*
Aus diesen Gründen halte ich es nicht für erforderlich, daß hier Fürsorge getroffen wird, einmal dahin gehend, daß bei Prüfung eines jeden Genehmigungsantrags ein Baubeamter hinzugezogen wird, und zweitens dahin gehend, daß die durch diese Zuziehung ent⸗ standenen Kosten dem Unternehmer zur Last fallen.
Abg. Ferusalem (Centr.): Er halte es für nöthig, daß hier der Begriff Kunststraßen genau festgelegt werde. In der Com- missioen sei seitens der Regierung erklärt worden. daß die städtischen 4 3 in der Regel nicht unter diesen Begriff fielen. Nach dem Chausseepolizeigesetz von 1887 sei der Begriff Kunststraßen auf alle diejenigen Straßen ausgedehnt, die auf Antrag des Unterhal⸗ tungspflichtigen als solche staatlich vom Ober⸗Präsidenten anerkannt würden und für die das Recht auf Erhebung von Chausseegeld be⸗ stehe. Doch gälten diese Bestimmungen nur im Geltungsbereiche des etreffenden Gesetzes. Nach der Entwickelung, die der Chausseebau in Preußen genomnien habe, seien seiner Meinung nach unter Kunst— jtraßen zu verstehen alle diejenigen, deren lunstgemäße Herstellung und Erhaltung aus Gründen des öffentlichen Rechts beftehe, und dann sei nicht ausgeschlossen, daß auch Straßen in Städten als solche zu be— Hachten seien, und somit der Regierungs⸗Präsident und nicht die Orts Polizeibehörde bei der Genehmigung von Pferdebahnanlagen zu entscheiden habe.
Geheimer Ober⸗Regierungs-Rath Freiherr von Zedlitz: Die Definition des Begriffs Kunststraßen beziehe sich nicht nur guf das angeführte Sesetz, sondern . allgemein. Wenn städtische Straßen als Kunftstraßen ausdrücklich erklärt seien, s9 werde auch in Bezug auf dieses Gesetz die er, . des Regierungs⸗Präsidenten in den betreffenden Fällen einzuholen sein. Im allgemeinen würden aber städtische Straßen nicht als Kunststraßen bezeichnet werden.
Abg. Dr. Ham macher (nl) hält den Antrag Barth für an sich berechtigt, aber überflüssig, weil die betreffenden Polizeibehörden sich ohnehin der Beihilfe von Sachverständigen bedienen würden.
Abg. Im Walle (Centr,) schließt sich dieser Auffassung an.
Abg. Hansen (freicons) beantragt: im § 2 Nr. 22 nach den Worten: „der Regierungs⸗-Präsident“ einzuschalten „im ersteren Falle!
Die Anträge Barth und Hansen werden abgelehnt; § 2 wird in der Fassung der Commission angenommen.
S 3 lautet: .
Die Genehmigung wird auf Grund vorgängiger polizeilicher Prüfung ertheilt. Diese Prüfung beschränkt sich auf die betriebs⸗ sichere Beschaffenheit der Bahn und der Betriebsmittel, den Schutz gegen schädliche Einwirkungen der Anlage und des Betriebs, die technische Befähigung und die Zuverläfsigkeit der in dem äußeren Betriebsdienste anzuftellenden Bediensteten, die Wahrung der Inter⸗ essen des öffentlichen Verkehrs.
Die Abgg. Rickert (dfr) und Im Walle (Centr.) be—⸗ antragen in zwei verschiedenen Anträgen, die Prüfung der technischen Befähigung der im Betriebsdienst anzustellenden Bediensteten nur dann eintreten zu lassen, wenn der Betrieb mit Maschinenkraft erfolgt. .
Abg. Rickert (fr): Nach der Commissionsfassung werde der Polizeichef auch die Pferde der Pferdebahnen zu untersuchen haben, ab sie die Betriebssicherheit in ihren Beinen trügen. Er denke, die Befitzer der Pferdebahnen würden ohnehin so gescheidt sein, nicht lahme Pferde einzustellen. Er möchte daher den Minister bitten, daß er den Regierungs⸗Präsidenten und Orts⸗Polizeibehörden eine derartige Prüfung der Pferde untersage. Wie aber die Polizei die Zuverlässig⸗ keit! der Droschkenkutscher und Schaffner prüfen solle, dafür fehle ihm jedes Verständniß. Man könne doch 35. B. dem Kutscher nicht ansehen, ob er ein Trunkenbold sei. Der Unternehmer werde sich von selbst hüten. Trunkenbolde zu engagiren. Wolle die Polizei mit ibrem placet die Verantwortlichkeit gegenüber dem Publikum über- nehmen? Damit werde nur das Gefühl der Veraniwortlichkeit bei den Unternehmern abgeschwächt werden. Ebenso bedenklich sei ihm die letzte Bestimmung des § 3. Was heiße Wahrung der Interessen des öffentlichen Verkehrs ⸗?? An diesen Galgen känne man Jeden hängen. Er fürchte, der Minister werde nach Annahme dieses Paragraphen eine Menge von Beschwerden bekommen und eine Masse von Instructionen erlassen müssen.
Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:
Meine Herren! Ich glaube, die Sache liegt doch nicht ganz so bedenklich, wie der Herr Abg. Rickert meint. Die Polizei ift nicht so schlimm, wie er sie ansieht; die Polizei ist aber andererseits nicht zu entbehren, und inebesondere nicht zu entbehren bei Unternehmungen wie diejenigen, die das vorliegende Gesetz schaffen will, Unternehmungen, die auf öffentlicher Straße den Transport von Personen und Gütern mit erhöhter Geschwindigkeit bewirken, die eine Menge von Fährlich⸗ keiten schaffen sowohl für diejenigen, die sich diesem Transportunter⸗ nehmen anvertrauen, als für diejenigen, welche nebenbei auf der Straße ihres Weges gehen; meines Erachtens bedarf das Publikum nach beiden Richtungen eines wirksamen polizeilichen Schutzes. Wenn dieser fehlt, so wird das Unternehmen sich nicht selten in höherem Srade als gemeingefährlich wie als gemeinnützig erweisen.
Es ist auch keineswegs vorausgesetzt worden, daß die betreffende Genebmigungs behörde sich beispielweise die sãmmtlichen Pferde der Pferdebahnen vorführen lassen wird und sie daraufhin zu untersuchen bat, ob das eine dieses und das andere jenes Gebrechen hat. Aber, meine Herren, das betreffende Polizeiorgan muß die Möglichkeit haben, einzugreifen und zu sagen: der Gaul kommt nicht wieder vor die Pferdebahnwagen, der ist neulich durchgegangen und hat die und die Fährlichkeiten hervorgerufen. Versagen Sie der Polizeibehorde diese Befugniß, so kann sie ihre Obliegenheit nicht erfüllen, und der Unter⸗ nehmer lacht sie einfach aus. Es muß also eine derartige Handhabe für die Polizei geschaffen werden, — sie besteht übrigens, wie ich dem Herrn Abg. Rickert zu seiner Beruhigung sagen kann, auch bereits in Berlin: die Polizei besieht sich nicht bloỹ die Pferdebahngãule, sondern sie besieht sich auch die Droschkenpferde.
