1892 / 290 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 07 Dec 1892 18:00:01 GMT) scan diff

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Aichtamtliches.

Deutsches Reich.

Preußen. Berlin, 7. Dezember.

Beide Kaiserlichen und Königlichen Majestäten wohnten der gestrigen Jubiläumsvorstellung im Königlichen Opernhause bei. . .

geg Morgen empfingen Seine Majestät der Kaiser den Besuch Seiner Königlichen Hoheit des Prinzen Heinrich von Preußen und Seiner Hoheit des Herzogs Ferdinand zu Schles⸗ wig⸗Holstein⸗Sonderburg⸗Glücksburg und hörten von 9 bis 11 Uhr den Vortrag des Chefs des Civilcabinets. .

Um 11 Uhr reisten Ihre Majestäten der Kaiser und die Kaiserin nach Hannover ab.

Die vereinigten Ausschüsse des Bundesraths für Handel und Verkehr und für Justizwesen hielten heute eine Sitzung.

Der Minister des Innern hat dem Landrath des Friedeberger Kreises wegen der Unterzeichnung eines Wahl— aufrufs für den Rector Ahlwardt seine ernste Mißbilligung zu erkennen gegeben. .

Die Bevollmächtigten zum Bundesrath, der Königlich bayerische Kriegs⸗Minister, General der Infanterie und General⸗ Adjutant von Safferling, der Königlich württembergische Staats-Minister der Finanzen Dr. von Riecke und der Königlich württembergische Stagts-Minister des Kriegswesens, General: Lieutenant 5 Schott von Schottenstein sind hier angekommen.

Der hiesige Minister-Resident der Republik Uruguay hat seinen Wohnsitz von Hamburg bis auf weiteres nach Berlin, Zelten 5 II, verlegt und ersucht, alle Mittheilungen an seine hiesige Adresse gelangen zu lassen.

Baden.

Ihre Königlichen Hoheiten der Großherzog, die Groß— herzogin von Baden und die Kronprinzessin von Schweden und Norwegen haben vorgestern Abend Schloß Baden verlassen, um zu dauerndem Aufenthalt nach Karlsruhe zurückzukehren.

Mecklenburg⸗Strelitz.

Ihre Königliche Hoheit die Großherzogin hat sich vor— gestern nach Dessau begeben. Die Rückkehr nach Neustrelitz wird voraussichtlich am 10. d. M. erfolgen.

Waldeck und Pyrmont.

Der Landtag trat, nachdem er vom 18. bis 28. v. M. vertagt worden war, am 28. November wieder zusammen und hielt am 29. desselben Monats seine dritte öffentliche Sitzung ab. In dieser wurde ein Antrag des Abgeordneten Hertel⸗ Buhlen auf Abänderung des § 8 des Jagdpolizeigesetzes vom 29. April 1854, die Enclaven betreffend, dem Landes⸗ Director zur Berücksichtigung überwiesen und über mehrere Petitionen Beschluß gefaßt. Außerdem stand das Gesetz über die Feststellung des Etats der Fürstenthümer pro 1893/95, sowie der Staatshaushalts⸗Etat selbst auf der Tagesordnung. Der letztere war in mehreren vorausgegangenen Ausschußsitzungen durchberathen worden und wurde, nachdem über einige Aus— gabe⸗Positionen bei der Verwaltung des Innern auf Antrag der Regierung in geheimer Sitzung verhandelt worden war, unverändert und einstimmig genehmigt. Der Etat balaneirt in Einnahme und Ausgabe auf: 1893 1 312 272 S6, 1894 1262112 6, 1895 1261 952 SV Darin sind als Antheil des Fürstenthums an Zöllen, Taback- und Branntweinsteuer 374180 6 und als Antheil an dem Ertrage der Reichs⸗ stempelabgaben 32 700 6 pro Jahr sowie als Zuschuß Preußens 310 000 4M jährlich eingestellt. Der Matrikularbeitrag ist in Hönhe von 358 798 6 angenommen. Als einmalige außer— ordentliche Ausgabe ist ein Kostenbeitrag von 50 000 S6 zum Bau einer neuen Brücke über die Eder bei Mehlen eingestellt. Am 30. November fand die vierte und letzte öffentliche Sitzung statt, in welcher der Entwurf eines Gesetzes über Abänderung einiger Bestimmungen des Klassen⸗ steuergesetzes vom 7. Januar 1865 und der Entwurf eines neuen Gewerbesteuergesetz es zur Berathung standen, welch letzterer in zahlreichen Ausschußsitzungen vorbereitet worden war. Inhalts dieser Gesetze sollen die Gewerbe— treibenden von ihrem zur Zeit der Klassen- (Ein— kommen-) Steuer nicht unterworfenen gewerblichen Ein— kommen künftig zur Klassensteuer herangezogen werden, während die alte Gewerbesteuer ganz aufgehoben wird und die Gewerbetreibenden für ihr bei der Klassensteuer-Ver— anlagung festgestelltes Einkommen aus dem Gewerbebetriebe nur unter dem Namen Gewerbesteuer einen geringen pro⸗ centualen Zuschlag zur Klassensteuer zahlen sollen. Zugleich soll vom Betriebe der Gast- und Schankwirthschaft eine Betriebssteuer ungefähr in der Höhe der durch das neue Preußische Gewerbesteuergesetz eingeführten gleichen Steuer erhoben werden. Die Mehrerträge der Steuerreform sollen zufolge der in die Gesetze selbst aufgenommenen Bestim— mungen zur Aufhebung des Chausseegeldes sowie zur Ein— kommens⸗-Aufbesserung der Volksschullehrer und staatlichen Unterbeamten verwandt werden. Beide Steuergesetze wurden einstimmig angenommen. Nachdem noch über einige Petitionen Beschluß gefaßt worden, war die Tagesordnung erledigt. Der Landes⸗-Director von Saldern erklärte hierauf im Namen Seiner Majestät des Königs von Preußen den Land⸗ tag der r fen n? für geschlossen. Präsident Varn— hagen brachte alsdann auf Seine Majestät den König von Preußen und auf Seine Durchlaucht den Fürsten zu Waldeck und Pyrmont ein dreifaches Hoch aus, in welches die Versammlung einstimmte.

