Abg. Dr. Lieber (Cent.): Sei die Auffassung des Vorredners über die Bedeutung der von der Commission vorges — Reso⸗ lution richtig, so müßten die in der Minderheit gebliebenen Com⸗ missions mitglieder hier ihre Resolution wieder . er selbst aber schließe sich jetzt der von der Commissionsmehrheit vorge⸗ schlagenen Resolution an, weil damit eben der erste ; 6862
ehr
werden solle auf einer längeren Bahn. Die von der
Commission abgelehnte enn, enthalte eine wesentliche Um⸗ ãnderung des bestebenden K ewiß sei 1. ie in vollem
sol nöthig, aber er wisse nicht, ob assen. Das õthigste sei
Umfange jetzt werde durchführen eine rennung der Finanzen der Eisenbahwerwaltung von lehre gerade
denen der allgemeinen Staateverwaltung, das die jetzige Zeit; denn wenn die MNeberschüsse aus der Eisen⸗ bahnderwaltung in demselben Maß abnähmen, wie es jetzt geschehe, so werde jeder im Hause einsehen, daß es nicht laͤnger angehe, feste Ausgaben mit sehr schwankenden Einnahmen zu verknüpfen. Er 16 ja dem Vorredner anheim, den in der Cemmission abgelehnten Antrag wieder aufzunehmen, er selbst aber unterstũtze den Commissions⸗ antrag, den ersten Schritt bei der Neuregelung der Frage, welche Neuanschaffungen in der Eisenbahnverwaltung aus laufenden Mitteln, die aus Anleihen zu decken seien, bei den Bahnhofsbauten zu thun. Uebrigens sei dabei zu bedenken, daß ohne Störung des Betriebes oder der Sicherheit gerade bei Bahnhofsbauten manche Ersparniß eintreten kõnne.
Finanz ⸗Minister Dr. Miquel:
Meine Herren! Ich habe schon früher ganz offen ausgesprochen, daß die Meinung, die ich schon als Abgeordneter hatte, ich auch heute noch als Mitglied der Regierung festhalte, daß das Eisenbahngarantie⸗ gesetz vom Jahre 1882 diejenigen finanziellen Garantien für die all⸗ gemeine Staatsverwaltung und die allgemeinen Staatsfinanzen nicht geschaffen hat in vollem Maße, welche nothwendig waren bei Ueber⸗ nahme einer so kolossalen Betriebsverwaltung und zur Bekämpfung der daraus für die allgemeinen Staatsfinanzen sich ergebenden großen Risiken. Ich kann auch nicht bestreiten, daß die Erfahrungen, die wir namentlich in den letzten beiden Jahren gemacht haben, den Kritiken verschiedener Redner in Betreff der bisher stattgefundenen Ver⸗ theilung der Ausgaben auf die etatsmäßigen Mittel und auf An⸗ leihen in vielen Beziehungen Recht geben. Aber ich glaube, es hat gar keinen Werth, in dieser Beziehung eine retrospective Kritik zu üben. Man muß ja doch auch zugeben, daß sowohl die Staats⸗ regierung wie der Landtag einen in vielen Beziehungen unbekannten neuen Wesen gegenüberstand. Die Fragen: was gehört auf die eigenen Einnahmen einer Verwaltung? was kann durch Anleihen aufgebracht werden? was muß den Betriebsergebnissen entnommen werden? sind an und für sich in vielen Grenzpunkten discretionäre; sie hängen ab namentlich auch von den Anschauungen, die der Einzelne sich zmacht über die zukünftige Entwickelung einer großen Betriebsverwaltung in Betreff des Verhältnisses von Einnahmen und Ausgaben. Es ist daher natürlich, daß da in den ersten 10 Jahren nach der Verstaat⸗ lichung des Eisenbahnwesens vielleicht hier und da fehlgegriffen ist, und es ist richtig, daß wir von diesen Erfahrungen nunmehr den be⸗ treffenden Nutzen ziehen und die betreffenden Consequenzen ins Leben führen sollen. Insofern bin ich mit der Tendenz, die alle die ver⸗ schiedenen Anträge gleichmäßig verfolgen, durchaus einverstanden. Aber leider muß ich das auch in vollem Maße unterschreiben, was ver⸗ schiedene Redner betont haben, was namentlich von den Herren Abgg. Schmieding und Dr. Lieber herworgehoben ist, daß es leichter ist, hier die Konsequenzen theoretisch zu erkennen, als in der gegen⸗ wärtigen bedrängten Finanzlage sie unmittelbar ins Leben zu führen.
Wenn ich wählen soll te zwischen diesen verschiedenen Antrãgen, so müßte ich sagen, daß der Antrag?, wie er auf Seite 11 sich befindet, meiner Auffaffung eigentlich am meisten entspräche. Ich glaube, was gegen den Antrag der Bud getcommission von verschiedenen Rednern vorgebracht ist, ist doch nicht unbegründet. Auf der einen Seite giebt der Antrag allerdings zu viel, weil er unbedingt bindet in einer Finanzlage, wo man eine solche unbedingte Bindung nicht vertragen kann, sie vielleicht auch geradezu unzweckmäßig ist in einzelnen Jahren. Auf der anderen Seite bietet der Antrag aber zu wenig, weil es sich keineswegs um diese Erneuerungsbauten allein handelt, sondern auch um eine Reihe anderer Ausgaben, von denen man mindestens mit dem— selben Recht sagen kann: sie gehören in den Etat, sie müssen durch Gtatsmittel gedeckt und dürfen nicht aus der Anleihe beschafft werden.
Wenn es dem Hause erwünscht und nothwendig scheint — solange mein Herr College, der Herr Minister für öffentliche Arbeiten, und ich an dieser Stelle stehen, halte ich es nicht für nothwendig; denn wir theilen beide gemeinsam die Anschauung, die hier in dieser Be⸗ ziehung geltend gemacht ist — seinerseits durch einen besonderen Beschluß zu betonen, daß in stärkerem Maße, soweit als irgendwie möglich, auch bei der gegenwärtigen Finanzlage die Ausgaben der Eisenbahnen durch ihre eigenen Mittel gedeckt werden müssen, so ist ein solcher allgemeiner Ausspruch nach meiner Meinung vollständig genügend und auch im ganzen richtiger bei der ganzen Situation, als einen einzelnen Punkt herauszugreifen. Würde man das dennoch be⸗ schließen, so würde allerdings die Staatsregierung diesen Beschluß nur in dem Sinne auffassen können, daß hier nur an e iner Stelle ein Anfang gemacht werden, und daß man bestrebt sein soll, wenigstens an dieser einen Stelle das Richtige zu thun.
