lastung der mehr Steuerkräftigen. Das ist keine Plutokratie. Ich hoffe sogar, daß diese bedeutende Verstärkung der Steuer⸗ kraft der Gemeinden durch die Freilassung der Realsteuern aus der Staatssteuer es möglich machen wird, in den bestehenden Steuer⸗ arten namentlich der großen Städte erhebliche Reformen durch⸗ zuführen. Wir wollen die Städte nicht dazu zwingen, sie sollen in dieser Beziehung freie Selbstverwaltung haben; aber, daß Berlin, wenn es zehn Millionen mehr bekommt, wohl die Frage ernsthaft wird erwägen müssen, ob seine Miethssteuer beizubehalten oder nicht, wenigstens gründlich zu re— formiren sei im Sinne der Entlastung der kleinen Miether, die Hoffnung können wir hegen. (Sehr richtig) Denn eine Miethssteuer, unrichtig normirt, kann allerdings den Erfolg haben, daß die so hochwichtige Wohnungsfrage zum Nachtheil der Minderbe⸗ sitzenden, der kleinen Miether, die die hohe Miethe zahlen müssen, im höchsten Grade erschwert wird.
Meine Herren, wenn wirklich der Herr Abg. Herrfurth Recht hätte, daß diese Steuer nicht zu einer Mehrheranziehung der Reichen und Begüterten, sondern zu einer schärferen Belastung der Minder⸗ begüterten führe, so wäre doch seine eigene Behauptung garnicht verständlich, daß das Wahlrecht sich durch diese Reform plutokratisch verschoben hätte und verschieben würde. Das sind ja vollständige Widersprüche. Entweder — oder; entweder zahlen die Reichbegüterten in Zukunft mehr, dann verschiebt sich allerdings das Wahlrecht plutokratisch, und ich habe ihm in dieser Beziehung zugestimmt, nicht bloß, daß das in Zukunft der Fall sein wird, sondern daß es thatsächlich durch die Einkommensteuerveranlagung auch schon der Fall gewesen ist. Wenn aber seine Behauptung richtig wäre, daß diese Reform darauf hinausliefe, die Minderbegüterten stärker heranzuziehen als die Mehrbegüterten, dann wäre die Be— merkung zur Verschiebung des Wahlrechts völlig unzutreffend.
Meine Herren, das ist ja vollkommen zutreffend, daß die Be— sitzenden auch entlastet werden. Sie werden entlastet, soweit sie bisher mit Unrecht belastet waren, und das ist kein Vorwurf gegen eine Reform; denn wir wollen — das ist das Ziel, welches wir ver⸗ folgen — consequent in der Staatssteuer das Princip der Leistungsfähig⸗ keit; wir wollen mit den hergekommenen, den heutigen wirthschaft— lichen und socialen Zuständen nicht mehr entsprechenden Steuer⸗ formen brechen; wir wollen in dieser Beziehung allerdings einen durchgreifenden Schritt thun.
Was wird denn der Erfolg dieser Reform sein? Ein jedes Ein— kommen wird gleich besteuert, aus welcher Quelle es auch fließt, ob es aus Arbeit oder aus Grundbesitz, ob aus Kapital, ob aus Gewerbe⸗ betrieb; nur den einen Unterschied machen wir, daß das fundirte Ein— kommen, weil es steuerkräftiger ist, auch entsprechend mehr heran— gezogen wird, aber jedes fundirte Einkommen, ob es aus Grundbesitz herstammt, aus Gewerbebetrieb oder Kapital. Warum sollen denn die Kapitalisteu in dieser Beziehung einen Vorsprung haben? Wie würden Sie verantworten, bei einer grundlegenden Steuerreform diese jetzige Ungleichheit bestehen zu lassen? Jeder wird sagen: wenn diese Form der Besteuerung nicht eintritt, die höchst mäßig ist, von R pro Mille, welche sich schließlich auch noch compensirt in der Gemeindebesteuerung, dann kann gar nichts Anderes übrig bleiben, als nun in dem Realsteuersystem stecken bleibend, zu einer Mitheranziehung des Kapitalbesitzes, zu gelangen. Meine Herren, wer kann sich denn nun in Zukunft beklagen? Jeder wird gleich⸗ mäßig behandelt, jeder nach seiner Leistungsfähigkeit, jeder nach seiner Steuerkraft. Ein solches System kann man nach seiner Ueberzeugung mit Grund nicht plutokratisch nennen. (Bravo! rechts und im Centrum.)
Abg. von Eynern (ul): Die Steuervorlagen, die größten Vorlagen, welche seit 20 Jahren dem Abgeordnetenbause zugestellt worden, seien in 4 Monaten ausgearbeitet worden. Da. möge wohl die Frage berechtigt sein, ob dies in so kurzer Zeit mit genügender Kenntniß der voraussichtlichen Wirkung und mit . der verschiedenartigen wirthschaftlichen Verhältnisse des Landes habe ge— schehen können. In der Presse habe man Lobeserhebungen über Lobes— erhebungen für den neuen Reformplan gelesen, ohne daß man die Einzel⸗ heiten zu erfahren bekommen hätte; jeder Gegner, jeder, der sich nicht habe entschließen können, die Segnungen dieses Plans zu er⸗ kennen, sei als ein solcher bezeichnet worden, der nur über ein impo⸗ tentes Nein verfüge. Es könne aber doch zweifellos nicht Aufgabe der Abgeordneten sein, jedem Reformplan ihrerseits einen anderen gegen— überzustellen. Niemals sei mit der Steuertradition des preußischen Staats ein solcher Bruch persucht worden, wie durch diese Reform. Als die Einführung der, Grundsteuer beschlossen, sei diese als das Grundelement des preußischen Staats hingestellt worden; jetzt solle diese Steuer aufgehoben werden. Die bisherige preußische Steuer⸗ politik sei so wenig wie möglich in die Vermögensverhältnisse ein⸗ gedrungen. Auch damit werde jetzt gebrochen und in Bezug auf die Communalbesteuerung wieder in das alte Accisensystem eingelenkt. Die Conservativen stimmten dem Plane nur deswegen zu, weil sie dabei sehr gut, führen. Das Ziel der Reform; Entlastung des Grund— hesitzes, billige er. Daß dabei auch Geschenke gemacht würden, wolle er nicht weiter berühren; der Hauptmißstand sei, daß die Verhält⸗ nisse im 2sten und im Westen in ganz verschiedener Weise von den Wirkungen der Reform betroffen würden. Auch für die Aufhebung der lex Huene werde er stimmen; nach seiner festen Ueberzeugung würden dann aber auch die Kornzölle fallen. Der Reichstag werde die Aufhebung dieser Zölle beschließen, und er (Redner) würde damit seinerseits durchaus nicht unzufrieden sein, denn er sei niemals ein Freund von Kornzöllen gewesen. Mit 24 Millionen sei allerdings die lex Huene zu niedrig in Rechnung gestellt; auch bei dem ermäßigten Kornzoll von 3,50 S würden sich aus den Durchschnitten der letzten vier Jahre immer noch 32 Millionen ergeben: das möchte er selbst der Autorität des Geheimen Ober⸗Regierungs⸗Raths Thiel gegenüber geltend machen. Wenn man den Ertrag mit 35. Millionen