1892 / 280 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 25 Nov 1892 18:00:01 GMT) scan diff

Epritgusfuhr habe früher den spanischen Markt beherrscht und zum Wohlstand weiter Kreise in Deutschland beigetragen. Frankreich habe aber die deutsche Spritausfuhr nach Spanten untergraben, und seine Partei müsse nun der Regierung dringend ans ö legen, dieser deutschen Exportindustrie in Spanien wieder dieselbe Stel⸗ lung zu verschaffen, die sie Jahrzehnte lang gehabt habe. Deutschland stehe Spanien unten dessen jetziger Regierung so gegenüber, daß man nur wünschen könne, es möge * wirthschaftlich selbständig entwickeln und sich von der wirthschaftlichen Umarmung Frankreichs emancipiren. Auch die Interessen der deutschen Textilindustrie müßten bei den Verhand⸗ lungen mit Spanien von der Regierung mit Nachdruck vertreten werden. Ueber die Wirkungen der neuen Handelsverträge könne man nach dem Ablauf eines Jahres noch nicht endgültig urtheilen, aber die erwarteten Vortheile seien jedenfalls noch nicht eingetreten. Seien von den Verträgen mit Spanien und Rumänien nicht wesentliche Vortheile zu erwarten, so sei zu bedenken, daß der status quo auch jahrelang günstig bestanden habe. Rumänien werde das 56 der Balkanstaaten genannt, und man müsse daher besondere Sym⸗ pathien mit diesem Staate haben, aber bei den Verhandlungen mit Rumänien müsse man im Auge behalten, daß die dortige sehr aus— dehnungsfähige Landwirthschaft, die sich zumal . in den Händen der großen K befinde, nicht besser gestellt werde als der deutsche Ackerbau. umäniens Landwirthschaft arbeite unter günstigeren Bodenverhältnissen und besseren Arbeitsbedingungen. Er⸗ theile man auch unter diesen leitenden Gesichtspunkten die Vollmacht, so müsse man doch warnende Stimme erheben, daß aus der Ertheilung der Vollmacht nicht geschlossen werden könne, seine Partei würde anderen noch in der Luft schwebenden Handelsverträgen zustimmen. Die Verhandlungen mit Rußland seien ein offenes Geheimniß. Der sächsische Landesculturrath habe die schweren Bedenken der deutschen Landwirthschaft . einen Handelsvertrag mit Ruß⸗ land nachgewiesen. Diese Bedenken seien gegenüber der russischen Getreideeinfuhr nach Deutschland weit schwerwiegender als gegenüber derjenigen aus Oesterreich⸗Ungarn. Ebenso falle die russische Nutzholz⸗ und Fleischeinfuhr nach Deutschland ins Gewicht. Er bitte die Re⸗ gierung, dieses Bedenken der Landwirthschaft nicht gering zu achten gegenüber dem Interesse der Industrie, deren Klagen wegen Rußland i; darauf gründeten, daß die seewärts eingehenden Artikel günstiger ehandelt würden als die landwärts eingehenden. Einen Ausgleich in dieser Beziehung würde seine Partei im Interesse der deutschen In⸗ dustrie freudig begrüßen. Wenn aber die Kohlen- und Eisenindustrie sich große Vortheile von einem Handelsvertrag mit Rußland verspreche, so erinnere er daran, daß die Hoffnungen auf den Absatz dieser In⸗ dustrie sich auch noch nicht erfüllt hätten und infolge dessen viele der Kohlen- und Eisenarbeiter feiern müßten. In der Textil⸗ industrie sei in Rußland in den letzten Jahren auch mit roßem Erfolge gearbeitet worden. Es sei daher keineswegs ö leicht, zu sagen, durch Zollermäßigungen Rußlands würde die deutsche Ausfuhr dorthin erweitert. Vor nicht langer Zeit seien die russischen Zölle durch einseitiges Vorgehen Ruß⸗ lands dadurch wesentlich erhöht, daß die Erhebung des Zolls in Gold gefordert worden sei. Diesen Verhältnissen werde kein Handels⸗ vertrag abhelfen, sondern nur eine . über die Relation der Werthmetalle. Seine Partei werde unter keinen Umständen eine weitere Herabsetzung des Schutzes der landwirthschaftlichen Production zugeben können. Sie bewillige für Spanien und Rumänien mit Rücksicht auf die Erklärung des Staatssecretärs die Vollmacht. Darin ,., aber kein Präjudiz, daß sie anderen Handelsverträgen zustimmen würde.

Abg. Graf Stolberg (deutscheons. ): Als Bewohner einer Grenzprovinz wünsche er mit den Nachbarn nicht nur politisch, sondern auch wirthschaftlich auf gutem Suh zu stehen. Allerdings würden durch die jeßigen Differenzialzöͤlle die stseestädte schwer geschädigt, aber der Grund dafür liege in der Feststellung des Identitätsnachweises.

Präsident von Levetzow bittet den Redner, bei der Sache zu bleiben, da es sich um ein Abkommen mit Spanien und Rumänien, aber nicht mit Rußland handele.

Abg. Graf Stolberg (deutscheons.): Er füge sich natürlich der Weisung des Präsidenten, glaube aber formell zu seinen Ausführungen berechtigt zu sein, denn im Wortlaut der Vorlage stehe nichts von Rumänien und Spanien.

Präsident von Levetzow macht darauf aufmerksam, daß der . erklärt habe, daß es sich nur auf Spanien und Rumänien

eziehe.

Abg. Graf Stolberg erklärt unter Aufrechterhaltung seiner ö Berechtigung, sich doch der Weisung des Präsidenten zu ügen.

Abg. Broemel (dfr.): Dem Abg. Grafen Stolberg gebe er Recht, daß der Wortlaut der Vollmacht sich nicht nur auf Rumänien und Spanien beziehe, sondern auch auf alle Länder, die daneben in Betracht kämen, insbesondere Portugal und Rußland.

Die erste Berathung wird geschlossen. In der zweiten wird die Vorlage unverändert angenommen.

Es folgt die erste Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Einführung einer einheitlichen Zeitbestimmung, wonach die mittlere Sonnenzeit des 15. Längengrades östlich von Greenwich die gesetzliche Zeit in Deutschland ist, und zwar von dem Zeitpunkt ab, in welchem nach dieser Bestimmung der 1. April 1893 beginnt.

Abg. Adt (nl); Seine Parteigenossen meinten, daß dieses Besetz sehr zeitgemäß sei. Sie beantragten seine Ueberweisung an eine Commission von vierzehn Mitgliedern. In den K4ußerst westlich gelegenen Theilen Deutschlands finde durch die Einführung der mitteleuropäischen Zeit eine Verschiebung bis zu 36 Minuten statt. Das habe erheblichen Einfluß auf die Fabrikbetriebe, namentlich die nur tagsüber im Betriebe befindlichen. Der Beginn und Schluß der Arbeitszeit werde durch die neue Zeitbestimmung berührt, und es müsse gesetzlich die Fürsorge getroffen werden, daß keine Benach⸗ theiligung der Arbeiter entstehe, und daher müsse man das Gesetz in einer Commission prüfen.

