1892 / 81 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 02 Apr 1892 18:00:01 GMT) scan diff

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den geordneten Rechtsweg beschritten hat, über die Petition zur Tagesordnung überzugehen.

r Berichterstatter Freiherr von Du rant . darauf, daß der Petent in einer umfangreichen Schrift den Einfluß des Juden thums auf die Diplomatie, die Beamten, auf die Aristokratie, auf Kunst und Wissenschaft schildere. Wenn auch nur ein geringer Procentsatz dessen, was er behaupte, zu k sein sollte, dann würde das ein schreckenerregendes Bild entrollen von der Macht des Judenthums. Viele Dinge seien wahrscheinlich übertrieben, manches erscheine aber. durchaus wahrscheinlich, sodaß es ge⸗ boten fei, Klarheit zu schaffen. Wenn besonders der finanzielle Ein⸗ fluß des Judenthums geschildert werde, so. erweise sich daraus die Rothwendigkeit, daß Anstalten getroffen würden, um den Personal⸗ und Realeredit zu sichern. Der Petent. beschwere sich darüber, daß feine Verhaftung widerrechtlich erfolgt sei; ein Fluchtverdacht habe doch nicht pre ge, da er ausdrücklich um diese Angelegenheit zu verfolgen von Ehina nach Deutschland gekommen sei; ein Ver⸗

brechen habe auch nicht vorgelegen, denn er sei nur der Beleidigung

angeklagt, außerdem sei sein Wohnort Leipzig gewesen und daher

did Berliner Staatzanwaltschaft nicht zuständig gewesen, seine Verhaf⸗

tung zu verfügen. In der Commission sei der Antrag in erweiterter

Form' dahin 'gestellt worden, daß dem Petenten Gelegenheit gegeben

werden solle, den Beweis für seine Behauptungen ö erbringen. Die eh

Commifsion habe diesen erweiterten Antrag abgelehnt, wei sie an⸗ enommen habe, daß bei den . Gerichten es fellstverstãndlich . daß ein Verklagter volle Vertheidigungs freiheit genieße . Yhennct Ybeh Just:in Ratz Lu cas; Bie Justswdermaltung ei mit dieser Angelegenheit uberhaupt nur durch den Strafantrag des Staats secretärs des Auswärtigen Amts befaßt worden. Sowohl das Auswärtige Amt, als eine ganze Anzahl mehr der minder hoch⸗ estellter Beamten seien beleidigt worden. Herr en, behaupte ogar z. B., 4. der Verfuch gemacht worden sei, ihn zu vergiften, und daß man ihm auch auf andere Weise nach em Leben getrachtet habe. Der Staatsfecretär des Auswärtigen Amts hahe die Be—⸗ strafung direct beim Staatsanwalt beantragen können, Es sei aber Praxis, daß die Centralbehörde nur. in eiligen Fällen sich direct an dT Ünterbehöͤrden wende und sich sonst der . des zuständigen Ressort-Ministers bediene. Der Justi Minister habe die Sache an den Staatsanwalt des Landgerichts Berlin 1 abgegehen. Die Untersuchung sei eingeleitet worden; der Grund zur Verhaftung sei der Fluchtverdacht gewesen, weil es habe angenommen werden müssen, daß aasch, der aus China zurückgekehrt war und in Deutschland einen sesten Wohnsiß, noch nicht genommen hatte, ein festes Domicil nicht habe. Tach fünfwöchiger Haft sei die Freilassung auf Grund einer Gautionsstellung erfolgt. Erlaß und Aufhebung der Haft sei durch Gerichtsbeschluß bewirkt. Die Strafthat sei mittels der Presse be⸗ gangen worden, wobei entweder der Wohnsitz oder der Ort der be⸗ gangenen That maßgebend sei. Einen festen Wohnsitz habe Paasch nicht gehabt. In Bezug auf die beleidigende Schrift sei bisher nur erwiesen, daß sie in Leipzig gedruckt, dann in Kisten gepackt und in ein hiefiges Hotel geschickt worden sei, wo durch Mittelspersonen die Verabrebung' zur? weiteren Verbreitung getroffen, worden sei. Mit einer an Gewißheit grenzenden Wahrscheinlichkeit müsse man Eöchalb' als den Srt der strafßaren That Berlin annehmen. Wenn der Versuch gemacht worden sei, die Sache auf den antisemi⸗ tischen Leisten zu schlagen, so sei; das wohl nicht richtig. Die hoben Staatsbeamten, um die es sich handele, seien keine Israeliten, fondern meist Träger hochadliger Namen. Daß die Justiz, nicht mit leichem Maße gemessen habe, wo es sich um Juden oder Nicht⸗Juden . sei nicht zutreffend. Das sei nur ein Ausfluß einer ge⸗ wissen Leidenschaftlichkeit erregter Parteikämpfer, Die Justizverwaltung als solche sei überhaupt nicht im stande, auf gerichtliche Entschei⸗ dungen einen Einfluß auszuüben. Graf Pfeil“ Hausdorf: Es sei auch der Versuch gemacht worden, e Paafch für geisteskrank zu erklären, Gerade auf diesem Gebiete errsche aber eine große Beunruhigung, die eine umfangreiche Literatur hervorgerufen habe. Bei der Feststellung. von Geisteskrankheiten werde das Moment der Gemeingefährlichkeit viel zu wenig betont. Die Entscheidung der Medizinalbeamten beruhe meist nur auf einer oberflächlichen Kenntniß der Sache. Wenn jemand in ein JFrrenhaus gesperrt werde, so sei es schwer, wieder herauszukommen. Die Ent⸗ rüstung über einen solchen Zwang werde leicht als ein Beweis der Geisteskrankheit angesehen. Auf diesem Gebiete sollte die Justiz⸗ verwaltung Wandel schaffen. ; . Geheimer Ober⸗Fustiz Rath Lucas: Im Falle Paasch habe keine Behörde feine Unterbringung in eine Irrenanstalt angeregt; die Petition habe also keinen Anlaß geboten, die Frage zu erörtern. Die Frage interessire die Justizverwaltung nicht. Denn das sei lediglich eine Sache der Polizei. ; ̊⸗. Graf Pfeil: Die Entmündigung sei Sache der Justiz. Geheimer Justiz⸗Rath Lucas; Die Entmündigung komme hierbel nicht in Betracht, fie sei reichsgesetzlich geregelt. Die Unter⸗ bringung in eine Irrenanstalt sei lediglich Polizeisache. Der Antrag der Commission wird genehmigt. Schluß 4 Ühr. Nächste Sitzung Dienstag 12 Uhr.

Haus der Abgeordneten. 45. Sitzung vom Freitag, 1. April.

Der Sitzung wohnen der Finanz-Minister Dr. Miquel und der Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen bei.

