzes der gegenwärtigen Fassung des VII. Titels der Gewerbeordnung vom 1. Juni 1891 anzupassen. Durch die letztere hat sich der Kreis der für den Bergbau geltenden reichsgesetzlichen Bestimmungen noch erweitert: die Vorschriften über die Arbeiten an Sonn- und Festtagen gelten auch für den Betrieb von Bergwerken Salinen und Aufbereitungsanstalten, ebenso ist 5 115 der Gewerbeordnung (Lohneinbehaltungen, Lohn- und Abschlage—⸗ zahlungen, Auszahlung der Löhne für minderjährige Är— beiter an die Eltern und Vormünder u. s. w.) auch für die Besitzer und Arbeiter von Bergwerken verbindlich. Demgemäß haben die durch die Gewerbeordnung außer Kraft gesetzten Bestimmungen des Berggesetzes ausgeschieden werden, andere eine andere Fassung er⸗ halten müssen. Die einzelnen bisher für den Bergbau nicht in Geltung gewesenen Vorschriften des Tit. VII der Gewerbeordnung haben ö. für die Besitzer und Arbeiter von Bergwerken geprüft bezw, ausgestaltet oder geändert werden müssen. Weiter hat auch die Zuständigkeit der Bergbehörden neue Regelung erfahren.

In J 80 b sind infolge der Erfahrungen bei den letzten Arbeiter—= ausständen die Gegenstände bezeichnet, deren Festsetzung durch die Arbeitsordnungen dem Besitzer zur Pflicht gemacht wird; namentlich war zu berücksichtigen: Gedingeabschluß, Dauer der Schicht, Ueber⸗ schichten, Abzüge (wozu das sogenannte Streichen oder Nullen der Förderungen gehört), Festsetzung von Conventionalstrafen und Ver— wendung der Strafgelder, Lieferung von Brennmaterialien, Be—⸗ ziehungen zu bestehenden Unterstützungskassen; dies hat sich aus der, Untersuchung der oben genannten Commission als nothwendig erwiesen. Die Befugniß der Stagtsgewalt, in der Weise, wie es in dem Entwurf geschehen, für den Abschluß des bergmänni⸗ schen Arbeitsvertrags eine feste Form zu verlangen, sowie zugleich darauf hinzuwirken, daß gewisse Punkte im Rahmen dieser Form ihre Erledigung finden, ist auch, von der Gesetzgebung anderer Staaten nicht in Zweifel gezogen worden, und man hat dort sogar nicht. gezögert, noch weiter zu gehen und ebenso wie dies schon nach dem Gesetz vom 21. Mai 1860 der Fall war dem Staat die Genehmigung der obli⸗

