möchten, das bei eingetragenen Genossenschaften mit Rücksicht auf deren selbständige juristische Persönlichkeit die Merkmale eines concessionspflichtigen Betriebs als vorhanden erachtet, erscheint fraglich. Jedenfalls aber kann angenommen werden, daß in einer großen Zahl von Fällen die Form eines Consumvereins oder einer sonstigen Gesellschaft zu den vorgedachten Zwecken nur simulirt ist und in Wahrheit ein concessionspflichtiger Schankwirthschaftsbetrieb oder Branntweinkleinhandel, des Lagerhalters, Geschäftsführers, Kastellans 2c. vorliegt, dessen gesetzwidriges Treiben die Mitglieder häufig noch durch Besorgung eines billigen Einkaufs der Getränke in seinem Interesse oder in anderer Weise unterstützen. Da solche . eine nur zum Scheine vor— geschobene Vereinsbildung — an vielen Orten zu einer ernsten Gefahr für das Volkswohl zu werden drohen, sind die Re— gierungs⸗-Präsidenten durch Erlaß des Ministers des Innern ersucht worden, die Aufmerksamkeit der Polizeibehörden auf solche Vereine besonders hinzulenken. Durch sorgfältige Er⸗ mittelungen ist überall der Sachverhalt möglichst aufzuklären und das gesammte Material, falls der Verdacht der Simu⸗ lation sich ö läßt, zur Strafverfolgung gegen den Lagerhalter und die etwa mitschuldigen Mitglieder den Staats— anwaltschaften zu übergeben.
Dem Kaiserlichen Gesundheitsamt vom 22. bis 24. November Mittags gemeldete Cholera-Erkrankungen: Regierungsbezirk Stettin: Bei einer Erkrankung zu Demmin, Kreis Demmin, ist nachträglich Cholera festgestellt.
Der Inspecteur der 2. Cavallerie-⸗Inspection, General— Lieutenant von Rosenberg, à la suite des Husaren⸗ Regiments von Zieten (Brandenburgisches) Nr. 3, hat sich mit Urlaub nach der Provinz Posen begeben.
Der Lloyddampfer „Kronprinz Friedrich Wilhelm“ ist mit den Ablösungstransporten für S. M. Kanonenboot „Hyäne“, S. M. Fahrzeug ‚Nachtigal“, Hulk „Cyclop'“, und für S. M. Kreuzer „Schwalbe“ und „Möwe“ am 24. d. M. in Dar⸗es⸗Salam (Ost⸗Afrika) eingetroffen und tritt am 26. d. M. mit den abgelösten Besatzungen dieser Fahrzeuge — Transportführer: Corvetten⸗Capitän von Halfern — von dort die Heimreise nach Wilhelmshaven durch den Suez-Kanal an.
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Cassel, 22. November. Der 5. Provinzial-Land— tag der Provinz Hessen-Nassau wurde heute durch den ö Magdeburg mit nachstehender Rede er— öffnet:
Geehrte Herren! Zur Erledigung wichtiger Angelegenheiten der Provinzialperwaltung und im Bereiche der bon ihr wahrzunehmenden Hefchäftsführung für die landwirthschaftliche Berufsgenossenschaft und für die Invaliditäts- und Altersversicherungsanstalt Hessen— Nassau sowie zur Vornahme einiger nicht aufschiebbarer Wahlen ist nach zweijähriger Unterbrechung Ihre. Berufung nothwendig geworden. Außer den sich hieraus ergebenden Ge— schäften werden Sie über die auf Einführung der Städteordnung vom 8. Juni 1891 gerichteten Beschlüsse der Vorstände und Ver⸗— tretungen mehrerer Gemeinden des Regierunge bezirks Wiesbaden und über einzelne vrovinzielle Normalvorschriften für die in der Aus— . begriffene Gebäudesteuerrevision gutachtlich zu beschließen aben.
Durch die Gnade Seiner Majestät an diese Stelle berufen, nehme ich zum ersten Male an Ihren Arbeiten theil; der Empfindung ehrfurchtsvollen Dankes für diese Berufung und der Hoffnung auf gedeihliches gemeinsames Zusammenwirken mit Ihnen darf ich, der sch als ein Sohn dieser Provinz und als ein Ihnen nicht Unbekannter hier vor Ihnen erscheine, in Ihrer Mitte freudigen Ausdruck geben.
Auf Grund Allerhöchster Ermächtigung eröffne ich den fünften Provinzial-Landtag der Provinz Hessen-Nassau.
Der Alters-Präsident Bürgermeister Winter aus Homberg gab in seiner Erwiderung den ehrfurchtsvollen Ge— sinnungen des Provinzial- Landtags gegenüber Seiner Majestät dem Kaiser und König Ausdruck und die Versammlung schloß sich dieser Kundgebung in einem auf Seine Majestät ausgebrachten dreimaligen Hoch an. Nachdem sodann der Justiz-Rath Rechtsanwalt Hilf aus Limburg zum Vorsitzenden, der Justiz-Rath Hupfeld aus Cassel zum stell⸗ vertretenden Vorsitzenden, sowie die Schriftführer gewählt worden waren, nahm die Versammlung die für den Communal— Landtag des Regierungsbezirks Cassel geltende Geschäftsordnung bis auf weiteres an und vollzog, nach zuvoriger Mittheilung der Vorlagen, die Wahl eines aus fünfzehn Mitgliedern be⸗ stehenden Äusschusses zur Berathung des Verwaltungsberich ts und der Rechnung der hessen⸗-nassauischen landwirthschaftlichen Berufsgenossenschaft für die Jahre 1890 und 1891 sowie cuf Antrag des Abg. Dr. Lieber die Wahl eines aus acht Mit— gliedern bestehenden Ausschusses zur Erörterung der Frage wegen Prüfung der Legitimation der Mitglieder des Provinzial⸗ Landtags. Nachdem noch für die Vorlagen, betreffend den Antrag mehrerer Städte des Regierungsbezirks Wiesbaden auf Ein⸗ führung der Städteordnung vom 8. Juni 1891 und betreffend die Auswahl von Normalstädten, sowie die Zusammenstellung provinzieller Normalvorschriften für die bevorstehende Ge⸗ bäudesteuerrevision Referenten bestellt worden waren, wurde die Sitzung geschlossen. Die nächste Sitzung findet am 24. d. M. statt. ;
Mecklenburg.
