1892 / 107 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 05 May 1892 18:00:01 GMT) scan diff

es sich wohl überlegen, ehe man derartige 3 in die Versammlung werfe. Der Altczeche ucker erklärte: sollten die Jungezechen den Reichsrath verlassen müssen, so würden er und die Altezechen deren Beispiel folgen. Die Ver⸗ ordnung wegen Einrichtung des Bezirksgerichts in Weckelsdorf sei keine Kleinigkeit gegenüber der ungekünstelten Erregung des böhmischen Volkes, welches nicht in Aufregung felt werden dürfe. Der Redner beantragte unter dem Beifall der Jungczechen die Ueberweisung des Antrags an eine Com⸗ mission. Die weitere Berathung wurde sodann auf heute

K

Der Prager „Politik“ zufolge wird Dr. Rieger dem Ersuchen, neue (altczechische) Verirauensmänner für die Ab⸗ d, . zu nominiren, nicht willfahren. Für diesen Fall soll der Ober⸗Landesgerichts⸗-Präsident er—⸗ mächtigt sein, diese Vertrauensmänner selbst zu bestimmen.

Im ungarischen Unterhause erklärte gestern der Ver⸗ treter der Regierung in Beantwortung der Interpellation über die in Debreczin vorgefallenen militärischen Unzukömmlich⸗ keiten, daß der Offizier, der einen Landwehr⸗Infanteristen wegen Unterlassung des militärischen Grußes ohrfeigte, selbst ein Ungar sei. Er habe sein unziemliches Verhallen eingesehen und sei zu zehntägigem Zimmerarrest verurtheilt worden. Das Haus nahm die Antwort des Regierungsvertreters zur Kenntniß.

Der Communicationsausschuß des Unterhauses hat egen die Stimmen der äußersten Linken die Vorlage über den Bau der Eisenbahn Marmaros Szigeth Landesgrenze, die sich an die österreichische Linie Wormienka Stanislau an⸗ schließen soll, angenommen. Der Referent Nemenyi empfahl, die Vorlage unter Würdigung der bei dem Bau der Linie in Betracht kommenden staatlichen Gesichtspunkte trotz der dem Lande dadurch erwachsenden schweren Opfer anzunehmen.

Großbritannien und Irland.

Aus der gestrigen Sitzung des Unterhauses wird dem „W. T. B.“ folgender Zwischenfall berichtet: Bei Berathung der Bill Haldane's, durch welche die Grafschaftsräthe zum Ankauf von Grund und Boden für öffentliche Zwecke verpflichtet werden sollen, unterbrach das Mitglied Tun⸗ ningham Graham die Ausführungen Aquith's und bezeichnete sie als Schwindel. Cunningham Graham wurde deshalb einstimmig suspendirt. Beim Verlassen des Hauses rief der genannte Deputirte: er werde wegen seiner Vertheidigung des Socialismus suspendirt und werde sich freuen, die Frage vor hunderttausend Leuten im Hndepark zu discutiren; das Haus sei allerdings nicht der Ort, derartige Fragen zu berathen. Die Bill wurde schließlich mit 23 gegen 148 Stimmen verworfen; die Regierung hatte sie energisch

bekãmpft. Frankreich.

Der Pariser „Figaro“ giebt einem in der Hauptstadt allgemein verbreiteten Hern Ausdruck, indem er davor warnt, sich jetzt, da die Gefahr des 1. Mai vorüber sei, einer allzugroßen Vertrauensseligkeit hinzugeben. Vielfach ist man sogar mit dem „Matin“ einverstanden, der auch jetzt noch die Verhängung des Belagerungszustandes über Paris und andere Centren der Anarchie ver⸗ langt. Großen Beifall findet der „Franz. Corresp.“ zu⸗ folge auch ein Artikel von Francis Magnard, worin auf ein

gemeinsames Vorgehen aller Regierungen * die Anarchisten

gedrungen wird, damit die Ravachol nicht länger ein unver⸗ letzliches Asyl in England und der Schweiz finden könnten.“

Nach einem Erlaß des Ministers der öffentlichen Arbeiten dürfen vom 1. Juni d. J. ab als Maschinisten, Heizer und Conducteure der französischen Eisenbahnen nur fra n— zösische Staatsangehörige angestellt werden.

Der Bischof von Nancy hat infolge der über ihn ver—⸗ hängten Gehaltssperre (siehe Nr. 104 des „R. u. St. A.“ vom 2. d. M.] folgendes Schreiben an den Cultus⸗Minister gerichtet:

Es ist für mich eine große Ehre, für die Vertheidigung der Rechte der Kirche und der Gewissens freiheit fo gemaßregelt zu werden. Ich darf mir übrigens das Zeugniß ausstellen, daß ich seit meinem Amtsantritte niemals aufgehört habe, diese Rechte und diese Frei⸗ heiten zu vertheidigen. Ich bin selbst nichts weniger als reich, und die bischöfliche Mensa von Nancy kostet mich jährlich hunderttausend Franken. Aber ich wiederhole mit größerem Nachdrucke als je folgende Worte, die ich zwei Mal in der letzten Zeit veröffentlicht habe: Ich erklãre vor meinem Lande, daß ich das Haupt nicht beugen werde vor den lästern⸗ den Ungexrechtigkeiten, die unsere Kirchen treffen, indem sie die Freiheit der christlichen Predigten beeinträchtigen, und auch nicht unter der Schmach der Knechtschaft, die man uns auferlegen will. Ich erkläre, ich bis zu meinem letzten Athemzuge im Namen meiner Pflicht, der heiligen Rechte, die ich zu vertheidigen habe. der Gerechtigkeit und der Freiheit protestiren werde. Genehmigen Sie, Herr Minister, die Versicherung meiner ausgezeichnetften Hochachtung u. s. w.“

Es ist die Bildung eines Corps von Eingeborenen—⸗ Infanterie in Diego⸗Suarez auf Madagascar behufs Vertheidigung und Sicherung der französischen Niederlassungen an der dortigen Küste angeordnet worden.

Rußland und Polen.

Die schon erwähnte, zur Zeit in St. Petersburg unter

dem Vorsitze des Geheimen Raths Abasa tagende Getreide—⸗ commission hat sich laut Meldung des Wolff schen Bureaus“ in ihrer gestrigen Sitzung einstimmig für die Freigabe des Exports von Mais und Hafer aus den baltischen Häfen Riga, Libau und Reval ausgesprochen. Das K. hat, wie dasselbe Bureau aus St. Petersburg vernimmt, in seiner gestrigen Berathung dem Vorschlage des Barons Hirsch über die Juden⸗Emi⸗ gration im Princip zugestimmt. Die definitive Entscheidung wurde jedoch wegen der nothwendigen redactionellen Abände⸗ rungen des Projects noch verschoben.

