vermögens von einer Million 500 4 baar zahlt, ist das eine so drückende Steuerlast? Meine Herren, ist die Vermögenssteuer etwa schwieriger zu veranlagen wie die Einkommensteuer? Ich behaupte, die Ermittelung des Einkommens und seine Unterscheidung von Ver⸗ mögenszuwachs ist in vielen Fällen viel schwieriger als die Ermitte⸗ lung des gemeinen Werthes eines Objects. Setzt die Vermögens steuer tiefes Eindringen in die Familienverhältnisse voraus? Nein, meine Herren, denn wir haben das ganze Mobiliar freigelassen. Ge⸗ wiß setzt die Vermögenssteuer eine Declaration des Vermögens⸗ bestandes voraus; aber, meine Herren, haben wir die denn nicht schon im wesentlichen? Grund und Boden ist katastrirt; das gewerbliche Anlage⸗ und Betriebskapital wird bereits bei der Gewerbesteuer er⸗ mittelt und den Kapitalbesitz kann man doch einigermaßen schätzen nach dem bis jetzt declarirten Zinsenertrag. Also so geheimnißvolle Dinge kommen durch die Vermögenssteuer garnicht ans Tageslicht. Endlich, meine Herren, wozu wird nun diese Vermögenssteuer überhaupt erhoben? Sie wird erhoben, um den Verzicht des Staats auf die Realsteuern zu ermöglichen; ihre Erträgnisse fließen nicht in die Staatskasse, sondern in Form der Steuerquelle der Realsteuern der Gemeinde zu. Und welchen Zweck verfolgen diese Steuerquellen in den Gemeinden? Die Personalzuschläge in den Gemeinden zu ver⸗ mindern, meine Herren; der Grundbesitzer wird im Staat voll ent⸗ lastet, wird zum theil durch die Vermögenssteuer, zu einem anderen Theil durch die Communalsteuer in den Communen stärker als bisher herangezogen. Der Gewerbetreibende wird von der Gewerbesteuer befreit und wird auch in der Commune etwas schärfer herangezogen werden wie bisher, in den meisten Communen aber gewiß auch nicht zum vollen Betrage. Der Kapitalist, meine Herren, wird allerdings zum ersten Mal mit der Vermögenssteuer heran⸗ gezogen, und er findet in der Staatssteuer keine Entlastung. Aber, meine Herren, mit Recht; denn er hatte ja in der Staatssteuer bisher keine Vorbelastung. Aber, wo er entlastet wird, das ist in der Ge⸗ meinde. Ich habe ja gerade ausgeführt, daß das ganze System, welches wir verfolgen, die Realsteuern in der Gemeinde in den Vordergrund zu schieben, nothwendig zur Verminderung der Einkommen⸗ steuerzuschläge führen muß, welche Einkommensteuer nicht bloß das Arbeitseinkommen, sondern auch das Kapitalein kommen belastet. Hier haben Sie also eine Reform, aber keine neue Steuerbelastung. So liegt die Sache, und ich kann das nicht genug betonen gegenüber den fortwährenden neuen Entstellungen, mit denen ich zu thun habe.
Meine Herren, nun komme ich auf einen auch hier und da be—= strittenen Punkt; das ist der Wegfall der Einnahmen der Kreise aus den bisherigen Ueberweisungen aus den Getreide⸗ und Viehzöllen. Die sogenannte 10x Huene hat eine sehr verschiedenartige Beurthei⸗ lung erfahren. Die einen haben sie über die Maßen gepriesen als eminente Hilfe für die Kreise und die Aufgaben derselben; die anderen haben sie getadelt als ein verderbliches Geschenkssystem, welches auf die Dauer unsere Selbstverwaltung auf das äußerste gefährden muß.
Nun, wenn man die Wirkungen dieser Ueberweisungen sich an⸗ sieht, so muß man sagen: Die Wahrheit liegt in der Mitte, oder vielmehr: das eine ist wahr und das andere ist wahr. In den östlichen Provinzen der Monarchie, wo die Kreise die Hauptaufgabe tragen, namentlich für den Wegebau, und die Steuerkraft des Kreises nicht ausreicht, den Bedürfnissen in dieser Bezjehung vollständig zu genügen, hat namentlich der Wegebau durch die Zuwendungen aus den Getreide⸗ und Viehzöllen einen großen Aufschwung genommen; auch viele andere durchaus nothwendige und nützliche Unternehmungen sind lediglich diesen Ueberweisungen zu ver— danken. In anderen Theilen der Monarchie finden diese Ueber⸗ weisungen eine zweckmäßige Verwendung nicht. Wenn wir Provinzen besitzen, wo die Kreise überhaupt garkeinen Wegebau haben, nur sehr geringe andere Institute, die ganze Selbstverwaltung in den Bezirken, wie in Nassau, oder in der Provinz und in den Gemeinden liegt, wie in Rheinland, da kamen den Kreisen Zuwendungen zu, die sie weder verlangt hatten, noch eigentlich gebrauchen konnten. Es wirkte auf diese Kreise mehr oder weniger wie ein zufälliger Gewinn, der jemand in den Schooß fällt. Ja, meine Herren, da kam denn natürlich auch die Neigung, nun auch Verwendung dafür zu schaffen; da mögen auch eine Reihe Verwen⸗ dungen stattgefunden haben, die durchaus nicht durch die Nothwendig⸗ keit, selbst nicht durch die Nützlichkeit geboten waren. Mit anderen Worten, der große Mangel, welcher jeder nach einem bestimmten, mechanischen Maßstabe stattfindenden Ueberweisung von Geldern an die Communen, welche verschiedene Aufgaben, verschiedene Bedürfnisse haben, anklebt, äußert sich gerade besonders stark in diesem Falle, weil es sich um Ueberweisung an die Kreise handelte, indem die Kreise in der ganzen Monarchie eine ganz verschiedene Natur haben, in dem einen Landestheile wesentlich regiminelle Bezirke sind, in dem anderen Landestheile aber vorzugsweise wirthschaftliche Körper.