Der seit dem 16. d. M. in Malchin tagende Mecklen⸗ burgische Landtag hat zunächst für die wichtigeren Be— rathungsgegenstände Committen (Commissionen) erwählt, welche zur Zeit mit der Vorbereitung der Beschlußfassung für das Plenum eschäftigt sind. Infolge dessen sind bisher nur einzelne Beschlüsse von allgemeinerer Bedeutung gefaßt worden. Dem Rettungs⸗ hause zu Gehlsdorf ist bis 1897 eine jährliche Beihilfe von 45004 aus der Allgemeinen Landes⸗Recepturkasse bewilligt. Um das zur Zeit in der Bearbeitung befindliche Verzeichniß der im Lande vorhandenen historischen und Kunstdenkmäler durch Druck zu veröffentlichen, hatte die Regierung vorgeschlagen, von den auf 33 000 6 veranschlagten Kösten die Hälfte mit 16509 S in fünf Jahresraten von 33090 6 aus der Recepturkasse zu zahlen, und sich den Verkauf des Werkes für 20 (6
pro Exemplar zu Gunsten der landesherrlichen Kasse vor— behalten. Die Stände haben diese Summe bewilligt in der Voraussetzung, daß der Preis des Werks im Interesse größerer Verbreitung auf 10 6 herabgemindert werde. Für die Heraus⸗ gabe des Mecklenburgischen Urkundenbuchs sind wie bisher auf fünf Jahre je 2100 MS weiter bewilligt. Eine für das Stephanusstift zu Schwerin zur Erbauung und Errichtung eines Vereinshauses für den christlichen Männer ⸗Jünglings⸗ verein ꝛc. beantragte Unterstützung von 5009 S6 ist abgelehnt worden, da bei der localen Bedeutung dieser Einrichtung ein Landesinteresse nicht anerkannt werden könne. Freitag, den 25. d. M., wird im Lande Bußtag gefeiert. Infolge dessen fällt die Landtagssitzung am Sonnabend, 25. d. M., aus. Am 30. November ist der Wahltag, an welchem, abgesehen von anderen Wahlen, drei Präsentanden zu der Stelle eines Land⸗ raths des Herzogthums Guͤstrow für den auf sein Ansuchen entlassenen Landrath von Plüskow auf Kowalz zu wählen sind.
Anhalt. Ihre Königliche Hoheit die Prinzessin Friedrich Carl sist am 22. d. M. zu längerem Besuch am Herzoglichen Hofe in Dessau eingetroffen.
Hamburg.
Die Bürgerschaft hat in ihrer gestrigen Sitzung fol— genden Antrag an den Senat angenommen: Es möge eine gemischte Commission, bestehend aus drei Mitgliedern des Senats und sechs Mitgliedern der Bürgerschaft, nieder— gesetz'z werden mit dem Auftrage, zu prüfen, in welchen J eine Reform der Verwaltung er— forderlich und ob und inwieweit im Zusammenhang damit eine Aenderung der Verfassung und Gesetzgebung geboten ist.
Elsaß⸗Lothringen.
Das „Gesetzblatt für Elsaß⸗-Lothringen“ veröffentlicht das Gesetz über die Einführung der Weinsteuer für Rosinenwein.
Oefterreich⸗ Ungarn.
In der gestrigen Sitzung des österreichischen Abge⸗ ordnetenhauses besprach bei der Specialdebatte über das Budget der Abg. Schlesinger das christlich⸗sociale Pro⸗ gramm der Antisemiten und citirte trotfß wiederholter Er⸗ mahnung des Präsidenten, bei der Sache zu bleiben, den Talmud und mehrere Bibelstellen. Der Präsident entzog darauf dem Redner das Wort. Das Haus beschloß auf die Frage, ob Schlesinger weiterreden solle, mit 75 gegen 51 Stimmen die Entziehung des Wortes. Im weiteren Verlauf der Sitzung fragte Prinz Carl Schwarzenberg an, warum der zuletzt von dem Minister Prazak eingenommene Posten noch immer unbesetzt bleibe. Der Redner erachtete eine Lösung der Sprachenfrage im Reichsrath nicht für empfehlens— werth und empfahl eine außerparlamentarische Lösung. Er würde das angeregte Zusammenwirken mit der Linken herbei— wünschen, dazu würde jedoch ein Einvernehmen über die wirthschaftlichen Fragen hinaus nothwendig sein. Der Minister-Präsident Graf Taaffe erklärte, die Neubesetzung des Ministerpostens an Stelle Prazak's sei durch Einstellung eines Postens in das Budget bereits beantragt. Die Wahrnehmung des richtigen Zeitpunkts für die Neubesetzung möge das Haus der Regierung überlassen; hoffentlich gestalte sich die Situation in nicht gar langer Zeit so, daß die Regierung bei dem Kaiser die Neubesetzung be— antragen könne. (Beifall rechts) Gegenüber der Be— merkung des Prinzen Schwarzenberg, die Regierung möge überlegen, ob sie mit oder ohne das Parlament regieren wolle, sagte Minister-Präsident Graf Taaffe: „Shne Parlament zu regieren ist beguemer (Heiterkeit), bedéutet aber einen Staatsstreich. Schau' ich aus wie Einer, der einen Staatsstreich machen will?“ (Stürmische Heiterkeit. Die Aufgabe der Regierung bezeichnete Graf Taaffe als durch die letzte Thronrede klar vorgezeichnet, es sei die Lösung der wirthschaftlichen Fragen, durch die auch in politischer Beziehung eine Verstaͤndigung angebahnt werden könnte. Er halte diese Hoffnung fest und empfehle dringend eine möglichst rasche Lösung der vorliegenden wirth⸗ schaftlichen Fragen. Daß keine Partei recht befriedigt sei, rühre daher, daß dem Hause kein Partei⸗Ministerium gegenüberstehe. Die Erfahrung, lehre, übrigens, daß auch Parteiregierungen nur vorübergehend selbst die eigene Partei befriedigten und bald deren Angriffe erführen. Oester— reichische Eigenthümlichkeiten gestatteten nicht bestimmte Partei⸗ scheidungen in Liberale und Conservative, wie anderwärts. Oesterrelch habe etwas dazwischen Liegendes — er wisse nicht, ob die Herren dieses bemerkt hätten — das sei die Nationalität. (Große Heiterkeit) Das Aufwerfen der Sprachenfrage finde er natürlich, da sie allen auf die Finger brenne; diese hochwichtige Frage müsse eine Lösüng erfahren, die angeregte außerparlamentarische Ver— ständigung erachte er jedoch für verfrüht und empfehle einst— weilen, darüber nachzudenken. (Beifall, Heiterkeit) Dann könne aus dem Hause oder seitens der Regierung ein Antrag kommen. Die Interpellationen über Reichenberg, gedenke er zusammenfassend bald zu beantworten. Am Schluß seiner Ausführungen hob der Minister-Präsident hervor, die Ver⸗ hältnisse in Oesterreich gestatteten dem Kaiser jeder Zeit, jeden Ort ruhig aufzusuchen (lebhaber Beifall; Fragen über die Opportunität seiner Reisen richte der Monarch an das Ministerium und nicht an die Statthalter (Beifall).