atorischen Arbeitsordnungen vorzubehalten; dies ist in Oesterreich, in Sachsen und in der Schweiz geschehen. Für die Verlängerung des Tagewerks soll das Einverstäündniß der Arbeiter erforderlich sein; daß durch regelmäßige Vereinbarung von Ueberschichten die Gesund⸗ heit der Arbeiter nicht gefährdet wird, dafür bietet Sicherheit die Befugniß der Ober⸗Bergämter, welche Dauer, Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit regeln sollen. Weiter soll die Arbeitsordnung auch die Festsetzung der Ein⸗ und Ausfahrt enthalten, weil der Mangel einer solchen ein- für allemal geltenden Regelung, wie aus den Untersuchungen der Commission über die Ursachen der Arbeiterausstände hervorgeht, den Anlaß zu den Hauptbeschwerden der Arbeiter bildet. Die Bestimmungen über die Arbeiterausschüsse ent⸗ sprechen im wesentlichen der Gewerbeordnung. Eine Bestätigung der Arbeitsordnungen durch die Bergbehörde, wie es in dem Gesetz vom 21. Mai 1860 der Fall war, ist nicht vorgesehen; es haben vielmehr lediglich die betreffenden Bestimmungen der Gewerbeordnung Plaß gefunden, welche die unteren Verwaltungsbehörden und zwar hier den Revierbeamten mit der Prüfung betrauen. Die Bergbehörde würde durch die Verpflichtung der Prüfung aus ihrer Stellung über den beiden Contrahenten des Arbeitsvertrags hinausgedrängt und mit einer nicht angemessenen Verantwortung belastet werden. Die Be⸗ seitigung der Verschiedenheit der Fördergefäße in Größe und Form (S So kJ wird als im öffentlichen Interesse gelegen bezeichnet, da gerade aus der Verschiedenheit ein Mißtrauen der Arbeiter entspringt, wenn sich dieses auch in der commissarischen Untersuchung nicht als berechtigt herausgestellt hat. Die Abkehrscheine sollen ent= sprechend dem § 113 der auf Verlangen auch auf die Leistungen ausgedehnt werden; jedoch dürfen sie, übereinstimmend mit § 113 der Gewerbeordnung, nicht mit sonstigen Merkmalen ber⸗ sehen sein. Für den Abschluß des Arbeitsvertrags der Minderjährigen soll das Arbeitsbuch eingeführt werden, um die elterliche Autorität zu stärken und die ö Unbeschränktheit der Minderjährigen einzudãmmen (gemäß z 131 der Gewerbeordnung). Der, Entwur erweitert ferner die Befugnisse der k indem er den Revierbeamten die Obliegenheiten der Fabrikaufsichtsbeamten für das Gebiet des Bergbaus . es wird erwartet, daß der erhöhte Einfluß, welchen der Revierbeamte hierdurch zunächst auf. dem Gebiet des Arbeiterschutzes gewinnt, seine Stellung und sein Ansehen im allgemeinen kräftigen und ihm in noch erhöhterem Maße, wie bisher, die Möglichkeit gewähren wird, eine Vertrauensstellung sowohl den Arbeit⸗ ebern als den Arbeitern gegenüber zu gewinnen. Die Frage der Regelung der täglichen Arbeitszeit, die für den Arbeiter⸗ schutz von ganz besonderer Bedeutung ist, ist in Art. V berücksichtigt. Ist fh lich in Bezug auf die frühere unbeschränkte Zulassung von sog. Ueberschichten, welche mit zu den Ausständen Anlaß e schon vielfach eine Besserung eingetreten; dennoch ist die . fahr eines Rückfalls in die früheren Verhältnisse nicht ausgeschlessen⸗ da die Regelung der täglichen Arbeitszeit im allgemeinen Gegenstand der freien Vereinbarung, verblelben soll. Die Möglichkeit eines Ein. greifens der Aufsichtsbehörde zum Zwecke der Verhütung einer 9. meinschädlichen mißbräuchlichen Anwendung der Vertragsfreiheit daher wünschenswerth. Schon nach § 1266 Absatz 3 der Gewerbe⸗ ordnung ist dem Bundesrath die Befugniß beigelegt, in den eigneten Fällen Dauer, Beginn und Ende der zuläffigen täglichen Arbeitszeit und der zu gewährenden Pausen vorzuschreiben. Mit Artikel. diefe Frage für den Bergbau unter Befeitigung der Zweifel über d behördliche Zuständigkeit geregelt werden. 3 dies nur für geher⸗ Productionsgebiete geschehen kann, sind die Dber⸗Bergamter mit 7. Befugniß auszustatten, hierüber Anordnungen zu treffen. Daß solche Anordnungen in den vperschiedenen Ober⸗Bergamtsbezirken zu un lei ; artigen Belastungen führen, wird dadurch verhindert, daß die t Berzämter sich nach den bestehenden Verwaltungevorschriften zung des Einverständnisses der Centralstelle versichern müssen.

zum Deutschen Reichs⸗Anze

Zmeite Beilage

Berlin, Dienstag, den 22. März

iger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.

1892.

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Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 38. Sitzung vom Montag, 21. März.

Sitzung wohnen der Finanz-Minister Dr. Miguel . für 5 2c. v . bei. uf der Tagesordnung steht zunächst die erste Berathung Iesetzentwurfs zur Ergänzung der Gesetze, das Ruhegehalt der emeritirten Geist— betreffend die Fürsorge für die Wittwen der Geistlichen der evangelischen Landes— eun älteren Provinzen der Monarchie.