annehme, dazu nicht 40, sondern, wie sie in Wirklichkeit vorhanden seien, 45 Millionen Ueber— schuß aus der Einkommensteuer hinzurechne, so ergäben sich 30 Millionen und es blieben nur noch wenig über 21 Millionen Mark, zu decken. Im 8 33 des Git mne fteuer esetzes sei gesagt, daß die thesaurirten Ueberschüsse aus dieser Steuer bis zum Jahre 1895 verwendet werden sollen zum Zwecke der Ueberweisung der Grund- und Gebäudesteuer an die Gemeinden. Nun werde aber in der Denkschrift engt. über die Verwendung der Ueberschüsse und Zinsen solle dem andtage eine besondere Vorlage zugehen; wahrscheinlich follten sie zu Gunsten der Aufbesserung der Boll fh llẽhr verwendet werden. Das würde das Vertrauen in die Versprechungen der Regierung arg erschüttern. Ein ähnlicher Versuch sei vor einigen Jahren bei dem Goßler'schen Gesetz gemacht worden, wo auch etwa 10 Millionen Mark aus den Ueberschüssen für Schulbauten n n Gemeinden zugewendet wer⸗ den sollten. Dieser Vorschlag der Regierung habe damals beim Dause fast einstimmige Ablehnung gefünden. Es sei von einigen Seiten behauptet worden, das Einkommensteuergesetz hätte Unzufrie⸗ denheit im Lande erregt. Das sei zweifellos richtig, aber das liege an einigen Bestimmungen, die gegen den Willen der gta ld fer af und zum theil auch des Finanz⸗Ministers von der Mehrheit des Hauses in das Gesetz hineingebracht worden seien; dazu gehöre die ungerechtfertigte Doppelbesteuerung der Actiengesellschaften u. s. w, die Steigerung in der
Besteuerung der höheren Einkommen von 3 auf 4 06, der Um⸗ stand, daß in der Einschätzungscommission nicht immer ein Staats⸗ commmissar, sondern der Landrath den Vorsitz führe, die nicht ge⸗ nügend gewahrte Geheimhaltung der Steuerlisten u. s. w. Die 66 der Unzufriedenheit über das neue Einkommensteuergesetz seien also die Mitglieder auf der rechten Seite des Hauses. Es frage sich nun: sei jetzt eine Neubelastung der Steuerzahler nothwendig? Aus der Thronrede habe man mit k gehort, daß die Fortführung der in den letzten Jahren begonnenen Aufbesserung der Beamten⸗ besoldungen in diesem Jahre nicht stattfinden könne. Wenn also Mittel gebraucht würden, insbesondere zur vollständigen Durch⸗ führung der Steuerreform, und wenn die Untersuchung ergebe, daß die Vermögenssteuer dazu nothwendig sei, dann würden seine (des Redners) Freunde diese nicht versagen, aber die vorgeschlagene Form mit der
eclaration sei die unglücklichste Form der Besteuerung, die hätte gewählt werden können. Der Schutz des Eigenthums sei die wesent⸗ lichste Aufgabe des Staats. Wenn eine Steuer aber auch er⸗ hoben werden sollte von Objecten, die vielleicht infolge schlechter Ernten oder Unterbilanz bei großen Gewerbebetrieben ein, zwei Jahre kein Einkommen abwerfen, so bedeute das eine Ver— minderung des Vermögens selbst. Der Abg. Herrfurth habe gestern schon auf die allzu große Entwickelungsfähigkeit der neuen Vermögenssteuer hingewiesen; was das bedeute, wisse man, auch kenne man die Geschicklichkeit der F inan wer waltung in der Entwickelung neuer Steuern. Der ef n . Grund der Ablehnung dieser Steuer liege aber in ihrem vexatorischen Charakter. Die geforderte genaue Darlegung der Vermögensverhältnisse sei besonders schädlich; diese sei so scharf und vexatorisch für den Steuerzahler, besonders den Gewerbe⸗ treibenden, daß er sie für eine unerträgliche Last halten werde, sie werde geradezu eine Entfremdung der Bürger vom Staat bewirken. Es handele sich bei dieser Steuer nicht um die Höhe; jeder Censit würde gern das Doppelte geben von der Steuersumme, zu der er veranlagt werde, wenn er dadurch bloß die unerträgliche Declaration vermeiden könnte. Schon bei der Einkommensteuer lasse sich nicht die Geheimhaltung der Steuerlisten aufrecht erhalten, wie Beispiele aus der Rheinprovinz bewiesen; wie wolle man das nun bei der Vermögens⸗ steuer bewerkstelligen? Hier könnte aber die Offenbarung der Ver⸗ mögens⸗ und Creditverhältnisse für den kleinen und auch für den großen Gewerbetreibenden den Ruin bedeuten und den Bürger geradezu zur Verzweiflung bringen. Wenn nun die Vermögenssteuer besonders in Kriegszeiten, wo wegen der unsicheren Einkommensverhältnisse die Steuer daraus schwankend sei, die für den Staat nöthigen Mittel flüssig machen solle, so werde das gar eine allgemeine Zerrüttung des Be⸗ sitzes herbeiführen. Schon durch das Einkommensteuergesetz, das mit seiner Doppelbesteuerung besonders für die Gewerbetreibenden sehr drückend sei, seien viele Millionen an Kapital aus dem Lande her⸗ ausgetrieben worden, durch die vexatorischen Bestimmungen der Ver⸗ mögenssteuer werde das noch in viel höherem Maße geschehen. Wenn eine Ergänzungssteuer nöthig sei, so sei auch er nicht e, ,., zu ihrer Durchführung die Hand zu bieten, zumal er höre, daß über die . einer solchen noch keine Partei bindende Principien aufgestellt habe. Die jetzt vorgeschlagene Vermögenssteuer mit der Declaration verwerfe er aber unbedingt. Die Vermögenssteuer solle das fundirte Einkommen schärfer heranziehen; was sei aber fundirtes Einkommen? Ueber diesen Begriff gebe es keine fest⸗ stehende Definition. An Stelle der Vermögenssteuer empfehle er vielmehr die Einführung der Erbschaftssteuer, wie sie Hamburg, Lübeck und Bremen bereits haben. Diese bringe nicht ein so lästiges
Eindringen in die Privatverhältnisse mit sich, und in einer Höhe von 1 bis 25/0 würde sie die betreffenden Familien auch nicht zu schwer be⸗ lasten. Bei wiederholten Todesfällen innerhalb einer bestimmten Zeit könnte ja die Steuer nur für den ersten Todesfall erhoben werden. Dem Communalsteuergesetz stehe er sehr sympathisch gegenüber, da es eine wirkliche Verbesserung der Gemeinde⸗Finanzverhältnisse herbeiführen könne; die Commission werde jedoch noch prüfen müssen, ob nicht die Interessen des Westens dabei noch mehr berücksichtigt werden könnten. Wie sollten sich z. B. die erwerbsreichen industriellen Städte einrichten, wenn das Gesetz ihnen verbieten könne, Einkommensteuerzuschläge über eine gewisse Höhe, etwa 100 Procent, hinaus zu erheben? Hoffentlich werde die Reform in der Commission so gestaltet werden, daß sie für alle Theile des Hauses annehmbar sei.
