zugewendet. Aber gerade auf den Großgrundbesitz habe die neuere Gefetzgebung die allerdrückendsten Lasten gelegt. Dies strafe die Erhaltung des Besitzes in der Familie z. B. die güter und bilde einen Eingriff in die Rentabilität des Greoß⸗ grundbesitzes. Es sei nicht richtig, zu sagen, wie es der Abg. Hdickert gethan, die Entschädigung wäre ein Geschenk an die Groß⸗ grundbesitzer. Er (Redner) halte es jedoch nicht für ausgeschlossen, daß man, wenn es nicht gelinge, die Unbilligkeit, die die Vorlage enthalte, zu beseitigen, dahin komme, auch die Streichung der Entschä— digung zu befürworten. In diesem Falle scheine es ihm absolut unrichtig, die Grundsteuerentschädigung als eine nur die Rittergutsbesitzer berührende Frage hinzustellen. Er werde in der Folge eine jede solche Auffassung für eine bewußt falsche erklären. Es kämen hierbei auch zahllose bäuerliche Gemeinden und kleine Städte in Betracht. Auch erinnere er an die Fridericianischen Colonien. So seien z. B. in Landsberg a. W. von 743 000 46 Grundsteuerentschädigung 300 000 4 von kleinen Colonisten zurückzuzahlen. Seien das etwa auch Ritterguts⸗ besitzer? Was die Vermögenssteuer anbetreffe, so stehe ein großer *. feiner Freunde anf dem Standpunkte, daß man die nothwendig werdende Ergänzungssteuer nur beschaffen wolle im Rahmen einer höheren Besteuerung des fundirten Einkommens. Eine derartige Höherbesteuerung halte er für technisch richtig und leichter durchführbar als die vorgeschlagene Vermögenssteuer. Man habe dann ein einziges Steuersystem, welches vollstaändig richtig veranlage. Doch sei die Frage, ob die Ergänzungssteuer im Wege der höheren Besteuerung des fundirten Einkommens oder im Wege der Regierungsvorlage stattfinde, für feine Partei nicht von principieller Bedeutung; fur nicht angängig halte sie aber eine Ergänzungssteuer im Wege der Erbfchaftssteuer. Bedenklich sei ferner die Taxirung der Grundstücke bei der Einschätzung zur Vermögenssteuer nach dem Verkaufswerth. Die Vorlage über die Gemeindeabgaben belaste wohl die Realien etwas zu stark. Von einem Geschenk an die Gutsbesitzer konne jetzt nicht die Rede sein, denn es werde allen, die Realsteuer zahlen, diese erlassen, also kein einzelner bevorzugt. Uebrigens trage der Gutsbesitzer auch erhebliche Communallasten, er könne diese nur nicht unterpertheilen auf die Einwohner des Gutsbezirks, wie das in den Gemeinden geschehe. Wenn man ein derartiges Werk wie diese Steuer⸗ reform mache, dann habe man auch die absolute Verpflichtung, vor⸗ sichtig in der Berechnung zu verfahren und sich zu fragen, was an die rl. trete. Wenn man nur ungewisse Ueberschüsse aus dem Ein⸗ kfommensteuergesetz an die Stelle der sicheren Erträge aus der bisherigen Steuer setzen wolle, so halte er das Verfahren nicht für richtig. Gerade der Umstand, daß der Staat die jetzigen Steuern aufgebe, zwinge dazu, sich nach, einer anderen sicheren Grundlage für die directen Steuern im Staate umzusehen. Uebrigens müsse er bestreiten, daß, wenn bei der Ergänzungssteuer die ganz kleinen Vermögen freibleiben, eine weitere Belastung der unteren Schichten durch die Vermögenssteuer stattfinde. Seine politischen Freunde kämen zu der Ueberzeugung, daß die Vorlage unzweifelhaft den einzig richtigen Weg zur Beseitigung der vorhandenen Ungerechtig⸗ keiten und zur Reform der Steuer auf staatlichem und communalem Gebiet einschlage, daß die Regierung im wesentlichen richtig vorge⸗ gangen fei und auch von einem großen Gesichtspunkt aus gehandelt babe. Seine Partei könne daher in allen Grundgedanken ihre Zu⸗ stimmung zu der Regierungsvorlage aussprechen und werde bestrebt fein, in Üebereinstimmung mit der Regierung und hoffentlich auch mit der großen Mehrheit des Hauses, die Regierungsvorlage, wo es nöthig sei, zu verbessern, zu verändern und zu vervollständigen, aber in allen ihren grundlegenden Gedanken zu unterstützen und zum Abschluß zu bringen.
Abg. Richter (dfr): Er sei dem Vorredner sehr dankbar, daß er auf so klare Weise die Interessen der Großbrundbesitzer zum Aus⸗ druck gebracht habe. Es fei ein Unrecht, so vielen tausend Großgrund⸗ besitzern ohne Rückjahlung der Entschädigung die Grundsteuer zu er— laffuͤn. Wenn er (Redner) a Prieri einen Staat aufzubauen hätte, so würde er die Grund⸗ und Gier gene, nicht in das Staatssteuer⸗ system einfügen, sondern in das der Gemeinden. Er würde aber dann auch die Ausgaben für diese, die jetzt dem Staat obliegen, den Gommunalverbänden zutheilen. Jedoch müsse er mit den gegebenen Verhältnissen rechnen. Die Frage bei der Ueberweisung der Grund⸗ und Gebäudesteuer sei: an wen finde die Ueberweisung statt, zu welchem Zweck und unter welchen Voraussetzungen? Der Finanz. Minister habe Recht. Früher habe man sich wenig klar über die Art dieser Ueberweifung ausgesprochen; aber gleichwohl behaupte er (Redner), daß feit 18365, wo diese Frage zuerst aufgeworfen worden, Niemand daran gedacht habe, die Mittel zur Ueberweisung der Grunde und Gebäudesteuer durch eine Steigerung der Personalsteuern des Staats zu beschaffen. Die Frage sei zuerst an das Haus herangetreten, als aus den französischen Milliarden große Ueberweisungen an den preußi⸗ schen Staatshaushaltsetat stattfanden. Damals habe man nur eine Vertheilung von Rente an die Provinzialverbände vorgenommen, was er lebhaft bedauert habe. Der Gedanke der Ueberweisung der Grund⸗ und Gebäudesteuer an die Gemeinden gehöre erst der letzten Zeit an. Der Abg. Rickert habe sich mit vollem Recht auf den Fürsten Bismarck berufen können, Er (Redner) habe den Fürsten Bis- marck niemals als Autorität in Steuersachen angesehen. fr Bis⸗ marck habe es sehr wohl verstanden, die agrarischen Interessen zu ver⸗ treten, und er (Redner) müsse ihm nachrühmen: niemals habe er daran gedacht, einen Theil der staatlichen Grund⸗ und Gebäudesteuer