Abg. Freiherr von Stumm (Rp.): Der Handelstag habe sich zwar für die Einführung einer Einheitszeit ausgesprochen, aber es kämen hierbei noch mehr Landwirthschaft und Gewerbe in Frage. Es sei nicht gleichgültig, ob der Arbeitstag statt um 6 um 37 beginne, zumal in solchen Betrieben, die von der Tageszeit abhingen. Graf Moltke habe sich allerdings seiner Zeit in zündender Rede für die Ein—⸗ heitszeit ausgesprochen, aber nicht im allgemeinen, sondern vorzugsweise für den internen Dienst der Eisenbahnen und Telegraphen. Das Besetz über jugendliche Arbeiter bedürfe bei ,, der Ein- heitsjeit durchaus der Abänderung. Frauen und jugendliche Arbeiter dürften danach nicht vor Morgens 16 Uhr und nach Abends 9 Uhr beschäftigt werden. Das hätte keinen Sinn, wenn das

5 an einem Orte fünf bedeute, an einem andern fechs. Was der

eichstag jetzt festgesetzt habe, beziehe sich auf den Stand der Sonne, auf die Tageszeit, nicht auf die Einheitszeit. Wolle man eine Normalzeit einführen, so müsse man sie allerdings gefetzlich einführen. Er halte aber eine Commissionsberathung nicht für nöthig.

„Abg. Möller (nl): Er stimme dem vollständig bei, daß eigent⸗ lich die Ordnung der Materie, die Abg. Adt 1 ier. Gesetz gehöre, aber die Materie müsse auch geordnek werden in einer kleinen Novelle zur Gewerbeordnung. ur gegenseitigen Ver ständigung der Parteien darüber sei aber eine Commsssion nöthig.

Der Gesetzentwurf wird darauf einer Commission von vierzehn Mitgliedern uͤberwiesen und die Sitzung nach 4 Uhr geschlossen.

Auf Vorschlag des Präsidenten beschließt das Haus, die nächste Sitzung nach en Minuten 3 und in dritter Lesung, den Gesetzentwurf, betreffend die Anwendung

der Zollermäßigungen, sowie zwei Anträge Auer zu berathen.

4. Sitzung vom Donnerstag, 24. November, 5 Uhr.

Der Sitzung wohnen bei die Staatssecretäre Dr. von , Freiherr von Maltzahn und Freiherr von

ar schall.

Zur Berathung steht zunächst die dritte Lesung des Gesetz⸗ entwurfs, betreffend die Anwendung der für die Einfuhr nach Deutschland vertragsmäßig bestehenden . und

. mn gegenüber den nicht meistbegünstigten aaten.

Die Vorlage wird ohne Besprechung in ihren einzelnen Theilen und im ganzen angenommen.

Es folgt die Berathung der schleunigen Anträge der Abgg. Auer (Soc.) und Genossen und des Antrags der Abgg. Dr. . (dfr.) und Genossen auf Einstellung des Sun verfahrens ge en die Abgg. Stadthagen und Kunert, be⸗ ziehungsweise Vollrath. .

Ohne Besprechung schließt sich das Haus den Anträgen auf Einstellung des Strafverfahrens gegen die genannten AÄAb⸗ geordneten für die Dauer der ö Tagung an.

Schluß 5 Uhr. Nächste Sitzung Mittwoch den 30. No⸗ vember 12 Uhr. (Reichshaushalts⸗Etat und Anleihegesetz)

Haus der Abgeordneten. 8. Sitzung vom 24. November, 11 Uhr.

Der Sitzung wohnen bei der Präsident des Staats— Ministeriums, Minister des Innern Graf zu Eulenburg und der Finanz-Minister Dr. Miguel.

Auf der Tagesordnung steht die erste Berathung des Ergänzungssteuergesetzes.

Abg. Humann (Centr.): Gegen diese Vorlage habe er schwer⸗ wiegende Bedenken. Die Grundsteuer sei zwar die Vorstufe einer Doppelbesteuerung schlimmster Art, und ihre Aufhebung würde einen Fortschritt in der Besteuerung des Landes bedeuten, aber sie habe eine ungleiche Wirkung. In den Gemeinden und kleinen Städten seiner (Redners) westfälischen Heimath, namentlich in denen, welche bis zu 200 o, Communalsteuerzuschläge erheben, erwachse den Grund, und Gebäudebesitzern ein ganz minimaler Vortheil durch die Ueberweisung der Realsteuern. Das würde alles noch hingehen, aber nun komme die neue Vermögenssteuer, die den Besitz ebenfalls ungleich belaste, denn das Kapital verzinse sich mit 30ͤ0, der Grund⸗ besitz aber nur mit 20/0. Daß die Vermögenssteuer nach dem Verkaufswerth eines Grundstücks berechnet werden solle, sei eine unannehmbare Forderung. Denn der kleinere Besitz habe gerade den höchsten Verkaufswerth und würde daher wiederum durch diese Steuer benachtheiligt. Die aus der Einkommensteuer aufgesammelten Millionen müßten, um die Vermögenssteuer zu vermeiden, für die Reform voll verwendet werden; der Finanz⸗Minister habe aber leider diese Forderung zurückgewiesen. Die Reformvorlagen würden einer Commission überwiesen werden, welcher eine schwere Arbeit bevor⸗ stehe; er wünsche ihr Gottes reichsten Segen dazu, daß es ihr ge— lingen möge, dieses große Werk zu einem guten Abschluß zu bringen.