Alg. Dr. Brüel (Centr.). Schon vor Jahren habe das Haus lenentlich der Ftatsberathung eine Resolutign angenommen auch für . lcten Geistlichen und Relicten von Geistlichen aus den neuen J. namentlich Hannover, ähnlich Fürsorge zu treffen, wie es die aus den alten Provinzen geschehen sei. Es sei aber in dieser ct nichts geschehen, wenn auch, wie er glaube, bei Anwendung ö Gnergie die Sache heute schon geregelt sein könne. Er be— ne diese Ge egenheit, die Regierung wiederum zu fragen, wie die rlegenheit sich jetzt verhalte. Gegen die Vorlage an sich ae en nichts einjuwenden. . .

geheimer Ober⸗Regierungs Rath Hegel: Die vom Vorredner üne Sache sei von der Staatsregierung keinen Augenblick außer m glaffen worden, es hätten Ermittelungen stattgefunden, doch ne die entgegenstehenden Schwierigkeiten nicht überwunden werden ne; er hoffe, daß es der Regierung gelingen werde, in der ächten Session der Landessynode die Angelegenheit schon vorzulegen, ernll bestehe bei der Regierung der Wunsch, den berechtigten ö Landeskirche in den neueren Landes—

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Es handele sich hier um eine sehr bestehenden Gesetze, welche die

nd Relicten von Geistlichen

zu vermeiden,

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oder Minister

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57

Richter (dfr.: Die Gegenwart des Cultus-Ministers

icht wohl verlangen, da dieser sich von der Theilnahme an den lungen habe entschuldigen lassen. Es würde fast einer Ironie ättenmen, einen Antrag in dieser Richtung zu stellen, man könne de Fultus-Minister nicht übel nehmen, wenn er unter diesen Um⸗ nicht an den Verhandlungen theil nehme; da sei es formell zu beantragen, die Verhandlung über die Vorlage zu vertagen,

r die Krise Entscheidung getroffen sei. Diesen Antrag stelle

Abg. Graf zu Lim burg-Stirum (cons): Der Abg. Richter Finde seinen Antrag in einer Weise, die ihm (Redner) nicht zu⸗

scheine; er stütze sich auf Dinge, die in außerofficieller Form ner Kenntniß gekommen seien; er sage, der Cultus-Minister habe R Entlassungsgefuch eingereicht, es sei darüber vom Monarchen noch ue, Entscheidung getroffen das Haus wisse davon nichts, der unter habe seine Entlassung noch nicht, denn sonst müßte es dem officiel mitgetheilt sein, er vertrete die Sache noch, die Contra⸗ wenn der Minister also Commissaren den Auftrag Ansicht hier mitzutheilen, so seien diese völlig autorisirt, ' m dertreten. Das Haus könne, wenn es wolle, die Gegenwart „Ninisters in Person nach der Verfassung verlangen, aber dagegen denn die Vorlage sei nicht von solcher Bedeutung, daß sie die Smart eines Ministers nöthig mache. Er bitte also, diesen An⸗ * Abg. Richter abzulehnen. bs, Ricke rt (dfr.: Er sei nicht der Meinung des Abg. i i durg, Stirum; Es wiederhole sich hier der Vorgang in —a'lksschulgesetzcommissiön, wo die Mehrheit weiter zu berathen Fsen habe in einem Moment, wo die Anwesenheit des Mi⸗ nothwendig erschienen sei. Der Abg. Richter habe ja, nicht daß dem Cultus⸗-Minister die Enklassung bewilligt sei, son— das Haus wisse darüber noch nichts. Es sei aber öffent⸗ zeheimniß und werde von der ‚Nordd. Allgem. Ztg. officiös . daß der Minister sein Entlassungẽgesuch eingereicht habe, cke sich hier und in der Commission von der Theilnahme an den dlungen entschuldigt. Die Rücksicht auf den Minister selbst es, solche Gesetzentwürfe nicht zu berathen, bis diese Frage sei. Wolle das Haus aber diese Gründe nicht gelten lassen, ausschlaggebend dafür, nicht in die zweite Lesung sofort ein⸗ n die Thatfache fein, daß der Abg. Korsch dafür einen An⸗ ; uzelündigt habe, von dessen Tragweite und Inhalt das Haus e mnntniß habe. Wolle das Haus also die erste Lesung nicht * so bitte er doch, nicht in die zweite einzutreten. i don Eynern (nl): Ganz so, wie in der Commissions⸗ . liege die Sache mit der Plenarverhandlung 2 nicht. 1 9 er Widerspruch gegen die Veiterberathung der Vorlage . hätten seine Fractionsfreunde keinen Anlaß, dem ent— 3 ⸗. , von Kardorff (freicons.): Es würde ein großer Uebelstand E5zäünn das Gesetz nicht vor dem 1. April zu stande käme, und

