1892 / 78 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 30 Mar 1892 18:00:01 GMT) scan diff

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Ober⸗Bürgermeister Zweigert empfiehlt dringend die Beschleuni⸗ gung der beabsichtigten einheitlichen Kasseneinrichtungen, der Ver⸗ einigung aller Steuererhebungsgeschäfte. Wenn auch den Steuer⸗ pflichtigen nur die Geheimhaltung der Steuerquellen gesetzlich zuge⸗ sichert sei, nicht der Steuersãtze so sei doch für die Steuerzahler auch die Geheimhaltung der Steuersätze bei den Wahllisten u. s. w. wichtig. Aber auch die Geheimhaltung der Steuerquellen werde durch die Instruction des Finanz⸗Ministers bedenklich gestört dadurch, daß die Gemeindevorsteher. soweit sie auch der. Veranlagungscom. mission angehörten, der Voreinschätzungscommission die Listen zur Begutachtung unterbreiten müßten, während das gar nicht noth⸗ wendig fei. Was der Finanz⸗Minister über die Steuerreform gesagt habe, habe ihn erfreut; er werde dem Minister dankbar sein, wenn er die Reform zu Ende führe; aber schon gegenüber dem jetzigen Etat müffe er sagen: Die Botschaft hör' ich wohl, allein mir fehlt der Glaube!

Finanz⸗Minister Dr. Miquel:

Ja, meine Herren, in den letzten Ausführungen des Herrn Vor— redners ist doch keine Folgerichtigkeit, denn wenn er in dem neuen doch zweifellos richtiger veranlagten Steuergesetz eine große Gefahr für die Communen erblickt, so ist diese Gefahr bei dem sehr mangel⸗ haften bisherigen Einkommensteuergesetz ja noch viel größer; darüber kann doch nicht«der geringste Zweifel sein, und vor allem sollte dem Herrn Vorredner darüber kein Zweifel aufkommen, weil er ja in einer Provinz lebt, wo man unter diesen schwankenden, unsicheren Zuschlägen zur Einkommensteuer am allermeisten leidet, wo die Real⸗ steuern, die soliden, dauernden, gleichmäßigen Steuern zurücktreten gegen die Zuschläge zur Personaleinkommensteuer.

Meine Herren, ich werde diese verschiedenen Bemerkungen des Herrn Vorredners in Kürze im übrigen beantworten. Er hat ausgesprochen, daß, um möglichst die Ergebnisse der Einkommensteuerveranlagung für einzelne Censiten geheim zu halten, es wünschenswerth wäre, die Begutachtung der Einkommen⸗ steuersätze der einzelnen Censiten über 3000 den Voreinschätzungs⸗ commissionen überhaupt nicht mehr zu überlassen. Ich möchte über diese Frage, die allerdings viel für und viel gegen aufweist, heute keine bestimmte definitive Erklärung abgeben. Vorläufig bin ich noch der Meinung, daß wir diese Begutachtung nicht entbehren können, namentlich in großen Städten und auch nicht in großen Kreisen, aber ich will über die Sache noch nicht definitiv urtheilen.

Wir werden in den nächsten Jahren in Beziehung auf die Wir⸗ kung der einzelnen Bestimmungen des Einkommensteuergesetzes noch viele Erfahrungen machen, und das Finanz⸗-Ministerium wird bemüht sein, für alle die Unzuträglichkeiten und Mißstände, die vielleicht hier und da hervortreten, ein offenes Auge zu haben. Wir werden soweit wir abkömmliches Personal haben in sehr kurzer Zeit auch die Räthe des Finanz-Ministeriums reisen, die Ver⸗ hältnisse an Ort und Stelle erkunden, eine Revision und Vergleichung eintreten lassen, und wir werden nach und nach dann eine klare und bestimmte Ueberzeugung gewonnen haben, ob in manchen einzelnen Punkten vielleicht das Gesetz zu ändern sei. Daß dieser Zustand eintreten würde namentlich gegenüber der ersten Veranlagung, daß wir im nächsten Jahr vielfach genöthigt sein würden, Novellen zum Ein— kommensteuergesetz zu machen, das habe ich schon bei der Berathung des Einkommensteuergesetzes gerade hier im Herrenhaus ausführlich dargelegt. Ich will noch bemerken, daß die Vorsitzenden der Ver⸗ anlagungscommission mit dem Vorsitzenden der Voreinschätzungs⸗ commission nach der Auffassung des Finanz Ministeriums grundsätzlich nicht identisch sein sollen und daß da, wo wir Kenntniß von diesen Sachen bekommen haben, und auch nach den Instructionen, die wir den Behörden ertheilt haben, eine Identität in diesen Stellungen, eine personelle Identität nicht zugelassen ist.

Was nun die Frage der Veröffentlichung der Resultate der Einschätzung betrifft, so ist der Herr Minister des Innern mit mir ins Benehmen darüber getreten, ob und in welcher Weise man Vorsorge treffen kann. Vom Standpunkt des Finanz⸗Ministeriums ist gegenwärtig ein Interesse an der Veröffentlichung der Ergebnisse der Steuerveranlagung und der dadurch möglichen öffentlichen Kritik nicht mehr vorhanden, wenigstens nicht in dem Maße, wie dies früher bei der mangelhaften Einschätzung ohne Declaration wohl der Fall gewesen sein mag. Andererseits erkenne ich bereitwillig an, daß heute, wo die Ergebnisse der Veranlagung des einzelnen Censiten doch wesentlich auf seinen eigenen Erklärungen beruhen, erheb⸗ lich größere Unzuträglichkeiten und Nachtheile geschäftlicher Natur in Beziehung auf die Creditverhältnisse u. s. w. für den einzelnen Censiten entstehen können, also früher, wo diese Einschätzung sich nicht auf seine eigene Erklärung stützte, sondern auf dem Ermessen der einzelnen Veranlagungscommission. Wir also von unserm finanziellen Standpunkt aus würden gegen eine angemessene Beschränkung der Oeffentlichkeit dieser Ergebnisse keinerlei Bedenken erheben. Ich will aber nicht unerwähnt lassen, daß dabei sehr erhebliche Schwierigkeiten hervortreten. Aller⸗ dings kann ja wohl, wenigstens nach meiner Meinung, ohne