. Abg. Höppner (cons. ); Es sei eine undankbare Aufgabe, über diesen Gesetzentwurf noch zu sprechen, nachdem er schon in der vorigen Discussion eingehend mit erörtert worden. Die bisherigen Verhand— lungen hätten gezeigt, wie recht der Präsident gehabt habe mit seinem Vorschlage, die Vorlagen zusammen in einer Discussion zu debattiren. Die Mehrheit seiner (Redners) Fraction sei für dieses Gesetz; sie erkenne an, daß dasselbe einem Mangel innerhalb der Einkommen⸗ steuergesetze abhelfe, dem Mangel, daß es nicht möglich sei, mit dem Einkommensteuergesetz alle Steuerkraft zu erfassen. Es handele sich hier nicht nur um ertraglos liegende Grundstücke, die zu Speculations— zwecken angekauft seien, sondern auch um solche Steuerpflichtigen, die einkommensteuerfrei blieben, weil sie im Durchschnitt von zwei Jahren kein wirkliches Einkommen erzielt hätten. Es sei ein logisches Er— forderniß, daß man solche Leute nicht steuerfrei lasse. Für einen

auptvorzug der Vermögenssteuer halte es seine Partei, daß diese teuer für Fälle der Noth, z. B. eines unglücklichen Krieges, die Handhabe biete, die dann erforderlichen schweren Opfer auf wirklich leistungs fähige Schultern abzuwäljen. Die Ergänzungs— steuer solle dem Staat in reichlichem Maße das wiedergeben, was er durch die Aufhebung der Realsteuern verliere, und das fundirte Einkommen heranziehen: damit sei des Redners Partei völlig einverstanden. Für ausgeschlossen halte sie es aber, daß die land— wirthschaftlichen Grundstücke nach dem Verkaufswerth zur Ergänzungs— steuer eingeschätzt, würden.

Abg. Böttinger (nl); Die Einkommensteuer sei so hoch, daß man sich wohl überlegen sollte, ob eine neue Steuer überhaupt ein— geführt werden müsse, oder ob nicht vielmehr die Ueberschüsse der Einkommensteuer zunächst zur Deckung des Ausfalls herangezogen werden könnten, den der Staat durch den Verzicht auf die Real— steuern erleide. Er sei überzeugt, daß diese Ueberschüsse bis zum Ende dieses Jahrhunderts dazu vollständig ausreichen würden, namentlich wenn man die lex Huene etwas höher in Rechnung stelle, als die K gethan habe. Wenn einmal erst die Declaration in richtiger Weise vollzogen werde, so werde sich der Ertrag der Ein— kommensteuer noch günstiger gestalten. Dazu werde die Besferung der allgemeinen Geschäftslage infolge der guten Ernte erheblich bei— tragen. Die Einführung weiterer directen Steuern, der Vermögenssteuer, würde nicht nur den Zuzug unabhän⸗ giger Kapitalisten nach Preußen verhindern, sondern auch den Abzug solcher Personen aus Preußen befördern. Es sei ihm (Redner) bekannt, daß am Rhein bereits verschiedene Firmen an einen Wegzug in die Grenzorte dächten; ältere Inhaber von Firmen wollten sich nominell aus dem Geschäft zurückziehen und ihren Söhnen ihr Kapital als verzinsliches Darlehen im Geschäft lassen. Das ausländische Kapital werde sich vollständig zurückziehen. Preußen fei aber nicht so kapitalkräftig, daß es dasselbe entbehren könnte. Man könne den Deutschen, welche im Auslande blieben, gar nicht Mangel an Patriotismus vorwerfen; wenn sie so hohe Steuern bezahlen sollten, dann sei es nicht zu verwundern, daß sie es vorzögen, ihren Aufenthalt im Auslande fortzusetzen. Die Ergänzungssteuer sei in der vorgeschlagenen Form absolut unannehmbar, und zwar wegen ihres inguisitorischen und pexatorischen Charakters. Die Einkommensteuer habe mit ihrer Declaration und den dadurch herbeigeführten Prägravationen schon eine große Unzufriedenheit im Lande hervorgerufen, die Er⸗ gänzunggsteuer aber würde die Unzufriedenheit ins Ungemessene stei⸗ gern. Wenn ein Betrag nothwendig sei zur Deckung des Ausfalls für den Staat, so böten sich außer der Vermögenssteuer zwei Wege: die ,,, des Vermögens innerhalb der Einkommensteuer und die Erbschaftssteuer, Er möchte den letzteren Weg wählen. Die Be— denken gegen die Erbschaftssteuer seien nicht berechtigt, namentlich trete eine besondere Belastung der Descendenten nicht ein; das Bei— spiel Englands zeige wenigstens, daß die Descendenten dort nur 6 6 der Gesammterbschaftssteuer aufbrächten; der Rest entfalle auf die entfernteren Verwandten.

Abg. Broemel (of.): Es sei bemerkenswerth, daß der Faden der Redner für die Vorlage bereits abgerissen sei, daß nur noch Gegner derselben eingeschrieben seien. Sas Haus habe allerdings eine Entlastung des reinen Arbeitseinkommens gewünscht, aber anders, als die Vorlage dies versuche. Seine Partei habe gedacht, das Arbeitseinkommen solle entlastet werden, nicht, daß dem Rentenein⸗ kommen eine neue Last werde aufgebürdet werden. Er sei kein Gegner der Vermögenssteuer an sich, denn eine folche Maßnahme hänge von den Bedürfnissen des Staats ab, aber er halte es für besser, das fun⸗ dirte Einkommen innerhalb der Finkommensteuer heranzuziehen. Des⸗ halb verwerfe er auch die Erbschaftssteuer. Er vermisse bei der Vermögenssteuer die Degression in den Steuersätzen. Für ein

Einkommen von 1000 M aus Kapitalvermögen, also etwa 25 000 .