Aber, meine Herren, dennoch bin ich der Meinung, daß es schwerlich gelungen sein würde, von diesem Dotationssystem wieder herunterzukommen, wenn wir nicht die jetzige Gelegenheit benutzen, wo wir den Kreisen nicht bloß gleichen, sondern übergroßen Ersatz geben. Es giebt ja keinen Kreis — die Anlage zu der Denkschrift wird Ihnen das beweisen — in der Monarchie, dessen Steuerkräfte im Verhältniß zu den Ueberweisungen aus den Getreide⸗ und Vieh⸗ zöllen, zu 30 Millionen gerechnet, nicht verdoppelt, verdreifacht, ja ver⸗ wierfacht werden. Meine Herren, in Zukunft allerdings werden die Kreise angewiesen sein auf die Heranziehung der ihnen nun freistehen—⸗ den Steuerkräfte.
Nun, meine Herren, das ist eben der Unterschied zwischen einer Selbstverwaltung mit Dotation und einer Selbstverwaltung, die auf
hre eigenen Kräfte angewiesen ist. Wo das Geld leicht zufließt, ohne daß man dafür Opfer zu bringen scheint — ich sage: scheint, denn der Staat kann nichts vertheilen, was er nicht von den Steuer⸗ pflichtigen bekommen hat —, da sind die Ausgaben auch leicht, da entschließt man sich leicht zu Verwendungen, die man sonst wohl unterlassen würde.
Es kann sein, daß die Selbstverwaltung in den Kreisen in der ersten Zeit sich etwas verlangsamt. Man wird genauer zusehen, da unmittelbar an die Lust die Last grenzt, da an das Recht sofort eine Pflicht gebunden ist. Wenn Sie aber, meine Herren, im Privatleben eine wirthschaftliche Existenz nicht führen können, ohne daß bei der Ausgabe sich der Blick sofort auf die Einnahmen richtet und auf die Mittel, so werden Sie auch keine wirthschaftliche und geordnete Selbstverwaltung führen können, wenn Sie nicht dasselbe Princip auf diese Selbstverwaltungskörper anwenden. (Sehr richtig)
Ich betrachte daher won meinem Standpunkt aus die Aufgabe
ndern für einen
dieses Dotationssystems nicht für einen Nachtheil, so (Sehr richtig!)
Vorzug, der mit dieser Steuerreform verbunden ist. Der Herr Antragsteller, nach welchem dies Gesetz benannt wird, hat auch niemals beabsichtigt, daß dies Gesetz dauernd sein soll; es war eine provisorische Maßregel, welche nur dauern sollte, bis definitiv über die Frage der Grund. und Gebäudesteuer entschieden
Ich hoffe daher, der da⸗
werden könne. Dieser Zeitpunkt ist jetzt gekommen.
malige Herr Antragsteller selbst wird heute in Consequenz seiner damaligen Anschauung dahin mit mir übereinstimmen, daß es nun Zeit ist, von dem Provisorium abzugehen und zum Definitivum üũber⸗
Meine Herren, wenn wir das Dotationssystem, wie von einigen Seiten vorgeschlagen ist, nun gar noch auf die einzelnen Gemeinden anwenden wollten, dann würde der Nachtheil nicht bloß verdoppelt, sondern verdreifacht werden. Denn da ist einen Maßstab zu finden, ganz unmöglich; da ist die Frage der Bedürftigkeit der Aufgaben, die die Gemeinde hat, des Verhältnisses der allgemeinen Staatsaufgaben, die die Gemeinden zu erfüllen haben, und der wirthschaftlichen Auf⸗ gaben eine so unendlich verschiedene, daß zweifellos man einer großen Anzahl von Gemeinden, Städten und Landgemeinden, diese Zuwendungen machen würde, ohne daß sie sie irgendwie verwenden könnten — sie müßten denn das Geld unter sich vertheilen. Würden Summen im Betrage von 40 Millionen vertheilt werden, so würden nach den ver⸗ schiedenen Bedürfnissen die einen zuviel, die andern zu wenig erhalten. Unzufriedenheit würden Sie überall erregen und das Gefühl der Un⸗ gleichheit nach allen Richtungen steigern. Haus auch in dieser Beziehung sich den Vorschlägen der Staats⸗ regierung anschließt.
Auf die Frage der Communalbesteuerung im übrigen gehe ich nicht ein, weil dieses Gesetz zur Zeit nicht auf der Tagesordnung steht; ich will mir das für später vorbehalten.
Große Reformen sind nur dann berechtigt, wenn weitverbreitete Uebelstände in den socialen und politischen Institutionen vorhanden sind; — dann aber auch nothwendig, und man darf sie nicht scheuen. „Quieta non movere“ ist ein schönes Wort, ich sage das in vollem Auf dem Gebiet der Steuer ohne Noth rütteln, am Be⸗ stehenden und Eingewohnten, ist völlig verkehrt. Aber auf der anderen Seite, wenn man dazu genöthigt ist, wenn die Uebelstände dringend Abhilfe erfordern, wenn wir hier sogar durch das Gesetz, durch den 82 der Einkommenssteuer gesetzlich verpflichtet sind, einen tiefen Ein⸗ griff in das System der Realsteuern zu thun — dann ist es auch
Ich hoffe daher, daß das
Niemanden einen Uebergang darstellen würde, der allseitig als Uebergang empfunden würde, der die Fragen, um die es sich handelt, nicht löst, die Klagen und Beschwerden nicht beseitigt und immer zu neuer Unruhe und zu neuen Eingriffen der Gesetzgebung drängen würde; — dann ist es richtig, mit einem Schlage wirkliche Harmonie und Befriedigung in dem socialen Körper herzustellen.
Meine Herren, große Reformen sind nur möglich, wenn die Uebelstände, die Sie beseitigen sollen, allgemein erkannt sind, lebendig vor dem öffentlichen Bewußtsein steben und Klarheit gewonnen ist Die Staatsregierung ist der Ansicht, daß diese Voraussetzungen einer durchgreifenden Reform heute vorhanden sind. Wenn Sie das Einzelne hier verhandeln, so dürfen Sie das Ganze, dessen unzertrennliche Theile die Einzelheiten bilden, nicht aus dem Auge verlieren; Sie dürfen nicht rechnen bei einer solchen grundlegenden Reform mit den größeren oder geringeren Voertheilen
ein Stückwerk, viele verletzt
über die Mittel zur Abhilfe.