Zur dritten Berathung steht die Vorlage, betreffend die Aufhebung der durch die Verordnung vom 2. März 1858 verhängten Beschlagnahme des Ver⸗ mögens des Königs Georg.

Die letzten Worte sind in der gestrigen Sitzung auf An⸗ trag des Abg. Hansen an die Stelle der Worte der Vorlage „König Georgs“ gesetzt worden.

Geheimer Dber⸗Finanz⸗Rath Grandke: Diese Aenderung habe das Haus in der Absicht beschlossen, das Gesetz mit einem richtigen Deutsch auszustatten. Die Regierung erkenne an, daß die Abänderung Ischtiges Teutsch enthalte, und habe deshalb keine Vneranlassung, gegen die beschlossene Aenderung Widerspruch zu erheben. (Große Heiter— keit,. Verwahren müffe er sie aber gegen den Vorwurf, daß die Regierungsvorlage in den Worten König Georg 8. kein richtiges Deutsch k Heiterkeit Die Regierung halte die Worte „König Georg' s für ebenso richtig, wie „des Königs Georg“, und Fe stütze sich dabei auf zwei Handfibeln, die in die Volksschulen Berlins eingeführt seien. (Große Heiterkeit; In der einen dieser Tibeln. Unsere Muttersprache von Dr. Ferdinand Hermes lese er auf Seite 58: Im äbrigen sind die Fälle nach folgenden Beispielen zu beurtheilen, aus denen ersichtlich, daß sich die Flexion nicht gern hãuft: Der Tod Friedrich's des Großen, König Friedrichs König Friedrich Wilhelm s des Ersten ꝛ. Daneben: Der Ruhm des Königs Friedrich, des Dichters Friedrich von Schiller. In der zweiten Fibel (Große Veiterkeit) Grundriß der deutschen Sprache von Wetzel“ lese er auf Seite 19: Bei Ver⸗ bindungen mehrerer Namen für eine Person. folgende Formen: Re⸗ gierung Friedrich Wilhelm's, des Königs Friedrich Wilhelm; aber auch:; Die Werke König Friedrichs, des Königs Friedrich, die Thaten Friedrich'' des Großen, die. Regierung Karle Rudolf's von

Habsburg. Die ganze Frage sei alfo weiter nichts als eine Ge—

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schmacksfrage, Und in diefer Beziehung habe sich die Regierung

ebenfall uf den Standpunkt gestellt, den, diese beiden Fibeln einnähmen., An einer Stelle werde nämlich gesagt, daß, wenn man ein gutes Deutsch schreiben wolle, man eine Häufung der zu vermeiden habe und ferner auch zu ver⸗ meiden babe die unmittelbare feinanderfolge des Artikels Regierung glaube danach, daß die Worte

ge König Georg's⸗ geschmackvoller seien.

im Jinanz⸗Ministerlum der Regierungs⸗

Vor eil diese wenigstens um ein

Hauses. (Heiterkeit. Das

sei garnicht zu unterschätzen. Wenn man dieses Gesetz nämlich richtig . und hundert Mal citiren müsse, so würden in diesem Falle dem e , 3 Buchstaben erspart. (Große Heiterkeit) Das ei auch ein Vortheil.

- e Dr. 324 (nl): Er freue sich, daß nach den Aus⸗ führungen des Regierung ⸗Commissars die Eommission das —ᷣ. hetroffen habe; die; Mitglieder des Hause⸗ als Erwählte des Volks und mehr noch die erwählten Mitglieder der Commission müßten darauf halten, daß in den Gesetzen dem Volke gutes und richtiges Deutsch gebeten werde. Den Belspielen des Regierung vertreter Enn er doch einige bekannte anfügen: Mang sage Fürst Bismarck s Reden, König Enzio's Tod, Kaifer Rudolf's Ritt zum Grabe. Nach alle Dem freue er sthz constatiren zu können, daß die Regierung und die ECommiffion das Richtige getroffen hätten.

Danach wird die Vorlage unverändert nach den Be⸗ schlüffen der zweiten Lesung, also so, daß es in der Ueber— 6 heißt „des Königs Georg., ge eh mit.

Darauf folgt die dritte k es Gesetzentwurfs. betreffend die Declaration der Vorschriften des 5 72 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes und des Ge⸗ werbesteuergesetzes vom 24. Juni 1891 (Aenderung oder Neubestimmung von Tagegeldern und Reisekostensätzen)

Abg. von Bockelberg (ons.) ; Er habe das Vertrauen zu der Staatsregierung, daß fie die Durchführung des Gesetzes durch ge⸗ eignete Declarationen in dem von seinen Freunden gewüͤnschten Sinne 3 werde, und verzichte deshalb darauf, Abänderungsanträge ein⸗ zubringen. Die Vorlage wird darauf ohne meitere Debatte unver⸗ ändert genehmigt. Es folgt die erste Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Aufhebung von Stol gebühren für Taufen, Trauungen und kirchliche Aufgebote in der evan— elischen' Landeskirche der älteren Provinzen der tonarchie. ö . . Präsident von Köller . ein Schreiben des Ministers der geistlichen ꝛe. Angelegenheiten Dr. osse zur Verlesung, worin dieser sein Nichterscheinen bei der Berathung dieses und des nächsten Gegen standes der Tagesordnung damit entschuldigt, daß er auf 126 Uhr zu Seiner Majestät dem, König befohlen sei und mit seiner Ver⸗ tretung die Geheimen Räthe Wachskopff und hehe beauftragt habe.