betrage die Vermögenssteuer 12 6, die Einkommensteuer 6 , die erstere mache also gerade das Doppelte aus. Bei 2000 0. Ein⸗ kommen betrage die Einkommensteuer 31 4, die Vermögeng. steuer l , also noch nicht einmal den vollen Betrag der erfteren. Nehme man aber ein Einkommen von 10 000 M, fo betrage die Einkommensteuer 300 66, die Vermögenssteuer nur 120 16, alfo nur etwa 40 0½. Diese Beispiele zeigten wie wenig mit dem immer als t proclamirten Grundsatz der Be J nach der Leistungs⸗ ähigkeit anzufangen sei. Gerade die kleinsten Vermögen würden am härtesten herangezogen. Er glaube, daß, wenn man eine Unterscheidung des Einkommens nach den Quellen machen wolle, solche im Rahmen des Einkommensteuergesetzes geschehen müsse, und da unerwartet hohe Mehrbeträge bei der ersten Veranlagung herausgekommen seien, so weise er noch mehr auf diesen Weg hin. Mit der Belastung biz 400 der höchsten Einkommen sei man ohne Zweifel an die äußerste Grenze der ,, gekommen. s müsse also dahin ge⸗= strebt werden, eine Reform bis zu einem Saß von 4950 incl. Zu— schlag für das fundirte Einkommen herbeizuführen. Er Redner) sei vollkommen mit dem Minister darin einverstanden, daß bei steigen⸗ dem Bedarf des Staats eine Erhöhung der Einkommenbesteuerung noth— wendig sei, dazu müßten aber sowohl fundirte wie unfundirte Einkommen herangezogen werden. Ob das Verhältniß von /a pro Mille, welches die Ver⸗ er n vorschlage, ein für alle Zeiten gleich richtiges sei, fei doch fraglich. Daß die höhere Belastung des Kapitalvermögens eine Entlastung der Steuerzahler durch Ermäßigung der Einkommensteuer in den Communen nicht herbeiführe, zeigten seine vorhin angeführten Beispiele. Wenn z. B. in den Städten von über 10 060 Einwohnern auf den Erlaß von der Einkommensteuer zu rechnen sei, so bedeute das für ein Einkommen von 1000 M etwa 1—1160 6; auf der anderen Seite werde demselben Steuerzahler aber durch die Ver— mögenssteuer ein Betrag von 12 S auferlegt. Wie könne man da von einer Entlastung sprechen? Er glaube, die bisherige Behandlun der Vermögenssteuer habe gelehrt, daß der Widerstand dagegen i nicht zum ö theil darauf stütze, daß man darin eine Steuer auf das Kapital sehe, die nicht allein dem staatlichen, sondern auch dem wirthschaftlichen Interesse nicht entspreche, da in dieser Weise rücksichtslos fort und fort auf dasselbe Object, nämlich auf das Kapital, losgeschlagen werde. Das Kapital, welches bereits zum theil mit einem Steuersatz von 49 belastet sei, solle noch weiter durch die Vermögenssteuer herangezogen werden. Durch die un— geheure Steuerlast würden dem freien wirthschaftlichen Leben große Summen entzogen, welche viel fruchtbarer in den Taschen der Steuer— zahler als im Staatssäckel sein würden. Die fortgesetzte Heran⸗ ziehung der Vermögen überschreite das Maß der Besteuerung, welches im wirthschaftlichen Interesse des Landes eingehalten werden müsse. Es bestehe eine hohe Einkommensteuer, eine hohe Gewerbesteuer, die Actiengesellschaften würden noch besonders besteuert, worunter die Bergwerke speciell zu leiden hätten; jetzt sollten die Bergwerke wieder in ganz besonderer Weise zu den Communallasten herangezogen werden: das könne für die Kapitalbildung nicht förderlich sein. Geheimer Ober-Finanz Rath Wallach: Wenn der Abg. Broemel über die Belastung der Bergwerks-Aetiengesellschaften klage, so sehe er (Redner) nicht ein, weshalb derselbe nicht wenigstens für die Auf⸗ hebung der Bergwerksabgabe stimme. Auch sehe er nicht ein, inwie— fern die neuen Gesetze zu einer unerträglichen Belastung der Steuer⸗ zahler führen sollten. In anderen deutschen und europälschen Ländern sei die Belastung durch directe Steuern eine viel größere. Bayern bleibe allerdings mit dem Ertrage von 5 ας pro Kopf hinter dem— enigen Preußens zurück. Im Königreich Sachsen dagegen würden er— hoben 619 6 pro Kopf, in Württemberg 6, 22 , in Lider 7,39 M, im Großherzogthum Hessen 8,81 M6, im Großherzogthum Oldenburg 6,68 16, in Elsaß⸗Lothringen 7,116 Von außerdeutschen Ländern werde an directen Steuern gezahlt pro Kopf: in Belgien 6,53 S6, Frankreich 10,ü'5 6, Italien 11,78 16, Großbritannien und Irland 10,40 , in den Niederlanden 1053 „, in Oesterreich 7,43 („, in Oesterreich⸗ Ungarn im ganzen 8,7 46. Wenn man unter Verwerfung der Ver— mögenssteuer das Vermögen bei der Einkommensteuer treffen wollte, würde das immer dahin führen, daß man Einkommen als fundirtes treffe, das man eigentlich nicht treffen wolle. Bei dem Einkommen aus Gewerbebetrieb unterliege es den größten Schwierigkeiten, das Ar⸗ beitseinkommen von dem Kapitaleinkommen zu trennen. Man müßte dann eine Reihe von Gewerbebetrieben der Steuer auf fundirtes Ein— kommen unterwerfen, die man dieser nicht unterwerfen wolle. Derartige Bestimmungen würden mehr als irgend etwas die Unzufriedenheit über die neue Einkommensteuer verstärken. Er sei im Gegenfatz zum Abg. Broemel der Meinung, daß der Vermögenswerth eine viel passendere Grundlage der Besteuerung sei als das Einkommen. Die Höhe des Ertrages eines Vermögens stehe sehr häufig im umge— kehrten Verhältniß zu seiner Sicherheit. Die größeren Vermögen begnügten sich im großen und ganzen mit einem mäßigeren Zins— satz als die kleinen. Die Bestenerung durch die Vermögensfteuer führe also dahin, daß gerade die kleineren Vermögen in geringerer Weise herangezogen wurden als die großen. Hierin liege trotz des gleichen Steuersatzes eine gewisse Degression. Zugleich werde auf diese Weise eine Erleichterung des Arbeitseinkommens erreicht werden, welche man in der Reform vielfach vermißt habe.

Finanz⸗Minister Dr. Miquel:

Meine Herren! Ich möchte noch eine allgemeine Bemerkung zu den Ausführungen des Herrn Abg. Broemel machen. spricht immer von den Culturaufgaben des Staats. Für mich ist die Culturleistung des Einzelnen ebenso wichtig, und der Staat soll doch erst diejenigen Culturaufgaben vollkommen erfüllen, die ihm un— zweifelhaft von allen zugetheilt werden.

Mit diesen Sätzen kann ich mich vollständig einverstanden erklären, in jeder Weise. Ich weiß nur nicht, was der Herr Abg. Broemel damit beweisen will. Er spricht von einer Ueberlastung, die allmählich in der directen Steuer eintritt. Ja, wenn zur Deckung der Finanzen des Staats und zur besseren Erfüllung der Aufgaben, die dem Staat jetzt obliegen, vorgeschlagen würde, die indirecten Steuern zu er⸗ höhen, so würde er ganz gewiß auf die directen verweisen. Es wird doch immer nur die Frage sein: Wird denn in Preußen ohne Noth eine zu hohe Steuer erhoben? Der Herr Regierungs⸗ kommissar hat in dieser Beziehung schon statistische Mittheilungen gemacht.

Ich gebe darauf nicht zu viel; (Abg. von Eynern: Sehr richtig!) man muß allerdings die Gesammtheit der Lasten, die ein Steuer⸗ pflichtiger trägt, in Commune, in Staat und im Reich zusammen— rechnen. (Abg. von Eynern: Sehr richtig Man kann allerdings, wenn man die deutschen Staaten nimmt, Herr von Eynern, aus diesen Zahlen doch viel ableiten. Denn der Badenser zahlt auch eine hohe Communalsteuer, er zahlt die Reichssteuern und er zahlt die staatlichen Steuern; da haben wir allerdings Vergleichsobjecte.

