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nichts im Wege, Rothwein mit z Zuckerwasserwein zu vermischen und als Rofbwein in den Handel zu bringen. Daß das ein Betrug fei, wie er im Buche stehe, sei ihm unzweifelhaft. Diese Erwãgungen müßten dahin führen, dieses Gesetz nicht so a anzu⸗ nebnen. Dasselbe enthalte nur ein Vorrecht der Weinhändler und eine große Gefahr für den reellen Winzerstand. Dieser sei so wie so in einer sehr schlimmen Lage. Auch bier wäre es an der Zeit, die Kleinen zu schützen gegenüber dem Kapitalismus der Großen. Der ehrliche Winzer habe mit seinem Preduct de facto keinen Vorzug mehr vor dem Kunftvroduct. Ehrlich währe am längsten, das gelte auch in dieser Frage, und darum werde er gegen diesen Entwurf mmen. nt Abg. Schenck (ft): Die Anschauungen des Vorredners ständen mit der öffentlichen Meinung, der Wissenschaft und der Praxis so sehr in Widerspruch, 2 an ihre Verwirklichung in dem Gefetze gar nicht zu denken sei. Es gebe überhaupt keinen Natur- wein. denn jeder Wein sei ein Kunstproduet. Der Entwurf bringe erade die öffentliche Meinung, wie sie sich in der Weinfrage gebildet abe, zum Ausdruck. Die Vorlage werde gerade den kleinen Winzer schüßen, daß er sich halten könne und nicht vollständig den Händen des Großproducenten und Händlers 2 werde; * werde den Vortheil, der aus der Verbesserung des Weines erwachse, selber genießen können. Daß 80 -= 100 pCt. Wasser zum Wein zuge⸗ setzt wurden, sei ja wahr, aber wenn es Consumenten gebe, die sich Waffer statt Wein verkaufen ließen, dann sei ihnen nicht zu helfen. Junächst müsfe fich jeder Eonfument selber schützen. Es sei sehr er. Freulich, daß der Abg. Dr. Bürklin sich für diesen Gesetzentwurf ausgefprochen habe, während er bei der Vorlage von 1887 eine ganz andere Meinung gehabt habe. Umsomehr dürfe man Hoffen, daß diese Vorlage zu stande komme. Sie sei von dem Handel freudig begrüßt worden, denn sie zeige den Weg, wie ein großer Erwerbs- und n, von einem Air befreit werden könne. der ihn schon seit zehn Jahren bedrücke. Bedauerlich sei es, daß sie dem Reichstage erst in 0 spãter Stunde zugegangen sei, daß keine genügende Zeit zur gründlichen Einzel- berathung mehr bleibe. Er. bitte aber, wenigstens die zweite Lesung heute noch nicht vorzunehmen, damit man sich noch die nöthigen In⸗ sormationen beschaffen könne. Seine 2 hoffe aber, daß die Vorlage jedenfalls noch zum Geseßz erhoben werde, Der Entwurf erkenne an, daß ein Zusatz von Zucker und Zuckerwasser zur Ver⸗ befferung des Weines nothwendig sei, und wolle daher diese Zusätze nicht als Verfälschungen unter Strafe gestellt wissen; eine solche gesetzliche Bestimmung sei von der allergrößten Wichtigkeit. Be⸗ denklich sei die Fassung des §?7, welche denjenigen mit Strafe be⸗ drohe, der Wein mit Zuckerzusatz als Wein ohne Zusatz verkaufe; es könne dies eine Quelle der gehässigsten Denunciationen werden. Diese Bestimmung sollte man rah er . aus dem Gesetz entfernen.
Abg Dietz (Soc.): Von seiner Fraction in die freie Zwischen— Commifsion zur Vorberathung dieser Frage delegirt, müsse er sich nach dem, was er dort vernommen habe, gegen die Vorlage erklären, und
laube auch, daß seine ganze Fraction dies thun werde, wenn sie auch 6 der Kürze der Zeit zur Vorlage noch nicht habe Stellung nehmen können. Die Arbeiter hätten ein erhebliches Interesse daran, ob ihnen gezucferter oder nichtgezuckerter Wein verkauft werde; denn in Rorddeutschland tränken fie auch bei festlichen Gelegenheiten Wein, in Süddentschland aber fei Wein gar das allgemeine Volksgetränk, und nicht theuerer, als in Berlin etwa das echte Bier, und da dürfe es nicht gefetzlich zulässig sein, den Wein bis in die Unendlichkeit zu verlängern. Unannehmbar mache ihm das Gesetz die Bestimmung, daß gezuckerter Wein nicht als solcher kenntlich gemacht werden solle. In der freien Fommission habe ein Abgeordneter, den er für einen großen Weinkenner halte, gesagt: der Wein müsse vom Trinker untersucht werden; merke er den Zusatz, so werde er den Wein nicht trinken, merke er ihn nicht, so werde es ihm nicht schaden. Das könne er nicht für richtig halten. Seine Partei sei nicht gegen die Zuckerung des Weines in schlechten Weinjahren, aber dann müsse der Händler solchen Wein auch als gezuckert bezeichnen. Durch die Bezeichnung „gezuckerte Weinen werde in Süddeutschland niemand abgeschreckt werden, denn man wisse, daß das Zuckern nöthig sei. Man fage, jeder Weintrinker solle sich eine gute Zunge anschaffen; Tas werke wohl der Abg. Dr. Bamberger können, der gezuckerten Wein vom nichtgezuckerten zu unterscheiden gelernt habe, aber die Dute, die nur billigen Wein tränken, könnten das nicht, die müßten sich auf die Händler verlassen. Der Reichstag habe sich immer fruher streng juristisch gejeigt, 3. B. beim Margarinebuttergeseß; dies Gesetz habe sich auch in der Praxis gut bewährt, darum sollte man beim Wein nach demselben Prinelp verfahren. In einzelnen Staaten Ferrsche auch in anderen Punkten der reine Purismus, so z. B. in Bavern für Bier, die Folge davon sei gewesen, daß das bayerische Bier einen Siegeszug durch die Welt vollzogen habe und die nord⸗ deutschen Biere vernichtet habe. Ehrlich währe eben am längsten. Warum sei der Abg. Dr. Bamberger, der in der Goldwährung reiner 3 reiner Goldmann sei und keinen minderwerthigen Zusatz von Sil⸗ er dulde (Heiterkeit), hier nicht ebenso gesönnen? Wenn wegen der Handelsverträge, die die Einfuhr geyreßter Trauben aus Italien zu⸗ lichen, ein Gefetz nöthig gewesen sei, so hätte man ein Nothgesetz machen follen, nicht aber ein so einschneidendes Gesetz, das jetzt in vorgerückter Seffion schnell angenommen werden solle. Er und wahrscheinlich seine ganze Fraction würden gegen die Vorlage stimmen.