Abg. Rören (Cent.): Da die Stolgebühren der evangelischen Geistlichen nach der Vorlage nicht aus Gemeindemitteln, sondern aus Staatsmitteln, zu denen Angehörige aller Confessinen beitrügen, mit II Millionen abgelöft werden sollten, handele es sich hier ö. nicht um ein Internum der evangelischen Landeskirche, sondern auch seine Partei könne und müsse dazu Stellung nehmen. Er bedauere daß in der Vorlage nicht zugleich der katholischen Geistlichen und der ihnen durch die Einführung des Civilstandsgesetzes entstandenen Aus⸗ fälle an Stolgebühren gedacht sei. Gegen die s orlage an sich habe er darum keinen Einwand zu erheben, weil sie durch eine Resolution dieses Hauses veranlaßt sei; er könne ihr aber nur unter dem Vor⸗ behalt zustimmen, daß Garantien gegeben würden, daß auch für die katholischen Geistlichen eine Ablösung der Stolgebühren erfolgen werde; diese Garantien müßten durch einen im Gesetz selbst ent⸗ haltenen Zusatz gegeben werden, und er hoffe, 8 die Commission, der die Vorlage zur Vorberathung werde überwiesen werden, einen solchen Zusatz beschließen werde. . ö. Abg. von Benda (ul): Er freue sich der Zustimmung des Vor⸗ redners zu der Vorlage. Den von ihm gewünschten Vorbehalt halte er fuͤr ganz berechtigt. Eine Vorlage wegen der katholischen Geistlichen sei dem Hause bisher darum nicht zugegangen, weil Ver⸗ handlungen mit höheren katholischen eistlichen Würdenträgern noch schwebten, die aber voraussichtlich so schnell erledigt werden könnten, daß wohl noch in dieser Session die betreffende Vorlage dem Hause zugehen werde. Als Vorsitzender der Finanzeommission der General⸗ synode wisse er, daß der Widerspruch, der namentlich von Rhein⸗ ländern; anfänglich gegen die Vorlage erhoben, widerlegt sei und die Vorlage dort 3 fast einstimmig genehmigt worden sei. Die Ablöfung der Stol gebühren, eine Folge des Cibilstandsgesetzes sei seit langen Jahren Gegenstand von Thronreden, von Mittheilungen der Re⸗ gierung, sowie von Verhandlungen dieses und des Herrenhauses gewesen, und immer habe man sich für diese Ablösung ausgesprochen. Die Vorlage wolle nun dieses alte Desiderium endlich erfüllen, sie thue es aller⸗ dings so, daß nur den allerdringendsten Bedürfnissen genügt werden könne; aber man werde sich um so eher damit behelfen können, als ja reiche Familien, auch wenn das Gesetz bestehe, dem Geistlichen für selne Trauungen u. s. w. immer irgend (in Honorar gewähren würden. Er bitte also die Commission, die Sache so zu behandeln, daß diese alte Frage endlich einmal zur Zufriedenheit aller Be⸗ theiligten aus der Welt geschafft werden könne. .

Abg. Pr. LTangerhans (dfr.): Wenn er bedenke, wie das Haus den allerärmlichsten Beamtenstellen keine Zulage gegeben habe wegen der Finanzlage des Staats, dann könne er sein Erstaunen darüber nicht unterdrücken, mit welcher Freude die Vorlage hier im Hause be— grüßt worden sei. Die Regierung habe ja die vollständige Be⸗ rechtigung, ein solches Gesetz vorzulegen, weil sie durch eine Resolution dieses Hauses aufgefordert worden stei, so schnell wie möglich das Gese einzubringen. Der jetzige Zeitpunkt scheine ihm aber och nicht der rechte u' ein. Das Haus habe ja bereits durch, das Cipilstands= gesetz Summen in Etat ausgeworfen, um diejenigen Geistlichen u entschädigen, welche durch das Gesetz unmittelbar geschädigt würden, und außerdem habe es noch andere Benefizien den Kirchen geleistet. Man könne also jetzt mit der weiteren Ausstattung der Geistlichen twas einhalten, zumal nachdem im Etat 5 474 300 6 zur Aufbesse⸗ rung der Gehälter der Geistlichen ausgeworfen worden seien. Wenn man dagegen eingewendet habe, daß die Stolgebühren nicht sowohl den G&M en als der Kirchenkasse zu gute kämen, so sei das doch schließlich dasselbe. Gewinne die Kirchenkasse, so könne sie selbst ben Geiftlichen besser stellen. Die Stolgebühren seien heute, nach der Aufhebung derjenigen für die kleinen. Leute, schon nicht mehr viel geringer als sie früher gewesen seien. Die Wohlhabenderen bezahlten fie nach wie vor, well sie sich mit den Armen nicht zusammen trauen bezw. ihre Kinder nicht taufen lassen wollten, Es sei ihm unverständlich, daß man über die Noth der Weichensteller und fonstigen untersten Beamten zur Tagesordnung übergehe, um nur desto schneller für die Geistlichen etwas zu thun, was diese zwar sehr gern mitnehmen würden, was sie aber nicht dringend gebrauchten, und worauf ihr Rechtsanspruch zweifelhaft sei. Für Begräbnisse würden ja die Stolgebühren ohnehin nicht aufgehoben. Wenn die Kirche das Recht der Steuererhebung erhalten habe, wenn dieses Recht ihr gegeben sei, um ihre Geistlichen besser zu stellen, dann habe das Haus keine Veranlassung zu noch weiteren Bewilligungen aus Staats⸗ mitteln.

Finanz⸗Minister Dr. Miquel:

Meine Herren! In Behinderung meines Herrn Collegen möchte ich mir gestatten, den verschiedenen Bemerkungen der Redner gegen⸗ über die Vorlage mit einigen Worten zu vertreten.

Was das Verhältniß der in der katholischen Kirche bestehenden Stolgebühren betrifft, so ist von einem der Herren Vorredner das Bedenken ausgesprochen worden, daß in dieser Richtung eine Mit—⸗ wirkung des Staates nicht genügend gesichert sei. Bei der ersten Be⸗ sprechung dieses Gegenstandes ist aber schon darauf hingewiesen worden, daß bei der Staatsregierung nicht der mindeste Zweifel besteht, in Betreff der Mitwirkung des Staates bei Aufhebung der Stolgebühren keinerlei Unterschied zwischen den verschiedenen Kirchen zu machen, und daß, wenn nicht schon jetzt in diesem Augenblicke eine Vorlage auch für die katholische Kirche

vorliegt, das lediglich seinen Grund darin findet, daß die statistischen

Ermittelungen, die gleichzeitig auf Anordnung der beiden Minister für die evangelische und für die katholische Kirche eingeleitet worden sind, bei der letzteren bisher noch nicht zum Abschlusse gelangt sind. Sie wären vielleicht schon längst zum Abschlusse gekommen, wenn nicht Bedenken bestanden hätten bei einzelnen Bischöfen in Bezug auf das ganze Werk und dadurch Verzögerungen in der Sache hinein⸗ kamen. Wir werden nicht verfehlen, wenn in der Zwischenzeit eine Verständigung mit den katholischen Kirchenoberen her⸗ beigeführt wird und das statistische Material vorliegt, sodaß man die nöthigen Summen klar bemessen kann, auch für die katholische Kirche die erforderliche Vorlage zu machen.

Wenn man sich von verschiedenen Seiten, namentlich über die Haltung des Finanz⸗Ministers in dieser Frage, gewundert hat, daß derselbe bei einer schwierigen Finanzlage diese Summe von mehr als einer Million Mark Rente zu Gunsten der evangelischen Kirche in den Etat eingestellt hat, wenn man sich darauf berufen hat, daß dies doch jedenfalls nicht zulässig gewesen wäre in einer Zeit, wo wir die allerãrmsten und untersten Beamten nicht hätten aufbessern können, so kann ich mich zur Widerlegung einfach auf die Resolution dieses Hauses berufen, auf die Erklärungen, die auf Grund dieser Resolution sowohl von dem damaligen Herrn Cultus⸗Minister als auch von dem Herrn Minister⸗-Präsidenten abgegeben wurden, und es wird gewiß der Finanzverwaltung am allerwenigsten ein Vorwurf aus diesem Hause gemacht werden können und von derselben Mehrheit, die diese Reso⸗ lution beschlossen hat, der die Staatsregierung gefolgt ist. Aber, meine Herren, sind denn hier die allerärmsten und untersten Beamten noch in Frage? Die Gehälter derselben sind ja bereits mittels einer Verwendung von 18 Millionen Mark aufgebessert worden im vorigen Jahre. (Sehr richtig!)

