1892 / 77 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 29 Mar 1892 18:00:01 GMT) scan diff

seiner Zeit auch recht lebhaft in der Presse erörtert worden. Der Herr Vorredner hat den Sachverhalt richtig geschildert. Es war im Januar vorigen Jahres, als der damalige Commandant der Congreß— flotte die Blockade über den Hafen verhängte und wegen der bevorstehenden Beschießung die Schiffe, die im Hafen lagen, aufforderte, den Hafen zu verlassen. Infolgedessen hat sich die Barke Potsdam“ unter Protest durch einen Schleppdampfer in die See hinausschleppen lassen. Der Schlepper hat zu früh losgelassen, und so kam das Schiff infolge des Windes und der Strömung ans Land, und es ging das Schiff und die ganze Ladung verloren, und nur die Mannschaft wurde gerettet. Es wurde damals eine seeamtliche Untersuchung angestellt, und das Resultat war, daß sich als wirkliche Ursache in erster Reihe der Befehl des Commandanten der Congreßflotte, den Hafen zu verlassen, ergab, und in zweiter Reihe das, wie es, glaube ich, heißt, vollkommen unver— ständliche und eigenmächtige Vorgehen des Schleppdampfers, der trotz aller Gegensignale das Schiff losließ, bevor es genügend Seeraum hatte. Nun mußte ich, bevor ich wegen dieser Angelegenheit bei der chilenischen Regierung reclamirte, zunächst mir klar machen, ob die Rechtsfrage zu Gunsten des Reclamanten steht. Es kommt in erster Reihe darauf an, ob die damalige Congreßregierung befugt war, die Blockade über Valparaiso zu verhängen, und es war mit Sicher— heit vorauszusehen, daß die chilenische Regierung mit Entschiedenheit dies behaupten werde; und Sie werden mir nachfühlen, daß, wenn ich dieses Thema in Santiago angeschnitten hätte, ich dabei in eine recht bedenkliche Discussion gekommen wäre, zumal da die zweite Frage die sich daran knüpft, nämlich: was war die wirkliche Ursache des Schiff sunglücks? recht zweifelhaft ist. Jeder Jurist weiß, daß nichts schwieriger ist, als eine Entscheidung zu geben über das Ver⸗ hältniß von Ursache und Wirkung, wenn nicht nur eine Ursache vorhanden ist, sondern mehrere Ursachen concurriren, um eine Wirkung hervorzubringen. Ich habe unter diesen Umständen geglaubt, daß es räthlicher sei, von einer Betonung der Rechtsfrage in Santiago vollkommen abzusehen und nur Billigkeitsgründe zu Gunsten der deutschen Reclamanten geltend zu machen. In der That liegt eine Reihe von bezüglichen Vorgängen vor, wir selbst haben 1870 Entschädigungen gezahlt und haben auch bei mehreren Regierungen Entschädigungen in ähnlichen Fällen durchgesetzt. Ich habe deshalb unseren Gesandten in Santiago beauftragt, unter Außerachtlassung der Frage des Rechts bei der chilenischen Regierung die Auszahlung einer Entschädigung aus Billigkeitsgründen anzuregen. Eine Antwort ist aus Santiago mir noch nicht zugegangen.

Abg. Dr. Barth (dfr) erhebt Einspruch gegen die Ausführun⸗ gen, des Abg. Grafen ven Kanitz, die den Zollkrieg mit allen seinen Folgen mit allen möglichen Staaten an Stelle des Systems der Handelsverträge heraufbeschwören würden.

Abg. Moͤller (nl) schließt sich in der Frage der Handelspolitik den Ausführungen an, die vom Bundesrathstische gefallen sind. Namentlich habe man Ursache, die Vereinigten Staaten rücksichts voll zu behandeln, da ihre Concefsionen für Deutschland sehr werthvoll gewesen seien.

Abg. von Kardorff (Rp.) spricht diesen sogenannten Con⸗ cessionen jede Bedeutung ab; auf Grund des Meistbegünstigungs⸗ rechts, das beide Nationen einander gewährt hätten, sei die Außer⸗

kraftsetzung der Mac Kinley⸗Bill wegen des Zuckers selbstverständlich gewesen. . . ; ( Abg. Graf von Kanitz (cons.): Jedermann wisse, wie schwer die

die Mac Kinley⸗-Bill getroffen werde, und dazu solle man stillschweigen? Nirgends könne die einseitige 6. handelstheorie verderblicher auf, die eigene Production wirken, als in dem Verhältniß zu Nord-Amerika. Der Abg. Dr. Barth sollte doch einmal nach Amerika reisen und, die amerikanischen Verhältnisse genauer ansehen. Frankreich sei in Nord-Amerika viel erfolgreicher

gewesen.

Staatssecretär Freiherr von Marschall:

Ich muß dem geehrten Herrn Vorredner gegenüber doch noch ein⸗ mal constatiren, daß Frankreich den Vereinigten Staaten gegenüber genau dasselbe gethan hat, was wir gethan haben. Frankreich hat den Vereinigten Staaten gegenüber einmal das Schweine⸗-Einfuhr⸗ verbot aufgehoben und dann einzelne besonders wichtige Positionen des Minimaltarifs den Vereinigten Staaten concedirt, genau so, wie wir es gethan haben, ich glaube, es handelt sich wesentlich um landwirthschaftliche Producte —, und dafür haben als Gegencon— cession die Vereinigten Staaten die Nichtanwendung der discretio⸗ nären Gewalten des Präsidenten zugesichert. Also nicht wir sind es, die wir Frankreich uns zum Beispiel nehmen sollen, sondern Frank reich ist unserem Beispiel, mit dem wir vorangegangen sind, gefolgt. Was dann die Ausführungen des Herrn Abg. von Kardorff betrifft, daß die ganzen Vereinbarungen, die wir mit den Vereinigten Staaten von Amerika geschlossen haben, eigentlich gar nicht nöthig gewesen wären, weil die Zollfreiheit für Zucker, Häute u. s. w. uns von selbst kraft der Meistbegünstigung zugefallen wäre, so übersieht der geehrte Herr Abgeordnete, daß über den Begriff Meistbegünstigung nicht erst seit heute, sondern schon seit zwanzig oder dreißig Jahren eine Differenz in der Auffassung zwischen den Vereinigten Staaten und uns besteht, und daß die Vereinigten Staaten der Meistbegünstigung stets die Auslegung gegeben haben, daß auf Grund derselben nur solche Con⸗ cessionen gewährt werden müssen, welche titulo gratuito andern Staaten gemacht werden, nicht aber die Concessionen, die man im Wege der Reciprocität den andern Staaten gewährt.

