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9. November, Abends.
1882.
Berlin, den 9. November.
In Gemäßheit der Allerhöchsten Verordnung vom 16. Ok⸗ tober d. J. fand heute Mittag um 12 Uhr die feierliche Eröffnung des Landtags der Monarchie, und zwar wegen des Umbaues des Weißen Saales im Rittersaale des Königlichen Schlosses, statt. .
Der der Eröffnung vorausgegangene Gottesdienst begann für die Mitglieder der evangelischen Kirche um 11 Uhr in der Dom⸗Interimskirche (Monbijouß, wo der Hof⸗ und Dom⸗ prediger Vieregge unter Zugrundelegung des Textes Philipper 3, 12 die Predigt hielt. Für die Mitglieder der katholischen Kirche fand um 11/9 Uhr in der St. Hedwigs⸗ Kirche eine Segensandacht statt. — . .
Nach Beendigung der kirchlichen Feier nahmen die Mit⸗ glieder des Landfags im Rittersaale, dem Throne gegenüber, Äufstellung. Wegen des beschränkten Raums in diesem Saale war von der sonst üblichen Einladung der Generalität, der Wirklichen Geheimen Räthe 2c. abgesehen worden. Ebenso war wegen Mangels aller größeren Tribünen im Rittersagle weder das diplomatische Corps eingeladen noch irgend welches Publikum zugelassen worden. . .
Sobald die Aufstellung vollendet war, erschienen die Staats⸗Minisler unter Vortritt des Präsidenten des Staats⸗ Ministeriums, Ministers des Innern Grafen zu Eulenburg und stellten sich links vom Throne auf. Der Präsident des Staats⸗ Ministeriums verlas hierauf die nachstehende Thronrede:
Erlauchte, edle und geehrte Herren von beiden Häusern des Landtages!
Seine Majestät der Kaiser und König haben mich mit der Eröffnung des Landtages der Monarchie zu beauftragen geruht·
In der Finanzlage des Staats, auf deren voraussichtlich ungünstige Gestaltung im Jahre 1891/92 bereits bei Ihrem letzten Zusammentritt hingewiesen wurde, ist eine Wendung zum Besseren noch nicht eingetreten.
Die Rechnung des Jahres 1891/92 hat, wesentlich infolge der Steigerung des Ausgabebedarfs bei den Staatseisenbahnen, mit einem Fehlbetrage von mehr als 42 Millionen Mark ab— geschlossen. Die erforderliche Vorlage wegen Deckung dieses Betrages durch Aufnahme einer Anleihe wird Ihnen zugehen. Auch für das laufende Jahr kann nach den bisherigen Er— gebnissen ein günstiger Abschluß nicht erwartet werden, da insbesondere die Einnahmen der Staatseisenbahnen unter der durch das Auftreten der Cholera verschärften Ungunst der wirthschaftlichen Verhältnisse nicht unbeträchtlich hinter dem Voranschlage zurückbleiben.
Wenn auch die Finanzlage bei der fortschreitenden Ent⸗
wickelung der sonstigen Staatseinnahmequellen und bei der Größe des Staatsvermögens zu keinerlei Besorgnissen Anlaß giebt, so müssen doch bei dem derzeitigen Rückgange der Ueber⸗ schüsse der umfangreichen Staatsbetriebe in dem Staatshaus— halts-Etat für 1893.94, dessen Aufstellung die Staatsregierung gegenwärtig noch beschäftigt, die Ausgaben in allen Zweigen der Staatsverwaltung mit großer Sparsamkeit unter Be— schränkung auf die dringlichsten Anforderungen bemessen und die Einnahmen aus den Betriebsverwaltungen besonders vor— sichtig veranschlagt werden.
Bei dieser Sachlage muß die Fortführung der in den letzten Jahren begonnenen allgemeinen Aufbesserung der Be— amtenbesoldungen zum lebhaften Bedauern der Staatsregierung für das Jahr 1893,94 noch ausgesetzt bleiben.
Dagegen soll das für die Unterbeamten bereits bestehende System des Aufsteigens im Gehalt nach Dienstaltersstufen zu—⸗ nächst auf die mittleren Beamtenklassen ausgedehnt und das Aufrücken von Hilfsarbeitern dieser Klassen in etatsmäßige Stellen durch Vermehrung der letzteren gefördert werden.
Die gesetzliche Feststellung der Grundsätze für die Ver⸗ anschlagung, Führung und Controle des Staatshaushalts ist inzwischen wesentlich gefördert worden, aber noch nicht zum vollen Abschlusse gelangt, sodaß Ihnen in der bevorstehenden Dagung, in welcher überdies Ihre Zeit und Kraft durch andere wichtige und dringliche Vorlagen stark in Anspruch genommen werden, ein bezüglicher Gesetzentwurf noch nicht vorgelegt werden kann.