Der Herr Abg. von Benda hat diese Angelegenheit mit dem Ausdruck einer „Seeschlange“ bezeichnet. Es ist eine alte Frage, die hier endlich zur Lösung kommt und deren Verschiebung um das eine oder das andere Jahr finanziell vor gar keiner wesentlichen Bedeutung gewesen wäre. Die General-Synode tritt alle sechs Jahre zusammen; sie trat nun in diesem Jahre zu— sammen. Das Kirchengesetz konnte mit derselben verabschiedet werden; es war daher ganz naturgemäß, daß man den gegenwärtigen Zeitpunkt wählte, um diese so lange ventilirte Frage endlich zu einem gedeih“ lichen Ausgang zu bringen. So viel steht nach allen Be⸗ schlüssen der Provinzial-Synoden und der General⸗Synode in der evangelischen Kirche wenigstens fest, daß die Beseitigung der hier fraglichen Stolgebühren den Wünschen dieser Kirchen—⸗ organe entspricht. Das ist aber nicht bloß in Preußen der Fall; in dem größten Theil der deutschen Staaten sind die Stolgebühren längst ganz oder theilweise aufgehoben, und zwar zum Theil unter Mit⸗ wirkung des Staats. Ich will das einzeln, um Sie nicht allzusehr in Anspruch zu nehmen, nicht hier ausführen; man kann sagen, daß im großen ganzen in den übrigen deutschen Staaten wenigstens mit den Stolgebühren unterster Gattung bereits vollständig auf— geräumt ist. In der Provinz Hannover beispielsweise ist schon vor längerer Zeit durch einstimmige Beschlüsse der dortigen Synode mit der Aufhebung der Stolgebühren vorgegangen. Daß also diejenigen Organe, die hier doch zunächst betheiligt sind und das beste Urtheil haben für diejenigen Interessen, die sie zu vertreten haben, die Aufhebung der Stolgebühren für heilsam halten, für im höchsten Grade wünschenswerth, kann gar keinem Zweifel unterliegen. Ja, hier in Berlin selbst, welches doch dem Herrn Dr. Langerhans nahe liegt, sind die Stolgebühren aufgehoben, und seine Befürchtung, daß die unentgeltliche Annahme dieser kirchlichen Aete seitens der Bevölkerung nichst stattfinden würde, indem man eine gewisse besondere Ausstattung verlangen werde, ist hier in Berlin gerade widerlegt worden. Diese unentgeltlichen Taufen und Trauungen gelten hier in gar keiner Weise als, möchte ich sagen, etwas deprimirende Hinnahme kirch⸗ licher Leistungen; das hat sich auch in den übrigen Provinzen Preußens, wo mit der Aufhebung bereits verfahren ist, ebenso in den übrigen deutschen Ländern herausgestellt. Ich nehme allerdings an, daß die Kirchenorgane dahin wirken werden, daß ein allmähliches, freiwilliges Wiedereinschleichen von Gebühren für diese Acte nicht Platz greife. Die Geistlichkeit muß es nach meiner Meinung als ihre Ehrenpflicht betrachten, für diese hier fraglichen Acte billigster und einfachster Form keine Gebühren und keine Zuwendungen mehr anzunehmen. Das allerdings, glaube ich, dürften wir wohl er— warten und voraussetzen. Ich bin überzeugt, daß die Aufhebung der Stolgebühren namentlich die Stellung der Geistlichkeit in den Gemeinden günstig beeinflussen wird, daß es in denjenigen Kirchen gemeinden, wo die Geistlichen mehr oder weniger auf diese Stol⸗ gebühren angewiesen sind, in vielen Fällen für dieselben höchst peinlich ist, derartige Gebühren annehmen zu müssen mit Rücksicht auf ihre Existenznothwendigkeit ich bin überzeugt, daß die Stellung der Geist⸗ keit in den betreffenden Gemeinden wesentlich erleichtert und eine viel würdigere wird.

Man hat meine Ausführungen bei Gelegenheit der Einführung des Staatshaushalts bestritten, daß dies Gesetz wesentlich zu einer Erleichterung der unteren, weniger bemittelten Mitglieder der Gemeinde führe. Ich will diesen Gesichtspunkt noch weiter ausdehnen, indem ich sage, dieses Gesetz kommt vor allem unseren weniger bemittelten Landestheilen zu gute. Wenn Sie die Statistik, die wir aufgenommen haben, durchsehen, so werden Sie sich überzeugen, daß nicht bloß in der Diaspora, sondern überhaupt im ganzen Osten in den geringer bemittelten Landestheilen die Geist⸗ lichen ausschließlich oder im hohen Grade auf die Stolgebühren an⸗ gewiesen sind, weil die Kirchenkassen selbst zu wenig Mittel haben und die Pfarreien zu schwach dotirt sind. Das Gesetz wird da also am meisten wirken.

Wenn Herr Abg. Dr. Langerhans von den ganz unbedeutenden Gebühren gesprochen hat, die die armen Leute zu zahlen haben, so könnte ich verweisen auf eine große Zahl von Gemeinden im Osten der Monarchie, wo bei der hohen Belastung der Gemeinden durch die Kirchensteuern, die bisweilen 60 bis 70 Procent der Staatssteuern be⸗ tragen, die Gemeinden gar nicht mehr in der Lage wären, die Kirchen⸗ steuern noch weiter zu erhöhen, und doch bei der Mittellosigkeit der⸗ selben gezwungen wurden, die Stolgebühren auf eine Höhe zu bringen, daß für ganz einfache Trauungen und Taufen der arme Mann 10 15 4 bezahlen muß. (Hört, hört) Wenn nun hier diese kirchlichen Acte einfachster Art freigegeben werden und diese Freigebung erreicht wird durch eine Heranziehung der Kirchengemeinde zur Kirchensteuer bis zu 40so, so

ergiebt sich von selbst, daß nach unserem heutigen Steuersystem die

wohlhabenderen Klassen in der Gemeinde in Zukunft im wesentlichen zu jablen haben werden für die ganz unbemittelten Mitglieder der

