1892 / 79 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 31 Mar 1892 18:00:01 GMT) scan diff

Vorlage wolle, daß die Praxis der Bestrafung in einigen Bezirken funftig eine mildere werde, so wie sie schon bisher in dem größeren Theil des Landes gewesen sei. Es könne nicht in Abrede gestellt werden, da 6 die Anhängung einer Marke an den Wein mit der Aufschrift: Verbesserter Wein der Wein zu einem ringen Preise abgesetzt werden müsse oder gar unverkãuflich werde. Den Schaden davon habe der Winzer, denn er bekomme für sein minderwerthiges Product einen niedrigen Preis. Wenn nun aber der unvermischte Wein ins Ausland gehe, dort verbessert werde und dann wieder zurückkomme, so fehle es an jeder Möglichkeit, eine Vermischung des Weins nachzuweisen. Den Nutzen hätten dann bloß die Ver⸗ mittler, welche die Lieferungen mit dem Ausland abschlössen. Die Be⸗ stimmung, daß die Zeit, zu welcher die Verbesserung vorgenommen sei, angegeben werden solle, sei ebenfalls undurchführbar. Alle Fälschungen würden freilich nach diesem Gesetz nicht zur Bestrafung gezogen werden können, wohl aber die prägnanten Fälle. Unter diesen Um⸗ ständen bitte er, alle Abänderungsanträge abzulehnen, denn sie er—⸗ schwerten die Ausführung des Gesetzes.

Abg. Schenk (dfr) bekämpft ebenfalls alle Anträge, vor allem aber denjenigen des Abg. Lender, dessen Annahme das ganze, mit so schwerer Mühe errungene Compromiß wieder vernichten würde.

Abg. Lender (entr. ): Er müsse in dem Gesetz eine große Gefabr für den deutschen Weinbau und eine ebenso große Gefahr für den deutschen Consumenten erblicken. Wenn die Anschauungen über die Zulassung der Zuckerlösung sich in den letzten Jahren ge⸗ ändert hätten, so stehe doch absolut nicht fest, daß sie sich nicht wieder nach der anderen Richtung modificiren könnten. Seine Partei befinde sich mit ihren Anschauungen in Uebereinstimmung mit der überwiegenden Mehrbeit der Bevölkerung, welche verlange, daß der Wein nicht gesundheitsschädlich sei., daß er gut schmecke und nicht verfälscht fei. Der Antrag sei eine Forderung der Wahrheit. Gerech⸗ tigkeit und Ehrlichkeit. ; . .

Der Antrag Gröber wird mit 125 gegen 10966 Stimmen abgelehnt. Nachdem auch der Antrag Lender gefallen ist, wird S3 unverändert angenommen, ebenso 5 4, nachdem der An⸗ trag Lender auf Verbot der Mouillage gegen eine starke Minderheit abgelehnt worden ist.

Zu S] bemerkt

Abg. Dr. Bamberger (of): Er empfehle die Annahme seines Antrages heute wiederum, um keine kautschukartigen Bestimmungen in dem Gesetze stehen zu lassen. Eine große Zahl von Handels—⸗ kammern habe sich für seinen Antrag ausgesprochen.

Director des Kaiserlichen Gesundheits⸗Amts Köhler; Er bitte, den Antrag Bamberger abzulehnen. Es müsse dem, der sich gegen den Bezug von mit Zusätzen versehenem Wein schützen wolle, daz Mittel dazu gegeben werden; es müsse dem Civilrechtsan spruch auf reinen Wein, resp. dem Zurdispositionstellen von gemischtem Wein ebenso die Basis gegeben werden, wie dem strafrechtlichen Verfahren gegen die, welche statt reinen Weines Gemische lieferten. Der Paragraph sei nicht kautschukartiger als z. B. der Betrugs⸗ paragraph des Strafgesetzes es müsse dem freien Ermessen des Richters Spielraum gelassen werden, und er bitte, diesem richterlichen Ermessen keine 566 anzulegen.

Abg. Dr. Bam berger (ofr.): Was bei dem freien richterlichen Ermessen herauskommen könne, zeigten die Auslegungen des Unfugs⸗ paragraphen, und die Auslegung, wonach der Drucker und Maschinen⸗ meister für den Inhalt der Druckschrift verantwortlich gemacht worden seien. Um Aehnliches zu vermeiden, bitte er, seinen Antrag anzunehmen.

Danach wird der Antrag Bamberger abgelehnt, 57 un⸗ verändert genehmigt.

S113 will die Bestimmungen des 8 2 (Gerbot gewisser Zusätze zum Wein) erst am 1. Oktober in Kraft treten lassen.

Abg. Gröber (Centr.) : Es könne schon lange kein Zweifel be⸗ stehen, welche Zusätze zum Wein verboten seien; mindestens seit dem November 1887 sei das Alles bekannt es sei also nicht nöthig, hier⸗ für eine besondere Frist zu lassen. Im Interesse der Gesundheit der Consumenten empfehle er die Streichung des 5 13.

Director des Kaiserlichen Gesundheits⸗Amts Köhler: Wenn man S 13 ablehne, so treffe man auch den schon fertig gestellten Wein, zu dem Zusätze, die in 5 Wverboten seien, in so minimalen Quanten ge⸗ macht seien, daß sie die Gesundheit nicht schädigen könnten, und außerdem würde man den bei den deutschen Händlern befindlichen ausländischen Wein mit später verbotenen Stoffen treffen; alle diese Weine müßten, da sie bisher im Verkehr sein dürften, auch noch eine Jeit lang derkäuflich sein. Daß gesundbeiteschädliche Stoffe im Wein Dorkämen, werde schon durch 5 12 des Nahrungsmittelgesetzes unmög⸗ lich gemacht. ö

Danach wird der Antrag Gröber abgelehnt, der Rest des ö unverändert genehmigt.

eber das Gesetz im ganzen wird namentlich abgestimmt. Das Resultat ist die Annahme des Gesetzes mit 130 gegen 1095 Stimmen. . .

Es folgt die erste Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Vergütung des Cacaozolls bei der Ausfuhr von Cacaowaaren.