Es ist ferner Anstoß genommen worden daran, daß unter Nr. 3 nicht nur die technische Befähigung, sondern auch die Zuverlässigkeit der Bedienfteten von der Polizei geprüft werden soll. Auch in der Beziehung glaube ich, dürfen wir nicht zu angstlich sein und müssen
der Polizei die Handhabe geben, Elemente aus dem Bedienungẽpersonal der Localbahn entfernen zu können, die sich eben in Bezug auf ihre Pflicht als unzuwerlãssig erwiesen haben. Diesen Personen wird in erster Linie das Leben und die Sicherheit der betreffenden Leute auf der Straße und im Wagen anvertraut, und es muß eine gewisse Zu⸗ verlässigkeit bei ihnen vorhanden sein. Wenn nun constatirt wird, daß der eine von den Kutschern ein Trunkenbold ist und der andere an ECyilepysie ꝛc. leidet, so wird offenbar dadurch die Sicherheit gefãhrdet, und der Polizei muß die Möglichkeit gegeben werden, solche Elemente zu entfernen. . Endlich hat der Herr Abg. Rickert an der allgemeinen Klausel unter Nr. 4, betreffend die Wahrung der Interessen des öffentlichen Verkehrs, Anstand genommen und gemeint, daß man an den dort aufgepflanzten Galgen alles Mögliche werde aufhängen können. Ja, meine Herren, aus jeder noch so vernünftigen Bestim⸗ mung kann, wenn sie unvernünftig gehandhabt wird, Unheil erwachsen, das ist aber an sich kein Grund, sie zu beseitigen, zumal wenn dieselbe
kann. Um die Herren zu beruhigen, möchte ich Ihnen mittheilen, daß in dem Gesetze vom 3. November 1838 dieselben Bestimmungen enthalten sind, ohne daß daraus die gefürchteten großen Unzuträglich⸗ keiten entstanden wären. (Zuruf: Eisenbahnen!) Hier haben wir es auch mit Eisenbahnen zu thun, und noch dazu mit Eisenbahnen, die auf der Straße ihr Handwerk betreiben, mitten unter den Leuten und bezüglich deren die Wahrung des öffentlichen Verkehrsinteresses jeder⸗ zeit in einer festen Hand sich befinden muß, wenn nicht große Uebel⸗ stände entstehen sollen.
Ich möchte deshalb auch in Bezug auf diesen Punkt 4 die drin⸗ gende Bitte aussprechen, es bei der Fassung der Commission bewenden zu lassen.
Abg. Simon⸗Waldenburg (nl): Das Gesetz dürfe nicht durch bureaukratische Einrichtungen und Bevormundungen in un⸗ nöthiger Weise erschwert werden. Das wolle auch der Minister, als er gesagt habe, es komme weniger auf den Buchstaben des Gesetzes an als auf den Sinn, in welchem es von den Behörden ausgeführt werde. Er habe zu dem gegenwärtigen Minister das größte Ver⸗ trauen, aber er fürchte, daß einzelne Beamte das Gesetz in einer Weise ausführen würden, die die segensreichen Wirkungen desselben wieder aufhebe. Eine Beruhigung finde er darin nicht, daß auch die Berliner Droschkenpferde ven der Polizei geprüft würden. Ganz unerfindlich aber sei ihm, wie die Polizei auch die Zuverlässig⸗ keit der Pferdebahnkutscher ꝛc. Prüfen solle bei einem Unternehmen, das Hunderte von Personen beschäftige. Es müßten dann über jeden Bediensteten Personalakten geführt werden. Trunkenbolde und Cpilep⸗ tische stelle kein Unternehmer an. Aber er könne sich sehr wohl denken, daß die Beamten die Maßnghmen des Gesetzes gegen ihnen mißliebige Bahnen mit besenderer Schärfe zur Anwendung brächten, ja die Zuverlässigkeit darauf hin prüften, ob der betreffende Be—⸗ dienstete politisch zuverlässig sei. Darunter werde aber das Ansehen der Beamten und der Verkehr leiden.
Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:
Meine Herren! Mein hochverehrter alter Freund, der Herr Vor⸗ redner, sieht meiner Ansicht nach Gespenster, die in Wirklichkeit garnicht vorhanden sind, und zu dieser Gespensterseherei kommt er hauptsãchlich durch den Umstand, daß er die ganze Angelegenheit be⸗ trachtet von dem Standpunkt der Berliner Verhältnisse. Ja, haben wir es mit einer großen Berliner Pferdebahn mit ihrer vorzüglichen Organisation und Leitung zu thun, so gebe ich zu, daß die angefochtenen Cautelen des Gesetzes überflüssig erscheinen können. Aber, meine Herren, wir erwarten, daß auf Grund dieses Gesetzes überall im Lande kleine Unternehmen sich bilden werden, und diese kleinen Unternehmen werden zweifelsohne, wenigstens anfangs, nicht immer in ganz zu⸗ verlässige Hände kommen. Es ist darum durchaus nöthig, daß die Polizeibehörde eine gewisse Machtfülle hat. Die Polizeibehörde wird künftig auf Grund dieses Gesetzes und auf Grund dieser Nummer 3 in die Concessionsurkunde hineinschreiben: die Bediensteten im äußeren Dienst müssen technisch befähigte und zuverlässige Leute sein, und wenn sich ein solcher Mann nachher als unzuverlässig erweist, dann muß die Direction auf Anfordern der Polizei den Mann aus dem äußeren Dienste entfernen. Diese Be— fugniß muß die Polizei haben, denn sonst kann sie ihre Auf— gabe nicht erfüllen, für das allgemeine Interesse und für die Sicherheit des Verkehrs zu sorgen. Deshalb bitte ich dringend, im Interesse der Sache, im Interesse der sicheren und ordnungsmäßigen Abwickelung des Verkehrs, endlich auch im Interesse der Unternehmer selbst, diesen Paragraphen anzunehmen, wie die Commission ihn gestaltet hat. Jener Beschränkung hat die Königliche Staatsregierung zustimmen können, daß diese Prüfung sich nur auf diejenigen bezieht, welche im äußeren Betriebsdienst beschäftigt werden; aber für diese ist die Be⸗ stimmung in der Ausdehnung erforderlich, wie die Commission es vor— schlãägt. (Bravo!)
Abg. Im Walle (Cent) schließt sich den Ausführungen des Abg. Rickert an.
Abg. Rickert (dfr): Nicht das Haus sehe Gespenster, sondern der Minister. Der englische Verkehr weise nur deshalb die rühmens⸗ werthe Sicherheit auf, weil die Unternehmer in ihrer Selbstverant⸗ wortlichkeit nicht niedergedrückt, sondern gestärkt würden. Die Polizei habe jetzt schen das Recht, irgend welchen Mißständen, wenn fie hervortreten, entgegenzutreten, es bedürfe dazu nicht besonderer neuer Beschränkungen der Unternehmer.