den Gemeinden zu überlassen. Wer die Meinung des Fürsten Bis⸗ marck vertrete, müsse auch zu der Anschauung kommen, daß jetzt der Erlaß ein Geschenk bedeuten würde. Daß uͤber die Ueberweisung auf der rechten Seite des Hauses großer Jubel herrsche, finde er begreiflich. Niemand würde das vor einem Jahre für möglich gehalten haben. Der Finanz-Minister habe sich dadurch keineswegs in Widerspruch ge⸗ setzt mit feiner volitischen und parlamentarischen Vergangenheit; er sei auch früher stets darauf bedacht gewesen, den Groß . Liebesgaben in jeder Gestalt zu machen, ven, zur Auf⸗ rechterhaltung des historischen Adels. Der Adel sei aber nur soweit berechtigt, als er aus sich selbst die Kraft besitze, im Staat etwas zu bedeuten. Noch größer werde die Freude sein, wenn die Vorlage an das . komme. Bei den größten Großgrundhesitzern bedeute der Grundsteuererlaß einen Erlaß von 40 900 M. Die Entschädigungs⸗ summen würden sich im ganzen auf 3 bis 4090 900 (. belaufen, der Erlaß der Grundsteuer aber auf 77 Millionen Mark. Der Vortheil werde gerade bei den verschuldeten Besitzern noch weit größer sein. Eine Entlastung des Besitzes finde bei der Ueberweisung nicht statt, denn die augenblickliche Entlastung werde sofort bei jeder Taxe mit in Rechnung gestellt. Der Nachfolger, der Nachbesitzer, der zu ginem höheren Preise das Gut übernehme, zahle zwar keine Grundsteuer, aber er befinde sich darum doch nicht besser. Man beschönige die Sache damit, daß die Gutsbezirke communale Einheiten seien: formell juristisch sei dies berechtigt, sachlich liege es anders. Der Finanz⸗-Minister sage, wenn so viel erlassen werde, beweise das, daß viel getragen worden sei. Was würde man aber zu dem Vor⸗ schlag sagen, wenn die Ueberweisung an Berlin nach Stadtvierteln stattfände? Dann würde das Thiergartenviertel zur Befriedigung feiner communaglen Bedürfnisse seinen besonderen Theil erhalten, und ebenso das Arbeiterviertel. So liege vielfach die Sache auf dem platten Lande. Der Gutsbezirk fi sich sei keine wirthschaftliche Einheit; die großen Besitzer isolirten sich zu einer besonderen communalen Einheit im Gegensatz zu den ärmeren Dörfern in der Nachbarschaft, wo ihre Arbeiter wohnen. Man habe schon bei der . der Landgemeindeordnung eine Aufrechnung über die kolossale Belastung der Gutsbezirke erhalten; aber die Regierung habe selbst bemerkt, daß es nur der Versuch einer Statistik sei. Wie wolle man denn aber überhaupt in den Gutsbezirken die Kosten der Armenpflege be⸗ rechnen? Wie könne man unterscheiden zwischen der privaten Armen⸗ thätigkeit und der öffentlichen Armenpflege der Gutsbezirke? Nur in einer Beziehung möge die Statistik zuverlässig sein, nämlich in Bezug auf die Berechnung der Schulausgaben. Die Städte mit über 10 g00 Einwohnern hätten zu den Schulkosten einen Zuschuß zu leisten von 53 Millignen Mark, sie bekämen an. Realsteuern über- wiesen 35 Millionen Mark, also zwei Drittel. Bei den Gutsbezirken dagegen bezffferten sich die Schulkosten auf 3 Millionen, überwiesen
die Fideicommiß⸗ 5
aber bekämen sie 9 Millionen. Die Gutsbezirke erhielten also gegen die Städte nahezu das Fünffache. Bei den Kleinbesitzern, den kleinen Bauerngemeinden und Städten finde er (Redner) die üieberweisung der Realsteuern ebenso unrecht wie bei den Guts⸗ bezirken. Ber Unterschied sei nur der, daß sich hier die Erlasse auf eine Anzahl von Personen vertheilen; ferner sei man hier in der Lage, die Entlasteten auf andere Weise stärker heranzuziehen. Die Hinterfassen hätten fehr wenig von der Ueberweisung der 8 Millionen; die Einkommensteuer sei für diese aber noch mehr erhöht, als sie entlastet seien Die Gutsbezirke und Kreise würden, wie es heiße, infolge der Aufhebung der lex Huene mehr Steuern zablen. Man werde sich wohl hüten, die Kreissteuergelder für solche Dinge aufzu⸗ bringen, wie sie bisher aus den Dotationen geleistet worden. Eine Erhöhung der Kreissteuern sei im Umfange der Ueberweisung gar nicht zu erwarten. Man habe auf die durch die Kreisordnung und Landgemeindeordnung veränderten Verhältnisse hingewiesen. Diese Gesetze hätten aber an der wirthschaftlichen Natur der Guts⸗ bezirke nichts geändert. Er wolle die Landgemeindeordnung in ihrer Bedeutung nicht herabsetzen; sie habe wenigstens die Möglichkeit geschaffen, die Verhältnisse der Gutsberirke und Ge⸗ meinden anders zu gestalten, wenn auch nicht in der Ausdehnung, wie es die Regierung verlangt habe. Die thatsächlichen Schwierigkeiten, das platte Land anders zu organisiren, lägen hauptsächlich in der Ver. theilung der Steuerlast. Nach dem vorhandenen amtlichen Material würden bei einer anderen ,, der Gutsbezirke und Land⸗ gemeinden die Gutsbezirke erheblich mehr für Armen⸗ und Schullasten aufzubringen haben, als jetzt. Der Gutsbesitzer brauche zwar Arbeits— kräfte aus den Nachbargemeinden, zu den Armenlasten und zur Er— ziehung der Kinder brauche er aber daselbst nichts beizutragen. Es sei eine J sondergleichen, gegen, die Bauern⸗ gemeinden in erster Linie, daß diese Ueberweisung an die Gutsbezirke sich vollziehe ohne Reform in dem Ver⸗ hältniß von Landgemeinden und Gutsbezirken. Viel wichtiger als daz Zustandekommen der Steuergesetze wäre das Zustande⸗ kommen dleser Reform namentlich auf dem platten Lande, in den östlichen Provinzen. Er würde niemals diese Gelder an die Guts⸗ bezirke geben, sondern sie bis zur Durchführung der Organisation an die Kreise abgeben, obwohl er zu den Kreistagen auch kein besonderes Vertrauen habe. Auch nach dieser Reform werde der Grund und Hausbesitzer vom Standpunkt der Communallasten nicht in dem Maße belastet, wie es nach der Theorie des Finanz- Ministers richtig sei. Der Finanz- Minister wünsche die besondere Belastung des Realhesitzes für die Koften, welche Bau und Unterhaltung von öffentlichen Wegen mit sich