überstellung Landeswohlfahrt muß entscheiden, und sie wird auch, wie ich überzeugt bin, immer Ihre Beschlüsse lenken, denn nur nach den Interessen des Gemeinwesens kann diese Reform richtig beurtheilt werden.
Ich sehe mit vollem Vertrauen der weiteren Verhandlung, Be⸗ rathung und Beschlußfassung über die Vorlage der Staatsregierung (Lebhaftes Bravo rechts und im Centrum.)
Die Schlußworte des Finanz Ministers Bei einer großen Reform, zumal b er dabei
Abg. Rickert (fr.): unterschreibe er von einer Steuerreform Vortheil oder Nachtheil habe. Wohle der Gesammtheit gereiche.
ganzem Herzen. dürfe der Einzelne nicht ausrechnen, o sondern müsse erwägen, ob sie zum Dies scheine ihm (Redner) aber in der Vorlage nicht zum Ausdruck gebracht zu sein, wenn darin das Einzelner in hervorragendem Maße Berücksichtigung Es gehöre eine große um eine derartige Behauptung, daß Regierung früher gegebenen Ver⸗ daß dies der
Sonderinteresse finde zum Schaden für das allgem Zuversicht zu dieser Steuerreform, diese Vorlage die Erfüllung der von der sprechungen sei, vor dem Fall sei. Es sei richtig, daß eine arlament erhoben worden seien, te enthielten, ohne daß man im stande gewesen, rungen dieser Wünsche in Gesetzesparagraphen zu for⸗ daß die Beschlüsse des Herrenhauses und des Bezug auf die Ueberweisung der Realsteuern solches Schlagwort darstellten. Seine
eine Wohl.
Landtag auszusprechen. Er bestreite, i ö. . Reihe von Forderungen in der Presse und im P welche mehr all—
gemeine Schla⸗
Er gebe zu, Abgeordnetenhauses in an die Communalverbände ein habe immer die Frage aufgeworfen: welchem Zweck man die Steuern s Behauptung reform wirklich um ein so sei er genau der gegen Mehrbelastung b habe immerhin ein großes aus dem Bereich der Schlagworte nach Mö gedanken in eine concrete wundere den Muth des M Bismarck niemals zu unternehmen gewagt habe. man diese große Reform mit einem S Majorität des Hauses habe dem Bedürfn gesetzgeberischen Ausdruck gegeben durch
überweisen wolle. es handle e Reform, nicht um eine Mehrbelastung, theiligen Ansicht und sehe darin eine kolossale Der Finanz-⸗Minister Verdienst, daß er den Muth gehabt habe, . glichkeit diese Reform⸗ gesetzgeberische Gestalt zu bringen. inisters, der etwas unternommen, das Fürst Warum wolle lage durchführen? ch Ruhe bereits einen Schaffung der fünfjährigen Es werde jetzt aber genau so abgehetzt wie zur im vorigen Jahre
ei Gelegenheit einer Reform.
degislaturperiode. 9. das Schul⸗
Steuerreform, ü welche den Landtag je beschäftigt hätten. Er hoffe, man werde dieses wichtigste Werk hinausschieben und dem Volke auch einmal Gelegenheit geben, mitzusprechen, ins⸗ besondere, da der Finanz⸗Minister so kolossalen Werth darauf gelegt habe, daß er pari passu mit der öffentlichen Meinung das Werk Es sei also kein zwingender Grund So wenig er (Redner) den Grund⸗
egenüber gestanden habe, so unge⸗ euer fei er enttäuscht worden, als er Paragraph für Paragraph der namentlich des Communalsteuergesetzes, Opposition richten werde. Versprechungen, im Abgeordnetenhause versprochen,
Bismarck:
l hervorgerufen eines der schwierigsten Werke,
zum Abschluß bringen wolle. vorhanden, so damit zu eilen. edanken der Reform gegnerisch
Gesetzentwürfe durchgesehen, gen welches er den Kernpunkt seiner er Minister
Steuerreform⸗
Gesetzentwürfe im Reichs Anzeiger zu veröffentlichen aber
es sei nichts davon geschehen. m Gegentheil: die öffentliche Meinung fei irregeleitet worden durch die sogenannten . Mit⸗ sheilungen. Liege dem Finanz⸗Minister etwas an der Zu timmung des ganzen Landes, so möge er warten bis zu den Neuwahlen. Er traue dem Herrn k diejenige Dauerhaftigkeit zu, die ihn die Vorlage zu stande bringen lassen werde; ob die Dauerhaftigkeit auch nachher noch andauern werde, sei freilich die Frage. Es fehle über⸗ haupt noch vieles bei dieser Reform. Die greg Majorität des Hauses habe wiederholt erklärt: ohne Wahlreform eine Steuerreform. Die kolossalen Verschiebungen infolge des neuen Einkommen⸗ steuergesetzes in . auf das Wahlsystem müßten entschieden auf gesetzgeberischem ege beseitigt werden. Er hoffe, daß die Majbrität auf ihrem früheren Beschluß bestehen bleiben werde, denn es handele sich hier um die wichtigsten Rechte der Wähler. — Was das Communassteuergesetz betreffe, so habe er gehofft, die Reformgedanken des Jö würden eine Gesundung dieser Gesetzgebung herbeiführen. Er sei ein entschiedener Gegner der ah⸗ soluten Freiheit in der Selbstverwaltung; er verstehe unter Selbst-⸗ berwaltung die Verwaltung nach Gesetz, vor allen J in der a nn, nicht nach dem Belieben Einzelner. Die Com⸗ munen hätten die Freiheit, sich irgendwelche beliebigen Steuer⸗ systeme zu bilden, aber es gehe alles an den Bezirks ausschuß und an den Kreisausschuß zur Genehmigung. Er finde nun in diesem Communalsteuergesetz absolut nicht die specielle Normirung von be⸗ slimmten Grundfätzen. Aus diesem Gesetz heraus sei er gegen die Reform bis ans Herz hinan kühl, eiskalt geworden. In Bezug auf die Denkschrift müsse er sagen, daß sie eine Lücke enthalte. Wer die Denkfschrift lese, wisse nicht, daß es einmal einen Fürsten Bismarck gegeben habe, welcher auf dem Gebiete der Steuergesetz gebung ein n Reformer gewesen sei. Von ihm schweige die Denkschrift.