Nach dem Entwurf kann im Fall der Ausfuhr von Cacaowaaren nach den zu erlassenden Bundesrathsbestimmungen der Zoll für die dem Gehalt der Waaren des Cacao ent⸗ sprechende Menge von rohem Cacas in Bohnen ganz oder theilweise vergütet werden. Das Gesetz soll am 1. August 1892 in Kraft treten.

Abg. Möller (ul.) empfiehlt kurz die Annahme des Gesetzes.

Abg. Broemel (ofr. ist mit der Tendenz der Vorlage einver⸗ standen, spricht aber sein Befremden darüber aus, daß auch die voll⸗ ständige Vergütung des Zolles event. solle stattfinden können. In seinen Resolutionen habe der Reichstag früher die Vergütung bis zu böchstens S0 0 befürwortet, um zu verhüten, daß mehr vergütet werde, als an Cacao in den Waaren enthalten sei.

Commissar des Reichs-Schatz⸗Amts Geheimer Regierungs⸗ Rath Henle erwidert, daß man vorläufig nur 5/10 zurückvergüten werde; die Chemie sei noch nicht so weit vorgeschritten, um die Menge des verwendeten Cacaos genau festzustellen. Inzwischen müsse man den Fabrikanten Glauben schenken.

Abg. Broemel (dfr.) hält diese Aufklärung nicht für genügend ö sich vor, in zweiter Lesung einen ausdrücklichen Antrag zu

ellen.

Staatssecretär Freiherr von Maltzahn:

Meine Herren! Der Herr Vorredner beabsichtigt, die Vorlage insoweit zu verändern, daß dem Bundesrath nicht die von uns er—⸗ betene weitgehende Befugniß, sondern nur eine eingeschränktere, zur Rückvergütung eines Theils des erhobenen Cacaojolls bei der Aus⸗ führung von Fabrikaten gewährt werde. Das Vorbild für diejenige Fassung, welche wir der Vorlage gegeben haben, finden Sie im 86 des Gesetzes über die Zuckersteuer, welcher fast mit den gleichen Worten vorschreibt: .

Nach näherer Bestimmung des Bundesraths kann im Fall der Ausfuhr von Fabrikaten, zu deren Herstellung inländischer Rübenzucker verwendet worden ist, oder im Fall der Niederlegung solcher Fabrikate in steuerfreien Nieder⸗ lagen die Zuckersteuer für die verwendete Zuckermenge unerhoben bleiben, oder im entrichteten Betrage vergütet werden.

Wir haben geglaubt, daß auch der Reichstag, wie die verbündeten Regierungen, der Meinung sei, daß, wenn man eine Vergütung des Cacaozolles einführt, kein Grund vorliege, nicht den vollen Zoll zu vergüten, und daß die Bemessung der Vergũtungssumme auf einen

Procentsatz des entrichteten Zolles nur darin ihren Grund haben kann,

daß man nach dem beutigen Stande der Technik nicht im stande ist,

genau festzustellen, wie viel Cacao thatsãchlich in den Fabrikaten ent⸗ halten ist. Wir sind davon ausgegangen, daß auch diese Erwägung es gewesen ist, welche im Jahre 1885 übrigens nicht, wie durch einen Druckfehler hier steht, am 14. Mai, sondern am 28. April des Jahres den Reichstag ver⸗ anlaßt hat, die Resolution Franckenstein den verbündeten Regierungen zur Berücksichtigung zu überweisen. Wenn dies so liegt, glaube ich, empfieblt es sich, die Vorlage so, wie sie eingebracht ist, anzunehmen und den verbündeten Regierungen zu überlassen, einstweilen, wie es ja beabsichtigt wird, bis zu 80 Procent die in den Fabrikaten steckenden Abgaben zu vergüten, aber eventuell auch über diesen Satz binauszugehen, wenn der Stand der Technik in einiger Zeit etwa ein solcher sein sollte, daß wir dann wirklich feststellen können, wie viel Cacao verwendet worden ist.

In der zweiten Lesung beantragt Abg. Breoemel (dfr.); statt der Worte „ganz; oder theilweise' zu setzen bis zu sio des Zollbetrages.

Der Antrag wird vom Abg. Möller (nl. bekämpft und vom Hause abgelehnt, der Entwurf unverändert an⸗

genommen. Schluß 53 Uhr. .

Preußischer Landtag. Herrenhaus. g. Sitzung vom Mittwoch, 30. März.

Der Sitzung wohnen der Minister des Innern Herr— furth, der ga Dr. von Schelling, der Finanz— Minister Dr. Miquel, der Minister für Handel und Ge⸗ werbe Freiherr von Berlepsch, der Minister für Land⸗ wirthschaft 2c. von Heyden, der Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen und der Minister der geistlichen 2c. An⸗ gelegenheiten Dr. Bosse bei.

Die Petitionen des Militär-Invaliden Eduard Sänger in Berlin um Gewährung einer höheren Pension und des Ingenieurs Apel und Genossen zu Berlin um Schutz gegen die durch die Polizeiorgane herbeigeführte zwangsweise Impfung ihrer Kinder werden durch Uebergang fir Tagesordnung erledigt; die Petition des Pres⸗

yteriums der evangelischen Gemeinde zu M-⸗Glad— bach um Erwirkung der ministeriellen Erlaubniß zur Er—⸗ weiterung des evangelischen Begräbnißplatzes daselbst wird nochmals an die Commission verwiesen.

Darauf wird die Specialberathung des Etats fortgesetzt beim Etat der Bauverwaltung.

Fürst zu P⸗utbus wendet sich dagegen, daß in Saßnitz der Fischereihafen in einen Verkehrshafen verwandelt werden solle. Er sei nicht tief genug, habe eine schlechte Einfahrt und sei nicht eisfrei. Besser eigene lich dazu Arcona, wo man schon im Anschluß an die Nordbahn einen Hafen geplant habe, der auch wohl ausgeführt worden wäre, wenn man sich nicht in frivoler Weise aus politischen Partei⸗ interessen veranlaßt gesehen hätte, diese Bahn zum Sturze zu bringen. Wenn man den Saßnitzer Hafen und die dafür ausgegebenen Gelder nutzbar machen wolle, dann müsse man die Bahn bis an den Hafen führen und denselben erheblich vertiefen.

Geheimer Baurath Dresel weist darauf hin, daß die Herstellung der nöthigen Wassertiefe vorgesehen sei; der Saßnitzer Hafen habe nur wenig Eisbildung.

