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ungũnstiges Resultat eingetreten ist, wie es unter anderen Verhältnissen meiner Ansicht nach geschehen sein würde. Man weiß, daß gerade bei der Drainage — und diese ist im Osten und namentlich in Ost⸗ und Westpreußen diejenige Melioration, welche von höherem Erfolg begleitet ist — die Wirkung in den ersten zwei bis vier. Jahren nicht zur vollen Erscheinung kommt, sondern daß in diesem Fall der Nutzen der Arbeit dieses Mannes seinen Nachfolgern zu gute kommt. Darum ist es in diesem Fall vollkommen unbedenklich gewesen, auch meinerseits den Pachterlaß in dieser Höhe zu genehmigen.
Der frühere Pächter besitzt jetzt ein Rittergut, — ja Auf die Details bier näher einzugehen, werden die Herren mir erlassen, — unter welchen Verhältnissen er es gekauft hat, und was mir darüber mitgetheilt worden ist. Das Gut liegt im Kreise Ortelsburg. Ich habe im vorigen Jahre die Ehre gehabt, diese Gegend kennen zu lernen. Ich wünsche dem Herrn von Herzen, daß er das Ziel, welches ich verfolgt habe, daß es ihm gelingen möge, sich eine neue Existenz zu gründen, auf dieser Scholle erreichen möge.
Dann habe ich bezüglich aller Herren Domãnenpãchter, denen beim Ausscheiden aus der Pacht ein Erlaß zu theil geworden ist, noch Eins anzuführen. Alle diese Leute haben, obwohl sie sich klar waren, daß sie sich nicht halten konnten, ihre Pachtobjecte nicht vernach⸗ lässigt, sondern sie bis zur letzten Stunde in bester Weise bewirth⸗ schaftet. Es giebt auch eine Ehre beim Domänenpächterstande, und zwar die, das ihnen anvertraute Gut nicht verwahrlosen zu lassen, sondern auch in schwierigen Zeiten über Wasser zu halten und nicht zu deterioriren. Dem sind diese Herren nachgekommen; das erkenne ich dankbarst an, wie ich es allgemein bezeuge, daß in dem Domänen⸗ pächterstande dieses Ehrbewußtsein und die Ueberzeugung, die Ver⸗ tragspflichten erfüllen zu müssen, durchweg vertreten ist. Ich will hoffen, daß das immer so bleibt, und wir nicht andere Erfahrungen erleben. (Lebhaftes Bravo rechts.)
Abg. Rickert (fr): Wgrum seien die Herren von der Rechten heute fo schweigsam über die Nothlage der Landwirthschaft', während fie fonst in jedem Jahre beim Etat beweisen wollten, wie sehr die Landwirtbschaft bei uns heruntergekommen sei⸗ Er hoffe, daß den Derren in Zukunft der Appetit vergeben werde, aus solchen Zahlen die Roth der Tandwirthschaft deduciren, zu wollen. Wenn der Minister fage, das er es Domänenvächtern sehr hoch anrechne, daß sie in der Mehrzahl der Fälle das Pachtobject nicht vernachlässigten, so sei dies Lob sehr überflüssig, denn die Pächter hätten nur ihre Pflicht und Schuldigkeit. gethan. Er. würde sich im Gegen theil sehr wundern, wenn sie ihre contractmaßig übernommenen Pflichten vernachlafsigten. Die gedrückte Lage der Landwirthschaft erkenne er aus eigener Kenntniß an, er bedauere nur die Uebertreibungen von jener Seite, In jedem einzelnen der hier in Rede stehenden Fälle seien es nicht die allgemeinen ungünstigen Conjuncturen, unter denen die Landwirthschaft zu leiden habe. sondern die besonderen ver⸗ fonlichen Verhältnifse, welche die Nothlage herbeigeführt hätten, (Sho rechts Der erste Pächter habe sich bei einer Zuckerfabrik verfpeculirt. Damit habe also die allgemeine, ungünftige Lage der Landwirtkfchaft nicht, zu thun. Würde man bei einem Kaufmann. der sich verspeculirt habe, die gleiche Entschuldigung gelten lassen? Wärde man ißm nicht vielmebr seine schlechte Moral vorhalten, daß er ber feine Mittel sreculire? Der Min ister habe gesagt, es babe ihm fehr daran gelegen, daß der betreffende Pãchter
mit einem Kapital von 36 000 6 habe herausgehen können, um sich
eine andere Exiftenz zu schaffen. Es scheine, als wenn das Staats⸗
Ministerium — denn der landwirthschaftliche Minister könne doch
nicht allein solche er,. aufstellen und befolgen — den 6. 8
aufgestellt habe, daß ein Mann aus einer Patsche, in die er sich selbst hincingebracht habe, mit einem Vermögen den 36 029 herausgehen müffe. Er wisfe nicht, ob in der Rechnung commission diese Praxis bekannt gewesen sei. Den Finanz⸗Minister frage er, ob er bei allen diefen Fallen mitgewirkt, und zwar auf der Grundlage, welche der landwirtbschaftliche Minister hier angegeben habe; sei diese Grund⸗ lage durch das Staats- Ministeriun. festgestellt werden existirten überhaupt Grund sãtze, nach welchen solche Pachtniederschlagungen statt⸗ fänden? Er würde beantragen, die ganze Vorlage an die Rechnungẽ commission zurückzuperweisen, um auf Grundlage der Mittheilungen des Mimsters weitere Nachforschungen zu machen, wenn er auf eine Annahme Tie ses Antrages rechnen konnte. Wie stehe g ũberbauxt mit dem verheißenen Gefeüz über die Einnahmen und Ausgaben, wann werde 6 kemmen und was habe der Finanz⸗Minister in Bezug auf diefen Punkt in das Gesetz hineingebracht Denn es könnten nicht bloß Domãnenxpãchtern, sondern guch anderen Sterblichen Verpfli = tungen erlafsen werden. Wer über Staatsmittel zu verfügen habe, müsse viel peinlicher sein, als derjenige, der über fein eigenes Ver- mögen disr entre. Aus Staats mitteln ęlle man keine Geschenke machen. Die Rigoresitãt, mit welcher im Reiche auch solche Zölle einge trieben Türden, welche nach Ansicht der Zollpflichtigen zu Unrecht be⸗ zahlt worden seien stehe mit diesem Verfahren in einem eigenthüm⸗ lichen Wöeripruch. Er werde im Reichẽtage der Regierung die heutige Rede des landwirthschaftlichen Minifters vorlesen und fragen, cb. die betreffenden Kaufleute auch 30 000 0 be⸗ kämen, damit sie sich eine andere Existenz gründen könnten. Was einem recht, fei dem anderen billig, Habe der Herr Pon Dppen mit 36 vis 35 500 Æ das Rittergut gekauft? In seinem Falle handele es sich nicht um die Nothlage der Landwirthschaft, sondern der Minister gebe zu, daß der Herr zu energisch mit Meliorationen vorgegangen fei. In einem Falle sei die Ueberschwemmung don 1888 die Ursache des Vermögens verfalles gewesen, nicht die JFothlage der Zandwirth⸗ schaft, und auch in dem vierten. im Berichte angeführten Falle handele es sich um versönliche Verhältnifss. Diese Vorkommnisse follten dem Hause Veranlassung geben, in Zukunft energisch Kritik an folchen Pachterlafsen zu üben, und er behalte sich vor je nachdem die Grklärung des Finanz⸗Ministers ausfalle, die weiteren Con⸗ seguenzen zu ziehen. Jedenfalls habe sich das Haus bisher mit den Grundfätzen. die der landwirthschaftliche Minister ausgesprochen habe nicht einderftanden erklärt. Gerechtigkeit solle das Fundament auch der Verwaltung sein, und es sollten keinem Berufsstande besondere Begünstigungen zugewendet werden.