bringen. Das sei richtig, aber nicht nur für, Gemeinden, sondern auch für jeden communalen und politischen Verband, der für den Wegebau sorge. Auch der Staat selbst gebe Summen für Chauffeebauten aus, wenigstens, indirect durch die Ueber⸗ weifung bon Renten an die Provinzialverbände. Diese Renten würden beibehalten, während die Einnahmen des Staats aus der Grundsteuer aufgehoben würden. Allerdings ver⸗ theilten sich diese Renten auf die Provinzen nach anderem Maßstah als Grund- und Gebäudesteuer, und man brauchte sie deshalb nicht ganz aufzuheben, könnte aber die Grundsteuer darauf anrechnen. Be⸗ züglich der Vertheilung innerhalb der Gemeinden gehe er (Redner) nicht fo weit, daß man die allgemeinen Lasten nur auf den Realbesitz werfen solle, denn er sehe keinen Grund, für die Armen⸗ und Schul⸗ lasten den Realbesitz stärker zu belasten als anderen Besitz; aber die Aufwendungen an Grund und Boden seien durch Realsteuern vorweg aufzubringen, d. h. alle Ausgaben der Communen für Hoch« und Tiesbau, weil diese Anlagen dem Realbesitz besonders nützten, und weil der Realbesitzer durch Erhöhung der Pacht oder Miethe sich J für die Realsteuer berschaffen könne. Die Regierungsvorlage bleibe jedoch hinter diesem Grundsatz weit zu⸗ rück, sie wolle durch Realsteuern nur besondere Aufwendungen für Bau und Unterhaltung von Wegen aufbringen. Diese Summen reichten aber an die überwiesenen Staatssteuern nicht heran; es werde in allen Städten über 10 000 Einwohner eine erhebliche Entlastung des Real⸗ besitzes eintreten. Nach dem Communalsteuergesetz sollten zwar bei 1000/0 Einkommensteuerzuschlag mindestens 100 bis 150 ,½ Grund⸗ und Gebäudesteuer erhoben werden, aber jetzt bedeuteten 1900/0 Ein⸗ kommensteuer viel mehr als vor einem Jahre. 1000 Einkommen⸗ steuer seien vor einem Jahre 75 Millionen Mark gewesen, jetzt 115 Millionen, während 166 060 Grund⸗ und Gebäudesteuer nach wie vor dasselbe bedeuteten. In Berlin werde man daher dazu kommen können, einen Theil der Haussteuer zu erlassen. Wenn es aber irgend eine vernünftige Steuer in Berlin gebe, so sei es die Haussteuer, und noch niemand habe behauptet, daß die Haussteuer im Verhältniß zur fortgesetzten Werthsteigerung des Hauebesitzes in Berlin eine ungerechte Steuer sei. Die Real⸗ steuern würden in den Communen einfach wie bisher forterhoben werden. Zu ihrer selbständigen Ausgestaltung werde es nicht kommen, weil das Wissen in den einzelnen Communalbehörden nicht vorhanden sei, um selbständig Steuern zu machen. Es hätte in der Vorlage ein fester Rahmen aufgestellt werden sollen, innerhalb dessen jede Com— mune ihre Besonderheiten berücksichtigen könnte. Das ganze Com- ,, sei überhaupt so unfertig, wie ihm (Redner) ein Gesetz von solcher Bedeutung bisher noch nicht vorgekommen sei. Dagegen finde man darin eine Menge Gedanken, die sich zu bilden und zu entwickeln der Finanz⸗-Minister im Laufe seiner communalen Thätigkeit Gelegenheit gehabt habe. Es sei ein wissenschaft⸗ liches Lehrbuch, aber kein praktisches Gesetz. Je mehr all— gemeine Grundsätze darin ausgesprochen würden, desto mehr lasse die praktische Formulirung zu wünschen übrig. Jede Selbständigkeit der eommunalen Finanzverwaltung werde künftig aufhören; alles sei der Ansicht der Bezirksausschüsse, der Provinzial⸗ ausschüsse und des jeweiligen Finanz⸗Ministers und Ministers des Innern überlassen. Herr Miquel werde ja, so lange er Finanz⸗ Minister sei, bestrebt sein, im Sinne der Motive das Gesetz aus⸗ zuführen. Wenn aber einmal ein Finanz⸗Minister komme, der der⸗ selben Ansicht sei wie Herr von Jagow, daß im Nahmen dieses Gesetzes der Realbesitz schon viel zu . belastet sei, so böten diese elasftischen Paragraphen gar keine Garantie, daß das Gesetz nicht einmal gerade im entgegengesetzten Sinne gehandhabt werde. Das Communalsteuergesetz sei technisch die uufertigste aller Vorlagen, weil es mit großer Hast zu, stande gekommen ei; infolge dessen bedeute der Entwurf wenig mehr als einen Anfang. Man wolle die Ausfüllung der Lücke dem Abgeord⸗— netenhause überlassen; aber solche wichtigen organischen Gesetze könnten nicht aus einer so großen Versammlung heraus reformirt werden, sondern müßten schon in anderer Gestalt aus dem Ministerium hervor⸗ ehen. Die Unfertigkeit zeige sich auch in der Behandlung der
ewerbesteuer. Darüber sei bisher noch nicht gesprochen worden, und doch rufe gerade dieser Theil der Reform den Widerspruch noch stärker hervor, allerdings im entgegengesetzten Sinne. Während die Grund⸗ und Gebäudesteuerpflichtigen mit großem Wohlwollen und Entgegen⸗ kommen behandelt seien, sei in Bezug auf die Gewerbesteuerpflichtigen das gerade Gegentheil der Fall. Das Communalsteuergesetz bringe den falschen Grundsatz zur Geltung, daß die Gewerbetreibenden aus den communalen Aufwendungen dieselben Vortheile hätten, wie die Grund und Gebäudesteuerpflichtigen, und daß deshalb der Zuschlag zur Gewerbesteuer in derselben Höhe zu halten sei, wie der Zuschlag zur Grund⸗ und Gebäudesteuer. Das sei ein neues und unrichtiges Princip. Schon jetzt habe man sich in Städten vor zu hohen 9. werbesteuerzuschlägen gescheut, weil die Gebäudesteuer auch schon eine Gewerbesteuer sei. ö Gehäudesteuer unterscheide sich von der Grundsteuer dadurch, daß, während die landwirthschaftlichen Gebäude nicht zur Gebäudesteuer herangezogen würden, weil sie bei der Grund⸗ steuer eingerechnet seien, die gewerblichen Gebäude sowohl von der Gewerbesteuer als auch von der Gebäudesteuer betroffen würden. Allerdings könnten unter Umständen Gewerbetreibende einen be⸗ sonderen Vortheil von communalen Aufwendungen haben und müßten dann zu besonderen Steuern herangezogen werden. Zum Beispiel seien Hafen. und Lageranlagen für manche Gewerbe von großem Vortheil. Aber das liege bei den einzelnen Gewerben ganz verschieden, und nichts sei falscher, als mit einer schematischen Gewerbesteuer