Im ungarischen Unterhause wies gestern der Minister⸗Präsident Dr. Wekerle unter lebhaftem Beifall die Bemerkung eines Abgeordneten zurück, daß mit dem Dienst— antritt des neuen Ministeriums der Kampf zwischen der Aristo⸗ kratie und der Demokratie beginnen werde, Er lege viel zu großes Gewicht auf das Zusammenwirken aller Kräfte der Nation, als daß er zu einem solchen Kampfe die Hand bieten wolle, obwohl er bestrebt sein werde, grundsätzlich die Postulate der Demokratie auf allen Gebieten zu verwirklichen. Bezüglich der Ehegesetzgebung sei die Regierung bemüht, ihr Versprechen durch Vorlegung eines Gesetzentwurfs baldmöglichst einzulösen. . Gestern Abend fanden in Bud apest große Ovationen für Dr. Wekerle statt. An 2000 Fackelträger zogen, gefolgt von etwa 40 000 Menschen, vor die Wohnung des Minister— Präsidenten. Auf eine Begrüßung durch den Wortführer dankte Dr. Wekerle und betonte, es sei stets das Glück Ungarns ge⸗
wesen, daß es den Principien der Demokratie und des Liberalis⸗ mus gefolgt sei. Das bürgerliche Element sei berufen, sämmtliche Schichten der Gesellschaft Ungarns zum Wohle des Vater— landes zu vereinigen. Diese Verschmelzung zu fördern und die Einigkeit aufrechtzuerhalten, werde er stets als seine erste Auf⸗ gabe betrachten. Nach dieser Rede brachte die Menge begeisterte Eljenrufe auf den König und Dr. Wekerle aus.
Großbritannien und Irland.
Amtlicher Mittheilung zufolge hat die britische Re⸗ gierung beschlossen, der Räumung Ugandas seitens der Britisch⸗Ostafrikanischen Gesellschaft am 31. März künftigen Jahres in keiner Weise entgegenzuhandeln, vielmehr einen Negierungs-Commissar mit genügender Begleitung von Eingeborenen sofort nach Uganda zu schicken, damit dieser über die gegenwärtige Lage des Gebiets und die Art, wie dasselbe am zweckmäßigsten zu behandeln sei, Bericht er⸗ statten soll.
Frankreich.
Im Senat richtete gestern der Senator Blavier eine Interpellation an die Regierung über die Thätigkeit des GErédit foncier. Er behauptete der „Frkf. Ztg.“ zufolge, die Hauptschuld an der gefährlichen Situation . Unter⸗ nehmens trage der gegenwärtige Gouverneur. 1889 und 1891 habe man ungebührlich hohe Dividenden vertheilt. Die letzten Loose⸗Emissionen hätten dem Unternehmen schwere Lasten auf⸗ gebürdet; man habe trügerisch günstige Bilanzen veröffentlicht und täusche das Publikum 3. verstümmelte Jahres⸗ berichte. Die Regierung sei verpflichtet, ihr Controlrecht aus⸗ zuüben, da der Ersdit foncier Staatsinstitut sei. Aufgefor⸗ dert, Ziffern zu nennen, sagte Blavier, das mitgetheilte Re— sultat der letzten Bilanz differire vom wahren Resultat um 640 Millionen; ferner betrügen die den Actionären gezahlten Dividenden 28 Proc., welche Summe dem Gelde der Obli— gationäre entnommen sei. Auch bei der Bezahlung der Publi⸗ cität der Presse seien schwere Unregelmäßigkeiten vorgekommen. Der Finanz⸗Minister Rouvier wies, wie „W. T. B.“ berichtet, die Angriffe Blavier's zurück und hob hervor, daß die Anleihen der Gesellschaft unter normalen Bedingungen aufgenommen worden seien; es sei keine fingirte Divi⸗ dende vertheilt und es seien regelrechte Bilanzen auf— gestellt worden. Der Minister schloß mit der Erklärung, die Angriffe Blavier's seien durch nichts begründet, und die Abstimmung des Senats werde beweisen, daß der „Crédit foncier“ noch immer des großen Vertrauens würdig sei, das. ihm mit vollem Recht entgegengebracht werde. Die von Rouvier verlangte einfache Tagesordnung wurde hierauf mit großer Majorität angenommen und die Sitzung aufgehoben.