General⸗Director der directen Steuern Burghart: Bald nach der ersten Veröffentlichung über die Steuerreform im „Reichs⸗An⸗ zeiger“ habe sich der Abg. von Eynern als Opponent, gegen den Reformplan erwiesen; zu seiner Freude könne er (Redner) constatiren, daß Herr von Eynern im Verlauf der Sache seinen Standpunkt in diesen Fragen im ganzen genommen gemildert habe. In der Haupt⸗ sache wolle er die Probleme nicht wesentlich anders lösen mit alleiniger Ausnahme der Ergänzungssteuer, gegen die er sich unter allen Um— ständen, namentlich mit Ruüͤcksicht auf das Declarations— verfahren, erklärt habe. Wenn der Vorredner meine, die Reform verweise die Communen entgegen der historischen Ent⸗ wickelung wieder auf die indirecten Steuern, besonders auf die Besteuerung der allgemeinen Lebensmittel, so übersehe er, daß nach dem Communalsteuer⸗Gesetzentwurf Steuern auf den Verbrauch von Fleisch, Getreide, Mehl, Backwerk, Kartoffeln und Brennmaterial aller Art nicht neu eingeführt oder in ihren Sätzen erhöht werden dürften. Die Reform stehe also nicht im Widerspruch mit früheren Tendenzen. Der Vorredner sage ferner, daß die erwerbsreicheren industriellen Städte nicht wissen würden, wie sie sich ein⸗ richten sollten, wenn Einkommensteuerzuschläge über eine be⸗ stimmte Höhe, etwa hundert Procent, verboten seien. Wo aber finde man in der Vorlage das Verbot irgend einer Höhe von Einkommensteuerzuschlägen? Die Regierung wisse sehr wohl, daß ein allgemeines Schema für eine bestimmte Höhe von Einkommen— steuerzuschlägen sich absolut nicht aufstellen lasse; sie wisse auch, daß eine Reihe von Städten garnicht mit 100 Procent Zuschlag auskommen würden, aber sie suche die Zahl derer, die nicht damit auskommen, zu verringern, und wo Uebelstände auftreten, solle die Aufsichtsbehörde das Recht haben, zu untersuchen, ob diese nur eine Folge ungünstiger Verhältnisse oder einer falschen Finanzirung seien. Ueber die voraussichtlichen Ergebnisse der Ueberweisung der Real⸗ steuern an die Communen werde dem Abgeordnetenhause in nächster Zeit eine Statistik zugehen, aus der hervorgehe, daß durch die Ueberweisung thatsächlich eine Erleichterung in den Communal⸗ steuerzuschlägen erreicht werde. Wie sich die Grund⸗ und Gebäude— steuer gestalten werde, laße sich aber vollkommen erst in einem oder zwei Jahren übersehen. Zur Ergänzungssteuer habe der Abg. von Eynern einen echt kapitalistischen Standpunkt eingenommen, und den sollte man festnageln. Die neue Einkommensteuer habe schon die Verheimlichung des Einkommens und damit die Ungerechtigkeit der Veranlagung beseitigt. Dazu werde auch die Ergänzungssteuer dienen. Es würden immer solche Formen angewandt werden, die einen Schutz dagegen böten, daß die Steuer wicder degenerire, wie die bisherige Einkommensteuer.
Abg. von Huene (Centr.): Die Abgg. von Jagow und Herrfurth hätten hervorgehoben, daß ohne eine Regelung des Wahlgesetzes an eine Annahme der Steuergesetze nicht zu denken sei. Herr von Eynern habe geäußert, das sei wohl nicht fo schlimm gemeint. Er (Redner) er⸗ säre im Namen seiner politischen Freunde, daß, so sehr sie auch die Steuerfrage geregelt zu sehen wünschten, ohne dieses Wahlgesetz die Annahme des Gesetzes von ihrer Seite ausgeschlossen erscheine. Damit sei constatirt, daß die Mehrheit des Haufes bereit sei, auf alles zu verzichten, wenn nicht der Wahlfrage Genüge geschehe. Man stehe unter dem Eindruck des Einkommensteuergesetzes, unter dem noch die nächsten Wahlen abgehalten würden. Es werde nöthig sein, daß die Regierung auch über die Wirkungen des Nothwahlgesetzes Material sammele, um zu constatiren, ob dadurch Lie plutokratische Wirkung des neuen Einkommensteuergesetzes abgeschwächt werde. Ein neues Wahlgesetz werde nur wirksam sein bei den Communalwahlen und bei den Nachwahlen. Der Abg. Freiherr von Zedlitz habe Recht, wenn er annehme, daß man im Centrum bereit sein werde, der Ueberweisung der Realsteuern zuzustimmen. Unter Real steuern verstehe des Redners Partei die Grund und Gebäude⸗ steuer; beide gehörten wegen ihrer ungleichmäßigen Belastung
zu den ungerechtesten Steuern. Preußens. Insofern erfülle die Regierungsvorlage ihre längst gehegten Wünsche, indem diese über- wiesen werden sollten. Der Abg. Herrfurth habe hervorgehoben, daß zwischen der Ueberweisung und der Last ein sehr großer Unterschied sei; er (Redner) könne das in praktischer Hi icht nicht zugeben. Wenn man die Grund- und Gebäudesteuer den Communen überweife, so müsse man den Fall vorsehen, daß, wenn die Communen keine Verwendung für den vollen Betrag haben, sie einen Theil davon erlassen könnten. Die Gemeinden müßten sich nur bei allen Ausgaben, die sie machen, immer klar bleiben, daß sie mit Steuern belasten, um ihre Zwecke zu erreichen. Der Abg. Herrfurth habe auch gemeint, es bestehe ja auf dem Lande unter den besitzenden Klassen Wohlhabenheit. Das sei ein ganz gefährlicher Ausspruch. Hätte der Abg. Herrfurth Recht, dann brauchte das Haus garnicht uber ein solches Gesetz hier zu debattiren; es wäre keine Noth im Lande, kein Steuerdruck 2c. Nun sage man, diese Ueberweisungen kämen dem verschuldeten Grundbesitz zu gute; wenn die Besitzer, die jetzt da seien, sich nicht halten könnten, dann möchten sie herausgehen, und andere Leute würden an ihre Stelle kommen, die sich das nöthige Kapital erworben haben. Er, glaube, dies sei einer der heillosesten Aussprüche, die man in socialpolitischer Hinsicht machen könne. Wer Schuld habe an der Ver= schuldung, ob die Person oder der Gang der Verhältnisse, habe man nicht zu untersuchen; man stehe vor der Thatsache der Verschuldung, und wenn keine Remedur geschaffen werde, dann gehe der Grund— besitz einem schweren Zustande entgegen oder er sei eigentlich schon darin. Man habe die Pflicht, dem vorzubeugen. Die Personalsteuer wirke deshalb nicht so drückend wie die Grundsteuer, weil sie auf einem wirklich vorhandenen Einkommen beruhe. Die Personalsteuer beginne mit einem ganz minimalen Procentsatz, während die Grundsteuer bis zu 4 und 5öb/ J des Bruttoeinkommens belastet sei. Der Abg. Richter habe darauf hingewiesen, wie be⸗ lastend das Einkommensteuergesetz gewirkt habe. Man könne die Sache aber nicht nach der