Abg. Hr. Bamberger (dfr.): Den Gegnern der Verlage sse er zugeben, daß diese summarische Behandlung im Widerspruch 2
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mit der Schwierigkeit der Materie. Andererseits müsse er die Regierung in Schutz ner men gegen den Vorwurf, als hätte sie Vor⸗ bercitungen getroffen, damit das Gesetz schnell zu stande gebracht werde. Der Wunsch komme vielmehr aus dem Volk, welches dies
Gesetz noch vor dem Auseinandergehen erledigt wissen wolle. Gar zu rasch die Sache zu erledigen, sei aber nicht sehr lobenswerth, weil man fonst zwischen den ersten beiden Lesungen die öffentliche Mei⸗ nung über das, was man heute hier bespreche, nicht erfahren könne. Er stimme darum denen bei, die die zweite Lesung von der heutigen Tagesordnung absetzen wollten. Die reinen Puristen seien in der Minoritãät. Die Nothwendigkeit, die Natur zu corrigiren, habe sich durch die letzten Weinernten immer mehr aufgedrãngt; daher auch der Umschwung der öffentlichen Meinung in Bezug auf die Puristen. Der Reichstag werde denn auch trotz der Kürze der Zeit ein an⸗ nehmbares Gesetz zu stande bringen. Das Geseß habe nur dafür zu sorgen, daß die Gesundheit des Trinkers nicht leide; dafür, daß es dem Trinker schmecke, müsse er selbst sorgen. Die freie Commission babe einstimmig anerkannt, daß ein Zusatz von Zucker und Zuckerwasser julässig fein solle. aber ebenso einstimmig, daß eine Grenze gefunden werden solle. Wie diese Grenze gejogen werden solle, afür feien die verschiedensten Vorschläge gemacht, die aber alle⸗ fammt sich als unzureichend erwiesen hätten. Die Vorschrift des Entwurfs, daß durch den Zusatz der Gehalt des Weins an Extractiv⸗ stoffen und Mineralbestandtheilen nicht unter die Grenze herabgesetzt werden solle, den der ungezuckerte Wein des betreffenden Weinbau⸗ gebiet aufweise, habe ihm anfangs bedenklich geschienen, er wolle sie aber in Ermangelung eines Bessern acceptiren, nachdem ihm aus der Erfahrung und aus den Motiven die Nothwendigkeit dafür nach⸗ wiesen fei In Zukunft werde also der deutsche Wein überall an einem Minimum von Extractipstoffen kenntlich sein. Weniger be⸗ friedige ibn die Strafandrohung gegen denjenigen, der wissentlich ge⸗ zuckerten Wein unter Bezeichnungen verkaufe, die die Annahme hervor⸗ rufen könnten, daß ein solcher Zusatz nicht gemacht sei. Es werde damit indirect 1 der Declarationszwang eingefũhrt. Die Vorschrist widerspreche auch der Idee des Gesetzes. Abg. Dietz meine, er sei in confeauent, weil er nicht Fier, wie bei der Währungsfrage, reiner Purist sei: wäre der Wein ein Ding, mit dem man bezahle, so würde er auch är feine Goldreinbeit sein, aber gemeiniglich verwende man den Wein eben zu andern Dingen, als zum Zahlen (Heiterkeit Hier wolle man ja nur den eventuellen Betrug treffen, aber ein Betrug liege nicht vor, weil mit dem Gallisiren niemandem ein pecuniãrer Schaden zugefügt werde. Nun sage man, das Publikum wolle vor Ueber⸗ vorthelsung geschätzt fein; in der That aber wolle es nach seiner Meinung nut vor unangenehmen Aufklärungen geschützt sein.
Heiterkeit) Ein Unglück sei es nicht, wenn etwas Wasser im Wein ei, es sei ja viel gesunder. In südlichen Ländern gieße ja sogar der Trinker felber noch Wasser in den Wein, so wie man es auch im llassischen Alterthum gemacht habe. Daß der gezuckerte oder gewãsserte Wein nicht fo theuer verkauft werde, wie der reine Naturwein, da⸗ für werde schon die Concurrenz sorgen. Die Leute, die Wasser in den Wein gössen, blieben eben nicht auf. der Höhe der Weinpreise für den ungezuckerten Wein. Die französische Gesetzgebung habe ch den zum Wein zugesetzten Zucker von der uckersteuer befreit. Die
auptfache, die gegen die Declarationspflicht des Gallisirens spreche, ei aber die Nothwendigkeit, nur solche i. zu machen, deren Durchführung man contröfiren könne, und Hier lasse die Chemie nach allgemeinem ger fer rnn, im Stich. Die Richter würden also oft un⸗ gerecht entscheiden, und die . wäre das Einreißen von Denunciationen; diese Denunciationen von entlassenen Angestellten gegen Gastwirthe seien ihm die unangenehmsten, und wenn er Richter wäre, so würde er keinem fo denuncirenden Kellner oder Kellnerin oder r, Glauben schenken, und wenn er zehn Eide schwöre, Er spreche als Vertreter eines Wein producirenden Kreises, der allerdings keine großen Weine hervorbringe; die Producenten solcher kleinen Weine wünschten den Declarationszwang durchaus nicht. Dem Ausland gegenüber werde das Fehlen der BDeclarationspflicht auch nicht schaden, kenn das Ausland beziehe nur feine Weine von hier, die ohnehin nicht gallisirt würden. In F rankreich werde mit dem Wein sehr viel manipulirt, das dortige . Weingesetz lasse das mit Recht zu, und dem französischen Weinerport habe das noch nicht geschadet. Im Gefetz über die Gesellschaften mit beschränkter Haftung habe man . Sicherungsmaßregel für das einzahlende Publikum vermißt, die Regierung tröͤfte aber damit, man solle die Einzelnen die Augen offen halten lassen, damit sie nicht betrogen würden.