iese Lücke habe 6 Redner) in gewissem Sinne traurig gestimmt. Das habe Bismarck doch nicht verdient, daß man von der Reform, die er mit der ganzen Kraft seiner Persönlichkeit gegen so viele Finanz⸗Minister aufrecht erhalten habe, gar keine Rotiz nehme. An diese Steuerreform des Fürsten Bismarck zu er⸗ innern, scheine ihm heute angemessen. Ausgleichende Gerechtigkeit, Schutz der nationalen Arbeit, Schutz der Armen, das sei die Devise der Bismarckschen Reform von 1876 bis 1879 gewesen, Bismarck habe gefagt: Das Ideal, nach dem er strebe, sei, möglichst ausschließ⸗ sich durch indirecte Steuern den Bedarf für den Staat aufzubringen; die directen Steuern möge man den städtischen Verwaltungen lassen, fie seien nur ein harter Nothbehelf, für den Staat. Die Thronrede von 1879 versichere ausdrücklich, daß die Absicht sener Bismarckschen Steuerreform die wäre, nicht die Lasten des Landes zu vermehren, sondern lästige Landessteuern abzuschaffen, im Interesse der Gerechtigkeit schärfste Anspannung der indirecten Steuern Ferbeizuführen. Davon stehe in der Denkschrift des Finanz Ministers kein Wort. Wo seien nun die versprochenen Erleichterungen geblieben? Wenn nicht der Abg. von Huene noch dafür gesorgt hätte, daß wenig⸗ stens noch etwas an die Kreise käme, wäre garnichts zur Erleichterung geschehen. Im Interesse der ausgleichenden Gerechtigkeit sei die neue Einkommensteuer eingeführt. Als Ziel der Vorlage sei im vorigen Jahre hingestellt worden: Ueberweisung der Realsteuern an die Communalperbände, Schaffung einer weitgehenden Er— leichterung für die minderbemlittelten Bevölkerungsschichten. Habe ein Minister oder die Regierung diese Versprechen erfüllt? Es stelle sich heraus, daß bei der untersten Stufe bis zu 3000 ½ eine Mehrbelastung von 4 Millionen Mark stattgefunzen habe. Entlastet feen allerdings die Stufen von 3⸗ bis 4000 . Er sei der Meinung, daß die Regierung die Pflicht gehabt hätte, aus den kolossalen Mehr⸗ siberschüssen das Versprechen einzulösen, daß die unteren Stufen der Einkoinmenbesteucrung anders normirt würden. Statt dessen denke man gar nicht daran. Es bleibe doch immer die moralische Ver⸗ pflichtung der Regierung bestehen. Die Ueberschüsse der Einkommen steuer sollen für die Ueberweisung der Grund⸗ und Gebäudesteuer ver⸗
wendet werden; es heiße aber, der Finanz⸗Minister wolle damit andere
Zwecke erfüllen, die ihm (dem Redner) vielleicht auch richtiger schienen als die Ueberweisung. Der Finanz⸗Minister wolle keine Mehreinnahmen für den Staat haben. Dann möge man aber doch eine solche Bestimmung in das Gesetz hineinschreiben, daß nicht mehr Steuern als nothwendig erhoben werßen dürfen. Der Finanz⸗Minister habe sich früher für die Quotisirung erklärt, heute schweige er darüber. Die wirthschaftlichen Verhältnisse seien nicht dazu angethan, daß man dem Volke so große Tasten zumuthe, im Landtage in directer, im Reichstage in indirecter Besteucrung. Sine kleine Erhöhung werde die Declaration in Be⸗ zlehung auf den landwirthschaftlichen Erwerb bringen, die nach den⸗ selben Grundsätzen zu erfolgen habe wie in den Städten. Dieser Factor fei, wie er glaube, bei der Beurtheilung der Einkommen⸗ steuer in Rechnung zu ziehen. In, Bezug auf die Auf⸗ hebung der Realsteuern sage der Finanz-Minister; Die Frucht sei reif und es herrsche Einigkeit in den Zielen. Darüber bitte er, ihm (Redner) Acten und Beschlüsse zu zeigen. Nur das Herrenhaus habe zweimal, nicht die Aufhebung, sondern die Ueberweisung der Real⸗ steuern beschlossen. Mit Aufhebung der Realsteuern werde die Sorge und Roth in den Gemeinden nicht beseitigt werden. In einer großen Anzahl von Gemeinden werde die Einkommensteuer das feste Rückgrat der Einnahmen bleiben. Ueber die Ueberweisungen an die Gutsbezirke würde er hinweggehen können, wenn die Reform im übrigen gut wäre. Wenn man die Realsteuern den Gutsbezirken überlasse, werde man lange auf eine bessere Gestaltung des Verhältnisses der Gutsbezirke zu den Gemeinden warten können. Man sage, die Grundsteuer sei keine Rente, aber sie sei auch heute elne Rente trotz des Gesetzes von 1861. Die Regierung selber erkenne in den Motiven an, daß die Grundsteuer in den älteren Pro⸗ vinjen infolge der stattgehabten Besitzwechsel thatsächlich einen rentenartigen Charakter angenommen. habe. Die Grundsteuer werde bei Gutskäufen einfach als Reallast in Berechnung gezogen. Ex hätte die Hoffnung gehabt, es würde noch eine gewiß: Bindung der Grund— steuer für die Gutsbezirke stattfinden und die Gutsbezirke würden an die Nachbargemeinden angeschlossen werden; aber die Steuern würden geschenkt. Nun komme der Finanz- Minister mit der Wendung, daß dies nur agitatorisch ausgebeutet werde, Der Minister habe kein Recht, eine Thatsache, die auch von anderer Seite so dargestellt werde, wie von seiner (Redners) Partei, als agitatorisch ausgebeutet zu bezeichnen. Die Staatsregierung selber erkläre es für billig und recht, daß die Entschädigung, welche der Großgrundbesitzer erhalten, zurückgezahlt werde. Sie mache aber einen Strich zwischen den Gutsbezirken, wo ein Besitzwechsel stattgefunden habe und wo nicht. Er könne den Unterschied absolut nicht begreifen. Er (Redner) sei auch ein Freund der Vermögenoͤsteuer, aber sie müsse anders angelegt sein. Einer Vermögenssteuer, be fo e heruntergehe, könne seine Partei nicht zustimmen. Diese Steuer wirke progressiv nach unten genau so wie die Getreidezölle, denn die unteren Klassen müßten die ganze Einkommensteuer noch einmal be⸗ zahlen, die mittleren zur Hälfte, die höheren einen geringen Bruch⸗ theil. Gegen diefe Vermögenssteuer mit ihrer Belästigung der Cen⸗ siten sei die Belästigung durch die Ginkommenfteuer geringfügig. Mit ihr werde der Finanz- Minister im Lande böse Erfahrungen. machen. Die Steuerreform Habe einzelne Vorzüge, wie die Auf⸗ hebung der lex Huene und' die Befeitigung der Ungerechtig. keit bei der Gebäudestener. Auch die ungleichmäßige Ver= anlagung bei der. Grundsteuer würde beseitigt; aber die Reform' führe auch eine Verwirrung in den Communalfinanzen herbei, und die Hauptsache bleibe die Erhöhung der gesammten Steuerlast.