Gesammtsumme beurtheilen. Es frage sich, woher die größere Steuer komme. Sollten dabei alle diejenigen, welche nach dem Gesetz steuern sollen, auch wirklich steuern, so sei dies keine Mehrbelastung, sondern nur ein Aet der ausgleichenden Gerechtig⸗ keit. Die Berufung auf § 82 seitens des Finanz-Ministers treffe nur zu auf die Beseitigung der Grund- und Gebäudesteuer als Staats— steuer. Was den neuen Verwendungszweck angehe, den man mit der angekündigten Vorlage wegen der thesaurirken Ueberschüsse be⸗ absichtige, so würde das Haus abzuwarten haben, was ihm vorgeschlagen werde; jedenfalls müsse jeder andere Ver— wendungszweck zurücktreten gegenüber dem Hauptziel: der Ueber— weisung resp. des Erlasses der genannten Realsteuern. Die lex ie. sei auch in seinen Augen nur ein vorübergehender Nothbehelf, der seine Schuldigkeit gethan habe; er habe dies schon bei der Berathung jenes Gesetzes selbst ausgeführt. Daß die Ver⸗ wendung hier und da nicht ganz glücklich gewesen, gebe er zu, obwohl diese Mißstände doch im ganzen unbedeutend gewesen seien. Es sei ihm unklar, wie die Landräthe und Kreisausschüsse, die das Geld bekommen, es einfach hätten in den Kasten legen können, denn sie hätten das Gesetz dabei einfach unausgeführt ge— lassen, welches die Verwendung nach ganz bestimmten Rich— tungen, vorschreibe. In der überwiegenden Mehrheit der Kreife habe dieses Gesetz ganz außerordentlich segensreich gewirkt, und er freue sich, es eingebracht zu haben. man das System: „Die Personalsteuern dem Staat, die Realsteuern den Gemeinden“ so glatt werde durchführen können, wisse er nicht; müsse doch der kö selbst die Vermögenssteuer, eine reine Object⸗ teuer, dem Staate vorbehalten. Die ungerechte Staats⸗ grundsteuer könne als Gemeindesteuer eine gerechte Steuer werden. Für die einfache Beseitigung der Bergwerksabgabe bestehe bei einem großen Theil seiner Freunde keine Neigung, zumal nicht gesagt werde, in welcher Weise die Gemeinden mit ihr verfahren sollten. (Ruf: Gewerbesteuer In der Vorlage sei darüber garnichts ge—⸗ sagt. Die , zwischen verschuldetem und unverschuldetem Grundbesitz bei der Aufhebung der Grundsteuer sei vollständig unberechtigt; die Verschuldung drücke den großen wie den kleinen Grundbesitz gleichmäßig. enn nun seinerzeit eine neue Last aufgelegt und dafür volle Entschädigung gewährt worden sei, so solle jetzt die Entschädigung zurückgefordert werden. Das erscheine nicht ganz gerecht, da ja jetzt die Grundsteuer nicht generell aufgehoben, sondern vielmehr den Gemeinden die Freiheit, sie neu aufzuerlegen, gegeben werde. Die Staatsregierung habe geglaubt, mit dem Ver— moͤgenssteuergesetz kein neues selbständiges Gesetz vorzulegen, aber jedenfalls sei es eine neue Art, Steuern zu erheben. Einige seiner Freunde hätten Schwierigkeiten in dem Gesetz gefunden und meinten, daß man es grundsätzlich zurückweisen möge. Jedenfalls sei die Scala auffallend: in der Einkommensteuer habe man eine Degression, dagegen bei der Vermögenssteuer einen Procentsatz, der das Vermögen, von (900 S, mit demselben Satze treffe, wie die Millionen. Das hätte. man nicht thun sollen nach all den Bestimmungen, die man bei dem Einkommen steuergesetz getroffen habe. Man könnte wohl etwas höher beginnen, bei einem Satz, wo man überhaupt von Vermögen sprechen könne, und sollte die mittleren Klassen mit niedrigeren Sätzen heranziehen. Die Vermögenssteuer treffe das Vermögen sehr ungleich. Wo sei z. B. im Grundbesitz ein Vermögen, das mit 40. sich verzinse? Ferner habe seine Partei erhebliche Bedenken gegen die Art und Weise, wie die Werthschätzung des Vermögens vorgenommen werde: die Ver— kaufswerthe der Vermögensobjecte sollten dabei zu Grunde gelegt werden. Dadurch werde ein Gut unter Umständen disereditirt. Wer z. B. eine große Familie habe, werde dazu gedrängt werden, den Werth möglichst niedrig anzugeben. Die Steuerreform habe einen wunderschönen Anstrich, aber wenn man genauer zusehe, sei es nichts. Auch bezüglich der Veranlagung könne man sich bei den gemachten Vorschlägen unmöglich beruhigen. Was der Vermögenssteuer so fehr zum Schaden gereiche, sei der Umstand, daß sie zu einer Zeit vor— gelegt werde, wo im Lande allenthalben eine ganz erhebliche Un— zufriedenheit herrsche über die Art und Weise, wie sich die Staats— commissare ihres Amts bei der Einkommensteuer⸗Einschätzung entledigt hätten, namentlich darüber, wie man die Gründe der Reckamationen hbrüsk ignorirt habe, Gerade gegenüber diesem Theile des Vermögens— steuergesetzes habe sich daher im Publikum ein ganz besonderes Unbehagen verbreitet. Von den Gegenvorschlägen sei der der Erbschaftssteuer wohl abgethan; sie treffe zu ungleich, um ernsthaft in Betracht zu kommen. Wenn dem Finanz⸗Minister die großen Bauterrains, die keinen Ertrag bringen und auch keine Steuer abwerfen, unangenehm seien, so sollte er sie, wenn die Reform durch weiter nichts gehemmt würde, ruhig liegen lassen nach dem Grundsatze: minima non eurat praetor. Für die großen Ausgaben, die so ein Besitzer mache, ließe sich ja die im vorigen Jahre abgelehnte Aufwandssteuer einführen. Wenn nur Grund⸗ und Gebäudesteuer aufgehoben, Gewerbe⸗ und Bergwerkssteuer erhalten würden, brauche man keine Vermögenssteuer. Der wesentliche Zweck der Steuerreform werde , ohne diese durch⸗ geführt werden können. Die Rückwirkung dieser Einschränkungen des Plans auf das Communalsteuergesetz würde darin bestehen, daß gegen Zuschläge zur eontingentirten Gewerbesteuer Garantien getroffen werden u. dergl. Wie weit die Gemeinden in dieser Beziehung Directiven erhalten müßten, das werde der Commissionserörterung vorzubehalten sein. Dieser von ihm (Redner) als ultima ratio an⸗ 1 Weg würde noch den Vorzug haben, einer weiteren Aenderung der Steuerverhältnisse Preußens nicht zu prä— judiciren; im Gegentheil könnte jeden Tag diese Aenderung in Angriff genommen, die Vermögenssteuer k werden u. J. w. Den Vorwurf, daß die Beschränkung auf Grund⸗ und Gebäude⸗ steuer agrarisch sei, wie der Abg. Sattler ihm zurufe, weise er als unrichtig zurück. Er hoffe, 1a auf Grund dieser Vorschläge sich etwas Brauchbares werde zu stande bringen lassen zum Wohle des Vaterlandes. ö
Hiernach wird die Debatte vertagt.