Staatssecretär Dr. von Boetticher:
2 Nur wenige Worte Ich will nicht lauf die einzelnen Aus⸗ stellungen, lwelche gegen den Gesetzentwurf erhoben ind, an dieser Stelle eingehen. Dazu wird sich bei der zweiten Lesung Gelegenheit frre Ich will nur meine Befriedigung darüber aussprechen, daß e. n de AUnsstellmigen eine überaus geringe ist und daß sie anmmflich wie ich glaube, sich bei der Specialberathung unschwer werden erledigen lassen. Weshalb ich das Wort ergriffen habe, ist eigentlich lediglich zu dem Zweck geschehen, um dem Herrn Abg. Banker Je? feine Zweifel zu benehmen, ob der Bundesrath einen Busen besitzt! Nicht allein leinen Busen besitzt der Bundesrath, sondern er besitzt auch in dem Busen ein dankbares Herz, und den Empfindungen dieses Herzens wollte ich Ausdruck geben mit einem Worte des Dankes dafür, daß der Abg. Bamberger die verbündeten Regierungen gegen die Vorwürfe, welche die Herren Dr. Schaedler und Dietz erhoben haben, in Schutz genommen hat. Diese Vor⸗ würfe sind in der That alle unberechtigt. Seitdem im Jahr 1888 die damalige Weincommission des Reichstags zu einem Ergebniß nicht kam und der einzige angenehme Effect ihrer Berathungen die Schlußsitzung war, welche außerhalb des Hauses abgeharten worden ist (Heiterkeit), sind wir von allen Seiten gedrängt worden, die Vorbereitungen für ein Weingesetz von neuem aufzunehmen. Die Berathungen darüber haben zu keiner Zeit geschlummert; und wir sind namentlich seit dem vergangenen Frühjahr bemüht gewesen, uns in den Kreisen der Sach⸗ verständigen weiteres Material und weitere Informationen zu ver⸗ schaffen, um demnächst zu einer Vorlage zu gelangen, von der wir hoffen durften, daß sich eine größere Majorität dieses Hauses darauf vereinigen wird, als wie dies im Jahre 1888 möglich erschien. Hätten wir diese Enquéte nicht vorgenommen, hätten wir nicht in dem Kreise der Interessenten nach ihren Interessen und Anschauungen geforscht, so würde wahrscheinlich in diesem Moment das Ergebniß das ge⸗ wesen sein, daß wir wiederum eine Vorlage hätten bringen müssen, die hier im Hause zu den lebhaftesten Kämpfen Anlaß gegeben hãtte.
Wir hielten es aber auch weiter für rathsam, den Ausgleichs⸗ prozeß, der hinsichtlich der Meinungen der Interessenten sich zu voll— ziehen schien, erst bis zu einem gewissen Grade sich entwickeln zu lassen, um nicht wieder mit unvermittelten Anschauungen bei der Berathung einer anderweitigen Vorlage zu thun zu haben. Das ist geschehen.
Auch der Vorwurf, daß die Regierung so spät mit ihrer Vorlage gekommen sei, daß man keine Gelegenheit gehabt habe, innerhalb der Interessentenkreise sich mit den einzelnen Vorschriften dieser Vorlage zu beschäftigen, ist ein durchaus unberechtigter. Die Vorlage ist seit länger als vier Wochen publicirt, und sämmtliche Interessentenkreise, soweit ich das übersehen kann, haben gründlich über die Vorlage Rath gepflogen. Es sind namentlich in der Fachpresse eine Anzahl von Stimmen über die Vorschläge, welche die Vorlage enthält, laut ge—⸗ worden, und ich freue mich, die Wahrnehmung gemacht zu haben, daß die Fachpresse sich fast übereinstimmend günstig über die Vorlage ausspricht.
Freilich, manche Anschauungen sind nicht zu corrigiren. Wer ein unverbesserlicher Purist ist, dem gegenüber wird alles Reden nichts helfen, der wird auf seinem Standpunkt bleiben, und selbst die, wie ich betonen muß, vollständig überzeugende Ausführung des Herrn Dr. Bamberger, die wir soeben gehört haben, wird bei ihm nicht viel verfangen.
Aber darauf glaube ich aufmerksam machen zu müssen, daß es eine schwere Verantwortung mit sich führt, wenn ungeachtet der kurzen Zeit, die der Reichstag vielleicht noch beisammen ist, diese Vorlage nicht der Verabschiedung zugeführt werden sollte. Was wird der Erfolg sein? Der Erfolg wird der sein, daß die beklagenswerthen Mißstände, welche bei den Unklarheiten unseres Nahrungsmittelgesetzes bezüglich der Behandlung des Weins bestehen, weiter fortbestehen. Ob im nächsten Winter sich die Puristen bekehrt haben werden, ob es dann besser als heute möglich sein wird, ein übereinstimmendes Votum zu erhalten, ist doch mindestens sehr fraglich. Ich glaube, die verbündeten Regierungen dienen nur dem acuten Interesse der Winzer und des Weinhandels, wenn sie jetzt die dringende Bitte an den Reichstag richten, das Gesetz zu verabschieden. Zeit ist dazu noch reichlich vorhanden in dieser Session; das Material an Stimmen pro et contra ist ein sehr reiches, glücklicherweise überwiegen die Stimmen, die sich für den Gesetzentwurf aus— gesprochen haben. So richte ich denn die dringende Bitte an den Reichstag, in die zweite Lesung noch in dieser Session einzutreten, über etwaige untergeordnete Meinungsverschiedenheiten sich hinweg— zusetzen, und auf der Grundlage des Entwurfs, den die verbündeten Regierungen für einen durchaus gedeihlichen und nützlichen halten, Bestimmungen zu vereinbaren, die, wie ich mit dem Herrn Vorredner nur hoffen kann, der Entwickelung unseres Weinbaues und unseres Weinhandels zum Heile gereichen. (ebhaftes Bravo.)