alle Gewerbesteuerpflichtigen gleichmäßig heranzuziehen. Nur für die Schankwirthe habe der Finanz⸗ Hilter eine besondere Be⸗ triebssteuer eingeführt, und dieses Wohlwollen für die 5 werde jetzt in der Weise fortgesetzt, daß man indirect die Gemeinden reize, der Schankwirthschaft noch einen besonderen Zuschlag aufzuerlegen. Eine seltsame Aenderung sei es auch, daß die Gewerbesteuer in dem
neuen Gesetz contingentirt werde. — Die Gemeinde⸗Einkommensteuer
beseitige an den bisherigen Uebelständen nichts. Man wolle den Ein⸗ kommensteuerpflichtigen nicht überbürden, belaste ihn aber noch mehr von Staats wegen. Denn gerade aus der Personalsteuer ziehe man doch die Mittel der ganzen Reform. Einen Unterschied zwischen den ,,, und Staats⸗Einkommensteuer⸗ pflichtigen könne man nicht machen; denn es seien ganz dieselben Leute, die beide Steuern zahlen. Wenn man jetzt 35 Millionen Mark mehr von physischen Personen genommen habe, so habe man es diesen Personen in demselben . meindesteuern aufzubringen, und diese olitik werde jetzt fortgesetzt. Was sei die Vermögenssteuer anders als eine weitere Einkommensteuer? Man erhöhe dadurch die Personal⸗ abgaben nochmals um 35 Millionen, zusammen also um 79 Millionen, zu Gunsten des Staats, und zwar von denselben Leuten, die man als zu hoch belastet darstelle. Was den Communen von den 70 Millionen Mark Steuern überwiesen werde, vertheile sich in diesen nicht ebenso wie im Staat. In den Städten habe der Einkommensteuerpflichtige bisher 499 0 gezahlt, nach den neuen Vorlagen habe er 7,13 90 zu zahlen. Das Plus betrage also 2,14 69. Auf dem platten Lande habe er früher 1621 0, beiahlt, jetzt 1,89 0/0, das Plus betrage also G48 0/9. Von den 35 Millionen mehr aus den neuen Steuern kämen 26 Millionen auf die Städte, 9 Millionen auf das platte Land. Von den 10 Millionen Steuern der Actiengesellschaften würden mindestens 8 Millionen aus den Städten genommen, und von den 35 Millionen Vermögenssteuern würden mindestens auch 25 Millionen aus den Städten, 9 Millionen aus dem platten Lande kommen. Es werde also aus den Städten das Drei- fache genommen. Trotzdem sage der Finanz⸗Minister, es handle sich um eine Verminderung der Einkommensteuerzuschläge. Gerade wo die Gemeinde ⸗Einkommenfteuer am drückendsten sei, nehme man am meisten für den Staat fort. In den Städten über 16000 Einwohner würden 104 Millionen Mark Gemeinde⸗Einkommensteuer aufgebracht; es flössen dorthin aus den überwiesenen Realsteuern 35 Millionen. Daraus müßten zunächst die Ausfälle der lex Huene gedeckt werden; von den 35 Millionen gehe weiter ab die Erleichterung der Realbesteue—⸗ rung, die in den Städten bestehe; kurz im Durchschnitt würden von den überwiesenen 35 Millionen den Städten über 10 900 Einwohner nicht mehr als 15 Millionen zur Verminderung der Gemeinde- Ein⸗ kommensteuer übrig bleiben. Der praktische Effeet der ganzen Reform sei also der, daß man, wo die Zuschläge am drückendsten seien, in den Städten, sie nur um ein Siebentel ermäßige. Die Einkommen⸗ steuerpflichtigen würden mit neuen Personalabgaben des Staats doppelt so hoch belastet wie früher, nämlich mit 70 Millionen; sie würden aber nur um ein Siebentel ihrer bisherigen Gemeindelast er— leichtert, ständen also in Zukunft schlechter da, als vor der Reform. Die ganze Reform führe genau das Gegentheil von dem herbei, was der Finanz⸗Minister wolle. Die Gefahr, daß die reichen Leute aus Communen mit hohen Steuerzuschlägen fortzögen, sei noch viel näher gerückt. Der Staatssteuer könnten sie sich nicht ent⸗ ziehen, sie würden sich also eine Erleichterung von Com- munalsteuern schaffen. Man stelle es immer so dar, als ob in den wenig bevölkerten Bezirken des Ostens mit dem armen Boden“ wenig wohkhabende Leute wohnten. Man könne aber auch auf armem Boden ein sehr reicher Mann sein, wenn man z. B. viele Quadratmeilen Wald besitze. In dicht bevölkerten Gegenden gebe es nicht nur reiche Leute, sondern auch eine Menge von armen und wenig steuerkräftigen, und durch den Zuschuß an Einwohnern vom Lande wüchsen die Kosten der Armenlast und Schullast in den Städten ganz außerordentlich. Das Staatswesen sei allerdings einheitlich, und besondere Aufwendungen aus der Staatskasse für ärmere Gegenden seien angemessen aber es müsse das Bedürfniß im einzelnen Fall ge⸗ prüft werden. Seit zwanzig Jahren werde aber das Princip der Rentenzuwendungen beliebt, zum Nachtheil aller dicht bevölkerten Gegenden und zu Gunsten der Gutsbezirke. Man habe 1873 mit den 40 Millionen Provinzialdotationen begonnen und habe dieses Ver⸗ fahren fortgesetzt mit den 40 Millionen, die zu Schulzwecken vertheilt seien, die man auch wesentlich zu Gunsten der Gutsbezirke und zum Nachtheil der industriellen Bezirke bemessen habe. Diese ungerechte Rentenvertheilung werde aufrecht erhalten, und man füge noch eine neue Vertheilung hinzu, die dieselben Ortschaften und Gemeinden wiederum benachtheilige. Der ganze Hauptzweck des Finanz-Ministers, die Entlastung von Einkommensteuerzuschlägen, sei verfehlt. Das Gegentheil wäre richtig. Wenn der Minister in seinem Communal⸗ steuergesetz den Satz an die Spitze stelle: directe Steuern dürften nur in fo weit erhoben werden, als die nöthigen Mittel nicht durch indirecte Abgaben aufgebracht würden, so heiße das geradezu die indirecten Steuern in den Vordergrund stellen, und das sei doch sicher eine Mehrbelastung der ärmeren Klassen. Der Minister sage zwar: die Regierung wolle nicht die nothwendigen Lebensmittel noch mehr besteuern, sondern nur die Getränke; aber es sei zu befürchten, daß die Höherbesteuerung des Bieres eine solche Ver = schlechterung desfelben zur Folge haben könnte, daß die ärmere Be⸗
völkerung wieder mehr dem Branntweingenuß zugedrängt werde.