allzu große Unzuträglichkeiten für die Gemeinden die Mittheilung über das Veranlagungsergebniß den einzelnen Censiten in verschlossenen Briefen direct gemacht werden, das öffentliche Auf⸗ legen der Listen erspart werden, soweit es das Interesse des Ein⸗ zelnen betrifft; dagegen wird die Frage schon außerordentlich schwer, wenn es sich um Garantien des Wahlrechts handelt. Heute kann jeder Wahlpflichtige bei dem Dreiklassenwahlsystem in der offen gelegten Liste sich überzeugen, nicht bloß, ob er zum Stimmen in der richtigen Klasse berufen ist, sondern auch ob die Drittelung nach dem Drei⸗ klassenwahlsystem in zutreffender Weise vor sich gegangen ist. Würde man dies ausschließen, so müßte man wenigstens versuchen, an die Stelle dieser Garantie des Wahlrechts, welche in der Ver⸗ öffentlichung der Wahlliste liegt, andere Garantien zu setzen nicht so sehr schwer sein mag. Ich will damit nur hervorheben, daß die Sache, die sich übrigens nicht bloß auf das politische Wahlrecht im Staat, sondern auch auf die verschiedenen Arten der Gemeinden, auf Kirchen⸗ und Schulgemeinden bezieht, so leicht, wie det Herr Vorredner sie darzustellen scheint, doch nicht ist. Aber, wie gesagt, die Verhandlungen schweben und ich kann zur Zeit über das Resultat noch nichts mittheilen.

Endlich ist der Herr Ober-Bürgermeister von Essen auf die Frage wegen der Steuererhebung gekommen. Ich glaube, ich habe schon eine Frage ähnlicher Art bei der Berathung des Einkommensteuergesetzes dahin beantwortet, daß wir im Staats- Ministerium von der Ueberzeugung ausgehen, daß die jetzige Ver⸗ schiedenartigkeit der Erhebung auf die Dauer nicht aufrecht erhalten werden kann und dafür auch kein Bedürfniß vorliegt, daß es aber sich

und, wie ich ausdrücklich hervorhebe, damit in Verbindung der Com—- munalsteuer, erst dann zu gehen, wenn die ganze Steuer⸗ reform zum Abschluß gelangt ist. Das wäre gegenwärtig noch vor⸗ zeitig. Es sind dabei eine Reihe von Fragen zu erörtern, die auch den weiteren Fortgang der Steuerreform bedingen. Ich möchte daher den Herrn Vorredner ersuchen, sich bis dahin zu gedulden. Ober⸗Bürgermeister Becker bezweifelt, daß dig Steuerveran⸗ lagung überhaupt geheim gehalten werden könne. Was die Ein⸗ kommensteuer angehe, so seien die gehegten Erwartungen übertroffen und es stehe in ÄAusficht, daß nun mehr die Reform der Gemeinde⸗ steuern erfolgen könne. Aber mit den Realsteuern allein kämen die Gemeinden nicht aus; es müßten auch andere Einnahmen, z. B. Sporteln und Gebühren, auch die indirecten Steuern den Gemeinden zugänglich gemacht werden. Neben der Biersteuer würde eine Wein? und Branntweinsteuer und ein, kleiner Zuschlag zu den Schlachthausgebühren ganz lohnend für die Gemeinden sein.

Finanz⸗Minister Dr. Miquel:

Ich will nur kurz bemerken, daß die Ausführungen des Herrn Ober⸗Bürgermeisters Becker durchaus bei der Staatsregierung auch schon in den Vorberathungen der betreffenden Gesetze die erforderliche Beachtung gefunden haben und auch in Zukunft finden werden. Man wird noch eine Reihe anderer Maßregeln ergreifen können, um die als äußersten Fall zu bezeichnende Nothwendigkeit, zu Steuern und nament⸗ lich zu Zuschlägen zur Personalsteuer zu greifen, möglichst weit hinaus⸗ zuschieben. Das wird eine Hauptaufgabe des neuen C ommunalsteuer⸗ gesetzes sein, in dieser Beziehung die erforderlichen Anordnungen zu treffen.

Professor Dove befürwortet dringend die endliche Durchführung der Grundbuchordnung in Göttingen.

Freiherr bon. Durant spricht sich in demselben Sinne wie Graf Pfeil bezüglich der Amortisationsbeiträge aus, und hält es für nothwendig, auch die Patronatslasten als abzugsfähig zu behandeln. Iraf von. Pückl er-Burghauß weist darauf hin, daß die schlesische Landschaft die Amortisationsbeiträge ansammele, bis 110 der Schuld angesammelt sei; so lange ruhe das Verfügungsrecht des Schuldners, deshalb müsse die Amortisation abzugsfähig sein.

In Verbindung mit dem Etat der. Bauverwaltung werden berathen die Nachrichten über die Bauausführungen an den Wasserstraßen und die Denkschrift über den Dort— mund⸗Ems⸗Kanal. . . Berichterstatter Ober⸗Bürgermeister Zweigert bemängelt, daß in diesen Nachrichten nichts enthalten e über. die Klagen, welche im Herrenhause in Bezug auf die Wasserwirthschaft vorgebracht worden seien.

Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:

Meine Herren! Daß in dem Ihnen vorgelegten Bericht auf die Beschwerden und Klagen, die wir im Hohen Hause sowohl wie im Hause der Abgeordneten über die allgemeine Bauverwaltung, ins⸗

besondere über ihre Verwaltung der Wasserwirthschaft gehört haben,

nichts enthalten ist, hat seinen speciellen Grund darin, daß auf Aller⸗ höchsten Befehl Seiner Majestät des Königs in Aussicht genommen ist: für die Prüfung und Beantwortung der Fragen: I) welches sind die Ursachen der in neuerer Zeit vorgekommenen Ueberschwemmungen? Hat nament— lich das bisherige System zur Steigerung der Hochwassergefahr und der in neuerer Zeit vorgekommenen Ueberschwemmungsschäden bei— getragen und welche Aenderungen sind zutreffendenfalls zu empfehlen? 2) Welche anderweite Maßregeln können angewendet werden, um in Zukunft der Hochwassergefahr und den Ueberschwemmungsschäden soweit als möglich vorzubeugen? einen Ausschuß einzusetzen.