Den bedeutsamsten Gegenstand Ihrer Berathungen wird der Abschluß der im Jahre 1890/91 begonnenen Umgestaltung des staatlichen und communalen Steuerwesens bilden.
Der zu diesem Behufe verfolgte Plan bezweckt, die in untrennbarem Zusammenhange stehenden Ziele der Reform
gleichzeitig und in vollem Umfange zu erreichen. Diese Ziele sind darauf gerichtet, unter Beseitigung der unbilligen und ungleichen Vorbelastung der Grundbesitzer und Gewerbe— treibenden und unter stärkerer Heranziehung des vererblichen Besitzeinkommens im Gegensatz zum Arbeitseinkommen, die staatlichen Steuerlasten nach Maßgabe der Leistungsfähigkeit der Steuerpflichtigen zu vertheilen, den Gemeinden neue Steuerquellen zu eröffnen und dadurch, sowie durch geeignete gesetzliche Bestimmungen zu einer gerechteren Vertheilung der Gemeindelasten unter wesentlicher Beschränkung der Zuschläge zur Einkommensteuer zu gelangen.
Eine Denkschrift wird den Gesammtplan eingehend er— läutern und begründen. Zu seiner Durchführung werden Ihnen drei Gesetzentwürfe, welche sich gegenseitig ergänzen und bedingen, zur verfassungsmäßigen Beschlußfassung vor— gelegt werden.
Der Gesetzentwurf wegen Aufhebung directer Staats⸗ steuern ist bestimmt, sämmtliche Ertragssteuern einschließlich der Bergwerkssteuer als Staatssteuern aufzugeben und die von denselben bisher getroffenen Steuerquellen den-Gemeinden zur selbständigen Benutzung frei zu lassen.
Der Entwurf eines Ergänzungssteuergesetzes soll in mäßiger Weise die nur nach Beseitigung der Bruttobesteuerung be— stimmter Vermögensarten mögliche Besteuerung des nutzbaren Reinvermögens mit Ausschluß des Mobiliars unter Freilassung des kleinen Besitzes einführen und auf diesem Wege die durch die Gerechtigkeit gebotene unterschiedliche Heranziehung des Besitzeinkommens erreichen. Der Gesetzentwurf bildet hierdurch und durch die Heranziehung von Steuerkräften, welche ihrer Natur nach von der Einkommensteuer frei bleiben, eine noth⸗ wendige Ergänzung und Ausbildung der letzteren.
Der Entwurf eines Communalabgabengesetzes regelt das Steuerwesen der Gemeinden und Verbände nach festen Ge⸗ sichtspunkten, ohne die Berücksichtigung der besonderen und verschiedenartigen Verhältnisse der Gemeinden außer Acht zu lassen. Er sucht durch erweiterte Anwendung des Grundsatzes von Leistung und Gegenleistung den Steuerbedarf der Ge— meinden zu vermindern, sorgt bei der Deckung des letzteren für die Benutzung der durch die Ueberlassung der Realsteuern eröffneten Steuerquellen und sichert auf diese Weise, unter Wahrung freien Spielraums für die Selbstverwaltung, eine richtigere Vertheilung der Gemeindelasten bei angemessener Berücksichtigung der Verwendungszwecke.
Wenn auch durch die Reform nicht eine Vermehrung der Staatseinnahmen, noch eine Erhöhung der Steuerlast, sondern lediglich eine bessere Ordnung des gesammten directen Steuer⸗ wesens erreicht werden soll, so muß doch nach der Lage der Finanzen des Staats für den Ausfall voller Ersatz geschaffen werden, welcher durch den Verzicht auf die Realsteuern im Betrage von etwa 102 Millionen Mark erwächst.
Dazu sollen die im voraus hierfür bestimmten Mehr— erträgnisse der Einkommensteuer, die bisherigen Ueberweisungen aus den Getreide- und Viehzöllen an die Kreise, für welche diese und die Gemeinden durch die Freigabe der gesammten Realsteuern vollen und gesicherten Ersatz erhalten, sowie das Aufkommen aus der Ergänzungssteuer dienen.
Aus der wesentlichen Uebereinstimmung mit den dar⸗ gelegten Zielen der Steuerreform, welche bei den Berathungen über das Einkommensteuergesetz und des Gewerbesteuergesetzes im Landtage hervorgetreten ist, schöpft die Staatsregierung die zuversichtliche Hoffnung, daß es gelingen werde, auch über die jetzt vorgelegten Entwürfe zu einer vollen Einigung zu gelangen. ;
Der geplante Fortfall der staatlichen Realsteuern ist von erheblichem Einflusse auf die Bildung der Urwähler⸗Abtheilungen für die Wahlen zum Hause der Abgeordneten und der Wahl⸗ abtheilungen für die Wahlen von Gemeindevertretungen. Die dadurch und infolge der Veranlagung der neuen Einkommen⸗ steuer eintretende Verschiebung in der Abstufung des Wahl⸗ rechts bedarf der Abhilfe. Zu diesem Zwecke wird Ihnen eine Gesetzvorlage so bald als thunlich zugehen.