Minister für Landwirthschaft 2c von Heyden:
Einige der Fragen, die der Herr Vorredner an den Herrn Finanz⸗ Minister gerichtet hat, würde er sich selber beantworten können, wenn er dem, was ich gesagt habe, Rechnung trägt. Ich habe gesagt: „bei der Bemessung der Erlaßsumme habe ich beabsichtigt, daß der näher bezeichnete Zweck erreicht werde. =
Damit war ausgesprochen, daß das Staats Ministerium damit nicht befaßt gewesen ist., daß auch der Herr Finanz⸗ Minisfter damit nichts zu thun gehabt hat. Der Herr Finanz⸗Minister konnte ressortmäßig garnicht damit befaßt werden. Bis zum Jahre 1879 war die Verwaltung der Domänen Sache des Finanz⸗Minifteriums und wurde von ihm allein geleitet. Seitdem die Angelegenheit auf das landwirthschaftliche Ministerium über⸗ gegangen ist, ist die Frage der Regelung des Verhältnisses zwichen Pächter und Verpächter Sache des landwirthschaftlichen Ministeriumẽ. Ich habe ferner nur einen Verwaltungẽgrundsatz aufgestellt, und zwar habe ich den dahin formulirt: daß, solange wir eine Domãnen⸗ perwaltung haben, die Domãnenverwaltung sich für berechtigt gehalten und demgemãß gehandelt hat — würdigen Domãnenpãchtern, wenn
rückstände zu erlassen, soweit dies nach Lage der Verhãltnisse in der Billigkeit lag, um ihnen die Möglichkeit zu gewähren, eine neue bescheidene Existenz sich gründen zu können. Ich habe ferner gesagt, daß dieses Verhältniß ausnahmslos, seitdem das landwirthschaftliche Ministerium die Domänenverwaltung führte, zur Kenntniß dieses Hauses gebracht und vom Hause nicht beanstandet ist. Ich habe also glauben können und glauben müssen, daß es in der Absicht auch dieses Hauses liege, daß den Domãnenpãchtern gegenüber in dieser wohlwollenden Weise verfahren werde, und habe dann meinerseits hinzugefügt: ein Pachterlaß hat bloß Sinn, wenn er auch wirklich den beabsichtigten Zweck herbeiführen kann; denn ein ganz ge— ringer Erlaß, mit dem der Mann doch nichts anfangen kann, kann nicht dazu führen, ihm die Möglichkeit zu schaffen, sich eine neue Existenz zu begründen.
Wenn nun der Herr Vorredner Parallelen gezogen hat zwischen den Landwirthen und anderen Berufsständen, so möchte ich ihm zunächst sagen: es handelt sich nicht um Landwirthe, sondern um Domänenpächter, es handelt sich um Leute, die mit dem Staate in einem Vertragsverhältnisse stehen. Das ist der große Unterschied gegenüber allen anderen Parallelen, die er gezogen hat. (Sehr richtig!) Wenn Sie eine Parallele ziehen wollen, dann können Sie bloß eine Parallele ziehen mit einem in Konkurs gerathenen Menschen gegen⸗ über seinen Gläubigern, zu denen auch der Staat gehört. Es ist eine bekannte Thatsache, daß in einem sehr weitgehenden Maße einem in Konkurs gerathenen Mann gerade im Handelsstande durch den Accord die Möglichkeit geboten wird, sich eine neue Existenz zu schaffen. Das ist die richtige Parallele, aber nicht die, daß der Staat für jeden in Vermögensverfall gerathenen Menschen einzutreten habe. Bravo! rechts.)
Wenn der Herr Vorredner geglaubt hat, die anerkennenden Worte, welche ich über die Domänenpächter gesprochen habe, daß sie auch dann, wenn sie den Abgrund vor sich offen sehen, ihre Pflicht erfüllen und nach bestem Wissen das Domänenobject im Stand halten und nicht verschlechtern, wenn der Herr Abgeordnete geglaubt hat, das als ihre verfluchte Pflicht und Schuldigkeit bezeichnen ju müssen, so überlasse ich es dem Urtheil des Hauses, ob diese Bezeichnung für die von mir be⸗ zeichnete Thätigkeit die richtige war. Vergegenwärtigen Sie sich, meine Herren, was das heißt, wenn der Mann seinen Ruin vor Augen hat und dann doch noch bis zum letzten Moment das Pacht object im Stand hält und nicht verschlechtern lãßt. Das ist ganz etwas Anderes, wie die Erfüllung der allgemeinen Vertragspflicht der Domãnenpãchter.
Ich glaube, meine Herren, meinerseits auf die Frage bezüglich des Staatshaushaltsgesetzes in diesem Moment nicht weiter eingehen zu sollen; nur das will ich hervorheben, daß die Staatsregierung ihr Recht, derartig zu verfahren, wie sie in diesem Falle verfahren ist, nicht in Zweifel ziehen lassen kann.