Nun wende ich mich aber an alle diejenigen Mitglieder des Hauses, die die preußischen Staatsfinanzen wirklich kennen und sich nicht bloß an zweifelhafte, schwankende oder veränderliche Zahlen halten. Ich frage diese Herren auf ihr Gewissen, ob sie mir nicht die Behauptung bejahen müssen, daß unser gesammter Ausgabe⸗Etat jedenfalls mehr auf schwankende und unsichere Betriebsausgaben gestützt ist, als dies an sich berechtigt ist, und daß daher, wenn wir doch nun einmal diese Ausgaben nicht bloß decken, sondern in Zukunft auch noch werden steigern müssen, man gewiß nicht behaupten kann, daß in Preußen durch Steuern zuviel gedeckt wird. Ich will das hier bei dieser Gelegenheit einmal aussprechen, und die Zukunft wird mir Recht geben: wer behauptet, daß wir ohne Noth zuviel Steuern erheben, von dem behaupte ich, er kennt unsere Finanzen nicht. (Ruf links: Ohne Nothh Ohne

Er sagt: man

Noth, ja gewiß! Ich sage daher: wenn wir jetzt eine Vorlage machen, die gänzlich darauf verzichtet, die Steuerlast zu steigern, die nichts weiter fordert, als was der Staat weggiebt, dann kann man gewiß nicht behaupten, daß hier der fiscalische Standpunkt ohne Grund in den Vordergrund geschoben würde.

Nun kann man ja darüber verschiedener Meinung sein, was der Staat weggiebt, und wie die Deckungsmittel zu erreichen sind; ich will darauf zur Zeit garnicht eingehen. Ich bin überzeugt, wer die Grund— lagen der Vorlagen objectiv in Erwägung zieht, der wird zu einem wesentlich andern Resultat in Beziehung auf die Höhe der geforderten Deckungsmittel garnicht kommen können. Wenn sogar ein Redner von vorher der preußischen Staatsregierung oder dem Landtage zu⸗ muthet, er solle 35 Millionen das würde ja der correspondirende Betrag sein sicherer Steuern, die er heute besitzt, weggeben, und zur Deckung auf einige Jahre ein vorhandenes Kapital verzehren und dann vis-a-vis de rien stehen, so brauche ich auf solche Zu⸗ muthungen überhaupt nicht zu antworten. (Sehr richtig! rechts.)

Meine Herren, im übrigen stelle ich fest, daß selbst fast alle Gegner mit wenigen Ausnahmen, welche die Vermögenesteuer bekämpfen, doch erstens die Realsteuern aus dem Staatssteuersystem ausscheiden wollen, und zweitens anerkennen: Der Staat muß eine Deckung dafür haben, und drittens, wie auch der Herr Abg. Broemel, eine Unterscheidung in unserm Steuersystem zwischen nichtfundirtem und fundirtem Einkommen für erforderlich halten; das sind nach meiner Meinung Grundlagen der Einigung genug. Ich habe schon ausgesprochen, daß für mich in Beziehung auf die Fragen des fundirten und nichtfundirten Einkommens es auf das Wesen der Sache ankommt, aber nicht auf die Form. Ich bin noch immer der Meinung, daß diese Form, wie sie hier vorgeschlagen ist, die beste ist, ja daß sie eigentlich die allein durchführbare ist, und ich getröste mich, daß in Folge der ruhigen Berathung vom steuertechnischen Stand— punkte in der Commission, die Commission und das ganze Haus sich schließlich davon überzeugen wird. Ich werde mich aber garnicht verschließen, wenn ich sehe, daß auf einem gangbaren und gerechten Wege dasselbe Ziel erreicht werden kann, wenn die eingehende Prüfung mir diese Ueberzeugung giebt, auch eine andere Form zu acceptiren.

Meine Herren, Sie können sich überzeugt halten, daß der Satz, den der Herr Abg. Broemel ausgesprochen hat, es sei doch die Differenz, die hier zwischen der Belastung des fundirten und nicht⸗ fundirten Einkommens vorgeschlagen werde, mehr oder weniger will⸗ kürlich, doppelt und dreifach richtig ist für sein System. Gewiß, mehr oder weniger willkürlich ist es immer; man muß hier aber eine Regel aufstellen, und die Regel paßt gewiß auf viele Fälle nicht voll⸗ ständig. Aber wenn Sie in der Form der Einkommensteuer diese schärfere Heranziehung des fundirten Einkommens bewerkstelligen wollen, so müssen Sie genau solche Regeln aufstellen, ja es wird sich finden, daß diese Regeln noch viel willkürlicher sind. Nun sagt Herr Abg. Broemel: der Tarif, über dessen Ausgestaltungen im einzelnen wir uns ja in der Commission werden unterhalten können, führte zu einer Mehrbelastung der kleineren Vermögen im Verhältniß zu den größeren, so habe ich ihn wenigstens verstanden. Nun behaupte ich, wenn Sie in der Form der Einkommensteuer diese Unterscheidung zum fundirten und nichtfundirten Einkommen durch gleiche Zuschläge machen zu dem gemischten Einkommen, so kommen Sie gerade um⸗ gekehrt dahin, die kleineren Vermögen zu überlasten und die größeren unverhältnißmäßig zu entlasten; denn ich habe schon bemerkt, der kleinere Gewerbtreibende, der kleine Bauer zeigt uns in der Gesammt—⸗ declaration seines Vermögens zwar gemischtes Einkommen, aber einen verhältnißmäßig viel größeren Antheil des Arbeitseinkommens. Ich berufe mich in dieser Beziehung auf die praktischen Kenntnisse des Lebens des ganzen Hauses. Ist es denn nicht richtig, daß ein kleiner Bauer einen viel größeren Antheil an seinem Arbeitseinkommen, in seinem ganzen Gesammtvermögen hat, als der Großgrundbesitzer? Oder der kleine Handwerker, der wenige Werkzeuge hat, nicht viel sich unterscheidet von dem Lohnarbeiter, hat der in seinem ge⸗ mischten Einkommen nicht einen ganz anderen Antheil in der Arbeitskraft, als ein größerer Industrieller, der ein großes Werk nur leitet? Meine Herren, Sie werden sich selbst überzeugen, daß die in der Vorlage gewählte Form doch die beste ist. Wenn Sie aber daran festhalten, die Unterscheidung muß gemacht werden, sie ist eine Consequenz der übrigen Vorlagen und des gesammten Inhalts des Reformplans, dann werden wir uns schließlich über die Art und Weise zu verständigen wissen.