Nun hat Herr Dr. Lieber aber den Wunsch ausgesprochen, es möge überhaupt demnächst eine feste Grenzscheide zwischen der Eisen⸗ bahnverwaltung und der allgemeinen Finanzverwaltung hergestellt werden. Ueber diese Frage läßt sich ja sprechen. Es kommt aber vor allem auf die Modalitãten an. Wenn dies Bestreben etwa dahin führen soll, die Eisenbahn verwaltung gewissermaßen ganz oder doch zu erheblichem Theile der allgemeinen Finanzeontrole zu entziehen, so würde ich einen solchen Gedanken entschieden abweisen. Es kõnnte sehr wohl dahin führen, daß wir eine Art von Staat im Staate hätten, und daß die Eisenbahnen nun ihrerseits in guten Jahren auch große Verwendungen zu machen geneigt wären, wozu ja in einer technischen Verwaltung immer die Gefahr viel größer ist, als in jeder anderen Verwaltung, ohne daß man den Mitgliedern der Verwaltung dabei einen geringsten Vorwurf machen kann. Eine solche Schei⸗ dung, daß also eine andere Stellung der Eisenbahnverwaltung zur allgemeinen Finanzcontrole, wie sie alle anderen Staats verwal⸗ tungen unterliegen, eingeführt würde, würde ich für im böchsten Grade gefährlich und für die allgemeinen Staatsfinanzen für völlig un⸗ annehmbar halten.
Dagegen läßt sich ja schon wohl denken, daß man in Zukunft dahin kommt — was bereits vor der Verstaatlichung der Eisenbahnen und während der Maßregeln, die damals getroffen wurden, vorgeschlagen wurde — gewisse Maximalertrãgnisse der Eisenbahnen zu sixiren, bis zu welcher Grenze hin diese Einnahmen der Eisenbahn für ihre eigenen
Zwecke verbleiben und über welche hinaus nicht jedesmal die ganzen ueberschüsse der allgemeinen Finanzverwaltung zuzuführen gestattet sein würde. Das ist ein Gedanke, der sich wohl hören läßt. Im Jahre 1880 war vorgeschlagen, jedes Jahr einen bestimmten Procent⸗ satz der Brutto⸗Einnahme zurüũckzustellen für die besonderen Eisenbahn⸗ zwecke, zur Deckung extraordinãrer Ausgaben, zur Uebertragung von Minderũberschũssen in schlechteren Jahren und dadurch zu einer gleich= mäßigen Einwirkung der Eisenbahnverwaltung auf die allgemeine Staate verwaltung zu kommen — ein solcher Gedanke läßt sich ja erwãgen, wũrde aber gegenwartig auch praktisch keine unmittelbare Wirkung haben.
Die gegenwärtige Situation ist diese: unsere Staatsausgaben stehen fest, und alle Versuche, sie wesentlich herabzudrücken, werden scheitern. Ich habe oft genug aufgefordert, mir bestimmte Punkte anzuzeigen, wo erhebliche Verminderungen der Ausgaben möglich sind. Ich habe darauf entweder gar keine oder sehr geringe, nur an einzelne Forderungen, worüber ja verschiedene Meinungen sein können, sich an⸗ knũpfende Antworten bekommen. So viel ist gewiß: wenn in einem einzelnen Jahre die Eisenbahnverwaltung Minderertrãge von 50 Millionen haben kann, so können sie durch entsprechende Ver⸗ minderung der allgemeinen Staatsausgaben nicht gedeckt werden, darüber ist gar kein Zweifel; durch Steuern sie zu decken würde das Haus ebenso wenig geneigt sein, und wir haben uns ja sogar entschließen müssen, weil auf eine andere Art eine Steuerreform, d. h. das Streben nach einer gerechteren Vertheilung der Staatslasten in Staat und Commune, nicht durchzusetzen war, die gesammten Mehrertrãgnisse aus dieser Reform wiederum zur Erleichterung gesetzlich festzulegen.
Wenn Sie nun hier eingreifende Beschlũsse in Betreff einer anderen Vertheilung der Ausgaben der Eisenbahnverwaltung, je nachdem sie zu decken sind, durch die eigenen Einnahmen der Eisenbahnen oder sonstige etatsmäßige Mittel oder durch Anleihen plötzlich einführen wollten, — was würde in der nächsten Zeit der einzige Erfolg sein? Sie würden die Wahl treffen zwischen der Deckung des Deficits in der Rechnung durch Anleihen und zwischen der Ergänzung des Etats auch durch Anleihen. Das ist thatsächlich der Erfolg, wie unsere heutige Finanzlage beschaffen ist, derjenigen Anträge, die hier vorliegen, wenn sie rücksichtslos sofort zur vollen Durchführung ge— langen würden.
Nun glaube ich, daß es doch nicht richtig ist, diese eben berührte Frage, ob es sich zur Zeit, wo die Einnahmen und Ausgaben sich nicht decken, zutreffender ist, auf die Rechnung als auf den Etat zu verweifen, generell und bindend zu entscheiden. Mit größerer Spar- samkeit bin ich vollkommen einverstanden; soweit es irgend möglich ist, müssen die Ausgaben überhaupt beschränkt werden, und das ist zur Zeit wichtiger als uns zu streiten über die Art der Ver— rechnung. Wenn die Ausgaben mal da sind und nicht mehr zurückgewiesen werden können, wenn die Einnahmen nicht da sind, die Ausgaben voll zu decken, dann wird diese ganze Frage für diese Zeit eine Frage der Verrechnung beziehuugsweise der Etatisirung, und ich glaube daher, in diesem Augenblick ist die ganze Sache nicht von dieser großen praktischen Bedeutung, wie die Herren Antragsteller und die Herren von der Budgetcommission glauben. (Abg. Rickert: Sehr richtig) Sie können darüber vollkommen beruhigt sein, die Staats— regierung stebt im großen Ganzen auf denselben Anschauungen, wie die Herren sie vertreten haben. Wir werden diesen Anschauungen nach Möglichkeit gerecht werden, aber wir sind ebenso wenig wie Sie selbst in der Lage, Mittel anzugeben, um diesen Anschauungen auch in der Praris in der nächsten Zeit in vollem Maße Rechnung zu tragen.