Abg. Broemel (ofr): Es sei nicht recht abzusehen, was der 26. Graf von Kanitz, mit seinem heutigen Vorstoß erreichen wolle. Habe er das Verhältniß zu Nord-Amerika erörtern wollen, so hätte er das viel besser bei der Forderung für die Weltausstellung in Chicago thun können. Die Bewilligung von 3 Millionen für diese Ausstellung zeige, welche Bedeutung dem amerikanischen Markte von allen Seiten dieses Hauses b y werde; sie zeige ebenso, daß die deutsche Industrie auf diesem Markte auch niach der Mac, Kinley-Bill wettbewerbungsfähig bleiben werde. Die Mac Kinlev-Bill sei keine nur prohibitive Maßregel, sondern enthalte auch zahlreiche gerade für , ,, sehr wichtige und erfreuliche Zollerleichterungen. Mit dem Angriff gegen den Abg. Dr. Barth habe der Abg. Graf von Kanitz unrecht, denn der Abg. Dr. Barth sei , vor Jahresfrist mehrere Monate in Amerika . und habe sich dort sehr ein⸗

ehend unterrichtet. Die Bestrebungen zur Durchführung einer

Ce deere fe elt seien die einfache Folge der Friedenspolitik, welche die verbündeten Regierungen unter dem Beifall der gesammten Nation verfolgten.

Abg. Dr. Barth fr.): Was der Abg. Graf von Kanitz im Auge habe, sei ein Zollkrieg mit Amerika zur Beseitigung der Mac Kinley⸗Bill. Nichts könne verkehrter sein. Die Sympathien für ein übertriebenes Schutzzollsystem in Amerika seien im S winden, und daher würde allerdings den Schutzzöllnern 5 angenehmer sein, als daß irgend eine fremde Nation ssich in die Thorheit eines solchen Zollkrieges einließe, die dann Wasser auf ihre Mühle liefern, ihnen vielleicht den Sieg bei den nächsten Wahlen sichern würde. Der Abg. Graf von Kanitz möge sich zunächst selbst einmal in dieser Beziehung auf amerikanischem Boden unterrichten.

deutsche Industrie durch

Abg. Graf von Kan (eons.); Die Amerikaner seien doch vor und nach der Reise des Abg. Dr,. Barth dieselben unverantwort= lichen Schutzzöllner geblieben. ie kämen die Herren zu der Be⸗ hauptung, daß er einen Zollkrieg mit Amerika wolle? Er habe lediglich auf das Vorgehen Frankreichs hingewiesen.

Abg. von Kardorff (Rp.): Seine Partei bleibe bei dem Wunsche stehen, daß das Deutsche Reich die Handelsbeziehungen zu Amerika mit etwas mehr Consequenz und Festigkeit vertrete, als man es bisher habe wahrnehmen können.

Nach einer kurzen Erwiderung des Abg. Dr. Barth (dr.) schließt die Besprechung. . .

Das Kapitel „Auswärtiges Amt. wird bewilligt, ebenso das Kapitel „Gesandtschaften, Konsulate und Schutzgebiete“. Beim Kapitel „allgemeine Fonds“ fragt

Abg. Dr. Lingens (Centr), ob aus den Mitteln des Etats zur Unterstützung deutscher Schulen im Auslande auch katholische Schulen Unterstützung erhalten.

Staatssecretär Freiherr von Marschall: Ich kann dem Herrn Vorredner nur die Erklärung wiederholen,

daß bei der Vertheilung der durch das Auswärtige Amt bewilligten Summen katholische Schulen ebenso berücksichtigt werden wie pro—⸗ testantische Schulen. Wir bringen diesen deutschen Schulen im Aus⸗ lande, mögen sie katholisch oder protestantisch sein, das größte Wohl⸗ wollen entgegen, wir sind auch bereit, diese Zuschüsse zu geben, unter der Voraussetzung, daß sie ein Bedürfniß sind und den deutschen Interessen dienen. Ich kann nur bedauern, daß angesichts der mannigfachen und berechtigten Forderungen, die an uns gestellt werden, unser Wohlwollen bis jetzt durch eine unübersteigbare Barriere von 60 000 6 begrenzt ist; und ich hoffe, daß es gelingen wird, mit der Zeit diese Summe in angemessener Weise zu erhöhen.

Was die Schule in Verviers betrisst, so habe ich allerdings darüber Erhebungen machen lassen, ob die Voraussetzungen, unter denen wir aus dem bezüglichen Fonds Unterstützungen gewähren, dort vorliegen. Der Bericht ist eingelaufen, ich habe aber noch keine Zeit gehabt, ihn zu prüfen; ich kann aber dem Herrn Vorredner versichern, daß, wenn der Bericht, wie er sagt, günstig ausge allen ist und mir die Mittel zu Gebote stehen, ich gern bereit sein werde, eine Unter— stützung für die Schule in Verviers zu bewilligen.

Abg. Dr. Lingens (Centr) dankt für das Wohlwollen der . und hofft, daß es möglich sein werde, in dieser Sache noch mehr zu thun.

Beim Etat der 8 stellt der

Dirigent der Kolonialabtheilung, Wirkliche Geheime Legations— Rath Dr. Kayser eine im vorigen Jahre gethane Aeußerung richtig, wonach die Behauptung, daß im ö von Kamerun der Brannt⸗ weingenuß derart im Schwange sei, daß auch Kinder von Branntwein bewußtlos betrunken angetroffen würden, auf Uebertreibung beruhe. Eine Enquéte der Basler Missionsgesellschaft habe die Richtigkeit dieser Behauptung ergeben. Es sei zu hoffen, daß die inzwischen erfolgte weitere 6. der Branntweinabgabe, die um 66 3259 die höchften Sätze der Brüsseler Conferenz übersteige, diesen Mißständen abhelfen werde.

Der Etat der Schutzgebiete wird genehmigt, desgleichen endgültig der Gesetzentwurf, betreffend die Einnahmen und Ausgaben der Schutzgebiete.