Abg. von Tiedemann ⸗Bomst freicons. ): Man streite
hier um des Kaisers Bart. Wenn die Polizei jetzt schon diese Befugnisse habe, warum drücke man sie nicht in diesem Gesetz aus? Der Abg. Simen habe heute wieder die alte Praxis geübt: Die Polizei wird bei jeder Gelegenheit schlecht gemacht. In England sei es anders. Hier in Berlin sei allerdings eine Controle der Pferdebahnbediensteten nicht nöthig, wohl aber bei kleineren Unternehmungen. Da könne man sie nicht dem Unternehmer überlassen, zumal der Unternehmer selbst den Anforderungen der Polizei nicht entsprechen könne. Er bitte, die Fassung der Commission an⸗ zunehmen. Abg. Sim on⸗Waldenburg (ul): Er wende sich nur dagegen, daß das Gesetz noch schärfere Bestimmungen erhalte, nachdem die Polizei schon jetzt in der Lage sei, einzuschreiten, wenn sicherheitgefähr⸗ dende Zustände bei dem Unternehmen zu Tage träten. Ferner wolle er einen Mißbrauch der Bestimmung über die Prüfung der Zuverlässigkeit verhüten. Die Gerichtsverhandlungen der letzten Zeit hätten ben een, daß Polizeibeamte in Ausübung ihres Berufes häufig über die nothwendige Grenze hinausgingen. Wenn statt des Wortes zuverlässig geht werde technisch befähigt‘, würde er vollkommen mit dieser Aenderung einverstanden sein.
Abg. von Czarlinski (Pole): Ihm sei nicht klar geworden, wie man, bevor jemand in Dienst getreten sei, über seine Zuver⸗ lässigkeit ein zutreffendes Urtheil abgeben könne. Er werde deshalb für den Antrag Rickert stimmen. Mit Recht sei darauf hingewiesen worden, daß es politische Strömungen geben könne, in denen die politische Gesinnung der Bediensteten zum Maßstab ihrer Zuverlässigkeit gemacht werde. Man habe noch ganz andere Erfahrungen gemacht. Zum Schuljenamt würden öfter die brapsten Leute nicht zugelassen ihrer politischen Gesinnung wegen. Ein Magistratsschreiber fei nur unter der Bedingung angestellt worden, daß er die polnische Sprache nicht verstehe.
Abg. Graf zu Limburg-Stirum (cons.): Er gebe den Com missionsbeschlussen den Vorzug, wonach nicht nur die technischen, sondern auch die moralischen Eigenschaften der Bediensteten geprüft werden müßten. In England sei die Polizei anders und das Publikum anders. Dort haue die Poltzei feste zu und das Publikum helfe ihr; bei uns dürfe die elf nicht feste zuhauen, und das Publikum helfe ihr nicht. Das öffentliche Fuhrwesen habe sich in dem Maße verbessert, wie die Polizei streng eingegriffen habe. Das Verhalten der Droschkenkutscher, die früher durch ihre Grobheit und Rücksichtslosigkeit berüchtigt gewesen seien, sei jetzt ganz gut. Es sei durchaus richtig, daß die Polizei die Controle ausübe, bevor sich die Bediensteten etwas hätten zu schulden kommen lassen. Lasse sie sich dabei zu Uebergriffen verleiten, so hätten die Betroffenen Adreffen hier im Hause, um ihre Beschwerden vorzubringen für den Fall, daß sie beim Minister kein Gehör fänden. Der Unternehmer habe durch⸗ aus nicht ein Interesse daran, gutes Personal anzustellen, denn die Benutzer der Transportunternehmungen würden immer so auf die⸗ selben angewiesen sein, daß sie sie trotz mancher Unbequemlichkeiten
im Allgemeininteresse, wie vorliegend, nicht wohl entbehrt werden
benutzen.
Frentz (cons.) empfiehlt ebenfalls die Annahme des 8 zum Cguß des Publikums. ö Abg. Dr. Krause (nl): Die bestehenden polizeilichen Vor= schriften genügten vollkommen. Niemandem falle es ein, die Kutscher im Privatdienst polizeilich zu prüfen, obgleich auch diese daz — gefährden könnten. Es sei dur nicht deutsche lrt, die Polizei schlecht zu machen. Auch in Berlin faffe die Polizei nicht mit . an, den g sei das Publikum häufig auf ihrer Seite. Eine Antipathie bestehe allerdings, aber nicht gegen die Polizei, sondern dagegen, daß man Alles der Polizei übertrage. Nach § 3 könne ein Unternehmen durch die Polizei vollständig unterbunden werden. Dem Unternehmer, der das Intereffe habe, solle man auch die Controle über die Bediensteten überlaffen. Er empfehle die Annahme des Antrags Rickert.
. 4 Hammacher (ul) beantragt, zu sagen: Die tech— nische Befähigung und Zuverlässigkeit? damit die Prüfung fich nicht auf die allgemeine Zuverlässigkeit der Personen erstrecke, sondern mir auf die technische Zuverlässigkeit, welche der Dienst erfordere. Es könne vom Standpunkt des Gesetzgebers nicht gleichgültig fein, ob der äußere Dienst bei Kleinbahnen in den Händen von zuverläfsigen oder unzuverlässigen Personen liege. Er wolle jedoch vermeiden, daß man bei der Beurtheilung der Iwwer e el Gesichtspunkte hinein- trage, die an und für sich mit der dienstlichen Zuverlässigkeit nichts zu thun hätten. Den Herren von der Rechten rufe er zu: hRoqdis mihiz gras tibi! Auch sie könnten in eine Lage kommen, wo ihnen die Bestimmungen der Commissionsvorlage unbequem werden könnten.
Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:
Meine Herren! Ich möchte mir nur gestatten, darauf aufmerksam zu machen, daß. wenn nach dem Antrage Im Walle diese Prüfung sich nur auf diejenigen Kleinbahnen erstrecken soll, die mit Maschinen— kraft betrieben werden, dann doch vielleicht einzelne Arten von Bahnen ausgeschlossen werden, bei denen die Gefährlichkeit schwerwiegender sein kann, als bei denjenigen Bahnen, die mit Maschinenkraft betrieben werden. (Sehr richtig!)
Ich möchte z. B. darauf aufmerksam machen, daß es Bahnen giebt, die in einer Richtung lediglich durch die Schwerkraft betrieben werden, wo also im Gefälle herunter die Fahrzeuge ohne Motor laufen. Die Sicherheit des Publikums hängt dann hauptsächlich von der Zuverlässigkeit der Bremswärter ab, die die betreffenden Fahr— zeuge bedienen. (Zurufe.) — Nein, bitte, es handelt sich nicht um Maschinenbetrieb. Wir wissen überhaupt noch nicht, welche Art von Entwickelung diese Localbahnen nehmen werden. Es werden auch bei den Pferdebahnen sich noch Betriebs verhältnisse ergeben, die große Gefahren mit sich bringen, wie denn heute schon der Betrieb der Pferdebahnen da, wo diese mit anderen Bahnen kreuzen, jedesmal eine ganz be— sondere Gefahrquelle hervorruft. Ich glaube daher noch einmal darauf aufmerksam machen zu müssen, daß Sie mit dem Antrage Im Walle die Gefahren nicht ausreichend beseitigen. Auch die Pferdebahnen und eine ganze Reihe anderer Bahnen, die im Sinne des Gesetzes nicht mit Maschinenkraft betrieben werden, können zu schwerwiegenden Bedenken Veranlassung geben.