Der Finanz⸗Minister habe sich jedenfalls gut versorgt. Die Vermögens
und die Cinkommensteuer würden das nöthige bringen. Zu einer folchen Reform sei jedoch die Zustimmung des Landes nnbedingt nöthig. Wenige Monate nach Schluß der . ständen die Abgeordnetenwahlen bepor; warum wolle man nicht J
Vie ‚Post! habe die Steuerreform sehr merkwürdig dahin charakteri⸗ sirt, daß die Freunde derselben nur diejenigen wären, die auf fest Gehalt angewiesen seien, und die verschuldeten Grundbesitzer. Des halb sage seine Partei:; Nein! ⸗ .
(Fortfetzung des Sitzungsberichts in der Dritten Beilage.
is dahin warten.
M 275.
(Schluß aus der Zweiten Beilage.)
Finanz⸗Minister Dr. Miguel:
Meine Herren, wenn der Artikel in der ‚Post' recht hätte, dann würde Herr Rickert mit seinen ganzen Deductionen unrecht haben. Er demonstrirt hier eine Benachtheiligung der Minderbegü⸗ terten, und die ‚Post‘ bezeugt uns, daß die Minderbegüterten, zu welchen allerdings auch die verschuldeten Grundbesitzer gehören, für das Programm des Herrn Miquel sind. Was soll also diese Deduction? Ich könnte diesen Artikel der Post“ ganz gern acceptiren, aber ich habe mich gewundert, daß Herr Rickert, der die entgegengesetzte Deduction macht, sich darauf beruft. Im übrigen hat der Herr Abgeordnete über den Gesammt⸗ plan und seine Einzelheiten oder, ich will mich richtig ausdrücken, um den Gesammtplan und um seine Einzelheiten mehr herumgesprochen und einzelne Punkte herausgegriffen, aber das Wesen der Sache ignorirt. (3ustimmung rechts.) —
Ich werde das noch näher illustriren. Ich möchte aber einige thatsächliche Behauptungen des Herrn Abg. Rickert zahlenmäßig widerlegen. Er sagt: die Staatsregierung hat versprochen, daß die unteren Stufen der Einkommensteuer weiter entlastet werden sollen. Meine Herren, die Staatsregierung hatte allerdings die weitere Ent⸗ lastung in Autsicht genommen, aber das Abgeordnetenhaus hat eine andere Form der Entlastung gewählt — ich werde darauf noch nach⸗ her zurückkommen, — indem es die betreffenden Bestimmungen strich und sagte: wir wollen die Reform weiter führen durch Beseitigung der Realsteuern, soweit die Finanzlage es gestattet. Daher wurde die weitere Entlastung verwiesen auf die Communen und das hat die Staatsregierung in vollem Maße gehalten. Meine Herren, wenn nun der Herr Abg. Rickert fortwährend behauptet, die unteren Stufen der Einkommensteuer seien schärfer herangezogen, als bisher, so ist das vollkommen den Thatsachen widersprechend. (Sehr richtig! rechts.)
Meine Herren, ich werde, damit diese ewigen Behauptungen endlich einmal aufhören, in der Commission noch genauere Mittheilungen machen, bin aber bereit, das, was ich hier in der Anlage in der Hand habe, auf den Tisch des Hauses niederzulegen. Daraus ergiebt sich, daß die Einkommensteuerpflichtigen von 900 bis 3000 im Jahre 1892,93 auf den Kopf des einzelnen Steuerpflichtigen zahlen 15,42, dagegen im Jahre 1891/92 16,22; die Steuerpflichtigen von 3000 bis S500 1892/93 auf den Kopf 109,12, 1891/92 116,11, 1892/93 2,3 und 1891/92 2,60 . (Suruf des Abg. Rickert: Das sind aber mehr Köpfe!) Gewiß, es sind mehr Köpfe da; aber das ist doch keine Mehrbelastung des Einzelnen. (Heiterkeit und sehr richtig! rechts) Die Köpfe sind bis dahin nicht richtig ein⸗ geschätzt worden. (Unruhe und Zurufe.) Darüber kann ja gar kein Zweifel sein, das war der Zweck des Gesetzes. Sollen denn diese Personen wie bisher von ihrem Einkommen nicht steuern? Das ist doch nicht der Zweck des Gesetzes gewesen. Es kommt, selbst wenn man die Einkommensteuer von 900 bis 8500 nimmt, auf den Kopf eine Belastung in der Steuer 1892/ñ293 von 26,7 und im Jahre 1891/92 auch auf den Kopf — das ist doch der einzige Vergleichungs— punkt — 2694; also es ist eine positive Entlastung der einzelnen Steuerpflichtigen in den einzelnen Klassen eingetreten (sehr richtig! rechts), darüber kann nicht der geringste Zweifel sein; das kann gar nicht wegdiscutirt werden, wenigstens nicht im Abgeordnetenhause, wo solche Behauptungen sofort ihre Widerlegung finden.