Wenn der Abg. Rickert sagt: wo hat je die Commission etwas derartiges anerkannt, daß so verfahren werden soll, wie in diesem Falle, dann verweise ich ihn auf den Bericht der Rechnungscommission für das Jahr 1883/84, in den Drucksachen des Abgeordnetenhauses Nr. 201 von 1885 Seite 11:
Die Commission konnte die erfolgte Berücksichtigung des durch die, wie anerkannt, überaus hohe Einschätzung der Domänen zur Grundsteuer über den Werth des Pachtobjects getäuschten Pächters nur billigen.
In dem Bericht 1885/86 ebenso 1886/87 ist gesagt:
Die Commission hat in allen Fällen die Mindereinnahmen für hinreichend aufgeklärt erachtet.
Ferner 1889, Seite 4:
Nachdem festgestellt war, daß derartige Niederschlagungen von Pachtrückständen nur von Fall zu Fall durch Allerhöchste Ordre bei unverschuldetem Vermögens verfall der Pächter erfolgen, wurde die Mindereinnahme für hinreichend aufgeklãrt erachtet.
Und so geht es weiter. Dies ist nicht etwa bloß im Schoße der Commissionen geblieben, sondern alljahrlich zur Kenntniß des hohen Hauses gebracht. Also ich glaube, daß auch in dieser Beziehung die Regierung — wie ich für meine Person es nicht bezweifelt habe — nickt hat annehmen können, daß ihr Recht zum Erlaß von Pachtgeld⸗ rückständen in Zweifel gezogen worden ist. (Bravo! rechts.)
Abg. Papendieck (dfr.): Er babe in seinem Geschäft ebenso verfahren müssen, wie die in Rede stehenden Domänenpächter, habe aber dabei genau berechnet, eb die Vergrößerung seines Betriebes sich so rentfiren werde, daß er seinen Verpflichtungen werde nachkommen fönnen und womöglich noch Vortheil daraus ziehen. Was würde aber gewesen sein, wenn dies nicht der Fall gewesen sein würde? Hätte der Staat ihm auch Hilfe gebracht? Er sei doch ebenso gut Rie ein Domaͤnenpächter! Eine Privatperson dürfe, dem Pächter einen Theil der Pacht erlassen, der Staat dürfe dies aber 3 Da möchten freilich Alle Domänenpächter werden, wenn bei Den Donänenpächtern der Staat Sorge trage, daß sie⸗ auch wenn sie mit der Pacht nicht zurecht kämen, ein Eristenz bebielten? Der Minister meine, er mache beim Erlaß von Pachtrückständen keinen Unterschied bezüglich der politischen 8 aber im Regierungsbezirk Gumbinnen sei zu dem Sohne eines verftorbenen Domänenpächters, von dem man angenommen
habe, er werde auch Domãnenpãchter werden wollen, ein Regierungs⸗ beaniter gekommen und habe ihm den guten Rath gegeben, wenn er Domänen pächter werden wolle, den Verkehr in einem Hause zu unter- affen, deßsen Besttzer ein Liberaler sei. Der junge Mann habe ihm natürlich geantwortet, was ihn das angehe? Nun, sei ihm erwidert worden, das könne einmal ein Hindernitz werden. Der betreffende Herr jci aber mit der Schwester jene Vesigers verlobt gewesen; in Gumbinnen schienen eben besondere Anschauungen zu herrschen, denn anderswo pflege man im Hause seiner Verlobten zu verkehren. Er meine, man solle im Regierungsbezirk nur an freisinnige Leute ver⸗ pachten, dann werde man dert keine Pachtrückstände haben.
Minister für Landwirthschaft ꝛc. von Heyden:
Meine Herren! Ich habe nicht gesagt, da ich glaubte, mich mit dem Herrn Vorredner darũber in Uebereinstimmung zu befinden, daß das Verhalten, welches ich eingeschlagen habe, den Wünschen des
s ze: ich bin aber überzeugt, daß es dem Willen der großen Majoritãt dieses Haufes entspricht. Den anderen Fall, den
eben noch angeführt hat, daß also ein Regierungsbeamter zu dem er Demänenpächterin gekommen sei! und ihn wegen seines
gangs in liberalen Häusern verwarnt habe — der Herr Vorredner hat nicht gesagt, daß er dies direct gehärt habe — ist zur Zeit jeden⸗ falls sehr wenig beglaubigt. Wenn Sie glauben, daß es nothwendig ist, daß ich mich mit der Angelegenheit befasse, so theilen Sie mir Ihre Kenntniß mit, ich werde dann meine Entschließungen treffen.
Finanz ·Minister Or. Miquel: s
Bie befondere Frage, die der Herr Abg. Rickert an die Finanz⸗ verwaltung richtete, ob sie Kenntniß von dem vorliegenden Falle gehabt habe, und ob sie die Grundsãtze, die dabei zur Geltung gebracht sind, billige, ist bereits von meinem Herrn Collegen beantwortet. Der Erlaß von Domäãnenrũckstãnden ist lediglich Sache der Domãnen⸗· verwaltung, der Finanz⸗Minister ist dabei weder thatsãchlich noch verfassungsmäßig betheiligt (hört! hört! links, und es wird auch im wesentlichen so bleiben müssen und nicht anders werden können, wenn wir ein Staatshaushaltsgesetz vorlegen.
Meine Herren, wer eine große Verwaltung einmal geführt hat, der weiß, daß es völlig unmöglich ist, in allen Fällen nach den bloßen formalistischen Regeln des strengen Rechts zu handeln, daß man da Billigkeit unbedingt in vielen Fällen berücksichtigen und gelten lassen muß. (Sehr richtig! rechts.)
Das ist nicht bloß in der Domänenverwaltung, sondern in der gesammten Staatsverwaltung, in allen Ressorts, nicht bloß in der gesammten Staatsverwaltung, sondern in der Gemeinde verwaltung und in Privatverwaltungen genau so nöthig. Wir würden bald voll ständig in Unmöglichkeiten gerathen, wenn wir in der Verwaltung diese Befugniß nicht hätten. Wenn wir an die Berathung, wie auch ich hoffe, des Staatshaushaltsgesetzes — so möchte ich es nennen — in der nächsten Session kommen, so werden Sie finden, meine Herren, daß das, was man so in der Regel als einen Act Königlicher Gnade bezeichnet, Fälle, die man nicht anders glaubt sich erklären zu können, als indem man juristische, staatsrechtliche Princivien in Beziehung auf das Begnadigungsrecht auf dem Civilgebiet construirt, in den meisten Fällen einfach zu er⸗ klären ist als Ausfluß der libera administratio der Executive. Daß die dafür verantwortlich sein, daß der Landtag in Betreff der richtigen Handhabung berechtigt sein kann, Kritik gegen den einzelnen Minister zu üben, das ist doch eine ganz andere Frage. aber eine Verwaltung ohne diese Befugniß ist geradezu unmöglich. (Sehr richtig! rechts.)