Schluß 5 Uhr. Nächste Sitzung Mittwoch, 11 Uhr. (Fortsetzung der Berathung der Steuerreform und erste Lesung des Ergänzungssteuergesetzes.)
Der Reichshaushalts⸗Etat für 1893/94
schließt in Einnahme und Ausgabe ab mit 1273 950 571 6 (gegenüber dem Etat des laufenden Jahres 1217 226 965 (6 so daß eine Erhöhung von insgesammt 56723 605 „ ein⸗ etreten ist; Von den Ausgaben entfallen 1 006 300468 M gegen 90 674 864 MS) auf die fortdauernden, 82 250 267 MS (gegen 72130106 S) auf die einmaligen Ausgaben des ordentlichen Etats und 185 399 836 M (gegen 154 421 995 6) auf die einmaligen Ausgaben des außerordentlichen Etats. Die fortdauernden Ausgaben stellen sich wie folgt: Reichstag 423 213 ;
Reichskanzler u. Reichs⸗ V 153 460 MS, (= 3100
l4 120 4M); 595 000 Mh;
69 339 ); 135 010 : geh Zh Ich,
25314 866 ch; 1311 087 ; 492 476 );
147 000 6);
kanzlei. gegen den Etat des laufenden Jahres); Auswärtiges Amt . 10 105505 6 (4 O4 300 M; Neichsamt des Innern 25 841 515 S (4 5944765 ); Verwaltung des Reichs⸗ heeres K 128 172 899 S (* S87 741 ); Verwaltung der Marine 48 896 249 S (— 3597 410 t); Reichs⸗Justizverwaltung 2 054978 S6 (4 6152 ; Reichs⸗Schatzamt .. 364 258 840 S (— 1800900 ); Reichs⸗Eisenbahnamt. 332 820 M6 (* 24 580 . Reichsschuld . 65 966 000 S (— 5100200 M); Rechnungshof 629 883 S6 (* 4235 ; Allgemeiner Pensions⸗ fond. 44793 028 6 (4 2146497 ); Reichs⸗Invalidenfonds 24 672 M78 S (— 492 476 46); Summe 10906 390468 s6 ( 15625 604 ). Die einmaligen Ausgaben des ordentlichen Etats ver— theilen sich wie folgt: ö Auswärtiges Amt. 3 388 600 M ö. 356 300 ); Reichsamt des Innern 237 900 6 (— 2317 066 ); Post⸗ und Telegraphen⸗ verwaltung 10 151 203 M. (4 2900455 ); Reichsdruckerei ... 219 700 MS (4 19700 1169; Verwaltung desReichs⸗ heeres . . 43 103 014 M ( 4686 022 Mc); Verw. der Marine. 21 567 250 M6 ( 4454 550 M6); Reichs⸗-Justizverwaltg. 1 200009 M (4 129 000 4 ); Reichs⸗Schatzamt .. 218 600 M6 (— 112 800 ); Reichs⸗Eisenbahnamt. 4000 S6 (4 4000 M); Summe S2 250 267 S6 (10120161 (69. Die einmaligen Ausgaben des außerordentlichen Etats vertheilen sich in folgender Weise: Reichsamt des Innern 35 600 000 S6 (— 29 600 000 ); Verw. des Reichsheeres 114 023 026 M ( 6947 331 ); Verw. der Marine 18 390 000 ½ (— 4607 800 M); Reichs⸗-Schatzamt .. — 14000000 M); Eisenbahnverwaltung 13 386 810 M6 (— 61 690 M15); Betriebsfonds 4000000 M (— 4000000 ); Summe 185 399 836 M (30977 811 63. Die Gesammtsumme der einmaligen (ordent⸗ lichen und außerordentlichen) Ausgaben (82 250 267 (6 C— 185 399 833 S) beträgt also 267 650 1093 606 (4 41 098002 S6), die Gesammtsumme aller Ausgaben (fortdauernden, einmaligen ordentlichen und außerordentlichen Ausgaben) 1 273 950 571 S6 (4 56 723 606 ). Diesen Ausgaben gegenüber sind die Einnahmen im Entwurf wie folgt veranschlagt: Zölle und Verbrauchs— . steuern 602919 840 M (— Reichs⸗Stempelabgaben 36 514 000 S (— Post⸗ u. Telegraphen⸗ verwaltung. 21 292 277 M6 (4 Reichsdruckerei. 1392220 M (4 Eisenbahnverwaltung. 20 745 100 S (4 k 7117500 6 (4 Versch. Verwaltungs⸗ einnahmen. 13 375 055 M6 (4 24 672 M8 6 (— 148 000 MS (—
Aus dem Reichs-⸗Inva⸗ lidenfonds. .
Zinsen aus belegten Reichsgeldern.
Aus der Veräußerung von Parzellen des ehemaligen Stettiner Festungsterrains 508 636 6 (— 588 270 M);
Ueberschüsse aus frühe⸗ ren Jahren 4 147232 M — 11160 969 M);
Matrikularbeiträge 355 718797 6 (4 34 859 064 M6).
Summe Tõss 55d 7s - 57 sd 7]
Außerordentliche Deckungsmittel S5 399 836 MS (4 30 977841 6)
Summe aller Einnahmen 1273950571 1Ʒ½ 56723606 M).