Meine Herren, ich würde daher bitten, keinen von diesen Anträgen anzunehmen; wollen Sie doch einen Antrag annehmen, so wäre mir der abgelehnte Antrag Nr. 2 eigentlich der liebste. Aber wenn Sie dennoch den Antrag Nr. 1 annehmen, den Antrag, welchen die Com— mission angenommen hat, so werde ich ihn in dem Sinne interpretiren, wie ihn auch der Herr Berichterstatter in seiner sachkundigen und gründlichen Ausführung ausgelegt hat, d. h. dahin, daß es nicht die Absicht der Budgetcommission ist, diese ganze Frage auf diesen einen Punkt einzuschrãnken, sondern diesen einen Punkt als den ersten An— fang für eine andere Art der Etatisirung zu bezeichnen.
Inzwischen ist von den Abgg. Dr. Lieber und Schmie⸗ ding folgender Antrag eingegangen:
Die Staatsregierung aufzufordern, darauf Bedacht zu nehmen, daß thunlichst bald die Kosten für Anlage zweiter und weiterer Geleise, für Um- und Erneuerungsbauten von Bahnhöfen und für Vermehrung ven Betriebsmitteln für die bereits bestehenden Bahnen in dem Staatshaushaltsplan ausgebracht und demgemãß die Mittel zur Befriedigung dieser Bedürfnisse schrittweise aus den Betriebseinnahmen der Staatseisenbahnen beschafft werden“
Abg. Graf zu Lim burg⸗Stirum (cons.): Der größte Theil aller unserer Einnahmen sei ihrer Natur nach schwankend, am meisten schwankend die aus den indirecten Steuern, am wenigsten die aus directen. Ganz beseitigen lasse sich das nicht. Nun seien alle diejenigen Schritte, die man unternehme, um diefe Mißstände bei der Eisenbahnverwaltung zu beseitigen, deshalb so bedeutsam, weil es sich hier um ganz ungeheure Summen handele. Man könne sich wobl über den Grundsatz einigen: die laufenden Einnahmen müßten, je nachdem es gehe, bis ju einem gewissen Betrage zu der Deckung bestimmter Ausgaben herangezogen werden, wenn es sich um Erweiterung des Geschãftes handele. Das bedürfe aber der Prüfung in den einzelnen Fällen. Er wolle ein klares Bild dessen, was eigentliche Ein⸗ nahmen der EFisenbahnverwaltung seien. Durch eine folche Verstäͤn— digung finde sowohl eine Regultrung dieses Haufes als der Regie⸗ rung statt. Es werde immer zur Sparsamkeit gerathen, aber wenn der Etat komme, gehe eine Hochfluth von Forderungen an die Regierung heran, entweder auf Einnahmen zu verzichten oder neue Ausgaben in den Etat einzustellen. Deshalb sei zu wünschen, daß die heutige Debatte nicht ohne Eindruck auf das Haus bleibe. Sb der Antrag Lieber oder der Antrag der Commission angenommen werde, sei ziem⸗ lich gleichgültig; denn in beiden Fällen werde die Regierung nach dem Grundsaß verfahren mũssen: Ntra posse nemo obligatur. Die Aus⸗ gaben bei den Eisenbahnen seien ganz enorm geftiegen, die Einnahmen wollten nicht steigen, weil die Tarife nicht erhoht wurden. Bei den Personen⸗ tarifen gebe das Publikum der Eisenbahn nicht das Aequivalent dafũr, was die Verwaltung aufwenden müsse. Es fei für jemand, der reise, ein sehr großer Unterschied, ob er in einem Eilzuge fahre oder in wen le, der sehr oft halte und langsam fahre, fowohl was Zeitersparniß als was Annehmlichkeit anbetreffe. her kõnne man für Schnell jüge ganz gut erhebliche Zuschläge fordern, diese Ausgabe werde das Publikum leichter tragen, als neue Steuern. Saß die n, , , . mit Ausnahme der Thüringer Babn, ich sehr gegen die Einrichtung von Secundärbahnlinien gestrãubt hätten, sei bekannt. Der weite Ausbau des Secundärbahnnetzes fei nur möglich durch die Verstaatlichung gewefen.
Abg. Pr. Sattler (nl): Eine Gthöhung der Tarife scheine ibm nach den Erfahrungen in den siebziger Jahren nicht geeignet zu sein. Mit dem Vorredner stimme er daruber äberein, daß eine gesetzliche Festlegung für die Regierung und das Haus sehr erwünscht sei.
Eine erhöhte Bedeutung werde dies haben, wenn dag Saus
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Linie stimmen; s fũr Ob die gedeckt werden sollten, Wenn . ũ e, 3
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le l (freicons): Seine Meinung sei, daß man die Aus.
ö amortisire, und zwar in guten Jahren ziemlich stark. an müsse dahin streben, daß alle diejenigen Ausgaben, di für Vewwollständigung und Erweiterung der . und für Ver. mehrung der Betriebsmittel gemacht würden, die doch we sentlich die höheren Einnahmen bedingten, möglichst gleich auf den Eta übernommen würden. Er stehe auf dem Standpunkt, daß ziemlich gleichgültig sei, welche von den Resolutionen angenommen werde, denn eine Resglution werde bei der gegenwärtigen Finan r keinen erheblichen Eindruck machen. Das Haus müfse sich sestst sstteben, möglichst sparsam zu sein. Er werde für die Refolutien stimmen, die zuerst zur Abstimmung komme.