Ebenso bedeute der Passus, wonach den Gemeinden gestattet werde, in den Schlachthäusern so hohe Gebühren zu nehmen, daß sich das Anlagekapital mit 8 o o verzinse, weiter nichts als eine Wiedereinfüh⸗ rung der Schlachtsteuer auf dem Wege erhöhter Gebühren und damit eine Vertheuerung, der Fleischnahrung. Man sage, die indirecten Steuern seien im Reich bis 234 Millionen erhöht worden, das gehe nicht so weiter, man müsse, daher jetzt die directen Steuern erhöhen, und zwar auch in den Com⸗ munen. So schrauhten sich r, , die directen Steuern an den indirecten in die Höhe und umgekehrt. Der Minister hahe ferner ge⸗ sagt, die Aufhebung der, Getreidezölle gehöre nicht hierher. Gewiß gehöre ihre Erörterung hierher. Fürst Bismarck habe als das bedeu⸗ kendste Moment für die Getreidezölle die Grundsteuer angeführt. In dem Augenblick, wo diese als Staatssteuer beseitigt würde, falle eine Voraussetzung der Zölle fort. und seine . Partei knüpfe naturgemäß hieran die Forderung der Aufhebung der Getreidezölle.— Neben einer Einkommensteuer wolle man nun noch eine besondere Vermögenssteuer einführen. Nirgends in Europa finde sich dieses Neben⸗ einanderbestehen. Habe schon die Einkommensteuer die allergrößten Schwierigkeiten bei der Finschätzung ergeben, so werde die Ver⸗ mögenssteuer deren noch viel mehr mit sich bringen. Der Minister habe von den Bauplätzen gesprochen, die man damit treffen wolle. Er (Redner) sei auch für eine gerechte Besteuerung dieser, aber man sollte das doch den Communen überlassen, deren Entwicke= lung auch die Ursache des Steigens per Werthe der Baurlätze sei. Wenn immer von einer gerechteren Besteuerung durch die Vermögens⸗ steuer gesprochen werde, so sollte man zuerst die Doppelbesteuerung der Actiengesellschaften und Genossenschaften beseitigen, denn das sei schon ein Änsatz zu einer Vermögenssteuer. Wenn man die Ver⸗ mögenssteuer generell einführe, so müßte man diesen Ansatz beseitigen,. Wenn man von dem Fallenlassen des vierten Procents beim Tarif des Einkommensteuergesetzes 66 der Resolution des Herrenhauses spreche, so sei auch die Consequenz 3
für die unteren Einkommensteuerklassen keine Flafse habe das wirkt als auf die gewinnbringenden seien um 70 o höher veranlagt als früher. Wenn
herabzusetzen. Au
nach der
Statistik der Regierung pro Kopf in den einzelnen unteren Stufen
jetzt nicht mehr bezahlt werde als früher, so habe diese Rechnung nur den einen Fehler: es seien nicht dieselben Köpfe in den Klassen, die das bezahlen, fondern man habe z. B. in die Stufen von 3000 bis 1200 6 66 0.0 Personen hinaufbefördert, und von den früher
Steuerfreien in die Stufen von 900 bis 3609 M gar 373 000 Cen⸗
siten. Das seien die Segnungen des neuen Einkommensteuergesetzes. Es werde immer von Reformen gesprochen, im Lande merke aber jeder,
erschwert, Ge ⸗
zu ziehen und der 3
Einkommensteuergesetz drückender ge⸗ . Beschäftigungen; diese
daß dies immer auf eine Mehrbelastung hinauslaufe. Selbst diejenigen, die damals mit lebhaftem Interesse zustimmten, seien wesentlich er⸗ nũchtert angesichts der Wirkungen, welche in der Praxis hervorgetreten seien. In einem solchen Augenblick muthe man dem Hause zu, das neue Finkommensteuergesetz mit allen seinen Gebrechen und Fehlern unver⸗
ändert zu lassen und darauf ein anderes Stockwerk zu bauen in Form
einer neuen Vermögenssteuer. Die nothwendige Reform der Ein⸗ kommensteuer werde dadurch immer weiter hinausgeschoben. Es fehle ja übrigens auch noch an einer Statistik, wie das neue Gesetz auf die communalen Einkommensverhältnisse wirken werde. Man ihue also einen Sprung ins Dunkele. Wenn man nun aber einmal die neuen Steuervorlagen in dieser Session zum Abschluß bringen wolle, wie könne man dann gleichzeitig eine solche Militärvorlage an den Reichstag bringen? Gs unterliege keinem Zweifel, daß eine gleich schwierige Materie wie diese Steuervorlage seit 26 Jahren nicht dem Landtag vorgelegen habe, und andererseits sei die Militärvorlage im Reichstage, die das ganze Militärsystem auf andere Grundsätze stelle, die eine Vermehrung um 100 900 Mann, eine neue jährliche Mehrbelastung des Etats um 65 Millionen mit sich bringe, ein Gegenstand, wie er seit der Con⸗ stituirung des Norddeutschen Bundes nicht vor einem Reichstag vor— gekommen sei. Man könne doch nicht bestreiten, daß gerade diejenigen Volksvertreter, auf welche man im Abgeordnetenhause bei der Mit- arbeit in erster Linie zähle, auch dort im Reichstage zu denen gehören, welche am meisten bei der Sache ö seien. Das Septennat sei noch nicht abgelaufen, eine Kriegsgefahr ab⸗ . nicht vorhanden, und, doch werde im Reichstage die tilitärvorlage zur selben Zeit vorgelegt, wie im Abgeordneten⸗ hause die wichtigen Steuergesetze. Das sei recht bezeichnend; das sei die Folge der Halbirung in der Spitze der Regierung, daß der Posten des Reichskanzlers von dem des Minister⸗Präsidenten getrennt fei. Man habe die nachtheiligen Folgen vorausgesagt. Das mili—⸗ tärische Interesse sei 3 einseitiger, noch rücksichtsloser im Reiche geworden, als früher; alle Rücksichten der bürgerlichen Gesetzgebung würden dem militärischen Interesse untergeordnet. Das preußische Ministerium hätte nicht diese Schwäche bekunden und nicht . sollen, daß die Militärvorlage gerade jetzt an den Reichstag gelange; ent— weder das eine oder das andere. Vielleicht könnte man aber gerade aus dieser Ueberladung die Hoffnung schöpfen, daß der Wagen umwerfe und mit der Militärvorlage die Steuervorlage in den Abgrund ziehe. Das halte seine Partei für die beste Lösung. Minister⸗Präsident Graf zu Eulenburg: Ich habe nicht die Absicht, auf die Ausführungen über die Steuergesetze, die der Herr Abgeordnete gemacht hat, gegenwärtig ein⸗ zugehen. Soweit das nöthig ist, wird mein verehrter College das
noch thun. Gegenüber den letzten Worten, die der Herr Abgeordnete aus—=
gesprochen hat, wird es auch Sie wahrscheinlich weniger interessiren, auf die Details der Steuervorlage einzugehen, als eine Antwort auf
den Appell zu hören, den der Herr Abgeordnete geglaubt hat, an uns.
richten zu müssen. Mit welcher Berechtigung darf er uns eine Schwäche vorwerfen gegenüber den Anforderungen des Reichs? Nein, meine Herren, wir sind rechtzeitig haben ernst überlegt und haben gemeinsam und in voller Uebereinstimmung unsere Zustimmung zu der Vorlage gegeben, die den Reichstag vorwiegend beschäftigen wird. Wir glauben nicht, daß es eine Schwäche ist, wenn wir das, was auf militärischem Ge— biete nach unserer Ueberzeugung eine Nothwendigkeit ist, auch als nothwendig anerkennen und unsere Mitwirkung dazu bieten, daß das ausgeführt wird. Also die Voraussetzungen, von denen die Vorwürfe des Herrn Abgeordneten ausgingen, sind vollkommen unrichtig, und ich kann mir nicht versagen, bei dieser Gelegenheit mein lebhaftes Be⸗ dauern darüber auszusprechen, daß neuerdings auf dem politischen Gebiet in der öffentlichen Discussion eine Gewohnheit eintritt, welche geeignet ist, das öffentliche Interesse in hohem Grade zu schädigen.