Wegen der Verwendung des bis zum Inkrafttreten der Gesetzentwürfe über die Steuerreform gesammelten Fonds aus den Mehrerträgnissen der Einkommensteuer werden Ihnen besondere Vorschläge unterbreitet werden.
Dabei wird auf die Verbesserung der Lage der Volks⸗ schullehrer und auf die Erleichterung der Schullasten der Ge⸗ meinden Bedacht genommen werden.
Vorschläge wegen Erweiterung, Vervollständigung und besserer Ausrüstung des Staatseisenbahnnetzes werden Ihnen auch in diesem Jahre, wenn auch in einem durch die Finanz⸗ lage des Staats beschränkten Umfange zugehen.
Meine Herren, indem ich Sie einlade, Ihre Arbeiten wieder aufzunehmen, gebe ich der Zuversicht Ausdruck, daß unter Gottes Segen auch in der bevorstehenden Tagung Ihre Berathungen und Beschlüsse das Wohl und Gedeihen des Landes fördern werden. ;
Auf Befehl Seiner Majestät des Kaisers und Königs er⸗ kläre ich den Landtag der Monarchie für eröffnet.
Hierauf brachte der Präsident des Hauses der Abgeord⸗ neten von Koeller das Hoch auf Seine Majestät den Kaiser und König aus, in. das die Versammlung be— geistert einstimmte.
Seine Majestät der König haben Allergnädigst geruht:
dem Oberst⸗Lieutenant von Palszieux gen. Falconnet, Flügel-Adjutanten Seiner Königlichen Hoheit des Großherzogs von Sachsen, die Schleife und die Königliche Krone zum Rothen Adler⸗Orden dritter Klasse,
dem Rechtsanwalt und Notar, Justiz-Rath Mangels⸗ dorff zu Graudenz und dem Ersten Secretär bei dem Landesdirectorium der Fürstenthümer Waldeck und Pyrmont, Kanzlei⸗Rath Krafft zu Arolsen den Rothen Adler-Orden vierter Klasse,
dem Geheimen Rechnungs⸗Rath Seidel, Vorsteher des Postanweisungsamts zu Berlin, den Königlichen Kronen⸗Orden dritter Klasse,
dem Eisenbahn⸗Verkehrs⸗Controleur a. D. von St aszewski zu Kreuznach, bisher zu Saarbrücken, und dem Ober⸗Tele⸗ graphen⸗Assistenten Richter zu Charlottenburg den Königlichen Kronen⸗Orden vierter Klasse, den emeritirten Lehrern Buchholz zu Groß⸗Tetzleben im Kreise Demmin, Schäper cla us zu Wetter im Landkreise Hagen und Grunau zu Seekampen im Kreise Stallupönen den Adler der Inhaber des Königlichen Haus⸗Ordens von Hohenzollern, sowie ö.
dem Werkführer Louis Schendel zu Züllichau das Allgemeine Ehrenzeichen zu vekleihen.
Seine Majestät der König haben Allergnädigst geruht: dem Ober⸗Hofmeister Ihrer Kaiserlichen Hoheit der Frau Großherzogin von Mecklenburg⸗Schwerin, Grafen von Bassewitz den Königlichen Kronen⸗-Orden erster Klasse zu verleihen.
Seine Majestät der König haben Allergnädigst geruht:
den nachbenannten Personen die Erlaubniß zur Anlegung
der ihnen verliehenen nichtpreußischen Insignien zu ertheilen, und zwar:
des Ritterkreuzes erster Klasse des Königlich württembergischen Friedrichs-Ordens und des Ritterkreuzes erster Klasse des Großherzoglich sächsischen Haus-Ordens der Wachsamkeit oder vom weißen Falken: dem Director des Goethe⸗ und Schiller⸗Archios in Weimar, Professor Dr. Suphan; des Commandeurkreuzes erster Klasse des Herzoglich sachsen⸗ernestinischen Haus⸗Ordens: dem Kammerherrn und Schloßhauptmann von Benrath Freiherrn Roth von Schreckenstein; des Ritterkreuzes erster Klasse desselben Ordens: dem Kammerjunker von Humbracht; der goldenen Medaille des Herzoglich anhaltischen Haus⸗Ordens Albrecht's des Bären: dem Haushofmeister Ihrer Königlichen Hoheit der Frau Prinzessin Luise von Preußen Schultze; ferner: des Großoffizierkreuzes des Königlich nieder⸗ ländischen Ordens von Oranien-Nassau: den Ceremonienmeistern Lebrecht von Kotze und Frei⸗ herr von Schrader; des Commandeurkreuzes desselben Ordens: dem dienstthuenden Kammerherrn Ihrer Königlichen Hoheit ö. . Prinzessin Friedrich Leopold von enen von rotha;