Meine Herren, diese Vermögenssteuer ist wie jede neue Steuer gewiß vielen Menschen unangenehm, um so mehr, als wir sie ein— führen mußten, wie schon bemerkt worden ist von anderer Seite, unmittelbar nach der ersten Veranlagung der Einkommensteuer, und die Verschiebungen, die selbst in der Einkommensteuer stattgefunden haben, ja noch vielfach verstimmend nachwirken. Ich bin aber über— zeugt, auf die Dauer werden diese momentanen Stimmungen nicht ausschlaggebend sein, sondern auf die Dauer wird das den Ausschlag geben, was das Gerechteste ist und dasjenige, das die Steuerkraft, die verhältnißmäßig größere oder geringere Steuerkraft, richtig berücksichtigt. Nach solchen momentanen Stimmungen kann nach meiner Meinung eine Gesetzgebung für die Dauer nicht gemacht werden. Sie muß sich ver— gegenwärtigen: Wie wird auf die Dauer ein Steuersystem wirken und welche Stellung wird die öffentliche Meinung des Landes auf die Dauer zu einem Steuersystem annehmen? Ich bin überzeugt, daß das Steuersystem, welches wir hier vorgeschlagen haben, auf die Dauer die öffentliche Meinung gewinnen wird, wie das auch in der Schweiz der Fall ist. Ich hoffe daher, daß die Herren sich nicht durch solche vorübergehenden Stimmungen allein beherrschen lassen, sondern die Vorlage objectiv nach ihrem inneren Werth prüfen. Dann brauchen Sie auch die Folgen, die in der Verstimmung der öffentlichen Meinung augenblicklich vorhanden sein mögen, nicht zu scheuen. (Bravo! rechts.)

Abg. von Eynern (n.): Die Klage gehe allgemein dahin, daß in . zu hohe directe Steuern gezahlt würden. Im Westen bezahle man zufammen etwa 140½ ) des deelarirten Ein⸗ kommens an Staats-, Gemeinde, und Kirchensteuern, und das neue Hemeindeabgabengesetz werde daran nichts ändern; die wohlhabenden Leute zögen aus den kleinen Gemeinden nach den großen Städten, sodaß die kleinen Gemeinden von der Reform nicht viel haben würden. Die Vermögenssteuer fei fast von allen Parteien bekämpft worden. Der Abg. Har. habe den stärksten Ausdruck gebraucht; er habe

emeint, das Gesetz führe dahin, daß man dem Steuerzahler is in den Magen sehen könne. Die Ortsvorstände sollten

da Vermögen ( einschätzen nach den vier Befitzkategöricen. Die Einschäͤtzung gehe an den Schätzungsausschuß, der Er—

könne; dann gehe die Sache an die Veranlagungẽcommifsion. Die Einschätzungsgrundsätze seien schwer zu befolgen. Was sei Verkaufswerth eines Grundstücks? Warum sollten Werthpapiere nach dem Börsencurse berechnet werden? Wenn Zweifel entständen, solle ein Verzeichniß der einzelnen Vermögens⸗ stücke dem Vorsitzenden der Einschaͤtzungscommission vorgelegt werden. Das sei beinahe noch mehr, als in den Magen sehen. Solche Vor⸗ schriften seien der Ruin nicht bloß für den kleinen, sondern auch für den wohlhabenden Gewerbetreibenden. Wenn aber alles das geschehen sei, könne die Commission doch noch nach Belieben , und der Vorsitzende könne dann noch an die ö ion und an das Ober⸗Verwaltungsgericht appelliren. em Vorsitzenden koste solche Berufung nichts, der Steuerzahler müsse aber bei

kundigungen einziehen

Rerclamationen die Kosten zahlen, wenn er in „wesentlichen Punkten“

falsche Angaben gemacht habe. Was heiße hierbei „wesentlich“? Könne das nicht gegen politische Gegner ausgebeutet werden, so daß dieselben nicht zur Ruhe kämen, daß ihnen sogar ein sittlicher Makel angeheftet werde? Den Vorsitzenden der. Ein— i een, nen könnten Hilfsbeamte zur Seite gestellt werden. Wohin das bei einem Wechsel der politischen ö. in der Herr⸗ schaft führen könne, wolle er nicht näher ausführen. Wer die De⸗ elaration verweigere, solle 25 9 9 Strafzuschlag bezahlen, d. h. der Mann mit 6600 1M Vermögen statt 3 S 3,75 S; der Mann mit 20 9099 66 Vermögen statt 10 M 1250 4 und der Millionär statt 50 M 625 6 Da werde niemand declariren, son⸗ dern lieber die Strafe zahlen, auch wenn man diese erhöhen sollte. Das sei dann aber keine Steuer mehr, sondern ein förmliches Raubsystem. Deshalb wäre es richtig, das Vermögen bei der Einkommensdeclaration abzuschätzen. Daß die Erbschaftssteuer so hohe Sätze haben müßte, wie der Finanz⸗Minister angeführt habe, könne er (Redner) nicht widerlegen; warum würden denn die Zahlen nicht im „Staats⸗Anzeiger“ veröffentlicht? Sollten sie etwa nachher erst der überbürdeten Commission vorgelegt werden? Er hoffe dennoch, daß der ganze Plan vom Hause gebilligt werde, daß aber auch Mittel und Wege gesucht werden würden, um dem Staat seinen Einnahme— ausfall zu ersetzen.

Geheimer Ober⸗Finanz-⸗Rath Wallach: Das Verfahren bei der Einschätzung hätte der Vorredner nicht zu kritisiren brauchen, es ent— spreche naturgemäß dem Verfahren bei der Einkommensteuer. Die Wirkung der Strafe unterschätze der Vorredner; er (Redner) möchte doch nicht die Verweigerung der Declaration empfehlen, denn was eine Commission daraus für Schlüsse ziehe, das lasse sich nicht voraussagen. Sie könnte daraus den Schluß ziehen, daß der Steuerzahler mit Ab— sicht die ihm gesetzlich obliegende Declaration verweigere.

Abg. Fuchs (Centr.): Die Mängel dieses Vermögenssteuer⸗ gesetzes seien so zahlreich, daß man sich gern an dem ganzen Ge⸗ setze vorbeidrängen möchte; der Abg. Richter gehe in seinen Be— rechnungen soweit, daß er das Gesetz für überflüssig halte und der Abg. von Huene wolle es überflüssig machen, indem er die Gewerbe— und Bergwerkssteuer aufrecht erhalten möchte. I‚m Namen aller Städte müsse er (Redner) gegen einen solchen Ausweg entschieden Widerspruch erheben, denn dadurch würde der Reform ein agrarischer Charakter aufgedrückt. Die Vermögenssteuer treffe sehr ungleich; denn ein Gewerbetreibender, der vielleicht vorübergehend sein Geld in einem Hause angelegt habe, dem es dann aber wegen schlechter Geschäfte an Einkommen fehle, müsse das Haus als Vermögensobjekt besteuern. Wie sollten die Verkaufswerthe berechnet werden, z. B. bei Kuxen, auf die manchmal Zubußen gezahlt werden müßten? Er stehe auf dem Boden der Vorlagen, für welche er dem Minister seinen Dank ausspreche, hoffe aber, daß die Vermögenssteuer so umgestaltet werde, daß sie angenommen werden könne, und somit die Reform noch in diesem Jahre zu stande komme. ö .