Diesem Ausschuß wird hinreichend Gelegenheit gegeben werden, alle diese Beschwerden und Klagen, welche im vorigen Jahre vor⸗ gebracht sind, gründlich zu untersuchen. Dieser Ausschuß wird, da er

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nicht bloß aus Wasserbautechnikern und Vertretern der Königlichen Staatsregierung besteht, sondern auch aus Laien, welche bisher schon der Wasserwirthschaft ein Interesse entgegengebracht haben, der geeignete Ort sein, um alle bezüglichen Fragen auf das eingehendste zu prüfen. Aus diesen Gründen hat die Bauverwaltung sich versagen müssen, in ihrem Bericht sich nochmals mit der Sache zu beschäftigen.

Zu der Denkschrift über den Dortmund⸗Ems-⸗Canal be⸗ antragt Freiherr von Manteuffel (in Uebereinstimmung mit dem Abg. Grafen Kanitz im Abgeordnetenhause):

Die vorgeschlagene Aenderung des im Jahre 1886 genehmigten

Kanalprojectes von der Bedingung abhängig zu machen, daß die Mehrkosten mit Ausnahme derjenigen, welche durch den Anschluß an den Mittellandkanal bedingt sind durch freiwillige Beiträge der Interessenten gedeckt werden?. .

Berichterstatter Ober⸗Bürgermeister Zweigert empfiehlt die Erledigung durch Kenntnißnahme; die Regierung habe noch gar keine Mehrforderung beantragt, denn es könnten ja auch einzelne Erspar⸗ nisse gemacht werden. ; .

Freiherr von Manteuffel: Es sei wünschenswerth, daß mit⸗ gethellt werde, welche Beiträge die einzelnen Zechen und die betheilig⸗ ken Provinzen gewährt hätten. Die Zechen noch weiter zu begün— stigen, liege kein Anlaß vor. Denn allein die Zechen hätten ein Interesse an dem Kanal, sie hätten sich aber nicht einmal dazu entschließen können, die Kosten des Grunderwerbs zu decken. So groß sei das Interesse der Allgemeinheit an dem, Kanal doch wehl nicht, daß im Interesse der Zechen weitere 44 Millionen auf den Staat übernommen werden müßten. w

SSber⸗Bürgermeister Schmieding; Die Beiträge der Provinzen und Industriellen seien doch nicht so niedrig, als man annehme. Der Dorkmund-Ems-⸗Kanal sei nur ein Stück eines Rhein Weser⸗-Elbe— Kanals, der gesetzlich festgelegt sei Der Kanal nach Dortmund sei nur ein Stichkanal, Eine Mehrforderung enthalte, die Denkschrift noch nicht, sondern ö. erbitte nur eine Entlastung für gewisse Ver⸗ änderungen des Planes, die auf neueren Ermittelungen beruhten, sonst würde der Kanal schon seit einigen Jahren im Bau sein, und die jetzt ersparten Zinsen hätten schon mehr betragen als die viel⸗ leicht nothwendig werdenden Mehrkosten. Die Verhandlungen. im andern Hause hätten, nicht gerade das Interesse der Allgemeinheit im Auge gehabt; es scheine ibm dabei eine gewisse Mißstimmung über die im Westen herrschende Wohlhabenheit mitgespielt zu haben, obgleich gerade auf der Entwickelung der Industrie die Leistungsfähigkeit des Staats beruhe.

Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:

Auch namens der Staatsregierung möchte ich die Bitte an Sie richten, den Antrag des Freiherrn von Manteuffel abzulehnen. Daß die Abänderungen des ursprünglichen Projects, wie sie in der Denk— schrift Ihnen dargelegt sind, erhebliche Verbesserungen der Wasser⸗ straße von Dortmund nach Ems darstellen, ist von keiner Seite bestritten worden. Desgleichen hat bereits der Herr Finanz⸗Minister im Abgeordnetenhause hervorgehoben, daß der Staatsregierung ein Beitrag zu den erhöhten Kosten seitens der Betheiligten nur will kommen sein würde. Es fragt sich nur, ob dieser Beitrag unter den obwaltenden Umständen gerechtfertigt und ob die Forderung eines Beitrags von Interessenten auch wirklich durchgeführt werden kann. Meine Herren, ich zweifle nach beiden Richtungen hin, daß diese Frage zu bejahen sein möchte. Die Verbesserungen,

empfiehlt, an diese neue Organisation der Erhebung der Staats⸗

welche in der Denkschrift ausgeführt sind, sind nicht etwa in

Aussicht genommen, um die Vortheile und Begünstigungen in der Benutzung des Kanals für einzelne Betheiligte zu erhöhen sondern die Verbreiterung und Vertiefung des Kanals ist vorgesehen worden, um ihn für die allgemeine Benutzung als Wasserstraße in erhöhtem Maße geeignet zu machen, und insbesondere auch mit Rücksicht darauf, daß diese Wasserstraße in Zukunft ja wohl unzweifelhaft in einzelnen Theilen ein Zwischenglied in der großen Wasserverkehrsstraße vom Rhein über die Ems und Weser nach der Elbe bilden wird. Unter diesen Umständen sind es nicht nur die einzelnen Interessenten, die einen Vortheil von den Verbesserungen haben würden, es sind nicht bloß die Kohlenzechen, es ist ebenso der Kohlenhandel, es sind die Schiffahrtsinteressenten, es sind die Städte, die von dem Kanal berührt werden, es ist ferner, wie allerseits anerkannt wurde, auch die Landwirth⸗ schaft, und es sind in weiterer Linie alle diejenigen, die sich des Kanals in Zukunft bedienen wollen, um ihre Producte oder ihre Bedürfnisse auf der großen Wasserstraße zwischen Elbe und Rhein zu befördern; also auch der Osten würde in Zukunft von diesem Kanal nicht unerhebliche Vortheile erhoffen dürfen. Es scheint mir daher auch gerechtfertigt, daß nicht einzelne Interessenten, sondern daß der Staat die Kosten für die als nothwendig und zweckmäßig erkannten Abänderungen des Kanalprojects zu tragen haben dürfte.