Abg. Haus (Cent.): Er möchte gegen die Aeußerungen der 6 Schenck und Dr. Bamberger reagiren. Wolle man den
ara
Declarationszwang nicht. sondern auch noch den indirecten Zwang, welchen die Vorlage ausspreche, beseitigen, so könne man nicht be⸗
baupten. daß man es nur auf die Verbesserung des Weins
babe. Wenn man den Wein zuckerg, verbessere man ihn — oder man verbessere ihn nicht. Verbessere man ibn aber, so Kab= man doch feinen Grund, die Verzuckerung nicht anzugeben. De Umstand, daß man so großen Werth darauf lege, daß die uckerun nichl angegeben werde, beweise, Daß die öffentliche Meinung 19 Deutschland in derselben nicht eine Verbesserung des Weines anerl nr Der Gesetzentwurf schlage der öffentlichen Meinung in einem großen Theile Deutschlands ins Gesicht. Der bayeris Landtag Har. daher einstimmig die Bestimmung angenommen, daß ein Zucker⸗ zufatz nur dann gestattet sei, wenn. dadurch, der Wein rer. beffert werde. Die kleinen Weinbauer seien durchaus nicht Gegner des Declarationszwangs. Denn sei der Wein gut, gn, sie auch Abnehmer, sei er aber sauer, so werde er ihnen noch immer beffe bezahlt, wenn sie den Wein nicht verzuckerten. Die Süßigkeit könnten die Weinhändler dem Wein immer beibringen, aber nicht die Säure Er möchte also bitten, daß der Deelarationszwang positiv in diesem Gesetz ausgesprochen werde, und empfehle daher, den Gesetzentwurf in eine Commission zu verweisen. . . ;
Abg. Dr. Lin gens (Centr.) : Die vielen Stimmen aus dem Lande forderten durchaus Berücksichtigung. Er sei früher auch strenger in feinen Anforderungen gewesen, doch stehe er jetzt der Vorlage freundlich gegenüber. Für Freiheit im Handel sei er auch, und sei durchaus dafür, daß Winzer und Weinhändler dasjenige machten was nöthig fei, um den Wein genießbar zu machen, nur möchte er Betrug und Täuschung ausschließen, namentlich verhindern, daß man dem Käufer, wenn er Naturwein fordere keinen solchen gebe. Er hätte gewünscht, daß man erst in der Vorlage, eine Defimttion gegeben hätte, was Wein sei, und gefordert, daß nur das als JYaäturwein verkauft werde, was durch Gährung aus Trauben entstanden fei. Er halte es für durchaus praktisch und wünschenswerth, daß daz Gesetz in dieser Session noch angenommen werde, und glaube, daß ez im großen und ganzen, so wie es vorliege, verabschiedet werden könne.
Abg. Menzer (cons): Der Staatssecretãr Dr; von Boętticher habe erklärt, daß das Reichs⸗-Gesundheitsamt sich seit vier Jahren mit dieser Materie beschäftigt habe; er sei überrascht, daß man dem Reichstage zumuthe, ein derartig umfangreiches Gesetz in wenigen Tagen durchzuberathen, da doch die Absicht bestehe, den Reichstag dor dem J. April zu schließen. Die verschiedenen theilweise sich wider= sprechenden Meinungen und Anschauungen müßten doch erst geklärt werden, und er halte daher eine Commissionsberathung für unum— gänglich nothwendig. Er sei nicht so thöricht, behaupten zu wollen, daß ohne Zuckerzusatz der Wein stets verkäuflich sei, aber er verlange doch nach diefer Richtung eine gewisse Ehrlichkeit den Consumenten gegenüber, und daß daz Publikum durch Gesetz vor Täuschungen wahrt werde. Er möchte bezweifeln, daß der kleine Weinbauer 3
Zuckerzusatz bei fauren Weinen ein besseres Geschäft mache; die
sfauren Weine kaufe ihm eben niemand ab. Er freue sich, daß der Bleizucker als ein unzulässiger Susch hingestellt sei. In der Vor⸗ lage fei zu seinem Bedauern keine Erklärung darüber enthalten, ob das Verschneiden des Rothweins mit Weißwein, wenn die Mischung als Rothwein verkauft werden solle, verboten sei oder nicht; in Süddeutschland sei das verboten. Es freue ihn, daß man wieder die Bezeichnung Naturwein einführen und den Mischmasch aus⸗ fondern wolle. Als man über das Kunstbuttergesetz berathen habe, habe man ausdrücklich bestimmt, daß man künftig Verbindungen mit Kunstbutter nicht unter dem Namen Butter zulassen wolle, man babe dafür den Namen „Margarine“ eingeführt; etwas Aehnliches möchte er auch hier in Bezug auf den Wein ausgesprochen wissen. Es würde einen ungünstigen Eindruck im Lande machen, wollte man diesen hochwichtigen Entwurf übers Knie brechen, deshalb wiederhole er feinen Antrag auf Einsetzung einer Commission von 21 Mit— gliedern.
Staatssecretär Dr. von Boetticher:
Ich höre, daß der Herr Vorredner mit Bezug auf die von mir vorhin gemachten Bemerkungen gemeint hat, ich hätte die Zumuthung gestellt, daß eine Gesetzesvorlage, zu deren Herstellung die Regie⸗ rungen vier Jahre gebraucht, in vier Tagen vom Reichstag erledigt werden solle. Eine solche Zumuthung habe ich nicht gestellt. Ich setze natürlich voraus, daß der Reichstag auch diese Vorlage, wie jede andere, sehr gründlich prüfen wird, und ich bin in Bezug auf das Zeitmaß, welches zu dieser gründlichen Prüfung nothwendig ist, keines⸗ wegs gemeint, irgend welche Directive zu geben. Will der Herr Vor⸗ redner bis in den Juli hinein sitzen, ich sitze mit! (Heiterkeit)
Abg. Dr. Hultz sch (cons) erklärt sich gegen eine Commission, deren Einsetzung weder praktisch noch zeitgemäß sei, weil man in der Plenarberathung die Sache ebenso gut erledigen könnte. Eine Commissionsberathung würde gleichbedeutend sein mit einem Fall des Gesetzentwurfs. Eine Gesetzgebung auf einer anderen Grundlage, als der Gesetzentwurf sie darbiete, scheine ihm nicht möglich; der— selbe schlicke sich den Wünschen der Interessenten im wesentlichen an.
Abg. Münch (dfr. hält eine Commission für völlig überflüssig. Wer kaufe denn in den schlechten Jahren den kleinen Winzern das saure Zeug ab? Wenn es nicht gezuckert werden dürfe, müsse es als Essig verkauft werden. Alle Weinproducenten zuckerten; die ehrlichen geständen es und die unehrlichen verkauften das gezuckerte Zeug als NRaturwein, das fei der ganze Unterschied. Es sei ein dringendes Bedürfniß für die Consumenten, daß die Frage endlich erledigt werde; er fei also dafür, daß der Reichstag gleich ohne Commissionsberathung in die zweite Lesung eintrete. .
Damit schließt die Discussion. Der Antrag Menzer auf Commissionsberathung wird abgelehnt. Die zweite Lesung wird von der heutigen Tagesordnung abgesetzt.
In der Dienstag-Sitzüng war ein Antrag Szmula ange—⸗ nommen worden, eine Petition wegen Abänderung des Regle⸗ ments für die Offiziers-Wittwenkassen dem Reichskanzler zur Berücksichtigung zu überweisen. Da der Antrag nur hand⸗ schriftlich vorlag, mußte heute die Abstimmung wiederholt werden. In der wiederholten Abstimmung wird der Antrag abgelehnt; danach verbleibt es bei dem Antrage der. Petitions⸗ commifsion, die Petition zur Erwägung zu überweisen
Es foölgt die erste Berathung der Ergänzung zum Reichshaushalts-Etat für 1832,93, wonach für Die Be⸗ theiligung des Reichs an der Weltausstel lung in Ehicags 1893 ein weiterer Credit von zwei Millionen ver⸗ langt wird. .