Italien.

Die Deputirtenkammer hat ebenso wie der Senat nach Ablauf der Osterferien gestern ihre Berathungen wieder aufgenommen. Die gestrige Sitzung war bedeutsam durch eine Rede des Marchese di Rudini, in welcher der Minister⸗ Präsident einen Rückblick über den Verlauf der Cabinetskrisis gab und das neue . des Ministeriums, Ppeciell die geplanten Maßnahmen zur Deckung des Budget⸗ Deficits darlegte. Herr di Rudini theilte nach dem Bericht des W. T. B. zunächst mit, daß er dem König die Annahme des Demissionsgesuchs des Finanz Ministers Colombo empfohlen und den Schatz ⸗Minister Luzatti mit der interi⸗ mistischen Verwaltung des Finanz⸗Ministeriums betraut habe, und fuhr dann fort: die außerordentlichen Heeres⸗ Ausgaben für 182/93 würden durch gleichwerthige Er⸗ sparungen im Heeresbudget gedeckt werden, welches in seiner

zesammthöhe den ursprünglichen Betrag von 246 Millionen nicht überschreiten solle. Das Deficit im Budget für 1892/93 werde 33 Millionen betragen, wenn die von der Regierung vorgeschlagenen Maßnahmen von der Kammer gebilligt würden. Die Regierung schlage überdies eine Reform der Erbschaftssteuer und die Einführung des Zündhölzchen⸗ Monopols vor. Hierdurch werde das Deficit auf 13 Millionen reducirt werden. 36 Deckung dieses Fehlbetrages würden noch weitere Ersparnisse gemacht werden. Um die Durchführung der letzteren zu erleichtern, habe er einen Gesetz⸗ entwurf eingebracht, durch welchen die Regierung ermächtigt werde, die im Budget vorgesehenen organischen Ausgaben herabzusetzen. Das Königreich Italien ö. seit seiner Er⸗ richtung kein besseres Budget besessen als dasjenige für 18295. Nachdem der Präsident der Kammer hierauf an⸗ gekündigt hatte, daß eine Anzahl Interpellationen über die Ministerkrisis 2 worden seien, vertagte sich die Kammer, um Herrn di Rudini Zeit zu gewähren, im Senat analoge Erklärungen abzugeben. Nach Wiederaufnahme der Sitzung sprachen die Deputirten Marinuzzi, Imbriani und Roypio gegen das Cabinet und behaupteten, die De— mission Colombo's sei wegen der Militärfrage erfolgt. Diese Behauptung wurde seitens des Minister-Präsidenten be⸗ stritten, welcher ferner betonte, der Verkehr des Ministeriums mit der Krone habe sich steis unter der skrupulösesten Be⸗ obachtung der verfassungsmäßigen Regeln . die Krone sei sich . Pflichten wohlbewußt. Der Minister⸗Präsident wies schließlich unter der Zustimmung der Rechten auch den Vor⸗ wurf zurück, daß das Verhalten des Cabinets Unschlüssigkeit gezeigt habe. Die weitere Berathung wurde auf heute vertagt. Der Minister⸗Präsident hat der Kammer gestern die Handels⸗ verträge Italiens mit Egnpten und der Schweiz, das auf dem Wiener Weltpostcongreß erzielte Ueberein⸗ kommen und die Actenstücke wegen der Vorfälle in Ne w⸗ Orleans vorgelegt.

Die Regierung hat an die Pforte die Anfrage gerichtet, ob ihr die Ernennung des gegenwärtigen italienischen Ge⸗ sandten in Lissabön di Tollobiano Arborio zum Botschafter in Konstantinopel genehm sei.

SÿSchweiz.

Nach amtlichen Mittheilungen vertheilen sich die 21 567 Referendums⸗Unterschriften gegen das Aus⸗ lieferungsges (die zur Ablehnung erforderliche Anzahl von 30 009 ist bekanntlich nicht zusammengekommen) auf 21 Cantone und 255 Gemeinden. Zürich lieferte 5625, Bern 4240, Luzern 680, Uri 79, Schwyz 124, Glarus 560, Zug 309, Freiburg 305, Solothurn 65, Baselstadt 1024, Basel⸗ land 695, ga fh uf S20, Appenzell A⸗Rh. 453, St. Gallen 2394, Graubünden 168, Aargau 724, Thurgau 484, Tessin 149, Waadt 994, Neuenburg 572, Genf ö Unterschriften. Keine Unterschriften sind eingelangt aus den Cantonen Ob— walden, Nidwalden, Appenzell J⸗Rh. und Wallis. Der Bundesrath wird der Bundesversammlung in der bevor— stehenden Session einen darauf bezüglichen Bericht vorlegen.

Im rg d. J. soll in Bern der vierte sogenannte „Weltfriedens⸗Congreß“ zusammentreten. Der erste dieser Congresse fand im Jahre 1889 in Paris, der zweite 1890 in London und der dritte im vorigen Jahre in Rom statt. Der Hauptgegenstand, welcher diesmal zur Verhandlung gelangen soll, ist der Berjcht und Antrag wegen Organisation eines internationalen Schiedsgerichtshofes. Die Verhandlung wird, wie der Berner, Bund“ mittheilt, durch vier Referenten ein⸗ geleitet werden, nämlich durch die Herren Frédéric Passy aus Paris, National⸗Rath Hilty in Bern und se ein Mitglied des Deutschen Reichstags und des englischen Parlaments; letztere zwei Referenten sind noch nicht bezeichnet. Auf Antrag der deutschen parlamentarischen Gruppe hat das Berner Comits einen neuen Gegenstand auf die Tagesordnung der Conferenz gesetzt, nämlich die Ein⸗ fügung der Schiedsgerichtsclausel in die Handelsverträge. Ferner hat dieses Comité, von dem Wunsche beseelt, daß die vierte interparlamentarische Conferenz praktische Resultate zu stande bringe und sich nicht in nutzlose und aufregende Dis cussionen verirre, folgenden Beschluß gefaßt: „Sämmtliche parlamentarischen Landesgruppen werden eingeladen, einen bis zwei Vertreter zu bezeichnen, welche zwei Tage vor Er— öffnung der Conferenz mit dem Berner Comité die Tages⸗ ordnung der Sitzungen und die zu beantragenden Resolutionen definitiv festsetzen werden.“ Zu diesen Resolutionen sind so— dann, wie der „Handels⸗Courier“ im weiteren meldet, nur Abänderungsanträge zulässig, welche gedruckt sein müssen, ehe sie zur Verhandlung kommen.