Aber selbst, meine Herren, wenn man anderer Ansicht sein möchte, so würde doch zunächst die Frage entstehen, von welchen Betheiligten sollen diese drei Millionen Mark Kosten darauf würde sich ja der Betrag reduciren, da auch nach dem Antrage des Freiherrn von Man⸗ teuffel die Kosten, die gewissermaßen vorschußweise für den künftigen Mittellandkanal getragen werden sollen, hier nicht in Betracht ge⸗ zogen werden dürfen von wem sollen diese Kosten eingezogen werden? Da ist zunächst darauf aufmerksam zu machen, wie auch in der Denkschrift ausgeführt ist, daß die Kosten zur Zeit über— haupt nech nicht feststehen, ja überhaupt noch nicht mit völliger Gewißheit feststeht, ob überhaupt Mehrkosten entstehen werden. Ich möchte hier hinzufügen, daß nach meiner Ansicht, die allerdings durch Zahlen nicht begründet ist, Mehrkosten wohl unzweifelhaft entstehen werden. Wenn Herr Freiherr von Manteuffel fragt, worin die Ersparnisse bestehen, die gegenüber dem ursprünglichen Project eintreten, so werden dieselben zumeist und in sehr erheblichem Maße dadurch eintreten, daß auf beträchtlichen Strecken nicht mehr der ursprünglich in Aussicht genommene Lateralkanal, sondern dafür die kanalisirte Ems eintreten soll. Dadurch ergiebt sich nach jeder Richtung, insbesondere aber bezüglich der Kosten, ein erheblicher Vortheil. Das Gesammtresultat der Kosten wird sich erst übersehen lassen, wenn für die Abänderung ganz specielle Projecte aufgestellt sind. Die Aufstellung dieser Projecte wird aber mindestens ein bis anderthalb Jahre erfordern, da die tech— nischen Schwierigkeiten dieses Projects in einzelnen Theilen ganz außerordentlich große sind. Ich mache in dieser Hinsicht darauf aufmerksam, daß z. B. die eigenthümlichen Verhältnisse der Wasserversorgung, dann der Umstand, daß der Kanal auf weite Strecken durch das Bergwerksrevier geht, ganz besondere Vor— sicht bei der Ermittelung des Projects und bei der Ermitte⸗ lung der Kosten erheischt, die nur mit großem Zeitaufwande erfüllt werden kann. Aus diesem Grunde würden wir zur Zeit gar nicht in der Lage sein, den Interessenten sagen zu können, wir brauchen von euch so und so viel. Die drei Millionen, die an— genommen worden sind, beruhen lediglich auf oberflächlichen Er⸗ mittelungen, aber auf einer Ermittelung, von der wir annehmen, daß sie wenigstens nicht überschritten werden wird. Und von wem sollen wir nun, wenn wir wirklich festgestellt haben, wie groß die Ueber— schreitung des ursprünglichen Credits sein wird, diese Mehrkosten einziehen? Im anderen Hause hat Herr Graf Kanitz ein ganz präcise Antwort darauf gegeben, nämlich: Zieht sie doch von denjenigen Leuten ein, die in erster Linie Vortheil pon dem Kanal haben! und ich glaube auch aus den Ausführungen des Herrn Freiherrn von Manteuffel ungefähr den gleichen Klang vernommen zu haben. Meine Herren, die Kohlenzechen sind ja er— heblich betheiligt, wenigstens ein großer Theil der Kohlenzechen, an dem Zustandekommen des Kanals und vielleicht auch, wenn auch in minderem Maße, an den erhöhten Abmessungen des Kanals. Aber sie sind doch nicht allein betheiligt, sondern, wie schon der Abgeordnete Professor Dünkelberg im anderen Hause auseinandergesetzt hat, auch die Landwirthschaft der betreffenden Kreise ist ziemlich erheblich daran betheiligt, daß der Kanal nicht nach dem ursprünglichen Project, sondern in den Abänderungen, die in der Denkschrift aufgeführt sind, zur Ausführung gebracht werde, und zwar deshalb ist die Lanswirthschaft erheblich betheiligt, weil sich in den Ent- und Bewäösserungsverhältnissen der betreffenden Kreise ihr Vortheile erwachsen. Es sind aber ebenso betheiligt und in ziemlich hohem Maße die Schiffahrtsinteressenten des Rheins und der Weser, der Handel, die Städte, die von dem Kanal berührt werden u. s. w. Wie soll nun die Vertheilung erfolgen auf diese einzelnen Interessenten? Meine Herren, Sie wissen recht gut, welche Schwierig⸗ keiten es gemacht hat, von den Interessenten diejenigen Kosten beizu⸗ bringen, die für den Grunderwerb nothwendig sind, und daß der Staat mit Genehmigung beider Häuser des Landtags im Jahre 1886 mit er— heblichen Summen hat einspringen müssen, um den von den Inter— essenten nicht beizutreibenden Betrag der Grunderwerbskosten zu decken. Es ist darauf hingewiesen worden, daß die nächstbetheiligten Kohlen⸗ zechen nicht in ausreichendem Maße fich betheiligt hätten. Von dem Herrn Ober-Bürgermeister Schmieding sind bereits einzelne Daten in dieser Hinsicht gegeben worden; ich möchte sie noch ein wenig ergänzen, indem ich Ihnen aus der Liste, die mir vorliegt, noch folgende Mittheilungen bezüglich der Kohlenzechen machen möchte. Es hat erstens die westfälische Berggewerkschaftskasse 1 000 000 gezeichnet, der Gelsenkirchener Bergwerksverein, von dem im Ab⸗ geordnetenhause gesagt wurde, er hätte 3000 Mark gegeben, hat 150000 60 gezeichnet, der westfälische Grubenverein 0 000 K, die Zeche Germania 25 000, Zeche Westfalia 60 000, die Belgische Actien⸗ gesellschaft in Herne⸗Bochum 60 000, Mont Cenis 25 00, Viktor 0 000, Friedrich der Große 60 000 und verschiedene andere Zechen noch im Betrage von 25 000 bis herunter zu 109000 als geringster Beitrag. Die Abstufung der Beiträge ist geschehen je nach der Leistungsfähigkeit der Zechen und je nach dem Maße des Interesses der Zechen, ob dieselben dem Kanal näher oder entfernter liegen. Es ist auch bereits darauf hingewiesen, daß der Provinzialverband von Westfalen 1 Million gegeben hat, und daß die sämmtlichen vom; Kanal berührten Kreise sich erheblich betheiligt haben, ebenso die größeren Städte und die Eisenindustrie des Kanalgebiets.