Die Deputirtenkammer hat in ihrer gestrigen Sitzung die Wahl der Untersuchung scommission in der Panama-Angelegenheit zu Ende geführt. Gewählt wur— den 23 Republikaner, 9 Mitglieder der Rechten und 1 Boulangist. Die Deputirten der Rechten nahmen die Wahl an, worauf die Sitzung geschlossen wurde. In Deputirtenkreisen herrscht die. Ansicht, daß die Panama-Commission sich ausschließlich mit denjenigen Thatsachen, welche die Ehre des Parlaments berühren, be— schäftigen, die übrigen Thatsachen jedoch außer Betracht lassen werde, da diese zum Ressort des Justiz-Ministers gehörten und für den bevorstehenden Panama-Prozeß ins Auge gefaßt worden seien.
Um eine Wiederholung von Unglücksfällen, wie solche durch die letzte Dynamit-Explosion hervorgerufen wurden, möglichst zu vermeiden, verhandelt der Polizei-Präfeect mit der Militärbehörde behufs Ueberlassung von Oertlich—= keiten in den Fortificationen, in die aufgefundene Sprengbomben gebracht werden sollen.
Ein Telegramm des Generals Dodds aus Abomey vom 18. d. berichtet, er sei am 16. November gegen die Stadt vor— gerückt. Der König habe sich nach Verbrennung aller seiner Paläste zur Flucht gewandt und sei mit den Trümmern seiner Armee drei Tagemärsche nordwärts gezogen. Er (General Dodds) ergreife Maßregeln, um das ganze Gebiet der Dahomeyer zu besetzen.
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Italien.
Die Thronrede, mit der der König vorgestern das Par⸗ lament eröffnet hat und deren auf die auswärtige Politik bezüglicher Theil bereits gestern mitgetheilt worden ist, sagt nach einem Telegramm des „W. T. B.“ in Bezug auf die Finanzlage: das Gleichgewicht im Budget werde ohne Er— schwerung für die Steuerträger hergestellt werden. Die Re— gierung werde Vorlagen behufs Einführung zweckmäßiger Reformen unterbreiten und, um das Budget elastischer zu gestalten, den Weg einer endgültigen Steuerreform anbahnen. Die Thronrede kündigt dann weiter Reformen in verschiedenen staatlichen Dienstzweigen an, ferner militärische Re— formen, die bezwecken, daß die Herabminderung der Heeres⸗ ausgaben nach keiner Richtung hin die Machtstellung des Reichs schädige, endlich eine Reform der Universitären, der Mittel- und Volksschulen, sowie judicielle Reformen. Die Thronrede stellt ferner Gesetzentwürfe in Aussicht zur Regelung und Vollendung von Eisenbahn⸗ arbeiten und Wasserstraßen sowie zwecks allmählicher Ausführung der dringendsten Bauarbeiten in Rom und der Einführung von socialen Reformen. Der Schluß der Thronrede lautete: „König Victor Emanuel konnte mit Vorliebe den Ehrgeiz hegen, den Italienern ein Vaterland zu geben und seine Wünsche in unserm Rom zu verwirklichen. Ich hege den Ehrgeiz, meinen Namen an die wirthschaftliche und inkellectuelle Wiedergeburt des Landes zu knüpfen, mein theures Italien stark, blühend und groß zu ö. wie es jenen vorschwebte, die für dasselbe litten und starben.“
Der König und die Königin sowie die Prinzen des Königlichen Hauses wurden bei der Fahrt zum Parlaments⸗ gebäude sowle bei der Rückfahrt nach dem Palais von der Volksmenge lebhaft begrüßt. Auch beim Eintreten in den Sitzungs— saal sowie bei dem Verlassen desselben wurden der Königlichen Familie von den Anwesenden begeisterte Ovationen dar— gebracht. Die Verlesung der Thronrede wurde oft von lebhaften Beifallsäußerungen unserbrochen. Namentlich die Stellen über die Festlichkeiten in Genug und die Friedensmission Italiens sowie die Aeußerungen über die Finanzlage und die socialen Reformen riefen lebhaften Beifall hervor, der nach Schluß der Verlesung sich in stürmischen Kundgebungen äußerte.
Belgien. Der König hat gestern die Abordnung der Kammer, welche die Antwort-Adreffe auf die Thronrede überreichte, empfangen. Auf die an ihn gerichtete Ansprache erwiderte
dem „W. T. B.“ zufolge der König: er kenne die patriotischen Gesinnungen der Kammer und hoffe, daß sie in diesem Sinne das große Werk der Verfassungsrevision, das ein Werk der Weisheit und des Fortschritts sein müsse, zu gutem Ende führen werde. Rumänien.
Wie „H. T. B.“ erfährt, werde die Regierung den
Kammern eine Vorlage zugehen lassen, wonach vom 1. Januar
1393 ab dem Prinzen Ferdinand eine jahrliche Apanage von 600 000 Fr. ausgesetzt werden soll.
Bulgarien.
Anläßlich des Namens ffestes der Prinzessin Cle⸗ mentine fand gestern in Sofia ein Tedeum statt, dem der Prinz Ferdinand, die Prinzessin Clementine, die ausländischen Diplomaten sowie die Vertreter der Civil⸗ und Militärbehörden beiwohnten. Nach dem Gottesdienst trugen die officiellen Persönlichkeiten ihre Namen in die im Palais ausgelegte Liste ein.
Montenegro.
Die montenegrinische Regierung hat, wie Wa T. Be meldet, den Kreischef von Podgoriza abgesetzt und für die Regelung der Grenzangelegenheiten einen Specialcommissar ernannt.
Schweden und Norwegen. Die Zweite Kammer hat gestern gleichfalls das Gesetz über die Wehrpflicht angenommen.
Amerika.
In Paris eingetroffenen Nachrichten zufolge ist der Deputirtenversammlung von Cohumbia der Antrag des Liquidators der Panama-Gesellschaft auf Verlänge⸗ rung der der letzteren ertheilten Concession zugegangen, und wäre eine Entscheidung darüber binnen etwa 14 Tagen zu er— warten.