Abg. Sam hammer (dfr.) ist mit der Nachforderung durchaus einverstanden und beantragt im Einverständniß mit allen Parteien die Ueberweisung der Vorlage an die Budgeteommission. ‚
Abg. Dr. Bachem (Centr. : Seine Partei sei üũberrascht, daß man das Doppelte bon dem verlange, was der Reichstag bereit: fin bie bewilligt habe. Er gebe aber zu, daß die Ausgaben sich in dem Maße steigern müßten, als die Betheiligung der Industrie an der Ausstellung in Chicago wachse. Jedenfalls werde die Regierung bei der Veransgabung der nur auf Schätzungen berubenden zwei Millicnen in Anbetracht der Finanzlage mit der äußersten Srarsan. feit zu Werke gehen müssen, und er nehme dankbar davon Act, daß die Regserung diefe Summe nicht überschreiten wolle. Er babe Vertrauen zu der Reichsregierung, daß sie mit dem Gelde in einer Weise umgehen werde, daß die Industrie einen Vortheil habe. ĩ möchte bei' dieser Gelegenheit der Reichsregierung einen Gedant en unterbreiten, der vor den verschiedensten Seiten angeregt worden sei⸗ Man werde dem Reichscommissar eine gewisse Anzahl von kaufmãnn gebildeten Personen beigeben, mit der Aufgabe, für die . faufmännische Verbindungen zu suchen. Es sei ein allgemeines uten daß die deutsche Industrie auf der Chicagoer Aus tellung ein gute Geschãft mache.
Staats-Minister Dr. von Boettich er:
Ich bin dem Herrn Vorredner sehr dankbar für die wohlwollende
Auffa fung, welche er der Forderung der verbündeten Regierungen
penalber ausgesprochen hat. Wenn er gemeint hat, es sei ũberraschend, während die ersten beiden Forderungen der verbündeten Regierun⸗
n sich iusammen auf eine Million beziffert haben, nun mit einer ö erung hervorgetreten werde, welche das doppelte der Gesammt⸗ mm betrãgt, so glaube ich, wird er von dieser Empfin⸗ ang des Ueberraschtseins sehr bald zurückkommen, wenn — und daran hat er auch schon selbst erinnert — in Retracht zieht. daß gerade der Bedarf derjenigen Unterstützungen, „e mut öffentlichen Mitteln für die Ausstellung in Chitago her. we ö . è xegeben werden mũssen, sich naturgemãß bemißt nach dem Umfange der Betbeiligung an dieser Ausstellung aus dem Kreise der Industrie petaus. Nun können wir ja heute, was den Umfang dieser Be⸗ tbeiligung anlangt, sehr erfreut darüber sein, daß fortgesetzt das Interesse an der Beschickung der Chicagoer Ausstellung und nicht Ic bei der Industrie, sondern auch bei der dandwirthschaft zuge⸗ nemmen hat, und wir haben, indem wir selbstverstãndlich nicht in der Eage sind, einen speciellen Nachweis zur Begründung der von uns geforderten Summe beizubringen, nach Maßgabe der hewor⸗ getretenen Betheiligung eine Schätzung vornehmen müssen. Dies Verfahren hat auch der Herr Vorredner als ein ganz richtiges und uutreffendes bezeichnet, und ich danke ihm dafür, daß er dabei das Vertrauen ausgesprochen hat, daß die verbündeten Regierungen in rer Schätzung so ziemlich werden das richtige getroffen haben. Ich würde auch in der Commission, obwohl man ja über die Summe der Betheiligung noch nähere Aufschlüsse geben kann, doch nicht im stande sein, für die einzelnen Titel, aus denen sich die ganze Bedarfssumme usammensetzt, ähnlich wie dies bei anderen Etatspositionen mit Recht zefordert wird, eine zwingende Begründung beizubringen. Die Sache ruht eben auf Schätzung. Auch darüber wird kein Zweifel sein, das wir bei der Verwendung der Summe mit der äußersten Sparsamkeit ergehen werden; und auch die Person des Herrn Reichscommissars birgt dafür nach den Erfahrungen, welche wir mit ihm in Melbourne gemacht haben, daß nicht unnöthigerweise Geld ausgegeben wird, son— dem daß die Hoffnung begründet ist, es werde noch ein Theil der Ge⸗ sammtsumme erspart werden. Wenigstens haben wir damals in Mel⸗ peurne die erfreuliche Erfahrung gemacht, daß wir mit weniger aus⸗ zekommen sind, als wir von vornherein veranschlagt hatten.
Ich glaube, das hohe Haus kann in Bezug auf unsere Bitte, uns
nech? Millionen für Chicago zur Dieposition zu stellen, vollkommen darüber beruhigt sein, daß mit dieser Summe wirthschaftlich verfahren werden wird. Darunter verstehe ich natürlich auch, daß im Interesse der Industrie und namentlich im Interesse derjenigen Gruppen dies geschieht, welche aus eigenen Kräften nicht im stande sind, die Ausstellung zu beschicken, deren Betheiligung an der Ausstellung aber im allgemeinen Interesse und, um ein vollständiges und zu⸗ treffendes Bild von der Leistungsfähigkeit unserer Industrie zu geben, wünschenswerth ist. Ich will hier nochmals, und zwar über die Mauern dieses Hauses hinaus, die Bitte an die deutsche Industrie richten, soweit sie noch nicht sich geneigt gezeigt hat, Chicago zu beschicken, sie möge noch in letzter Stunde ihre Enthaltsamkeit aufgeben. Es kommt für uns wirklich darauf an, daß wir ein vollstãndiges Bild der deutschen Erzeugungsfähigkeit und der deutschen Productionskraft geben; und dieses Bild wird naturgemäß kein dellstãndiges sein können, wenn einzelne Industr iezweige sich enthalten, in Chicago den Beweis ihrer Leistungsfähigkeit zu liefern. Auch das eigene Interesse, welches noch von einzelnen In⸗ dustriegruppen geleugnet wird, scheint mir in vollem Maße vorhanden uu sein. Denn selbst wenn eine Industrie davon überzeugt ist, daß sie durch die Beschickung einer amerikanischen Ausstellung ein weiteres Absatzflld nicht erwerben wird, so darf sie dabei doch nicht vergessen, daß eine Nichtbetheiligung an einer solchen Ausstellung auch den in⸗ directen Nachtheil haben kann, daß sie das bereits gewonnene Absatz⸗ seld wieder verliert. (Sehr richtig) Dieser Gesichtspunkt, meine ich, sollte ausschlaggebend sein für die Entschließung, eb man in Chicago ausstellt oder nicht. Es ist für uns viel zu ge⸗ rinnen und für eine Industrie, die auf einen directen Gewinn nicht rechnet, ist viel zu verlieren, wenn sie sich mit ihren Erzeugnissen auf det Ausstellung in Chicago nicht sehen läßt. So viel über die Nach sorderung. - Was nun den Gedanken anlangt, den der Herr Vorredner wegen derstellung einer kaufmännischen Vertretung neben dem Reichscommis⸗ sar ausgesprochen hat, so ist in dieser Beziehung ganz ebenso, wie es bereitẽ für die Ausstellung in Melbourne geschehen ist, ein kaufmän⸗ nischer Beirath dem Commissar zugeordnet. Soweit also das Be⸗ därfniß für ihn vorhanden ist, nach kaufmännischen Gesichtspunkten die Interessen, die bei Beschickung der Ausstellung in Frage kommen, zu heurtheilen, so wird er an dem kaufmännischen Beirath, der ihm zur Seite steht, eine ausreichende Stütze besitzen.