Herr Rickert spricht immer von einer ungemessenen Erhöhung der directen Steuern. Meine Herren, wir empfangen an directen Steuern 35 Millionen mehr, um eben an den directen Steuern 100 Millionen wegzugeben. Und zu welchem Zwecke werden sie weggegeben? Zu dem Zweck, um dem alten Programm der freisinnigen Partei, der Fort⸗ schrittspartei entsprechend — sie sind die ersten gewesen, die diese Forderungen gestellt haben — die Realsteuern in den Gemeinden stärker heranzuziehen und dort die Personalsteuern zu entlasten. Wenn wir annehmen, daß in den unteren Stufen hauptsächlich solche Per⸗ sonen sind, die von ihrem Arbeitseinkommen besteuert werden, muß die Wirkung dieser Steuer eine weitere Entlastung, wovon die Staats—⸗ regierung gesprochen hat, den Einkommensteuerpflichtigen in den unteren Stufen bringen. Es sind in den Gemeinden auch die unteren Stufen schärfer und viel tiefer herangezogen als im Staat.
In Beziehung auf die Vermögenssteuer sagt der Herr Abg. Rickert: eine unterschiedliche Behandlung des fundirten und nicht fun⸗ dirten Einkommens will auch ich. Es wäre auch schwer gewesen, das nun nicht zu wollen, während die Nichtaufnahme dieser Unterscheidung in das Einkommensteuergesetz zu einer Zeit, wo beim Bestehen der Real⸗ steuern diese Unterscheidung garnicht zu machen war, mir ja haupt— sächlich zum Vorwurf gemacht wurde. Aber nun sagt der Herr Abgeord— nete: Vermögenssteuer will ich acceptiren; schaffh mir nur erst im Reich die Kornzölle weg. Ja, das ist doch, die Befriedigung eines drin⸗ genden Bedürfnisses ad Kalendas Graecas vertagen (sehr richtig! rechts), und ob das nun den ernsten Willen bekundet, hier, wo wir eine Un⸗ gleichheit in der Besteuerung beseitigen können, sie auch wirksam zu beseitigen, und welchen Zusammenhang das mit der Frage der Ge— treidezölle hat, ist mir völlig unverständlich. Wenn Sie anerkennen, daß diejenigen, die von ihrer geistigen und körperlichen Arbeit leben, entlastet werden müssen im Verhältniß zu denjenigen, die von ihrem Besitz Einkommen haben, warum thun Sie das nicht gleich? Steht das mit der Aufhebung der Kornzölle in Zusammenhang?
Nun sagt der Herr Abg. Rickert — was damit wieder in Wider⸗ spruch steht — man könne ja darüber sprechen, ob diese Unterscheidung besser innerhalb der Einkommensteuer zu machen sei. Ja, wenn er diese Verbesserung auszuführen im stande ist, dann hoffe ich wenigstens, daß er für diesen Fall nicht wartet auf die Aufhebung der Korn- und Getreidezölle im Reiche.
Der Herr Abgeordnete sagt: die Sache eilt ja garnicht, warum so eilig? Gönnen wir uns doch etwas Ruhe, warten wir doch ab, wie die nächsten Wahlen sich zu der Sache stellen. Und was hat der Derr Minister versprochen? er will warten; er hat immer gesagt: ich will handeln in Uebereinstimmung mit der Landesvertretung nicht
Dritte Beilage zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen
Berlin, Sonnabend, den 19. November
bloß, sondern auch mit der öffentlichen Meinung im Lande, Nun, was ich positiv gesagt habe, ist dieses: wir werden uns bemühen, diese Steuerreform noch mit diesem Landtag zur Ausführung zu bringen (sehr richtig), und ich erblicke in den fünfjährigen Legislaturperioden gerade deshalb einen großen Vorzug, weil dadurch allein es möglich wird, eine zu⸗ sammenhängende Reform, wenn der crste Schritt geschehen ist und der zweite gethan werden muß, mit demselben Landtag zu Ende zu bringen. (Sehr richtig Das habe ich mit derselben Deutlichkeit immer ausgesprochen sowohl in der Commission als hier im Plenum.
Aber auch nach einer anderen Seite hin haben wir gar keinen Grund zu warten; es ist uns eilig gewesen, das will ich dem Herrn Abg. Rickert erwidern, die Belastung durch 40 Millionen neuer Steuern dem Lande auch wieder zu gute kommen zu lassen. Sollen wir denn ohne Grund die Steuern weiter erheben, die doch verwandt werden sollen, zur Entlastung des Landes zu dienen? Ich begreife nicht, daß gerade ein Mitglied der freisinnigen Partei darin nicht sehr eilig ist. (Sehr richtig! rechts) Denn gerade in diesem Punkte sind ja die Herren sonst sehr empfindlich, daß der Staat nicht das geringste mehr bekommt — (Zuruf links) —, bitte sehr, diesen Antrag können Sie bringen, ich werde mir aber nicht die Mühe geben, ihn zu widerlegen. (Heiter⸗ keit) Meine Herren, dann hat der Herr Abg. Rickert uns auf die Erhöhung der indirecten Steuern im Reich durch den Fürsten Bismarck verwiesen. Ich bin sehr genau seinen Deductionen gefolgt; welchen Zusammenhang das aber mit dieser Sache hat, ist mir vollständig räthselhaft geblieben. Im Gegentheil, man könnte sagen: wenn nun mit Rücksicht auf die Bepürfnisse des Reichs und der Landes— vertheidigung die indirecten Steuern so stark haben gesteigert werden müssen, so ist es um so mehr richtig, nun mit der Reform der Einkommensteuer und der Vermögenssteuer in dem Sinne zu beginnen, daß die höher Begüterten entsprechend ihrer größeren Steuerkraft besteuert werden. Als Abgeordneter im Reichs tage bin ich dem damaligen Antrage der freisinnigen Partei, im Reich eine progressive Einkommensteuer einzuführen, entgegengetreten, weil ich es für aussichtslos hielt, das im Reich zu thun, und ich habe direct in Aussicht gestellt, man müsse dafür sorgen, die directen Steuern in den Einzelstaaten zu revidiren und die zu hoch Besteuerten herabzusetzen. ;
Herr Abg. Rickert hat sich auf Aeußerungen von mir als Abgeordneter berufen. Nun, meine Herren, wenn ich Ihnen eine Liste von den Aeußerungen des Herrn Abg. Rickert über die nothwendige Verminderung der Grund⸗ und Gebäudesteuer, der Ueberweisung der⸗ selben an die Communen u. s. w. vorlegen wollte, so würde das, ö ich, durch mehr als 20 Sitzungen in den verschiedensten Jahren gehen.