Aus Montevideo wird New-⸗-Yorker Blättern gemeldet, der ganze brasilianische Staat Rio Grande do Sul befinde sich im Aufruhr gegen die Central-Regierung.
Parlamentarische Nachrichten.
Deutscher Reichstag. 3. Sitzung vom 24. November 1892, Nachmittags 2 Uhr.
Der Sitzung wohnen die Staatssecretäre Freiherr von Maltzahn' und Freiherr von Marschall sowie der preußische Kriegs⸗Minister von Kaltenborn⸗-Stachau bei.
Auf der Tagesordnung steht die folgende Inter— pellation des Abgeordneten Dr. Petri (nl.):
Am 22. Oktober d. J. gerieth ein angetrunkener Arbeiter mit dem Militärposten vor dem Gebäude der Ober-Postdirection zu Straßburg in einen Wortwechsel. Der Arbeiter wurde von dem Posten festgenomm n und in das Schilderhaus geführt; er ergriff jedoch die Flucht, worauf der Posten einen scharfen Schuß auf ihn abfeuerte. Durch den Schuß wurde niemand verletzt; bei dem lebhaften Verkehr, welcher an dieser Stelle herrscht, war durch diesen Schuß das Leben mehrerer Personen gefährdet. Angesichts dieses und ähnlicher Vorgänge erlaube ich mir, an den Herrn Reichskanzler die Frage zu richten, ob bezüglich der zur Zeit, geltenden Be— stimmungen über den Gebrauch von Schußwaffen seitens der Wacht— poften Aenderungen in Aussicht stehen, welche geeignet sind, der Ge— fährdung des Lebens der Einwohner in wirksamer Weise vorzubeugen.
Nachdem der preußische Kriegs-Minister von Kalten⸗ born sich zur sofortigen Beantwortung der Interpellation bereit erklärt hat, erhält der Abg. Dr. Petri (nl.) das Wort zur Begründung. (Schluß des Blattes.)
Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 8. Sitzung vom 24. November, 11 Uhr.
Der Sitzung wohnen bei der Präsident des Staats Ministeriums, Minister des Innern Graf zu Eulenburg und der Finanz-Minister Dr. Miquel mit Commissarien.
Auf der Tagesordnung steht zunächst die erste Be— rathung des Gesetzentwurfs einer Ergänzungs— steuer.
Abg. Humann CCentr.) spricht sich gegen die Vorlage aus, weil sie die Entlastung, welche die Grund- und Hausbesitzer erhalten sollen, wieder beseitige. ;
Abg. Höppner (cons.) meint, es wäre doch wohl besser gewesen, wenn das Haus dem Vorschlage des Präsidenten gefolgt ware und die Debatte über diese Vorlage mit der gestern abgeschlossenen verbunden hätte, denn eigentlich sei über die Vermögenssteuer schon alles gesagt. Er wolle daher nur kurz den Standpunkt der Mehr— heit der conservativen Partei darlegen, welche für die Vorlage sei. Herr von Huene habe bemängelt, daß die Vermögenssteuer eigentlich nur gebraucht werde, um gewisse ertragslose Objecte zu be— steuern, die man in der Einkommensteuer nicht fassen könne. Es handle sich dabei nicht bloß um Speculationsobjecte, sondern um die Vermögen reicher Leute, denen man ein oder zwei Jahre lang kein Einkommen nachweisen könne, die aber doch nicht steuerfrei gelassen werden dürften. Die Vermögenssteuer diene dazu, dem Staat reichlich das zurückzugeben, was er aufgebe an Einnahmen, und außerdem solle dadurch das fundirte Einkommen herangezogen werden.
Abg. Böttinger (nl): Die Einkommensteuer sei so hoch, daß man sich wohl überlegen sollte, ob die Einführung einer neuen Steuer sich überhaupt empfehle, oder ob nicht vielmehr die Ueberschüsse der Einkommensteuer zunächst zur Deckung des Ausfalls herangezogen werden könnten, den der Staat durch Verzicht auf die Realsteuern er⸗ leide. Er (Redner) sei der Meinung, daß diese Ueberschüsse bis zum Ende des Jahrhunderts vollständig ausreichen würden, namentlich wenn man die lex Huene etwas höher in Rechnung bringe, als die Staatsregierung es, gethan habe Die e sshrund der Vermögenssteuer würde den Zuzug unabhängiger Kapitalisten nach Preußen verhindern und den Abzug solcher ö aus Preußen befördern. Dafür machten sich schon allerlei Anzeichen bemerklich. In der vorliegenden Form n solut unannehmbar wegen ihrer vexatorischen Vorschriften. Die Ein—⸗ kommensteuer habe mit ihrer Declaration schon manche Unzufrieden— heit hervorgerufen, aber die Ergänzungssteuer werde diese Unzufrieden⸗ heit ins Ungemeffene steigern. Wenn ein Betrag nothwendig sei zur Deckung des Ausfalls für den Staat, so böten sich außer der Vermögensfteuer zwei Wege: die Heranziehung des. Vermögens innerhatb! der Einkommensteuer und die Erbschaftssteuer; der erstere Weg erscheine ihm undenkbar. Die Erbschaftssteuer werde Allein die Mittel bieten, ohne daß ein lästiges ,, in die Verhältni ffe ftattfinde. Die Bedenken gegen die Erbschaftssteuer seien nicht berechtigt, namentlich trete eine besondere Belastung der Descendenten nicht ein; das Beispiel Englands zeige wenigstens,
sei die , ab⸗
daß die Descendenten dort nur 6o/g der Gesammterbschafts⸗ steuer aufbrächten; der Rest entfalle auf die entfernteren Verwandten. Die Vermögenssteuer werde nicht nur die Großkapitalisten und Groß⸗ industriellen treffen, sondern vornehmlich die kleineren Industriellen, für welche die Vermögenssteuer bei schlechtem Verdienst eine sehr drückende Belastung sein würde.