Belgien.

In Lüttich haben gestern die Verhöre der wegen der neulichen anarchistischen Bomben⸗Attentate verhafteten Angeschuldigten (vgl. auch die gestern nach Schluß der Re⸗ dackion eingegangene Depesche) vor dem Staatsanwalt und dem Untersuchungsrichter begonnen. Den über das Ergebniß vorliegenden Telegrammen entnehmen wir Nachstehendes:

* . * 55 8 39 05 8

Die bei dem Anarchisten Maler Beaujeau gefundene Bombe war, wie sich herausstellte, leer; bei dem Vater , fand man Dynamit, welches von dessen Sohne dorthin geschafft worden war. Die in letzter Zeit stattgehabten Explosionen sind nach dem Geständniß von Lacroix mit Patronen herbeigeführt worden, welche Dynamit mit einem anderen Sprengstoffe gemischt enthielten. Beide Stoffe sind im vergangenen Jahre in Flemalle von den Anarchisten Moineau und Beaujeau gestohlen worden. Lacroix, welcher als Maler bei Beaujeau arbeitet, räumt ein, der Urheber aller früheren Attentate zu sein und bezichtigt Nocent als seinen Mitschuldigen bei den Explosionen. Nocent ist Büchsenmacher und steht im Alter von 22 Jahren. Man setzt Zweifel in die Richtigkeit der Angaben Lacroix“, welcher die ganze Verantwortlichkeit der incriminirten Handlungen auf sich nimmt. Die Mehrzahl leugnet jede Betheiligung an den Erplosionen, bekennt sich aber zu anarchistischen Grundsätzen. Aimé Matheyens, der Sohn eines Induftriellen, der in Jemeppe sur Meuse unter dem Verdacht der Theilhaberschaft an den Lütticher Attentaten verhaftet worden, hatte die in der Pulverfabrik von Baneux gestohlenen Forcit⸗Patronen als Hehler in Verwahrsam. Soweit bis jetzt festgestellt worden ist, sind die Attentate mittels 21 kg in Baneur gestohlenen Forcits begangen worden.

Der Chef der Sicherheitspolizei 4 sich mit dem Staats⸗ anwalt in Verbindung gesetzt und ist in Lüttich eingetroffen. Er hat bereits im Laufe des gestrigen Tages dort mehr als vierzig Haussuchungen vornehmen lassen. In der vergangenen . sind wiederum zwei Anarchisten verhaftet worden.

Ein neuer Dynamitanschlag wird aus Waremme von gestern 6 Die Depesche lautet:

In Waremme wurden gestern früh Dynamitpatronen, die mit Eisendraht umwickelt waren, auf dem Fenster eines Haufes gefunden; die Züůndschnur war bereits in Brand gesetzt, wurde jedoch noch vor der Cyplosion ausgelöscht.

Griechenland.

Am 15. Mai finden in Griechenland die Neuwahlen . Deputirtenkammer statt. Wie man der Pol. Corr.“ chreibt, giebt man sich in Bezug auf den Ausfall in dortigen Regierungskreisen ziemlich günstigen Erwartungen hin und ver⸗ wesst darauf, daß achtzg Candidaten sich für das Programm des Ministeriums ärt haben. Die Partei Delyannis er⸗ . was die Anzahl der . ndidaten anbelangt,

isher als die schwächste, da sie deren bloß an fünfzig zählt.

Trikupis hat dagegen einer Abordnung von Cpiroten er⸗

klärt, die Mehrheik im Parlament sei seiner Partei gesichert. Amerika.

In Süd-Amerika ist eine Indianer⸗Revolution. ausgebrochen, die im östlichen Bolivia begonnen hat, sich 1 aber auch auf die Nachbargebiete ausdehnt. Der bolivia⸗ nische General Gonzales hat zwar einen Theil der Aufstän⸗ dischen in die Berge zurückgeworfen, doch sind die festen Plätze von La Paz und Suere in die Hände der Rothhäute gerathen. Die Indianer des oberen Amazonenstroms haben sich der Be⸗ wegung angeschlossen. Der Präsident Arco beabsichtigt, wie man der „Pol Corr.“ meldet, Brasilien, die Argentinische Republik und Peru zu einer Cooperation gegen die Aufstän⸗ dischen aufzufordern.

Asien.

Aus 3, wird der „Times“ über Kalkutta vom 2. Mai berichtet:

Afghan ische Truppen haben As mar besetzt und scheinen in den Staat Bajaur eindringen zu wollen. Der Staat Bajaur umfaßt eine Gruppe ,, . Fürstenthümer, an welche Asmar an⸗ grenzt. Der GCmir hat diesen Schritt jedenfalls in Verfolg der traditionellen afghanischen Politik unternommen, deren Ziel es ist, den Einfluß Afghanistans über die jenseits der britischen Grenze gelegenen Stämme auszudehnen. Hiermit ftimmen die langjährigen Bemühungen des Emirs überein, von den Afridis, Waziris und anderen Stämmen als Suzerain anerkannt zu werden. Es heißt, die indische Regierung habe ihn daran erinnert, daß Bajaur stets als außerhalb der afghanischen Interessensphãre liegend erklärt worden sei, und daß er diese Thatsache bei früheren Anlassen wiederholt als richtig anerkannt habe.

Die britische Regierung hat nach einer Mittheilung des „Standard? aus Shanghaät auf Antrag Chinas das Verbot der Ausfuhr von Waffen aus Hongkong vom 1. April an auf weitere sechs Monate verlängert. In An⸗ betracht des fortgesetzten , geheimer Verbindungen in China habe man die Maßregel für unerläßlich gehalten.

Parlamentarische Nachrichten.

In der heutigen (67) Sitzung des Hauses der Ab⸗ geordneten, der der Minister für Handel und Gewerbe Freiherr von Berlepsch und der Mnister der geistlichen u. s. w. Angelegenheiten Dr. Bosse beiwohnten, wurde die zweite Berathung des Gesetzentwurfs, wegen Abänderung einzelner Bestimmungen des Allgemeinen Ber g— gesetzes vom 24 Juni i865, fortgesetzt.

Die Ss S5 a bis 93, sowie die Abänderungen der 77 189 und 196 des Berggesetzes wurden ohne Debatte ange⸗ nommen.