Der Etat für 1893/94 übersteigt hiernach den Etat des laufenden Jahres in Einnahme und Ausgabe um 56 723 606; im Einzelnen übersteigen die fortdauernden Ausgaben die diesjährigen um 15 625 604 M6, die einmaligen Ausgaben des ordentlichen und außerordentlichen Etats um 41 06 002 , dagegen die ordentlichen Einnahmen die diesjährigen um 25 745 765, die außerordentlichen Einnahmen die diesjährigen um 30 N7 841 M
Die Summe, um die der neue Etat den diesjährigen über⸗ chreitet (56 723 606 M), ist jedoch nicht als ein Mehrbedarf es Reichs zu betrachten. Nach der dem Etatsentwurf bei⸗ , Denkschrift müssen, um den eigentlichen Bedarf oder
ehrbedarf des Reichs festzustellen, diejenigen Summen außer Ansatz gebracht werden, die — wie die Ausgaben des Invalidenfonds (24 672078 6) und die aus den Einnahmen an Zöllen, Tabacksteuer, Branntwein⸗ steuer und Stempelabgaben an die Bundesstaaten zu überweisenden Beträge (349 218 000 6) — in Ausgabe und Einnahme gleichlautend, sogenannte durchlaufende Posten ind und deshalb die Höhe der Matrikularbeiträge und das Abschlußergebniß des Reichshaushalts nicht berühren. Zieht man diese Summen (zusammen 373 80 978 S6) von den fortdauernden und einmaligen Ausgaben des ordentlichen Etats Gusammen 1 688 550 733 6) ab, so erhält man als eigentlichen Bedarf des Reichs A4 660 657 M0, der gegen den diesjährigen um 23 116 241 6 höher ist; diese letzte Summe ist der Mehrbedarf des Reichs hegen ber dem Etat des laufenden Jahres. Dieser Mehr⸗ edarf vertheilt sich auf alle Verwaltungszweige und ergiebt
sich aus den oben genannten Summen.
;
Dieser Mehrbedarf kann nun aber nicht durch die eigenen Mittel des Reichs gedeckt werden. Denn nach dem Vor— anschlag ergeben die eigenen gewöhnlichen Einnahmen einen Minderertrag von 6 748 823 46
Bei den Einnahmen kommen — wie hervorzuheben ist — die Einnahmen aus den Zöllen, Taback- Branntweinsteuer und Stempelabgaben nicht in Betracht, da sie dem Reich nicht verbleiben. Von den übrigen Verwaltungen figuriren zwar einige mit höheren Einnahmen: die Ver— . bringt mehr 9874 000 M, die Salzsteuer 425 000 S, die Branntweinsteuer 374 000 MS, die Brausteuer SI7 000 S6, der Spielkartenstempel 21 900 M6, die Wechsel— stempelsteuer 409 000 4, die statistische Gebühr 23 000 6, der Ueberschuß der . und Telegraphenverwaltung 69 339 6, der Ueberschuß der Reichsdruckerei 139 010 MS, der Ueberschuß der Eisenbahnverwaltung 920 300 , verschiedene Verwaltungs— einnahmen 1311 087 6, die Einnahmen aus dem Bankwesen 2344 800 S6. Diesen Mehreinnahmen, welche sich auf 16727536 M/ belaufen, stehen aber Minder einnahmen gegenüber im Betrage von 23 470 359 S (Wegfall der Zucker⸗
aterialsteuer 11 573 000 Sm; bei den Aversen 1120 S, brei den Zinsen aus belegten Reichsgeldern 147 000 M, bei den Parzellen des Stettiner Festungsterrains 588 270 S6; ferner ist der Ueberschuß des Haushalts des Etatsjahrs 1891592 um 11160 969 S geringer als der im vorigen Etat eingestellte Ueberschuß). Infolgedessen ist eine Gesammt⸗Minder— einnahme zu verzeichnen von 6742 823 6. Zur Deckung dieses Einnahme-Ausfalls und des vorerwähnten Mehrbedarfs von 28116241 6 mußten die Matrikular— beiträge um 34 859 064 ½ erhöht werden: im laufenden Jahre betragen sie 320 859 733 S6, in dem neuen Etat 355 718 797 MM .
Was nun die Ueberweisungssumme anbetrifft, so setzt sie sich wie folgt zusammen: .
Von den Zöllen und der Tabacksteuer werden nach Abzug der gesetzlich dem Reich verbleibenden 130 000 000 S über⸗ wiesen . J .
ferner von der Verbrauchsabgabe von
Branntwein . . 99 940 000 M von den Stempelabgaben . A 171 000 insgesammt 3413 218 900
Im laufenden Jahre betrug die Ueberweisungssumme , „6, sodaß jetzt 1809 100 M weniger überwiesen werden.
Während also die Bundesstaaten nach dem Voranschlag 355 718797 M½ an Matrikularbeiträgen bezahlen, werden sie zurückerhalten 349 218 000 „, also 6 590 797 MS weniger als sie erhalten. Im laufenden Jahr bezahlen sie an Matrikular— beiträgen 320 Sö9 733 ½, und erhalten dafür vom Reich über— wiesen 351 096 000 S, sodaß sie 30 236 267 6 mehr erhalten als sie zahlen. . .
Was den außerordentlich en Etat anbetrifft, so schließt dieser mit einem Gesammtbedarf von 185 399 8365 6, d. s. 30 977 841 6 mehr als der außerordentliche Etat des laufen⸗ den Jahres. Von dieser Summe sollen 146153 297 6 durch eine neue Anleihe aufgebracht werden, während der Rest bereits auf demselben Wege durch frühere Beschlüsse gedeckt ist. Die Anleihe dient den Zwecken der Verwaltungen des Reichsheeres (10 732 346 6), der Marine (18 390 0090 6), der Eisenbahnen (13 386 810 6, sowie zur Erhöhung der Betriebsfonds der Reichs-Post⸗ und Telegraphen⸗ verwaltung (4 Millionen Mark).
Wir beginnen nunmehr mit Auszügen aus den Special— Etats: , In dem Etat für den Reichskanzler und die Reichskanzlei sind die Ausgaben um 31090 „6 (durch Umwandlung der bisherigen Stelle eines ständigen Hilfsarbeiters in eine solche für einen vor— tragenden Rath, und durch eine Hausdienerstelle) erhöht; im ganzen betragen sie 153 460 1. .
