1892 / 282 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 28 Nov 1892 18:00:01 GMT) scan diff

die gesetzliche Befugniß, dergleichen Anordnungen zu treffen, die eben in jenem Paragraphen den Landgemeinden gegenüber aus—⸗ gesprochen ist, den Gutsbezirken gegenüber fehlt. (Zuruf) Wenn der Herr Abgeordnete bezweifelt, daß die Bestimmungen der 119 und 120 sich nur auf Landgemeinden, nicht aber auch auf Gutsbezirke beziehen, so kann ich ihn nur einladen, sich den Wort⸗ laut dieser Paragraphen nochmals anzusehen, und ich zweifle nicht, daß er meiner Meinung beitreten wird, daß dieselben für eine zwangsweise Forderung der Etats⸗ und Rechnungsaufstellung in den Gutsbezirken nicht dienen können. Ich bin also bei Erhebungen in dieser Beziehung auf nichts Anderes angewiesen, als auf eine sta⸗ tistische Ermittelung, wie sie eben bereits stattgefunden hat, und zwar mit dem ehrlichen Bestreben, sie so genau zu machen, als es nur immer möglich ist; und wenn die wiederholt werden oder periodisch alle Jahre oder in gewissen Zeiträumen wiederkehren sollte, nun gewiß, dann will ich dem Herrn Vorredner zugeben, daß damit eine größere Genauigkeit vielleicht erreicht werden würde. Aber wenn das alles vorhanden wäre, sicher würde er ebenso wie heute mir sagen und sagen können, daß die Angaben größtentheils auf Schätzung beruhen.

Aber ich glaube, daß es zur Beurtheilung der Sachlage viel weniger hierauf ankommt, als auf eine unbefangene Beurtheilung der Ver⸗ hältnisse, wie sie in der That liegen. Nun, meine Herren, ich halte es wirklich für unrichtig, zu bestreiten, daß die Gutsbezirke ein hohes und erhebliches Maß von Communallasten zu tragen haben. Ich bin außer stande, den Procentsatz im Vergleich zu den Gemeinden mit voller Genauigkeit anzugeben, aber ich bin der festen Ueberzeugung, und zwar aus eigener Kenntniß der Verhältnisse in ziemlich weitem Umfange, daß die Belastung der Gutsbezirke mit Communallasten hinter derjenigen der Gemeinden keineswegs nachsteht, und die Beispiele, die in den ersten Tagen der Debatte, ich glaube, es war Herr von Jagow, angeführt hat, daß der Zusammenlegung von Gemein⸗ den und Gutsbezirken in sehr häufigen Fällen das Widerstreben der Gemein⸗ den entgegenstehen wird, die größeren Communallasten der Gutsbezirke zu übernehmen, sich keineswegs auf vereinzelte Fälle, sondern auf ganze Kategorien dieser Fälle erstrecken. Ich gebe zu, daß es nichts⸗ destoweniger Verhältnisse giebt, in welchen trotz alledem von einer Ver⸗ einigung von Gutsbezirken mit Gemeinden nicht abgegangen werden kann, und ich will dem Herrn Vorredner gern glauben, daß gerade in den Gegenden, die ihm am nächsten stehen, Unzuträglichkeiten mancher Art eingetreten sind. Aber ich bitte ihn zu berücksichtigen, daß diese doch nicht für das Ganze maßgebend sind, sondern daß man eben jede Gegend, jedes einzelne Verhältniß individuell be⸗ trachten und danach die Frage stellen muß, ob im öffentlichen Interesse eine Nothwendigkeit der Zusammenlegung vorliegt. Daß übrigens bei den Verhandlungen über die Landgemeindeordnung irgend eine bestimmte Zahl von Gutsbezirken angegeben worden sei, welche von der Bildfläche verschwinden und mit Gemeinden vereinigt werden müßten, ist mir nicht erinnerlich. Ich kann nur wiederholen, daß die Sache in jedem einzelnen Fall sorgfältig geprüft und danach entschieden werden wird, und ich bin gern bereit ich weiß nicht ob verpflichtet aber jedenfalls bereit, die Nachweisungen über die Aus⸗ führung der Landgemeindeordnung Ihnen demnächst mitzutheilen.

Wie dem aber auch sein mag, meine Herren, wenn der Herr Ab⸗ geordnete zurückgekommen ist auf die Frage der Beseitigung der Grund⸗ und Gebäudesteuer gegenüber den Gutsbezirken, dann glaube ich dies Eine doch noch einmal hier hervorheben zu müssen: Wenn man es für nützlich und gut hält, daß der Staat auf die Grund⸗ und Gebäudesteuer verzichtet, und zwar in der Art verzichtet, daß er sie außer Hebung setzt, dann, meine Herren, halte ich es für ein un⸗ mögliches Verlangen, hiervon die Gutsbezirke auszuschließen; das würde gegen die erste Grundlage der Gerechtigkeit verstoßen. (Bravo.)

Abg von Tiedem ann-Labischin (freicons.): Es sei von der linken Seite des Hauses über das Uebermaß von Staatsaufsicht in diesem Gesetz gesprochen worden. Je weiter man aber die Autonomie der Gemeinden ausdehne, desto schärfer müsse das Aufsichtsrecht des Staats zur Anwendung gebracht werden. In den meisten kleinen Städten und Tandgemeinden finde bei der Umlage der Gemeindesteuern ein heftiger Interessenkampf statt; es bedürfe also ganz bestimmter fester . Regeln und eines Aufsichtsrechts, das unter Umständen Remedur schaffe. Die einzelnen Steuerzahler würden durch das Gesetz entlastet und den Gemeinden eine reiche Steuerquelle erschlossen; der Staat suche den Ausfall auf andere Weise zu decken. Benachtheiligt würden nur die Kreise, die eigentlichen Träger des Communalwesens, infolge der Aufhebung der lex Huene. Diese sei ein theoretisch zweifellos mangelhaftes Gesetz, aber sie habe den Kreisen geholfen, eine Reihe wichtiger cultureller Aufgaben zu erfüllen. Die Kreise hätten im Osten noch so viele wirthschaftliche Aufgaben zu erfüllen, daß man ihnen dafür die Mittel gewähren müsse. Die Betriebssteuer sei ihnen überlassen; man sollte auch die Gewerbesteuer, die Steuer auf den Häuserhandel und die Hundesteuer ihnen überlassen. Die letztere würde, wenn man auf jeden Hund eine Steuer von 5 M belegen würde, den Kreisen ungefähr die Hälfte von der jetzigen Gebäude⸗ steuer einbringen.