Ober⸗Bürgermeister Bräsicke empfiehlt eine Beschleunigung der Retzeregulirung und den Ausbau der Schleusen für den Verkehr größerer Fahrzeuge.

Die Denkschrift, betreffend die Durchführung des Groß— schiffahrtsweges durch den Breslauer Stadtbezirk, wird durch Kenntnißnahme für erledigt erklärt, der Etat der Bauverwal⸗ tung wird genehmigt.

Bei dem Etar der indirecten Steuern empfiehlt

Graf von Klinckowstroem die Freilassung der für den eigenen Bedarf gebauten Tabacke von der Steuer.

Finanz⸗Minister Dr. Miguel:

M eine Herren! Sie werden begreifen, daß ich, da es sich um eine Angelegenheit der Reichsgesetzgebung handelt, nicht in der Lage bin, eine bestimmte Erklärung abzugeben. Ich werde aber bei einer etwaigen Revision der Bestimmungen über die Erhebung der Tabacks⸗ steuer diesen Punkt gern im Auge behalten.

Beim Etat der Lotterieverwaltung beklagt

Ober⸗Bürgermeister Struckmann, daß zur Verwaltung der Lotteriecollecten verabschiedete Militärpersonen so wenig verwendet würden, trotzdem sich dieselben zahlreich gemeldet hätten.

Finanz⸗Minister Dr. Miquel:

Der Herr Vorredner hat die Sache im ganzen richtig dargestellt, aber doch nicht ganz richtig. Es ist allerdings zutreffend, daß früher die Finanzverwaltung Bedenken getragen hat, den Wünschen der pensionirten oder zur Disposition gestellten Offiziere auf diesem Gebiet entgegenzukommen, weil man davon ausging, daß dieselben sich für solche Stellen doch nicht in dem Maße eigneten, wie erfahrene Kauf⸗ leute, von denen gefordert wurde, daß sie in guten Vermögensver⸗ hältnissen, in gutem, soliden Rufe stünden und mindestens ein Jahr ein selbständiges Geschäft betrieben hätten. Dieses bis dahin ganz streeng festgehaltene System der Finanz⸗ verwaltung habe ich allerdings theilweise aufgegeben, aber mit Rücksicht auf die schweren Bedenken, die in meinem eigenen Mi⸗ nisterium dagegen geltend gemacht wurden, doch nicht gewagt, das in unbeschrãnkter Weise von Anfang an zu thun, wir haben uns vielmehr mit der Militärverwaltung dahin geeinigt, daß wir vorerst dreißig Lotterie⸗Collecteurstellen dem Kriegs⸗Minister gewissermaßen zur Dis⸗ position stellen wollten. Was die Auswahl der Personen betrifft, so haben wir uns mit der Militärverwaltung dahin verständigt, daß die Vorschläge wegen Besetzung der Stellen vom Kriegs⸗-Minister aus⸗ gehen sollten, weil derselbe die gesammten Verhältnisse der betreffenden Offiziere besser übersehen kann, daß wir uns natürlich die definitive Entscheidung als vorgesetzte Ressortbehörde vorbehalten. Wir haben dabei nur die Bedingung gestellt, daß die Bedürftigsten unter allen Um⸗ ständen vorzuziehen seien, namentlich solche Offiziere, die mit einer großen Anzahl von Kindern gesegnet sind und kein Vermögen haben. Wenn nun gegenwärtig noch nicht mehr Stellen besetzt sind augenblicklich weiß ich nicht, wieviel es sind; es sind aber jetzt wohl mehr als acht —, so liegt das daran, daß eben geeignete Stellen bis dahin noch nicht erledigt waren. Wir werden immer von unserem Standpunkt aus mit dem größten Wohlwollen Bedacht nehmen, solche Stellen, die sich für Offiziere eignen, denselben auch zu übertragen. Ich bin vollständig davon durchdrungen und die bisherigen Erfahrungen haben es auch erwiesen, daß die Bedenken, die früher seitens der Finanzverwaltung gegen die Heranziehung pensionirter Offiziere geltend gemacht wurden, nicht begründet sind. Ich glaube, daß wenigstens eine große Anzahl

von Lotterie · Collecteurstellen von Offizieren genau ebenso gut verrall⸗ werden kann als von Kaufleuten, daß alle Garantien in dieser Be ziehung mindestens ebenso gut von Offizieren gegeben werden können, wie von Geschãftsleuten. Andererseits erachte ich es für meine Pflicht dazu mitzuwirken, den, ich glaube dem ganzen Hause bekannten Nott⸗ stãͤnden, die gerade hier vielfach stattfinden, nach Kräften entgegen⸗ zuwirken. Sollten wir demnächst, wie das im Abgeordnetenhause viel. fach angeregt ist, und wofür auch das · Bedürfniß vorhanden zu sein scheint, zu einer Vermehrung der Lotterieloose kommen und also auch zu einer Vermehrung der Stellen, so werden wir gerade diese Gelegen- heit benutzen, in einer ausgiebigen Weise die Offiziere zu bedenken. (Bravoh

Beim Etat der Berg wer ksverwaltung. kommt

der Berichterstatter Herr von Pfuel auf die Lohnverbältnisse zurück und hält es für bedenklich, daß der Minister die bohen Löhne der Bergarbeiter von 1200 M als nicht zu hoch bezeichnet habe.