Abg. Rickert (ofr): Die letzte Aeußerung biete einen Beweis dafür, was für einen Werth die Resolutionen überhaupt Hätten Man könne ja dann auch an den Knöpfen abzählen, welche man. an nehmen wolle. Das heiße doch Scherz treiben mit der Autorin dieses Hauses; er glaube, dies habe doch ernsthaftere Aufgaben R lösen. Er werde für keine Resolution stimmen, weil diefe doch keine Bedeutung hätten, namentlich nach der Interpretation, welche die Resolutionen hier erfahren hatten. Hier entscheide die Praxis: daz Anleihegesetz und der Etat müßten vorgenommen und den Ministem das Concept corrigirt werden. Ohne eine guotisirte Steuer werde man aber zu einer einschnei⸗ denden Aenderung der Praxis nicht kommen. Gegenüber den Than. sachen werde eine solche windige Resolution nicht viel helfen. Cr bitte also, davon Abstand zu nehmen, eine Resolution anzunehmen. Das Haus möge zufrieden sein mit der Aussprache und der dankenz? werthen Anregung, die es jetzt gebabt habe. Der Abg. Graf 6 Limburg Stirum habe wieder ein Loblied auf die Verstaatlichung gesungen. Dem könne er nur erwidern: woher wisse er denn, wie geworden sein würde, wenn wir keine Verstaatlichung gehabt hätten? Manche theure Secundärbahn würde vielleicht nicht gebant worden sein. Der Finanz ⸗Minister habe das Haus auf gefordert, zu sagen, wo Ersparnisse gemacht werden Fönnten. Die Minister, die innerhalb der Verwaltung ständen, die die ganze Verwaltungsmaschinerie übersehen könnten, könnten wohl Vorschlage für Ersparungen machen, für Vereinfachung der Verwaltung, wirk⸗ liche Verminderung des Schreibwerks, wonach man sich schon seit Jahrzehnten sehne. Aus dem Schoße der Landesvertretung könnten jolche Vorschlãge nicht ohne weiteres gemacht werden. Die Anregung. Zuschläge zu den Schnellzügen zu erheben, sei kein glucklicher Griff gewesen. Es würde ein sehr bedenkliches Beginnen fein, wenn man das allgemein vorhandene Bedürfniß nach erbilligung der Trans= portmittel einfach mit einer Erhöhung der Gebühren für schnellere Züge beantworte. Es gebe einen Punkt, wo auch die reichere Bevͤl⸗ kerung kein Vergnügen mehr daran finde, noch höhere Steuern n zahlen; die Leute würden eben weniger reisen. .
Die Resolution, die der Abg. Dr. Lieber beantragt hat, wird gegen die Stimmen der Freisinnigen und eines Theils der Conservativen angenommen, die Resolution der Commission wird abgelehnt.
Es folgt die erste Berathung des Gesetzentwurfs, be—⸗ treffend die Gewährung einer Staatsrente für Stelgehührenentschädigungen in der ev ange lisch⸗ lutherischen Kirche der Pirovinz Hannover.
Abg. von Voß ffreicons ):. Die Tendenz dieser Vorlage sei dieselbe, wie die des Gesetzes für die acht älteren Provinzen, welches in der Commission erledigt sei. Es handele ö darum, die Un⸗ entgeltlichkeit e, kirchlichen Handlungen herbeizuführen. Das Gesetz sehe allerdings anders aus wie das frühere, weil es sich in, Hannover nur um Taufgebühren handele, da die Ge bühren für Aufgebote und Trauungen bereits durch ein früheres Gef dort aufgehoben seien. Da alle in Betracht kommenden Princirien bereits bei der früheren Vorlage zur Sprache gekommen seien, so ö das Haus diesmal wohl don einer Commissionsberathung ab⸗ sehen.
Abg. Simon von Zastrow (cons) erklärt seine Zustimmung zu diesen Ausführungen.
Abg. Dr. Sattler (nl) erkennt es als einen großen Vortheil an, daß die Gebührenpflicht auch für sämmtliche Taufen in der Provinz Hannover aufgehoben werden solle. Die weitergehenden Wünsche, daß auch die Annahme von Geschenken für kirchenamtliche Handlungen berboten werden solle, seien nicht zu befriedigen gewesen. Dem An= a. des Abg. von Voß auf Berathung im Plenum schließe er sich an.
Auch Abg. Dr. Brüel (Welfe) schließt sich diesen Aus führungen an. —
Das 6 beschließt demgemäß. ;
Es folgt die erste Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Geheim haltung der Ergebnisse der Veranlagung zur Staats ein kom mensteuer.
Abg. von Mever⸗ArnSwalde (b. k. F): Das Geheimniß der Veranlagung zur Staatseinkommensteuer sei überhaupt nicht u wahren, da 12 = 15 Personen davon erführen. Auch bisher hätten Bestimmungen bestanden. daß die Ergebnisse geheim gehalten werden sollten, aber bei der Wahl sei alles herausgekommen. Deshalb sei es besser, man streiche die ganze Geheimhaltung aus dem Gesck. Benn man Bestimmungen erlassen wolle, wonach der in die Steuerlisten Einsicht Nehmende nur seine eigene Veranlagung er⸗ fabren solle, dann müsse man einen Wächter daneben seßen, und zwar einen sebe gewiegten. Sonst könne doch noch allerlei paffiren.