Zum Etat des Reichsamts des Innern liegt eine Resolution des Abg. von Meyer-Arnswalde Cons.) vor:

Die verbündeten Regierungen zu ersuchen, im Etat für 1893 54 als ordentliche Ausgabe mit einer den vorhandenen Mitteln entsprechenden Summe einzuschalten; Zur Bewilligung von Stipendien und Unterstützungen für talentvolle junge nn sowie zur Förderung der monumentalen Malerei und Plastik in Deutschland.“

Abg. von Meyer (cons) befürwortet den Antrag unter Benig— nahme auf seine früheren gleichartigen Anregungen. Im preußischen Abgeordnetenhause sei eine entsprechende Anregung auf fruchtbaren Boden gefallen. Das Reich müsse auch für ideale Zwecke etwas thun.

Staatssecretär Dr. von Boetticher:

Ich finde es ja sehr schön und ideal von dem Herrn Vorredner, daß er den Reichstag und das Deutsche Reich überhaupt für die Zwecke der Kunst mehr engagiren will, als dies zur Zeit der Fall ist. Ich würde auch von meinem persönlichen Standpunkt aus die Resolution des Herrn Vorredners unterstützen können, wenn ich mir nicht zugleich sagen müßte, daß es unmöglich sei, von der Frage abzusehen, ob das Reich wirklich ver⸗ fassungsmäßig für die Zwecke, welche der Herr Vorredner im Auge hat, engagirt werden darf; und selbst wenn man hiervon absehen könnte, entsteht die fernere Frage: ist die Finanzlage des Reichs eine solche, daß man sich jetzt für Zwecke, die nicht unmittelbar zu den Reichszwecken gehören, in erheblicherem Maße interessiren sollte?

Der Herr Vorredner hat schon aus der von ihm berichteten Dif⸗ ferenz in den Anschauungen des Staatssecretärs des Innern und des Staatsseeretärs des Reichs⸗Schatzamts dem Hause klar gelegt, wie die verschiedenen Standpunkte in dieser Frage sind. Es ist vom Stand punkte des Staatssecretärs des Innern aus ganz gerechtfertigt, sich dafür zu interessiren, daß auch das Reich auf dem Gebiete der Kunst wirksamer thätig werde, wie bisher, und es ist vom Standpunkte des Staatssecretärs des Reichs-Schatzamts ebenfalls gerechtfertigt, für diese Zwecke das Hergeben von Mitteln nicht in Aussicht zu stellen.

Nun kommt aber bei der Angelegenheit auch noch eins in Be— tracht. Man muß sich klar darüber werden, ob denn wirklich ein Bedürfniß dafür vorliegt, daß auch das Reich auf diesem Gebiete thätig wird? Und da muß ich sagen, daß ich hierüber recht zweifel haft bin. Wenn ich die Ausbreitung des Kunstsinns und die Hebung der Bereitwilligkeit, für Kunstzwecke etwas zu thun, in den verschiedenen Theilen des deutschen Vaterlandes mir vergegenwärtige, so möchte ich doch stark in Zweifel ziehen, ob wirklich eine zwingende Veranlassung dafür vorhanden ist, daß auch das Reich auf diesem Gebiete etwas weiteres thut. ;

Wenn sich die Herren vergegenwärtigen, was in den letzten zwanzig Jahren in Berlin, Dresden, München, Stuttgart, Weimar, Frankfurt a. M. (sehr richtig), ja überall, wo sich die Gelegenheit geboten hat, für die Beförderung der deutschen Kunst geschehen ist, so kann man, wie ich meine, nicht behaupten, daß die deutsche Kunst von Seiten der⸗ jenigen, die dazu berufen sind, sie zu fördern, in irgend einer Beziehung vernachlässigt wäre. (Sehr richtig Daß man auf diesem Gebiete noch viel mehr thun kann, ist für mich allerdings außer Zweifel. Aber ob nun gerade das Reich gegenüber seinen übrigen doch auch sehr kostspieligen Zwecken, die es zu erfüllen hat, für diese Aufgabe Mittel flüssig zu machen in der Lage sein wird, glaube ich stark in Abrede stellen zu müssen (sehr richtig), und jedenfalls gebietet es die Pflicht meines Amts, den verbündeten Regierungen die volle Freiheit der Entschließung auch gegenüber einem etwaigen Votum des Reichs⸗ tags, welches auf der Linie des Antrags des Herrn Vorredners sich bewegen sollte, vorzubehalten.

Abg. Dr. Orterer (Centr.): Er schli des Staatsfecretärs voll und ganz an. Es anz außerordentliche Aufwendungen für Zwecke der Kunst in d etzten Jahren gemacht worden. Namentlich seien die lufwendun in Bahern, besonders für München, so namhafte gewesen daß dieses Land jetzt an der Spitze der Bestrebungen dieser Art stehe. Wünschenswerth möge es ja sein, daß der Kunst noch weitere Opfer gebracht würden; aber so lange dem Kriegsgott so große Opfer gebracht werden müßten, müßten sich Apoll und die Musen mit bescheideneren Opfern begnügen. Man müsse auch in den Einzel⸗ staaten auf die . des Reiches Rücksicht nehmen dürfe aber natürlich nichts versäumen, was im Interesse der Kunst ge—= schehen und gefördert werden könne. In Berlin möge ja noch manches Besondere für die plastische Kunst geschehen müssen aber die Berliner sollten es doch machen, wie die Münchener e früher gemacht hätten, die aus eigenen Mitteln die Stadt mit hervorragenden Kunstwerken geschmückt hätten. Die Einzelstaaten würden, soweit es in ihren Kräften stehe, die Kunst unterstützen und fördern; er glaube nicht, daß es gefährlich sein werde, wenn man diefes Gebiet dem Particularismus überlasse. Aus Gründen der Ver— fassung und der inen n, werde man gut thun, die Resolution Meyer, fo berechtigt ihre Bestrebungen aus allgemeinen Gesichts—

punkten sein mögen, abzulehnen. . .