Gemeinde. . Ich glaube also, ich kann meine Behauptungen in dieser

Richtung durchaus aufrecht erhalten. Es handelt sich hier um ö bessere zweckmäßigere Form der Vertheilung kirchlicher Abgaben, die an sich nicht zu entbehren sind und auf welche

die Kirchengemeinden angewiesen sind Meine Herren, ich kann Ihnen aus allen diesen Gründen nur empfehlen, sich dem Gesetze gegenüber wohlwollend zu verhalten. Ich sinde es ia ganz natürlich, daß Sie dasselbe in die Commission verweisen, und ich möchte namentlich die Herren vom Centrum ersuchen, doch nicht an dies Gesetz die Be— dingung zu knüpfen, daß es erst in Kraft träte gleichzeitig mit einer Durchführung der Aufhebung der Stolgebühren in der katholischen Kirche. Die Garantien daß in dieser Beziehung die Staatsregierung mit gleichem Maße messen wird, sind doch wohl in vollem Umfange vorhanden. Es kann ein innerer Grund daher, das gleichzeitige In— krafttreten beider Einrichtungen in beiden Kirchen zu fordern, wohl nicht vorliegen. Möglicherweise könnte ja aber doch innerhalb der katholischen Kirche nach den von den kirchlichen Oberen derselben ver— tretenen Anschauungen mit der Aufhebung der Stolgebühren über— haupt nicht vorgegangen oder in anderer Weise verfahren werden. Daher scheint es mir bedenklich, beide Kirchen in dieser Beziehung sch möchte sagen aneinanderzuketten. Ich möchte daher bitten, sich mit meinen Erklärungen nach dieser Richtung zu begnügen und nicht in formell juristischer Weise in der Regelung beider Fragen auch beide Kirchen von einander abhängig zumachen. (Bravo) 3

Abg. Simon von Zastrow (eons): Er hoffe gleichfalls, daß das Centrum das le terwähnte Bedenken nicht aufrecht erhalten, fondern sich an der Erklärung des Ministers genügen lassen werde. Der Abg. Langerhans habe als. Mitglied eines Kirchenvorstandes gemeint, daß ein dringendes Bedürfniß für die Aufhebung der Stol⸗ gebühren nicht vorliege; er . glaube jedoch, bei allem Respect por diefer Eigenschaft des Abg. Langerhans, daß die Mitglieder der General⸗ fynode für das Haus doch wohl mehr Autorität hätten, und diese hielten das Bedürfniß für ein dringendes. Die Fürsorge des Abg. Langerhans für die „armen Beamten“ erwecke seine (des Redners) greif Sympathie; er beklage aufs tiefste, daß die Gehalts⸗ auf ö nicht weiteren Fortgang genommen hätten. Aber die Beamten würden auch nichts bekommen, wenn diese 14 Millionen abgelehnt würden. Wenn die Regierung sich an die Resolution des Hauses nicht kehren solle, was solle denn überhaupt das Fassen von Resolutionen nützen? Dann werde die Regierung sich niemals mehr an eine Resolution des Abgeordnetenhauses kehren, und das würde für das Haus sehr schmerzlich sein. Wenn der Abg. von Benda dem einen der Minister, die unter der Vorlage ständen, seinen Dank für die schnelle Erledigung der Wünsche des Abgeordneten⸗ hauses ausgesprochen habe, so wolle er diesen Dank dem anderen der Minister aussprechen, dem Grafen Zedlitz (Beifall rechts), wenn er auch nicht mehr an der Spitze des Ministeriums stehe. Er beantrage, die Vorlage an eine Commission von 14 Mitgliedern zu verweisen. U

Abg. Pr. Freiherr von Heereman (Centr.): Er spreche sich in vollem Maße für die Vorlage aus, habe jedoch einige Bedenken. Das Haus befinde sich bezüglich dieses Gesetzes in einer etwas schwie⸗ rigen Lage. Die Ver ältnisse der Katholiken würden noch nicht geregelt, während ö. für fich nicht die Berechtigung hätten, eine Verminderung der Stolgebühren eintreten zu . welche ein allgemeines canonssches Recht seien. Es muͤsse also eine Vereinbarung der Staats= regierung mit den Bischöfen getroffen oder ein anderes Aequivalent gewährt werden. Wenn die Protestanten für sich ein Bedürfniß der Aufhebung der Stolgebühren anerkennten, so sei das auch bei den Katholiken. der Fall. Er stehe auf dem Stand⸗ punkt seiner politischen Freunde, der im vorigen Jahre dahin Ausdruck gefunden habe, daß Abg. Windthorst gesagt habe, er habe niemals eine nach seiner Erkenntniß berechtigte Forderung der evangelischen Kirche bekämpft oder beanstandet. Wie sollten die Katholiken ferner sicher sein, daß auch ihnen dasselbe gewährt werden werde, wenn es auch zur Zeit wirklich im Gesetz aus esprochen werde? Die Commission müsse sich bemühen, eine Sicherung zu finden, daß die Forderung der Katholiken die Zustimmung der Ma⸗ jorität des Hauses finden werde. Er habe keinen Grund, in den guten Willen des Finanz-Ministers irgendwelches Mißtrauen zu setzen und hoffe, daß er im nächsten Jahr die Vorlage machen werde; aber der Minister könne keine Garantie geben für die Majorität im Hause. Diesen Gesichtspunkt bitte er in der Commission zu berück⸗ sichtigen, (Beifall im Centrum.)

Abg. vom Heede (n.): Das finanzielle Opfer, welches sich nach Durchführung des ganzen Planes auf 3 Millionen belaufen werde, könne seine Freunde nicht abschrecken, dem Gesetze zuzustimmen. Wenn man aber dem Staat für diesen Zweck so große Opfer auf⸗ erlege, so habe seine Partei auch den Wunsch, daß der Zweck des Gesetzes auch vollständig erreicht und eine Garantie dafuͤr geboten werde, daß die Stolgebühren nun auch wirklich in Fortfall kämen. 81 . Gesetzes spreche von der Gebührenfreiheit der „ortsüblich n n ö. Förm“ der kirchlichen Feierlichkeiten. Klarer sei die Fa . des 6. Hannover bestehenden Gesetzes vom 16. Juli 18665, n dessen 8 3 Vergütungen nur für außerordentliche Leiftungen bei Trauungen. U. J. w. zu fordern seien. Die Entscheidung Über das was „ortsüblich einfachste Form ! sei, licge in d J 8 1 f lichen Behörden und durch diefe nm nn nnn e b.

e Bestimmung könnten sich leicht Ge—

bühren für einfache kirchliche : ; i e fes d, n , din lumgen einschleichen. Bei der Er⸗

. i n daß u istliche für i Pflicht erachten würden, Gebühren e ö. . srheben, könne man sich nicht beruhigen. Ez müffe in dem Gesetz Fürsorge dahin getroffen werden, daß den Geistlichen nicht gestattet werde; auf Umwegen für einfache Formen kirchlicher Handlungen Gebühren iu erheben. Seine Partei mache ihre Zustimmun 3 der Erfüllung dieser Vorgussetzung abhänglg. In übrigen . er mit der Verweifung. des Gesetzs an, die Cämmifllun bh stander schlage jedoch die Zahl von 21 Mitgliedern für ij .