Abg. Meyer (ofr) jucht sich , in eingehender Ausführung egen die Behauptung des Minister zu vertheidigen, daß er, der das eng⸗= r Communalsteuerwesen als Vorbild empfohlen, nicht wisse, daß in England und namentlich in den dortigen Count) councils, d. h. den Kreisausschüssen, die Beseitigung des bestehenden Cemmunalsteuer⸗ wesens angestrebt werde. Er habe ferner gesagt, die Regierung habe die Tendenz gehabt, durch Aufhebung der Grundsteuer den Grund⸗ besitzern zu helfen: damit habe er ihr doch nichts schlechtes gesagt. Dann habe er das Gemeindeabgabengesetz ein Ornament genannt. Sollte der Ausdruck als unvparlamentarisch bezeichnet werden, so könne er ähnliche Wendungen aus früheren rarlamentarischen Ver—⸗ handlungen als Gegenstücke aufführen (wie seitens des Redners ge⸗ schieht Er habe das Gemeindeabgabengesetz als bloßes Ornament betrachtet, das dazu bestimmt sei, den beiden anderen Ge⸗ setzen zur Annahme, zu verhelfen, und deshalb seine An

iffe dagegen gerichtet, obgleich er mit vielen Sätzen der ö einverstanden sei; aber er glaube, das Gesetz werde, wenn es in die Gesetzsammlung aufgenemmen sei, nicht marschiren können. Wenn der Finanz ⸗Minister nicht helfen und selbst etwas Besseres schaffen könne, dann werde man die einzelnen Communalsteuern als wecksteuern durch besondere Gesetze regeln müssen. Die Miethssteuer ei allerdings verbesserungsbedürftig und die städtischen Behörden besserten auch daran, aber sie ließen die Grundyrincipien des Ge⸗ setzes unberührt. Wenn der Minister daraus folgere, daß dieses Gesetz wurzelfaul sein müsse, o halte er das wiederum für einen völlig unbegründeten Schluß. Der Minister habe ferner . er Hätte ein wegwerfendes Urtheil über das ganze Gesetz gefällt. Die grundlegenden Bestimmungen des Ge⸗ setzes in den 20 und 24 habe niemand im Hause so eingehend analysirt, wie er es gethan; auf diese Analyse aber sei man ihm die Antwort schuldig geblieben. Bis er Antwort darauf erhalte, werde er annehmen, daß er auf streng sachlichem Boden gestanden habe. Der Abg. von Tiedemann babe ihn . er habe nicht das Aung ( ht h im allgemeinen angegriffen. e Tiedemann sage, die Ausübung des Aufsichts rechts sei nothwendig,

Und wenn Herr von

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um dem Nothschrei der Minorität abzuhelfen, so erwidere er, (Redner) man möge doch das Geseß so abfassen, daß die Minerität durch das selbst geschützt sei und sJ des besonderen Schutzes des Aufsichtsrechts entbehren könne. Sein Streben gehe dahin, zu ver⸗ hüten, daß keine Bestimmungen getroffen werden können, die unbe⸗ rechtigten Sonderinteressen entsprechen. sondern daß das Gesetz selbst über alle Interessen wache. Das Gesetz enthalte bestimmte Vor⸗ schriften darüber, in welchem Procentsatz Grund- und Gewerbestener in ihrem gegenseitigen Verhältniß zu einander herangezogen werden sollen; aber diese ganze Klausel werde gegenstandslos, wenn die jetzt bestehende Grund⸗ und Gebäudesteuer in ihrer gegenwärtigen Form aufgehoben werde. Da sei von Zuschlagsprocenten gar keine Rede mehr; es seien selbständige Steuern, und in welchem Verhältniß diese Steuern herangezogen werden sollten, darüber enthalte das Gesetz keine Vorschrift. ge , werde sich gegen Gewerbebetrieb, und Gewerbebetrieb gegen Grundbesitz wehren, und die Majoritãt werde die Minorität unterdrücken. Hierin liege eine Schwäche des Gesetzes, die nicht stark genug betont werden könne. Er werde sich in der Commission nicht lediglich auf einen ablehnenden Standpunkt stellen, sondern versuchen, Abhilfe zu schaffen. Allerdings habe er wenig Hoffnung auf Erfolg derartiger Bestrebungen, und deswegen verharre er bei seiner entschiedenen Opposition gegen das Gesetz.

Finanz Minister Dr. Miquel:

Meine Herren! Dem hohen Hause stehen die Vorgänge von gestern noch in voller Erinnerung. Der Abg. Dr. Meyer beklagt sich darüber, daß ich ihm einen erbitterten Widerstand entgegengesetzt habe. Das ist durchaus irrig. Ich habe ihn auch nicht angegriffen; ich habe nur durch milde Vertheidigungsmittel ganz unbegründete und unbe⸗ wiesene persönliche Angriffe gegen mich abgewehrt. (Sehr richtig!) Ich berufe mich in dieser Beziehung auf die Gesammtstimmung des Hauses, ob es nicht geradezu beleidigend ist, wenn jemand sich unterfängt, der Staatsregierung oder einem Minister bei einem so großen Reformwerk vorzuwerfen, daß er das lediglich aus Gefällig⸗ keit gegen bestimmte Klassen oder Personen thue. (Sehr richtig) Meine Herren, im übrigen aber erinnere ich weiter daran, daß der Herr Abg. Dr. Meyer gestern ausdrücklich ausgesprochen hat: an die Stelle dieser bloß ornamentalen, blumenhaften Verzierung eines Gesetzes solle man doch die Grundlagen des englischen Com⸗ munalsteuerwesens nehmen. ((Sehr richtig) Ich stelle fest, daß dies mit dürren Worten gesagt ist und natürlich in dem Sinne der ganzen Ausführungen seiner Rede: daß man nämlich be— stimmte feste gesetzliche Normen geben müsse und der Individualisi⸗ rung nichts überlassen dürfe.

Nun sagte schon vor 24 Jahren ein englischer Minister:

Wir haben ein Chaos von Communalsteuern, ein Chaos von Communalsteuerbehörden und ein noch ärgeres Chaos von Com⸗ munalsteuerverbãnden.

Warum wir nun in Deutschland dieses Chaos uns zum Muster nehmen sollen, das ist mir völlig unverständlich.