Meine Herren, in der Bauverwaltung — wie viele Fälle dieser Art kommen dort vor — wo es zu den extremsten Härten fũhren würde, wenn man z. B. Conventionalstrafen, wo vielleicht ein oder zwei Tage zu spät geliefert wird und deshalb eine große Summe verfallen wäre, stets rücksichtslos nach dem formalen Recht einziehen wollte. Wenn dies nun schon in anderen Verwaltungen so oft vor— kommt, so ist das besonders natürlich in der Domänenverwaltung, weil hier solche Verträge auf lange Zeit laufen, in der die gesammten Verhältnisse sich verändern können; und gerade in der gegenwärtigen Zeit, wo doch anerkannt werden muß, daß in den letzten Jahren die Landwirthschaft in ihren Erträgen vielfach nicht weiter gekommen ist, sondern rückwärts gegangen ist, wo aber die früher abgeschlossenen Verträge auf ganz anderen wirthschaftlichen Grundlagen und Preisverhältnissen basiren, ist es ganz naturlich, daß man ohne irgend einen Erlaß von Domãänenrückstãnden nicht aus⸗ kommen kann.
Meine Herren, wird nun gefragt, wie es denn nun eigentlich mit dem Staatshaushaltsgesetz stehe, und ob vielleicht noch in dieser Session ein solches Gesetz vorgelegt werden würde, so habe ich bei verschiedenen Gelegenheiten den dringenden Wunsch der Finanzverwaltung betont, ein solches Gesetz mit dem Landtag zu verabschieden. Wir würden darin ein Mittel, staatsrechtliche und etatsrechtliche Streitfragen zwischen der Staatsregierung und dem Landtag zu beseitigen, erblicken, welches nicht hoch genug angeschlagen werden kann. Wir würden darin auch eine in vielen Beziehungen sehr nothwendige und wünschenswerthe Klarstellung der Befugnisse der Finanzverwaltung gegenüber den einzelnen Ressorts sehen. Daß also vom Standpunkte der Finanzverwaltung ein solches Gesetz im höchsten Grade wünschens⸗ werth ist, darüber kann gar kein Zweifel sein. Andererseits darf aber doch auch nicht verkannt werden, daß feste Verwaltungsgrundsãtze über Etatisirung, Verrechnung und Justificirung einzufũhren und zu formuliren, in Gesetzesparagraphen zu bringen, von der größten Schwierigkeit ist. Die Verhandlungen über das Gesetz haben keinen Augenblick geruht; der Finanz⸗Minister ist mit sämmtlichen Ressorts in fortwährender Verhandlung; es entstehen da aber wirklich die größten sachlichen Schwierigkeiten, ohne daß von irgend einer Seite in dieser Beziehung den Versuchen, das Gesetz zu stande zu bringen, ein böser Wille oder eine Abneigung entgegengesetzt würde. Es wird daher keines⸗ wegs möglich sein, selbst wenn die Lage des Landtags so beschaffen wäre, daß dieses Gesetz noch zu stande gebracht werden könnte, dem gegenwãrtigen Landtag ein solches Gesetz vorzulegen; ich hoffe aber, daß es im nächsten Landtag möglich sein wird; wenigstens werde ich an meinem Ort es nicht an den dahin gehenden Bemühungen fehlen lassen.
Meine Herren, der Herr Abg. Kieschke hat nun auf verschiedene Fälle hingewiesen, wo die Baucredite sehr lange gelaufen haben, und hat gefragt, ob es nicht möglich wäre, diese Baucredite früher zum Abschluß zu bringen. Er hat auch daran die Befürchtung geknũpft, daß, wenn die Baucredite zu lange laufen, ohne daß dies berechtigt ist, die Neigung vorhanden sein werde, etwaige Ersparungen aus diesen Baucrediten zu weiteren Verbesserungen des Baues, Aus⸗ schmückungen desselben zu benutzen, die nicht gerade ausdrũcklich in dem ursprünglichen Kostenanschlag und Plan enthalten waren. Ich kann dem Abg. Kieschke darauf nur erwidern, daß die Finanzʒverwal⸗ tung genau denselben Standpunkt einnimmt, den er hier bezeichnet hat. Wir wünschen auch und streben immer dahin, die Baucredite möglichst bald abzuschließen. Daß das aber in vielen Fällen nicht möglich ist, daß das Offenlassen des Credits in vielen Fällen nothwendig und durchaus zweckmäßig ist, wird der Abg. Kieschke mir auch nicht bestreiten. Aber grundsãtzlich stehe ich in dieser Beziehung auf dem gleichen Standpunkt, den er bezeichnet hat. Einen Baucredit so schnell wie möglich zum Abschluß zu bringen, ist offenbar ein Interesse der allgemeinen Finanzverwaltung, und es wird daraufhin stets von der Finanzverwaltung gewirkt. Die Berechtigung, wesentliche Aenderungen an dem ursprünglichen Plan porzjunehmen und dadurch die Baukosten zu erhöhen, gesteht die Finanzverwaltung den einzelnen Ressorts auch ihrerseits nicht zu. Man wird immer darauf thunlichst halten müssen — kleine Modi⸗ ficationen sind ja in vielen Fällen überhaupt nicht zu vermeiden = daß cardinale Aenderungen an demjenigen Plan, welcher dem Landtag bei der GCreditbewillung vorgelegen hat, nicht vorgenommen werden. und nach dieser Richtung hin ist auch die Finanzverwaltung immer bemũht.
sie in Vermögensverfall gerathen, bei Beendigung der Pacht Pacht⸗
Aber so nützt mir die Sache nichts.