3. ; eselbe vor. Finanz⸗Minister Dr. Miquel:

Meine Herren! Allerdings ist die Fassung des hannoverschen Kirchengesetzes eine andere; die Staatsregierung geht aber davon ö. daß der Sinn in dem Ihnen vorliegenden Kirchengesetz genau dersclt. sein sol. Die Fassung mußte schon deswegen eine andere sein mn im Gegensatz zu dem hannoverschen Kirchengesetz, in welchem den Wohlhabenderen nur die Zuschlagsgebühr abgenommen wird und sie auch frei sind von dem Gebührenbetrage für einfachste kirchliche Acte, während sie diejenigen, die überhaupt Gebühren bezahlen, die volle Gebühr, im Sinne des hannoverschen Gesetzes die Zuschlags. gebühr neben den Gebühren für Acte einfachster Art zu entrichten haben. Aber auch wir gehen davon aus, daß erwartet werden muß, daß nicht indirect die Gebühren wieder eingeführt werden, die ja sehr leicht entstehen können, weil derartige Zuwendungen an die Geistlichen oft gern gegeben werden, allmählich wieder Gewohnheit werden und schließlich aus der Gewohnheit eine Rechtspflicht entsteht. Das muß derhütet werden, und ich bin überzeugt, daß die kirchlichen Organe sich in dieser Beziehung auch dem Staate gegenüber für verpflichtet halten, strenge zu verfahren, weil diese ganzen Zuwendungen ja

lediglich zu dem Zwecke gegeben werden, um die Stolgebühren dieser Art überhaupt zu beseitigen.

. Meine Herren, die Befürchtung, daß die freien kirchlichen Acte eine gewisse levis nota in den Augen der Betheiligten haben würden, hat man genau so ausgesprochen bei Gelegenheit der Aufhebung des Schulgeldes, und da hat sich das nirgends gezeigt. Eine allgemeine Einrichtung erscheint nicht als eine Zuwendung an Bedürftige, sondern als eine organische Institution, und wird keineswegs von den Bethei— ligten als unangenehm empfunden werden. Diese Befürchtung kann ich in keiner Weise hegen.

Meine Herren, ich freue mich, daß der Herr Abg. von Heereman das Vertrauen zu der Staatsregierung hat, daß wir ganz loyal in derselben Weise die katholische Kirche behandeln werden wie die evan— gelische, und es wäre ja auch gar nicht anders möglich, auch nicht im Sinne des hohen Hauses; denn bei Berathung der Resolution ist ja die Frage expresse zur Discussion gekommen. Der Abg. Windt— horst hat ja gerade damals das Haus dazu aufgefordert, diese Reso⸗ lution nicht, wie ursprünglich beabsichtigt war, auf die evangelische Kirche zu beschränken. Wenn hier also in der Resolution von der christlichen Kirche gesprochen wird, so ist darin auch ausdrücklich die katholische Kirche miteingefaßt. Es würde also eine mala fides, ein Vertrauensbruch sein, der gar nicht denkbar ist, wenn in dieser Be— ziehung gegenüber der katholischen Kirche anders verfahren würde.

Abg. Czwalina (dfr.): Ein dringendes Bedürfniß der Kirchen⸗ gesellschaften zu dieser Vorlage liege zur Zeit nicht . . Erklärung des Ministers, 6 in dem jetzigen Kirchengesetz dasselbe gemeint sei wie in dem hannoverschen, könne er sich nicht zufrieden geben; die hannoversche Fassung sei weitaus correcter. In dem vorliegenden Gesetze sei von Taufen und Trauungen in „orts— üblich einfachster Form“ die Rede, während das hannoversche ausdrücklich nur solche. Trauungen. und Taufen gebührenfrei lasse, hei. denen nicht ausdrücklich ein Extraordingrium an Feierlichkeit gefordert werde. Auch dem, was der Minister bezüglich der levis nota gesagt habe, könne er nicht beistimmen. Eine solche Färbung werde immer darin liegen, wenn sich jemand begnügen

müsse, eine kirchliche . in der ortsüblich einfachsten Form vollziehen zu lassen. Das Schlimmste sei aber, daß die geistliche Mitwirkung bei Beerdigungen zu theuer sei; wenn man Stol— ebühren aufheben wolle, müsse man bei der Beerdignng anfangen. Wenn die Leute Trauungen und. Taufen veranstalteten, gehe, es ihnen so gut, daß sie leicht zahlen könnten. Wenn aber ein Familien⸗ oberhaupt sterbe, trete die empfindlichste wirthschaftliche Krisis ein. Eine Familie müsse der Kirche aufs äußerste entfremdet werden, wenn das fern en sterbe und die Hinterbliebenen den geist⸗ lichen Trost nicht, erlangen könnten, weil sie nicht bezahlen könnten. (Sehr richtig!. Bei Confirmationen habe man einen gesetzlich gebührenfreien kirchlichen Aet, nichtsdestoweniger hafte an dem eine lexis macula, der nichts dafür gebe. In Berlin möchten die Verhältnisse anders liegen, aber in den östlichen Pro⸗ vinzen hielten es auch die ärmsten Klassen für ein Unrecht, einen kirch— lichen Act unvergütet entgegenzunehmen. Es müsse einfach verboten werden, über die gesetzlichen Bestimmungen hinaus Gebühren zu nehmen. Im übrigen sei er mit der Verweisung an die Com— mission einverstanden. ö

Abg. Schum acher (freicons.): Seine Partei sei weit entfernt, der Regierung einen Vorwurf daraus zu machen, daß sie das Gesetz bei einer ungünstigen Finanzlage eingebracht habe, sie sei ihr vielmehr zu Dank verpflichtet. Daß die Beamtengehälter nicht aufgebessert worden seien, bedauere seine Partei, nehme jedoch deshalb nicht eine feindliche Stellung gegenüber der Vorlage ein. Man hätte mit dieser Summe nur eine kleine Zahl von Beamten aufbessern können und die übrigen um so unzufriedener gemacht. Den Grundgedanken des Gesetzes, daß zunächst die Gemeinde für die Entschädigung der Geistlichen aufzukommen habe, halte seine Partei für durchaus richtig. Der Staat habe durch Einführung des Civilstandsgesetzes die Möglichkeit gegeben, sich den kirchlichen Pflichten. zu entziehen, er habe die moralische Pflicht, dies so weit wie möglich wieder gut zu machen. Das geschehe durch die jetzige Vorlage. Wenn man befürchte, daß durch die Vorlage die Gehälter der Geistlichen vergrößert würden, so würde er gerade das mit Freuden begrüßen; denn die Geistlichen hätten es am allernothwendigsten. Seine Partei sei aber der Meinung, daß Die Wirkung eine andere sein werde. Es sei Sache der Kirche, die Ausführung des Gesetzes so zu gestalten, daß die er⸗ hoffte Wirkung daraus erfolge und niemand gezwungen werde, eine kirchliche Handlung als Almosen anzusehen. Daß die Befreiung von Stolgebühren nicht auch auf die Beerdigungen ausgedehnt werde, sei gewiß zu bedauern. Aber an und für sich scheine es doch immer richtiger, daß man da anfange, wo der Mensch ins Leben trete, nicht wo er aufhöͤre. Die Bedenken, die man gegen die Vorlage im Hause habe, würden in der Commission verschwinden.