Oesterreich⸗Ungarn.

An dem gestrigen Diner bei dem Kaiser nahmen, wie „W. T. B.‘ berichtet, der Kronprinz von Dänemark mit seinem Adjutanten Capitän Bull, sowie der dänische Ge⸗ sandte und der Minister des Auswärtigen Graf Kälnoky theil.

Eine Cirkularverordnung des Kriegs⸗Ministers macht bekannt, daß der Kaiser die Erhöhung des Friedens⸗ standes von 25 Infanterie⸗Regimentern um neun Mann auf die Feld⸗Compagnie vom 1. Januar n. J. ab genehmigt hat.

In der gestrigen Sitzung des österreichischen Abgeord⸗ netenhauses richteten der Abg. Somaruga und Genossen eine Interpellation an den inister⸗Präsidenten Grafen Taaffe wegen der aufreizenden Aeußerungen des Abg. Schneider in der am 28. November abgehaltenen Versammlung des poli⸗ tischen Vereins in Sechshaus und fragten, was die Regierung für Vorkehrungen zu treffen gedenke, um den immer , auftretenden antisemitischen Aufhetzungen zu begegnen. Das Haus trat sodann in die Besprechung über die Beantwortung der Interpellation wegen der Auflösung des Reichenberger Stadtverordneten⸗-Collegiums ein. Der Abg. Ruß erklärte, die deutsch⸗liberale . werde, weil nach der Geschäftsordnung bei dieser Debatte keine Abstimmung zulässig sei, bei der Berathung des Budgets des Ministeriums des Innern eine Resolution beantragen, die bezwecke, die Lücken in der Antwort des Minister-Präsidenten auszufüllen. Der Abg. Zucker führte sodann aus, die Ereignisse der letzten

Zeit hätten dargethan, daß man nicht gut ohne die Deutschen,

aber auch nicht gegen die Czechen regieren könne. Der Redner befürwortete eine Annäherung der Czechen an die Deutschen und sprach die Hoffnung aus, daß die Gerechtigkeit des Monarchen den allezeit getreuen Reichenbergern ihr Recht werde zu theil werden lassen. Der Abg. Trojan meinte, die Czechen und Deutschen seien mehr als se von einer Verständi⸗ gung entfernt. Hierauf wurde die Verhandlung abgebrochen. Der Abg. Hoffmann-⸗Wellenhof brachte alsdann eine Interpellation wegen baldiger Vorlegung eines Gesetz— entwurfs über Cartelle und Ringe ein.

Frankreich.

Unter dem Vorsitz des Präsidenten Carnot fand gestern eine Sitzung des neuen Cabinets statt, in der zunächst die Decrete über die Ernennung der neuen Minister vom Präsi— denten Carnot unterzeichnet und sodann die ministerielle Er— klärung besprochen wurde, die morgen in der Kammer ab— gegeben werden soll. Wie dem „W. T. B.“ zufolge in unter— richteten Kreisen verlautet, werde die Erklärung über die Grund— sätze der Trennung der richterlichen und der gesetzgeberischen Gewalt sehr entschieden gehalten sein. Die werde die sofortige Besprechung der Interpellation, die unmittelbar nach der Verlesung der ministeriellen Erklärung in dieser Beziehung werde eingebracht werden, annehmen. Hin— sichtlich der äußeren Politik werde die Regierung versichern, daß mit allen Nationen gute Beziehungen beständen, und die friedlichen Gesinnungen des Cabinets in bestimmtester Form bekunden. Das Verbleiben des Ministers des Auswärtigen auf seinem Posten genüge, um darzuthun, daß in der Führung der auswärtigen Politik sich nichts geändert habe.