Abg. Seyffardt⸗Magdeburg nl): Das Gefetz wie es vorliege, entspreche ganz den Voraussetzungen, von denen der Minister bei der Ausarbeitung desselben auszugeben versprochen habe. Daß die Re= gierung das Gesetz erst nach mehrmongtigem Zögern vorlege beweise die mannigfaltigen Bedenken, die sie bezüglich des selben g habt habe. Er seinerselts lege großen Werth darauf, daß die nothk⸗ wendige ¶ Deffentlichkeit, die für die Herren der Ein ⸗ schãtzungscommission bestehe, möglichst eng begrenzt werde. Ganje Berufsgenossenschaften und Stände hätten ein Interesse an der Ge⸗ heimhaltung der Ergebnisse der Veranlagung. Wenn der Staat daft sorge, daß niemand zu niedrig- eingeschäßt werde, fo dürfe er aber auch nicht zugeben daß die Steuerpflichtigen aus bestimmten Grün— den sich zu hoch einschätzten. Bei Kaufleuten und Industriellen sei ieder Credit Personaleredit; sie hätten ein Interesse daran, daß die Renntniß von dem Rückgang ihrer Einnahmen infolge ungũnftiger Conjuncturen nicht in ünberufene Kreife dringe. Der Gesetz⸗ entwurf gewähre in dieser Hinsicht erhebliche Vortheile gegen den . inn; er möchte seine Annahme dringend empfehlen Abg. Mooren (Ctr): Seine Partei fei gern bereit, die Ver = dienste des Finanz⸗Ministers anzuerkennen, halte die Vorlage aber nicht für geeignet, den gewollten Zweck zu erfüllen. Die bis berigen 8966 über die Geheimhaltung Ter Steuereinschätzung enthielten manche Lücken, die durchaus ausgefüllt werden müßten. Die Stener⸗ zettel würden häufig an den Portier Cder an die Dienstboten über- geben und lägen sozusagen auf dem Markte. Hier 2k. man ein · setzen und die Uebermittelung in geschlossenen Umschlägen veranlasscn.
r n,, controlirt . bitte, dem Gesct fie hre eines Begrãbnisses in einer Commission zu theil
lassen. 3 Minister des Innern Herrfurth:
Bei der Begründung der Interpellation des Abg. von Eynern
ist von demselben unter ausfũhrlicher Beiugnahme auf die im vorigen
stattgehabten Verhandlungen in der Commission und im Plenum dieses hohen Hauses ũber das Einkommensteuergesetz ausdrücklich darauf hingewiesen worden, daß die Geheim haltung nicht bloỹ der Declaraticnen, sondern auch der Veranlagungsergebnifse der Einkommensteuer in der Tendenz dieses Gejsetzes liege und von der Mebrheit der Zandes vertretung beabsichtist worden sei. Er hat darauf hingewiesen, daß mit dieser Tendenz die Bestimmungen ũber die Offenlegung der Steuerlisten und der Vãhlerlisten in directem Wider pruch stãnden. Er hat die Staatsregierung aufgefordert, diesem ider pruch zwischen dem neuesten Einkommensteuergesetz und den ãlteren Gesetzen ũber die Offenlegung von Communalsteuer⸗ und Wahlerlisten zu Heseitigen. Ich habe ihm damals entgegnet, daß die Staats regierung mit der Erwãgung dieser Frage beschaftigt sei, daß sie das Vorhandensein einer Antinomie zwischen diesen Gesetzen anerkenne, daỹ sie aber nicht soweit gehen kõnne, wie er es vorgeschlagen habe, und daß sie vor Aufftellung eines Gesetzentwurfs eine eingehende Er⸗ zrterung der Frage werde eintreten lassen, ob und inwiemeit über⸗ haupt eine Abänderung der bestehenden Bestimmungen nothwendig und durchführbar sein werde, ohne berechtigte Interessen einerseits der Communen, andererseits der Wählerschaften zu verletzen.
Meine Herren, wer nun, wie der Herr Abg. von Meyer Arnẽs⸗ walde) und auch der Herr Abg. Mooren, auf dem Standrunkt steht, daß er sagt: die Geheimhaltung der Ergebnisse der Einkemmen⸗ steuer ist überhaupt kein Bedüůrfniß, die Deffentlich keit der⸗ selben ist vielmehr eine constitu tionelle Forderung, sie wird von ganz günstigem Erfolge sowohl für die Richtigkeit der Ver⸗ anlagung der Staatssteuer als auch für eine richtige und gleichmãßige Vertheilung der CGommunalsteuer 0 sein. der wird allerdings nothwendigerweise dazu gelangen müssen, dieses Gesetz einfach und pure abzulehnen. Er wird aber dann einen Schritt weiter gehen müssen — und diese Consequenz hat Abg. von Meyer auch ganz richtig angedeutet — er wird nämlich darauf dringen mũssen, daß aus dem Einkemmensteuergesetz diejenigen Bestimmungen eliminirt werden, welche auf eine Geheimhaltung der Ergebnisse der Staatẽsteuerveranlagung abꝛielen. ⸗ Eine derartige Auf⸗ fafsung würde aber allerdings in directem Widerspruch steben mit den Beschlũssen, die gerade dieses selbe Haus im vorigen Jahre gefaßt hat.
Ich gebe zu, daß diese Antinomie zwischen den Bestimmungen des Staatesteuergesetzes über die Geheimhaltung und den Bestimmungen der Wahl und Communalsteuergesetze über die Oeffentlichkeit der Steuerlisten schon früher bestanden hat; sie wird aber jetzt in einer viel schãrferen Weise hervortreten, und die Erörterungen des vorigen Jahres haben die Staatsregierung nur zu der Ueberzeugung führen können, daß es die Absicht der Landesvertretung gewesen sei, auf eine strenge Durchführung der Geheimhaltung zu dringen. Um dieser Forderung zu genügen, hat die Staatsregierung sich veranlaßt gesehen, Erörterungen daruber einzuleiten, wie diesem Bedürfniß Abhilfe geschaffen werden kann. Nun, meine Herren, ersehen Sie aus dem Entwurf, daß derselbe nur ein Kompromiß ist. Er sichert — das gebe ich dem Abg. Mooren zu — keineswegs unbedingt die Geheimhaltung in vollem Maaße. Wir mußten uns hiermit begnügen, weil, wenn wir weiter gegangen wãren, und Maßregeln vorgeschlagen hätten, wie sie z. B. der Abg. Seyffardt in Betreff der Wählerlisten vorgeschlagen hat, oder wie sie von dem Herrn Abg. von Eynern vorgeschlagen wurden, wir berechtigte Interessen der Communen geschädigt und eine Controle der Wähler⸗ listen unmõglich gemacht haben würden. Wir sind deshalb nur soweit gegangen in diesen Vorschlãgen, welche übrigens, was vielleicht die Be⸗ denken gegen die praktische Durchführung derselben beseitigen wird, sich auf Vorschläge von Praktikern, auf Vorschlãge von Regierungs⸗Präsidenten, Landräthen und Vorstehern von größeren Stadtgemeinden stützen — wir sind nur soweit gegangen, daß wir die officielle Veröffentlichung und die Möglichkeit einer ohne jede Mühe zu erlangenden Kenntniß⸗ nahme der Ergebnisse der Einkommensteuer⸗Veranlagung etwas be⸗ schränkt haben. Eine vollständige Geheimhaltung der letzteren wird durch den Gesetzentwurf nicht erzielt werden, das gebe ich zu. Wenn ich wissen will, wieviel der einzelne Wähler an Einkommensteuer zahlt, so kann ich mir mit Hilfe der anderen verschiedenen Listen über Grund⸗ Gebaãude⸗ und Gewerbesteuer dieses Resultat mit annãhernder Sicherheit beschaffen. Aber es wird durch dieses Gesetz wenigstens verhindert, daß ohne weitere Mühe jeder beliebige Reporter nunmehr eine Uebersicht über die ganze Steuer⸗ veranlagung sich beschafft und veröffentlicht und daß mit der Publikation dieser Steuerveranlagung Mißbrauch getrieben wird.