Herr Abg. Dr. Meyer behauptet, diese Bekämpfung des englischen Grundsteuersystems ginge lediglich von den Soeialdemokraten aus. Ich habe hier vor mir ich habe alles Material, was mir im Laufe der Zeit durch die Hände gelaufen ist, natürlich nicht im Kopfe den Ausspruch eines der besten Kenner des englischen Communalsteuerwesens in einem von der doch gewiß nicht social⸗ demokratischen Londoner statistischen Gesellschaft preisgekrönten Essay, da drückt sich Mister John Scott so aus:

Wenn die Einführung des bestehenden Systems im Hause der Gemeinen discutirt würde. so würde kein Mitglied den Muth haben, ein solches Spstem vorzuschlagen, selbst wenn es erfindungs⸗ reich genug wäre, um selbst eine complicirte Verschiedenheit von plumpen Einfällen zu schaffen. Lediglich die Thatsache seiner Existenz; und daß es regelmäßig arbeiten mag, macht die Ein⸗ führung eines ganz neuen Systems nicht rathsam und unzweckmäßig.

Meine Herren, wenn nun eine solche Autorität sagt, es würde kein Mitglied des Unterhauses wagen, dieses System in England neu einzuführen, höchstens könne sein Bestand gerechtfertigt werden, weil es einmal existire, so ist es eine starke Zumuthung für die preußische Gesetzgebung, daß wir dieses in England so beurtheilte System bei uns nun neu einführen sollen. (Sehr gut! rechts.)

Aber auch deutsche Schriftsteller drücken sich über dies System gerade so aus. Ich eitire in dieser Richtung beispielsweise das ver⸗ ehrte Mitglied des Hauses, Herrn Professor Dr. Robert Friedberg. Er sagt auf Seite 22 seiner Schrift über die Besteuerung der Ge⸗ meinden:

Aber selbst für den einen Gedanken, daß die wirthschaftliche Verwaltung der Gemeinde dem Grundbesitz besonders zu gute komme und daß desbalb ihre Kosten auch von letzteren getragen werden müssen, ist die englische Communalsteuer kein consequenter Ausdruck. Denn sie besteuert nicht den Grundbesitzer, sondern nur den nutzenden Inhaber, also Personen, denen jene Werthsteigerung des Grund und Bodens nicht nur nicht zufällt, sondern die sie sogar den Grund⸗ besitzern in Form der erhöhten Miethe und Pacht auf ihre Kosten verschaffen müssen.

Meine Herren, ich citire ferner von deutschen Schriftstellern die „Finanzwirthschaft? von Gustav Schärberg. Da heißt es auf Seite 703:

Im wesentlichen beruht die Communalbesteuerung Englands in einer Einheitssteuer. So mannigfache Vortheile dieser Zustand in formeller und administrativer Richtung darbietet, so schweren Be⸗ denken unterliegt er in materieller Hinsicht schon dadurch, daß inner⸗ halb dieses Systems die Wechselbeziehung zwischen der Natur des Bedarfs und der Bestenerungsart nur sehr geringen Spielraum hat. Aber auch im übrigen hat sich durch jenen Besteuerungs⸗ modus, der ursprünglich als eine Belastung fast ausschließlich der Eigenthümer landwirthschaftlich genutzter Grundstücke gedacht war, verschoben: die Freilassung der bei den communalen Aufgaben ebenfalls in hohem Grade betheiligten beweglichen Vermögens und die grund stzliche Heranziehung des Nutzers des Grundstücks entsprechen nicht mehr dem gegenwärtigen Stadium der Entwickelung, in welchem die Bedeutung des beweglichen Vermögens vielfach die des Grund⸗ eigenthums überholt hat und in der großen Mehrjahl der Fälle Grundeigenthümer und Nutzer nicht mehr zusammenfallen.

Das ist eine ganz zutreffende Kritik. Nun aber für uns! Wir haben in einem Stadium der Vorberathungen, wo wir alle Eventua⸗ litäten in Frage zogen, in Beziehung auf die Erfassung des fundirten Einkommens des Grundbesitzes die Frage längere Zeit erwogen, ob es möglich wäre, diese Besteuerung des fundirten Einkommens aus Grundbesitz durch die Besteuerung der Pächte und Miethsbeträge herzustellen. Und da stellte sich denn sehr bald heraus, daß wir in sehr großen Landestheilen, ja in ganzen Provinzen derartige Pacht⸗ preise überhaupt gar nicht oder nicht sicher ermitteln können, aus dem

einfachen Grunde, weil nur sehr selten Grundstücke oder Grund⸗ stücke bestimmter Art in Form der Pacht überhaupt genutzt werden. Ich glaube, diejenigen, die diese Landestheile kennen und in denselben wohnen, werden mir Recht geben, daß das nicht der Fall ist. In England, wo wir eine ganz kleine Anzahl von Grundeigenthũmern haben, wo die Ver⸗ pachtung eines Grundbesitzes eine weit regelmäßigere und verbreitetere ist, mag zur Noth ein solches System noch gehen. Bei uns würde es ganz unmöglich sein. .