S3 wird mit der vom Abg. Hammacher vorgeschlagenen Aenderung angenommen, desgleichen 8 4 ohne Debatte. Nach 5 5 soll, soweit ein öffentlicher Weg benutzt werden soll, die Zustimmung des zur Unterhaltung des Weges Ver— pflichteten beigebracht werden. Die Unterhaltungspflichtigen können ein Entgelt für die Benutzung des Weges beanspruchen und sich den Erwerb der Bahn nach Ablauf einer bestimmten Frist gegen angemessene Schadloshaltung vorbehalten.
Abg. Im Walle (Centr): Er beantrage, die letztere Bestim— mung zu streichen, da er der Ansicht sei, daß der Unterhaltungspflich—⸗ tige das darin enthaltene doppelte Recht nicht beanspruchen könne. Die Prätension des Unterhaltungspflichtigen stehe in gar keinem Zusammenhang mit seiner Gegenleistung. Die Motive enthielten nichts von diesem doppelten Recht. Wenn sein Antrag nicht ange— nommen werde, so werde man in Collision für den Fall kommen, daß dem Unternehmer die Concession dauernd gegeben werde. Geheimer Qber⸗Regierungs Rath Freiherr von Zedlitz erklart sich gegen den Antrag; dem Wegeunterhaltungspflichtigen müsse das Recht gegeben werden, sich für die Fortführung des Betriebes der Bahn auf die Dauer durch Uebernahme derselben zu sichern.
Abg. Dr. Ham macher (nl) spricht sich ebenfalls gegen den Antrag aus, der darauf mit großer Mehrheit abgelehnt wird.
Sz 6 bestimmt darüber, welche Instanzen die Zustimmung der Unterhaltungspflichtigen zu ergänzen haben.
Abg. Han sen beantragt, statt „ergänzen“ y„ersetzen ·
Nach einer ferneren Vorschrift soll bei dem Antrage auf Ergänzung der Zustimmung der Nachweis der erforderlichen Sicherheitsstellung beigebracht werden.
Abg. von Strom beck beantragt, die Aushändigung des Ergänzungsbeschlusses von der Sicherheitsstellung abhängig zu machen.
Abg. von Strom beck (Centr.):
zu sagen
Sein Antrag sei gestellt, um
eine praktische Schwierigkeit zu beseitigen, die daraus entstehen könne,
daß, bevor die Behörde über Art und Höhe der Caution Entscheidung 7 habe, die Caution nicht gestellt werden köme, andererseits die ustimmung zur Errichtung der Bahn von der gestellten Caution abhängig gemacht werden solle. Geheimer Qber⸗Regierungs⸗Rath Freiherr von Zedlitz: Schwierigkeit bestehe thatsächlich nicht, denn die Behörde, die über die Zustimmung zur Errichtung der Bahn befinde, habe nicht auch über die Art und Höhe der Caution Entscheidung zu treffen; er bitte also, den Antrag von Strombeck abzulehnen.
Darauf wird der Antrag von Strombeck abgelehnt, der Antrag Hansen angenommen, auf Antrag des Abg. von Buch ons.) aber der dritte Absatz des 8 6: „Bei dem Antrage auf Erganzung der ö,, ist der Nachweis der erforderlichen Sicherheitsbestellung beizubringen‘ gänzlich gestrichen Die S§ 7— 9 werden ohne Debatte in der Commissions⸗ fassung genehmigt. =
S160 läßt die Bestimmung einer Frist für die Ausführung der Jahn und für den Beginn des Betriebs unter Einführung von Geldstrafen für den Fall der Nichteinhaltung dieser Fristen zu, sowie auch Geldstrafen und Sicherheitsstellung zur Siche⸗ rung des ordnungsmäßigen Betriebes.
Abg. Jan sen (Centr. befürwortet dazu den Antrag:
Auch können für den Beginn und die vorschriftsmäßige Vollendung des Bahnbaues, sowie für die vorschriftsmäßige Ein⸗ richtung des Betriebes und für die Nachsuchung der Eröffnungs— erlaubniß Fristen festgesetzt werden.
„Für den Fall, daß diese Fristen nicht innegehalten werden, oder daß der Bau nicht regelmäßig fortgesetzt, oder daß der eröffnete Betrieb während der Dauer der Genehmigung nicht ordnungs⸗ mäßig aufrechterhalten wird, kann die Erlegung von Geldstrafen und Sicherstellung hierfür gefordert werden.“
Ministerial Director Brefeld bittet, diesen Antrag abzulehnen, weil die zu sehr gehäuften Fristbestimmungen und Geldstrafen der Entwickelung der Kleinbahnen hinderlich sein könnten. .
Abg. Simon Waldenburg (ni.): Durch unzwechnäßige Frist⸗ bestimmungen könne der Bahnbau selbst oft verzögert werden. koͤnnten z. B. durch starke Regengüsse die Erdarbeiten zerstört er e die Vorarbeiten müßten noch einmal begonnen werden und die Fri koͤnne infolge deffen nicht eingehalten werden. Deshalb, glaube er,
Diese
sei es durchaus . den Beginn des Bahnbaus festzustellen,
jel richtiger sei es, die Frist feststellen zu lassen für die Beendigung 3 ö und für den Beginn des Betriebs, dies könne man mit einiger Sicherheit vorherbestimmen. S 10 wird unverändert angenommen. zu § 11 beantragt Abg. von Strombeck folgenden Zusatz:ꝰ . . ; Die Ertheilung der Genehmigung ist auf Kosten des Unter⸗ nehmers von der Behörde sofort öffentlich bekannt zu machen.“ Abg. von Strom beck (Centr.) empfiehlt seinen Antrag. Es müsse den Genehmigungsbehörden die Verpflichtung auferlegt werden, die Concessionsbedingungen zur möglichst allgemeinen Kenntniß zu bringen. Das sei auch besonders für den Grund besitz wicht um der Speculation keine Gelegenheit zu großen Güterkäufen zu geben. Der Antrag von Strombeck wird abgelehnt. 8 11 wird unverändert genehmigt, ebenso 8 12. Darauf wird gegen 4 Uhr die weitere Berathung vertagt.
Etatistit und Volkswirthschaft.
Arbeiterwohn ungen.