Ich glaube aber den Herrn Vorredner so verstanden zu haben, daß über diesen Beirath hinaus auch für eine ausreichende Vertretung der unmittelbaren kaufmännischen Interessen der einzelnen Aussteller tesp. der einzelnen Industriegruppen gesorgt werden müsse. Meine Derren, in dieser Beziehung kann man sehr verschieden verfahren. Ich möchte aber glauben, daß man bei der großen Ver⸗ antwortung, welche für die Regierung in der Uebernahme einer sslchen offieiellen Vertretung privater Interessen liegt, doch sehr vor⸗ sichig sein muß und das Thätigkeitsfeld für diese Vertretung echt eng zu ziehen allen Anlaß hat. Dafür wird gesorgt werden, daß mme Reihe von zuverlässigen Personen, die mit den Verhältnissen des merikanischen Marktes bekannt sind, den einzelnen Industriegruppen 9 den einzelnen Ausstellern bezeichnet werden, um nun vermöge 66. Versonen, aber im Wege der freien Vereinbarung wischen Aus⸗ 2 und Agenten, eine wirksame Vertretung ihrer Interessen her⸗ . ö. Ich glaube, es ist wohlgethan, daß man nicht weiter geht, mee. man sich namentlich enthält, von Amtswegen und durch den ö selbst. resp. durch seinen kaufmännischen Beirath eine
Vertretung rein privater Interessen zu organisiren. Das wäre das, was ich über diese Ausstellungsfrage zu sagen ö die Dderren beschließen sollten, die Vorlage an eine ea 2 zu verweisen, so wird da gern noch alle Auskunft gegeben
' f ; eren wir fähig sind. Im übrigen freue ich mich, daß nach oled gehörten Stimmen ja unsere Forderung einer wohl⸗
n Aufnahme sicher sein kann. (Beifall.) der i nl ui ben dr. (nl) will auch nicht weiter gehen mit eben s ischen Vermittelung, als es vom Bundesrathätische hier en
1 r angezeigt erklärt worden sei. In Melbourne seien in dieser ng trübe Erfahrungen gemacht worden. Redner fordert eben⸗
abe. C
6 die zur Betheiligung nicht geneigte und von derselben keinen ortheil ziehende Industrie auf, gc noch in letzter Stunde dazu zu entschließen, weil sonst kein Gesammtbild der ganzen deutschen Production gegeben werden könnte. Es bandle sich hier um ein Stück nationaler Ehre. Die Commissiensberathung werde zeigen, daß die geforderte Summe nicht zu hoch sei; rankreich wende aus Slaatsmitteln viel mehr für denselben Zweck auf, nämlich 3 400 009 Fr. Außerdem hätten für diesen Zweck franzõsische dandelskammern namhafte Summen zur Verfügung gestellt, nament⸗ ich die zu Lyon zur Vertretung der dortigen Seidenindustrie.
Abg. Goldschm idt (fr: Deutschland habe in Amerika noch eine alte Scharte auszuwetzen., Die Niederlage der deutschen Industrie in Philadelphia sei verschuldet durch die Industriellen selbst, sie hätten die Ausstellung ohne Kenntniß des amerikanischen Marktes und der allgemeinen Verhältnisse Amerikas bezogen. Die Industriellen würden
ut thun, sich auf ihre eigene Kraft und nicht ausschließlich auf die egierungen zu verlassen.
Abg. Dr. Bachem (Cent.): Die kaufmännischen Beiräthe würden nur der Großindustrie etwas nützen, und seien außerdem von dem Reichscommissar viel zu sehr abhängig. Er möchte gerade, daß Leute ohne amtliche Qualität auf Reichskosten hingeschickt würden, die dort Land und Leute gründlich kennen lernten, um später den Mitbürgern die gewonnenen Kenntnisse zu gute kommen zu lassen. Wer im Rahmen einer Collectivausstellung ausstelle, sei mehr oder weniger von dem Commiffar und seinem Beirath verlassen; der würde sich an die Männer wenden können, deren Entsendung von ihm be— fürwortet worden sei.
Damit schließt die Debatte. Budgetcommission. ö
Es folgen Commissionsberichte über .
Die Petstionen, betreffend die Reform der isenbahnpersonentarife, empfiehlt die Petitionscommission, mit Rücksicht auf die vom . des Reichs⸗Eisenbahnamts am 16. Januar 1892 im
eichstage und vom preußischen Eisenbahn-Minister am 22. Januar 1597 im preußischen Abgeordnetenhaus abgegebenen Erklärungen, durch Uebergang zur Tagesordnung zu erledigen. Unter diesen Petitionen befindet fich auch diejenige des Vereins für Eisenbahnreform (Zonen⸗ tariff in Berlin und die des Verbandes reisender Kaufleute zu Leipzig, welche als Großconsumenten der Eisenbahnen eine Preisermäßigung nach Maßgabe der im Jahre zurückgelegten Kilometer wünschen.
Abg. Dr. Krause (dfr.) beantragt, die Petitionen dem Reichs⸗ kanzler als Material zu überweisen. Ser Uebergang zur Tagesordnung auf Grund der allgemeinen platonischen Liebeserklärung für billige Tarife fei nicht angezeigt. Man müsse ernsthafte Erwägung dieser Frage von der Regierung verlangen. Diese Frage lasse sich lösen, s stehe mit dieser nicht fo, wie mit der socialen, die erst gelöst fei, wenn der letzte Mensch gestorben sei. Der Berliner Verein für Reform der Perfonentarife verdanke sein Entstehen gerade diesem weit verbreiteten dringenden Wunsch der Bevölkerung; der Reichstag habe alle Ursache, die Bestrebungen dieses Vereins und verwandter Kreise auf jede Weise zu fördern.