Meine Herren, ich möchte in Ergänzung desjenigen, was ich gestern gegen Herrn Dr. Meyer gesagt habe, noch einiges hinzufügen. Ich habe ausgeführt, daß wir es für unmöglich erachtet haben, das Besteuerungssystem durch besondere Steuerarten, insofern als die Zuschläge in den Gemeinden nicht beliebt werden, durch eine bestimmte gesetzliche Vorschrift zu regeln. Herr Dr. Meyer sagt, man hätte wenigstens doch bestimmte Arten von Besteuerungen gesetzlich regeln können und sie gewissermaßen den Gemeinden zur Auswahl präsentiren. Wir würden dann aber doch die Gemeinden an eine dieser Steuerarten binden müssen. Wenn wir das nicht gethan hätten, dann hätten wir ja das Spstem der Vorlage. Das wäre aber auch nicht möglich gewesen, weil verhältnißmäßig die Zustände in den Gemeinden in unseren Provinzen so verschieden sind, daß man selbst dies nicht machen kann; daß aber die sogenannten Steunerparlamente, von denen er gesprochen hat, die Differenzen in dem Maße über die Art der Veranlagung dieser neuen besonderen Steuerform ebensowohl an diese zur Auswahl gestellte gesetzliche Form hätten an—⸗ knüpfen können, als wenn die Gemeinde selbst aus eigenem Ver—⸗ ständniß sich über eine besondere Steuerveranlagung einigt das bedarf keiner weiteren Ausführung. Ich weiß wohl, daß hier ein Mangel steckt, insofern bin ich mit Herrn Dr. Meyer einig: es wäre mir auch erwünschter gewesen, wenn man in dieser Beziehung einen Schritt schon in diesem Gesetz hätte weiter gehen können. Ich für meinen Theil bin aber durch das genaue Studium der Sache zu der Ueber⸗ zeugung gekommen, daß wir damit das größte Unheil anrichten und gegenüber den Traditionen in Beziehung auf die deutsche Selbstverwaltung, auf die freie Bewegung der Gemeinden, auf die freie Bewegung namentlich in Beziehung auf die Gestaltung ihrer Ausgaben die größte Unzufriedenheit in das ganze Land geworfen haben würden; es würden spanische Stiefel ge⸗ worden sein, in die die freie Bewegung unserer Gemeinden eingezwängt worden wäre. Wir haben uns daher im Finanz⸗Ministerium entschlossen, einen anderen Weg einzuschlagen, der sich schon mehrfach bewährt hat, nämlich den Gemeinden und den Gemeindebedürfnissen dadurch zu Hilfe zu kommen, daß wir für die einzelnen Besteuerungsarten verschiedene Regulative aufstellen, die wir den Gemeinden als Musterregulative hingeben, die sie annehmen können oder nicht, an die sie Modificationen anbringen können oder nicht. Dadurch werden wir nach meiner Meinung allmählich vielleicht so auf die Möglichkeit kommen, auch das Gesetz mehr in Thätigkeit zu setzen und demnächst festere gesetzliche Normen herbeizuführen. Dieser erste große Schritt, der den Gemeinden ausgiebige Steuerquellen giebt, welcher zugleich ein festes Spstem, feste Gesichtspunkte, nach denen die Gemeindebesteuerung sich richten soll, soweit gesetzlich feststellt, daß man das Vertrauen haben kann: diese Gesichtspunkte werden im großen und ganzen thatsächlich zur Anwendung kommen, ist schon ein gewaltiger Schritt. Wenn wir diesen Schritt erst mal mit vollem Erfolg gethan haben, dann werden wir auf der so gewonnenen Basis weiter arbeiten können.

Meine Herren, ich glaube also gezeigt zu haben, daß meine Be⸗ hauptungen und meine Ansicht über das englische Communalsteuerspstem durchaus nicht bloß von den extremen Parteien, sondern von ganz ge⸗ mäßigten wissenschaftlich gebildeten Männern in England getheilt wird, daß man sich hüten würde, solches System heute einzuführen, daß man es duldet, nur, weil es besteht. Ich glaube dargethan zu haben, daß, wenn dieses System selbst in England zweckmäßig sein möchte, es für uns jedenfalls in keiner Weise passen würde, und ich werde mich freuen, in formulirten Amendements in der Commission zu hören, wie Herr Dr. Meyer sich nun die thatsächliche Gestaltung dieser theoretischen Auffassung vorstellt.

Herr Dr. Meyer hat dann gesagt: es ist ein Ornament, wie der Herr Finanz⸗Minister auch schon früher als Abgeordneter viele gemacht hat. Er ist da wieder auf die Branntweinsteuer gekommen. Gewiß habe ich gewünscht, daß obligatorisch die Reinigung des Branntweins vorgeschrieben würde. Ich habe das lediglich aus sanitãren Gründen gewünscht und ich habe es sehr bedauert, daß es beim Ablauf der Frist nach den Erklärungen der Männer der Wissenschaft nicht zu erreichen war. Damit gebe ich aber diesen Gesichtspunkt noch gar nicht auf, die Arbeiten in unserem Kaiserlichen Gesundheitsamt, diechemi⸗ schen Untersuchungen dauern fort, und ich boffe immer noch: wir werden schließlich das erreichen, was ich damals vorschlug. Meine Herren, sowohl in der freisinnigen Presse mich versönlich berührt das nicht weiter, denn bei jedem Fortschritt, an dem theiljunehmen ich so glücklich war, seit der Einführung der norddeutschen Bundesverfassung, seit der Durchführung der Reichs⸗-Justizeinheit, seit der Durchführung der militärischen Einheit des Reichs, seit der Einführung der Reichs⸗ verfassung selbst, bin ich allerdings immer vorzugsweise derjenige ge⸗ wesen, der in der freisinnigen Partei am allerheftigsten angegriffen wurde, während hinterher dieselben Herren sich wohl hüten würden, diese riesenhaften Fortschritte, die ich damals unterstũtzte, wieder zu beseitigen und zu bekämpfen; (Zuruf) ich kann mich also darüber wohl beruhigen.

Aber ich möchte doch noch einmal auf die Beispiele zurückkommen, die Herr Dr. Meyer angeführt hat, gewissermaßen in persönlicher Be⸗ merkung. Er hat so gethan, als wenn ich für das Branntweinsteuer⸗ gesetz eingetreten wäre lediglich er hat von Gefälligkeiten ge⸗ sprochen; das sollte wohl das bekannte Geschenk an die Brenner sein unter dem Vorwand, unter dem DOr⸗ nament, daß dann das Volk wenigstens ein gutes Ge⸗ tränk bekomme. Meine Herren, ich babe schon bei anderer Gelegenheit hier ausgeführt, welches die Gründe waren, die damals die Mehrheit des Reichstags, meine politischen Freunde einstimmig und mich selbst bewogen, das Branntweinsteuergesetz so anzunehmen, wie es sich in den Berathungen berausstellte. Wir wollten ver⸗ hindern, daß die Consequenzen der englischen absoluten gleichen Besteuerung dahin führten, daß schließlich nur einige wenige riesen⸗ hafte Brennereien übrig blieben und daß die kleinen und mittleren

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landwirthschaftlichen Brennereien zu Grunde gerichtet würden. Wir erblickten in der Thatsache ihrer Existenz ein fast unentbehrliches Culturmittel in großen ãrmeren Landestheilen. (Sehr wahr! rechts)

Wir wollten ferner die Einheitlichkeit der Besteuerung im Reich durchführen, und wir wußten ganz genau, daß, wenn wir den süd⸗ deutschen Brennereien in keiner Weise Schuz gewährten, die Zustimmung weder der süddeutschen Regierungen noch der sũddeutschen Abgeordneten zu erreichen gewesen wäre. Endlich standen wir gegenüber der Nothwendigkeit der Vermehrung der Reichs⸗ einnahmen infolge der steigenden Ausgaben für die Landesvertheidigung, gegenüber der absoluten Nothwendigkeit, neue erhebliche Mittel der Reichskasse zuzuführen. Das sind keine Gründe, welche mit der Be⸗ zeichnung Gefälligkeiten belegt werden können, wenigstens nicht hier im Landtag; in der Presse ist alles möglich. (Heiterkeit. Sehr gut! rechts.)