Die Verhandlungen, die seinerzeit geführt worden sind, um die

gesammten Grunderwerbskosten ven den Betheiligten zu erlangen, haben nicht vollständig zum Ziele geführt; es ist auch von Seiten der betreffenden Behörden darauf aufmerksam gemacht worden, daß die Leistungsfähigkeit einzelner Kreise schon jetzt durch die gezeichneten Beiträge in erheblichem Maße in Anspruch genommen sei.

Ich möchte daher glauben, daß es einmal nicht zum Ziele führen würde, wenn wir nach Jahresfrist oder nach anderthalb Jahren auf Grund der dann fertiggestellten Kostenanschläge uns in weitere Ver— handlungen mit den Betheiligten einlassen wollten. Ich glaube aber auch nachgewiesen zu haben, daß es an und für sich nicht gerechtfertigt sein würde, von einzelnen Interessenten Kosten einzuziehen für eine Verbesserung einer allgemeinen Verkehrsstraße für große Massen—⸗ transporte, an welcher in Zukunft voraussichtlich ein großer Theil des Landes direct oder indirect betheiligt sein wird. Ich möchte Sie daher dringend bitten, meine Herren, den Antrag des Herrn von Manteuffel abzulehnen. (Bravo)

Freiherr von Stum m-⸗Halberg: Er halte den gegenwärtigen Zeityunkt. nicht für geeignet, den Kanal auszuführen, da die gegen⸗ wärtige Finanzlage den Ausbau der Secundärbahnen und ebenso die Herabfetzing der Gütertarife hbindere. Der Finanz-Minister habe die Zuficherung gegeben, daß die Kanalgebühren die Zinsen des Ka— pitals aufbringen würden. Das werde bei einer Vermehrung des Bau⸗ kapitals und der Unterhaltungskosten immer schwieriger. Die Inter⸗ essenten hätten auf die Ausfuhrung des Projects gerechnet, er wolle daher dem Bau des Kanals nicht entgegentreten; aber der Antrag des Freiherrn von Manteuffel sei nur billig. Es hanzele sich hier nicht bloß um eine Denkschrift, sondern um eine Aenderung des beschloffenen Projects; die Regierung dürfe aber über die 1886 be⸗ schlöffenen Summen nicht hinausgehen. Wenn die Interessenten sich scheuen sollten, von 70 Millionen 3 Millionen zu übernehmen, dann wärde das die Bedeutungslosigkeit des Kanals beweisen.

Finanz⸗Minister Dr. Miquel:

Meine Herren, ich bin bei dieser Berathung persönlich in einer etwas schwierigen Lage, aber ich werde Ihnen doch zeigen, daß ich ganz consequent denke und consequenter wie der Herr Vorredner, und doch zu einem ganz anderen Resultat komme. Der Finanz⸗Minister ist gewiß nicht in besonders guter Stimmung, wenn seit Jahren pentilirte Bauprojecte, auf Grund welcher hohe Credite gefordert werden nach Maßgabe bestimmter Pläne und Kostenanschläge, hinterher sehr bedeutenden Abänderungen unterliegen und schließlich zu großen Ueberschreitungen führen, und ich habe genug nach der Richtung zu kämpfen, um die Staatsfinanzen zu vertheidigen. Ich glaube, daß, wenn ursprünglich das Project auf 64 Millionen be- messen ist, entsprechend den heute vorgeschlagenen Aenderungen aber von vornherein 68 Millionen beantragt wären, wahrscheinlich das Resultat der damaligen Berathung genau dasselbe gewesen wäre als so, wo nur 64 Millionen beansprucht wurden. Allerdings kann ich nicht bestreiten, daß möglicherweise die Summe, um welche die Inter⸗ essenten herangezogen werden, größer bemessen sein würde, wenn das heutige Project damals vorgelegen hätte. Soweit will ich Herrn Freiherrn von Stumm entgegenkommen.

Auch in anderer Beziehung bin ich persönlich in einer etwas schwierigen Lage, weil ich nie ein großer Schwärmer für den Kanal in seiner Isolirtheit nach Emden gewesen bin. Die Hauptsache wird immer sein die Verbindung jwischen den vier großen Flüssen Deutschlands. Nichtsdesto⸗ weniger glaube ich doch, daß wir einen großen Fehler machen, wenn wir heute die Verbesserung, die mit einer verhältniß⸗ mäßig geringen Summe erreicht werden könnte, gefährden, indem wir die Kostenaufbringung unter den gegenwärtigen Umständen an Personen verweisen, bei welchen wir einmal die Geneigtheit bezweifeln müssen, andernfalls auch denselben eine bestimmte Forderung zu stellen nicht in der Lage sind. Das ist ja überhaupt das Eigenthümliche der Sachlage, daß wir nicht einen bestimmten Nachtragscredit fordern können; wir haben hier Veränderungen, die theilweise erhebliche Er⸗ sparungen bedeuten, theilweise den Interessenten, insofern sie sich auf den Anschluß an den demnächstigen Mittellandkanal beziehen, garnicht zur Last gelegt werden können, theilweise Er— höhungen involviren. Der Herr Minister der öffentlichen Arbeiten erklärt: Ich kann mit Sicherheit noch nicht übersehen, ob die jetzt vorgeschlagenen Aenderungen unter Anrechnung der Ersparungen ohne Erhöhung des alten Credits ausgeführt werden können. Eine bestimmte Summe liegt noch garnicht vor, die seitens der Staats— regierung mittels eines neuen Credits angefordert werden könnte oder die man den Interessenten abzufordern in der Lage wäre.