En bt, liege ja vor, wenn die Verhandlung vertagt werde; „ber doch anerkennen, daß die alte parlamentarische Praxis, e in nun 26 Jahren kennen gelernt habe dahin gehe, daß,

ne Äinem Falle, wie im vorliegenden, die Vertagung beantragt

6 Haus dem Antrage zustimme. Das Haus müßte also dem

1

Antrag Richter, wenn er aufrecht erhalten werde, wohl zustimmen. Er 6 aber dem Abg. Richter zu erwägen, ob er sich nicht damit begnügen wolle, wie ja auch Abg. Rickert angedeutet habe, die erste Lesung passiren zu lassen und sich vorzubehalten, für die zweite und dritte Lesung die Gegenwart eines Cultus⸗Ministers zu verlangen.

Abg. Dr. Freiherr von Heereman (Centr.): Er sehe keinen Grund ein, die Sache heut zu vertagen. Das Haus wisse officiell über die Ministerkrisis nichts; solange die Entlassung nicht bewilligt sei, trage der Minister die Verantwortung, er habe das Recht, sich durch Commissare hier vertreten zu lassen, welche dem Hause sagen könnten, wie der Minister über die Sache denke, er sehe alsg keinen Grund ein, die Verhandlung abzubrechen, da principielle Sachen nicht in Frage kämen. Man könne ja die Anwesenheit des Ministers in Person verlangen, aber es sei im Augenblick nicht nothwendig. In der Volks⸗ schulgefetzeommission habe die Sache anders gelegen. Er schließe sich also dem Grafen Limburg⸗Stirum an, und beantrage, in der Ver⸗ handlung fortzufahren.

Präͤsident von Köller: Für die erste Berathung habe sich zur Sache nur noch der Abg. Bachem zum Wort gemeldet.

Abg. Korsch: Der Antrag, den er in der zweiten Lesung stellen wolle, gehe dahin, durch einen neuen Paragraphen zu bestim⸗ men, daß der Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes durch König⸗ liche Verordnung bestimmt werden solle. Werde das angenommen, so könne das Gesetz zum 1. April in Kraft treten. Zur Vertagung liege, glaube er, kein Grund vor. Das Haus habe nach der Ver— fassung das Recht, die Anwesenheit eines Ministers zu verlangen, aber der Abg. Richter werde zugeben müssen, daß hierzu jetzt kein Grund vorliege. Daß der Cultus-Minister noch im Amte sei, müsse man annehmen, weil man noch keine officielle Mittheilung über das Gegentheil habe. Er bitte also, den Vertagungsantrag abzulehnen.

Finanz⸗Minister Dr. Miquel:

Meine Herren! Es handelt sich zwar schließlich nur um eine Geschäftsordnungsfrage des hohen Hauses, und es liegt mir fern, in dieselbe an und für sich einzugreifen. Das möchte ich aber doch namens der Staatsregierung erklären, daß eine Verzögerung in der Berathung dieses Gesetzes derselben höchst unerwünscht sein würde. Nun wird nicht bestritten werden können, daß die Minister des Königs so lange im Dienst bleiben, als sie ihre Entlassung nicht erhalten haben. Es wird ferner nicht bestritten werden können, daß der Herr Cultus⸗Minister hier durch seine Commissarien vertreten ist. Ein Antrag auf die Anwesenheit der Person des Herrn Cultus⸗Ministers selbst ist nicht gestellt. Sachliche Gründe sind bis jetzt noch keines— wegs hervorgetreten, warum es wünschenswerth wäre, daß der Herr Cultus⸗Minister in Person hier anwesend sei. Unter diesen Umständen kann ich nur bitten, in der Discussion des Gesetzes fortzufahren.

Abg. Simon von Zastrow (eons. ): Er bitte, den Antrag Richter abzulehnen, damit die hungernden Waisen und Wittwen der Geistlichen der Wohlthaten, die ihnen das Gesetz zuwenden wolle, möglichst bald theilhaftig würden. . ;

Abg. Freiherr von Huene (Centr.): In der Hauptsache stimme er dem Abg. von Heereman zu, er sei auch für die Weiterberathung der Vorlage, halte aber doch dafür, daß die Sache hier nicht so liege, wie in der Commission. Hier im Plenum habe das Haus nach der Verfassung das Recht, die Anwesenheit des Ministers zu verlangen, in der Commission sei aber den Ministern und ihren Commissaren frei⸗ gestellt, den Sitzungen beizuwohnen. * .