Minister für Handel und Gewerbe Freiherr von Berlepsch:

Meine Herren, ich gestatte mir nur, einige ganz kurze Bemer⸗ kungen auf die letzte Aeußerung des Herrn Referenten zu machen daß ich mich dahin ausgesprochen hätte, die Löhne der Arbeiter, so wie sie sich jetzt gestaltet hätten, seien nicht als zu hoch anzuseben. Es war dieser Aeußerung vorhergegangen die Bemerkung, daß die Höhe der Löhne der Bergarbeiter wesentlich abhängig seien von dem Preise der Kohlen und daß, wenn es nicht angehe, die Preise der Kohlen auf ihrer jetzigen Höhe zu halten, mit einer Reduction der Löhne wirde vorgegangen werden müssen, weil bei den fiscalischen Bergwerks betrieben eine Relation zwischen Einnahme und Ausgabe vorhanden sei wie bei Privatbetrieben. Dadurch findet diese Bemerkung ihre richtige Den⸗ tung. Sodann habe ich nirgends und an keiner Stelle gesagt, daß ich es fir nothwendig halte, daß jeder Arbeiter eine Einnahme von 120 4 haben müsse. Ich habe von den qualificirtesten Bergarbeitern, von den Häuern, gesprochen. Nicht jeder Bergarbeiter bezieht diesen hohen Lohn, sondern nur der bestqualifizirte und zwar in jenen Gruben, welche die höchsten Löhne zahlen, in den Saabrücker Gruben. In den Ober⸗ schlesischen Gruben z. B. sind die Verhältnisse ganz anders. Daß in den Saarbrücker Gruben die Löhne am böchsten sind, hängt damit zusammen, daß die Kohlenpreise in denselben am höchsten stehen nicht bloß jetzt, sondern auch schon früher; die Saarbrẽũcker Kohle hatte immer gegen die rheinisch-westfälische einen Mehr preis von etwa 2 46 pro Tonne. Das liegt in der besonderen Lage der Gruben, in ihren Absatzverhältnissen, in ihren Productionsverhältnissen. Dieser Preisunterschied zwischen der Saar⸗ brücker und der niederrheinisch⸗-westfälischen Kohle ist bisher von keiner Seite für ein unrichtiges gehalten worden. Abgeändert wird es mur dann, wenn eine plötzliche Preissteigerung erfolgt, wie in den letzten Jahren. Dieser Preissteigerung sind die Saarbrücker Gruben mir langsam und nicht durchaus gefolgt. Deshalb bat sich die Preis differenz zur westfälischen Kohle verringert. Immerhin ist der Preis ein hoher, daher auch die Löhne der Bergarbeiter. Sebald es nicht möglich ist, diese Preise zu halten, wird eine Lohnreduction die Folge sein. Es verdient nicht der gewöhnliche Berg— arbeiter den Satz von 1200 , sondern nur im Durchschnitt dir höchstgelohnten Bergarbeiter auf den Saarbrücker Gruben, wo ũber⸗ haupt die Löhne am höchsten sind. Damit fallen meines Erachten? die Bedenken, die der Herr Vorredner eben vorgebracht hat. Wenn ich mich für die Erhaltung der Lohnhöhe der Saarbrücker Bergarbeiter ausspreche, so bitte ich zu bedenken, daß es keinen anderen Arbeiter⸗ stand giebt, wo das Unglück und der Tod so häufig drohen, wie bei dem Bergarbeiterstande. Ich bin allerdings der Meinung, daß einem Bergarbeiter ein höherer Lohn gebührt wie jeder anderen Kategorie von Arbeitern. Ich bitte also nicht aus meinen Bemerkungen im Abgeordnetenhause den Schluß zu ziehen, daß ich eine Lohnhöhe von 1200 M für jeden industriellen Arbeiter verlange.

Beim Etat der Eisenbahnverwaltung bespricht

Ober⸗Bůrgermeister Bräsicke die Frage der Personentarife und macht darauf aufmerkfam, daß die Verwaltung des Serrn von Marba bei allen Erfolgen auf dem Gebiete der Verstaatlichung und de Srganifation auf anderen Gebieten zurückgeblieben sei. Schließli Fabe man krampfhafte Anstrengungen in der Neubeschaffung ven Wagen, in der Vermehrung der Zahl und der Schnelligkeit der i. und auch in der Personentarifreferm gemacht. Solche kramp⸗

aften Anstrengungen vaßten nicht für die Staate bahnen. Dir vorgeschlagene Perfonentarifreform habe auf 51 Millionen Ein, nahmen verzichten wollen und das Publikum habe dieses Gese enk einmüthig zurückgewiesen. Das habe an dem Grundfehler gelegen daß die Tarife nach Einheitssätzen berechnet werden sollten, stat daß man das Rabattsystem in planmäßiger Weise anwende. Halte

der Minister an dem Reformplan des Herrn von Maybach noch fest⸗ Sozialpolitische Bedenken ständen der Personentarifreform nicht ent⸗ gegen. Redner empfiehlt die Verbesserung des Gepägtarifs, dankt dem Minister für den Versuch mit den Staffeltarifen und bittet ihn, trez der großen Zahl der Gegner, diese aufrecht zu erhalten und zu er weitern. Die Staffeltarife könnten nur dann wirken, wenn die Landwirthe im Ssten rothen Weizen für Süddeutschland bauten; das konnten fie aber nur, wenn die Aufrechterhaltung der Stafel— tarife mindestens auf fünf Jahre gesichert würde, Daß das Aus— land die Staffeltarife benutzen könne, sei ausgeschlossen; denn das Ausland Fenutze die billig Wasserfracht, wenigstens nach Nord⸗ deutschland. Die ostdeutschen Landwirthe könnten nur Vortheil haben dadurch, daß sie mittels der Staffeltarife den süddeutschen Markt au fuchen könn ken. Den nicht ganz unbegründeten Beschwerden der Ost⸗ seeplätze könne man abhelfen durch die Aufhebung des Identitats nachweises.

Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:

Meine Herren, ich bin dem Herrn Ober⸗Bürgermeister Brãasickt sehr dankbar für die Anerkennung, die er meiner Verwaltung aus gesprochen, und die Vorschläge, die er derselben in diesen beiden wichtigen Fragen unterbreitet hat. Ich bedaure nur sehr, daß ich meinen Dank nicht dadurch bethätigen kann, daß ich seine Anfragen in Bezug auf diese Fragen präcise beantworte. Meine Herren, ich bin daran verhindert durch den Umstand, daß beide Fragen zur Zeit noch im Stadium der Vorermittelungen und Verhandlungen stehen, die nöthig sind, um eine Entscheidung zu ermöglichen. Ich bin also nicht in der Lage, heute eine Antwort darüber ertheilen zu können, nach welchem System die künftig einmal eintretende Reform der Personentarife erfolgen möchte, ich bin aber auch nicht in der Lage, die, wie ich anerkenne, viel dringlichere Frage heute beant= worten zu können, ob die gegenwärtig aus bekannten Gründen vorũber⸗ gehender Natur eingefũbrten Getreide⸗Staffeltarife über den ursprũng⸗ lich für dieselben in Aussicht genommenen Zeitraum weiter werden aufrecht erhalten werden können, Meine Herren, ich habe bereits an anderem Orte meine allgemeine Stellung zu der Reform der Personen, tarife ausgesprochen und dieselbe dahin gekennzeichnet, daß ich