Abg. Broemel (fr): Es sei bemerkenswerth, daß der Faden der Redner für die Vorlage bereits abgerissen sei. und daß nur noch Gegner derselben eingeschrieben seien. Das Haus habe allerdings eine Enklastung des reinen Arbeitseinkommens gewünscht, aber in anderer Weise, als die Vorlage dies versuche. Man habe geglaubt, daß das Arbeitseinkommen) entlastet werden solle, nicht daß dem Renteneinkommen eine neue Last werde aufgebürdet werden. Er sei kein Gegner der Vermögenssteuer an sich, denn die Einfüh— rung einer solchen hänge von den Bedürfnissen des Staats ab, aber er halte es für besser, das fundirte Einkommen innerhalb der Einkommen steuer heranzuziehen. Deshalb verwerfe er auch die Erbschaftssteuer. Ein sehr erheblicher Mangel der Vermögenssteuer sei das Fehlen einer Degression der Steuersätze, welches dazu führe, daß die Kleinvermögen mehr Steuer zahlten, als die größeren. Den Steuerzahlern werde, wie der Abg. Richter nachgewiesen habe, in der Commune höchstens ein Siebentel ihrer Personalsteuern erlassen, d. h. bei 1000 S Ein⸗ kommen werde vielleicht 1 16 Communalsteuer erlassen, aber 12 46 Vermögensstener erhoben. Warum werde denn immer das Kapital belastet? Im vorigen Jahre sei die Einkommensteuer in den höchsten Klassen bis auf 45½ erhöht worden, weil, das Kapital das vertragen könne; jetzt wolle man wieder das Kapital treffen. Der Staat solle den Schwachen helfen, aber dies sollte lieber auf einem anderen Gebiete geschehen, als dem Steuergebiete; die Rechtspflege sei so langsam und so kostspielig, daß die Armen garnicht mehr Recht suchen könnten. Es sei. zu wünschen, daß die Berufung zur Sicherung des Rechts wieder eingeführt werde. Die wirthschaftliche Kraft eines Landes beruhe zum theil mit auf den großen Vermögen, aber diese müßten verschwinden, wenn sie immerfort beeinträchtigt würden durch alle möglichen Steuern: durch die Gewerbesteuer, die Doppelbesteuerung der Actiengesellschaften, welche namentlich auch die Bergwerks⸗Actiengesellschaften neben der Bergwerksabgabe erbeblich belaste, und jetzt durch die Vermögenssteuer.
Geheimer Ober⸗Finanz⸗Rath Wallach widerspricht der Behauptung des Vorredners, daß die Steuerreformporlagen wieder eine neue Belastung einführten; wenn er eine Entlastung z. B. der Bergwerks, Aetiengesell⸗ schaften wünsche, dann solle er doch wenigstens für die. Auf— hebung der Bergwerksabgabe stimmen. Die Belastung mit directen Steuern sei durchaus nicht so sehr hoch; in den meisten deutschen Einzelstaaten seien die Steuern erheblich höher als in Preußen. Redner wendet sich dann gegen, die Einwände, welche heute und früher gegen die Vermögenssteuer gemacht seien, und sucht dieselben zu widerlegen. Namentlich weist er es zurück, daß man das Vermögen bei der Einkommensteuer treffen könne; das würde immer dahin führen, daß man Einkommen als fundirtes treffe, das man eigentlich nicht treffen wolle. Die großen Vermögen verzinsten sich meist mit einem niedrigeren Zinsfuß als die kleineren, und darin liege trotz des gleichen Steuersatzes eine gewisse Degression.
Bei Schluß des Blattes spricht der Finanz-Minister Dr. Miquel.
Der dem Reichstage zugegangene Entwurf eines Gesetzes wegen Abänderung des Gesetzes vom 23. Mai 1873 (Reichs⸗Gesetzbl. S. 117), betreffend die Gründung und Verwaltung des Reich s-Invalidenfonds, lautet:
S 1. Aus dem Kapitalbestande des Reichs-Invalidenfonds ist
ein Betrag von 67 Millionen Mark flüssig zu machen und der Reichs kasse zur Verstärkung der Betriebsfonds zu überweisen. S2. Die Flüssigmachung und Ueberweisung dieses Betrages erfolgt durch die Verwaltung des Reichs-Invalidenfonds unter der oberen Leitung des Reichskanzlers und unter der Controle der Reichs⸗Schuldencommission nach Maßgabe des Gesetzes, betreffend die Gründung und Verwal⸗ tung des Reichs-Invalidenfonds, vom 23. Mai 1873 (Reichs⸗-Gesetzbl.
S. 117.
— Beim Reichstage ist ein Antrag des Abg. Rintelen eingegangen, der die Abänderung und Ergänzung der Vorx— schrkften der Strafprozeßordnung. über die Wie derauf—⸗ nahme des Verfahrens, sowie die Entschädigung für unschuldig erlittene Strafen bezweckt.
Nr. 47 der ‚Veröffentlichungen des Kaiserlichen Gesundheitsamts“ vom 23. November hat folgenden Inhalt; Gesundheitsstand. Mittheilungen über Volkskrankheiten, insbesondere Eholera. — Sterbefälle in deutschen Städten mit 40900 und mehr Einwohnern. — Desgl. in größeren Städten des Auslandes. — Erkrankungen in Berliner Krankenhäusern. — Desgl; in deutschen Stadt⸗ und Landbezirken. — Witterung. Maßregeln gegen Eholera 2c. — Bevölkerung im Deutschen Reich im Vergleich zu anderen Ländern. — Gesetzgebung u s. w. (Preußen. Reg. Bez. Düsseldorf.) Erziehungs. und Rettungsanstalten. — Turn⸗ ballen. — (Mecklenburg⸗Strelitz)y. Maul⸗ und Klauenseuche, — (Desterreich⸗. Beschauorgane in Eisenbahnstationen. — (Nieder⸗ österreiche. Brechweinstein im gewerblichen Betriebe. — Thierseuchen in Großbritannien, 3. April bis 2. Juli. — Desgl. in Frankreich, J. Vierteljahr. — Veterinärpolizelliche Maßregeln. (Preußische Reg. Bez. Stralsund, Schleswig. Niederlande. — Rechtsprechung. (Reichsgericht). Einfuhr und Verkehrsbeschränkungen seitens der Re— gierungs⸗Präsidenten auf Grund des Reichs-Viehseuchengesetzes. — Landgericht Eisenach). Maul⸗ und Klauenseuche. — Vermischtes. (Preußen). 1891,92 geprüfte Mediziner und Pharmaceuten. — Fleischverbrauch in verschiedenen Ländern. Geschenkliste.