Abg. Richter (oöfr): Das Motiv, die Vorlage möglichst zum Abschluß zu bringen, könne nur zu einer Abkürzung der Ministerkrifis Anlaß geben, nicht aber dazu, daß das Haus bei seinen Verhandlungen nicht correct verfahre. Durch Verkürzung der Verhandlungsfristen könne das Zustandekommen des Gesetzes be— schleunigt werden. Er lege der Sache keine materielle Bedeutung bei, nur formell müsse das Haus constitutionell so verfahren, daß es die Anwesenheit des Ministers verlange. Die Volksschulgesetz⸗ commission nehme ja dieselbe Rücksicht, indem sie ihre Berathungen ausgesetzt habe. Der Abg. Graf Limburg⸗-Stirum bestreite das Vor— handensein einer Ministerkrise, aber nachdem der Staats-Minister Dr. Miquel sie nicht in Abrede gestellt habe, werde wohl auch für den Grafen Limburg⸗Stirum die Sache genügend geklärt sein. Man habe heute hier die Frage gestellt, wie die Sache in den neuen Provinzen werden solle, der Regierungscommissar habe im Namen

es Ministers eine Erklärung abgegeben, aber man habe keine Kennt⸗

niß der Tragweite dieser Erklärung, wenn der Minister nicht im Amt bleibe. Sollte sein Antrag abgelehnt werden, so werde er den correcteren, allerdings auch strengeren Antrag stellen, die Anwesenheit des Ministers zu verlangen, und bei der dritten Nummer der Tages— ordnung, die einen ähnlichen, nur noch principiell wichtigeren Gegen— stand enthalte, werde er diese Anträge wiederholen. ;

Abg. Hobrecht (nl. : Die Sache habe in der Volksschul= commiffion allerdings anders als hier gelegen, wo es sich nicht um so bochwichtige Dinge handele. Er möchte also dafür sein, die Berathung fortzusetzen, aber nicht in die zweite Lesung einzutreten, zumal die sofortig? Vornahme der zweiten Lesung nie einzutreten pflege, wenn auch nur eine Minderheit sich dagegen eikläre. .

Abg. Rickert (dfr.): Der Abg. von Kardorff habe darin Recht, daß in solchen Fällen, wie er hier vorliege, früher immer die Ver— tagung beschlossen worden sei, wenn sie von irgend einer Seite beantragt worden sei. Der Antrag Korsch sei nicht so einfach, wie er scheine; in die zweite Lesung koͤnne das Haus ganz gewiß nicht eintreten. ö

Geheimer Ober⸗Regierungs-Rath Hegel: Er habe die Erklärung abzugeben, daß der Antrag Korsch der Regierung sehr erwünscht sei und auch einem Wunsch des Kirchenregiments entgegenkomme.

Abg. Richter (dfr.): Auf welche Weise habe sich der Re— gierungscommissar diese AÄnsicht verschafft? Habe der Minister schon vorher seine Ansicht kundgegeben oder habe er auf unsichtbarem Wege sich die Erklärung verschafft? Ein Verordnungsrecht könne man der Regierung doch nicht geben, wenn man nicht wisse, wer der verantwortliche Minister sei, und in Bezug auf das Cultusressort wisse man das im Augenblick nicht.

Finanz⸗Minister Dr. Miquel:

Meine Herren! Wie ich schon gesagt habe, ist es nicht meine Absicht, in die Geschäftsordnungsdebatte einzugreifen. Aber ich muß doch be— merken, daß, wenn ein Regierungscommissar eine bestimmte Erklärung abgiebt, er nicht auf eine Frage zu antworten braucht; wodurch er berechtigt sei, diese Erklärung abzugeben. (Sehr richtig! rechts.)

Abg. Richter (dfr.: Das sei formell unzweifelhaft richtig, aber die Autorität der Erklärung hänge doch wesentlich davon ab, daß man vergewissert werde, in e . Weise die Vollmacht ertheilt sei; der gil rf sei augenblicklich außer stande, wie dies notorisch feststehe, überhaupt eine Vollmacht zu ertheilen.

Abg. Bachem: Er bitte, von der Rednerliste gestrichen zu werden. ö ; .