Königlich bayerischer Bevollmächtigter zum Bundesrath Ge— sandter Graf von Lerchenfeld: Er glaube, daß, wenn man einer Regierung den Vorwurf nicht machen könne, daß sie zu wenig Interesse für die Kunst besitze, so sei das die baperische Regierung. Sie sei, bemüht, alle Bestrebungen der Kunst zu heben, nicht nur in Bayern, sondern im ganzen Deutschen Reich. Wenn es sich darum gehandelt habe, daß das Reich als solches für die Kunst eintrete, so habe auch Bayern seine Mitwirkung nicht versagt:; immer unter der Voraussetzung, daß es sich um eine künftlerische Aufgabe gehandelt habe, die von dem einzelnen Staat nicht durchgeführt werden könne, wenigstens nicht in dem Maße, als es nothwendig erschienen sei. In dieser Beziehung könne er gerade auf Etatspofition 4a verweisen, der auch Bayern zugestimmt habe. Run wünsche der Abg. von Meyer⸗Arnswalde, daß gewissermaßen das, was bisher als Ausnahme behandelt worden sei, zur Regel werde, daß an Stelle einzelner Bewilligungen eine Etatsposition ein für allemal eingestellt werde, daß das Reich also dauernd gewisse reiß der Kunst unterstütze. Der Staatssecretär des Innern habe ereits betont, daß die Kunst nicht Reichssache sei, und habe darauf hingewiesen, daß die verbündeten Regierungen dieser, möchte er sagen, negativen Bestlmmung in der Verfassung Rechnung tragen würden. Auf diesem Standpunkt stehe seine Regierung. Die Erwägungen, die sie leiteten, seien verschiedener Natur. Einmal sei sie der Ansicht. daß die Finanzlage des Reichs und der Einzelstaaten nicht darauf hinweise, für folche Zwecke im Reichs⸗-Etat Gelder flüssig zu machen. Sie fehe voraus, daß, wenn auch das Reich regelmäßig für Kunstzwecke eintrete, für diefelben Zwecke dennoch die Etats der einzelnen Staaten auch in Anspruch genommen werden würden, daß alseo eine doppelte Belastung sowohl des Reichs als der Einzelstaaten eintreten werde. Die bayerische Regierung halte ferner dafür, daß das dauernde Fintreten des Reichs für die Kunst, durch Genehmigung einer Position des ordentlichen Etats, auch im Interesse der Kunst selbst nicht gelegen sei. Man möge zurückblicken auf die Länder und auf die Zeiten, wo die Kunst in höchster Blüthe gestanden habe, auf Itallen und Griechenland, und man werde finden, daß dort die Kunst auf lokalem Boden erwachsen sei, daß sie sich dort, wenn hier der Ausdruck gebraucht werden könne, particularistisch entwickelt habe. Ebenfo habe auch in Deutschland die Kunst ihre Entwickelung ge— nommen und, wie bereits von dem Vorredner hervorgehoben worden sei, ihre Blüthe in München, Dresden, Stuttgart, Weimar erreicht. Es beweife dies, daß man sich in dieser Beziehung auf dem richtigen Wege befinde. Was seine Regierung nicht wünsche, sei eine Cen— tralffation der Kunst, und wenn ihm entgegengehalten werden sollte, daß durch eine bescheidene Etatsbewilligung diese Folge noch nicht herbeigeführt werde, so möchte er dem entgegenhalten, daß damit immerhin der erste Schritt gethan sein würde, der Deutschland pon dem Grundsatz entferne, daß die Pflege der. Kunst in Deutschland Sache der einzelnen Staaten sei, man wisse nie, wie weit. Um sich noch einmal zusammenzufassen: seine Regierung werde Opfer für die Kunst, wenn solche nothwendig würden, wie bisher auch auf dem Wege des Reichs-Etats nicht scheuen, jedoch nur als Ausnahme. In der Regel wolle sie den Grundsatz festgehalten fehen, daß die Kunst Landessache sei. Sie halte den durch die Ver⸗ faffung vorgezeichneten Weg für richtig und wünsche im Interesse der Kunst selbst, daß ihre Centralisation vermieden werde..

Abg. Br. Krau se (dfr) spricht ch gegen die Resolution des Abg. von Meyer aus. Wenn das Reich sein Interesse für die deutsche Kunst hätte bethätigen wollen, so wäre damals Gelegenheit dazu ge— wefen, als es sich um die innere Ausschmückung des neuen Reichstags gebäudes gehandelt habe. Da hätte das Reich die nöthigen Mittel für die Ausschmückung mit echtem Material hergeben sollen.

Abg. Dr. Bamberger (fr.): Er könne dem Antrage nicht zu stimmen, weil es ihm an Vertrauen zu der gegenwärtigen Regierung fehle. Er habe aber überhaupt zu dem Staat kein großes Vertrauen namentlich nicht zu dem heutigen Staat. Er hahe sich soviel mit Kafernen abzugeben, daß er fürchte, auch sein Kunstgeschmack könnte einigermaßen vom Kasernenstil beeinflußt werden. Daher könne er dem Abg. von Meyer nicht zustimmen, aber er ehre sein Bestreben und theile seinen Wunsch. ö

Abg. von Meyer (eons) hält trotz der Erklärungen der Regie⸗ rung seinen Antrag uh ech ;

Der Antrag von Meyer wird abgelehnt. .

Abg. van Hülst (ul) fragt die Regierung, ob Aussicht auf eine Verschärfung des Viehseuchengesetzes, namentlich wegen Ter Unterdrückung der Maul- und Klauenseuche vorhanden sei⸗ Die Re⸗ gierung möge die von landwirthschaftlichen Kreisen in dieser Richtung eingereichten Anträge wohlwollend berücksichtigen. Auch der deutsche Landwirthschaftsrath habe in diesem Jahre schärfere Maj regeln gegen diese Seuche für wünschenswerth erklärt. Namentlich Schles⸗ wig⸗Holstein und Ostfriesland seien an dieser Frage betheiligt. Man wünsche eine Sperre dieser Landestheile gegen die Zufuhr von außen und die Einrichtung von Quarantainestationen, aus denen das einzuführende Vieh erst nach längerer Untersuchung frei⸗ gegeben werden dürfe.

Staatssecretär Dr. von Boetticher:

Das Interesse des Hauses für die Maul⸗ und Klauenseuche scheint nicht sehr lebhaft zu sein, wenigstens ist es mir ungeachtet aller Be— mühungen nicht gelungen, den Herrn Vorredner in seinen Ausführungen vollständig zu verstehen. Er hat aber die Güte gehabt, mich bereits vorher dabon zu unterrichten, welches der Gegenstand seiner Anfrage sein werde, und ich antworte ihm daher um so lieber, als ja die Frage der Tilgung der Maul⸗ und Klauenseuche unsere dandwirthscha auf das äußerste interessirt, namentlich aber die beiden Provinzen, die er genannt hat, Schleswig-Holstein und Ostfries land. .