Abg. Dr. Virchow (fr): Im Jahre 1862 habe man bei
Berathung des Gesetzes über die Vernaltun ber = kammer im § 17 die Bestimmungen über e . 83 . . Gnadenerlasse u. s. w. vorläufig offen lassen wollen, 8 e sich aber hier im Hause schließlich darüber geeinigt., daß die Verantwortung 2 nicht bloß der betreffende a d, ondern mit ihm auch der Finanz Minsster tragen solle. Die Rechnungs= gommissien hätte ja in die Verhältnisse der in Rede stehenden Pächter tiefer eindringen können, aber sie vermeide es stets, darin weiter zu gehen, als irgend nöthig fei. Wo unverschuldete Noth vor= handen sei, meine ja auch die Rechnungscommissien, daß ein Gnaden ey laß eintreten könne, aber die Regierung müsse hierbei die größte Mãßigung und Sparsamkeit walten lassen. ¶Ninister für Landwirthschaft 2c. von Heyden: Som eit ich den Herrn Vorredner habe verstehen können, hat er geglaubt, hier den Rath wiederholen zu müssen, den mir Herr Rickert ertheilt hat, daß man verpflichtet sei, Staatsgelder nicht leichtsinnig aus einer gewissen Wohlthätigkeitsanwandlung zu vertheilen. Habe ich etwas Falsches verstanden in dieser Beziehung, so bitte ich, mich zu berichtigen. Meine Herren, ich kann dem Herrn Vorredner nur sagen: ich bin mir dieser Verpflichtung vollkommen bewußt. Ich gehe sogar weiter: ich bin zweifelhaft, ob es richtig gewesen ist, in so weitem Umfange Domänenpachten über- haupt zu stunden, wie es geschehen ist. Es ist aber einmal geschehen und mit dieser Thatsache muß ich rechnen. Ich verkenne jedoch nicht, daß, wenn den schwierigen Verhältnissen der einzelnen Domänenpächter durch Pachtstundung in zu weitem Maße Rechnung ( getragen wird, dies einen ungünstigen Einfluß auf die zukünftige Bildung der Pachtgebote haben kann. Ich gehe von der Ansicht aus, daß die Pachtgebote auf Domänen auch heute noch den thatsächlichen Verhältnissen nicht immer entsprechen, daß sie vielfach zu hoch abgegeben werden. (Zurufe links.)
Ich muß zugeben: wenn eine zu weit gehende Berücksichtigung derartiger Verhältnisse stattfindet, so kann hierin eine Verleitung zu zu hohen Pachtgeboten liegen. ; Ich erlaubte mir vorhin schon anzuführen: die Verhältnisse haben sich dahin entwickelt daß die Rückstände angeschwollen sind von 460 000 it auf 1 600 000 M Das sind thatsächliche Verhältnisse, mit denen man rechnen muß. Ich kann Ihnen also nicht versprechen, daß derartige Fälle, wie sie heute hier zur Sprache gekommen sind, nicht auch in Zukunft wieder vorkommen werden. Ich werde auch in Zukunft genöthigt sein, Anträge auf Erlaß von Pachtrück⸗ ständen zuständigen Orts zu stellen. Ich theile ja die Ansicht des Herrn Vorredners, daß es nicht erwünscht ist, wenn derartige An— gelegenheiten, wie sie uns heute beschäftigen, hier im Landtag ver⸗ handelt werden; aber ich möchte das abwehren, daß die Nothwendigkeit der heutigen Verhandlungen meinerseits anerkannt wird, oder durch Maßnahmen der Domänenverwaltung veranlaßt ist.
Referent Abg. Dr. Sattler (nl): Die Frage wegen der langen Baucredite sei in der Commission auch erörtert worden, und man sei zu demselben Resultat gekommen, wie heute der Finanz⸗Minister. Bezüglich der Erlasse von Pachtrückständen handele es sich nicht um ein Princip der landwirthschaftlichen Verwaltung, sondern es werde genau von Fall zu Fall geprüft. Die Commission habe aber bei dieser Gelegenheit wieder die dringende Forderung auf baldigen Erlaß eines Comptabilitätsgesetzes gestellt, und nur mit Rücksicht auf dessen baldige Emanirung habe sie geglaubt, von einer weiteren Behandlung der Sache absehen zu sollen.
Abg. Lon Kardorff (freicons.); Auch seine Partei theile den Wunsch auf baldigen Erlaß eines Comptabilitätsgesetzes, verkenne aber die Schwierigkeiten der Fertigstellung eines solchen nicht, die sie indeß bald überwunden zu sehen hoffe. Aber auch beim Bestehen eines solchen Gesetzes würde der vorliegende Fall nicht anders erledigt werden können, denn von diesen Dingen bekomme ja der Finanz⸗-Minister keine Kenntniß. Pachtrückstandserlasse und dergl. kämen übrigens schon immer vor, er wisse es aus den fünßziger Jahren, wo er Regierungs⸗ Keferendar⸗ ewesen sei. Damals hätten übrigens auch freisinnige Domänenpächter oft um Pachtrückstandserlaß gebeten. Ohne '. grlasse gehe es eben nicht, und man müsse dem Minister das Vertrauen schenken, daß er dabei nach Recht und Gerechtigkeit entscheide, und er glaube, das Haus meine mit ihm, der Minister solle auch in Zukunft bei der früheren Praxis bleiben. Wenn solche Erlasse nicht mehr vorkämen, so würden die Pachthöhen sinken, weil man eben nicht das Vertrauen habe, daß im Fall der Noth die Regierung Nachsicht übe, und wenn der Erlaß nicht bedeutend sei, habe er überhaupt keinen Zweck. Hoffentlich würden auch für die
dandwirthschajt einmal bessere Zeiten kommen, sodaß solche Dinge überhaupt nicht mehr nöthig sein würden.
Abg. Bachem (Centr.) ; Er glaube nicht, daß in den vorliegen⸗ den Specialfällen der Minister zu weit gegangen sei. Das Recht zum Erlaß , , m,, bestehe . die Regierung, wenn auch nicht geschrieben, so doch histerisch. edenklich sei ihm nur der 2 daß der Minister einen Pachterlaß zu dem Zweck gewähre, um d . em Pachtverhältniß scheidenden Pächter eine sichere Existenz i 1 uft zu affen, das gen an Wohlthätigkeit, und die dürften wohl. Private üben, aber in folchen Fällen nicht der Staat. Ein Erlaß, der Rückstände dürfe eintreten, wenn bei Üebernahme die Demane für ertragsreicher gehalten worden . als sie sich später er⸗ weise, oder bei Ueberschwemmungsnoth, Milzbrand und ähnlichen schädlichen Freignissen. Daß aber von allen folchen Erlaffen nicht bloß der Ressort⸗Chef, sondern auch der Finanz⸗Minister Kenntniß haben solle, halte auch er für nothwendig; sie kämen nicht nur in der land— wirthschaftlichen, sondern auch in der Bau⸗ und Eisenbahnverwaltung vor und könnten sich zu für den Etat nicht unbeträchtlichen Summen anhäufen. Der Finanz⸗Minister müsse um so mehr davon Kenntniß nehmen, als bei dem . des Comptabilitätsgesetzes, und da dasselbe auch nicht in Bälde zu erwarten sei, der Finanz-Minister wenigstens die Controle über diese Dinge haben müsse.