Als vor etwa sechs Wochen in einer Zeitung die falsche Nach⸗ richt verbreitet wurde, daß die Militärvorlage bei dem Bundesrath eingebracht wäre, während sie bei dem preußischen Staats⸗Ministerium eingebracht war, da erhob sich ein großer Lärm darüber, in welcher Weise das preußische Staats⸗Ministerium übergangen würde bei dieser Sache, welche Nachtheile entstanden seien aus der Trennung der Aemter des Reichskanzlers und des preußischen Minister-Präsidenten. Nun, meine Herren, daß eine solche falsche Nachricht einmal ver⸗ breitet werden kann, das ist kein Wunder; das ist zu allen Zeiten vorgekommen. Diese falsche Nachricht wurde aber in derselben Zeitung, von der sie verbreitet worden war, am darauffolgenden Tage oder am zweitfolgenden Tage widerrufen und mit vollem Recht als gänzlich unbegründet bezeichnét. Nichts destoweniger haben wochenlang die sämmtlichen Organe, welche Gegner der Militärvorlage sind, nach wie vor auf diesem Pferde — um mich so auszudrücken — ge⸗ ritten und versucht, das zu benutzen, um Stimmung zu machen gegen die ganze Führung der Geschäfte des Landes. Meine Herren, es ist außerordentlich unrecht, dergleichen Dinge in dieser Weise zu be⸗ handeln. Greifen Sie uns an, wenn Sie glauben, daß wir Unrecht haben, wir werden uns vertheidigen; — schieben Sie uns aber weder Motive unter, die wir nicht haben, noch behaupten Sie dergleichen unrichtige Dinge! Nicht einen Augenblick ist die Mitwirkung des preußischen Staats⸗Ministeriums hintangesetzt oder versäumt worden, wir haben aber nicht nöthig, in jedem Augenblick, wo die Dinge in der Er⸗ wägung schweben, mit diesen Erwägungen an die Oeffentlichkeit zu treten. Wir werden an die Oeffentlichkeit treten, hier im Landtage wie dort im Reichstage, mit den Ergebnissen unserer Erwägungen und werden sie dann vertheidigen. Wir bitten aber dringend, daß man uns nicht Motive unterschiebt, die nicht vorhanden sind. Eine unrichtige und unzuträgliche Geschäftsbehandlung der Militärvorlage hat niemals stattgefunden. (Lebhafter Beifall rechts.)
Finanz⸗Minister Dr. Miquel:
Meine Herren! Von dieser hochpolitischen Frage will ich wieder zurückkommen auf den Gegenstand unserer jetzigen Berathung. Heiterkeit.)
Meine Herren, der Herr Abg. Richter hat eine schöne, inhalts- reiche und lange Rede gehalten (Heiterkeit) und doch war die Rede noch nicht lang genug; denn dasjenige, was man nun eigentlich schließ⸗ lic wissen wollte, positive Vorschläge, wie denn der Herr Abg. Richter die hier vorliegenden Fragen lösen will, davon ist in der ganzen Rede auch nicht ein Wort enthalten. (Sehr richtig! rechts) Es ist ganz die Art und Weise, wie der Herr Abg. Richter immer spricht; er kritisirt alles, er kritisirt sogar sehr schön, häufig richtig, und findet Schwächen an allen Ecken und Kanten. Aber er ist nicht im stande oder nicht gewillt, irgendwie den Weg zu zeigen, den man nun gehen soll, wie man es nach seiner Meinung besser machen kann.
Meine Herren, in einem Punkt ist der Abg. Richter sich con— sequent geblieben, wenigstens so lange es sich hier um die Berathung der Steuerreformvorlagen handelt. Während er früher, auch hier im dandtag, oft ausgesprochen hat, die Realsteuern sollten keine Staats- steuern sein, sie müßten Communalsteuern werden (Zuruf links) — ich
gefragt, wir
werde Ihnen nachher den Tag angeben, wo dies von Ihnen gesprochen ist, — hat der Abg. Richter von vornherein sich dem Programm der Staatsregierung und des Landtags bei dieser Reformfrage entgegen⸗ gestellt. Als das Einkommensteuergesetz berathen wurde, da hieß es: wir schwimmen im Gelde, was brauchen wir die Gewerbesteuer zu reformiren, die können wir einfach aufheben. Das geschah zu einer Zeit, wo wir unmittelbar anfingen, in das Defieit zu kommen, und es zeigt sich wieder hier, daß die Fertigkeit, mit Zahlen umzugehen und mit Zahlen zu beweisen, noch keineswegs bedeutet, die eigentlichen Grundlagen der Zahlen zu erkennen und aus denselben die richtigen Schlüsse zu ziehen. Dann kam der zweite Angriff gegen die Grund⸗ anschauung, die hier im Hause herrscht. Der Abg. Richter wollte die Degressivsätze in der Einkommensteuer so gestalten, daß damit ein Einkommen an Steuern für den Staat von 15 000000 verloren gegangen wäre. Wenn wir die Gewerbesteuer einfach aufgehoben hätten, wenn wir diese Degression um den Betrag von 15 Millionen gesteigert hätten, wenn eine Progression bis zu 40, in die Einkommensteuer nicht aufgenom⸗ men worden wäre, wenn die Besteuerung der Actiengesellschaften ganz weggefallen wäre, dann allerdings, meine Herren, bliebe für eine Entlastung des Grundbesitzes, für eine Verminderung der Realsteuern nichts übrig. Die Staatsregierung steht aber heute gar nicht mehr allein auf dem Boden der theoretischen Betrachtung, der objectiven Beurtheilung der Fragen, wie sind die Steuern am gerechtesten zu vertheilen, sondern sie steht vor der Nothwendigkeit der Ausführung eines von ihr und dem Landtage vereinbarten Gesetz es. Alle diese Deductionen, die der Herr Abg. Richter gegen den ganzen oder theil⸗ weisen Verzicht des Staats auf die Realsteuern gemacht hat, sie kommen zu spät; dieses Gesetz ist vorhanden, und das Gesetz muß ausgeführt werden. .