S 197 soll nach dem Antrage der Commission folgende Fassung erhalten:

Für solche Betriebe, in welchen durch übermäßige Dauer der agli en Arbeitszeit die Gesundheit der Arbeiter gefährdet wird, können die Ober⸗Bergämter Dauer, Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit und der zu gewährenden Pausen vorschreiben und die ö Durchführung dieser Vorschriften erforderlichen Anordnungen erlassen.

Die Vorlage lautete: „Insbesondere können die Ober⸗Bergämter, wenn durch übermäßige Dauer“ u. s. w. wie im Commissionsbeschlusse.

Die Abg. Hitze (Centr.) und Genossen beantragen:

a. Die Regierungslage wieder herzustellen; b. folgende Reso⸗ lution anzunehmen: Die Staatsregierung zu ersuchen, möglichst bald eine eingehende Untersuchung darüber anzustellen: inwieweit eine Herabsetzung der Arbeitszeit in den Bergwerken der verschie⸗ denen Ober⸗Bergamtsbezirke aus Rücksicht auf Leben und Gesund⸗ heit der Arbeiter erforderlich erscheint, und das Resultat derselben, sowie die auf Grund des § 197 des Allgemeinen Berggesetzes ge⸗ troffenen beziehungsweise beabsichtigten Maßnahmen dem Landtag mitzutheilen.

Hierüber entspann sich eine längere Debatte, in der die Anträge Hitze von dem Antragsteller und den Abgg. Stötzel (Centr) und Bachem (Centr) befürwortet, von den Abgg. Dr. Ritter ffreicons.), von Bockel berg (cons.), Sch mie⸗ ding (nl. , Engels (freicons.), Dr. Hammacher (ul.) und Graf zu Limburg⸗Stirum (cons.) bekämpft wurden.

Die bag, Dr. Meyer (dfr) und Eberty (dfr.) sprachen sich gegen die Einführung eines Normalarbeitstags im Bergbetriebe aus, wünschten aber entsprechend der Resolution Hitze weitere Untersuchungen darüber.

Der Abg. Dr. Hammacher (nl) stellte folgenden Antrag, für den sich auch der Abg. Graf zu Limburg-Stirum (cons.) erklärte:

Im Vertrauen auf die von der Königlichen Staatsregierung dem Wohle der Arbeiter zugewandte Fürsorge, und im Hinblick darauf, daß infolge des Ministerial⸗Erlasses vom 25. Mai 1889 eine eingehende Untersuchung der Bergarbeiterverhältnisse statt⸗ gefunden hat,

über den Antrag der Herren Abgg. Hitze und Genossen zur

Tagesordnung überzugehen.

Auch der Minister für Handel und Gewerbe Freiherr von Berlepsch griff wiederholt in die Debatte ein und führte aus, daß es sich hier eigentlich nicht um einen Normal⸗ , sondern nur um einen Maximalarbeits⸗ tag handele, und daß er in der Commissionsfassung war keine Verbesserung, aber schließlich auch keine Ver⸗ . der Regierungsvorlage erblicken könne. Wenn sein sollte, so

eine Untersuchung der Verhältnisse nothwendi sein, da das

würden neue Vernehmungen nicht erforderli Material bereits vorhanden sei.

Der Antrag Hitze auf Wiederherstellung der Regierungs⸗ vorlage wurde abgelehnt, die Commissionsfassung ange⸗ nommen. Die Resolution Hitze wurde durch die Annahme des Antrages Hammacher erledigt.

Der Rest des Gesetzes wurde ohne Debatte angenommen.

In zweiter Berathung wurde der Gesetzentwurf wegen Verlegung der Landes-Buß⸗ und Bettage ohne De⸗ batte angenommen. .

Bei Schluß des Blattes ging das Haus zu Wahl⸗ prüfungen über.

ö * ö

Die Commission des Hauses der Abgeordneten zur Vorberathung de s über das Diensteinkommen der Lehrer an den nichtstaatlichen öffentlichen höheren Lehranstalten besteht aus den Abgg. Dr. Kropatscheck, Vor—⸗ sitzender, Dr. Lieber, Stellvertreter des Vorsitzenden, von

ülow (Wandsbeck), Schriftführer, Cah ens ly, Schriftführer, Althaus, Bode, Eberhard, von Kölichen, Lamprecht, Freiherr von Lyncker, Dr. Arendt, Lückhoff Dr. Dürre, Schaffner, von Schencken⸗ dorff, Seyffardt (Magdeburg), Nadbyl, Theissing, Wenders, Lange und Dr. Meyer.

Entscheidungen des Reichsgerichts.

Die im 5 274 3. 1 des Str.⸗G.-Buchs unter Gefängnißftrafe estellte Unterdrückung einer Urkunde in der Absicht, einem ö Nachtheile zuzufügen, erfordert, nach einem Urtheil des Reichs⸗ erichts, II. Strafsenats, vom 29. Dezember 1891, keine Verheim⸗ 5! ung, sondern nur die unbefugte Ansichnahme und Zurück⸗ behaltung der Urkunde, auch wenn dies vor Zeugen geschehen ist. Als ein Nachtheil im Sinne des 5 A4 3. 1 des Str.⸗G.⸗B. ist schon die bloße Erschwerniß des Beweises durch die Unter⸗ drückung der Urkunde zu erachten.

Kunst und Wissenschaft.

Auf den neun preußischen Universitäten und der theologischen und philosophischen Akademie zu Münster sowie der Königlich bayeri⸗ schen Friedrich⸗Alexanders⸗Universität zu Erlangen und der Groß⸗ herzoglich hessischen Ludewigs⸗Universität zu Gießen werden während des gegenwärtigen Som mer⸗Semesters die nachstehenden Vor⸗ lesungen über deut sche und preußische Geschichte gehalten:

D Friedrich ⸗Wilhelms-Universität zu Berlin: All- gemeine Geschichte des Mittelalters, mit besonderer Rücksicht auf die

ermanischen und romanischen Völker, Professor Scheffer

Boich or st. Deutsche Geschichte bis zum Ende der Karolingerzeit, Dr. Ro den berg. Geschichte des deutschen Ordens. Dr. Schie⸗ mann. Deutsche Geschichte vom Interregnum bis zur Refor⸗ mation, Pr. Sternfeld. Geschichte des Zeitalters der Refor⸗ mation, Professor von Treitsch ke. Preußische Geschichte (bis 1871), nebst einem Ueberblick über die Brandenburgische Geschichte, Pro⸗ sfessor Naud é. Erhebung Europas gegen Napoleon (1807 bis 1815), Professor Lenz. Verfaffungsgeschichte der germanischen und romanischen Völker mit besonderer Berücksichtigung Deutschlands und Englands bis auf unsere Zeit, Professor Delbrück. Branden burgisch preußische Verfassungsgeschichte bis zur Zeit des Großen Kurfürften, Br. Liesegang. Geschichte der deutschen Städte bis auf die Stein'schen Reforrien, Professor Lenz. Historische Uebungen zur Geschichte des deutschen Ordens, Dr. Schiemann. Uebungen des historischen Seminars auf dem Gebiete der neueren deutschen Geschichte, Professor Naud é. Einführung in das Studium der preußischen Geschichte, in Verbindung mit Uebungen, Professor Nauds.