Die gemeinnützige Baugesellschaft in Malstatt⸗Burbach hat, nachdem von ihr bereits im vorigen Jahre drei Arbeiterhäuser fertig⸗ gestellt und Arbeitern zur Benutzung überwiesen worden sind, auch in diesem Jahre wieder eine gleiche Anzahl von Arbeiterwohngebäuden in Verding gegeben, und es liegen drei fernere Anträge auf Ueber- wei sung 1 Häuser vor. Eine Berliner Baugesellschaft hegt den Plan, die im östlichen Theil der Stadt Trier, im sogenannten Gartenfeld, gelegenen, noch nicht bebauten Ländereien anzukaufen, um daselbst billige Lr mr für Beamte zu errichten.
Sparkassen in Bayern.
Die Zahl der Sparkassen in Bapern betrug am Ende des Jahres 1890 314 gegen 311 am Ende des Vorjahres. Gegen den Stand am Schlusse des Jahres 1880 wo 264 Sparkassen vorhanden waten, haben sie sich um 50 oder 18,9 0,0 vermehrt. . .
In Bayern trifft nach dem neuesten Stande eine Sparkasse auf 17818 Einwohner (gegen 17777 des Vorjahres und gegen 20018 am Schlusse des Jahres 1880). Oberbayern hat die wenigsten Sparkassen; hier kom]mmen auf 28 286 Ein⸗ wohner eine Sparkasse; die meisten hat Unterfranken, wo eine Sparkasse auf 13 744 Einwohner kommt. Der Fläche nach kommt im Königreich eine Sparkasse auf 241.7 qkm (gegen 243,9 qkm) am Schlusse des Vorjahrs und gegen 287.3 km am Schlusse des Jahres 1880). Der Fläche nach hat die meisten Sparkassen die Pfalz, wo auf eine 121 km kommen, die wenigsten Oberbayern, wo auf eine 428,8 qkm kommen. Oberbayern ist also nach der Einwohnerzahl wie nach der Fläche mit Sparkassen am geringsten ausgestattet.
Neben den Sparkassen kommen aber als Spargelegenheiten auch noch die Annahmestellen in Betracht, deren es (außer den Kassen) im Jahre 1890 noch 392 gab. Zählt man die Kassen und die Annahme⸗ stellen zusammen, so gab es also im vorigen Jahre 706 Spargelegen⸗ heiten. Der Fläche nach hatte die Pfalz an solchen die meisten (34,5 qkm), Oberbayern die wenigsten (388.9 km); für das ganze Königreich fiel eine Spargelegenheit auf 1975 km. .
Die Einlagen beliefen sich am Ende des Jahres 1890 auf 184 1066 988 60 gegen 172365 534 ½ am Schlusse des Vorjahrs, sodaß sich also in diesem einen Jahr das Sparvermögen um 11711 454 ½ (oder 6,8 oo) vermehrt hat. Gegen den Abschluß des Jahres 1880 beträgt die Vermehrung 94 851 635 S6, gegen 1869 735 bot 63 . ö
Im Jahre 1890 wurden inel. der kapitalisirten Zinsen eingelegt 44038396 S (gegen 42 509161 4 im Jahre 1889 und 21 206 9665 6 im Jahre 1880); die Rückzahlungen betrugen 32 296 942 ½ bezw. 29 815 139 60 bezw. 15 278 919 40 ö . .
Das auf den Kopf der Bevölkerung entfallende Gesammtspar⸗ kapital berechnete sich Ende 1869 noch auf 10,1 16, 1880 auf 16,9 46, 1889 auf 31,2 6 und am Schluß des Jahres 1890 auf 32,9 6
Wie für die Spareinlagen, so ist auch hinsichtlich der Zahl der Einleger eine fortwährende Zunahme zu verzeichnen. Im Jahre 1869 gab es 276 098 Einleger, 1880: 320 246; 1889: 558 507 und 1890: 576 325. Auf 100 Personen der Bevölkerung gab es 1880 rund 5 Einleger, 1839 und 1890 rund 10 Einleger.
Auf 1 Einleger entfiel ein Durchschnittskapital von 177 6 im Jahre 1869; von 278 ½ im Jahre 1880; von 309 6 im Jahre 1889 und von 319 16 im Jahre 1899. .
Der von den Sparkassen gewährte Zinsfuß belief sich durchschnitt⸗ lich auf 31 0 gegen 3 C des Vorjahres. Das Sparvermögen ist hauptsächlich in Hypotheken, in Schuldverschreibungen bayerischer Gesellschaften und Creditinstitute. sowie in Schuldverschreibungen von juristischen Personen und vom Staat angelegt.
Zur Arbeiterbewegung.
Die Ausständigen in Barcelona haben die Vermittelung des Gouverneurs nachgesucht und die sofortige Wiederaufnahme der Arbeit in Aussicht gestellt, wenn die Arbeitgeber die Wiederanstellung sämmtlicher Ausständigen ia sichern wollten; diese aber haben entschieden abgelehnt. Wie „H. T. B.“ meldet, hat der General⸗Capitän die Fabrikanten für heute Abend zu einer Conferenz einberufen. Der Ausstand umfaßt zwei Drittel Cataloniens, Saragossas, Valencias und einen Theil von Valladolid. Die Ausständigen haben eine Straßen⸗ manifestation in der Stärke von 40 009 Mann angekündigt. Der General⸗-Capitän hat dem Arbeiter⸗Ausschuß eröffnet, daß er bei der geringsten Unordnung die Cavallerie einhauen und die Infanterie schießen lassen werde. .
Ueber den jüngst abgehaltenen internationalen Berg⸗ arbeiter-Congreß in London wird der „Köln. 3.“ noch berichtet:
Die Meinungsverschiedenheit, die sich zwischen den festländischen und den englischen Theilnehmern über die Frage herausgestellt hatte, ob für die oberirdisch an den Gruben beschäftigten Arbeiter dieselbe Beschränkung der Arbeitszeit gelten solle, wie für die eigentlichen Grubenarbeiter, fand bei der Abstimmung über die einschlägigen Anträge dadurch Ausdruck, daß die festländischen Vertreter, die für die Bejahung der Frage eintraten, mit 18 gegen 45 Stimmen der Engländer in der Minderheit verblieben. Um aber den Gegensatz der Ferm nach auszugleichen, wurde die Sache dem eschaftlichen Ausschuß überwiesen, der erklärte, daß die englischen Vertreter, da sie kein Mandat wegen der . der ober⸗ irdisch beschäftigten Arbeiter hätten, neutral blieben. urch einen ferneren 3 wurde die Lösung der Frage dem nächsten Tongreß anheimgestellt. Auch der ursprüngliche Vorschlag, daß ein internationaler Ausstand zur Herbeiführung einer Beschränkung der Arbeitestunden beschlossen werden solle, wurde im Laufe der Ver—⸗ handlungen allmählich abgeschwächt. Erst handelte es sich ganz einfach um einen internationalen Ausstand. Dann wurde erklärt, es ei möglicherweise ein solcher Ausstand nothwendig, doch sollten die Regierungen der verschiedenen Länder erst darum angegangen werden, eine über acht Stunden hinausgehende Beschäftigung der Gruben⸗ arbeiter zu verbieten. Am Ende aber wurde beschlossen, der Congreß sei der Ansicht, daß alle Grubenarbeiter die Sache gründlich erörtern sollten und daß guter Grund vorhanden sei, einen allgemeinen Aus⸗ stand vorzubereiten, wenn eine gesetzliche Feststellung des achtstündigen
rbeitstages nicht erreicht werde. . Der dritte pfälzische Arbe itert ag, der kürzlich in Kaisers⸗ lautern abgehalten wurde, war, wie dem „Vorwärts“ berichtet Mrd von 68 Delegirten besucht, die 31 Orte vertraten. Aus dem Bericht des Agitations⸗EComites geht hervor, daß 74 Volkeversamm⸗ lungen in der Pfalz stattfanden. Um die Agitation noch mehr zu fordern, ersetzte man den ÄÜgitations verein? durch eine beweg—
lichere Organisatien, nämlich durch ein Agitations⸗Comitè, das vom Vorort gewählt wird, und auch Bezirks⸗Comités, die von den Parteigenossen in den einzelnen Wahlkreisen er⸗ nannt werden und mindestens alle sechs Monate eine Conferenz der r gr ihres Bereichs einzuberufen haben. Den Vorort be⸗ timmt der Arbeitertag; für diesmal wurde als solcher wieder Ludwigshafen gewählt. Endlich beschloß man, auf dem nächsten . der deutschen Socialdemokratie zu beantragen, daß der
arteivorstand eine gemeinverständliche Broschüre herausgebe, welche die wesentliche Thätigkeit des Reichstags in der verflossenen Legislatur⸗ periode behandelt.