Meine Herren, der Herr Abgeordnete hat dann die Garantien, welche damals von mir auch und andern gefordert wurden gegen die finanziellen Gefahren, die aus der Verstaatlichung der Eisenbahnen entstehen könnten, erwähnt. Nun, ich bin noch heute der Meinung, daß, wenn die Garantien, die wir damals forderten, namentlich, daß jährlich 1 0 von der Brutto⸗ Einnahme abzgeschrieben oder zur Bildung von Resewe⸗ und Erneuerungsfonds ver⸗ wendet werden sollte, wirklich durchgeführt worden wären, dann würden wir heute mit unseren Eisenbahnen ganz anders stehen. Dagegen denke ich gar nicht daran, die Verstaatlichung der Eisen⸗ bahnen zu bereuen; ich halte sie noch heute für eine ganz richtige, ja selbst nothwendige Maßregel. (Sehr gut)!)

Der Herr Abgeordnete hat nun endlich gesagt, ich bätte behauptet, daß die Berliner Miethssteuer ein wurm⸗ stichiges Wesen sei, und daß sie also beseitigt werden müsse. Daron habe ich garnichts behauptet, nicht das Geringste. Ich habe nur gesagt, durch die Ueberweisung so bedeu⸗ tender Realsteuern wird die Berliner Verwaltung, was in ihrem freien Willen steht, in die Lage kommen, die Frage, ob diese Steuer reformbedürftig ist, unbefangener und unbehinderter zu prüfen und eine Reform leichter durchzuführen, und dabei bleibe ich lediglich stehen, und es hat auch der Abg. Dr. Meyer anscheinend gar nicht bestritten, daß allerdings diese Steuer reformbedürftig sein könnte. Die Regierungsvorlage läßt ja diese Steuer bestehen, sie hat sich gar nicht bemüht, Vorschläge zu machen, nach welchen diese ganze Miethssteuer zu beseitigen wäre, sie erkennt sie ausdrücklich an. Ob es aber wünschenswerth wäre, diese in Berlin bestehende Steuer nun geradezu zu einer allgemeinen Einrichtung in allen Städtẽn im Lande zu machen, diese Frage würde ich persönlich verneinen; dagegen das englische Besteuerungsspstem ist im wesent⸗ lichen eine solche Miethssteuer, und sie zu generalisiren, wird das Haus wahrscheinlich wenig geneigt sein.

Ich habe gesagt, ich bleibe dabei stehen, daß wir in Bezug auf die Selbstverwaltung der Gemeinden nach allen Richtungen durch diese Reform einen ganz eminenten Fortschritt machen, und ich möchte das Haus bitten, nicht bei dieser Gelegenheit wiederum, wie das so viel vorgekommen ist, das angeblich Bessere einen Feind des unzweifel⸗ haft Guten sein zu lassen (Bravo!)

Abg. Herrfurth: Der Abg. Meyer habe in seiner Gegner⸗ schaft gegen das vorliegende Gesetz Bundesgenossen überhaupt nicht gefunden. Er habe die Schwächen des Gesetzes sehr erheblich über⸗ chätzt, dessen Vorzüge aber nicht nur unterschätzt, sondern vielfach übersehen. Ja, er (Redner) möchte einige derjenigen Theile, die er als Mängel bezeichne, gerade als besondere Vorzüge hervorheben. Da⸗ hin gehörten insbesondere die Bestimmungen der Ss§5 20 und 24 bezüglich der Anwendung hoher Gemeindeabgaben von Grundstücken u. s. w. Allerdings enthielten diese Paragraphen keine dispositiven Vorschriften, aber solche Verschriften auf alle Gemeinden gleich⸗ mäßig anzuwenden, dürfte bei der Verschiedenartigkeit der Ver⸗ hältnisse auch nicht wohl angängig sein. Dagegen meine er, daß selbst für die jetzige Gestaltung der communalen Abgaben, denen der Abg. Meyer einen besonderen Vorzug geben wolle, sich ein Weg finden werde, und nur wenn man der freien Bewegung der Gemeinden vollen Spielraum lasse, werde das von ihm ins Auge ge⸗ faßte Ziel erreicht werden können. Er (Redner) stehe auf dem Standpunkt der freiconservativen Partei, wie ihn hier der Abg. von Tzschoppe näher dargelegt habe. Er habe gegen Einzelheiten des Gesetzes schwere Bedenken und halte eine Reihe von Aenderungen, Streichungen und Ergänzungen für nothwendig; er glaube aber, daß mutatis mutandis das Gesetz eine durchaus geeignete Grund⸗ lage biete für eine einheitliche, zweckmäßige und gleichmäßige Rege⸗ lung der Communalabgaben, und dies alles sei ein so hoher Gewinn, daß er darin für die Nachtheile, welche mit der Reform verbunden, ein gewisses Aequivalent sehe. Seines Erachtens sei das Com- munassteuergesetz weitaus der beste und annehmbarste Theil des ge⸗ sammten Reformplanes. Z Dieser Entwurf habe nach keiner Richtung irgendwie einen agrarischen Charakter, er sei im Gegentheil gerade geeignet, für die Gemeinden in Stadt und Land den agrarischen Charakter, welchen die Reform nach gewissen Richtungen annehme, zu vermindern und abzuschwächen. Wenn der Finanz-Minister in seiner Nachtragsrede vom 22. x. M. den Nachweis führe, daß in der Gesammthattung die ganze Steuerreform einen plutokratischen Charakter nicht habe, fo habe der Minister gegen eine Aeußerung polemisirt, welche er (Redner) nicht gethan habe: er habe nicht die Steuerreform in ihrer Gesammt⸗ wirkung als eine plutokratische bezeichnet; er habe auch nicht gesagt, daß die Interessen der Minderwohlhabenden gegenüber den Interessen der Besitzenden schlechthin hintenangestellt würden. Er habe vielmehr gesagt, daß nach einer gewissen Richtung hin, namentlich hinsichtlich der Bevorzugung des J,, , in den Ostprovinzen, diese Re⸗ form einen, agrarischen Charakter trage: eine Behauptung, welche der Finanz. Minister bisher nicht widerlegt und für welche der Abg. Sombart sich selbst als ein Beispiet aufgeführt habe. Er (Redner) habe sodann gesagt, daß in der Rück- wirkung auf das Wahlrecht eine vlutokratische Einwirkung dieser Reform zu befürchten sei; die Richtigkeit dieser Behauptung habe der Herr Finanz. Minister anerkannt. Wenn der Finanz⸗Minister ge= sagt habe: die Einen bezeichneten den Gang der Reform in ihrer Gesammtwirkung als einen agrarischen, die Anderen als einen urba⸗ nischen, die Einen als einen plutokratischen, die Anderen als das Gegentheil, er könne dazu nur lächeln, so habe der Minister ja darin recht, wenn man nur die Gesammtwirkung ins Auge a und diese mit einem Wort charakterisire. Er glaube aber, diese Wider⸗ Prüche lösten sich, wenn man die einzelnen Wirkungen ins Auge fasse. Man könne sehr wobl sagen: in ibrer Wirkung auf den größeren Grundbesitz der Ostprovinzen wirkten sie agrarisch, in der Bevorzugung der großen Städte mit höoͤherer Gebãude⸗ und. Gewerbesteuer urbanisch, in der Rückwirkung auf das Wahlrecht plutokratisch und er (Redner) meine, die Bevor⸗ zugten hätten zu einem Lächeln der Befriedigung vielleicht mehr Ver⸗ anlassung als der Herr Finanz⸗Minister. Er (Redner) halte den vorliegenden Communalsteuer Gesetzentwurf für eine geeignete Grund⸗ lage zu einer einheitlichen und gleichmäßigen Regelung des ge⸗ sammten communalen n, ,. jedoch nur dann, wenn in dem s S die obligatorische Contingentirung der Kreissteuern mit Auf. nahme finde, weil nur darin eine Si