Abg. von der Reck (eons): Bei ihm im Westen der Monarchie stehe man der Ablöfung der Stolgebühren anders gegenüber als im Westen. Dort wünsche man sie nicht so zwangsweis durch den Staat eingeführt zu sehen, sondern man wolle sie durch die Ge— meinden selbst nur da, wo sie von den Betheiligten gewünscht werde, vollziehen lassen, um den Geistlichen keine Einbuße des Ansehens er— leiden zu lassen. Man möge doch bedenken, daß die Lasten, welche die Stolgebühren den Einzelnen auferlegten, nicht sehr erheblich seien; sie kämen gegenüber den bei Trauungen und Taufen für Taback, Getränke u. s. w. gemachten Aufwendungen gar nicht in Betracht.

Abg. Pr. Dürre (nl.): Er halte das Gesetz für ein sehr dringendes, es sei die höchste Zeit, daß es eingebracht worden sei. Die Stol⸗

ebührenablösung dürfe nicht auf den schwachen Schultern der Gemeinden tegen, sondern müsse von den starken Schultern des Staates getragen werden, und hierbei müßten die ärmeren Theile des Staates von den reicheren unterstützt werden. Bisher sei es nun manchmal vorgekommen, daß bei Beerdigungen, bei denen dem Geistlichen keine Gebühren egeben worden seien, der Sarg statt in den Händen der Träger ein⸗ 69 auf der Schulter zur Gruft getragen worden sei; er hoffe zwar, daß die Consistorien nach Emanirung des Gesetzes die Mindestleistun⸗ gen der Geistlichen so normiren würden, daß dergleichen nicht mehr passiren könne, möchte aber doch auch die Commission bitten, schon shrerseits sich mit der Fixirung der Mindestleistungen zu beschäftigen. Ein bisher noch gar nicht berührter Punkt sei die Ablösung der den Geistlichen bisher für Ausfertigung von Zeugnissen zufließenden Ge⸗ bühren; auch mit diesem Punkt werde sich die Commission zu be⸗ schäftigen haben. Man könne es übrigens den Geistlichen gönnen, wenn ihnen auch nach Ablösung der Stolgebühren von Einzelnen Honorare für geistliche Handlungen gegeben würden; wolle man ihnen das persönlich nicht gönnen, so hätten die Geistlichen doch genug Verwendungszwecke für solche Gelder, die der Wohlwollende stetõ unterstützen werde. Er hoffe nach alle dem, daß die Commissions⸗ . ein dankenswerthes, segensreiches Resultat zu Tage fördern würden.

Damit schließt die Debatte. Die Vorlage wird einer Commission von 14 Mitgliedern überwiesen.

Der Gesetzentwurf, betreffend die Aufhebung von Stolgebühren für Taufen und Trauungen in der evangelisch⸗lutherischen Kirche der Provinz Schles—⸗ ö olstein, dessen erste Berathung nun auf der Tages— wr nge feht. . ohne Debatte auf Antrag des Abg. Im ö; en issi ie di er ,; ommission, wie die eben behandelte Vorlage,

as Haus setzt danach die erste Berathung des Gesetz⸗ 3 betreffend die Erweiterung, Ver voll ständigung essere Ausrüstung des Staats eisenbahn⸗

netz es, fort.

Abg. Mooren (Centr): Er möchte für das Schmerzenekind

des Rheinlandes, für die Eifel, ein Wort einlegen. Ohne ein langes

Lied von den Leiden und der Noth dieses Landestheiles zu singen, weise er doch darauf hin, daß dies Land, welches die Militär- und anderen Lasten ebenso tragen müsse, wie jeder andere Theil der Monarchie, in Bezu auf Errichtung von Eisenbahnen bisher durch— aus stiefmütterlich behandelt sei; auch bei der Anlage von Bahn⸗ höfen und der Tracirung der Bahnstrecken habe man nicht darauf Rücksicht genommen, daß die Eifelgegend von dem internationalen Weltverkehr Vortheil habe. Ganz besonders hitte er, daß die Bahn M. Gladbach Köln nach Bergheim verlängert werde, um den internationalen Verkehr über Antwerpen zu ermöglichen.

Abg. Ha gen (Centr.) empfiehlt die Fortsetzung der Linie Salz⸗

2 z ; Ran zun Mn ck k j derhelden Einbeck über Einbeck nach Vorwohle zum Anschluß an die Bahnlinie Kreiensen Holzminden.

. Abg, von Bockelberg. (con) wünscht den Aufschluß des Kreises Sternberg auf dem linken Wartheufer.

Abg. Lon Pilgrim (freicons) unterstützt die gestrigen Ausführungen des Abg. Schnats meier, der den Bau einer Linie Herford Bremen be⸗ fürwortet hatte; er bittet ferner um Verbindung von DOeynhausen oder Minden mit. der Bremer Hamburger Bahn im Interesse der wirthschaftlichen Förderung des Regierüngsbezirkes Minden.