Aus Bochum wird der Voss. vis unter dem 12. d. M. be⸗ richtet; Im benachbarten Günigfeld fand heute der Verbands⸗ tag christlich⸗socialer Arbeiter der Mark statt. Es waren Vertreter von zwölf Vereinen mit ungefähr 1209 Mitgliedern er⸗ schienen. Als Hauptredner sprach Fabrikbesitzer Tumbült⸗Münster über die Aufgabe der christlich⸗socialen Arbeitervereine. Der social⸗ demokratische Zukunftsstaat würde das Loses der Arbeiter in keiner Weise verbessern, vielmehr verschlechtern. Die Arbeiter möchten dem Wege folgen, den Seine Majestät der Kaiser vorgezeichnet habe, dann würden sie und ihre Familien in guter Obhut sein.
In Groß⸗Beeskerek (Ungarn) steht, wie wir dem Vor⸗ wärts“ entnehmen, ein Strike der Tischler in Aussicht, deren Lage sehr ungünstig sein soll. Die regelmäßige Arbeit beträgt 127 Stunden, doch wird meist 14 und mehr Stunden täglich ge⸗ arbeitet für einen Lohn von 4 bis 9 Fl. in der Woche. Die dort beschäftigten 45 Tischlergehilfen fordern Einführung der zehnstündigen Arbeitszeit und 20 0 Lohnerhöhung. Wenn diese Forderungen bis 18. Juni nicht bewilligt werden, wollen sie die Arbeit niederlegen.
Land⸗ und Forstwirthschaft.
Bullenhaltung.
Aus dem Regierungsbezirk Trier wird geschrieben: Das Gesetz, betreffend die Verpflichtung der Gemeinden in den Landkreisen der Rheinprovinz zur Bullenhaltung, vom 27. Juni 1890, welches unter anderm vorschreibt, daß für jedes volle oder angefangene Hundert von Kühen, bezw. Rindern mindestens ein Bulle in jeder Gemeinde vorhanden sein muß, und welches zwei bisher im hiesigen Bezirk noch weit verbreitet gewesene Formen der Stierhaltung, nämlich das sogenannte Reihumhalten der Stiere und das Vergeben der⸗ selben an den Mindestfordernden, verbietet, ist im wesent—⸗ lichen zur Durchfübrung gelangt. Alle diejenigen, welche mit den ländlichen Verhältnissen vertraut sind, insbesondere auch die einsichtigeren Landwirthe, haben den Erlaß des Gesetzes mit Genug—⸗ thuung begrüßt und sind der Ueberzeugung, daß seine Durchführung zur Hebung der Rindviehzucht in bedeutendem Maße beitragen wird. Es ist anzuerkennen, daß auch die Gemeinden in der Beseitigung der bisherigen Formen der Bullenhaltung und in der Einstellung der erforderlichen Zahl von Bullen sich im allgemeinen willfährig gezeigt haben. Wenn bis jetzt noch nicht in allen Gemeinden die gesetz⸗ liche Zahl von Bullen eingestellt ist, so ist dies theilweise auf den Umstand zurückzuführen, daß infolge des Gesetzes eine das Angebot weit übersteigende Nachfrage nach guten Zuchtbullen hervorgetreten ist und es nicht zweckmäßig erscheinen konnte, die Gemeinden zum Ankauf minderwerthiger Wie? oder zur Zahlung unverhältniß⸗ mäßig hoher Preise zu nöthigen. Voraussichtlich wird es aber im Laufe dieses Jahres gelingen, die in dieser Be⸗ ziehung noch vorhandenen Lücken auszufüllen. Daß verschiedentlich in den gebirgigen Theilen des Bezirks von der Befugniß, Gemein den unter besonderen Verhältnissen zu Bullenhaltungsverbänden zu vereinigen, Gebrauch gemacht werden mußte, ist in der Leistungsünfähig⸗ keit der betreffenden Gemeinden und dem geringen Viehbestande in einzelnen derselben begründet. Fast überall sind durch die Kreisver⸗ tretungen Geldmittel bewilligt und außerordentliche Maßnahmen ge— troffen worden, um die Einführung des Gesetzes zu erleichtern und leistungsunfähige Gemeinden zu unterstützen, und auch die Provinzial⸗ verwaltung hat für die nämlichen Zwecke Geldmittel in nicht unerheb— lichen Beträgen bereit gestellt.
Aus Oppeln wird uns geschrieben: Die Ergebnisse der letzten Pferdemusterung sind zwar noch nicht zusammengestellt, es läßt sich indessen schon jetzt übersehen, daß das Pferdematerial sich seit der letzten Musterung im großen Durchschnitt nicht unwesentlich ge⸗ bessert hat.
Handel und Gewerbe.
Tägliche Wagengestellung für Kohlen und Koks an der Ruhr und in Oberschlesien. An der Ruhr sind am 13. d. M. gestellt 10 120, nicht rechtzeitig gestellt keine Wagen. . In Oberschlesien sind am 11. d. M. gestellt 3247, nicht rechtzeitig gestellt keine Wagen.
Zwangs -⸗Versteigerungen.
Beim Königlichen Amtsgericht 1 Berlin standen am 13. Juni die nachverzeichneten Grundstücke zur Versteigerung: Am Chamijsoplatz 3, der Frau P. Tempelhagen, geb. Mathis, gehörig. Mindestgebot 53 215 6 Für das Meistgebot von 53 250 ½ wurde die Actiengesellschaft für Grundbesitz und Hypothekenverkehr zu Berlin Ersteherin. — Swine münderstraße und Ecke Ramlerstraße, dem Bauunternehmer Qtto Hilde⸗ brandt gehörig. Mindestgebot 153 900 6. Für das Meistgebot von 210 000 S wurde der Steinsetzmeister Albert Brahme, riejener⸗ straße 40, Ersteher.