Was mich persönlich aber betrifft, so bin ich mir als Abgeord—⸗ neter und als Finanz⸗Minister in dieser Beziehung consequent ge⸗ blieben. In der Sitzung des Abgeordnetenhauses vom Jahre 1879 habe ich schon ausgeführt, der richtige Weg der Steuervertheilung zwischen Staat und Commune sei der, daß die Grund⸗ und Gebäude⸗ steuer den Communen überwiesen werde und der Staat auf das Netto⸗ und Reineinkommen sich beschränke. Ich habe also genau das Pro—⸗ gramm, was hier in dem Entwurf ist, schon damals ausgesprochen.
Meine Herren, nun sagt der Herr Abg. Rickert: welche Verwir⸗
rung wird das geben, wenn der Staat die Realsteuern preisgiebt und die Communen nunmehr auf diese Realsteuern verwiesen werden! Warum soll das denn Verwirrung geben? Die Com⸗ munen finden steuerfreie Objecte in Zukunft, wenn sie dem⸗ gemäß und nach den Gesichtspunkten, die aus der Gemeinde sich ergeben, ihr Steuersystem einrichten, das kann unmöglich Ver— wirrung geben.
Herr Rickert sagt: wir in Danzig werden immer noch hohe Ein—
kommensteuerzuschläge erheben. Ganz richtig! Es giebt leider nur zu viele Danzigs in dieser Beziehung. (Heiterkeit, Wir werden in einer Menge von Gemeinden weit über 100 ͤ Einkommensteuer⸗ zuschläge behalten müssen. (Zuruf links.)
Was beweist das? Das kann uns doch höchstens veranlassen, zu
bedauern, daß diese Reform nicht früher gekommen ist. Wir haben ein ganz buntscheckiges, principloses System der Besteuerung in den Communen; wir haben eine Gemeinde neben einer anderen, wo die eine alles durch Realsteuern erhebt, und die andere ausschließlich durch Personalsteuern, während die Ausgaben dieselbe Natur haben. Da ist es doch wohl endlich Zeit, Grundsätze und Principien in die Ordnung der Gemeindesteuern zu bringen und diejenigen Vorschriften gesetzlich zu fixiren, die für eine vernünftige Gemeindeverwaltung noth⸗ wendig sind.
Meine Herren, kann das geleugnet werden, und will der Herr
Abg. Rickert leugnen, daß diejenigen Objecte — Grund und Boden und Gewerbe — welche die wirthschaftlichen Ausgaben der Gemeinden vorzugsweise verursachen und Werthsteigerungen durch diese Ausgaben häufig unmittelbar erfahren, nicht frei bleiben können in der Gemeinde, daß sie in einem erheblichen Maße herangezogen werden müssen, daß das dem wahren Interesse der Gemeinden entspricht, daß dies aber bisher unmöglich oder sehr erschwert wurde durch die staatliche Be⸗ steuerung derselben Objecte? Ich frage ihn — bei einer nächsten Gelegenheit kann er es ja beantworten — ob er diese Sätze bestreiten will. Dann sind aber seine Deductionen, die er an diese Dinge ge⸗ hängt hat, bedeutungslos. (Sehr richtig!)
Der Herr Abg. Rickert hat mir auch nach der Richtung einen
Bruch von Versprechungen vorgeworfen, daß ich diese 120 Millionen die vom Staat am 1. April 1895 vielleicht aufgesammelt sein werden aus den Mehrerträgnissen, nicht zum Zwecke der Steuerreform ver— wendete. Nun, ich glaube nicht, daß jeniand hier im Abgeordneten⸗ hause ist, der sich ganz klar gemacht hat damals, als dies Gesetz kam, wie dies auszuführen sei, ein derartiges Kapital bei einer dauernden Steuerreform zu verwenden. Aber der Landtag wird in die Lage kommen, ohne seine Zustimmung kann über diese 120 Millionen anderweitig nicht verfügt werden, zu entscheiden. Und nun kommt derselbe Herr Abg. Rickert im zweiten Satz und sagt: Damit wäre
Staats⸗Anzeige
1892. ich wohl ganz einverstanden, wenn die Regierung beabsichtigt, diese 120 Millionen Mark für die Aufbesserung der Gehälter der Volks⸗ schullehrer und der Erleichterung der Schullasten der Gemeinden zu verwenden. Nun, dann werden wir uns ja verständigen, dann ist doch von einem Vertrauensbruch nicht mehr die Rede. 3
Der Herr Abg. Rickert ist dann schließlich noch einmal mit Ent⸗ schiedenheit zurückgekommen auf den Vorwurf der unberechtigten Begünstigung der Inhaber der Gutsbezirke. den Abg. von Gneist berufen und auf dessen früheren Vorschlag. Die früheren Vorschläge des Abg. von Gneist sind aber unter ganz anderen Verhältnissen gemacht, als wir sie heute vor uns haben. Damals war die Frage der Gutsbezirke und ihre Stellung neben den Ge— meinden und dem Kreise überhaupt noch gar nicht definitiv entschieden. Heute haben wir einestheils die Kreisordnung, anderntheils neuer—⸗ dings — mit Zustimmung des Abg. Rickert — die Landgemeinde⸗ ordnung. In der Landgemeindeordnung ist für diejenigen Gutsbezirke, die nicht in Gemeinden verwandelt werden, ihre öffentlich⸗rechtliche Stellung vollständig klar; auf dieser Basis allein kann man heute operiren, und daß die Steuerreform nicht in der Lage ist, diese eben mit dem Landtage vereinbarte öffentlich⸗rechtliche Stellung der Gutsbezirke zu ändern, das kann doch wohl nicht zweifelhaft sein. der Abg. Rickert, wenn er diese politische Lage der Gutsbezirke an⸗ Welchen praktischen Vorschlag macht er nun? verzichten wegen der Existenz der Gutsbezirke auf die ganze Steuer⸗ reform? Oder sollen wir in demselben Augenblicke, wo wir an erkennen: der doppelt belastete Grundbesitz ist zu Unrecht belastet, sagen: zur Strafe dafür, daß ein Grundstück in einem Gutsbezirk liegt, soll es diese ungerechte Belastung behalten? Ich bitte, mir in dieser Beziehung geschehen?