Abg. von. Tiede mann-Bomst (reicons.): Die steigenden Ausgaben für die Staatsbahnen würden hoffentlich nicht dazu führen, das Tempo in dem Bau von Secundärbahnen zu verlangsamen. Gegen den Grundsatz, daß in Zukunft nicht eher an die Ausfüh— rung von Bahnen gegangen werden solle, ehe nicht die speziellen Kostenanschläge fertig seien, lasse sich vom finanzpolitischen Stand— punkt nichts einwenden. Man dürfe aber nicht vergessen, daß diese spezielle Bearbeitung die K jeder Bahn um wenigstens ein, Jahr bedeute, Das Haus habe umsomehr Veranlassung, mehr Projecte vorzunehmen, um nicht später gezwungen zu sein, in einem lebhafteren Tempo zu bauen, sprungweise vorzugehen. Wenn, in der That die Finanzlage und der Stand des Geldmarktes ein Hinderniß sei für den weiteren Bahnbau, dann könne man xLigent— lich niemals Bahnen bauen. Gerade in schlechten Zeiten müsse, der Staat bauen, um die Lage der Industrie und der Arbeiter zu verbessern. Er möchte entschieden dagegen Verwahrung einlegen, daß dieser Gesetzentwurf etwa wirken möchte wie ein Feigenblatt, welches die Blößen des. Segundärbahngesetzes zu verdecken bestimmt sei. Die. Bahnen in Folge des Sercundärbahngesetzes seien ganz bestimmte eigenartige Bahnen, die lediglich communalen, pro— vinziellen oder privaten, aber nie. öffentlichen Interessen dienten, in letzterer Beziehung sei noch viel zu thun. Diese Landes⸗ meliorationen dürften nicht im verlangsamten Tempo fortgeführt werden; es würde das etwa dem Vorgehen eines Gutsbesitzers ent⸗ sprechen, der seine Aecker zu bestellen unterlasse, weil er kein Geld habe. Die ehen Nach- und Mehrforderungen für Bahnhofsbauten müßten bedenklich machen; man solle die Städte, die an diesen Bahn— höfen das Hauptinteresse hätten, mehr heranziehen; im öffentlichen

, . 4 ) . .

Interesse liege es z. B durchaus nicht, 3 der Centralbahnhof in Köln gerade in der Mitte der Stadt liege. Er stelle den Antrag, den Entwurf der einfachen, nicht der verstärkten Budgetcommission, wie es gestern angeregt sei, zu überweisen. . Abg. Cremer Teltow (b. t F.:. Steter Tropfen höhle den Stein. Im Hinblick auf dieses Wort wiederhole er immer und immer das Mahnwort an den Minister, daß der Kreis Bees kow-Storkow nicht länger ohne Bahn bleiben könne,

Abg. Freiherr von Dal wigk (Centr) bedauert, daß unter den Bahnhofsbauten derjenige von Keblenz nicht aufgeführt worden sei. Die Stadt leide in ihrer Entwickelung ungemein durch den Umstand, daß die Lage des neuen Bahnhofs noch nicht festgestellt sei.

Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:

Gestatten Sie mir, daß ich die Tradition, auf alle Wünsche, die bei der ersten Berathung des Anleihegesetzes hier im Hause geäußert werden, nicht zu antworten, bezüglich der eben vorgetragenen Wünsche durchbreche. Die Staatsregierung war zur Zeit überhaupt noch gar nicht in der Lage, für den Umbau eines Centralbahnhofs der Stadt Koblenz eine Summe in dieses Anleihegesetz hineinzubringen und zwar aus folgenden Gründen.

Zunächst war sich die Stadt Koblenz selbst noch gar nicht darüber einig, wo sie eigentlich ihren Bahnhof hin haben wollte. Es waren dafür drei Plätze in Aussicht genommen. Die Stadtverordneten⸗-Ver—⸗ sammlung hatte durch einen Beschluß, in dem, glaube ich, der Vor⸗ sitzende bei der Stimmengleichheit den Ausschlag gegeben hatte, sich für ein Project ausgesprochen, welches seitens der Staatseisenbahn— verwaltung ausgearbeitet worden war. Gegen dieses Project und gegen den Beschluß der städtischen Behörden wurde aber in einer so eifrigen Weise Protest erhoben seitens eines großen Theils der Ein⸗ wohner der Stadt Koblenz, daß die Staateisenbahnverwaltung es für angezeigt erachten mußte, auch die Conecurrenz-Projecte ausarbeiten zu lassen.

Das ist der vornehmlichste Grund gewesen, warum eine Summe für den Umbau des Bahnhofs in Koblenz noch nicht hat in das An— leihegesetz aufgenommen werden können. Den Einwohnern von Koblenz sind diese Verhältnisse, sobiel mir bewußt ist, ganz genau bekannt; denn in den Koblenzer Zeitungen jeglicher Schattirung ist die Frage des Centralbahnhofs lange Zeit hindurch ein stehender Artikel gewesen.

Daß diese Projecte nicht im Handumdrehen gemacht werden können, insbesondere bei den schwierigen Verhältnissen, wie sie sich in Koblenz vorfinden, liegt auf der Hand. Es wird, je nachdem der Bahnhof auf die eine oder andere Stelle gelegt wird, nothwendig sein, beispielsweise eine neue Brücke über die Mosel zu bauen oder aber die ganzen Wegeverhältnisse des südlichen Theils der Stadt voll⸗ ständig umzuwandeln, die Zugänge zu den Festungswerken auf der Karthause zu verlegen u. s. w.

Das war der zweite Grund, warum in diesem Jahre noch nicht eine Summe hat angefordert werden können. Ob in dem dem⸗ nächstigen Anleihegesetz nun für den Umbau des Bahnhofs ein Betrag vorgesehen werden kann, das, meine Herren, bin ich heute zu be⸗ urtheilen und zu beantworten nicht in der Lage; ich hoffe es aber, denn ich erkenne gern mit dem Herrn Vorredner an, daß die Ver⸗ hältnisse in Koblenz einer Verbesserung bedürfen.

Abg. von Grabski, (Pole) empfiehlt den Bau einer Bahn von Ostrowo nach Skalmierzyce zur Verbindung des östlichen Theils der Provinz Posen mit der reichen polnischen Handelsstadt Kalisch; durch diese Linie werde die Bahnverbindung Glogau —=Lissa —Ostrowo Anschluß nach Rußland und der von der neuen Strecke durchzogene fruchtbare Landstrich Aufschluß erhalten, ; 5

Abg. Im Wall (Centr.) bemängelt, daß dem Kreistage zu Worbis auf dem Eichsfelde angesonnen worden sei, binnen Liner kurzen Jist sich über die Bewilligung eines Zuschusses von 75 909 für den Bau der Bahn von Duderstadt nach Wulften Leinefelde schlüssig zu machen. Der Kreis sei nicht prästationsfähig. 2 .

Geheimer Ober⸗Regierungs⸗Rath Dr. Micke; Der Kreis Worbis müsse leistungsfähig sein, denn er habe seiner Zeit, als es sich um den Bau der Linie gehandelt habe, eine andere Führung derselben gewünscht, und sich damals zur Tragung der Kosten bereit erklärt.

Abg. Dr. Hartmann-⸗Lübben (cons.) bittet den Minister, sein Wohlwollen auch einmal der armen Lausitz zuzuwenden; dringend nothwendig seien die Linien Guben-Forst und Beeskow⸗Lübben⸗Uckro⸗ Luckau.

Abg. von Bandemer (cons) dankt dem Minister für seine Berücksichtigung der Provinz Pommern, und empfiehlt mit dem Abg. Hobrecht den Bau der Bahn Bütow-Berent, sowie die endliche