Meine Herren, ich glaube, die Frage liegt so: entweder Sie mũssen demnãchst die Bestimmungen des Einkommensteuergesetzes über die Geheimhaltung der Veranlagung andern oder Sie müssen irgend welche Mittel finden, welche die Geheimhaltung auch sichern bei der Auflegung von Steuer⸗ und Wählerlisten; und weil die Staatsregierung sich auf den Standpunkt stellen, mußte, den das Haus im vorigen Jahre bei der Discussion des Ein⸗ kemmensteuergesetzes eingenommen, hat sie diesen Vorschlag gemacht, welcher einen Verfuch darstellen soll, einigermaßen die Geheimbaltung der Ergebnisse der Staatssteuer herbeizuführen, obne doch die Interessen der Gemeinden und das öffentliche Interesse einer regelmäßigen Con— trole der Wählerlisten in hohem Maße zu beeinträchtigen. Ich stelle Ihnen deshalb anheim, in welcher Weise Sie die Sache weiter be= bandeln wollen. Ich meinerseits kann vom Standpunkt meines Ressorts aus und namentlich auch im communalen Interesse einen so durchgreifenden Werth auf die volle Geheimhaltung nicht legen. Ich
glaube aber, die Staatsregierung muß sich auf den Standpunkt stellen, den sie im vorigen Jahre selbst festgehalten und der damals die volle Billigung dieses hohen Hauses gefunden hat.
von S s ): Er könne sich den Ausfũhrungen . Der gsergebnisse fallen zu lassen, würde jebr bedenklch sein. ; tung, daß in einem constitutionellen Staat eine solche Ge⸗ merci nicht angebracht sei, müsse er durchaus widersprechen
Die rgebnisse der V * 2 ꝛ ö h it ö eranlagung kännten wohl geheim gehalten werden, wenn sie auch einer ganzen Anzahl von Personen bekannt
8. trĩ
*
des Reichstags und Landt ie an die Oeffentlichkeit ge⸗ immungen darüber
Er werde nach dieser Richtung in der zweiten Lesung einen Ab⸗ ãnderungsantrag stellen.
von Rauchhaupt (cons): Man werde gut daran thun, den Ge twurf nicht so ohne weiteres zu verwerfen, sondern ihn in einer Commission auf seinen Werth zu prüfen. Vielleicht komme dabei doch etwas Brauchbares heraus. Die Einzelheiten der Veranlagung müßten geheim gehalten werden; aber die Schlußsumme der Veranlagun sei publici iuris. Das Gesetz spreche auch nur von dem — der Sleuerveranlagung, nicht der Steuererhebung und der weiteren Dinge. Die Landgemeindeordnung müsse geandert werden, denn danach müsse die Wählerliste aufgestellt werden nach den einzelnen Steuergattungen, es müsse nun noch eine besondere Liste mit der Schluß summe aller Steuern aufgestellt werden Diese Leistung sei zu viel für die Landgemeinden. Deshalb müsse der Staat darauf verzichten, das 6 der Steuerveranlagung als ein Geheimniß zu behandeln. Wie solle denn das Geheimniß gewahrt werden, wenn die 1 bejw. ihr Vorsitzender das Recht habe, zur Aufflärung der Steuererklärung die Gemeindebehörden und die Voreinschãtzungscommission heranzuziehen? Da könne das Geheimniß gar nicht bewahrt bleiben.
Finanz Minister Dr. Miquel:
Meine Herren! Der Herr Abg. von Rauchhaupt hat in den Fällen, welche er hier schilderte, durchaus correct und richtig gehandelt, und wenn er in Zukunft so verfährt, nachdem dieses vorliegende Gesetz in der Gesetz⸗Sammlung publicirt ist, so wird er auch richtig verfahren, denn die Bestimmungen dieses Gesetzes stehen nicht entfernt damit in Widerspruch, daß diejenigen Personen, die kraft ihres Amtes die Declarationen, die Verhandlungen über den Inhalt derselben kennen müssen, die ihrerseits auch zur Geheimhaltung verpflichtet sind, auch in Zukunft von diesen Dingen Kenntniß nehmen wie bisher. Wenn er also die Declarationen, die abgegeben sind von den Steuervflichtigen unter 3000 M hinterher den Voreinschãtzungscommissionen zur Kennt⸗ niß gebracht, mit denselben über die Sache verhandelt hat, ist das vollstãndig zulãssig, denn das widerspricht den Bestimmungen des Staatseinkommensteuergesetzes nicht, das sind eben Behörden, die mit der Sache befaßt sind, die also naturlich auch Kenntniß von der Sache haben müssen. Darüber ist nicht der geringste Zweifel.