Abg Brandenburg Centr erklärt sich grundsätzlich gegen die Vermögenssteuer, obgleich er den Verzicht des Staates auf die Realsteuern billige. Die Vermögenssteuer sei rechtlich eine theilweise Vermögensconfiskation; freilich fordere sie nur einen minimalen Theil des Vermögens, aber sie sei steigerungsfähig und wer sie sväter ein— mal handhaben werde, wisse man nicht. Der Staat habe das Privat⸗ eigenthum zu respectiren, sonst gelange man zur Soeialdemokratie; wenn man schwarz sehen wollte, würde man in der Vermögenssteuer eine Vorarbeit für diese sehen: es wäre nur nöthig, den Steuersatz allmählich zu erhöhen. . .

Abg. Meyer-⸗Berlin (dfr.: Seine Partei habe es für ungerecht gehalten, daß man das Arbeitseinkommen, das unfundirte Einkommen ebense hoch belaste, wie das fundirte Einkommen und habe deshalb vorgeschlagen, die Ueberschüsse, die aus dem fundirten Einkommen ent⸗ stehen, zur Entlastung des unfundirten Einkommens zu verwenden. Jetzt komme der Finanz- Minister mit dem Hinweis darauf, daß die anderen mehr bezahlen sollten, aber nicht in Form eines Zuschlages zur Ein— kommensteuer, sondern in Form einer neuen Steuer, weil auf dem ersteren Wege die Scheidung nicht ausführbar oder doch sehr schwierig sei. Schwierigkeiten, habe er (Redner) darauf zu entgegnen, seien überall vorhanden; dieses eine Bedenken sollte doch nicht ausschlaggebend sein. Man sage, in der Ein— kommensteuer könnte man die Vermögenssteuer nur durch eine Hinter, thür einführen. Es liege aber umgekehrt: die Vermögenssteuer sei nur eine Einkommensteuer, denn sie werde aus dem Einkommen ge— deckt. Man schaffe also eine zweite Einkommensteuer, während man doch überall die Unterscheidung zwischen dem fundirten und unfundirten Einkommen ermöglicht habe. Die Tragweite der Vermögenssteuer lasse sich garnicht übersehen; es fehle jede Sicherheit dafür, daß aus der Vermögenssteuer nicht mehr als nothwendig herauskomme. Des—⸗ halb freue er sich, aus der Stimmung des Hauses die Hoffnung schöpfen zu können, daß wenigstens dieses Glied des Plans fallen werde.

Finanz-Minister Dr. Miquel:

Meine Herren! Es ist diese Frage so ausführlich schon discutirt, daß ich im übrigen in meinen Ausführungen mich auf einzelne Punkte in der Rede des Herrn Abg. Dr. Meyer beschränken kann. Er hat mir nur den Vorwurf gemacht, ich hätte den Haupteinwand des Herrn Abg. Broemel nicht beantwortet, daß bei Einführung einer besonderen Einkommensteuer die Unterscheidung zwischen fundirtem und unfundirtem Einkommen in der Gemeinde entfalle, daß also bei dieser Form, dieser Unterscheidung die Zuschläge zur Einkommensteuer das fundirte Einkommen nicht treffen. Meine Herren, ich habe allerdings, muß ich zugeben, vergessen, hierauf zu antworten; aber die Admonition des Herrn Abg. Dr. Meyer ist mir im höchsten Grade angenehm, um auch diesen Punkt noch klarzustellen.

Eines der wesentlichsten Ziele der ganzen Steuerreform ist die sachgemäße Abgrenzung der Steuergebiete des Staats und der Ge— meinde. Ich halte die bisherige Verquickung und gegenseitige Ab⸗ hängigkeit des Steuersystems der Gemeinde und des Staats für beide Theile gleich nachtheilig. Schon hierin liegt gerade ein wesentlicher Grund, warum dies richtige Ziel besser durch eine selbständige Ver—⸗ mögenssteuer, als in der Form der Einkommensteuer erreicht werden kann.

Nun kommt aber weiter hinzu, daß in der Gemeinde diese Frage ganz anders liegt, als im Staat. In der Gemeinde soll ja wesent⸗ lich in Zukunft die Besteuerung auch in der Form der Realbesteuerung der Objecte stattfinden. Es soll die Bruttobesteuerung da für Grund⸗ besitz und Gewerbebetrieb stattfinden, und da halte ich es nicht für zulässig, daß man gleichzeitig das Nettoeinkommen der Objecte und das Bruttoeinkommen derselben versteuert; das würde allerdings des guten zu viel sein, da würde man allerdings mit dem Herrn Abg. Broemel mit Recht sagen können: was zu viel ist, ist zu viel. Ich gebe allerdings zu, daß diese Rücksicht nicht zutrifft auf das fundirte Einkommen aus Kapital, aber da soll es auch nicht zutreffen, weil ich

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mehrfach ich beziehe mich in dieser Beziehung auch auf unsere Denkschrift ausgeführt habe, daß bisher eine zu scharfe Heran⸗ ziehung des Arbeitseinkommens und des reinen Kapitaleinkommens in den Gemeinden stattgefunden hat, weil die Frage der Leistung und Gegenleistung sich hier ganz anders gestaltet, als bezüglich derjenigen Objecte, die von den Gemeindeausgaben Werthsteigerungen erfahren oder die Gemeindeausgaben vergrößern.

Ich glaube also, dieser erwähnte Punkt ist ein sehr entscheidender und wichtiger Grund für eine selbständige Vermögenssteuer. Sie werden diese Bedenken, die sich aus dem Gegentheile ergeben, bei der Form des Zuschlags zum fundirten Einkommen in der Einkommen⸗ steuer selbst gar nicht lösen können.