Kunst und Wissenschaft.
Das neueste Oelgemälde von M. von Suchorowski „Die Beute des Piraten“ gelangt vom 25. d. M. ab, Friedrich— straße 192/193, im ersten Stockwerk, zur Ausstellung.
— Der Fonds zur Frrichtung eines Denkmals für Heinrich Laube in Sprottau hat, wie die „Schl. 3.“ berichtet, jetzt, die Höhe von beinahe 14 006 erreicht. Da noch ein weiterer Beitrag bon' Ho MW, vom Professor Hänel in Kiel, dem Schwiegersohn Heinrich Laube's, in Alussicht steht und die Stadt Sprottau bereits 6000 M zur Freilegung des am Eingang in die städtische Promenade vor der neuen Sprotta-Brücke befindlichen Denkmalsplatzes verwendet hat, dürfte die Errichtung eines des Dichters würdigen Denkmals vorausfichtlich nicht mehr lange auf sich warten lassen. .
Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs⸗ Maßregeln.
Cholera.
sch . „Veröffentlichungen des Kaiserlichen Gesundheits-Amts? schreiben:
„Die Cholera⸗Cpidemie ist in allen Theilen des Reichs nunmehr als erloschen anzufehen, wenngleich vereinzelte Erkrankungen in mehr oder weniger langen Zwischenrdumen vielleicht sich noch zeigen werden. Die Frage, wievlel Erkrankungen die Cholera veranlaßt hat und wieviel Personen ihr zum Spfer gefallen sind, läßt sich trotz der zahlenmäßig geführten, wiederholt berichtigten und ergänzten Wochen.
nachweisungen nur annähernd i tg beantworten. Die Schwierigkeiten, welche insbesondere zu Hamburg bei dem explosionsartigen Seuchen⸗
—
ausbruch der Berichterstattung sich entgegenstellten, sind in ihren Folgen noch nicht völlig überwunden und haben zu einem endgũltigen Zahlenergebniß bisher nicht gelangen lassen. Man ist gegenwärtig dortfelbst bemüht, die stattgehabten Erkrankungen einzeln zu prüfen, Doppeljählungen auszuscheiden, sowie die neben der Cholera⸗ epidemie zahlreich vorgekommenen Brechdurchfälle bei Erwachsenen und bei Kindern mit Bezug darauf zu sichten, welche von ihnen der Cho— lera zuzuzählen sind.“
Pest, 23. November. In den letzten 24 Stunden kamen hier sechs Cholera⸗Erkrankungen und ein Todesfall vor. Vom 6. bis ein⸗ schließlich 12. Noveinber sind den Veröffentlichungen des deutschen Kaiserlichen Gesundheitsamts“ nachstehende Erkrankungen und Todes⸗ fälle (tageweife geordnet) gemeldet: 15: 7. 18 10 8: 5, 9 * 2, 926, J: 1,7: 3, insgesammt 75: 34. Im Monat Oktober kamen beim Stadtphysikat 865 Choleraerkrankungen zur Anmeldung; davon erwiesen sich jedoch 185 nicht als Cholerafälle. Von den 680 an asiatischer Cholera Erkrankten starben 368.
Frankreich. Auch in Frankreich sieht der Gesundheitsrath die Epidemie als erloschen an, trotzdem vereinzelte Cholera⸗C rankungen in Cherbourg, Lorien, Quimper und in einigen Ortschaften des Departemenks Seine Inférieure noch festgestellt worden sind. Die Gesammtzahl der im Sktober zu Marseille durch „diarrhée suspecter verursachten Todesfälle wird auf 81 angegeben. Rußland. Nach einer von den ‚Veröffentlichungen des deutschen Kaiserlichen Gesundheitsamts“ mitgetheilten Zusammenstellung über den Stand der Seuche im Russischen Reich ist im allgemeinen ein schnelles Erlöschen der Cholera noch nicht zu erhoffen. Besonders stark ergriffen sind das Gouvernement Baku, das Kubangebiet, die Goupernements Cherson, Bessarabien, Podolien und Kiew. In Livland hat eine beachtenswerthe Verbreitung der Cholera stattgefunden. Der Westen und der Süden des europäischen Rußlands gehören somit im ganzen dem Hauptsitz der Cholera gegen⸗ wärtig an.
Amsterdam, 23. November.“ vorgekommen. Perfien. Am 7. November sind in Asterabad 120 Eckran⸗ kungen, 40 Todesfälle gemeldet, in Kum 159 bezw. 55. in Schi raz 250 bezw. 135. Die Cholera-Epidemie in Persien hat demnach an Ausdehnung zugenommen.
Verkehr s⸗Anstalten.
Laut Telegramm aus Herbesthal, ist die zweite englische Post über Osten de vom 23. d. M. ausgeblieben. Grund: Zugverspätung in England und starker Nebel.