Gegen die Stimmen der Freisinnigen und eines Theils der Natlonalliberalen wird die Aussetzung der Berathung ab⸗ gelehnt, ebenso gegen die Stimmen der Freisinnigen der Antrag, die Gegenwart des Ministers zu verlangen.

Dagegen wird gegen die Stimmen der Conservativen und eines Theils des Centrums die Aussetzung der zweiten Be— rathung beschlossen. .

Es folgt die erste Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Aufhebung der durch die Verordnung vom 2. März 1868 verhängten Beschlagnahme des Vermögens des Königs Georg. ;

Abg. Richter (dfr): Mit dem Princip des Gesetzentwurfs sei seine Partei einverstanden. Man habe ja zu der Zeit, als es sich darum gehandelt habe, die Abfindungssumme des Königs Georg zu bemessen, zweifelhaft darüber sein können, ob es richtig sei, eine so große Abfindungssumme aus preußischen Staatsmitteln zu bewilligen. Nachdem dies aber damals in dem rechtmäßig zu stande gekommenen Vertrag geschehen sei, so sei ein vermögensrechtlicher Anspruch der Welfenfamilie erwachsen. Es seien Gründe vorhanden gewesen, diesem Anspruch keine Folge zu geben, und diese Gründe hätten zur Beschlag— nahme des Vermögens geführt. Daß diese Gründe aufgehört hätten zu bestehen, sei von seiner Partei verschiedentlich ausgeführt worden. Daraus rechtfertige sich auch ihre jetzige Stellungnahme. Anders ver⸗ halte es sich mit der Form, in welcher in dem vorliegenden Gesetz⸗ entwurf diese Aufhebung der Beschlagnahme vorbereitet werden solle. Man habe annehmen dürfen, daß die Zustimmung des Hauses im Sinne einer Aufhebung des Gesetzes von 1869 werde nachgesucht werden. Statt dessen werde nur verlangt, eine Vollmacht der Krone zu ertheilen, damit diese ihrerseits durch Verordnung in einer in der Zukunft liegenden Zeit diese Aufhebung bewirken koͤnne. Gründe würden dafür eigentlich nicht angeführt. Es werde gesagt, die Vorlage bezwecke, im Princip festzustellen, ob der Landtag mit der Aufhebung der Beschlagnahme einverstanden sei. Dazu würde eine Resolution ausgereicht haben. Die Meinung habe längst festgestanden. Diese Vollmacht sei aber auch zeitlich gar nicht limitirt. Wenn von irgend einer Seite Anstände erhoben wurden, die es zur Zeit unmöglich machten, die Aufhebung herbeizuführen, so würde die Vollmacht, wenn sie einmal ertheilt sei, fortdauern und könne unter ganz anderen Verhältnissen, unter einem ganz anderen Ministerium und unter ganz anderen Voraussetzungen zur Wirksamkeit gelangen. Gerade die Geschichte des Welfenfonds habe so viele par— lamentarische Enttäuschungen mit sich gebracht, daß man sich hüten müsse, eine neue Vollmacht zu ertheilen, die nicht durch die Sache ge⸗ boten sei. Die Auseinandersetzung zwischen dem Herzog von Cumber— land und dem preußischen Staat sei deshalb nicht so einfach, weil die Auseinandersetzung zwischen dem, was preußische Staatsgelder ge⸗ wesen seien, und dem, was nach dem Vertrag von 1867 der Welfenfamilie zukommen solle, in dem Augenblick nicht beendet gewesen sei, als die Beschlagnahme erfolgt sei. Bekanntlich habe der König von Hannover han⸗ noversche Staatsgelder mit nach England genommen. Diese müßten an den preußischen Staat zurückerstattet werden. Dabei sei das Interesse seiner Partei identisch mit dem der Regierung. Andererseits könne sie unter Umständen ein selbständiges Interesse gegenüber der Staats⸗ regierung haben, bei dem der Herzog von Cumberland nicht in Frage komme. Das betreffe die Auseinandersetzung über die Revenüen, über die Activa und Passiva des Welfenfonds. Nach dem Vertrag sollten Ersparnisse aus diesen Revenüen dem Fonds selbst zuwachsen. Fürst Bismarck habe grundsätzlich ausgesprochen, er werde dafür sorgen, daß solche Ersparnisse nicht entstünden. Graf von Caprivi aber habe der Verwendung aus den Revenüen ganz andere Grenzen gezogen. Man müsse also annehmen, daß gewisse Ersparnisse in den letzten Jahren gemacht worden seien. Es frage sich nun, ob den Activen Passiva gegenüber stünden, und ob auf diesen Revenüen nicht Verbindlichkeiten lasteten, die nicht abliefen mit dem Tage der Aufhebung der Beschlag⸗ nahme. Beständen solche Passiva, so würde hier eine Restverwaltung des Reptilienfonds entstehen und man würde in gewissen Grenzen noch Jahre lang den Reptilienfonds beibehalten. Dieser Zustand werde wohl von keiner Seite des Hauses beabsichtigt werden. Aus den Revenüen dieses Fonds solle eine Garnisonkirche in Hannover gebaut werden. Wenn nun die Aufhebung der Beschlagnahme erfolge, wer baue dann die Kirche fertig? Solle sie aus den Mitteln des preußischen Staats oder aus der Rest⸗