2 Albertus-Universität zu Königsberg: Altpreußische Kirchengeschichte, Professor Dr. Lohmeyer. Preußische Geschichte 1640 bis 1688, Professor Dr. Prutz. . JJ

3) Univerität zu Greifswald: Kritik deutscher Kaisersagen, Professor Bernheim. Geschichte der Befreiungskriege 1813 bis i815, Professor Bernheim. Deutsche Geschichte im Jahre 1866, Dr. Schmitt. Brandenburgisch⸗preußische Geschichte vom Regie⸗ rungsantritt des Großen Kurfürften bis zum Tode König Friedrich Wilhelm's L, Dr. Schmitt. . 4

9 Universitãt zu Breslau: Allgemeine Verfassungsgeschichte mit besonderer Berücksichtigung von Deutschland, Frankreich und England, Professor Dr. Kaufmann. Staats, und Verwaltungs- geschichte Breußens, Professor Dr. Caro. Geschichte der Reaction in Deutschland von 1849 bis 1859, Professor Dr. Kauf mann.—= Uebungen im historischen Semingr (Ouellen zur Geschichte Friedrich's des Großen), Professor Dr. Hüffer. . ͤ

5) Vereinigte Fziedrichs Mniversität Falke, Witten berg: Deutsche Verfassungsgeschichte ven den Anfängen bis zur Goldenen Bulle, Dr. Brode. Geschichte der Befreiungskriege 1813, 14, 15, Professor Dr. Ewald. lee Geschichte bis 1840, Professor Dr. Ewald. .

6) Christian⸗Albrechts⸗Universität zu Kiel: Geschichte Friedrich? des Großen, Dr. Un zer.

7 Georg⸗Augusts⸗Universitãt zu Göttingen: Das Zeitalter Kaiser Wilhelm's L. Professor Kluckhohn. .

s) Universitãt zu Marburg: Allgemeine Geschichte im Zeitalter der Gegenreformation und der Religionskriege Dr. Wenck. Geschichte der neuesten Zeit von 1815 bis 1850, Professor von der Ropp. Deutsche Heldensage, Dr. Kauffmann. =.

9) Rheinische Friedrich⸗Wilhelms⸗Universitãt zu Bonn: Geschichte der deutschen Kaiserzeit bis 1250, Professor Ritter. Aeltere deutsche Verfassungsgeschichte, Dr. Buchholz. Geschichte des preußischen Staats, Professor Koser. Diplo⸗ matik, insbesondere der deutschen Könige und Kaiser, Professor Menzel. Ausgewählte Fragen aus der Geschichte des dreißig⸗ jährigen Krieges, Professor Ritter. Untersuchung über die Capi— tularien der fränkischen Könige, Professor Menzel. Cursus deutscher Geschichtsquellen aus dem 10. und 11. Jahrhundert, Pro⸗ feffor Co s er. (

10 Preußische theologische und philosophische Aka⸗ demie zu Münster: Kaiserthum und Papstthum von den Ottonen bis zur Reformation, Professo Niehues. Preußische Geschichte,

rofefsor von Below. Geschichte des deutschen Bauernstandes, Professor von Be low. Papstthum und Kaiserthum von Friedrich II.

is zum Konstanzer Concil, Professor Fin ke.

1) Bayerische Friedrich⸗Alexanders⸗Universität zu Erlangen: Geschichte des 19. Jahrhunderts seit dem Wiener Con⸗ Reß (1815) von Bezold. Geschichte und Erklärung der deutschen Reichs verfassung, von Margquardfen.

12 Hessische Ludwigs-Universität zu Gießen: Das Zeitalter der Renaissance und der Reformation, Profeffor Br. Sncken. M SHistorische Uebungen an Suelsen der Geschichte Friedrich's des Großen, Presessor Dr. On cken. Geschichte des dentschen Städte⸗

wesens und Bürgerthums, Professor Br. Söhlbaum.

= Unter den neu hinzugekommenen Gegenständen der Rococo— Ausstel!ung in der Königlichen Kunst- A kadem ie nehmen die geschliffenen Gläfer ein besonderes Inkezesfe in An spruch. Die Sammlung von etwa dreißig gewählten . füllt die Fächer des schönen Bücherbordes in Schildxalt von Friedrich dem Großen, an der Dauptwand des ersten Saales. Die Herren Gräf von der Groeben, Carl Hollitscher, Geheimer Rath Schöller, A. Zwicker, Heese, Haupt mann Hoehne, Dr. Weinitz sind die Besitzer. Ein Pokal mit einer auf die Theilung Polens bezüglichen Darstellung, ein anderer mit dem Porträt von Friedrich? Banguier David Splittgerber (nach dem gleichfalls ausgestellten Gemälde), ein Hochzeits pokaf der Familie Heese sind unter den historischen Stücken die interessantesten.

Am 3. d. M. dem Geburtstage des Gründers de medizinischechirurgischen Friedrich Wi helm se e lkftu ne sand dort wie alljährlich zu Ehren des Gründers die Goercke— Feier statt. Der Subdirertor des Inftituts, General-Arzt Dr. Grasnick, entwarf ein ausführliches Lebensbild des bedeutenden Mannes, woraus wir nach einem Bericht der N. A. 3. Folgendes hervgrheben; Johann Goercke, am 3. Mai 1756 im Dorfe Sorquitten in 2stpreußen geboren, gründete 1795. die medizinisch⸗chirurgische Pepinigre von 1818 an Friedrich Wilhelms-Institut genannt = und rief das 1724 errichtete Collegium medico chirurgicum, das 1809 bei Gelegenbeit der Stiftung der Bersiner Universirät aufgeloͤst wurde, als medizinisch⸗chirurgische Akademie für das Militär 1811 wieder

ins Leben. 1797 wurde er General⸗Chirurgus der Armee. Goercke

starb am 30. Juni 1822 in Sanssouci und wurde beerdigt auf dem Kirchhof zu Bornstedt bei Potsdam. Die Festrede hielt der Stu⸗ dirende Hr. Waldeyer über die Knochennaht bei Schlũßelbeinbrũchen. Prämiirt wurden die Studirenden Dr. Waldeyer, tber und der

Unterarzt Dr. Maver. Mit einem Hoch auf Seine Majestät den

Kaiser endete die Feier.