Meine Herren, Anträge auf Verschärfung der gesetzlichen Bestim / mungen sind in der jüngsten Zeit bei der Reichsregierung nicht ein⸗ gegangen; auch die Resolutionen des Landwirthschaftsraths, von denen der Herr Vorredner gesprochen hat, sind bisher uns nicht zugekommen. Ich möchte aber auch glauben, daß die gesetzlich bestehenden Vorschriften, vorausgesetzt, daß sie nur gewissenhaft und streng gehandhabt werden, vollkommen ausreichen, um die Verbreitung der Maul- und Klauen⸗ seuche wirksam zu verhindern. Nach den gesetzlichen Vorschriften be⸗

e sich den Ausfü eien in den e

steht zunächst die Anzeigepflicht, eine Pflicht, welche allerdings, wis

die Erfahrung lehrt, nicht überall sehr ernstlich erfüllt wird. Weiter

sind zugelassen die Gehöftssperre und die Ortssperre in Seuchenfällen. J Wenn diese Sperren wirksam gehandhabt werden, so ist nicht abzu⸗

sehen, weshalb die Weiterverbreitung aus einem verseuchten Gehöft resp. aus einem verseuchten Ort nicht unterbunden werden soll. Ich weiß sehr wohl, auch aus der Zeit meiner Verwaltung der Provinz Schleswig⸗Holstein, daß namentlich in den Gegenden, in welchen die Viehzucht und der Viehhandel sehr lebhaft ist, und in denen namentlich ein wesentliches Interesse dahin besteht, daß der Export nach dem Auslande, insbesondere nach England, für unsere Viehzucht wiedergewonnen werden möchte, ich weiß, daß da der Wunsch besteht, sich gegen die Gefahren der Seucheneinschleppung durch Sperren zu schützen. Allein, meine Herren, ebenso wie ich da— mals schon der Ueberzeugung war, daß man die Wirkungen einer solchen Maßregel überschätzt, so bin ich auch heute noch der Meinung, daß es nicht gerathen ist, diese Wünsche zu befriedigen. Denn, meine Herren, ich halte die Sperre ganzer Provinzen für absolut undurch— führbar. Ich kann sperren gewisse Wege, ich kann Eisenbahnstraßen sperren, ich kann die Vieheinfuhr auf Eisenbahnstraßen untersagen, ich kann aber nicht innerhalb desselben Landes jeden Weg, der die Provinzial— grenzen oder die Regierungsbezirksgrenzen oder die Kreisgrenzen durch- schneidet, gegen die Zufuhr von Vieh absperren. Das ist thatsächlich unmöglich; und wenn man eine Sperre in dem beschränkten Umfange, in dem ich sie allein für zulässig halte, verhängt, wenn man also gewisse Hauptstraßen, Eisenbahnstraßen, meinetwegen auch Chausseen gegen den Viehverkehr absperrt, so würde dadurch der Verkehr auf die Nebenstraßen verwiesen werden, und die Gefahr der Verbreitung der Viehseuche wäre alsdann viel größer und intensiver als bisher. Wir gehen in der Bekämpfung der Viehseuche in der Weise vor, daß wir die Seuche interniren. Aber die Abschließung der seuchenfreien Distriete gegen jeden Zutrieb von Vieh aus anderen Districten ist, wie gesagt, nicht durchführbar und in ihren Wirkungen auch sehr zweifelhaft.

Im übrigen haben wir ja neuerdings Maßregeln ergriffen, welche auch dem Interesse der Landwirthschaft an der Bekämpfung der Seuche dienen. Unsere Statistiken über die Seuchenfälle im Reich werden jetzt monatlich veröffentlicht; also diejenigen, die ein Interesse haben, über die Seuchenheerde unterrichtet zu sein, können aus diesen monatlichen Statistiken das Material entnehmen.

Des weiteren ist und das ist ja auch nach dem Seuchengesetz vollständig zulässig von Seiten einzelner Landesregierungen das Treiben des Viehes auf den Straßen untersagt, und damit ist auch eine Gelegenheit zur Verbreitung der Seuchen von Ort zu Ort be— seitigt.

Ich bin, wie ich das schon am Eingang meiner Bemerkungen sagte, der Ueberzeugung, daß, wenn nur die bereits geltenden Vor— schriften gewissenhaft und vollständig gehandhabt werden, wir uns endlich der Hoffnung hingeben können, vielleicht bis auf einzelne Seuchenausbrüche, dem epidemischen Auftreten der Maul- und Klauen— seuche begegnen zu können. Jedenfalls aber darf sich der Herr Vor— redner dessen versichert halten, daß die Regierung fortgesetzt ihr Augenmerk diesem Zustande zuwendet und daß sie bemüht sein wird, soweit es in ihren Kräften ist, auf eine stricte Ausführung der Vor— schriften hinzuwirken. .

Abg. Thom sen (b. k. F.): Er bedauere, daß sich die Regierung gegen die Sperre so ablehnend verhalte. Die Viehzucht, die Wurzel des Wohlstandes in Schleswig⸗-Holstein, sei durch die Abschließung des englischen Marktes außerordentlich beeinträchtigt. Das Großherzog— thum Oldenburg sei gegen die Vieheinfuhr gesperrt, Schleswig- Hol⸗ stein sei aber genau fo engagirt wie Oldenburg. Der Nord⸗Ostsee⸗ Kanal sollte zur Quarantaine gemacht werden. Durch rigoroseste Ausführung der gesetzlichen Bestimmungen sei es in Schleswig-Hol⸗ stein immer gelungen, die eingeschleppte Seuche wieder zu beseitigen; aber trotzdem stehe man immer wieder vor dem Verhängniß der Ein⸗ schleppung durch die kleinste Zufuhr. Gebe man der Provinz nicht die Sperre, so follte man wenigstens den Hamburger Viehmarkt gegen Deutschland schließen, denn das sei der große Seuchenherd, aus dem die Seuche verschleppt werde. Die Milde der Reichsregierung gegen Hamburg verstehe die schleswigsche Landwirthschaft nicht.