Wie den Blättern von gut unterrichteter Seite mitgetheilt wird, hätte Loubet den Wunsch ausgesprochen, nur das Portefeuille des Ministeriums des Innern zu uͤbernehmen. Infolge dessen sind, wie „W. T. B.“ heute meldet, die Angelegenheiten des Cultus dem Ministerium des Unterrichts zugetheilt worden.

Sämmtliche Morgenblätter besprechen heute das neue Ministerium. Die Organe der gemäßigten Republikaner fordern das Cabinet auf, Festigkeit und Energie zu zeigen. Die oppositio nellen Blätter sind durch die Lösung der Krisis nicht befriedigt, da die Zusammensetzung des Cabinets den Regeln des parlamentarischen Regimes widerspreche.

Die Panama-Untersuchungscommission vernahm gestern mehrere Personen, auf deren Namen die beschlag⸗ nahmten Checks lauten, darunter Banquiers, Ingenieure und Kassenboten. Die von ihnen gemachten Aussagen boten wenig Interesse; fast alle diese Checks hätten danach zur Remu— neration für industrielle Leistungen gedient. Veasto, Mit⸗ glied des Verwaltungsraths des Comptoir d' Escompte, sagte aus, Baron Reinach habe ihm einen Antheil am Garansie— Syndicat der Panama—⸗Gesellschaft eingeräumt. Er hätte 120 000 Fr. erhalten müssen; da er nur 90090 Fr. bekommen habe, sei Reinach für den Rest sein Schuldner geblieben. Die Commission vernimmt heute Cornelius Hertz.

Der Disciplinarrath der Advocaten hat zwei seiner Mitglieder, Rousse und Bétoland, entsandt, um zuerst Grévy und hierauf Renault zu vernehmen. Nach der Vernehmung werden diese einen Bericht an den Disciplinar— rath erstatten, der sodann beschließen wird, ob eine disciplinare Bestrafung einzutreten habe oder nicht.

Italien.

Der Ertrag der directen Steuern, der Steuern vom Geschäftsbetrieb, der Verbrauchssteuern und der Lotterie in der Zeit vom 17. bis 30. November d. J. über— stieg denjenigen in der gleichen Periode des Jahres 1891 um 11 800 000 Lire.

Spanien.

n Her ge rigen, Sitz ng des Senats verlangte der Senator Gonzalez, wie „W. T. B.“ berichtet, die Aufhebung er e nd auf Alkohol. Der Finanz⸗Minister erklärte in seiner Erwiderung die Aufhebung für unmöglich. In der Deputirtenkammer erklärte Silvelg, die Conservativen würden die Regierung nicht aus persönlichen Sympathien, sondern im Inieresse des Vaterlandes unterstützen. Der Minister⸗Präsident Cano vas erwiderte, er nehme keine Unter⸗ stützung an, welche ein Opfer bedeute, er werde morgen eine Erklärung abgeben und die Vertrauensfrage stellen.

Ein noch unbestätigtes Gerücht will wissen, daß das Cabinet seine Ent lassung geben werde. In den Blättern herrscht die Meinung vor, daß nach Lage der politischen Ver— hältnisse Sag asta mit der Bildung eines neuen Cabinets betraut werden müsse. Dem Vernehmen nach findet heute Vormittag ein Ministerrath unter Vorsitz der Königin— Regentin statt.

Belgien.

In der gestrigen Vormittagssitzung der internationalen Münzconferenz zog nach einem Bericht des ‚W. T. B.“ der Baron von Rothschild, nachdem Rivers Wilfon Bericht erstattet hatte, die von ihm eingebrachten Anträge zurück. In der Nachmittagssitzung hob Rivers Wilson in

seinem eigenen Namen und demjenigen des englischen Delegirten Freemantle die ernste Gefahr hervor, die in der Möglichkeit einer Einstellung der Silberkäufe in Amerika und in der Unter—⸗ drückung der Silberausprägung in Indien liegen würde. Mac Creary, einer der Vertreter der Vereinigten Staaten, erklärte, seit 1381 habe die Lage sich verschlimmert; Rothschild's Project sei unwirksam, der einzige Ausweg aus den Schwierig— keiten sei die Einführung des Bimetallismus. Der englische Delegirte Ho uldsw 3 legte den Entwurf zur Gründung einer internationalen bimetallistischen Union vor.