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auch meinerseits ; eine Reform der Per onentarife die sich bistorisch aufgebaut haben und allmãhlig unũbersichtlich und in manchen Punkten auch nicht mehr ; der wirth⸗ schaftlichen Logik entsprechend geworden sind, einer Reform bedürfen. Ich babe aber gleichzeitig meine ¶Neinung dahin ausgesprochen daß diese Reform nicht so dringlich ist. daß sie auch zu Zeiten wirthschaft⸗ lichen Niedergangs und zu Zeiten einer kritischen Sinan: lage des Staates ausgeführt werden müsse. Ich habe ferner hinzugefügt, daß nach meiner Ansicht unsere zukünftigen Per onentarife drei Anforderungen entsprechen müssen, und zwar zunächst der Anforderung möglichster Einfachheit und Uebersichtlichkeit, zweitens der eines sachgemäßen An— vassens an die Verschiedenartigkeit der Beförderung und der Selbst⸗ kosten derselben und drittens einer möglichsten Entwicklung des Nah⸗ verkehrs. Ob nun diese Ziele zu erreichen sind auf dem bisherigen Wege, den in seinem grundsãtzlichen Aufbau auch das Reform⸗ project einhält, welches mein Herr Amtsvorgänger aufgestellt kat, oder ob dieses Ziel zu erreichen sein wird auf dem vom Herrn Vorredner bezeichneten Wege des Rabatttarifes, das muß ich zur Zeit dahingestellt sein lassen. Die Verhandlungen, die in dieser Beziehung zu führen sind, sind auch aus dem Grunde schwierig und zeitraubend, als wir uns der Ueberzeugung nicht ver⸗ schließen können, daß wir nur in thunlichst engem Anschlusse an die übrigen deutschen Bundesstaaten zu befriedigenden und wirthschaftlich richtigen Ergebnissen gelangen können. Es sind auch bereits in der Beziehung Unterhandlungen seinerzeit gepflogen worden; dieselben haben aber zu einem greifbaren Resultat bisher nicht geführt. Ich stehe indeß nach wie vor auf dem Boden, daß, wenn es an der Zeit erscheint, die Resormverhandlungen wieder anfzunehmen, es sich empfiehlt, nicht gesondert vorzugehen, sondern zunächst eine Verständigung mit den übrigen Bundesstaaten, die Staatsbahnen haben, anzustreben.

Was nun die zweite Frage betrifft, die Frage der Staffeltarife, so will ich ja gern zugestehen, daß ich in manchen Punkten, die Herr Ober⸗Bürgermeister Bräsicke geäußert hat, mit ihm überein⸗ stimme; namentlich darin stimme ich mit ihm überein, daß die Befürch⸗ tungen, die in weiten Kreisen von den verschiedensten Interessenten über dieselben geãußert worden sind, zum großen Theil übertrieben sind. Nichts⸗ desteweniger halte ich mich doch durchaus für verpflichtet, durch genaue Ermittelungen und Erörterungen mit allen betheiligten Kreisen fest⸗ zustellen, inwiefern diese Befürchtungen gerechtfertigt sind oder nicht. Meine Herren, ich will auch hinzufügen, daß bezüglich der Reform der Perfonentarife ein sehr schwerwiegendes finanzielles Risiko für den Staat in Betracht zu ziehen ist der Herr Vorredner hat schon aus⸗ geführt, daß rechnungsmäßig der Ausfall, der sich ergeben würde, wenn das seinerzeit von meinem Amtsvorgänger aufgestellte Project durchgeführt würde, sich auf etwa 40 Millionen Mark berechnet, er hat gesagt: 50 Mil⸗ lionen; es ist aber dabei in Rücksicht zu ziehen, daß die Aufhebung der Gexäckfreiheit voraussichtlich einen Mehrbetrag von etwa 10 Millionen ergeben würde. Bei diesen 40 Millionen Mark ist aber durchaus nicht berücksichtigt die Verkehrsvermehrung, welche infolge der Reform ein⸗ treten würde daß eine solche Verkehrsvermehrung eintreten würde, ist wohl unzweifelhaft sicher, in welchem Umfange, das zu übersehen, wird wobl außerordentlich schwierig sein: es gehört dazu eine Propheten⸗ gabe, die mir nicht beiwohnt.

Anders liegt die Sache bei den Getreidestaffeltarifen. Die Ge⸗ reidestaffeltarife, oder sagen wir vielleicht überhaupt die Staffel⸗ zütertarife, gewähren für die Eisenbahnverwaltung, wenn sie richtig gebildet sind, kein finanzielles Risiko. Aus den zur Zeit gültigen Getreidestaffeltarifen hat die Eisenbahnverwaltung eine Mehreinnahme erzielt. Wenn sie auch nicht sehr erheblich gewesen ist, so ist doch immerhin eine Mehreinnahme zu constatiren gewesen, und ich zweifle nicht, daß diese Mehreinnahme auf die Dauer erheblicher werden würde, es liegt das in der Natur der Sache.

Was nun schließlich den Gepäcktarif anbetrifft, den der Herr Vor⸗ redner ebenfalls erwähnt hat, so theilt derselbe naturgemäß das Schicksal der Reform des Personentarifs. Allseitig ist man wohl darüber einverstanden, daß unser gegenwärtiger Gepäcktarif nicht den Verkehrebedürfnissen entspricht, daß er überhaupt irrationell ist, und die allgemeine Meinung nähert sich je länger je mehr der Auffassung, die in Süddeutschland schon längst dahin geführt hat, die Gepãck⸗ freiheit aufzuheben und dafür einen angemessenen allgemeinen Geyãck⸗ tarif einzuführen. Wenn wir dahin kommen werden, ist es natürlich, daß wir nicht den gegenwärtigen Gexväcktarif beibehalten können, sondern einen erheblich ermäßigten Tarif zu Grunde legen müssen.