Abg. Dr. Ham macher (nl) bemängelt die ungewöhnliche Form des Eommissionsantrages, insofern dieser auf die Erklärungen des preußischen Eisenbahn⸗Ministers im preußischen Abgeordnetenhause Bezug nehme. Diese Begründung des Uebergangs zur Tagesordnung könne sich der Reichstag nicht aneignen, denn jene Erklärung sei für den Reichstag nicht maßgebend. Gegen den Antrag Krause lasse sich nichts einwenden, derselbe sei nur ein höflicheres Begräbniß als der Commissionsbeschluß.
Abg. Münch (dfr.) bemerkt, daß der Eisenbahn⸗Minister nicht als Äusschlag gebend, sondern nur zur Verstärkung des Prãä⸗ sidenten des Reichs-Eisenbahnamts in der motivirten Tagesordnung der Commission aufgeführt sei.
Abg. von Schalscha (Centr)) tritt für den Commissions⸗ antrag ein. ;
Nach einer kurzen Erwiderung des Abg. Dr. Kraus der Commissionsantrag angenommen.
Die Petitionen von Gerichtsvollziehern wegen Abänderung der Prozeßgesetze und des Gerichtskostengesetzes, Jowie die Petitionen, be⸗ ireffend dis Abänderung des Handelsgesetzbuchs, der Gewerbeordnung, der Civilprozeßordnung und der Konkursordnung werden dem Reichs⸗ kanzler als Material uͤberwiesen.
Ueber die Petitionen der vereinigten Vorstände deutscher Innungs—⸗ verbände wegen Abänderung des S 1006 der Gewerbeordnung wird mit Rücksicht auf die in der Sitzung vom 24. November 1891 ab⸗ gegebene Erklärung des Staatssecretärs Dr. von Boetticher zur Tages⸗ ordnung übergegangen. .
Die Petstion des geschäftsführenden Ausschusses des Deutschen Gastwirthöverbandes zu Berlin, betreffend Abänderung der Ss 100 bis 1005 der Gewerbeordnung, empfiehlt die Commission dem Reichskanzler als Material zu überweisen.
Abg. Goldschmidt (dfr) beantragt Ueberweisung zur Berück⸗ sichtigung.
Iluf Antrag der Abgg. Hahn (cons) und Freiherrn von Stumm (Rp.) wird die Petition zur schriftlichen Berichterstattung an die Commission zurückverwiesen.
Ueber die Petitionen, betreffend den Transport von frischen Flechsen, nicht gekalktem, frischem Leimleder, Häuten und Fellen auf den Eisenbahnen ꝛc. geht das Haus zur Tagesordnung über.
Die Petition, betreffend die Beschränkung der Freizügigkeit minderjähriger Personen, wird nach dem Antrage der Cemmission dem Reichskanzler als Material überwiesen, nachdem ein Antrag Rickert, diefelbe zur schriftlichen Berichterstattung in die Commission zurück⸗ zuverweisen, abgelehnt ist.
Die Petition des Waldeckvereins zu Friedland in Mecklenburg, betreffend reichsgesetzliche Regelung des Vereins⸗ und Versammlungs⸗ rechts, beantragt die Commission dem Reichskanzler zur Erwägung zu überweisen.
Abg. Rickert (o'fr) beanstandet die Fassung des Commissions⸗ antrages. Zur Erwägung könne man doch die Regierung nur über zweifeshafte Fragen auffordern; die reichsgesetzliche Regelung des Vereinsrechts sei aber ,, vorgeschrieben. Die einzige Form sei also hier die Ueberweisung zur Berücksichtigung. In Hambuig habe sich erst neuerdings der Senat auf Grund eines ganz beralteten Gesetzes von 1857 für berechtigt gehalten, antisemitische Verfammlungen im voraus zu verbieten. Diese eigenthümliche Maß⸗ regel des Hamburger Senats lege besonders nahe, auf eine endliche Erfüllung der Vorschrift des Verfassungsartikels 4 Ziffer 18 zu dringen.
lg. Liebermann von Sonnenberg (b. k. F.): Die ver— in e Landesgesetzgebung beeinträchtige das Vereinsrecht der deutschen
Die Vorlage geht an die
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eichsangehörigen ganz erheblich. Weitere Ausführungen in diefer Richtung, welche die Störung von Versammlungen durch social⸗ demokratische Sprengeolonnen betreffen, untersagt der Präsident als zu weitgehend. . . ö
Der Antrag Rickert auf Ueberweisung zur Berücksichtigung wird angenommen. ö .
Die Petition des Fabrikbesitzers Pietsch in Dürr⸗Kunzendorf bei e, mi betreffend zollfreie Einfuhr von Nutzholz, wird dem
eichskanzler zur Berücksichtigung überwiesen. Schluß 5 Uhr.
Preußischer Landtag. Herrenhaus. 4. Sitzung vom Mittwoch, 23. März. Der Sitzung wohnen der Justiz-Minister Dr. von Schelling, der Minister für , aft ꝛc. von 266 und der Minister der öffentlichen Arbeiten
hielen bei. . In einmaliger Schlußberathung wird der Rechen⸗ schaftsbericht über die weitere Ausführung des
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Gesetzes vom 19. Dezember 1869, betreffend die Eonsolidation preußischer Staatsanleihen, durch Kenntnißnaßme für erledigt erklärt.
Der Gesetzentwurf, betreffend die Entschädigung für an Milzbrand gefallene Thiere, wird auf Warmn des Berichterstatters der Agrarcommission von Wiedeba und Nostitz⸗-Jaenkendorf unverändert angenommen.
Die Petition der Gemeindeyertretung zu Weiß⸗ kirchen, Kreis Merzig, betreffend Abänderung der von der Königlichen Regierung zu Trier angeordneten Aufstellung eines neuen Betriebsplans gi den Gemeindewald, wird auf Antrag der Agrarcommission der Regierung zur Berücksichtigung dahin überwiesen, daß die Aufstellung eines neuen Betriebs plans mit thunlichst geringen Kosten für die Gemeinde bewirkt werde.
Die ö der Deputirten des Neulander Deichverbandes um Gewährung einer weiteren Entschädi⸗ gung für die dem Verbande durch das Hochwasser im Jahre 1875 entstandenen Schäden wird auf Antrag der Agrarcom⸗ mission der Regierung zur Erwägung darüber überwiesen, ob die infolge des Hochwassers im Jahre 1875 dem Neulander Deichverband erwachsenen Schädigungen der Verlängerung des Hauer Flügeldeichs nicht zum vollen Antheil zuzumessen sind und demnach den Interessenten der gesammte Schaden zu er— setzen ist.