Meine Herren, wie bedeutungsvoll aber — das will ich bei der Gelegenheit erzählen — die Aufforderung der gesammten Steuer⸗ pflichtigen in der 11. und 12. Klasse der bisherigen Klassensteuer zur Declaration war, können Sie am besten an einem Beispiel hier in Berlin sehen. Von den, ich glaube, 15 bis 16009 derartigen Steuer⸗ pflichtigen in Berlin haben 6000 allein auf Grund ihrer Declarationen mehr Einkommen als 3000 M derclarirt, und zwar insgesammt allein 10 Millionen Mack Einkommen mehr. (Hört, hört) Es zeigt sich also, wie nothwendig ein solches Vorgehen war und wie wirksam es gewesen ist. solche Resultate vor sich sehen, wie ein Einkommen von 10 Millionen Mark bisher in diesen Klassen bei 6000 Steuerpflichtigen unversteuert blieb, so müssen sie wirklich nicht zu sehr an kleinen Unzuträglich⸗ keiten hängen, die hier und da zum Vorschein kommen, und nicht eine solche Kritik an dem eminent heilsamen und nothwendigen Gesetz ausüben, als ob das ganze Gesetz nichts taugte. Meine Herren, die Finanzverwaltung steht diesem Gesetz so gegenüber: bisher hat die Finanzverwaltung nicht ungern gesehen, wenn die Resfultate der Einkommensteuereinschãtzung durch die Commission publicirt wurden, denn die Einschätzung war vielfach eine so mangelhafte, daß die öffentliche Kritik kaum entbehrt werden konnte. (Sehr richtig! links.) Die öffentliche Kritik hat auch in der Zeit dieser höchst mangelhaften Veranlagung und Einschätzung in vielen Fällen sehr erheblich ein⸗ gewirkt; ich kann das aus meiner eigenen Praxis als Ober⸗Bũürgermeister bezeugen.
So braucht heute aber die Finanzverwaltung diese Frage nicht mehr anzusehen. Die sonstigen Garantien, die das Gesetz in Betreff der Richtigkeit der Veranlagung giebt, sind doch so bedeutend und so durchschlagend, außerdem werden da auch noch immer eine so große Anzahl von Personen bei der reich⸗ lichen Ausstattung dieser Steuerveranlagung mit Selbstverwaltung, die vielleicht zu reichlich ist, doch Kenntniß haben, und eine erforderliche Vergleichung und Kritik ausüben können — während die Stellung der Commissionen zu der Richtigkeit der Veranlagung auch ihrerseits eine ganz andere geworden ist, als in der Vergangenheit — daß wir diese öffentliche Kritik nicht mehr so unbedingt nõthig zu haben glauben, um zu einer richtigen Veranlagung der Steuer zu gelangen.
Wenn nun auf der anderen Seite aber doch ein sehr lebhafter Wunsch in einem großen Theil der Bevölkerung besteht, die Resultate dieser Einschãtzung nicht gewissermaßen ohne Noth auf den offentlichen Markt zu bringen, wenn dabei sich der Landtag auch seinerseits eine Incongruenz in der Publication und dem allgemeinen öffentlich Be⸗ kanntwerden der Ergebnisse der Einschätzung gegenüber den Bestim⸗ mungen des Einkommensteuergesetzes gefunden hat, so war es wohl ganz naturgemãß, daß die Staatsregierung, da ihrerseitẽ Interessen nicht vorliegen, die die allgemeine Veröffentlichung aufrecht zu er⸗ halten gebieten, solchen Wünschen entgegenkam.
Nun muß ich zugeben, daß dies Gesetz die Frage durchaus nicht ganz erschöpft; das hat ja schon der Herr Minister des Innern Ihnen dargelegt. Namentlich die Wahllisten bleiben ja noch immer der öffentlichen Einsichtnahme ausgesetzt, man kann daher allerdings auch noch zu einer nicht verbotenen Publication der Ergebnisse kommen, wenn jemand die gesammten Wahllisten beispielsweise abstenographirt, wie das genũgend vorgekommen ist. Aber einen erheblichen Theil von Unzutrãglichkeiten beseitigt doch dies vorliegende Gesetz und ich be⸗ haupte, dies Gesetz schadet in keinem Falle irgend einem erheblichen Interesse. J
Meine Herren, wenn der S 1 hier vorschreibt, daß, wo die Steuer⸗ erhebungslisten ausgelegt werden, der einꝭ elne Betheiligte nur die Befugniß baben soll, seine eigene Veranlagung anzusehen, so frage ich: Hat er denn ein Recht oder ein Interesse daran, lei der Hebeliste Einsicht zu nehmen von der Veranlagung aller ũbrigen Steuer⸗ pflichtigen? Wo existirt das Interesse? Bei den Wahlen ist das ja ganz etwas Anderes. Davon reden wir hier aber nicht, wir haben hier bloß die Frage von der Einsicht der Heberollen; und da genügt
M 1 Wenn Sie
es doch für den Einzelnen, wenn er weiß, was er zu zahlen hat; er braucht nicht zu wissen, was alle Anderen zu zahlen baben. Bei den Wahllisten kemmt es doch auch nicht darauf an, niederzuschreiben den Betrag jeder einzelnen Steuer, sondern, da Fie Wahllisten nach dem Gesammtbetrage aller Steuern aufgestellt werden, die der einzelne Steuerpflichtige zahlt, so ist hier auch feinerlei Interesse verletzt, wenn dies vorgeschrieben wird.
Wenn nun der Herr Abg. von Rauchhaupt geglaubt hat, daß dadurch den Gemeindebehörden mehr auferlegt würde, so balte ich gerade das Gegentheil für richtig. Hier brauchen sie sich ja nur eine Gesammtsumme aufzuschreiben, wãhrend sie bisher genõthigt waren, die einzelnen Summen von Grundsteuer, Gewerbesteuer, Gebäãude⸗ steuer . u. s. w. aufzuschreiben. Also der berechtigte Gesichts punkt, den der Herr Abg. von Rauchhaupt hier in den Vordergrund geschoben hat, daß man nicht unbedingt unnõthige Arbeit den Gemeindebehsrden nicht auferlegen soll, trifft in dem vorliegenden Falle gar nicht zu. Ich glaube allerdings, Sie können den Einwꝗard gegen diesen Gesetz entwurf machen, daß er den Zweck nicht vollstäne ig erreicht; er wird aber doch schon manche Unzuträglichkeiten, Weiterungen und Un⸗ annehmlichkeiten abschneiden. Schaden kann aber diese Bestimmung meines Erachtens überhaupt nicht, und ich kann Ihnen daker nur die Annahme des Gesetzes empfehlen. Es mag ja rathsam sein, in der Commission die Sache eingehend zu erwãgen, und ich möchte durch⸗ aus nicht gegen eine commissarische Berathung mich erklären, glaube aber doch, daß es etwas eigenthümlich aussehen würde, wenn das Abgeordnetenhaus von der Regierung die Vorlegung eines Gesetz⸗ entwurfs verlangt, dieser Gesetzentwurf nun vorgelegt wird (3uruf) und nun der Landtag ohne weiteres ein solches Gesetz ablehnt, welches seine damaligen Wüũnsche, wie ich bekennen muß, noch nicht einmal in vollem Maße erfüllt.