Meine Herren, wenn ich also auch nicht präcise die Fragen be⸗

ntworten kann, die der Herr Vorredner geftellt hat, glaube ich doch,

werden Sie aus meinen Worten die Beruhigung entnehmen können, daß die Fragen nach jeder Richtung werden gründlich erwogen werden. (Bravo!)

Graf von Klinckowstroem spricht seine Freude darüber aus, daß der Vertreter einer Stadt sich für die Staffeltarife ausgesprochen habe, die hauptsächlich im Westen und im Tandeseisenbah arathe ihre Gegner batten; nur die Sfaffeltarife hätten über die Bedenken hin⸗ weggeholfen, welche den Handelsverträgen entgegengestanden hãtten.

Graf von Schlieben bemängelt es, daß die Station Wehlau

von den Schnellzuügen überfchlagen werden solle, die jetzt dort sämmt⸗ lich hielten.

Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:

Den Ausfall der Station Wehlau bei dem Nachtschnellzug habe auch ich bedauert, aber, meine Herren, die Sache ist dadurch hervor⸗ gerufen worden, daß die große russische Eisenbahn die Beschleunigung des wichtigen Zuges von Wirballen nach Petersburg ausdrücklich von der Bedingung abhängig gemacht hat, daß wir in Wirballen mit unseren Anschlußzügen früher ankommen als bisher. Das ist nach Lage des Zuges und nach den Anschlüssen, die der Zug in Berlin aufzunehmen hat, nicht anders möglich, als wenn die eine oder andere Station überschlagen wird. Nun ist dafür Wehlau in Aussicht ge⸗ nommen worden, weil das nach den Verkehrsziffern gerechtfertigt schien. Da aber neuerdings dagegen von den Betheiligten wie ich das sehr erklärlich finde; ich hätte mich auch gewehrt (Heiterkeit) Protest erhoben worden ist, so ist meinerseits die Königliche Eisen⸗ bahn⸗Direction Bromberg nochmals aufgefordert worden, zu untersuchen, ob nicht statt Wehlau eine andere Station, beispielsweise Trakehnen, könnte überschlagen werden. Wir werden da aber wahrscheinlich auf denselben Widerstand stoßen wie bei Wehlau und schließlich doch kein anderes Mittel haben, als die Entscheidung zu treffen nach der Frequenz. Dem Verlangen der großen russischen Eisenbahn können wir uns nicht entziehen; wir haben aus allgemeinen Verkehrsrücksichten ein so dringendes Interesse daran, daß die große russische Bahn den Anschluß-Courierzug von Wirballen nach St. Petersburg schleunigst

durchfübrt, daß wir unsererseits ein Opfer bringen mũssen. Es sollte mich freuen, wenn es möglich sein möchte, nochmals Wehlau für den Zug zu retten.

Herr von Bem berg weist darauf hin, daß der deutsche Land- wirthschaftsrath sich mit zwei Drittel Mehrheit für die baldige Auf⸗ hebung der Staffeltarife ausgesprochen habe.

Finanz Minister Dr. Miquel:

Meine Herren! Ich möchte ein kurzes Wort zu dieser Frage sagen vom Standpunkt der Staatsfinanzen. In der Situation, in der sich die Eisenbahnverwaltuug befindet, wo wir wahrscheinlich in diesem Jahre etwa 50 Millionen, vielleicht auch noch etwas mehr, unter dem Etat bleiben, und wo die Ausgaben in einer sehr bedeutenden Weise sich erhöht haben im Verhältniß zu den Einnahmen, die in den letzten Monaten auch anfangen, etwas nachzulassen, muß die Staate verwaltung große Bedenken haben gegen solche Tarif⸗ reform, von der mit Sicherheit erhebliche finanzielle Verluste wenigstens für längere Zeit vochergesehen werden können. Wir sind nicht in der Lage, so sind unsere Staatsfinanzen gegenwãrtig nicht beschaffen, namentlich wenn es sich um besondere Interessen einzelner Gegenden handelt, große Verluste zu riskiren. Wir müssen vielmehr hoffen, daß die Eisenbahnverwaltung durch eine entschlossene Durchfũhrung jeder denkbaren Sparsamkeit in dieser Verwaltung selbst, durch Vermeidung aller Luxusbauten, durch Reduction aller solcher Ausgaben, die nicht unbedingt nothwendig sind, wieder größere Ueber⸗ schüsse in die Staatskasse abliefert. Wenn wir anderen Vorschlägen in Beziehung auf die Tarife von diesem Gesichtspunkte aus nothwendig entgegentreten mußten, so lag doch bei den Staffel⸗ tarifen die Sache anders, und die Finanzverwaltung hat sich vollständig berechtigt gehalten, von diesem ihrem besonderen Stand⸗ punkt aus, in die Einführung der Staffeltarife zu willigen, weil wir, wie auch schon jetzt die Erfahrung gezeigt hat, finanzielle Verluste bei verständig eingerichteten Staffeltarifen nicht zu befürchten brauchten, indem diese Staffeltarife auf dem richtigen Grundsatze beruhen, daß die Höhe der Tarife sich nach der Höhe der Selbstkosten der Eisen⸗ bahnen richten müsse (Sehr richtig!), und weil zweifellos die Selbst⸗ kosten der Bahnen nicht in gleichem Verhältnisse wie die durchlaufene Kilometerzahl wachsen, vielmehr mit den Entfernungen. Wenn die Güter, die auf Grund dieser versuchsweise eingeführten Staffel⸗ tarife verfahren sind, in Summa sich bisher nicht wesentlich vermehrt haben, wohl aber die durchfahrene Kilometerzahl, so beweist das gerade, daỹ dieser Kalkül richtig ist. Ob wir von diesem isolirten Versuch nicht allmählich in unserem ganzen Eisenbahnsystem grundsätzlich wenig- stens für große Gütermassen zu diesem Staffelsystem übergehen, wird die Zukunft noch lehren.