In dem Etat des Auswärtigen Amts betragen die ort⸗ dauernden Ausgaben. 10110 0095 6 (gegen das laufende Jahr 208 800 4½ ); die y Ausgaben 3 388 600 M (4 356 300 4). In ersteren sind die Gehälter für zwei neue vortragende Räthe, für zwei Beamte des Centralbureaus und andere neue Stellen im Auswärtigen Amt, ferner Besoldungserhöhungen für das Personal einiger Gesandtschaften, Miethsentschädigung für den Botschaftr in Madrid, Zulage für den Botschafter in Rom (20900 ge), Dotationen für die Konsulate in Belgrad und Nizza, Zulagen für die Kousuln in Stockholm und Pretoria enthalten, wogegen für das Konsulat in. Nisch und für das Vice⸗Konsulat in Nizza entsprechende Abgänge eintreten; der Fonds für Unterhaltung der gesandtschaftlichen und konsularischen Dienstgebäude wurde von 380 000 auf 418 000 M erhöht. Am drientalischen Seminar wird ein neuer Lehrer für das Russische ange—⸗ stellt, wozu das Reich 4500 M beisteuert; der Fonds zur Unterstützung deutscher Schulen im Ausland ist, namentlich unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Orient und in Südamerika, von 50 009 auf 106 9000 4. erhöht worden. Die Vermehrung der einmaligen Ausgaben wird bewirkt durch 120 909 M als erste Rate zum Neubau des linken Seitenflügels des Auswärtigen Amts, 10 000 M als Subvention für die r . Station in Rovigno in Istrien, 56 300 M zum Ankauf eines Kon⸗ sulatsgebäudes in Galatz und 195 0090 ½ zum tauschweisen Ankauf und zur Errichtung eines neuen Gesandtschaftsgebäudes in Washington; dagegen kommen 25 000 Fe als nicht mehr erforderlicher Beitrag für das süd⸗ westafrikanische Schutzgebiet in Abgang. Diesem Etat ist eine Denk⸗ schrift über die Wirksamkeit des Seminars für orientalische Sprachen während der ersten fünf Jahre seines Bestehens , .
Für die Schutzgebietze ist ein besonderer Etat aufgestellt. Der Etat für Kamerun balancirt in Einnahme und Ausgabe mit 580 000 S (gegen bisher 566 9090 6). Die Einnahmen aus den Zöllen, Abgaben und Gebühren sind um 31 000 6 höher, und zwar auf 565 006 MS, die Verwaltungseinnahmen um 30900 M böher und zwar auf 15 0090 „6 veranschlagt. Die Ausgaben enthalten in Bezug auf Gehälter einige höhere Positionen ö 31 275. gegen das laufende Jahr), ferner 24 000 M als Mehrbedarf für Hafen⸗ arbeiten. Der Etat für Togo balancirt mit 143 000 M è (gegen 116000 x); auch hier ist eine Steigerung der Einnahmen gegen das laufende Jahr um 27 000 46 angesetzt; die Mehrausgaben im Betrage von 27 000 M sind durch pers zn i und unvorhergesehene Ausgaben sowie durch den Wegebau im Hinterland veranlaßt, Der Ctat für das südwest⸗ afrikanische n balancirt mit 275 390 M (gegen bisher 297 900 S). Die Einnahmen setzen sich aus ie und Gebühren im Betrage von 6000 6 sowie gus einem Reichszuschuß von 267 309 . der um 35 000 ½ geringer als bisher ist) zusammen. Dem Etat sind Denkschriften über die Entwickelung der genannten drei , ö sowie eine Denkschrift, betreffend Deut sch⸗Ostgfrika eigegeben; der letzteren entnehmen, wir folgende Stellen: »Für. die Beurtheilung der Verhältnisse im Innern der deutschen Interessensphäre war man bisher hauptsächlich auf die Be⸗ richte von Missionaren oder Reisenden angewiesen, welche nach Lage der Dinge mit eingnder nicht immer übereinstimmen. Zum theil handelt es sich um Nomadenstämme, die ibren Wohnsitz dauernd oder doch nach Maßgabe der Fruchtbarkeit eines Jahres wechseln. Zum thell ist das Verhalten der Reisenden von Einfluß auf das mehr oder minder freundliche Entgegenkommen der Eingeborenen. Endlich ist die Herrschaft des Araberthums im Innern, insbesondere um
Tabora und am Tanganyika⸗See stark und sie ist, soweit sie es nicht offen thun kann, im Geheimen jeder europäischen Einwirkung feindlich. Mit Hilfe dieses mächtigen arabischen Elements haben die Sultane von Sansibar und insbesondere der kluge und thatkräftige Seyid Bargasch es verstanden, im Innern bis an die großen Seen Einfluß zu gewinnen und ohne Aufwendung bedeutender Machtmittel die Handelskarawanen an die Küste zu ziehen und dort einen nicht unerheblichen Handel zu entwickeln. An die Stelle dieses jetzt beseitigten, auf religiöser Grund⸗ lage beruhenden Einflusses gilt es nunmehr die deutsche Einwirkung zu setzen. Ein bloß unthätiges Zusehen und eine Ueberlassung der Verhältnisse im Innern auf sich selbst ist nicht zulässig. Die Kara⸗ wanenstraßen müssen gegen die Raubzüge der eingeborenen Stämme thunlichst gesichert werden, wenn nicht dem Handel an der Küste die reiche Zufuhr der Landeserzeugnisse aus dem Innern entzogen werden soll. Es muß auch, soweit es mit den beschränkten Machtmitteln geht, thunlichst den Fehden der Stämme im Innern vorgebeugt werden, um eine Entväölkerung ganzer Ländergebiete d ihre Ver⸗ ödung auf Menschenalter hin zu verhindern. Es gat ferner, den Missionsgesellschaften der christlichen Bekenntnisse, welche ihre Send⸗ boten in das Innere abordnen, einen wenn auch nur bescheidenen Schutz zu gewähren. Endlich hat aber das Deutsche Reich auch die⸗ jenigen völkerrechtlichen Verpflichtungen zu erfüllen, welche es zur Unterdrückung der Sklavenjagden und des Sklavenhandels durch die Generalacte der Brüsseler Conferenz übernommen hat.