Revenüen gebaut werden? Der Fürst Bis 1 Civilkabinets⸗ dilligen. Werde en, oder werde man e Lebensversicherungs⸗ anstalt einkaufen? Es sei ihm mitgetheilt worden, was ihm kaum glaublich erscheine, daß zu den Kostgängern dieses Reptilienfonds der Tardinal Melchers in Rom gehört habe. (Heiterkeit) Der Cardinal habe mit der Welfenfamilie und den Bestrebungen des Königs Georg niemals etwas zu thun gehabt. Aber es habe im kirchenpolitischen Kampf eine Phase gegeben, in der der Regierung daran gelegen habe, den Cardinal Melchers bon dem Erzbisthum Köln loszulösen und ihm eine Cardinalstelle zu verschaffen, und das sei nur möglich gewesen durch eine Zuwendung aus dem Reptilienfonds in Form eines Ge— haltes oder einer Pension. Er bitte den Minister, ihm eine runde, bestimmte Antwort darüber zu geben. Seine Freunde beantragten daher eine Commissionsberathung über den Gesetzentwurf, um festzu⸗ stellen, welche Bewandtniß es mit der Verwendung dieses Fonds habe. Man möge doch bedenken, daß, wenn das Haus seine Befugniß aus der Hand gebe, es die letzte parlamentarische Handhabe verliere, die ihm Überhaupt geblieben sei. Die heutige Zeit sei ja so reich an politischen Ueberraschungen, an plötzlichen Aenderungen des Curses, daß es nicht gut sei, die parlamentarischen Befugnisse durch Voll— machten an die Krone einzuschränken. (Beifall links.)

Finanz-Minister Dr. Miquel:

Hochgeehrte Herren! Ich bedauere, daß ich nicht vorher die Worte es Herrn Präsidenten, wodurch dieser Gegenstand hier zur Discussion gestellt wurde, verstehen konnte, und daher meine Absicht, einige ein⸗ leitende Worte für diesen Gesetzentwurf tzu sagen, nicht in Ausführung zu bringen in der Lage war; vielleicht wären dadurch einige Bemer— kungen, die der Herr Abg. Richter soeben vorgetragen hat, von vorn⸗ herein beseitigt worden.

Das hohe Haus weiß, daß dieser Gesetzentwurf, wie ja auch aus der Allerhöchsten Ordre, welche an den Herrn Reichskanzler gerichtet, im Staats-Anzeiger publicirt ist, zu ersehen, aus der hochherzigen Initiative Sr. Majestät des Kaisers hervorgegangen ist, Allerhöchst⸗ welcher den Zeitpunkt, die Beschlagnahme des Vermögens des vor⸗ maligen Königs Georg aufzuheben, für gekommen erachtete und von dem Wunsche erfüllt war, der Provinz Hannover das Allerhöchste und vollste Vertrauen hierdurch in bestimmter Weise auszudrücken, andrerseits aber auch ein Bedürfniß, diese Beschlagnahme weiter fort⸗ zusetzen, nicht mehr als vorliegend erachtete, insbesondere mit Rücksicht auf die loyalen Erklärungen, welche in einem Schreiben Seiner König⸗ lichen Hoheit des Herzogs von Cumberland an Seine Majestät ent⸗ halten waren.

Das Staats⸗-Ministerium, in voller Uebereinstimmung mit dieser Allerhöchsten Auffassung, hat nicht gezögert, diesen Gesetzentwurf vor⸗ zulegen, in der bestimmten Absicht, sobald noch entgegenstehende, kleine,