Theater und Musik.

Kroll's Theater.

Der gestrige Abend brachte eine im Ganzen recht erfreuliche Auf⸗ fübrung von Nicolgi's Oper Die lustigen Weiber von Windsor‘. Frau Moran ⸗Olden gab die Rolle der Frau Fluth und überraschte durch eine stark ausgeprägte komische Kraft, die sich im Spiel und Gesang k machte; aber zu bedauern war, daß die Sängerin das in tragischen Rollen an ihr zu rühmende künstlerische Maß nicht überall inne hielt und zuweilen auch ihre Mitspieler zu Ue n nöthigte, die in den Rahmen der zier⸗ lichen und feinsinnigen Nicolai'schen Musik nicht hineinpassen. Im übrigen trug das Spiel der Frau Moran⸗Olden zwar den Charakter der Rolle, aber die volle Einsetzung der Kraft ihres mächtigen schönen Organs erschien den Absichten des Componisten nicht immer entsprechend. Herr Schwarz konnte als eiferfüchtiger Gatte seine wohllautenden Stimmmittel aufs beste entfalten und durch sein darstellerisches Geschick seine Partie zu glücklicher Gesammtwirkung erheben. Eine in jeder Beziehung ansprechende und voll befrie⸗ digende Leistung war wieder die des Fräulein Gadski als Jungfer Anna; was die Stimme an Größe zu wünschen läßt, ersetzt die Sängerin durch lieblichen Wohllaut und durch die Anmuth ihres Bühnennaturells. Herr Pauli sang die Partie des Fenton sehr gefällig, sauber und klangschön, es wäre nur dem Spiel mehr Lebendig⸗ keit und Frische, auch dem Gesichtsausdruck mehr Beweglichkeit zu wũnschen. Herr Großer gab den Fallstaff nach dem Ausmaß seines Organs sehr geschickt, aber im Wesen nicht urwüchsig genug. Fräulein Beu er konnte als Frau Reich neben Frau Moran-Olden wohl befriedigen, wie auch die übrigen Sangeskräfte zu dem Gelingen des Ganzen fördersam beitrugen. Besondere Anerkennung verdient immer aufs ie das unter Leitung des Herrn Kapellmeisters Gille stehende DOrchester.

In der Sonnabendvorstellung Freund Fritz im Königlichen Opernhause sind die Damen Plerson, Rothauser und Lammert, die Herren Sylva, Betz, Philipp und Krasa beschäftigt. Der Over folgt das Ballet Die Puppenfee'. Am Sonntag geht die Oper Boabdil! mit den Damen Hiedler und Staudigl, den Herren Roth⸗ mühl, Fränkel, Mödlinger, Stammer und Schmidt in Scene. Die Wet erholung der Nibelungen⸗Tetralogie wird am 9. (. Rheingold‘), am 10. (. Walküre), am 13. (. Siegfried) und am 16. Mai (. Gõtterdãmmerung!) stattfinden.

Das Königliche Schauspielhaus beabsichtigt in nächster Zeit eine der erfolgreichsten Dichtungen Paul Heyse s „Die Weisheit Salomo's wieder dem Spielplan einzureihen. Das Werk, das in einem Jahre achtundzwanzig Vorstellungen erlebte, verschwand wegen der Erkrankung des Fräulein Schwartz von der Bühne. Die Rolle der Balkis ist nun in den Besitz des Fräulein Derr übergegangen.

Das dreiactige Sittenbild von Albin Valabrègue Eine Frau“, das im Lessing⸗Theater am Sonnabend zur ersten Darstellung gelangt, hat in Paris im vorigen Jahre im Vaudeville⸗Theater seine erste Aufführung erlebt. Die Hauptrollen werden von Jenny Groß und Marie Reisenhofer, Theodor Brandt, Georg Molenar, Franz Schönfeld und Carl Waldow zur Darstellung gebracht worden. Den Schluß des Abends macht Labiche's Schwank 29 Grad im Schatten“, der in Berlin noch unbekannt ist.

Der Vorverkauf für die ersten Vorstellungen von Lola“ hat an der Kasse des Residenz⸗-Theaters bereits begonnen.

Frau Moran -Olden singt morgen im Krollę'schen Theater die Gräfin in Figaro's Hochzeit und Herr Franz Schwarz den Grafen. Am Sonnabend verabschiedet sich Fräulein Nikita von Berlin als Amina“ in Bellini's Nachtwandlerin'. Für die Auf⸗ führung von Rubinstein's Oper Die Maccabäer' hat die Direction, um die Oper ganz im Geiste des Componisten einzustudiren, den be⸗ kannten Ober⸗Regisseur Hock gewonnen, der die erste Aufführung der Oper in Hamburg leitete und von Rubinstein für die tadellose Aus⸗ führung seiner Intentionen besondere Anerkennung gefunden hat.

Der Opernführer, von W. Lackow ick. Verlagsanstalt Urania, Gnadenfeld u. Co. Berlin, Enckeplatz 1. Pr. eleg. gebunden 2 S Dieses soeben erschienene, dem General⸗Intendanten der Königlichen Schauspiele Grafen Bolko von Hochberg gewidmete Buch kommt einem unleugbaren Bedürfniß entgegen. Es giebt von allen bekannteren, selbst von den neuesten Opern (j. B. Cavalleria rusti- Cana und „Freund Fritz), aber auch von älteren Opern, deren Wiedererscheinen auf dem Repertoire nicht ausgeschlossen ist, eine kurz gefaßte Inhaltsangabe und orientirt in sachlicher und zweckmäßiger Weise denjenigen, der eine Oper kennen lernen will. Im ganzen sind in dieser Weise 135 Opern behandelt. Wenn das Buch den Nebentitel führt: Textbuch der Textbücher“, so ist das nicht ganz correct, es führt auch über den eigentlichen Zweck irre. Denn das Buch will und kann nicht das Textbuch ersetzen; der Bedarf eines solchen wird namentlich in hervorragend musikalischen Kreisen, wo man auf die gesungene Rede besonderen Werth legt, der⸗ selbe bleiben; wer freilich auf den Tert weniger Gewicht legt, wird seine volle Rechnung in dem ‚Opernführer“ finden. Aber auch der⸗ jenige, der im Besitz eines Textbuchs ist, wird sich guten Rath über Gang und Verlauf der Oper aus dem „Opern⸗ führer umsomehr erholen können, als es heutzutage bei der Dunkelheit, die während einer Oper herrscht, ziemlich schwer hält, während der Verstellung das Textbuch zu be⸗ nutzen, und als die Textbücher allein oft über den Gang und Verlauf der Handlung nicht hinreichend orientiren. Die Textbücher werden ihre Dienste am besten nach der Vorstellung oder bei tieferem Ein⸗ dringen in die Einzelheiten der Oper thun, während der Opern⸗ führer! zweckmäßig vor der Vorstellung zu Rathe gezogen wird. Dabei sind in dem Führer genaue Angaben der hervorragenden Gesangsnummern, ein Personenverzeichniß bei jedem Werke, Bezeichnung der verschiedenen Stimmencharaktere, Ort und Datum der ersten Aufführungen sowie biographische Mittheilungen über die Componisten enthalten. Das Buch bedarf weiter keiner Empfehlung; es wird sich von selbst Bahn brechen.