alle Vorschriften dieses Gesetzes auch auf alle

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communalen Zwecken Anwendung fänden. Die Vorlage bekunde ferner einen Fortschritt, insbesondere soweit es sich darum handele, den Gemeinden freie Bewegung zu gestatten zur Ausgestaltung ihrer Steuern. Allerdings sei das staatliche Aufsichtsrecht über die Communalbesteuerung unentbehrlich und könne in den bisherigen Grenzen unmöglich beschrãnkt werden. Aber der vorlie ende Hesetzentwurf enthalte allerdings einen Eingriff in die berechtigte Autonomie der Gemeinden. Jian §z 49 müßten die Gemeinden in drei Monaten einen Beschluß gefaßt haben über die Aufbringung ihrer Steuern, und wenn dieser Beschluß nicht gefaßt oder demselben die Genehmigung versagt werde, habe eine zan, Regelung ein⸗ zutreten. Diese Bestimmung sei durchaus zweckmäßig, aber auch ausreichend. Die Octroyirung von Steuern seitens der Aufsichts⸗ behörden halte er nicht für nothwendig. Der Finanz⸗Minister habe das von ihm fingirte Beispiel, womit er die Tragweite dieser Be⸗ stimmungen in seiner ersten Rede illustrirt habe, nämlich die Oetroyirung einer Biersteuer in Spandau als ungeschickt bezeichnet. In 5 62 würden aber indirecte Abgaben aufgeführt. deren Einführung der Aufsichtsbehörde anheimgegeben werde. Nach den Motiven liege es nicht in der Absicht des Gesetzes, in allen Gemeinden indirecte Steuern einzuführen, aber wiederum nach 5 62 habe sich die Aufsichtsbehörde nicht bloß zu halten an die Vorschriften des Gesetzes, sondern auch an die Leistungsgrundsätze, und dazu gehöre, daß be⸗ hufs Erleichterung der directen Steuerlast indirecte Steuern eingeführt würden. Wenn er sich in diesem Punkte geirrt haben sollte, so wäre das in hohem Grade erfreulich; die Schuld liege aber nicht an ihm, son dern daran, daß der Text der Motive nicht ganz . abgefaßt sei. Der Zusammenhang des Gesetzes mit dem Wahlrecht sei auch nach dem Finanz ⸗Minister ganz klar, der Minister meine nur, es sei nicht nöthig, diesen Zusammenhang so schroff hervorzuheben. Es liege, nach des Redners Ansicht, ein großer Unterschied darin, welche Selß⸗ rungen man aus der Thatsache dieses Zusammenhangs ziehe; ihm genuge nicht die Anerkennung des materiellen Zusammenhangs, sondern er verlange einen formellen Zusammenhang. Er erachte es als erforderlich, daß das Wahlgesetz einen integrirenden Bestandtheil der K ausmaͤche, daß es nicht in Kraft treten könne ohne diese. Die Aufgabe, die diesem Wahlgesetz gestellt werde, sei gerade durch die Art und Weise der Reform eine überaus schwierige. Man werde auf zwiefachem Wege Ab⸗ bilfe suchen müssen: einmal dadurch, daß man als Ersatz für den Wegfall der Grund⸗ und Gebäudesteuer bei der Bildung der Urwähler⸗ abtheilungen für den Landtag sowobl wie für die Communalrertretun⸗ gen in derselben Weise, wie dies schon jetzt bei den Wählerabtheilungen zu den Communalwahlen in den östlichen Provinzen geschehe, die Communalsteuern und Kreissteuern mit in Ansatz bringe; sodann, weil dadurch allerdings eine plutokratische Verschiebung eintreten würde, durch Festsetzung von Mindestzahlen für die Zugehörigkeit zur ersten und zweiten Klasss. Das Problem sei ein schwieriges, aber es könne geloͤst werden. Ohne Wahlgesetz keine Steuerreform!

Finanz⸗Minister Dr. Miquel:

Meine Herren! Gestatten Sie mir nur noch zwei Worte der Erwiderung.

In dem Communalsteuergesetz ist nirgends der Grundsatz aus⸗ gesprochen, daß jede Gemeinde neben directen Steuern auch indirecte haben muß; folglich kann auch keine Staatsregierung sagen: das be⸗ stehende Steuersystem der Gemeinden oder eine beschlossene Steuer⸗ ordnung, welche keine indirecten Steuern hat, verletzt die Grundsätze dieses Gesetzes, und wenn nur bei bestimmtem Widerspruch gegen gesetzliche Vorschriften oder gegen in diesem Gesetze enthaltene Besteuerungsgrund⸗ sätze das Einschreiten der Aufsichtsbehörde möglich ist, so ist die Gefahr, die der Herr Abg. Herrfurth befürchtete, daß man zwangsweise indirecte Steuern einführen könnte, nach meiner Meinung hier in keiner Weise vorhanden. Sollte dieses aber nicht klar ausgedrückt sein, nun, dann sind wir doch bloß rerschiedener Meinung über die Fassung, dann wird es ja sehr leicht sein, daß bei Uebereinstimmung zwischen der Staatsregierung und dem Landtage diese Fassung verändert wird. Ich glaube daher, ich war deshalb mit meiner Bemerkung gegen das von dem Herrn Abg. Herrfurth angeführte Beispiel nicht im Unrecht.