— Deutsche Lebensversicherung Potsdam. Wie sich aus dem Geschäftsbericht für 1891 ergiebt, waren einschließlich der aus 1890 unerledigt übernommenen Anträge zu erledigen:; 4017 Anträge mit 9327 507 66 Kapital und 3317.65 (66. Jahres- rente. Von diesen gelangten zum Abschluß: 3108 Policen mit 6976 307 4 Kapital und 3 317, 5 6 Jahresrente; abgelehnt oder zurückgezogen wurden 490 Anträge mit 1 352 450 6; nicht in Kraft getreten sind 326 Policen mit 678 550 ιο, und auf das Jahr 1892 übertragen 93 Anträge mit 320 200 S½ Durch Ablauf, Ableben, Rückkauf und Wiederaufgabe der Versicherung sind erloschen 2674 Policen mit 5 313 2435 (6 Kapital und 124,50 . Jahresrente. Demgemäß stellt sich der Versicherungsbestand Ende 1891 auf 40 874 Policen mit 73 109 238 M Kapital und 28 463,55 S Jahresrente, erfuhr mithin in dem abgelaufenen Jahre eine Erhöhung von
434 Policen mit JL 663 054 6 Kapital und 31953, 15 6 Jahresrenten.
Die Prämien⸗Einnahme weist wiederum eine erhebliche Steigerung auf, 59 648,36 ½ , und erreicht dadurch die Höhe von 2434 449, 86 4606 Ebenso ergiebt die Zinseneinnahme ein Mehr von 32 108,33 M½ und eine Gesammtziffer von 478 560,46 6, was einem durchschnittlichen Zins⸗ ertrag von 4,31 0ο gleichkommt. Die gesammte Jahreseinnahme beziffert sich bei einem Zuwachs von 110 620,37 M auf 2987 227,66 6 Das Activvermögen erreichte die beträchtliche Steigerung von mehr denn einer Million und dadurch eine Höhe von 13 691 105,89 . Die Prämienreserve wuchs um 1 044 116,15 M auf 12 532 233,55 0 und deckt demnach 17.142 0, des Versicherungsbestandes, gegen 16,979 im Vorjahre. Für Provisionen, Arzthonorare und Verwaltungskosten wurden 450 496 45 e verausgabt — 1398 do der Jahreseinnah me, gegen 15,54 0 im Vorjahre. Die Sterblichkeit verlief nicht ungünstig; zwar starben von den auf Todesfall Versicherten 32 Personen mehr, als nach der Wahrscheinlichkeitsrechnung zu erwarten war, allein zur Auszahlung dieser Todesfälle war gleichwohl 82 237 0 Kapital weniger aufzuwenden, als nach der Wahrscheinlichkeitsrechnung. Der Gewinnüberschuß aus dem Jahre 1891 mit 190 684577 40 wird wie folgt zu vertheilen sein: a. nach §5 46a des Statuts 10 90 mit 19068,47 M an den Sicherheitsfonds. Von dem sodann verbleibenden Betrage von 171 616.30 6 b. nach S 46b, e und d des Statuts Tantième an das Curatorium, die Direction und die Inhaber der Garantiescheine 20 593,94 6, c. an die Extra⸗Reserve für zweifelhafte Forderungen ebenso wie in den
Vorjahren 15 00 mit 25 742.44 6, d. 125 279 92 M Gewinnantheil der Versicherten, der gemãß § 47 des Statuts in 1893 als Dividende ur Vertheilung gelangt. Die Dividende, die in 1891 aus dem Ueber⸗ ö. des Jahres 18539 an die gewinnberechtigten Mitglieder zur Vertheilung gelangte, betrug 1 7509 der Prãmienreserve (1899: 1,75 Go; 1889: 1,50 0569). er Vermögensbestand der Gesellschaft ist wie folgt angelegt: a. in pupillarisch sicheren Hypothekenforderungen 8949 171,35 Mark, b. in deutschen Staats⸗ und Communalpapieren, Pfandbriefen und vom Staate garantirten Eisenbahn⸗Prioritäts⸗Obligationen 1212575 6 zum Buchwerth von 1203 94603 ½ und an Stäück⸗ zinsen 5481, 13 9 — 1209 427,16 S, e. in en, n. auf . an die Versicherten 1 650 620,03 , d. in Guthaben, in echseln, in Darlehnen zu Diensteautionen und an versicherte Beamte 87 270,99 S6, e. in Grundftücken und Inventarien 686 893,22 M, f. in gestundeten Pnrämienraten wegen Terminalzahlung 1 004 503, 35 , g. als Garantiẽwechsel und Kassenbestand 423 184,98 , h. in sonstigen Außenständen und Forderungen 180 034,81 ö
— Berliner Gußstahlfabrik und Eisengießerei⸗ Actiengesellschaft. Nach dem Geschäftsbericht pro 1891/92 blieb der auf 791 855 M sich beziffernde Umsatz nur um 749 M gegen den des Vorjahres zurück. Abzüglich des vorjährigen Gewinnvoet ages von 9874 S und nach Kürzung der üblichen Abschreibungen, die 1 auf 33 133 66 beziffern, beträgt der Reingewinn 890 844 6 Na Dotirung des Reservefonds mit 4042 . und nach Zahlung der statutenmäßigen Tantiemen an Aufsichtsrath und Direction soll eine Dividende von 6 0 — 66 000 0 an die Actionäre zur Vertheilung gelangen und der Rest von 106975 6 auf neue Rechnung vorgetragen werden. Der Reservefond erhöht sich durch Zuweisung der diesjährigen statutenmäßigen Rückstellung auf 17 286
— aschinen⸗ und Armaturenfabrik vormals C. Louis Strube, Actiengesellschaft. In der gestern ab⸗ gehaltenen Sitzung des Aufsichtsraths legte die Direction den Ab⸗ schluß pro 1891 92 vor, der einen Reingewinn von 155 279 60 (1896/91 170 545 6) aufweist. Es wurde beschlossen, der am 7. Juli er. in Buckau stattfindenden Generalversammlung die Ver⸗ theilung einer Dividende von 90½ (1890791 10 0½G) vorzuschlagen.
— Vereinigte Pommersche Eisengießerei und Hallesche Maschinenbau-⸗Anstalt vorm. Vaaß und Litt⸗ mann. In der am Sonnabend in Halle a. S. abgehaltenen außer⸗ ordentlichen Generalversammlung wurde nach eingehenden Erörterungen der Vorschlag der Verwaltung, das Grundkapital der Gesellschaft um 600 000 S durch Rückkauf, nicht über pari, herabzusetzen, einstimmig zum Besckluß erhoben. Der Rückkauf soll seiner Zeit durch öffentliche Submission erfolgen.