Mannigfaltiges.

Seine Majestät der Kaiser hat, wie die ‚Tägl. Rdsch.“ er⸗ fährt, am Sarge des verstorbenen General⸗Konsuls, Wirklichen Geheimen Legations Raths Freiherrn von Rechenberg einen pracht⸗ vollen Kranz mit Atlasschleife, die den Namenszug des Kaisers und die Kaiserkrone in Gold trägt, niederlegen lassen.

Im Landes hause der Provinz Brandenburg, Matthäikirch⸗ straße 2021, fand am 28. April die Generalversammlung des Evangelischen Kirchenbau⸗Vereins für Berlin statt. Nach⸗ dem der Vorsitzende des Vorstandes, Minister des Königlichen 6 von Wedell dem Andenken der verstorbenen Mitglieder, Geheimer Commerzien⸗Raths Schwartzkopff und Consistorial⸗Präsidenten a. D. Hegel, einige Worte gewidmet hatte und die statutenmäßig aus—⸗ scheidenden Mit) sicter des Vorstandes durch Zuruf wiedergewählt wor⸗ den waren erstattete der Geheime Commerzien⸗Rath Frentzel den Kassen⸗ bericht. Danach betragen die Mittel des Vereins mit Cinschluß der für die begonnenen Bauten verausgabten Gelder gegen 14 Millionen Mark. Der Kassencommission wurde Decharge ere und dann der Jahresbericht von dem Ober⸗Hofmeister Ihrer Majestät der Kaiserin und Königin Freiherrn von Mirbach erstattet. Der Redner konnte mit Genugthuung feststellen, daß die vor zwei Jahren bei der Begrün⸗ dung des Kirchenbau⸗Vereins ausgesprochenen Hoffnungen über Er⸗

wartung in Erfũll angen seien, indem er in neun thãti r , , n , g,, . 5. Dispositiongfonds Seiner Majestãt - des Kaisers, Gemeinden, reis Synoden, Stadt u. s. w. mit fast vier Millionen, wie die nachftehende sammenstell ergiebt, gefolgt ist: 1) Die Jrmmanuel-⸗Kirche in Bartholomãus, fũr Ihrer 3 der Kaiserin von der St. Georgen Gemeinde 259 009 M überreicht wurden, kostet etwa 350 000 9 Die von den Familien Bötzow und Dirksen geschenkten ö. haben einen Werth von über 00 900 ƽ 2) In . offt der Verein vom Magistrat einen Bauplatz zu erhalten im he von 159 0090 1 Ven Seiner Majestãt dem Kaiser und den vereinigten Kreis⸗Synoden sowie von der Subcommission des Vereins sind dazu je 80 00 bis 90 000 , im ganzen etwa 269 0900 M bestimmt. 3) In Heer konnte der Verein durch eine große Gabe des Schloßfreiheits⸗ Comités an Ihre Majestät die Kaiserin und weitere Sammlungen 100 007 6 für die Samariter⸗Kirche geben. Von den Vereinigten Kreis⸗Synoden, der Stadt und Sammlungen während des Baues werden etwa 209 0090 6 erhofft. Den 56. im Werthe von über 50 000 M schenkte die Actiengesellschaft Berliner Neustadt. ) In Colonie Reinickendorf schenkte Rentier Dechel den Plaz für die Segenskirchg und das Pfarrhaus, die Gemeinde Rosenthal 10000 M und Seine Majestät der Kaiser S0 000 M, während der Rest von 50 000 M von der Subcom missien unter der Leitung des Präsidenten Weymann gesammelt worden ist, sodaß im ganzen über 200 009 M aufgebracht wurden. 5) Für die Kirche zum guten Hirten in Friedenau und für das Pfarrhaus sind Plätze geschenkt worden. Dem Majestãt der Kaiser bewilligte 860 000 M Der Rest von etwa 250 000 4 wurde durch eine Gabe der Muttergemeinde Wilmersdorf und große Spenden der Mit⸗ glieder des dortigen Kirchbau⸗ Vereins zusammengebracht. Gesammtwerth ungefähr 409 000 ½ 6) In Schöneberg sind unter der Leitung des Superintendenten Vorberg und des Landraths Stubenrauch bedeutende Mittel durch den Gemeinde⸗ Kirchenrath und die Gemeinde zum Bau einer großen Kirche und ein Platz überwiesen. Der Staat ist nur mit einem Patronatsbeitrag von 50 000 6 betheiligt. Werth einschließlich Platz 700 9000 60 D In der Elisabethgemeinde entsteht mit Hilfe Seiner Majestät des Kaisers und der Vereinigten Kreis⸗Synoden bereits eine zweite neue Kirche. Werth des Platzes und eines angekauften Hauses über 350 0090 C 8) Die ü