Nun sagt der Herr Abg. Meyer, indem er schildert wie die An⸗ schauungen in Beziehung auf das Steuerwesen sich wandeln, daß er sich freue, daß man diesmal wenigstens keine Neigung für die Vermögenssteuer zeige. Meine Herren, nach der Gesammtstimmung im Hause gebe ich diesen Satz zu. Eine besondere Vorliebe für eine neue directe Steuer konnte ich auch garnicht erwarten (Heiterkeit); im Gegentheil, in der langen Erfahrung, die ich in den verschiedensten Richtungen des menschlichen Lebens habe, habe ich immer den Satz bestätigt gefunden, daß Nehmen immer willkommen ist und daß das Geben immer viel schwieriger ist. Darüber ist heute alle Welt einig: erstens die Realsteuern werden genommen, zweitens eine Unterscheidung zwischen fundirtem und unfundirtem Einkommen ist wünschenswerth. Es scheinen mir aber viele nicht geneigt zu sein, was sie genommen haben zum theil nur zurückzugeben, und anderer⸗ seits scheinen viele die Forderung der Gerechtigkeit, das fundirte und nichtfundirte Einkommen zu unterscheiden, zwar anzuerkennen; wenn es aber zur That und Wahrheit werden soll, so machen sie gegen jeden Vorschlag so viele Schwierigkeiten, daß aus der Sache nichts wird. Nun ängstigt mich das aber garnicht; denn wenn nicht in der einen oder anderen zutreffenden Weise dem Staat die Mehreinnahmen wieder zugeführt werden, so ist es auch mit dem Nehmen nichts; dann müssen wir auf die Reform verzichten.

Ich kann nur wiederholen und ich bin überzeugt, Sie stimmen mir wenigstens innerlich zu, wenn ich sage, es wäre geradezu ein un— verantwortlicher Leichtsinn, wenn in der gegenwärtigen Lage des preußischen Staats wir 35 Millionen sichere Einnahmen preisgeben wollten, ohne dafür irgend einen Ersatz zu bekommen. (Sehr richtig!) Das wäre gar nicht zu verantworten. Ich würde wenigstens unter eine solche Schrift meinen Namen nie setzen, deß können Sie sicher sein. Also, ob Vorliebe oder nicht, wenn Sie den gesammten Reform— plan erfüllen wollen, werden wir uns schon verständigen müssen, und Sie werden, glaube ich, selbst einsehen, daß diese Form, die wir vor⸗ geschlagen haben, die zweckmäßigste und auch die mildeste ist.

Abg. Dr. Gerlich (freicons.) spricht nur im eigenen Namen, glaubt aber, daß mehrere seiner freiconservativen Freunde ihm zustimmen würden. Er verwirft den ganzen Plan, weil er nach den Worten des Finanz⸗Ministers annehmen muͤsse, daß derselbe urbanisch sei. Die Gebäudesteuer solle den Städten überlassen werden. Wenn man in Berlin sehe, daß Palaste heruntergerissen würden, um schöneren Palästen Platz zu machen, dann sei es besser, die Gebäudesteuer komme dem Staat zu gute, der sie auch im Interesse der ärmeren Landestheile verwende. Denn wenn der Staat auf die Grund⸗ und Gebäudesteuer verzichte, dann müßten die Gemeinden 100, 150 und mehr Procent Grundsteuer erheben, namentlich für Schul⸗ und Armenlasten, die eigentlich staatlichen Aufgaben dienten. Die Reform solle agrarisch sein, sonst müsse er, Redner, sie ablehnen. Die Vermögenssteuer sei eine socialdemokratische Maßregel, denn ob von 1000 Morgen ein halber Morgen, oder von 1000 416 eine halbe Mark weggenommen werde, sei gleichgültig. Das Einkommen solle hoch besteuert werden, das Kapital aber nicht. Für Handel- und Gewerbe⸗ treibende sei es von hohem Werth, daß man ihr Vermögen nicht genau kenne; solche Personen würden sich gern höher einschätzen lassen, nur um ihren Credit zu erhöhen. Bei schweren Landescalamitäten sei eine solche Steuer angebracht, aber nicht unter den heutigen wirth⸗ schaftlichen Verhältnissen.

Finanz⸗Minister Dr. Miquel:

Ich könnte den Herren Vorrednern recht dankbar sein, wenn ich erwäge, daß der eine mir vorwirft: Dein Programm ist agrarisch, und ein anderes Mitglied aus derselben Richtung mir vorwirft: nein, nicht agrarisch, sondern urbanisch. Da könnte ich mir denken: nun, dann wird beides wohl nicht richtig sein. (Sehr richtig! rechts.) Ebenso könnte ich dem Herrn Abg. von Eynern, dem Herrn Abg. Friedberg, dem Herrn Abg. Broemel, die mir vorwerfen: Du belastest die großen Vermögen viel zu stark, und das ist ein gefährlicher NachtheiOl für die ganze Cultur— entwicklung, dadurch schlagen: Wendet Euch an jene Seite, da heißt es: es ist ein plutokratischer Entwurf. Ich könnte, wenn ich mich mehr schonen wollte, was ich sehr nöthig hätte, mich einfach damit begnügen, diese beiden schroff entgegenstehenden Meinungen gegen einander kämpfen zu lassen und lächelnd zuzusehen. (Heiterkeit)

Die Discussion wird hierauf geschlossen, die Beschluß⸗ fassung über die geschäftliche Behandlung der Vorlage aber bis nach Beendigung der Berathung über das Communal⸗ steuergesetz vertagt.

Schluß gegen 4 Uhr. Nächste Sitzung Freitag 11 Uhr. (Erste Berathung des Communalabgabengesetzes.)

Statistik und Volkswirthschaft.

Statistik der deutschen Reichs-Post- und Telegraphen⸗ Verwaltung für das Jahr 1891.

Die Gesammtzahl der Postanstalten im deutschen Reichs-Post— und Telegraphengebiet betrug im Jahre 1891 24 001, gegen 223 668 in 1890, die der Telegraphenanstasten 12124 gegen 11 449. Postbrief⸗= kasten waren 75 176 gegen 72 222 im Vorjahr, Verkaufsstellen für Post⸗ werthzeichen 15 176 gegen 14 896 vorhanden. Die Zahl der reichseigenen Post. und Telegraphengrundstücke belief sich auf 411, 1890 auf 401, die der Beamten, Unterbeamten u. s. w. 131 317 gegen 114410. Die Gesammtzahl der durch die Post beförderten Sendungen stieg von 2632131088 in 1850 auf 2798 575 398 im Berichtsjahre, die der beförderten Telegramme von 24 S864 0sß auf. 27 376 660, die der von, den Fernsprech - Vermittelungsanstalten gaus= geführten Verbindungen von 341 351 724 auf 262 520 399. Die durch die Post vermittelten Geld! u. s. w. Sendungen hatten 1890 einen Gesammtwerth von 20 127 784 733 t 1891 einen solchen von 20 681 565 7735 M, das Gesammtgewicht der durch die Post beförderten Päckereien betrug 18909 426 317 769 kg. 1851 449 421 060 6g. Die Gesammteinnahmen beliefen sich 1890 auf 224722 296 S6, 1891 auf 234 997 g62 , die Gesammtausgaben 1890 auf 207 003 681i M, 1891 auf 219 615 215 M, sodaß sich für 1880

ein Ueberschuß von 17718615 66, für 1891 ein solcher von 15 352 746 S ergab.