Nun kommt aber noch ein anderer Gesichtspunkt in Betracht. So viel steht doch fest, daß die Ausführung dieses Kanals sich in außer— ordentlicher Weise in die Länge gezogen hat. Jetzt ist die Ausführung kräftig in Angriff genommen. Die technische Commission, die die Ausführung in die Hand nimmt, in Münster kommt bei der Special⸗ veranschlagung auf die Nothwendigkeit dieser Aenderungen. Wenn ein Stocken in Beziehung auf die Frage, ob diese Aenderungen, die größeren Abmessungen, die erweiterten Expropriationen und die Heran— ziehung von Grundbesitz durchgeführt werden können so gerathen die ganzen Kanalausführungen auch ins Stocken. Der Herr Minister der öffentlichen Arbeiten hat die Veränderungen für so dringend ge— halten, daß er das Finanz⸗-Ministerium gebeten hat, zuzustimmen, daß vorläufig mit den Erpropriirungen vorgegangen werde. Ich habe meinerseits nur zustimmen können, daß diese Expropriationen ein⸗ geleitet werden sollten vorbehaltlich der Frage, ob nicht, wenn der Landtag einen entgegengesetzten Beschluß faßt, von diesen Erpro— priationen wieder zurückzutreten sei, um ganz correct zu verfahren. Wenn Sie also heute beschließen: wir reserviren uns gegen die Forderung der Denkschrift, indem wir die Heranziehung der Interessenten verlangen, so ist die dringende Gefahr vorhanden, daß wieder auf Jahre die Sache ins Stocken geräth. Nun sind alle Einleitungen getroffen, die Techniker engagirt, die Commissionen organisirt, auf einmal geräth das Ganze wieder ins Wanken. Das sind doch schwere Mißstände, die durch eine solche Sachlage entstehen und die ja auch Derrn Freiherrn von Manteuffel zu diesem Antrage geführt haben, die aber doch möglicherweise größer sind als das Opfer, das wir als ein verhältnißmäßig kleines ansehen müssen gegenüber der großen Summe, die hier überhaupt in Frage steht. Ich möchte auch noch daran erinnern, wie dieser Kanal hier eigentlich eine Mehrheit bekommen hat. Es war eine Compen— sation z vischen Westen und Osten, und die großen Ausgaben gerade für Regulirung der Flüsse, Herstellen der Kanäle, Bauten ven See⸗ häfen, Regulirung der Weichsel, der Oder u. s. w. kommen ja doch auch wesentlich dem Osten zu gute. Wenn man die Summen aufzählen will, die für Wasserverhältnisse gegenwärtig gerade ausstehen im Osten und Westen, so wird sich der Osten in dieser Beziehung nicht be—

klagen können. Die Ausführungen im Westen aber erschweren unter den gegenwärtigen Umständen, während die Ausführungen im Osten, namentlich in Schlesien, in vollem Gange sind und ebenso an der Weichsel, an der Netze, in Pillau und an vielen anderen Stellen; das würde nach meiner Meinung doch mit der von uns so viel be⸗ rührten, vergleichenden Gerechtigkeit nicht ganz im Einklange stehen.

Herr von Stumm hat auch erinnert an die Frage der Kanal⸗ gebühren und hat gemeint, meine Erklärung im Landtage sei in dieser Beziehung nicht ganz so bestimmt gewesen, wie sie bei der Beschluß⸗ fassung über den Kanal von meinem Herrn Amtsvorgänger abgegeben sei, daß nämlich die Kanalgebühren in einer bestimmten ziffermäßig angegebenen Höhe erhoben werden sollten. Meine Herren, ich habe das ganz absichtlich unterlassen, weil ich nicht der Meinung bin, daß man gut thut, solche ziffermäßigen Ansätze für die Zukunft zu be—

zeichnen, die man sehr wohl in der Lage sein kann, beim besten Willen

nicht halten zu können. Ich stehe auf dem Boden, daß wir nicht reich genug sind in Preußen, die großen Aufgaben im Wasserbau⸗ wesen, in der Kanalisation und Regulirung der Flüsse, namentlich für Schiffahrtszwecke, ohne einen entsprechenden Entgelt für die Benutzung derselben ausführen zu können. Wer das verlangt, der wird zu einer großen Erschwerung der Lösung der großen Aufgaben, die uns in den nächsten 50 Jahren bevorstehen, unbedingt beitragen. Gebühren müssen erhoben werden; wie hoch die Gebühren sein können, hängt

nicht bloß von der Höhe des Anlagekapitals, sondern von den Con⸗

currenzverhältnissen der Eisenbahnen und anderen Wasserwege ab. Auf längere Zeit vorher die zu hebenden Gebühren ziffermäßig zu bezeichnen, scheint mir bedenklich. Daß der Staat dahin streben muß, wenn die Benutzung des Kanals selbst dadurch nicht gefährdet wird, Deckung der Verwaltungskosten, der Verzinsung des Anlagekapitals und einer mäßigen Amortisation zu erlangen, liegt aber klar auf der Hand. Ob das aber im einzelnen Falle erreicht werden kann, wie die Benutzung des Kanals sich gestaltet, und in welcher Höhe man die Gebühren erheben kann, das hängt von den wirthschaftlichen und Concurrenzverhältnissen ab, die man vorher bestimmt zu übersehen nicht in der Lage ist. Die Herren können sich aber davon überzeugt halten, daß das ganze Staats⸗-Ministerium und namentlich die beiden betheiligten Minister entschieden auf dem Stand⸗ punkt stehen, daß die Benutzung unserer regulirten Flüsse, soweit es nach der Reichsverfassung zulässig ist, und der Kanäle gegen eine angemessene, den Staat soweit irgend möglich entschädigende Gebühr stattfinden soll, und daß wir in dieser Beziehung ebensowenig ungemessene Summen z fonds perdu hergeben können, wie wir das bei dem Eisenbahnwesen zu thun im stande sind. Sie werden also durchaus nicht zu befürchten brauchen, daß, wenn der Kanal, wie ich hoffe namentlich, wenn einmal der Mittellandkanal ihn fort⸗ setzt zu einem bedeutenden Verkehr führt, nicht erhebliche Rück⸗ einnahmen für den Staat aus der Sache resultiren, und ich kann unmöglich annehmen, daß diese 64 Millionen rentlos hergegeben werden und eine Verzinsung nicht erzielt wird. Bei der Kanalisation der Mosel, die jetzt in Frage steht, und die ich persönlich als von großer Bedeutung für die rheinisch⸗westfälische Industrie ansehe, haben wir sofort den wesentlich betheiligten Industriellen erklärt, daß wir Ga⸗ rantien von ihnen für eine wenigstens längere Zeit dauernde mäßige Verzinsung des Kapitals fordern, ehe der Staat an diese Aufgabe herangehe, und die Industriellen waren bereit, diese Garantie zu leisten. Hätten wir hier von vorne herein die Forderung für die Betheiligten vielleicht höher gestellt, so wäre es wohl gelungen; jetzt aber in diesem Augenblick in das Unternehmen so störend einzugreifen, halte ich für nicht zweckmäßig. Ich kann nur dringend bitten, das nicht zu thun und den Antrag des Freiherrn von Manteuffel abzu⸗

Bravo!)

und damit berechtigte Erwartungen käuschen. Der Antrag sei um so weniger angebracht, als es sich jetzt noch gar nicht um eine Bewilligung handele.