Meine Herren, nun ist der Herr Abg. Herrfurth wieder darauf zurückgekommen, daß zwar der ganze Reformplan nicht mit dem Aus⸗ druck agrarisch! oder plutokratisch ! bezeichnet werden kann; ich glaube aber doch, daß in der ersten Rede ich habe das Stenogramm nicht vor mir Herr Herrfurth diese Bezeichnung dem ganzen Reform⸗ plan beigelegt hat. Er sagt jetzt: das ist nur nach der einen oder der anderen Richtung der Fall: plutokratisch für große Städte, agrarisch für den Großgrundbesitz. Meine Herren, ich möchte wohl wissen, wie eine Umformung des gesammten Staats, und Communal⸗ steuerwesens möglich ist, ohne daß man nachweisen kann, daß an der einen oder der anderen Stelle irgend eine Besitzform oder irgend eine Person größeren Vortheil hat, als die andere, dieses Kunststück ist überhaupt nicht zu lösen. Wenn ich aber zu grunde lege und ich bitte, in dieser Beziehung mir einen Augenblick zu folgen die Vorschläge, die der Herr Abg. Herrfurth gemacht, we⸗ nigstens angedeutet hat, dann glaube ich, man könnte mit viel mehr Recht sagen: in denselben liegt eine ungerechtfertigte Begünstigung des Großgrundbesitzes. Denn was würde herauskommen? Die vierzig Millionen sollen an die Gemeinden vertheilt werden; daran participiren doch die Gutsbezirke auch, und man könnte diese Form der Zuwendung viel eher ein Geschenk nennen. Zweitens bleibt die lex Huene bestehen; sie wird umgelegt zu z nach der Gebäudesteuer. Aber die Verwendungen aus der lex Huene, namentlich in den östlichen Pro⸗ vinzen, wo der Großgrundbesitz stark ist, kommen dech wesentlich auch dem Großgrundbesitz zu gute, während er nach unserem System in Zukunft an den Steuern des Kreises sich betheiligen muß.

Endlich läßt das System der Vorlage auch den Großzrundbesitz, der doch verhältnißmäßig nach der Meinung des Herrn Abg. Herrfurth sich in der besten Lage befindet, auch verhältnißmäßig weniger ver⸗ schuldet sein soll, heranziehen zur Vermögenssteuer. Dagegen läßt das System Herrfurth denselben von der Vermögenssteuer frei.

Weiter! wer wird denn bei diesem Spstem wesentlich bevorzugt? Das ist der Großgrundbesitz, während alle anderen Klassen, die unter derselben Ungerechtigkeit, nach unserer Auffassung der. Realsteuern leiden, belastet bleiben wie bisher. Und nun können Sie bei diesem System die Ausgleichung, die der Herr Abg. Herrfurth selbst aner⸗ kannt hat, die in einer anderweitigen Organisation des Gemeinde⸗ steuerwesens liegt, garnicht genügend erreichen.

Ich glaube daher, wenn man mal nach solchen Schlagworten oder allgemeinen Bezeichnungen, um es milde auszudrücken, sucht, so würde man mit viel mehr Erfolg gegen die Vorschläge des Abg. Herrfurth die Bezeichnung agrarisch anwenden können als gegen das System der Vorlage, wo jedenfalls die Begünstigung des einen oder anderen nur die unvermeidliche Folge großer, durchgreifender Gesichtspunkte ist.

Ich kann also auch heute diese Bezeichnungen in keiner Weise anerkennen, wie denn auch die große Zustimmung im ganzen Hause, selbst bei solchen Abgeordneten, die gewiß nicht in dem Verdachte stehen, bleß aus Gefälligkeit gegen den Großgrundbesitz zu handeln,

* auch dessen Befreiung von der Realsteuer als nothwendige und gerechte Consequenz anerkannt hat.

Abg. Eberty (f.): Auf die englischen Communalsteuewerhält⸗ nisse wolle er nicht eingehen; diese hätten sich in Jahrhunderten ent- wickelt, aber er glaube nicht, daß ein englischer Staatsmann sich dazu versteben würde, dieses Communalsteuerwesen auszutauschen gegen eine bureaukratische Codification des Communalfteuerwesens. n die Berliner Miethssteuer nicht schneller reformirt worden sei, so liege das daran, daß die Genehmigungen der Behörden nach lang⸗ wierigen Verhandlungen nicht ertheilt worden seien. Er habe den Ein⸗ druck, daß die Vorlage mehr den Charakter einer Instruction als eines Gesetzes habe, und wolle hoffen, daß die Commission dasselbe so gestalte, daß den Communalverwaltungen dadurch die Wege zur Arbeit im Interesse der Gesammtheit eröffnet würden, ohne daß sie an die Instruction von Aufsichts behörden gebunden sei⸗

Abg. von Czarlinski (Pole) bemängelt die Festimmungen des 22, wonach Waldungen in geringerem Grade als sonftige Liegenschaften, und Liegenschaften, welche an einer Baufluchtlinie belegen sind (Bauplätze), in höherem Grade als die übrigen Liegenschaften zur Grundsteuer herangezogen werden können. Im allgemeinen enthalte der Entwurf eine große Steuerautonomie, und die Gemeindevertreter hätten ein schönes Feld für ihre Thätigkeit. Möchte es ihnen nur gelingen, den Interessenstreit, den solche Steuerfragen meistentheils in Gemeinden hervorrufen, möglichst aus der Welt zu schaffen. Nöthig sei es, auf die verschiedenen ö der einzelnen Pro⸗ vinzen Rücksicht zu nehmen; eine Gleichmäßigkeit in allen Provinzen bei der Besteuerun wäre nichts weniger als gerecht. Sonst laufe man Gefahr, daß der Grundbesitz, nament⸗ lich der kleine Besitz in industriellen Bezirken, wiederum im Wege der Communalsteuern zu stark belastet werde. Der Ge⸗ setzentwurf befinde sich auf richtigem Wege, es komme aber auf die Ausführung an. Die Commission müsse Bestimmungen treffen, daß bei diesen schwerwiegenden Fragen überall Gerechtigkeit geübt werde. Werde das Gommunalsteuergesetz von der Annahme der Ver⸗ mögenssteuer abhängig gemacht, so wisse er allerdings nicht, ob es zu stande kommen werde. Das polnische Volk wolle am allerwenigsten neue Lasten, denn es sei schon viel schlechter gestellt, als die deutsche Bevölkerung; es zahle ebenso Staats- und Communalsteuern wie die deutsche Bevölkerung und habe noch besondere Abgaben für seine nationalen Eigenthümlichkeiten. Von der Vermögenssteuer mit all ihren fiscalischen Plackereien wolle seine Partei nichts wissen.