— Vom rheinisch-westfälischen Eisen⸗ und Stahl⸗ markt berichtet die Rhein.Westf. Ztg.“: Die im letzten Bericht angedeutete Besserung anf dem rheinisch⸗westfälischen Eisenmarkt scheint in der abgelaufenen Woche im wesentlichen angehalten zu haben, wenn auch energische Fortschritte nicht gerade zu verzeichnen sind. Festgestellt wurde in vielen Fällen, daß die Käufer bereits mit der Sachlage rechnen und die verlangten Preise williger zahlen. Die Tendenz der Preise, die lange genug unlohnend und gedrückt waren, ist, im allgemeinen genommen, eine steigende. In Eisenerzen war unser Markt etwas lebhafter; eine Besserung der Nachfrage wird im Siegerlande um so leichter verspürt, als die Gruben noch immer mit beschränkter Förderung arbeiten. Die Absatzverhältnisse von Luremburg-Lothringer Minette sind noch immer unregelmäßig und auch spanische Erze sind flau, doch konnten sich die gen leidlich behaupten. Auf dem Roheisenmarkt ist in der letzten Woche von einer Besserung nicht viel zu merken gewesen, doch liegen die Verhält⸗ nisse im ganzen und großen wie in der Vorwoche. ie Preise sind: im allgemeinen genommen, noch wenig lohnend. Spiegeleisen hat, trotzdem das Geschäft ruhiger ist, um ein Geringes angezogen; die übrigen Sorten haben sich in ihren bisherigen Absatzverhältnissen gehalten. Für viele Hochöfen reichen die augenblicklichen Aufträge für den regel⸗ mäßigen Betrieb noch nicht aus Der Walzeisenmarkt zeigt im wesentlich eine entschieden bessere Tendenz; es scheint sich auch unter den Abnehmern allmählich die Ansicht Bahn zu brechen, daß es mit den bisherigen Schleuderpreisen zu Ende ist. Hier und da sind denn auch bereits mäßige Preiserhöhungen erzielt worden, die weniger in den officiellen Notirungen, als in der Verminderung der bisher ge⸗ währten Preisnachlässe ihren Ausdruck finden. Stabeisen wird trotz der Erhöhung noch immer ziemlich billig abgegeben, wenn auch nicht mehr zu den früheren Schleuderpreisen und die Zahl der eingehenden Aufträge ist eine befriedigende. Formeisen ist, obwohl etwas bessere Preise gezahlt worden, des großen Wettbewerbs wegen noch in starkem Mißverhältniß zu den lte sr en kosten und von der Bildung einer Vereinigung ist bis jetzt nichts ver⸗ lautet, dagegen erfreut sich Bandeisen einer anhaltend guten Nach⸗ frage bei festen Preisen. Die Grobblechwalzwerke sind ohne Aus⸗ nahme gut beschäftigt und, da die Preise lediglich der außerhalb des Verbandes stehenden Werke wegen bis jetzt außerordentlich niedrig gehalten werden mußten, so ist es nicht unwahrscheinlich, daß in der nächsten Zeit eine Erhöhung derselben eintritt. Gerade in der letzten Woche hat sich die Nachfrage noch wesentlich verstärkt und die Besteller machen sich daher schon selbst auf Preiserhöhungen gefaßt, um so mehr, als man auf beiden Seiten dem gegen wärtigen lebhafteren Verkehr längere Dauer verspricht. Einzelne Walzwerke haben bereits Aufträge für zwei Monate gebucht und die unterste Preisgrenze wird schon jetzt nicht mehr bei Aufträgen zu Grunde gelegt. Feinbleche sind lebhafter gefragt und, wie bereits im vorigen Bericht mitgetheilt wurde, ist es den Werken auch bereits gelungen, bessere Preise zu erzielen. Es bezieht sich dies sowohl auf die rheinischen wie auch auf die Siegener und Lenne⸗ distriete. Die Besserung im Walzdrahtgeschäft hat ebenfalls dahin geführt, daß das Erzeugniß nicht mehr zu den früheren verlust⸗ bringenden Preisen abgegeben wird. Gezogene Drähte sind weniger begünstigt und Drahtstifte zu den bisherigen niedrigen Sätzen stark vernachlässigt. Dasselbe ist auch für Nieten der 5. Die Eisengießereien und Maschinenfabriken sind ungleich⸗
mäßig beschäftigt; anhaltend gut, vorläufig wenigstens, die Bahn⸗ wagenanstalten.
— Bochumer Bergwerks-Aetiengesellschaft. In der am Sonnabend abgehaltenen Generalversammlung wurden alle An⸗ träge der Verwaltung genehmigt; insbesondere ist zu erwähnen, daß der Antrag, bett Aufnahme einer Hypothekaranleihe von 1 250000, die Zustimmung der Actionäre fand.
— Vom Ruhrkohlenmarkt schreibt die K. Ztg.“: Die Lage des Ruhrkohlenmarktes zeigt noch keine entscheidende Wendung; es mehren sich jedoch die . auf eine etwas günstigere Ge⸗ staltung desselben, wenigstens ist die Stimmung sowohl bei Käufen wie bei Verkäufen weniger gedrückt. Der Versand ist lebhafter ge⸗ worden und die Abnahme, besonders bei den Eisenwerken, läßt nichts zu wünschen übrig. Abgesehen vom Siegerlande beziehen die Eisenwerke regelmäßig. Das Hafengeschäft lebt anscheinend etwas auf. Der herrschende Charakterzug der letzten Mo⸗ nate, nämlich die große Verschiedenheit in der Beschäftigung zwischen den besseren und weniger guten Marken, hält auch zur Zeit 5 an; die Unterschiede in der Beurtheilung der Markt⸗ lage sind daher nach wie vor sehr verschieden. In Schwierigkeiten sind vor allem auch solche Zechen, die ihr Geschäft auf besondere Industriezweige bezw. bestimmte Gegenden gerichtet haben. Gaskohle liegt bei den besseren Marken durchaus gut, es werden 11 be⸗ willigt; für minderwerthige Sorten werden anscheinend Preiszugeständ⸗ nisse gemacht. In Gasflamm⸗ und Fettkohle scheint der Markt etwas lebhafter zu werden; die Versendungen sind sehr stark, täglich rund 10000 , . In Koks sind bedeutende Abschlüsse ge⸗ macht worden. Der Markt verspricht hier durchaus befriedigend zu werden. In Kokskohle hat eine Reihe der größten niederrheinisch= westfälischen Eisenwerke vom 1. Juli ab auf ein Jahr abgeschlossen.
— Naphtha Productisns-Gesellschaft von Gebr. Nobel. Am 11. d. M. ist in Petersburg die Generalversammlung der Naphtha⸗Productions⸗Gesellschaft von Gebr. Nobel abgehalten und
das Rechnungswerk für das Jahr 1891 genehmigt worden. Die Ge⸗ sellschaft hat für das Berichtsjahr ein weniger günstiges Betriebs⸗