Meine Herren, der Herr Abg. Richter hat nur in einem kleinen Punkte an der Vorlage der Regierung eine gute Seite gefunden. Er hat gefunden, daß das Communalsteuergesetz eine angenehm philosophische, theoretische Broschüre sei. Er hat gesagt, im übrigen ist das Gesetz aber völlig unreif. Nun, wir wollen sehen, wenn, wie ich hoffe, der Herr Abg. Richter an der commissarischen Berathung dieses Gesetzes sich betheiligen wird (Heiterkeit), welche Vorschläge der Herr Abg. Richter uns dann zu machen hat. Wer solche Behaup⸗ tungen aufstellt, der muß sie auch durch anderweitige Vorschläge be— weisen (sehr gut! rechts), sonst schweben diese Behauptungen einfach in der Luft, sie sind allerdings auch nicht gefährlich aus dem einfachen Grunde, es kann niemand mit solchen Behauptungen etwas machen.
Die Frage, wie weit man durch das Gesetz die Gemeinden an eine bestimmte Steuervertheilung binden kann, ist ja eine eminent schwierige, und es können darüber die verschiedensten Ansichten be⸗ rechtigt sein. Ich will erwarten, ob der Herr Abg. Richter gerade in dieser Frage der Vertheilung der Gemeindesteuern zwischen Personal— steuern und Realsteuern uns positive brauchbare gesetzliche Vorschriften mittheilen kann. Es wäre mir das im höchsten Grade interessant, weil ich die große Schwierigkeit der Frage vollkommen er⸗ kenne. Soviel steht aber fest, daß derjenige, welcher sich praktisch und nicht bloß theoretisch mit diesen Fragen beschäftigt hat, der weiß, wie ungeheuer verschieden die Verhältnisse der einzelnen Ge⸗ meinden sind, wie sehr verschieden die bisherige Vertheilung der Lasten, wie verschieden die Aufgaben sind, die den Gemeinden that⸗ sächlich, ja selbst rechtlich gestellt sind, nicht glauben wird, daß man mit der einfachen gesetzlichen Regel für all diese verschiedenartigen Ver⸗ hältnisse eine verständige Bestimmung überhaupt treffen kann.
Die Frage, ob in einer Gemeinde die Schullasten aus der Com-
munalkasse bezahlt werden, bezüglich welcher ich mit Herrn Abg. Richter ganz einverstanden bin, daß diese Lasten getragen werden müssen durch Zuschläge zur Einkommensteuer, — die Frage, ob die Schullasten aus der Communalsteuer getragen oder durch besondere Societäten aufgebracht werden, kann allein schon eine ganz andere Vertheilung der Steuern nach Maßgabe der Object- und Personal⸗ steuern bedingen. Eine Gemeinde, die einem Deichverbande angehört, wo die Deichlasten von den Grundbesitzern getragen werden, die Deich⸗ lasten, die nicht bloß Schutz gegen Wassersgefahr, sondern zugleich auch Entwässerung und Bewässerung involviren, ja, mit denen meist ogar die Wegelast verbunden ist, indem die Wege sich auf den Deichen befinden, — eine Gemeinde, deren Mitglieder zu einem solchen besonderen Verbande gehören, die also thatsächlich weiter nichts hat als Armenlasten und Schullasten, wie können Sie diese Gemeinde nach derselben Regel behandeln, wie eine andere, wo der gesammte Wegebau aus der Ge— meindekasse bezahlt wird. .
So könnte ich Ihnen viele Beispiele anführen. Gewiß halte ich es für nothwendig, diese Fragen gesetzlich soweit zu regeln, als irgend möglich, vorbehältlich aber auch der Möglichkeit, gegenüber dieser gesetzlichen Regel Ausnahmen zu machen. Im übrigen, bei der großen Verschiedenheit der Fälle bleibt hier garnichts Anderes übrig, man mag es wünschen oder nicht wünschen, daß neben der gesetzlichen Regelung und unter Beachtung der gesetzlichen Gesichtspunkte allerdings individualisirt wird, und wenn Sie individualisiren, bleibt nichts Anderes übrig, als die Aufsichtsinstanz mit in die Frage hineinzuziehen, weil ja selbst Herr Abg. Richter anerkennt, daß die genügende Fähig⸗ keit und Unbefangenheit in den Gemeinden nicht überall vorhanden ist, bezüglich der Vertheilung der Steuerlasten das Richtige zu treffen.
Die Staatsregierung wird gerade auf diesem sehr schwierigen Gebiet nicht entfernt sich versteifen, gerade auf ihre jetzt vorgelegten Vor⸗ schläge. Ich fordere den Abg. Richter auf, mit seiner Erfahrung und seiner Kenntniß uns zu Hilfe zu kommen; wir werden seine Vor— schläge wie die Vorschläge des ganzen Hauses auf diesem schwierigen Gebiet sehr gern beachten und in Erwägung ziehen. (Ruf rechts: Da können Sie lange warten! Heiterkeit rechts.)
Meine Herren, jetzt sagt der Abg. Richter, während wir die Reallasten preisgeben und die durch die Realsteuern Belasteten im Staat entlasten, entlastet ihr andererseits die Einkommensteuer⸗ pflichtigen überhaupt nicht oder nur in einer ganz unbedeutenden Weise; dagegen überlastet ihr sie noch durch Hinzufügung einer be⸗ sonderen Steuer. Meine Herren, dies ist doch ein sonderbares Kunst⸗ stück. Wir geben hundert Millionen preis aus dem Staatsvermögen zu Gunsten der Gemeinden; die Gemeinden sollen in einer bestimmt vor—⸗ geschriebenen gesetzlichen Weise diese neuen Quellen benutzen, und die Benutzung dieser neuen Quellen soll eine Verminderung der Ein⸗ kommensteuer bewirken. Wo bleiben denn bei der Deduction des Abg. Richter diese 100 Millionen? (Abg. Richter: Habe ich ja gesagt!) Verschwinden diese 100 Millionen? Wo bleiben sie denn sonst? (Zuruf des Abg. Richter) Meine Herren, der Abg. Richter hat
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hier wieder dieselbe Deduction vorgetragen, welche in dem Flugblatt der freisinnigen Partei für die Wahl in Berlin enthalten ist. Er sagt: Ich hätte das Flugblatt nicht richtig citirt. Aber die einfache Vorlesung hat mir genau Recht gegeben. Ich habe gesagt: Das Flugblatt ermahnt die Berliner, ja nicht einen Abgeordneten zu wählen, der für die Vermögenssteuer sei, weil dadurch die Berliner Steuer⸗ pflichtigen zu stark herangezogen würden. Das steht in dem Flugblatt. Nun sagt der Abg. Richter — das ist die Grund⸗ lage seiner ganzen Deduction —, er erkenne zwar an, daß der Sthat ein Ganzes sei und daß daher diejenigen Mittel, die dem Staat zufließen, für alle seine Zwecke verwendet werden müssen. Dennoch aber, sagt er, ist es ein großer Unterschied, woher diejenigen Mittel fließen, welche der Staat für die Interessen der Gesammtheit verwendet. Aus dieser Stellung des Herrn g. Richter würde folgen, daß jede Steuer, jeder Steuererlaß genau wieder denselben Localitäten, denselben Communen zu gute kommen muß, aus welchen die betreffenden Steuern gekommen sind.