Minister für Landwirthschaft ꝛ. von Heyden:
Ich muß einer Ausführung des Herrn Vorredners widersprechen. Er hat es so hingestellt, als ob ich proclamirt hätte, es sei Ver— waltungsgrund satz der Domänenverwaltung, daß jeder Domänen⸗ vãchter, wenn er aus der Pacht ausscheidet, mindestens mit einem gewissen Vermögen ausscheiden müsse. Kein Wort davon habe ich gesagt; sondern ich habe gesagt: es ist allgemeiner Grundsatz bei der Domãnenverwaltung gewesen, daß sie an sich würdigen Domãnenvächtern, die unverschuldet in Unglück gerathen sind, Pachterlaß gewährt. Dann habe ich hinzugefügt: ich für meine Person habe in dem concreten Falle geglaubt, wenn der Pachterlaß für die Leute überhaupt einen Nutzen haben soll, muß er so und so . sein. Ich habe das offen gesagt, wie ich überhaupt von dieser . aus in diesem hohen Hause von Anfang an bereits erklärt habe: ich bin bereit, vollständig offene Karten zu spielen und die inneren Vorgänge, die mich in solchen Fällen bewegt haben, vor zuführen. ¶Neines Erachtens hat ein derartiger Erlaß keinen Sinn, wenn et nicht eine gewisse Höhe hat, sodaß auch der beabsichtigte Zweck 2 wird. Im übrigen aber ist das ja vollständig selbstverständ⸗ de, daß nicht etwa ganz allgemein ein derartiger Erlaß bewilligt e Sie wissen ja aus den Verhandlungen des Hauses, daß in
nielnen Jahren garnichts, in anderen Jahren zwei, drei oder vier
Liegt eine specielle Veranlassung zu einem Erlaß vor? Ist das aner—⸗ kannt, dann muß natürlich auch die Würdigung der Höhe des Erlasses im Einzelfall eintreten. Angenehme Beschäftigungen sind diese Er⸗ , nicht. Aber ich glaube mich denselben nicht entziehen zu ürfen. .
Abg. Bachem (Centr.): Er habe durchaus nicht gesagt, daß es sich um (in Princip des Ministers handele, aber a . 6 3 ö . stets h aber auch den einzelnen Abg. Richter (sofr.); Der Abg. Bachem habe einige Grundsä ausgesprochen, die seines Les Redners) Erachtens nach 5 prechen bleiben dürften. Er meine, es liege im Sinne einer liberalen Behandlung der Domänenvächter, daß diesen ein Nachlaß der Pacht gewährt werde, wenn der Reinertrag die Höhe der Pachtsumme nicht erreiche. Die Domänenpachten würden abgeschlossen auf achtzehn Jahre die Conjuncturen ließen sich im voraus für die ganze Zeit garnicht sicher berechnen. Unter allen Umständen werde deshalb ein Risico bei der Pacht übernommen und dies finde auch in der Pacht— summe seinen Ausdruck. Habe denn schon jemals jemand davon gehört, daß, wenn die Conjuncturen günstiger aus—⸗ fielen, der * ter seiner Pachtsumme etwas zugelegt habe? Eine große Zahl später selbständiger Grundbesitzer fei reich geworden aus den Domänenpachten, namentlich in der Provinz Sachsen. Bei der Neuverpachtung werde oft die dreifache Pacht⸗ summe von der bezahlt, die der bisherige Pächter gegeben habe. Eben o wenig wie man verlange, daß der Pächter in günstigen Jahren etwas zu seiner Pachtsumme zulege, ebenso wenig könne man umgekehrt aus ungünstigen Conjuncturen einen Pachterlaß her⸗ leiten. Der Minister habe gesagt, die Domänenpachten, wie sie gegen= wärtig bezahlt würden, seien viel zu hoch. Dieser Ausspruch sei fehr bedenklich und könne sehr eigenthümliche Folgen nach sich ziehen. Wenn die Herren erst hörten, daß sie nach Ansicht des Ministers zuviel zahlten, so werde das nicht gerade dazu beitragen, sie in ihrem Eifer, ihre Pacht pünktlich zu bezahlen, zu stärken, sondern im Gegentheil müßten solche Erklärungen sie provociren, nach— lässig zu werden und mit . zu kommen, ihre Pachtsumme zu ermäßigen. Worauf gründe sich über⸗ zaupt diese allgemeine Behauptung, daß die Pachtsummen zu hoch seien? Die Pachtverträge seien nicht alle in einem Jahre abgeschlossen, in jedem Jahre wirke die Abschätzung der allgemeinen Ertragsver— hälknisse auf die Normirung der Pacht in verschiedener Weife. Es könne wohl sein, daß Pachten zu hoch seien, die in den Gründerjahren abgeschlossen seien, sie könnten aber auch zu niedrig sein, wenn sie aus Jahren stammten, wo man . über die Landwirthschaft ge⸗ dacht habe. Es sei eine eigenthümliche Erfahrung, daß der Finanz⸗ Minister all diesen Dingen vollständig fern stehe. Früher sei er zugleich der Ressort-Minister der Domänenverwaltung gewesen und habe als solcher eine Controle auszuühen gehabt, wenn es sich um Nachlässe von Pachtverpflichtungen gehandelt habe. Wenn der Finanz⸗Minister in solchen Fällen nicht gefragt zu werden brauche, so sei das sehr bedenklich, weil in Bezug auf solche Nachlässe gewisse einheitliche Grundsätze obwalten müßten, für alle Ressorts, und diese niemand anders wahren könne als der Finanz⸗Minister in seinem Verhältniß zu allen Ressorts, und weil die ganze Finanzverwaltung dadurch berührt werde. Um diese Controle wieder herbeizuführen, brauche man nicht auf ein Comptabilitätsgesetz zu warten, dem er übrigens sehr skeptisch gegenüberstehe, denn man warte schon zwanzig Jahre darauf und von den jetzigen Mitgliedern des Hauses werde wohl kaum noch jemand den Erlaß desselben erleben. Er sei der Meinung, wo man Mißstände treffe, müsse man sie gleich zur Erörte⸗ rung bringen. Der Eindruck, welchen die Debatte mache, werde nicht dahin gehen, daß die Sache so ganz in der Ordnung sei. Künftig sollten daher solche Fälle zur Gegenzeichnung dem Finanz⸗Minister vorgelegt werden.