Staatssecretär Dr. von Boetticher:

Der Herr Vorredner, dessen Liebe für seine schöne, meer— umschlungene Heimath ich in vollem Maße theile, hat die Regierung beschuldigt, daß sie kein ausreichendes Interesse für die landwirth⸗ schaftlichen Angelegenheiten dieser seiner Heimathsprovinz habe. Meine Herren, der Vorwurf ist unbegründet im allgemeinen, nament— lich auch unbegründet in Bezug auf den Gegenstand, der uns hier be⸗ schäftigt. Die Bemühungen der Regierung sind fortgesetzt, seitdem der englische Markt für die Zufuhr von deutschem Vieh geschlossen ist, darauf gerichtet gewesen, und zwar mit aller Energie, diesen Markt wieder für die deutschen Interessen zu öffnen. Das ist uns nicht gelungen. Aller angewendeten Bemühungen ungeachtet hat die englische Regierung das Ersuchen um Oeffnung des Islington⸗ Marktes und des Deptford-Marktes abgeschlagen, und wir haben keine Mittel, um eine günstige Entscheidung von Seiten der englischen Regierung zu erhalten; wenigstens haben wir es zur Zeit nicht. Meiner Ueberzeugung nach könnte sich die englische Regierung mit vollem Vertrauen insbesondere die Einfuhr schleswig⸗holsteinischen Viehes gefallen lassen; denn Schleswig-Holstein ist in der Regel seuchenfrei, und ich gebe dem Herrn Vorredner zu, wo vereinzelt durch Zufuhr aus anderen Landestheilen Seuchen— fälle vorgekommen sind, da ist es gelungen, in kürzester Frist die Seuche zu tilgen. Es liegt also nach meiner Ueberzeugung für den englischen Landwirth und für den Viehzüchter absolut keine Gefahr vor bei der Einfuhr von schleswig-holsteinischem Vieh nach England. Allein so sehr man auch darüber philosophiren kann, alle An⸗ strengungen helfen nichts. Die englische Regierung hat es abgeschla⸗ gen, und ich muß zu meinem lebhaften Bedauern dem Herrn Vor⸗ redner sagen, ich sehe in diesen Moment keine Möglichkeit, einen günstigen Bescheid zu erhalten.

Injwischen liegen die Dinge doch nicht so ungünstig, wie sie der err Vorredner dargestellt hat. Nach meinen Nachrichten ist aller⸗

dings so viel richtig, daß die aus seinen Landesgenossen gebildete Dampfschiffahrts⸗Gesellschaft, weil der Viehtransport nach England vollständig gestört ist, hat liquidiren müssen. Das ist ein Schade, der durch die Entschließungen der englischen Regierung herbeigeführt ist. Allein was den Absatz des schleswig⸗-holsteinischen Viehs anlangt, so wird mir berichtet, daß über den Mangel anderer Absatzgebiete die Schleswig- Holsteiner und die Dithmarsen insbesondere doch wohl nicht klagen können. (Zuruf) Das Vieh hat aus Schles⸗ wig⸗Holstein einen sehr guten Absatz nach dem Innern von Deutschland gefunden, namentlich nach Frankfurt a. M. geht sehr viel, und, wie ich höre, sind die Preise auch, wenigstens augenblicklich, so, daß die Schleswig⸗Holsteiner keinen Grund

haben, zu klagen. Also ich möchte glauben, daß die Beschwerde, die Wurzel des Wohlstandes, wie sich der Herr Vorredner ausdrückte, in ganzen Kreisen der Provinz Schleswig sei durch die ungünstigen Ver— hältnisse bezüglich der Viehausfuhr unterbunden, doch etwas über— trieben ist.

Selbst aber wenn die Lage eine so trostlose wäre, wie sie der Herr Vorredner schilderte, so mußte ich mich doch fragen: sind die Mittel der Abhilfe wirklich geeignet, um auch wirksam Abhilfe zu schaffen? Und würde ich weise handeln, wenn ich ein Mittel ergriffe, von dem ich von vorneherein die Ueberzeugung habe, daß es die beabsichtigte Wirkung nicht äußern kann?

Die Herren in Schleswig⸗Holstein und Ostfriesland hoffen ihr Heil von einer Absperrung ihrer Landestheile, und sie berufen sich in dieser Beziehung auf Oldenburg. Nun ist mir absolut nichts bekannt und ich glaube, ich würde es wissen, wenn die Behauptung des Herrn Vorredners richtig wäre —, daß sich Oldenburg gegen die Viehzufuhr abgesperrt hat. Ich weiß nicht, wo der Herr Vorredner diese Nachricht her hat. (Zuruf! Das mag sein. In den Zeitungen steht vieles, was nicht wahr ist (Heiter— keit), und zu dem Vielen glaube ich auch diese Nachricht rechnen zu können. Mein oldenburgischer Kollege ist im Augenblick nicht zur Stelle, sodaß ich positiv weder ja, noch nein sagen kann; aber ich glaube, die Reichsregierung würde unterrichtet sein, wenn irgend ein Landestheil des Deutschen Reichs sich gegen die Zufuhr abgesperrt hätte. Nun liegt die Sache aber so: Oldenburg hat nur eine außerordentlich geringe Zufuhr von Vieh aus anderen Landestheilen nöthig; Schleswig-Holstein, kann man sagen, hat an sich es auch nicht nöthig und bezieht einen großen Theil desjenigen Viehs, welches auf den Fettweiden gemästet wird, aus dem Norden, nament⸗ lich aus Dänemark. Nun komme ich auf die Maßregel der Ab⸗ sperrung zurück. Wenn wir den Nord-Ostsee⸗-Kanal fertig hätten und über diesen Nord-Ostseee⸗Kanal 5, 6, 8 Uebergänge hinübergingen, so ließe sich darüber reden, ob man nicht im Interesse des Viehexports und im Interesse der Seuchenfreiheit die Provinz absperren sollte. Aber so liegt das zur Zeit noch nicht. Für jetzt führen neben den Eisenbahnen, die nach dem Norden gehen, eine große Anzahl Landstraßen nach dem Norden, und alle diese Landstraßen zu sperren ist eben ein— fach absolut unmöglich, und wenn wir die Hauptzufuhrwege sperren, so drängen wir damit den illegitimen Viehverkehr auf die Nebenland— straßen. Man kann ihn da nicht hindern, und gerade durch diese Maßregel tragen wir dazu bei, die Seuche weiter zu verbreiten, als es jetzt der Fall ist, wo der Verkehr sich auf die legitimen Verkehrsstraßen beschränkt. Also das Interesse für die Hebung der Schmerzen der Schleswig⸗ Holsteiner und Ostfriesen ist in hohem Maße vorhanden; wir werden nach wie vor darauf hinwirken, daß die Bestimmungen unseres Senchengesetzes ernstlich und streng durchgeführt werden, und ich hege die Hoffnung und die Ueberzeugung, daß bei ernstlicher Durchführung dieser Bestimmungen diese Provinzen vor der Einschleppung und Ver— breitung von Seuchen geschützt sein werden. Wissen Sie eine andere Maßregel, wir wollen gern mit Ihnen discutiren, die Absperrung dieser Provinzen halten wir zur Zeit für ausgeschlossen, weil sie unwirksam ist.