Darauf wird die Discussion geschlossen.

Nach einer längeren Geschäftsordnungs⸗-Debatte, in welcher die Abgg. Graf Limburg-Stirum (cons), von Heereman (Centr) und von Huene (Centr) für die Ueberweisung sämmtlicher Steuervorlagen an eine einzige Commission von 28 Mitgliedern sprechen, während die Abgg. von Tzschoppe sfreicons) und Vopelius lfreicons) den Antrag der frei— conservativen Partei, für das Communalsteuergesetz eine be⸗ sondere Commission von 21 Mitgliedern einzusetzen, befür⸗ worten, wird dieser Antrag abgelehnt und es werden sämmtliche Steuervorlagen einer Commission von 28 Mitgliedern überwiesen. .

Präsident von Köller: Für Plenarsitzungen liege augen⸗ blicklich kein anderes Material vor als ein Rechenschafts bericht ber die Consolidation preußischer Staatsanleihen und ein erst soeben eingegangener Gesetzentwurf über die Aufhebung der Stol⸗ gebühren in der evangelisch⸗reformirten Kirche in der Provin; Han⸗ nover. Es erscheine nicht angezeigt, vor Weihnachten noch Plenar⸗ sitzungen abzuhalten, sondern zweckmäßig, die Zeit ausschließlich zur Verfügung der Commission zu lassen. Er erbitte deshalb die Ermäch— tigung, die nächste Sitzung je nach Umständen anzuberaumen und auch die Tagesordnung festzusetzen, und ferner die Ermäch⸗ tigung für den Fall, daß aus der Steuercommission ein oder das andere Mitglied auszuscheiden wünsche, das Haus dazu nicht einberufen zu brauchen, sondern eigenmächtig die betreffende Abtheilung zur Ersatzwahl zu veranlassen. (Zustimmung.) Da sich dagegen kein Widerspruch erhebe, sei ihm die Ermächtigung dazu ertheilt. Er werde den Mitgliedern möglichst früh Mittheilung über den Tag der nächsten Sitzung machen.

Schluß gegen 34 Uhr.

Statiftik und Volkswirthschaft.

Von der Zeitschrift des Königlich preußischen Statistischen Bu reaus“

ist soeben das IV. Vierteljahrsheft des dreißigsten Jahrgangs 1890 und das III. und 1V. Vierteljahrsheft des einunddreißigsten Jahr- gangs 1891 erschienen. Das erstgenannte Heft (IV., i890) enthält eine Anzabl Nekrologe aus der Feder des Geheimen Ober⸗Regie⸗ rungs⸗Raths E. Blenck über Wladimir Besobrasow, Erwin Nasse, Joseph von Held, Karl August Fabricius, Isaak Schlockow, Sir Edwin Cöbadwick, Otto Lackner, Lorenz von Stein, Matthäus von Jodl⸗ bauer und Antoine Beaujon. Weiter wird darin das Inhalts⸗ verzeichniß der bis jetzt erschienenen dreißig Jahrgänge (1861 bis 1890) der Zeitschrift des Königlich preußischen Statistischen Bureaus“, von Dr. G. Lange bearbeitet, veröffentlicht

Das III. und IV. Vierteljahrsheft 1891 bringt eine Uebersicht der Hypothekenbewegung im preußischen Staat während der Rechnungs jahre 1886,87 bis 189091; das endgültige Ergebniß der Volkszählung vom 1. Dezember 1890 für den preußischen Staat, dessen Provinzen, Regierungsbezirke, Kreise und Städte; die Geburten, Eheschließungen und Sterbefälle in Preußen während des Jahres 1890; die Thätigkeit der deutschen Ge⸗ sellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger in den Jahren 1865 bis 1891, von E. Blenck (von diesem Auffatz ist auch ein Sonderabdruck erschienen); Preußens Ernte nach den Schätzungen der landwirthschaftlichen Vereine in den Monaten August und Sep⸗ tember 1591; statistische Untersuchungen über den Zu⸗ n . der Preise von Roggen, Roggenmehl im Groß⸗ und Kleinhandel und Roggenbrot in vier deutschen Städten während der Jahre 188111839, mit vier graphischen Darstellungen, von Aug. Schnider; eheliche Fruchtbarkeit bei den ver⸗ schiedenen Religionsgemeinschaften in Preußen 1875 bis 1890; zur Lohnstatistik der Berufsgenossenschaften, von G. Evert; die Stadt Königsbütte in Oberschlesien, ein statistischer Abriß und ein Beispiel, von Karl Braemer; Nekrologe über Thorold Rogers, Franz Lindig, Jean Baptiste Liagre, Don Carlos Ibanez, Ernst Tramnitz, Agostino Magliani, Giuseppe Sacchi, Martin Christian Dippe, Alerander von Wesselowski, Alexander Wilken, Robert Simson und Paul Hunfalvy, von E. Blenck. Zum Schluß sind die in der Statistischen Correspondenz im Jahre 1891 veröffentlichten Aufsãtze wiedergegeben.

Heft 1 und 2 der Zeitschrift des Königlich sächsischen Steh fifa Bureaus. enthalt außer n Kliche in Nr. 281 des R- u. St.- A. erwähnten Aufsätzen über die Bewegung der Bevölkerung? und über Beiträge zur Statiftik des r, , eine Statistik der a im Königreich Sachsen vom Regierungs⸗ Rath Morgenstern, einen Aufsatz von öhmert über den gegen⸗ wärtigen Stand und die neuen Aufgaben der Lobnstatistik, sowie einen Aufsatz über lohnstatistische Üntersuchangen in der Cigarren fabrikation . Die ift erscheint in der Buchhandlung von R. von Zahn und Jaensch in Dresden und kostet jährlich 3

Zur Arbeiterbewegung. . Aus Fürth schreibt man der Frkf. Ztg.. In der hiesigen Brauerei Evora u. Meyer wurden vor kurzer Zeit einige