Minister für Landwirthschaft ꝛc. von Heyden:
Die Ausführungen des Herrn Vorredners nöthigen mich in einer Beziehung zur Erwiderung. Er hat gesagt und gemißbilligt, daß ich ausgesprochen hätte, die Domänenpachtungen seien im allgemeinen viel zu hoch. Ich bin mir nicht bewußt, diese Aeußerung gemacht zu haben. (Sehr richtig! rechts.) Ich habe versucht, das Stenogramm zu bekommen, um dasselbe einzusehen. Jedenfalls konnte mir ein der⸗ artiger allgemeiner Ausspruch über die Höhe der Domänenpachtungen nicht in den Sinn kommen, weil Gott sei Dank mit jeder neuen Verpachtung eine gewisse Sanirung der Verhältnisse eintritt. Ich habe nach meiner Erinnerung ausgesprochen, daß nach meiner Ueber⸗ zeugung bei der jedesmaligen Neuverpachtung in einzelnen Fällen oder häufig noch heute zu hohe Gebote abgegeben werden, und diese Ansicht halte ich vollständig aufrecht. Ich sehe nicht ein, warum ich die . nicht sagen soll, wenn ich davon überzeugt bin. (Bravo! rechts.
Abg. von Sch alscha (Centr.): Wenn man gute Erfolge haben wolle bei der Verpachtung der Domänen und man hohe th er⸗ zielen wolle, so könne das nur dadurch erreicht werden, daß die Leute das Vertrauen zur Domänenverwaltung hätten: wenn einmal ein schlechtes Jahr komme, so hätten sie es nicht mit Halsabschneidern zu thun, sondern mit anständigen Leuten, Dann könnten sie das Risito bei der Pacht eingehen, um mit dem, was sie in guten Jahren mehr erzielten, das Fehlende in schlechten Jahren zu ersetzen. Eine gewisse Liberalität in den Forderungen sei noch kein ar Geschäͤft. Wenn die Domänen so viel abgeworfen hätten, wie bisher, so liege das, wie er glaube, nicht am we⸗ nigsten daran. daß die . meinten: der Landwirth—⸗ schafts Minister werde ihnen nicht gleich das Messer an die Kehle setzen. Wenn gesagt worden sei, es dürfe nur eine ge⸗ wisse Summe nachgelassen werden, so müsse er das bestreiten. Wenn ein Mann von seinem Pachtgut ruinirt weggehe, so sei es ganz egal, ob er mit Minus oder mit Null fortgehe. Wenn er große Melio⸗ rationen auf seinem Gut vorgenommen habe und nachher die Con⸗ juneturen schlecht seien, so sei es nicht seine Schuld, wenn er die Pacht nicht bezahlen könne. Damit schließt die Debatte. Der Antrag der Commission wird angenommen, Der Bericht der Staatsschuldencommission für das Jahr 1896/91 wird ohne Debatte der Rechnungscom— mission überwiesen. ki Es folgt die zweite J des Antrags Neu⸗ irch und Drawe auf Annahme eines Gesetzentwurfs, ö 5 Bestimmung über die Regulirung 54 9 errlichen und bäuerlichen Verhältnisse ehufs der Eigenthumsverleihung in Neu vor— pommern und Rügen. Graf Behr ffreicon“): Als Einwohner von Neuporvommern . er sich dahin aussprechen, diesem Gesetze die Zustimmung zu 9 en, da es durchaus der Billigkeit entspreche und die J, in euvorpommern einer Regelung dringend bedürftig seien. Er g aube aber, einige Bestimmungen des Gesetzes gingen zu weit, indem 36 wohlerworbene Rechte Dritter ohne weiteres e iftʒen wollten. machungen, die nach dem 1. Januar d. J, stattgefunden hätten, sollten ohne Wirkung sein; das könne doch j in der Absicht des Gesetzes liegen. Es solle doch nur zwischen Besttzern und Bauern ein erträgliches n n hergestellt werden. Er glaube daher, daß das Haus alle Veranlassung . diesen Punkt noch einer näheren eingehenden 8 zu unterstellen, und beantrage daher, das Gefetz an eine Cominission zu verweisen. Das Herrenhaus werde diefes Gesetz doch nicht eher verabschieden, his ihm das definitive Gefsetz zugeschoben worden sei. Es werde also in keiner Weise da—⸗ durch verzögert. Er bitte im Interesse des Zustandekommens des
⸗
Fälle vorkommen. In jedem einzelnen Falle wird genau geprüft:
Minister für Landwirthschaft ꝛc. von Heyden: ⸗ ꝛ
Bei der ersten Berathung dieses Nothgesetzes und des Gesetz entwurf Nr. 119 habe ich meine persönliche Ansicht dahin aus- gesprochen, daß es mir erwünscht sei, diese Materie gesetzlich geregelt zu sehen, sofern das Gesetz auch nur einem Bauern in Neuvorvommern zu gute komme. Ich konnte mich aber damalẽ namens der Königlichen Staatsregierung noch nicht er⸗ erklãren. Inzwischen hat die Beschlußfassung des Staats Ministeriums ren. Die Staatsregierung ist bereit, sich an der weiteren , . der vorliegenden Anträge zu betheiligen, und wünscht diese n dwgenkeit noch in der diesjährigen Tagung des Landtags zum Abschied zu bringen. Bei dieser Lage der Sache hat der Nothgesetzentwurf, der heute auf der Tagesordnung steht, eine geringere Bedeutung als ihm anfangs beigelegt wurde. Im übrigen glaube ich, daß dem Bedenken, welches der Herr Vorredner gegen die Fassung des einzigen Paragraphen des Rothgesetzes soeben ausgesprochen hat, die Berechtigung nicht versagt werden, kann, und möchte auch ich glauben daß es zweckmäßig sein wird, auch diesen Gesetzentwurf noch an die Justizcommission zu verweisen. Versäumt wird absolut nichts. Vie Ihnen bekannt, tagt die Justizeommission in dieser Angelegenheit 1 . Abend sodaß nach einer oder höchstens zwei Sitzungen die Angelegenheit bereits dem Hause zur weiteren Berathung vor— gelegt werden kann und damit die Möglichkeit gegeben ist, den n, ö . Frist zum Abschluß zu bringen.