Abg. von Kardorff (Rp.); Die Abwehr von Viehseuchen sei eine der wichtigsten wirthschaftlichen Fragen. Auf Grund seiner Erfahrungen in der Sache müsse er die Bestimmungen des Viehseuchen⸗ gefetzes vom landwirthschaftlichen Standpunkte aus für unzureichend erklaͤren. Es würden allerdings seine vorbeugenden Bestimmungen,“ besonders an der russischen Grenze, zu locker gehandhabt, so z. B. werde das Verbot des Treibens der Schweine auf den Wegen über⸗ treten, die Desinfection der Eisenbahnwagen nur sehr unvollkommen besorgt. Aber die Bestimmungen selbst bedürften einer Verschärfung; die nächsten Jahre würden es beweisen.

Staatssecretär Dr. von Boetticher:

Ich muß um Entschuldigung bitten, wenn ich nochmals das Wort ergreife. Aber wenn die Thatsachen richtig sind, die der Herr Vor— redner gegeben hat, so würde ich ihm außerordentlich dankbar sein, wenn er sie mir gegenüber specialisiren wollte. Denn in der That, dann lägen grobe Verstöße gegen die erlassenen Vorschriften vor. Es darf über die russische Grenze überhaupt gar kein Viehtransport kommen anders als mittels der Eisenbahn; und diese Transporte dürfen nur einzelnen wenigen dicht an der Grenze gelegenen Städten zugeführt werden, und zwar unter der Bedingung, daß unmittelbar nach der Ankunft in diesen drei Städten auf dem Schlachthof die Abschlachtung der Thiere stattfindet. Wenn das richtig wäre, was der Herr Vorredner gesagt hat, so würde ich ihm für nähere Mittheilungen dankbar sein, es würden Mißstände vor— liegen, gegen die sofort einzuschreiten die Reichsregierung volle Ver— anlassung hätte.

Ebenso ist es mit der Desinfection der Eisenbahnwagen. Wo sie mangelhaft ausgeführt wird, müssen die vorgesetzten Behörden Abhilfe schaffen.

Nun frage ich: wenn die bestehenden Gesetze nach der Meinung des Herrn Vorredners fo mangelhaft ausgeführt werden, was soll denn die Verschärfung der Gesetze? Wer giebt denn die Garantie dafür, daß nun die verschärften gesetzlichen Vorschriften besser ausgeführt werden? Gerade die Ausführungen des Herrn Vorredners bringen mich auf die Frage, was eigentlich nöthig wäre. Das ist eine verschärfte Controle der getroffenen Anordnungen und die gewissenhafte Durch⸗ führung der gesetzlichen Vorschriften. Und da komme ich wieder auf das, was ich vorhin gesagt habe: die Vorschriften genügen, wenn sie gewissenhaft durchgeführt werden und geben den denkbar größten Schutz gegen die Maul- und Klauenseuche.

Ich wiederhole, ich bitte den Herrn Vorredner, mir die Details zu geben; es soll sofort eingeschritten werden. m nrg er Bevollmächtigter zum Bundesrath Senator Dr.

Burchard erhebt Einspruch gegen die Behauptung des Abg. Thomsen, Die h bi sce Markt die Ursache der Verseuchung Schleswig⸗ olsteins sei.

Abg. von Karderff (Rp.: Wer die xussisch-schlesische Grenze kenne, wisse, daß, gleichviel wie die auf dem Papier stehenden Gesetze lauteten, das Uebertreten und Uebertreiben von ieh über die Grenze nicht zu verhindern sei. Das Treiben von Schweineheerden müsse gesetzlich verboten werden; es könne jetzt nur durch Polizeiverordnung geschehen. Die Eisenbahnwagen würden in der That ungenügend desinficirt, denn es fei gesundes Vieh nach dem Transport in Bayern plötzlich an der Maul⸗ und Klauenseuche erkrankt. Es ö hierfür besondere Desinfectoren angestellt werden. Das iet , aber sei, daß die Biehmärkte in einem Distriet beim ersten

uftreten der Maul⸗ und Klauenseuche verschoben würden, bis die Seuche vollständig erloschen sei.

Staatssecretär Dr. von Boettich er:

führungen dem Herrn Vorredner auf seine Bemerkung bezüglich der Viehmärkte zu antworten; ich kann das nachholen: Alles das, was der Herr Vorredner will, ist bereits durch das Seuchengesetz gegeben. Der § 22 des Seuchengesetzes schreibt vor, daß im Falle der Seuchen⸗ gefahr die Sperre des Stalles oder sonstigen Standortes kranker oder verdächtiger Thiere, des Gehöfts, des Orts, der Weide oder der Feldmark u. s. w. zulässig ist. Der 28 schreibt vor:

die Einstellung der Vieh- und Pferdemärkte sowie der öffent⸗

lichen Thierschauen innerhalb des Seuchenorts oder dessen Umge⸗

gebung oder den Ausschluß einzelner Viehgattungen von der Be⸗

nutzung der Märkte.

Darüber, was „Seuchenort“ ist, läßt sich in conereto außer⸗ ordentlich streiten; aber das ist gerade ein Vorzug des Gesetzes, daß es in dieser Beziehung nicht eine bestimmte Kilometerzahl angiebt, sondern daß es dem Regierungs⸗Präsidenten oder dem sonst zuständigen Beamten das selbständige Ermessen überläßt, nach Maßgabe der Umstände zu beurtheilen, ob Veranlassung zu einer solchen Maßregel vorliegt.