Verhandlungen über den Ankauf der Christus-Kirche sind durch das Entgegenkommen der Dreifaltigkeits⸗ Gemeinde und die Zusage der Vereinigten Kreis⸗Synoden zum Ab⸗ schluß gebracht. Der Verein hat zur Bezahlung 200 000 6 vor⸗ eschossen. Gesammtwerth über 350 000 6. Aus dieser Zusammen⸗ tellung ergiebt sich im ganzen die Summe von 3 400 000 Æ Dazu kommt noch die Kaiser Wilhelm⸗Gedächtnißkirche, wo die schwierige Platzfrage durch die persönliche Fürsorge Seiner Majestät des Kaisers in günstigfter Weise gelöfst worden ist. Der Platz mit der ausge⸗ führten Arbeit repräsentirt einen Werth von über eine halbe Million. Der Bau der Kirche ist in würdigster Ausführung auf etwa L609 000 , die innere Ausstattung auf 200 000 S veranschlagt. Vorhanden ist, wie schon einmal an dieser Stelle erwähnt, ungefähr 1 Million, es fehlen also noch 800 000 S9 Wenn nicht bedeutende Einschränkungen in der Ausführung des Baues eintreten sollen, muß die Aufbringung dieser Summe spätestens bis zum Anfang des nächsten Jahres sichergestellt sein. Die Kirche soll nicht überladen und ver⸗ schwenderisch gebaut werden, aber sie soll außen und innen den Stempel erhabener Würde tragen und ein Zeugniß ablegen, daß sie ein Denkmal tieffter Treue und Dankbarkeit ist. Der Bau wird noch drei Jahre dauern. Mit Ausschluß einiger unbedeutenden Collecten, die nur einige Tausend Mark ergeben haben, sind an den Gaben betheiligt: in Berlin und Charlottenburg noch nicht 500 Personen, in sämmtlichen Provinzen noch nicht 600 Personen, aus dem ganzen Deutschen Reiche nur: Hamburg, Bremen, Leipzig, Lübeck mit einigen zwanzig Personen und etwa 26 000 6, die Gaben der Deutschen im Auslande betragen ungefähr 60 009 * Bis jetzt sind also gegen 1009 Persohnen im ganzen betheiligt. Das ist ein Beweis, daß die Kräfte in Berlin und in den Provinzen bisher noch nicht sehr in Anspruch genommen worden sind, und läßt das Beste von der Zukunft hoffen.

Außer den neun genannten Kirchen sind noch sechzehn in und um Berlin, meist unter dem Protectorat Ihrer Majestät der Kaiserin im Entstehen, sodaß in der Zeit von vier Jahren Staunenswerthes er⸗ reicht worden ist. Die Summe von fast 15 Millionen stellt dar, was in dieser kurzen Zeit in Berlin für Kirchenbauten geleistet ist. Dabei ist der Staat mit noch nicht 2 Millionen betheiligt, das andere ift von den evangelischen Gemeinden, den evangelischen Mitbürgern, den Kirchensteuern u. s. w. gegeben. Die früher berechtigten Vorwürfe der Provinzen, daß die Evangelischen Berlins besser für die Kirche sorgen sollten, treffen nicht mehr zu. Es ist ein würdiges Beispiel, das die Berliner Evangelischen geben dadurch, daß sie für die großen armen, aus den Provinzen in die Hauptstadt strömenden Massen solche Opfer bringen. Selbst bei der Kaiser Wilhelm⸗Gedächtniß⸗ kirche, bei der, als einem Denkmal für den geliebten Herrscher, Gaben aller Deutschen ohne Unterschied des Glaubens angenommen werden sollen, haben sich bis jetzt nur einige 30 Nichtevangelische mit 20 000 bis 25 000 ½ betheiligt.

In drei Jahren werden in Berlin 24 neue Kirchen fertig sein. Das genügt aber nicht für das Bedürfniß. Schon jetzt müßten min⸗ destens 20 Kirchen mehr gebaut werden und außerdem erfordern die in einem Jahre zuziehenden 40 909 bis 50 000 Protestanten jährlich noch weitere drei Kirchen. Die Aufgabe ist groß und schwierig, aber sie ist zu lösen. Vor allem sind es die Vereinigten Kreis⸗Synoden, denen durch das Anleiherecht Gelegenheit gegeben ist, schnell und ent⸗ scheidend helfend in die kirchlichen Verhältnisse einzutreten. Da dem berechtigten Wunsche, deß eine Stadt wie Berlin eine Anzahl schöner Kirchen besitzen müsse, besonders wenn für den würdigen Ausbau der

„Kaiser Wilhelm⸗Kirche gesorgt ist, vorläufig genügt sein wird und die

Mittel in der Zukunft voraussichtlich nicht so reichlich weiter fließen werden wie bisher. so müssen von jetzt ab billige Kirchen gebaut werden. Zur Beseitigung der Unsicherheit und Unerfahränheit in Kirchenbauangelegenheiten empfiehlt der Vortragende das Studium eines zu diesem Zweck vor einigen Monaten von dem Gerichts⸗ Assessor Weizsäcker zusammengestellten Büchleins.

Die Frage, ob die Entwickelung des Vereins andere Bestrebungen zurückgedrängt oder eingeengt habe, glaubt der Vortragende bestimmt verneinen zu können. Die Berliner Stadtmission hat durch die ge⸗ waltigen Opfer für Kirchbauten nicht den geringsten Abbruch erlitten. Ihr Budget beträgt jährlich 150 000 6 Der Evangelische ö Hilfsverein, der Gründer dieses Vereins, verwendet für kirchli Zwecke hier und im Lande jährlich 170 0090 einschließlich 50 000 für die Stadtmission. Sein Zweigverein Berlin hat im vorigen Jahre acht Diakonissenstationen zur unentgeltlichen Armenkrankenpflege be⸗ gründet, die bald vermehrt werden und für die sich in diesen Tagen unter dem Protectorat Ihrer Majestät der Kaiserin ein großer Frauenverein durch alle Gemeinden hindurch gebildet hat. Die Kosten etragen jährlich 50 099 bis 60 0900 S6. Das erste in Berlin er⸗ öffnete Gemeindehaus ist vor wenigen Wochen in St. Petri ein⸗ geweiht worden.

Von dem Königlichen Eisenbahn⸗Betriebsamt (Stadt- und Ring⸗ bahn) Berlin wurde das Geographische Institut und Landkarten⸗Ver⸗ lag, Jul. Straube, Berlin 8W., Gitschinerstraße 109, wiederum mit der Neubearbeitung und dem Vertrieb des n,, Plans der Berliner Stadt- und Ringbahn betraut. Die neue Ausgabe von 1892 liegt jetzt fertig vor, der Preis beträgt 2 . Wesentliche Aenderungen durch neue Bahnhöfe und Verkehrslinien, sowie durch die sehr bedeutende Zunahme neuer und bebauter Straßenzüge seit der letzten Auflage (1856) machten eine Neuausgabe dieser Karte zur Nothwendigkeit. . umfaßt ganz Berlin mit der Stadtbahn und die vollständige Ringbahn mit den Vororten; das Eisenbahnnetz mit den Bahnhöfen in und um Berlin tritt durch lebhaften Farbendruck (blau und roth) sehr deutlich her⸗ vor, während der Untergrund des Planes, Straßen, bebaute Flächen, Wasserlãufe und Parkanlagen in helleren Farbentsõnen zur Darstellung