Finanz⸗Minister Dr. Miquel:

Ich möchte mir noch einige Bemerkungen gestatten über die etät— mäßige Bedeutung der Denkschrift. Die Herren sind darüber ver⸗ schiedener Meinung gewesen. Die Denkschrift theilt dem Landtage mit, daß möglicherweise gegenüber der früheren Creditbewilligung, welche dem Kanalprojẽet zu Grunde gelegen hat, doch für zweckmäßig erscheinende Aenderungen an dem Project Mehrausgaben erwachsen. Wenn Sie die Denkschrift zur Kenntniß nehmen, bewilligen Sie ja nicht diese Mehrausgaben, die ja noch gar nicht ziffernmäßig fest—⸗ gestellt werden können, von denen wir gar nicht wissen, daß sie eintreten, wohl aber das sage ich ganz offen erleichtern Sie den betreffenden Ministern die Uebernahme der Verantwortlichkeit. (Sehr richtig) Die Verantwortlichkeit bleibt bei den betreffenden Ministern, sie haben aber alles gethan, was sie thun konnten in dem gegenwärtigen Falle; sie wollen nicht ein nicht mehr ganz zweckmäßiges Project ausführen, sie wollen statt 500 Tons⸗Schiffe solche von 600 Tons, was eine bedeutende Ersparniß an Frachtkosten herbeiführen wird. Sie sagen daher zeitig: wir sind im Begriff, das Project in dieser Beziehung zu ändern, sie hören die Stimme des Landtages.

Wenn der Antrag von Manteuffel angenommen wird, dann würden wir allerdings nur zwei Wege haben, entweder einen Gesetz⸗ entwurf vorzulegen zur nochmaligen Berathung und Bewilligung eines Credits und ich habe schon gesagt, daß wir bestimmte Summen jetzt gar nicht angeben können oder aber, wir könnten versuchen, von den Interessenten etwas zu verlangen, was wie ich überzeugt bin nicht zum Ziel führen wird. Der Herr Minister der öffent⸗ lichen Arbeiten soll dahin gedrängt sein, den Kanal in der ursprünglichen Art und Weise auszuführen, die er selbst nicht mehr für zweckentsprechend hält. Das ist eine schwierige Situation, die durch die Annahme des Antrags von Manteuffel nothwendig entstehen würde. Herr Graf Knyphausen hat mit vollem Recht darauf hingewiesen, daß Abrech⸗ nungen zwischen einzelnen Provinzen und Theilen unseres Staats von den allergrößten Bedenken sind (sehr richtig!, und in ihren letzten Consequenzen zu den gefährlichsten Resultaten führen. (Sehr wahr!) Welche Bedeutung aber für den ganzen Staat das möchte ich hier einschalten die Industrie im Westen hat, ganz abgesehen von der Rückwirkung auf die Landwirthschaft und den Absatz der Producte derselben, sieht man doch am besten aus den Resultaten der letzten Veranlagung der Einkommensteuer, wo der Regierungsbezirk Arns⸗ berg allein 114 00 oder mehr als 5 Millionen neu in die Staatskasse abführt.

Er sei durchaus nicht gewillt,

Freiherr von Manteuffel:

den Kanalbau zu stören; er wolle nur die Mehrkosten den Inter⸗

essenten auferlegen; bedenklich sei allerdings, daß diese nicht einmal die Grunderwerbskosten von sechs Millicnen Mark vollständig aufgebracht hätten. .

Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:

Meine Herren! Gestatten Sie mir nochmals darauf aufmerksam zu machen, daß wir ja zur Zeit an die Interessenten garnicht heran⸗ gehen können mit einer Forderung auf weitere Bewilligung von Beiträgen wegen Mehrkosten, weil wir diese Mehrkosten zur Zeit nicht kennen und Blancowechsel uns die Herren Betheiligten nicht unterschreiben werden. Es würden also, wie ich vorhin schon auszu⸗ führen mir erlaubte, voraussichtlich sogar 11/2 Jahre vergehen, ehe wir bestimmt sagen können, diese Abänderungen des Projects kosten so und so viel, und nun auf Grund dieser speciellen Kostenanschläge in Verhandlungen mit den einzelnen Interessenten eintreten können.

Meine Herren, ich bin fest überzeugt und habe mich um so mehr überzeugen müssen durch das- eingehende Studium der Verhandlungen, die seiner Zeit gepflogen sind, um die 6 Millionen Grunderwerbs— kosten von den Betheiligten zu erlangen, daß erneute Verhand— lungen wegen eines Beitrages zu einem gedeihlichen Ziele nicht führen würden; wir würden nach 11Ʒ½ Jahren gerade soweit sein wie jetzt. Inzwischen hätten wir aber die Bauten sistirt, wir hätten die Arbeiter entlassen, wir würden unsere Kanalcommission reduciren müssen, die wir jetzt so ausgestaltet haben, daß sie in den nächsten Tagen in verstärktem Maße an die Arbeit gehen und dadurch den leider in erheblichem Maße beschäftigungslos gewordenen Arbeitern Beschäftigung geben kann. Ich glaube, daß das in den betheiligten Landestheilen den allerschlechtesten Eindruck machen müßte; man würde nicht verstehen, daß der Staat nunmehr die Arbeiten, auf die er die ganzen Gegenden seit Jahren vertröstet hat, einstellt.

Der Herr Finanz⸗Minister hat Ihnen bereits den Standpunkt der Staatsregierung, welcher dazu geführt hat, Ihnen diese Denkschrift

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vorzulegen, ausführlich dargelegt. Ich glaube, die Staatsregierung

kann in der Beziehung für sich in Anspruch nehmen, daß sie durchaus ; ĩ

loyal verfahren ist, daß sie in dem Moment, wo ihr die Ueberzeugung gekommen ist, das Project bedarf einer Verbesserung und die führt poraussichtlich zu einer vollständigen finanziellen Umgestaltung Ihnen sofort noch in dieser Session Mittheilung gemacht hat, damit Sie Gelegenheit haben, sich über die Sachlage und über die Grundsätze, von denen die Abänderungen des Entwurfs ausgehen, auszusprechen.