== Erwägt man, daß die Länge des Küstengebiets allein über 100 Meilen beträgt, und daß unsere Interessensphäre an Umfang das Deutsche Reich überschreitet, so ergiebt es i von selbst, daß, um sofort und für alle Zukunft die deutsche Macht unangefochten sicher zu stellen, es der Entfaltung einer ganz bedeutenden Truppenmacht und eines lange dauernden kriegerischen Vorgehens bedürfen würde. Daß ein solches aus vielen Gründen ausgeschlossen ist, bedarf keiner Ausführung. Soll Deutsch⸗Ostafrika sich in gedeihlichem Fortschreiten entwickeln, so bedarf es, wie jeder andere Theil der Erde, einen möglichst dauernden Friedenszeit. Die Hauptaufgabe der Stationschefs, besonders im Innern, besteht deßhalb darin, an der Spitze ihrer bescheidenen Macht durch ein ge⸗ schicktes Verhandeln und Verhalten in friedliche Beziehungen zu den Eingeborenen zu treten und mehr durch diplomatische Kunst als durch Gewalt den deutschen Einfluß und die deutsche Herrschaft zur Geltung zu bringen. Aufträge dieser Art sind die schwierigsten, welche an einen deutschen Offizier oder Beamten gestellt werden können; sie setzen Eigenschaften des Charakters und Verstandes voraus, welche Kraft und Klugheit mit Geduld und Entsagung vereinigen. Ein Theil dieser Eigenschaften findet sich nur bei gereiften Männern und kann erst durch langjährige Erfahrungen erworben werden. An diesen fehlt es vielfcch, da Deutschland erst seit sieben Jahren in eine Colonialpolitik eingetreten ist. Angesichts der Ziele und der Mittel unserer Colonialpolitik wird ein gewaltsames ECinschreiten gegen die Eingeborenen nur die Ausnahme bilden dürfen, welche in zweifelhaften Fällen niemals, sondern nur, wenn alle Mittel erschöpft sind und die Aussicht auf Erfolg nach menschlicher Berechnung un⸗ bedingt sicher ist, vorgenommen werden darf. Nach diesen Gesichts⸗ punkten sind die Instructionen verfaßt, welche den Stationschefs er⸗ theilt werden. So oft sie nicht von diesen in richtiger Weise erkannt und beachtet werden, sind ungünstige Rückschläge nicht zu vermeiden. Ist aber zu hoffen, daß allmählich die geeigneten Persönlichkeiten sich finden werden, welche sich von der hier , Auffassung durchdringen lassen, so wird sich der Ring der befestigten Stationen im Innern mehr und mehr erweitern lassen; es wird besonders schon in nächster Zukunft die Gegend des Tanganyika⸗Sees in Angriff genommen werden können, um den dort herrschenden Greueln der Sklavenjagden entgegenzutreten. Schreitet die deutsche Herrschaft in dieser Art auch langsam vorwärts, so darf nach den von anderen Colonialstaaten gemachten Erfahrungen angenommen werden, daß diese Herrschaft eine um so gesichertere ist.“ Die Totalstärke der Schutztruppe beläuft sich auf 1258, die der Polizei⸗ truppe auf 420 Mann. Im ganzen sind 486 Europäer (ohne Beamte 281) in Deutsch⸗Ostafrika. Ein bindender Etat ist für dieses Schutzgebiet nicht aufgestellt worden, doch ist versuchsweise folgender Plan für dessen Bewirthschaftung entworfen: Einnahmen 4780 000 4A (wovon 1780 000 SC an Zöllen, Abgaben und Gebühren, 00 000 M. an Verwaltungseinnahmen, 2 500 000 M. Reichs⸗ zuschuß). Die fortdauernden Ausgaben sind auf 4 464 470 M. veranschlagt; hiervon entfallen auf die Civilverwaltung 1201670 S6 (Gouverneur 50000 S), auf die Schutztruppe 1817300 M (Commandeur 25 000 S, 10 Compagnieführer mit je 9600 ÆS é; das europäische Personal kostet im ganzen 571 020 S, das farbige Personal 716 400 „, die Polizeitruppe 283 080 S); auf die Flottille entfallen 495 000 M; die einmaligen Ausgaben (Bauten, Be⸗ waffnung ꝛc.) betragen 266 000 S6, als Reservefonds für unvorher⸗ gesehene Ausgaben sind 49 530 S0 veranschlagt.
In dem Etat für das Königlich preußische Reichs⸗Militär⸗ Contingent und die in die r. Verwaltung übernommenen Contingente anderer Bundesstaaten stellen sich die Einnahmen der Militärberwaltung für Rechnung der Bundesstaaten mit Ausnahme pon Bayern auf 7 017362 6 oder um 965248 M böher als im Etatsjahre 1892/93; die Einnahmen für Rechnung der Gesammtheit aller Bundesstaaten sind auf 1424 607 M, g35 976 M mehr als im Vorjahre angesetzt. Es befinden sich unter den letzteren an einmaligen Einnahmen mehr gegen das Vorjahr 1 009 000M aus dem Verkauf von Grundstücken u. s. w., die durch die Umgestaltung der Vertheidigungseinrichtungen in den minder wichtigen, unter preußischer Verwaltung , Festungen entbehrlich werden; 62 000 6 von der preußischen Eisenbahnverwaltung zum Ausgleich für die durch den Umbau des Petershagener Eisenbahnthores in Danzig erwachsenen fortificatorischen Nachtheile; 36 5090 „ als erste Rate des Beitrags der Stadt Colmar i. E. zum Neubau eines Garnison⸗-Lazareths daselbst und 6000 M als erste Rate des Beitrags der Stadt Schlett⸗ stadt zum Neubau eines Garnison⸗-Lazareths daselbst. .
Die Summe der fortdauerndern Ausgaben beträgt 332064 818 7 gegen 331 890 312 4 im Vorjahre, ist mithin um 174 506 M höher. Unverändert geblieben sind die Ansätze für Adjutantur-Offiziere und Offiziere in besonderen Stellungen mit 9glI7 172 1M, für das Garnison⸗Bauwesen mit 706 958 , ferner für Reisekosten und Tagegelder, Vorspann⸗ und Transportkosten mit 65H28 137 6. für Verpflegung der Ersatz, und Reservemannschaften mit 6 528 137 6 Eine Abnahme der Ausgaben ergiebt sich bei dem Militär ⸗Kassenwesen um 200 M; bei den Geuver- neuren, Commandanten und Platzmajoren um 7244 * infolge des wegfallenden Gehalts des Commandanten von . Düppel; bei der Naturalverpflegung der Truppen nach dem Dur schnitt der letzten drei Jahre um 3076735 6 und bei der Bekleidung und Ausrüstung der Truppen um 116970 6, letztere Dunn infolge , . Tuchverdingungen. Alle übrigen Positionen erforderten Mehrausgaben, die sich bei dem Kriegs— Ministerium auf S290 6, bei. den Militär-Intendanturen auf 19 410 „, bei der Militär⸗Geistlichkeit auf 330 , bei der Militär⸗ Justizverwaltung, auf 4150 , bei den höheren Truppenbefehlshabern auf s36 6, bei dem Generalstab und dem Landvermessungswesen auf 6346 6“, bei dem Ingenieur und Pionier-Corps auf 5940 (., bei dem Ankauf von Remontepferden auf 13 007 „, bei den technischen Instituten der Artillerie auf 28 570 16, bei dem Bau und der Unterhaltung von Festungen auf 28 677 *, bei den Unterstützungen für active Militärs und Beamte, für die an anderen Stellen Unterstützungsfonds nicht ausgeworfen sind, auf 26 700 M und bei den verschiedenen Ausgaben auf 39 637 be⸗ laufen. Bedeutend höher als diese verhältnißmäßig geringen Mehr⸗ forderungen stellen sich die Mehrausgaben bei der Geldverpflegung der Truppen, die um S25 530 40 gestiegen ist, namentlich infolge der Verminderung der Ersparnißabsetzung wegen Zugehens der Manquemenks; bei dem Garnisonverwaltungs⸗ und Serviswesen, wo zur baulichen Unterhaltung, zu Retablisse⸗ mentsbauten, zu kleineren Neubauten,. sowie zu. Grund stückerwerbungen 86 527 , für Feuerung, Erleuchtung, Miethen und onstige Wirthschaftsbedürfnisse fowie zur Ergänzung der Festungs⸗ pprovisionementsbestände an Feuerungs. u. s. w. Materialien
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