Was dann die Frage wegen der Desinfection der Eisenbahn⸗ wagen betrifft, so wird die Desinfection jetzt schon von den Eisen⸗ bahnverwaltungen durch Sachverständige vorgenommen. Daß in einzelnen Fällen der „Sachverständige“ vielleicht kein Sachverständiger sein mag, das will ich gern zugeben; aber die Garantie für die Qualification eines einzelnen Functionärs kann überhaupt kein Gesetz geben. ;

Was endlich die

anlangt, so muß ich

Verhältnisse an der

doch sagen: wenn die wie der Herr Abg. von Kardorff es dargelegt hat, daß überhaupt eine Beschränkung des Viehtransports auf gewisse Straßen und nach gewissen Städten nicht aufrecht zu erhalten ist, sondern daß daneben jeder Beliebige an jeder beliebigen Stelle Vieh einschmuggeln kann, dann würde ich allerdings empfehlen müssen, die sehr erheblichen Kosten, die wir für die Grenzbewachung ausgeben, uns lieber zu ersparen. Aber ich habe doch ein größeres Vertrauen zu der Wirksamkeit unserer Sperrmaßregeln, und ich glaube, daß natürlich abgesehen von einzelnen Schmuggelfällen, die auch bei größter Aufmerksamkeit sich niemals abstellen lassen werden im großen und ganzen doch die Grenze unter eine Bewachung gestellt ist, welche die Einschleppung von Seuchen hindert. Sind in dieser Beziehung Mißstände vorgekommen, ist es vorgekommen nach der Kenntniß des Herrn von Kardorff, daß wirklich auf illegitimem Wege und gegen die bestehende Vorschrift ein Transport in Schlesien Eingang ge⸗ funden hat, so darf ich ihn nur bitten, mir zu sagen, wann und wo das geschehen ist, und ich werde dafür sorgen, daß die Sache ernstlich gerügt und die Wiederholung eines solchen Mißstandes für die Zukunft abgestellt wird.

Wenn er nun aber schließlich gesagt hat: da mögen Sie Gesetze machen, welche Sie wollen, auf dem Papier nimmt sich das alles sehr schön aus, aber an der schlesischen Grenze besteht keine Gewähr dafür, daß das schöne Gesetz ausgeführt wird, dann halte ich ihm entgegen: dann sehen Sie umsomehr von jeder Verschärfung des Gesetzes ab; denn auch das schärfste Gesetz würde dem Uebelstand anheimfallen, daß es gegenüber den Zuständen in Schlesien versagt.

Abg. van Hülst nl.) verweist auf das Beispiel Aldenburgs, das durch Einführung der Sperre von der Maul- und Klauenseuche verschont geblieben sei, während die Seuche nach Ostfriesland zweimal von Berlin eingeschleppt worden sei.

Abg. Thom sen (b. k. F erklärte, daß die Thierärzte unmöglich das Vieh, wie es auf dem Hamburger Markt untergebracht würde, gründlich auf seinen Gesundheitszustand untersuchen könnten.

Staatssecretär Dr. von Boetticher:

Ich muß mich dem Herrn Vorredner gegenüber dagegen ver⸗ wahren, daß ich gesagt hätte: die englische Regierung ist aus pro⸗ tectionistischen Gründen dazu übergegangen, unsere Ausfuhr nach Eng⸗ land zu prohibiren. Ich habe das Wort „protectionistische Gründe“ gar nicht in den Mund genommen.

Im übrigen scheint der Herr Vorredner auch jetzt noch daran festzuhalten, daß die deutschen Regierungen in ihren Verhandlungen mit der englischen Regierung etwas versäumt haben. Das ist wirklich nicht der Fall gewesen; im Gegen⸗ theil, wir haben jede Gelegenheit, die sich uns bot, benützt und auch ohne, daß sich uns eine besondere Gelegenheit bot, ssind wir bemüht gewesen, auf die englische Regierung dahin einzuwirken, daß sie uns den Markt wieder öffne. Meine Herren, in den Zeiten, in denen Schleswig- Holstein vollständig seuchenfrei war, wo nicht eine Spur von Maul- und Klauenseuche in der ganzen Provinz vorhanden war, hat die englische Regierung sich doch hartnäckig geweigert, ihre Märkte dem deutschen Import wieder zu erschließen, und daraus ent⸗ nehme ich, daß jedes Mittel fruchtlos ist, was wir noch hätten an— wenden können. Es sind bestimmte Gründe, die ich nicht qualificiren will und die ich auch nicht qualifieiren kann, da ich sie nicht kenne, welche die englische Regierung dazu führen, diese Sperre auf— recht zu erhalten.

Wenn der Herr Vorredner der Regierung außerdem daraus einen gewissen Vorwurf hat machen wollen, daß man in England über den Ausbruch von Seuchen auf dem Hamburger Gebiet eher unterrichtet sei von Hamburg aus als wie von Seiten der deutschen Regierung, so kann ich ihm den Schlüssel zu diesem Räthsel geben. Die Sache liegt ganz einfach so: wenn ein solcher Fall in Hamburg festgestellt wird, so telegraphirt der Hamburger Senat gleichzeitig nach England, um die englische Regierung darauf aufmerksam zu machen, und nach Berlin; wir geben auch diesseits die Nachricht nach London weiter, kommen aber natürlich etwas später an, als die directe Hamburger Meldung. Es liegt also kein Unterlassen von Seiten der deutschen Regierung vor.

Wenn nun schließlich der Herr Vorredner darauf zurückgekommen ist, es möchte doch wenigstens, wenn keine Sperre, doch eine Quaran⸗ täne eingeführt werden er hat dabei wieder auf ein oldenburgisches Muster hingewiesen, welches mir unbekannt ist, so behaupte ich, daß die Gründe, die der Einführung einer solchen Sperre entgegenstehen, in potenzirter Weise der Quarantäne entgegenstehen. Denn einmal ist die Quarantäne als solche ziemlich theuer, weil sie Quarantäneanstalten voraussetzt; zweitens wird dabei vorausgesetzt, daß jeder, der Vieh in dem betreffenden Bezirk, an dessen Grenze die Quarantãneanstalt etablirt ist, einführen will, nun den Weg auf jener Quarantãne⸗ anstalt nimmt. Das wird er aber nicht thun, wenn er illegitimer⸗ weise Vieh in jenen Bezirk einführen will, sondern er benutzt die⸗

russischen Sache

Grenze so liegt,

Ih habe es allerdings unterlassen, bei meinen letzten Aus⸗

selben Schleichwege, die bei der Sperre gegeben sind, wenn man diese