Es folgt die erste Lesung des Gesetzentwurfs über
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die Bahnen unterster Ordnung (Tertiärbahnen).
Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:
Meine Herren! Der Gesetzentwurf, welchen auf Grund Aller— höchster Ermächtigung die Staatsregierung dem Landtag der Monarchie die Ehre hatte vorzulegen, ist hervorgegangen aus einem schon lange sowohl vom Lande wie von der Staatsregierung als dringend empfundenen Bedürfniß. Das Netz der Eisenbahnen ist in Deutsch— land und in unserem engeren Vaterlande von Jahr zu Jahr dichter geworden, und insbesondere kann mein hochverdienter Herr Amtsvorgänger mit berechtigtem Stolz auf seine erfolgreiche Thätigkeit in der Aus— gestaltung des Eisenbahnnetzes zurücksehen. Es sind während seiner Amtsdauer über 6000 km an Nebenbahnen dem preußischen Staats— eisenbahnnetz hinzugefügt worden. Die im Jahre 1879 begonnene Ver⸗ staatlichung fast aller großen Privatbahnen hat nicht nur den Ausbau des Eisenbahnnetzes an und für sich wesentlich gefördert, sondern hat auch diesen Ausbau losgelöst von den Erwerbsrücksichten der Privat— unternehmer und denselben gegründet auf das wirthschaftliche Bedürfniß des Landes. Das System der Privatbahnen mußte nothwendiger— weise und ohne daß den einzelnen Privatverwaltungen daraus berechtigter Maßen ein Vorwurf gemacht werden kann, zu einer Hypertrophie der Bahnverbindungen in einzelnen Landestheilen führen, die durch eine blühende Industrie und durch entwickelte Handels— verhältnisse an und für sich begünstigt waren, wohingegen andere Landestheile, die sich dieser Gunst nicht erfreuen konnten, oft an den nothwendigsten Bahnverbindungen, nothwendig für die Entfaltung und zum großen Theil sogar auch für die Erhaltung ihres wirthschaft⸗ lichen Lebens, Mangel litten. Meine Herren, ein Blick auf eine Eisenbahnkarte aus dem Jahre 1879 oder 1880 giebt in dieser Be— ziehung ein lehrreiches Bild.
Mit vollem Bedacht hat aber die preußische Staatseisenbahn⸗ Verwaltung als unterste Grenze der ihr zugefallenen Aufgabe den Ausbau solcher Bahnen betrachtet, welche noch unter das Gesetz vom 3. November 1838 über die Eisenbahnunternehmungen fallen und welche, wenn auch untergeordneter Verbindungs- und Zuführungslinien der Hauptlinien, doch immer noch als Theile des Hauptnetzes anzusehen waren und daher noch mit der Normalspur ausgebaut werden mußten. Die preußische Staatseisenbahn-Verwaltung war sich von Anfang an darüber klar, daß sie ihre Kräfte, die ja bis auf den heutigen Tag durch den Ausbau der Nebenbahnen noch vollauf in Anspruch ge— nommen sind, nicht zersplittern dürfe; sie war sich aber auch darüber klar, daß der von der Staatsbahnverwaltung nun einmal unzer— trennliche Apparat von Einrichtungen und Verwaltungsvorschriften mit dem organisatorischen Storchschnabel nicht so weit reduecirt werden konnte, daß daraus ein finanziell lebensfähiger und für die Be— dürfnisse des Landes zweckmäßiger Organismus erwachsen wäre. Die Staatsregierung war sich aber auch fernerhin darüber klar, daß es nicht zweckmäßig sein möchte, der Selbsthilfe und der Initiative der zunächst betheiligten wirthschaftlichen und communalen Kreise eine Aufgabe abzunehmen, die denselben eigentlich von Natur aus zu⸗ gewiesen ist
Meine Herren, aus diesen Gründen hat die Staatseisenbahn⸗ Verwaltung sich von dem Ausbau von sogenannten Bahnen unterster Ordnung ferngehalten. Die Selbsthilfe ist aber in unserem engeren Vaterlande nicht in ausreichendem Maße in den betheiligten wirth— schaftlichen und communalen Kreisen ausgeübt worden. Wir sind in Preußen mit dem Ausbau der Bahnen für den Nahverkehr, dieser ebenso nothwendigen wie nützlichen Ergänzung unseres Haupteisenbahn⸗ netzes, offenbar zurückgeblieben. Ich möchte mir gestatten, den Herren aus einer kleinen Broschüre, die ein ehemaliges Mitglied der Staats⸗ eisenbahn⸗Verwaltung, welches jetzt dem Finanz⸗Ministerium angehört, s. 3. in den „Preußischen Jahrbüchern“ veröffentlicht hat und die im übrigen manche schätzenswerthe Beiträge für die vorliegende Frage enthält, einige Zahlen anzuführen, aus denen hervorgeht, daß wir im großen und ganzen gegen unsere Nachbarn bezüglich des Ausbaues von Bahnen unterster Ordnung ungünstig gestellt sind. Es bestehen in Deutschland an Straßenbahnen und Schmalspurbahnen, überhaupt solchen Bahnen, welche unter das Ihnen vorgelegte Gesetz fallen würden, 1715 km, das ergiebt 1 km auf 28 813 Einwohner und 16m auf 315 qkm Flächeninhalt. In Italien sind 2300 km solcher Bahnen vorhanden, das macht 1 km auf 13 000 Einwohner und auf 125 qkm. In Sachsen 1 km derartiger Bahnen auf 1200 Ein— wohner und 57 km. In Belgien 1 km auf 10 000 Einwohner und 50 dem. In Holland 1 km auf 5000 Einwohner und 36 km, während bei uns in Preußen das Verhältniß so ist, daß die 748 km Bahn unterster Ordnung, die bei uns vorhanden sind, ergeben auf 1 km 40000 Einwohner und 465 d4km. Forscht man nach den Gründen, aus welchen der Ausbau dieser Bahnen in Preußen zurückgeblieben ist, so kommt man zunächst auf einen Grund, der an und für sich nicht unerfreulicher Natur ist. Wir sind in dem Ausbau der nächst höherstehenden Art, unserer sogenannten Nebenbahnen, weiter fortgeschritten, als dies in anderen Ländern der Fall ist. Dieser Grund hat aber auch eine Kehrseite, und zwar die Kehrseite, daß die betheiligten Kreise, die wirthschaftlichen ebenso gut wie die communalen, nun ihrerseits zunächst immer die Hoffnung gehabt haben, es möge der Staat die von ihnen gewünschte Bahn