Bremen, 24. November. (W. T. B. Norddeutscher Lloyd. Der Schnelldampfer Ems“, am 12. November von Genua ab— gegangen, ist am 23. November Morgens in New-FVork an⸗ gekommen. Der Schnelldampfer „Havel“ ist am 22. November Vormittags von New Pork via Southampton nach der Weser ab— gegangen. Der Postdampfer, München“, nach dem La Plata be—⸗ tirnmt, hat am 22. November Nachmittags Santa Cruz passirt. Der Reichs-Postdampfer Hohenzollern? hat am 23. November Morgens die Reife von Southampton nach Antwenpen fortgesetzt. Der Schnelldampfer „Spree“, nach New-⸗VYork bestimmt, hat am 23. Nobember Morgens Dover passirt.
Hamburg, 235. November. (W. T. B)
Im Haag ist ein Cholerafall
Hamburg⸗Ame⸗ rikanische Packetfahrt⸗Actien⸗Gesellschaft. Der Post⸗ dampfer „Suevia ist, von New-York kommend, heute Mittag auf der Elbe eingetroffen.
Tondon. 23. November. (W. T. B.! Der Castle⸗Dampfer Norham-Eastle' ist heute auf der Ausreise in Capetown an⸗ gekommen. Der Unio udampfer ‚Trojan“ ist heute auf der Ausreise von Lissabon abgegangen.
Helsingborg, 24. November. Das andauernde neblige Wetter ist nach einer Meldung des D. B. H. der Schiffahrt durch den Sumd fehr hinderlich; Segelschiffe können tagelang die Durchfahrt nicht wagen. Zwischen Nakke-Leuchtfeuer und Kullaberg liegen mehrere hundert nach der Ostsee bestimmte Schiffe vor Anker, um klares Wetter abzuwarten.
Theater und Musik.
Königliches Schauspielhaus.
Gestern Abend gingen auf der Königlichen Bühne zwei Werke franzoͤfischen Ursprungs, Fran gois Cobpée's „Geigenmacher pon Eremona“ und Möolisre's „Gelehrte Frauen“ mit er— freulichstem Erfolg in Scene. Den Beginn machte das kleinere Lustspiel, Coppéeis „Geigenmacher“, der in der Uebersetzung des Grafen Baudisfin schon vor mehr als einem Jahrzehnt an der⸗ selben Kunststätte zur Aufführung gelangte. Das sinnige Werk, das in knapper Form die dramatische Verschlingung und Lösung eines Liebesspiels in sich birgt, gewann nach der Neueinstudirung durch die den Absfichten des Dichters treu entsprechende Darstellung neues Leben. Die schwierige Rolle des buckligen Geigers Philippo wurde durch das Talent des Herrn Matkowsky über die gewöhnliche Wirkung weit hinausgehoben. Das Publikum zeigte für das auf zarte, refignirte Empfindung gestimmte Drama viel freundliche Theilnahme.
Mit kecker Laune und kräftiger Satire setzten darauf Moliere's „Gekehrte Frauen“ ein. Das Spottlied auf den aufgeblähten Gelehrsamkeitsdunkel, auf die gespreizte Unnatur übertriebener Gefühls⸗ schwelgerei ist der Vergänglichkeit nicht ausgesetzt, es paßt für alle Zeiten; die Schwäche, durch äußerlichen Wortkram und künstlich er⸗ zeugte Empfindung eine unsichtbare Welt des Scheins prunkend um. sich herum aufzubauen, bis jegliche Verbindung mit dem Irdischen in affectirter Verblendung verloren geht, lebt in dem Menschen in ewig wechselnder Gestalt fort. Moliere zeichnet diese Schwäche in den Formen, in denen er sie zu seiner Zeit sah; seine preciösen Damen und Herren sprechen von Pascal und Descartes, sind ganz mit platonischen und stoischen Weltanschauungen vollgepfropft und schwelgen in grammatikalischen Spitzfindigkeiten und Wortverdrehungen. Die alberne Unnatur in der Poesie ist ihnen Natur. Solche Bilder erscheinen in der Gegenwart etwas altfränkisch, aber die Satire wirkt in der Verkleidung nicht minder ergötzlich, da der Kundige dieselbe menschliche Schwäche in anderem Gewande und in entgegen— gesetzter Richtung wirkend, auch bei den Mitlebenden die wunder⸗ kichsten Blasen treiben sieht. Die Komödie gelangte in der Uebersetzung pon Ludwig Fulda zur Aufführung; der Uebersetzer hat auch dies Mal die schwerfälligen Alexandriner in fünffüßige gereimte Jamben verwandelt und den Versen Schwung und Glätte verliehen; er ist der Eigenart Moltsre's bis in die kleinste Einzelheit nach— gegangen und hat aus des Dichters femmes savantes eine ebenso kreffliche deutsche Neugestaltung geschaffen wie aus dem misan— thropené. Unter den Darstellern erzielten Frau Schramm und Herr Vollmer die lustigste Wirkung. Frau Conrad fand als Köchin Martine nur wenig Gelegenheit, ihre derbe Ratur als Dorfkind in frischen Gegensatz zu der dürren Gelehrten⸗ empfindelei zu bringen. Staubige Bücherweisheit breitete sich über die Philaminte der Frau Kahle aus, die mit trockenem keifenden Ton“ das Hauswesen und besonders den Ehegemahl, unterjocht. Fräulein Abich gab verständig die nach höherer Weisheit schmachtende Armande und Fräulein Lindner fand einen frischen, herzigen Ton für die heirathslustige muntere Henriette. Im allgemeinen aber hätten die Darfte er noch kräftigere, fattere Farben austragen können, um den Scherz und die Laune des Lustspiels noch lebendiger hervortreten zu lassen. Die Komödie wurde in schneller Folge, fast ohne Pause gespielt und war von besonders frischer Wirkung in den ersten Aeten, n denen Herr Vollmer und Frau Schramm am meisten Gelegenheit hatten zur Entfaltung ihrer Komik.
Kroll's Theater. 3.
Der Violinvirtuose Felix Berber, aus der Schule des Pro—
fessors Brodsky zu Leipzig stam mend, der bereits vor kurzem in der
Sing Akademie init Erfolg auftrat, gab gestern unter Mitwirkung
der Großherzoglichen Kammersängerin Frau Moran⸗Olden und