Meine Herren, ich bitte Sie nochmals dringend, lehnen Sie den Antrag des Freiherrn von Manteuffel ab.

Graf Pfeil: Mehrkosten würden entstehen; im nächsten J werde man sie bewilligen müssen. Deshalb sei es richtiger, die Int essenten heranzuziehen.

Freiherr von Solemacher: Es handele sich darum, ob man für 60) Millionen ein schlechtes Project ausführen, oder ob man einige Millionen mehr für ein besseres Project ausgeben wolle. Bedenklich sei namentlich, daß die Freunde des Antrages Manteuffel die alten Gegner des Kanals seien, die ihren Kanal im Osten hätten und nun diesen Punkt benutzen wollten, um den Kanal im Westen zum Fallen zu bringen. (Widerspruch)

DOber-Bürgermeister Schmieding weist darauf hin, daß die Secundärbahnen namentlich dem Ssten zu gute kämen.

Die Discussion wird geschlossen und der Antrag Man⸗ teuffel gegen eine erhebliche Minderheit abgelehnt. Die Denk⸗ schrift wird durch Kenntnißnahme für erledigt erklärt.

K 6. j jter 5 Darauf wird die weitere Berathung des Etats um Fi Uhr bis Mittwoch 12 Uhr vertagt.

ZTtatiftik und Volkswirthschaft.

Die sächsische Einkommensteuerstatistik von 1875—1890.

Die neueste sächsische Einkommensteuerstatistik, welche in den soeben erschienenen Heften J und II des Jahrgangs 1891 der Zeit— schrift des Königlich sächsischen Statistischen Bureaus enthalten ist, ergiebt, wie die „Social⸗-Corr. schreibt, wiederum eine Zunahme der Steuerpflichtigen und ihres Einkommens. Die Zahl der eingeschätzten Personen betrug im Jahre 1899 1404069, sie hat seit der letzten Erhebung im Jahre 1888 um 76298 Köpfe zugenommen. Das Ein⸗ kommen (nach Abzug der Schuldzinsen) betrug rund 1496 Mill. Mark im Jahre 18990, gegen 1338 Mill. Mark im Jahre 1888. Nach den Ein⸗ kommensquellen entfielen (mit Schuldzinsen) rund 263 Mill. Mark oder 16 auf Einkommen aus Grundbesitz, 187 Mill. Mark oder 120,0 auf Renten, 665 Mill. Mark oder 41 5 auf Gehalte und Löhne und 495 Mill. Mark oder 3190 auf Handel und Gewerbe. Die absolute Zunahme des Einkommens seit 1888 entfällt besonders auf Gehalte und Löhne und auf Handel und Gewerbe. Von den zur Steuer eingeschätzten Personen kamen 1883: 947 577 Personen oder 67,49 0,0 der Eingeschätzten auf die unbemittelte Klaffe, welche nur ein Einkommen bis zu S800 66 hat. Das eingeschätzte Einkommen dieser Klasse betrug rund 475 Mill. Mark oder 31,77 90,0 des Ge⸗ sammteinkommens. Auf die mittlere Klasse mit einem Ein— kommen von über S800 bis 3300 66 kamen 409 249 Personen oder 29, 15 0,0 der Eingeschätzten mit einem Einkommen von 549 Mill. Mark oder 36,6700 des Gesammteinkommens. —Bie wohlhabendere Klasse mit einem Einkommen von 3300 - 9609 6 zählte 36 841 Per⸗ sonen oder 2629 der Eingeschätzten mit einem Einkommen von 189 Mill. Mark oder 12.665 6 des Gesammteinkommens und zur reichen Klasse mit einem Einkommen von über 9600 „S gehörten 10 402 Personen oder 974 o der Eingeschätzten mit einem Ein= kommen von 283 Mill. Mark oder 15,0 do des Gesammteinkommens. Hält man diese Klasseneintheilung fest und untersucht die Steu er⸗ belastung derselben, so ergiebt sich ganz augenfällig die ausgleichende Wirkung der Einkommensteuer. Die unterste Klasse, welcher der größte Theil der Steuerpflichtigen (6749 GοG) angehört, trägt nur 7,46 oo und die mittlere Klasse mit 29,15 (69 aller Steuerpflichtigen nur 25,75 6 zur Einkommensteuer bei, während die wohlhabendere Klasse 262 o der Steuerzahler 23,48 ,υη und die reiche Klasse, welche nur 073 o der Steuerzahler ausmacht, sogar 39,37 o der Einkommensteuerlast zu tragen haben. Der Gesammt— eindruck der sächsischen Einkommenstenerstatistik in volkswirth⸗ schaftlicher Beziehung ist ein günstiger. Das durchschnittlich auf den Kopf der Bevölkerung entfallende Einkommen bat sich gegen die Vor⸗ jahre wesentlich erhöht. Während ferner die Bevölkerung von 1880 bis 1890 um 17,820, gestiegen ist, vermehrte sich die Zahl der einge⸗ schätzten Personen um 25,41 o und das Einkommen (nach Abzug der Schuldzinsen) sogar am 52,265 . Den Schluß des sehr viel Neues bietenden Aufsatzes bildet eine Statistik der mit dem Abschätzungs⸗ verfahren in engem Zusammenhang stehenden Dee larationen und Rectkamationen, welche eine bedeutende Steigerung erfahren haben. Die Zeitschrift des Königlich sächsischen Statistischen Bureaus erscheint im Commissionsverlag der Königlichen Erpedition der „Leipziger Zeitung“ in Leipzig und der Buchhandlung von R. von Zahn u. Jaensch in rener und kostet bei einem Umfang von eirea 30 Bogen jährlich 3 (

Selb stmorde und Unglücksfälle mit tödtlich em Ausgange.

Den besonderen Erhebungen Über die Selbstmorde und tödtlichen

Verunglückungen im preußischen Staare ist zu entnehmen, daß im

Jahre 1839 durch Selbstmord 4430 männliche und 1185 weibliche