Endlich ist doch wohl zu erwägen, daß der Gutsbezirk hier nicht ohne weiteres freigelassen wird, wie überhaupt der Grund und Boden nicht, sondern daß die Vermögenssteuer die Inhaber der Gutsbezirke ebenso trifft, wie jeden anderen Grundbesitzer, endlich aber, daß wir zum theil diese Befreiung ermöglichen durch die Beseitigung der lex Huene, daß infolge dessen die Kreissteusrn steigen und die Gutsbesitzer stärker belastet werden.
Meine Herren, daß man aus diesem ganzen Verhältniß, wo wir öffentlich- rechtliche Verbände baben, die keine eigentlichen Steuern er⸗ heben, neben anderen, die rein gemeiulichen Charakter haben, eine ge—⸗ wisse Incongruenz könstruiren kann, will ich durchaus nicht leugnen; aber wir müssen mit den thatsächlichen Zuständen rechnen, wir können sie nicht beseitigen, wenn wir es wollten, und vor ihnen können wir auch nicht in Betreff der ganzen Reform der Staatssteuern, die alle Cen⸗ siten im ganzen Staat berühren, stillstehen.
Ich wiederhole endlich und mache darauf noch mal aufmerksam daß diese Frage, wenn Sie sie so stellen, wie der Herr Abg. Rickert sie gestellt hat, gar nicht allein bei den Gutsbezirken in Betracht kommt, sondern genau so bei den Gemeinden, die überhaupt keine Gemeinde⸗ steuern oder nur sehr geringe erheben, ja bei allen Gemeinden, in denen in Zukunft die Grundbesitzer nicht zum vollen Betrage der vom Staat aufgegebenen Realsteuern herangezogen werden. dasselbe Princip, höchstens ein mehr oder weniger oder eine andere Form. Oeffentliche Lasten tragen die Gutsbezirke doch auch. Ich habe nachgewiesen: sie zahlen in den östlichen Provinzen einschließlich
er Kreissteuer 17 Millionen öffentliche Lasten, und die Grund⸗ und
Gebäudesteuer beträgt rund neun Millionen. Ich glaube daher nicht, daß man sich durch diese Deductionen zurückschrecken lassen darf, eine durchgreifende Reform des Steuerwesens zu aeceptiren.
Endlich komme ich auf die Frage der Quotisirung. mich darüber schon früher ausgesprochen. sorge getroffen worden, daß die erste Veranlagung, wenn wir uns in den aufkommenden Beträgen irren sollten, corrigirt werden kann nach Maßgabe des jetzt vorhandenen Bedarfs. Kommt mehr als 5 eso über 35 Millionen auf, so wird die Vermögenssteuer herabgesetzt; kommt weniger heraus, tritt das Umgekehrte ein. besonders motivirt, ich gestehe Ihnen offen, daß alle unsere Rechnungen über das steuerpflichtige Vermögen im Lande doch auf unsicheren Mit Sicherheit ist, da wir eine Statistik unseres Vermögens, des steuerbaren Vermögens, nicht haben und alle Berechnungen mehr oder weniger auf Calculation beruhen, eine Be—⸗ rechnung nicht anzustellen. wesentlich fehl gehen, denn eine Reihe von Rechnungen von den ver⸗ schiedensten Standpunkten aus, haben alle im wesentlichen zu den selben Resultaten geführt. Aber, wie gesagt, das Facit hier ist nicht doppelt richtig, wir es bei der Gewerbesteuer gethan haben, diese das Gesetz aufzunehmen.
Er hat sich dabei auf
Was will nun
Sollen wir
concrete Vorschläge zu machen.
Es ist überall
In diesem Gesetz ist Vor—
Diese Cautele ist hier Grundlagen beruhen.
Ich glaube aber nicht,
und daher ähnlich wie ist also die Sicherheit ge⸗ geben, daß eine Verminderung der Steuer eintritt, wenn wir uns in den Grundlagen der Berechnung geirrt haben.
Nun, meine Herren, haben Sie nach eingehenden Verhandlungen und reiflicher Erwägung das Verlangen einer Quotisirung in irgend einer Form bei der Einkommensteuer abgelehnt. Damit ergiebt sich nach meiner Meinung von selbst, daß bei der Vermögenssteuer genau so verfahren werden muß. Ich fürchte als Finanz⸗Minister die Quoti⸗ sirung nicht entfernt. Vom finanziellen Standpunkte aus könnte man sich sicher für die Quotisirung begeistern; denn daß kein Finanz⸗ Minister an eine demnächstige Herabsetzung der directen Steuern glauben kann, das wird doch wohl auf der Hand liegen. Dagegen würde die Quotisirung leichter auf eine Steigerung der Steuern hin⸗ wirken. Wenn Sie nun diese Erleichterung der Vermehrung der Steuern allein bei der Vermögenssteuer eintreten lassen. so erreichen Sie, glaube ich, damit das Gegentheil von dem, was das Haus in seiner großen Mehrheit will.
Außerdem kommt hier in Betracht, daß ja solche Steuern, wie sie hier ersetzt werden sollen, die Quotisirung fixirt, auch die Gebäudesteuer, die alle 15 Jahre zu revidiren ist: wie
ihrerseits sich überhaupt gar Grundsteuer,