Abg. Mooren (Centr.) hält es nochmals für zweckmäßig, das ganze Gesetz abzulehnen.
Abg. von Kardorff ffreicons.): Im vorigen Jahre, als die jetzige Vorlage von dem Hause verlangt worden sei, babe es die vielen Schwierigkeiten noch nicht gekannt, die in der Materie lägen, und die eine Verweisung vor eine Commission, in der die Vorlage genau werde geprüft werden müssen, wohl rechtfertigten. Er bitte also, falls man nicht zu Unzuträglichkeiten der schlimmsten Art kommen wolle, für commissarische Berathung zu stimmen.
Finanz Minister Or. Miquel:
Meine Herren! Ich habe vorher im Laufe der Rede verge auf eine trag an⸗ gekũndigt hat, zu erwidern. ) will auch über den Antrag selbf nicht sprechen. Ich möchte nur meine Auffassung von denjeni Fällen, die seine Entrüstung in so hohem Grade erregen, ganz off bei dieser Gelegenheit aussprechen. Meine Herren, ich gehe auch avon aus, daß die Veranlagungscommissionsvorsitzenden mit Vorsicht
fahren. Wir haben uns, glaube ich, alle überzeugt, daß eine gesetzliche Bestimmung, nach welcher die Declarationen unbedingt bindend sein sollen, für die Behörden unmöglich ist und zu den verkehrtesten Ver⸗ anlagungen führen werde. Wir haben die Garantie gesucht darin, daß die Commission auch ihrerseits nach ihrem Gutdünken auf Grund der Declarationen den Steuersatz festsetzen soll. Wir haben aber vorgeschrieben, daß in er Regel, sofern nicht besondere Umstände es verhindern, vor dem Abweichen von dem Inhalt der Declaration die Declaration beanstandet, dem Censiten gesagt werden soll, warum Declaration nicht zutreffend ist, welche Bedenken man gegen hat, und demselben Gelegenheit geben, diese Anstände aufzuklären. Ich lege auch, meine Herren, das größte Gewicht auf die soweit irg möglich strenge Aufrechterhaltung dieser Bestimmung; denn i mit dem Herrn Abg. von Schalscha davon aus, daß wir das Pflichtgefũühl der Censiten erziehen, befördern müssen, t Maßregeln treffen, die allmählich die Bedeutung der De⸗ mkt der öffentlichen Pflichten abzuschwãchen s spreche ich ganz offen aus. Wenn diese Commissionen end welche Rücksprache mit den Censiten sich angewöhnen, ein Declaration als Material zu behandeln, was man beachten kann und nicht beachten kann, so wird allmählich zedeutung der Declaranten selber herabgedrũckt und das würde ich für ein großes Uebel halten und auch schließlich fr für die Richtigkeit der Veranlagung.
Danach wird die Vorlage an eine Commission von 14 Mit—⸗ gliedern überwiesen. .
Es folgt die zweite Berathung der Anträge der Abgg. Neukirch und Drawe auf Annahme von Gesetzentwürfen a. betreffend eine vorläufige Bestimmung über die Regulirung der gutsherrlichen und bãuerlichen Verhältnisse behufs der Eigenthumsverleihung in Neu vorpommern und Rügen; h. betreffend die Regu⸗ lirung der gutsherrlichen und bäuerlichen Verhält—⸗ nisse in Neuvorpommern und Rügen
Die Justizcommission hat die beiden Entwürfe in einen Gesetzentwurf zusammengezogen. . w
Abg. Draw e (dfr.): Die Juftizcommission habe allerdings einige Aenderungen an den Gesetzesvorschlägen vorgeschlagen, die Antrag⸗ steller hielten sie aber nicht für so grund ia h bedeutend, daß sie dagegen Widerspruch erheben müßten; er erkläre deshalb, daß sie dem Gesetzentwurf, wie er von der Justizcommission angenommen sei, k (nl): Er schließe sich den Aeußerungen des Vor⸗ redners an und bitte namens seiner politischen Freunde ebenfalls um Annahme der Vorschläge der Justizcommission. .
Darauf wird die Vorlage nach den Vorschlägen der Justiz⸗ commission mit einer vom Abg. Schmidt⸗Warburg (Centr.) vorgeschlagenen redactionellen Aenderung, der auch die Regie⸗ rung zustimmt, nach kurzer Debatte angenommen.
Die Petitionen der Kossäthen Danckwardt und Gen. zu Mönckwitz sind dadurch erledigt.
Schluß 31 Uhr.
2 Cm . die Declaration in
Statiftik und Volkswirthschaft.
Zur Arbeiterbewegung.
Ueber die Lage der sogenannten unabhängigen“ Socialdemokraten wird den Münchener N. N“ aus Ber lin geschrieben. ö .
Die Zahl der unabhängigen Socialisten vermindert sich ver⸗ bältnißmäßig sehr dadurch, daß mancher von ihnen Deutschland ver⸗ läßt. Der erste war Herr Richard Baginsky, der, weil mehrere Stra fverhandlungen gegen ihn bevorstanden, nach Amerika flüchtete, angeblich mit eimer Unterstũtzung aus der Kasse der Unabhängigen. Kurz darauf flüchtete gleich eine ganze Gruppe von Unabhängigen und
Anarchisten infolge der Verhaftung von Kamien und Genossen, weil sie ihr