Der zweite Grund hieraus war allerdings der, daß dringende Veranlassung vorliegt, den schwierigen wirthschaftlichen Verhältnissen im Osten, soviel es in unsern Kräften steht, durch die Einführung der Staffeltarife aufzuhelfen. (Bravo) Wenn die Herren aus dem Westen die Summe Kapital, in der vom Osten bezogenen und ernährten, bis zur Arbeitskräftigkeit erzogenen Menschenkraft abrechnen, so sind die kleinen Tariffragen dabei voll⸗ ständig verschwindend. (Sehr richtig) Meine Herren, es handel sich um eine schmale, langgestreckte Küstenprovinz, welche in dieser großen Entfernung von den in Deutschland hervorragenden Consum= gebieten gelegen und durch die Schutzzölle nicht mehr in der wie früher, ihr Getreide nach England zu schicken, bis wir die Auf hebung des Identitätsnachweises erreichen, der leider meines Erachtens auch lediglich durch Mißverständniß von den verschiedenen Landes— theilen im Süden und Westen Deutschlands bekämpft wird, so lange die russische Sperre Handel und Gewerbe in diesen Provinzen aufs äußerste gefährdet, so lange wir den Rückgang, der durch diese Zustände herbeigeführt wird, klar vor uns haben, solange wir uns sagen müssen, daß diese alten deutschen Grenzmarken von uns in poller Kraft aufrecht erhalten werden müssen, solange muß auch der Westen, selbst wenn er einige Opfer zu bringen hätte, dazu bereit sein. (Lebhaftes Bravo!)

Ich glaube aber, diese Opfer sind sehr geringe. Denn namentlich für den Rhein und Westfalen wird nach meiner Meinung immer der Schiffsweg entscheiden und werden die Staffeltarife von mäßiger und geringer Bedeutung sein. Ich möchte also doch die Herren aus dem Westen dringend bitten, nicht schon jetzt wieder auf die Aufhebung der Staffeltarife zu drängen, erst eine längere Erfahrung abzuwarten. Ich glaube, Sie werden sich überzeugen, daß die Interessen sich auch auf diesem Gebiete sehr wohl werden vereinigen lassen. (Bravo!)

Fürst zu Isenburg-Birstein beantragt, die Regierung zu ersuchen, bei den Eisenbahnbauten nur inländisches Holz zu verwenden.

Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:

Die Königlichen Eisenbahn⸗Directionen sind angewiesen worden, soweit es irgend angängig ist, für ihren Bedarf nur inländisches Holz zu verwenden. (Brovo!

Aber, meine Herren, wir kommen mit dem inländischen Holze nicht aus, namentlich gilt das für den Artikel, der den größten Consum darstellt, die Schwelle. Wir können aus dem Inland nicht so viel eichene Schwellen erhalten, als wir für unsere Bahnlinien nöthig haben. Es sind in dieser Beziehung alle möglichen Versuche gemacht worden, eichene Schwellen heranzuziehen, es ist uns aber in keinem Theile des Landes gelungen, unsern Bedarf vollständig zu decken. Wir haben also der Direction die Ermächtigung geben müssen, im Nothfalle auch außerdeutsche eichene Schwellen zu ver⸗ wenden. Um möglichst inländisches Holz verwenden zu können, sind in den letzten Jahren ausgedehnte Versuche mit buchenen Schwellen gemacht worden. Ich habe mich persönlich für die Verwendung der buchenen Schwelle schon in meinen früheren Amtsbezirken lebhaft interessirt; die Erfahrungen, die, wie gesagt, aus sehr umfangreichen Versuchen gemacht wurden, sind sehr verschieden und haben den Beweis geliefert, daß auf die Buche an sich kein solcher Verlaß ist als Schwellenholz wie auf die Eiche. Es sind Buchenschwellen verlegt, die sich vorzüglich gehalten und der Eiche ziemlich nahe kommen und wieder andere, die kaum drei Jahre in der Erde lagen, bis daß sie verstockt sind und ausgeworfen werden müssen. Offenbar haben auf die Haltbarkeit der Buche Umstände Einfluß, die bis jetzt auch von den Forsttechnikern noch nicht genügend constatirt sind. Es hat sich ergeben, daß aus denselben Lieferungen, von denselben Walddistrieten, der eine Theil sich seht gut, der andere weniger gut gehalten hat. Würden wir die Buchenschwelle in irgend einer Weise haltbar her⸗ stellen können, so wäre die Frage der Verwendung inländischen Holzes in der Hauptsache gelöst. Noch neuerdings ist meinerseits der Auftrag gegeben worden, diesen Versuchen nachzugehen und sich von Seiten der

Eisenbahnverwaltungen thunlichste Mühe zu geben, um festzustellen, unter welchen Umständen die buchene Schwelle haltbar ist, und unter welchen Umständen sie einer raschen Verstockung unterliegt. Soweit wir bis jetzt baben feststellen können, hängt die Haltbarkeit der Buchen⸗ schwelle zunächst von dem Standort ab, auf dem sie gewachsen ist, und zum zweiten hauptsächlich von der Behandlung, die sie in der ersten Periode nach der Fällung erfährt. Bleibt die buchene Schwelle in der Rinde im Walde liegen, bleibt sie auch entrindet aufgestapelt längere Zeit an einem feuchten Waldorte, so ist mit absoluter Sicher⸗ beit anzunehmen, daß sie, wenn sie auch noch so schön aussieht und nach allen Regeln der Kunst imprägnirt ist. doch nach kurzer Zeit vollständig von Pilzen zerstört wird und aus dem Gleise entfernt werden muß. Es würde daher, glaube ich, nothwendig sein, daß auch die Herren Waldbesitzer unsere Bemühungen, der buchenen Schwelle Eingang zu verschaffen, vielleicht mehr unterstützen, als dies bisher der Fall gewesen ist. Aber, meine Herren, auch die Nadelholzschwellen können wir in den Qualitäten, in denen wir sie in Rücksicht auf die Sicherheit des Betriebes nöthig haben, nicht mehr in ausreichendem Maße aus dem Inlande beziehen. Wir haben für einzelne Theile des Staatseisenbahnnetzes ausländische Nadelhölzer als Schwellenholz an⸗ gekauft. Was nun die Verwendung der Hölzer zu unserem Wagenbau anbelangt, so sind in früheren Jahren in ziemlich großem Umfange, namentlich zur Zeit der Privatbahnen, die sich das Hol; zum Wagenbau daher beschafften, wo sie es am billigsten und besten bekamen, ameri⸗ kanische Hölzer genommen worden, die sich ganz vorzüglich eignen. Die Pitch⸗Pine und Jellow⸗Pine sind für den Wagenbau ganz vortreffliche Hölzer. Sie werden aber gleichwohl auf Anordnung des Ministeriums zur Zeit nicht mehr verwendet. Wir verwenden nur Hölzer, die auch auf deutschem Boden wachsen. Wir bedürfen aber für einzelne Theile unseres Wagenbaues, namentlich da, wo wir Nadelholz verwenden, dichtgewachsenes Holz, das wir nur zum theil im Inlande zu rationellen Preisen erhalten können. Ich kann mich daher dahin resumiren, daß ich gern bereit bin, den Directionen wiederholt einzu⸗ schärfen, die Verwendung des inländischen Holzes in erster Linie ins Auge zu fassen und nur, wo ganz besondere Gründe vorliegen, oder unfer inländisches Holz überhaupt in ausreichender Qualität oder Quantität nicht zu haben ist, zu ausländischem Holz überzugehen. (Bravo) Ich möchte aber an die Herren Waldbesitzer die Bitte richten, uns in der zweckmäßigen technischen Zurichtung des Schwellen—⸗ holzes möglichst entgegenzukommen, damit wir die Schwellen ohne die Keimpilze erhalten, die, wenn einmal eingenistet, das Holz sehr bald zerstören, ob es imprgnirt ist oder nicht.