Meine Herren, wie vertheilen wir unsere Steuern nun? Der Herr Abg. Richter bestreitet ja die Richtigkeit dieses Vertheilungs⸗ grundsatzes nicht. Nach der Leistungsfähigkeit! Das heißt nach der größeren Steuerlast. Wenn nun diejenigen Gemeinden, in denen be⸗ stimmte steuerkräftige Personen wohnen, dieselden Beträge wieder empfangen, so hören wir auf, den Staat nach diesen Gesichtspunkten zu regieren, dann lösen wir den Staat in seine Theile und in seine Einheiten auf.
Ich habe schon inehrfach hervorgehoben — das ist die verkehrte Grundanschauung, von der der Herr Abg. Richter ausgeht —: es ist dem Staat völlig gleichgültig, wo die betreffenden Steuenpflichtigen wohnen; es ist auch garkein Verdienst für die betreffenden Steuer⸗ pflichtigen, wenn sie mehr Steuerkraft haben, daß sie mehr zahlen. Es wäre ein unberechtigter Vorzug, daß die Reicheren im Verhältniß weniger und die Aermeren mehr zahlen. Ich kann das Berlin eben⸗ sowenig zu gute rechnen, als den einzelnen Steuerpflichtigen. Daher kommt nun der Abg. Richter von diesem ganz falschen Gesichte⸗ punkte aus auf die Behauptung, es würde doch von den Städten mehr genommen. Nein, von den Städten wird nicht ein Pfennig mehr genommen. Ich habe Ihnen, was den Vertheilungsmaßstab betrifft, das zahlenmäßig nachgewiesen: wenn hier die Mehrerträg⸗ nisse der Einkommensteuer verwendet werden, um die Reformen weiter durchzuführen im Sinne der Verwandlung der Realsteuern in Communalsteuern, wenn da, sage ich, die Mittel der Einkommen⸗ steuer dazu verwendet werden, so fließen die allerdings zum größten Theil von denjenigen Personen, die in den Städten wohnen, aber die Städte selbst werden davon garnicht berührt. Warum aber fließen diese Mittel zumeist aus den Städten? Weil eben in den Städten mehr steuerkräftige Menschen sich befinden. Wie kann denn von den Städten ein Anspruch erhoben werden, in dieser Beziehung anders behandelt zu werden als das Land?
Der Herr Abg. Richter behauptet: es wird aber die communale
Steuerkraft der Gemeinden gefährdet, wenn die Einkommensteuer in den Städten zu stark herangezogen wird; und er behauptet weiter, daß eine genügende Entlastung nicht stattfindet. Nun, meine Herren, ich gebe zu, daß vielleicht in den Communen — es wird das sehr ver—⸗ schieden sein nach der Beschaffenheit der Communen — nicht in dem⸗ selben Maße in der Einkommensteuer eine Entlastung stattfindet, daß die Belastung namentlich durch Zufügung der Vermögenssteuer für einzelne Censiten verschieden sein kann. Und zwar warum? Weil die gesammten erlassenen Beträge, die der Staat in den Realsteuern preisgiebt, nicht nothwendig und auch nicht einmal berechtigter Weise in vollem Maße in den Communen — wenigstens in den meisten Communen — wieder zur Erhebung kommen. Das hat der Abg. Richter selbst als berechtigt anerkannt, indem er sagt: Gewisse Lasten, gewisse Com- munallasten, Armen⸗ und Schullasten, sollen nicht durch die Realsteuern aufgebracht werden, sie fallen der Personalsteuer zu. Ist das richtig, so wird aller Wahrscheinlichkeit nach, wenigstens in einer großen Zahl von Communen, eine correspondirende stärkere Belastung der Objecte gegenüber der stattgefundenen Entlastung nicht Platz greifen. Nun, darin unterscheiden wir uns eben, hier in der Mehrheit des Hauses und der Staatsregierung, von der Anschauung der frei⸗ sinnigen Partei. Wir sind der Meinung: bisher waren diejenigen Objecte, welche mit Gewerbe⸗ mit Bergwerkssteuer, mit Grund⸗ und Gebäudesteuer betroffen waren neben einer hochentwickelten allgemeinen Einkommensteuer, überlastet (sehr richtig! rechts, und wir finden es daher natürlich, wenn in dieser Beziehung eine entsprechende Ent- lastung auch dauernd in Zukunft Platz greift. Das halten wir gegenüber einem bestehenden Unrecht für einen richtigen Ausgleich.
Von diesem Standpunkt aus kann ich mir vollständig vorstellen. warum der Herr Abg. Richter jede Verminderung der Realsteuern für ein Geschenk hält. Wir umgekehrt halten es für eine entsprechende Wiedervergeltung gegenüber einem stattfindenden Unrecht, gegenüber einer stattfindenden Ueberlastung.
Meine Herren, der Herr Abg. Richter hat dann gemeint, wir hätten ihm folgen sollen, um eine richtige Unterscheidung zwischen fundirtem und nichtfundirtem Einkommen einzuführen, bei seinen An⸗ trägen auf stärkere Degression in den Stufen von glaube ich 10 000 4 Cinkommen ab. Der Herr Abgeordnete hat nur vergessen, daß er uns weder heute noch damals mitgetheilt hat, woher er denn weiß, ob ein Censit mit 9000 M Einkommen dieses aus Arbeitsverdienst oder aus Vermögen besitzt oder aus der Verbindung beider. Wenn er einfach durch einen generellen Satz alle Personen, die 10 000 M6 Einkommen und weniger haben, entlastet, so entlastet er sowohl fundirtes Cinkommen als nichtfundirtes Einkommen und er erreicht also den Zweck hier überhaupt nicht. In der ganzen Rede des Herrn Abg. Richter war von dieser Frage, von dem Suchen einer Durchführung verschiedener Besteuerung von fundirtem und nicht⸗ fundirtem Einkommen überhaupt gar nicht mehr die Rede. Ich will sehen, ob bei seinen Freunden dieser Wunsch, eine solche Unterscheidung zu machen, deren Nichtberücksichtigung mir gerade von jener Seite bei dem ersten Entwurf des Einkommensteuergesetzes auf das schärffte vorgeworfen ist, nunmehr allmählich verschwunden ist, wo die Sache eine reale Ausführung gewinnen soll. ⸗
Meine Herren, von einem Wege, der Noth der Gemeinde zu steuern, indem man ihr entweder die Rente oder Steuerkräͤte zuführt. ist in der Rede des Herrn Abg. Richter gar nicht mehr die Rede ge⸗ wesen. Er will die lex Huene beseitigen, wie ich annehme; er will . eine mechanische Vertheilung an die Communen von Geldmitteln auch nicht; die Realsteuerüberweisung hält er für ganz bedeutungslos, be ⸗ kämpft sie sogar auf das entschiedenfte. Was will denn nun der Herr