Abg. ukirch (dfr): Er sei s friedi ũ ie eutgegenkommenden r n . — 2 g Staatsregierung abgegeben habe, und die wesentlich anders gelautet hätten, als seine früheren Worte. Er hoffe daß das Gesetz ö in dieser Tagung zum Abschluß kommen werde?
¶Minister für Landwirthschaft 2c. von Heyden:
. Ich muß persönlich dem Herrn Vorredner gegenüber aussprechen daß lich heute keine andere Stellung eingenommen habe als bei per ersten?Berathung; ich konnte mich bei der ersten Bere themg nicht anders erklären, wie geschehen, weil noch keine Moglichkeit gegeben war, eine Beschlußfa sung des Staats⸗Ministeriums herbeizuführen. Meine persönlichen Anschauungen habe ich damals bestinmt aus⸗ gesprochen, und was ich wünschte, glaube ich, habe ich deutlich genug dadurch documentirt, daß, sobald diese Frage an mich herangetreten ist ich sofort Veranlassung genommen habe, die nothwendige erneute Beschlußfassung des Provinzial-Landtags von Pommern herbeizu⸗ führen.
Abg. Knebel (ul.): Es bestehe kein Zweif ß di = flärun e des Kin f . . 36 , 6 vorigen Berathung des Gegenstandes. Es sei mit Freuden zu be⸗ grüßen, daß der. Minister heute sage, daß er selbst Werth darauf lege das Gesetz noch in dieser Tagung zu Stande zu bringen. Die Bedenken welche noch beständen, werde auch die Justizcommission nicht ganz beseitigen können. An den Bauern sei . Unrecht geübt worden. Es hätten diejenigen, welche in der Zwischenzeit seit dem L Januar Verträge eingegangen seien, einsehen müssen, daß die Sache gesetzlich geregelt werden werde. Er erkenne kein dringendes Bedürfniß an, daß das Gesetz an die Justizecommission verwiesen werde, wolle aber dem Antrage nicht widersprechen.
Der Antrag wird darauf der Justizcommission überwiesen. Es folgt die Berathung von Petitionen. Die Petition des Rittergutsbesitzers Hörig aus Körnitz bei Trachenberg wegen Regulirung der Bartsch soll nach dem Antrag der Commission der Regierung zur Berücksichtigung in dem Sinne überwiesen werden, daß die Polizeiverordnung, von 1551 im Verwaltungswege revidirt wird, demnächst gie Verpflichteten zur Instandsetzung der betreffenden Flußläufe angehalten, außerdem aber Mittel aus Staatsfonds für diesen Zweck zur Beihilfe gegeben werden.
Abg. Wuesten (Ccons); Er wolle dem Beschluß der Commission nicht widersprechen Es sei bekannt, daß bei den Regulirungen der großen Ströme in der Regel von der Quelle nach der Mündung
zu regulirt worden sei. Man habe die Erfahrung gemacht, daß
dieses Verfahren ein total unrichtiges sei. Die Bartsch sei an der Mündung vollständig versandet. Er möchte den Minister bitten, daß
nicht früher mit der Regulirung der oberen Bartsch vorgegangen
werde, bevor nicht die Mündung vollständig regulirt sei. Im
übrigen möchte er die Annahme des Antrages empfehlen.
Minister für Landwirthschaft 2c. von Heyden:
Meine Herren! Der Antrag der Commission an das Haus
geht dahin:
die Petition IJ Nr. 607 der Königlichen Staatsregierung zur
Berücksichtigung in dem Sinne zu überweisen, daß die Polizei⸗
verordnung, d. 4. Breslau, den 21. Dezember 1861, im Ver⸗
waltungswege revidirt, demnächst die Verpflichteten zur Instand⸗
setzung der betreffenden Flußläufe angehalten, außerdem aber
Mittel aus Staatsfonds für diesen Zweck zur Beihilfe 'gegeben
werden.
Die Angelegenheit hat auch bereits das Herrenhaus beschäftigt, welches einen etwas weiter gehenden Antrag zum Beschluß er⸗ hoben hat.
In dem Antrage Ihrer Commission wird gewünscht, daß Mittel aus Staatsfonds zur Verbesserung der Bartschverhältnisse als Bei⸗ hilfe gegeben würden. Ja, das würde ich sehr gern erfüllen; aber die nothwendige Voraussetzung ist, daß sich zunächst Genossenschaften bilden. Denn bekanntlich stehen dem Landwirthschaftlichen Ministerium nur für communale und genossenschaftliche Flußregulirungen überhaupt Fonds zur Verfügung.
Im übrigen beschäftigt diese ganze Angelegenheit der Bartsch seit längerer Zeit das Ministerium und wird dort in der eingehendsten Weise verfolgt.
Ich bin genöthigt, da der Commissionsbericht gedruckt vorliegt. ein paar Worte hinzuzufügen, um keine Mißverständnisse entstehen zu lassen. Der Streit dreht sich hauptsächlich darum, ob eine Polizei- verordnung aus dem Jahre 1863, welche eine weitgehende Fluß⸗ regulirung, nicht bloß eine Räumung in dem bisherigen Umfange anstrebt, überhaupt rechtsgültig ist. In dem Bericht Ihrer Commission wird gesagt: ja, wenn die Polizeiverordnung nicht gültig ist, dann hätte die Domänenverwaltung schon seit 30 Jahren auf eine Auf⸗ hebung dieser Polizeiverordnung hinwirken müssen. Dazu hatte die Domänenverwaltung an sich keine Veranlassung. Sie war auch in einer ziemlich schwierigen Lage, dies zu thun; sie konnte abwarten was geschah. ; Thatsächlich ist inzwischen durch eine gerichtliche Entscheidung — allerdings bloß in erster Instanz — die Ungültigkeit der Polizeiver- ordnung ausgesprochen. Meinerseits bin ich bereit, die Angelegenheit zu fördern. Da ich jedoch bemerke, daß das hohe Haus zu einer ein- gehenden Discussion dieser Sache heute nicht geneigt zu sein scheint,
Gesetzes, es an die Commission zu verweisen.
so werde ich auf die mir an sich erwünschte ausführliche Besprechung
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