Graf von der Schulenburg-Beetzendorf bittet den Land⸗ wirthfschafts⸗Minister, durch die Beamten der Forstverwaltung Versuche zu veranftalten, um das Buchenholz haltbarer zu machen.

Minister für Landwirthschaft ꝛc. von Heyden:

Die Forstverwaltung nimmt das lebhafteste Interesse an einer rentablen Verwerthung des Buchenholzes. Es sind auch bereits Ver—⸗ suche im Gange darüber, wie eine bessere Haltbarkeit des Buchenholzes herbeigeführt werden kann. Der von Herrn Graf Schulenburg an⸗ geführte Fall der Verwendung und Erhaltung des Buchenholzes in mehreren hundert Jahre alten Bauwerken ist mir nicht bekannt. Ich sollte aber eigentlich meinen, wenn das ein bekannter Fall ist und es auch durch Ueberlieferung bekannt ist, wie das Buchenholz damals haltbar gemacht ward, so würden auch wohl in dieser Beziehung schon Versuche angestellt sein. Sollte das nicht der Fall sein und sich im übrigen die Anführungen des Herrn Grafen Schulenburg bestätigen, so steht meinerseits nichts im Wege, sofort derartizze Versuche anzu⸗ ordnen. Beifall.)

Graf von Pückler-⸗Burghauß empfiehlt die Lostrennung der ehemaligen Freiburger Bahn vom Directionsbezirk Berlin und ihre Uebertragung auf den Bezirk Breslau. .

Graf zu Eulenburg dankt dem Finanz-Minister für seine Ver⸗ tretung der Interessen des Ostens und bittet um Errichtung einer besonderen Direction in Königsberg, da die Bremberger Direction den Interessen Ostpreußens nicht gerecht geworden sei.

Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:

Meine Herren! In Königsberg besteht schon jetzt eine eigene Königliche Eisenbahn⸗Betriebsbehörde, das Königliche Eisenbahn⸗ Betriebsamt Königsberg. Ich nehme nun an, daß Herr Graf zu Eulenburg beabsichtigt hat, die Einrichtung einer besonderen Direction in Königsberg zu befürworten. Das Betriebsamt Königsberg ist für den Betriebs und Verkehrsdienst seines Bezirkes die ausführende selbständige Behörde, die Betriebsdirection in Bromberg ist die Provinzialinstanz, der die Betriebsämter des Bezirks unterstellt sind. Meine Herren, einer der Herren Vorredner hat schon ausgeführt, daß es gewiß eine außerordentlich schwierige Sache gewesen sei, seinerzeit bei Organisation der Staatseisenbahnverwaltung die Vertheilung der Strecken auf die Directionen und die Betriebsämter durchzuführen. Meine Herren, noch viel schwieriger sind Veränderungen in der Organi⸗ sation, welche inzwischen nach allen Seiten weitgreifende Wurzeln ge⸗ schlagen, herbeizuführen. Ob und inwiefern sich in der Zukunft eine solche Veränderung hinsichtlich des Directionsbezirkes Bromberg als ein Bedürfniß herausstellen wird, läßt sich zur Zeit noch nicht über— sehen und hängt im wesentlichen mit der Frage zusammen, ob die innere Organisation der Eisenbahnverwaltung auf dem bisherigen Boden verbleiben oder ob sie einer Reform unterzogen werden soll. So lange diese Frage nicht gelöst ist, wird es nicht angängig sein, tiefgreifende Veränderung der Bezirke der einzelnen Directionen vorzunehmen. Außerdem würde diese Veränderung der Bezirke zunächst sehr erhebliche Ausgaben veranlassen. Die Einrichtung einer neuen Direction für Königsberg, der die benachbarten Betriebsämter zu unterstellen sein würden, würde an einmaligen und fortlaufenden Kosten so erhebliche Beträge erfordern, daß bei der gegenwärtigen Finanzlage schon aus diesem Grunde zur Zeit wenigstens von Ausführung dieses Projectes Abstand genommen werden müßte. Es würde aber die Einrichtung einer neuen Direction ihre Einwirkung zugleich auf die benachbarten Directionen, deren Bezirke dann wahrscheinlich auch einer Abãnderung unterzogen werden müßten, und im weiteren Verlaufe voraussichtlich auf die ganze Organisation des Staatseisenbahnnetzes ausüben. Aus diesem Grunde kann, wie gesagt, an eine solche Veränderung der Organisation nur mit größter Vorsicht herangetreten werden. Sollte aber der Zeitpunkt gekommen sein, so würde naturgemäß auch die Frage zu erwägen sein, ob der große Bezick Bromberg zu theilen und etwa für Ostpreußen in Königsberg eine Direction einzusetzen sein würde. Königsberg ist aber nicht allein Bewerber um Einrichtung einer Direction, es haben sich dafür noch eine ganze Reihe von Städten innerhalb der Monarchie gemeldet, und wenn wir in Königsberg an⸗ fangen, diese Wünsche zu erfüllen, so würden wir auch für die Wünsche

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