Die Hauptbestimmung des Entwurfs besagt, die Münzstätten sollten

Silber im Dépöt erhalten gegen Empfangsbescheinigungen, in denen der entsprechende Werth in Gold angegeben wird. Das Werthverhältniß zwischen Gold und Silber solle durch ein internationales Uebereinkommen festgestellt werden. Die Quittungen über die Dépots in Silber sollten als Courant⸗ i bei allen Handelsgeschäften in Umlauf gesetzt werden dürfen.

Griechenland.

Die Regierung hat einer Meldung des „W. T. B.“ zufolge gestern der Kammer einen Gesetzentwurf über die Abänderung des Zolltarifs und der Landungs— gebühren für ausländische Schiffe vorgelegt. In dem Entwurf wird u. a. eine Erhöhung des Kaffeezolls um 20 Centimes per Oka vorgeschlagen. Das Gesetz 9 sofort in Kraft treten.

Rumänien.

Die Deputirtenkammer beschloß gestern mit großer Mehrheit, den Antrag über die Dotation für den Prinzen Ferdinand in Erwägung zu ziehen, und nahm die zwei ersten Artikel des Antrags an. Die Beschlußfassung über das ganze Gesetz wurde wegen der vorgerückten Stunde auf heute

vertagt.

Bulgarien.

Die „Swoboda“ giebt in einem längeren Artikel ihrer im mn zu den beabsichtigten Aenderungen der Ver⸗ assung Ausdruck und führt aus, ein bezüglicher Besetzentwurf sei noch nicht ausgearbeitet und werde in einer zweiten ver— traulichen Zusammenkunft der Deputirten berathen werden. Die „Swoboda“ ist überzeugt, die bulgarische Intelligenz und die nationale Vertretung würden die Nothwendigkeit der Aenderung einsehen, weil sie zu Stambulow Vertrauen hätten. Die Abänderungen bedeuteten keinerlei . in die Rechte des Volkes. Die Bürgschaft hierfür werde dadurch erhöht, daß die Abänderungen von der liberalen Nationalpartei durch Ver⸗ mittelung ihres Führers Stambulow ausgingen, der für diese Rechte gekämpft habe, in denen die Kraft der Partei liege.

Amerika.

Die Botschaft des Präsidenten Harrison an den Congreß beginnt, wie „W. T. B.“ meldet, mit einem Hin⸗ weis auf die äußerst günstige Lage des Handels und der Industrie der Vereinigten Staaten, die niemals vor— her sich eines solchen Wohlstandes erfreut hätten. Das Resultat der Präsidentenwahl müsse vom Lande acceptirt werden; es müsse angenommen werden, daß der gegen— wärtige Schutzzolltarif abgeschafft und durch einen den

Zwecken der Staatsrevenuen dienenden Tarif ersetzt werden

solle. Der Präsident empfiehlt, die Frage der Tarifrevision ganz dem neuen Congreß zu überlassen; er bedauere nur, daß diese Arbeit hierdurch um drei Monate verzögert werde, denn die Aussicht auf große Aenderungen der Tarife führe noth⸗ wendig eine Unthätigkeit der Geschäfte und eine Beschränkung der Production herbei. Die Botschaft sagt sodann schwerc Zeiten für die Fabrikanten und für die Arbeiter als Er— gebniß der neuen Zollpolitik voraus. Infolge der wenig freundlichen Haltung der Regierung von Canada empfiehlt der Präsident dem Congreß, einen amerikanischen Kanal um den Niagarafall herum zu bauen und damit eine Verbindung für Schiffe zwischen den großen Seen und einem Unionshafen herzustellen. Die Vereinigten Staaten würden dadurch von dem Canadischen Kanalsystem unabhängig gemacht werden. Er sei vollständig einverstanden mit dem Vorschlage, einer den Niagara⸗Kanal bauenden Gesellschaft eine Unterstützung zu gewähren. Falls es der Münzconferenz nicht gelinge, ein praktisches Resultat zu erzielen, dürften die Handelsverhältnisse die noch abgeneigten Staaten zwingen, sich mit der Union zu ver— einigen, um eine Vermehrung des gemünzten Geldes zu sichern, welches zum Betrieb des Welthandels erforderlich sei. Die Vereinigten Staaten müßten dem Goldabfluß nach Europa durch eine e her, Gesetzgebung begegnen.

Der Präsident des Einwanderungs⸗Comités Chandler hat gestern die angekündigte Vorlage, nach der die Zu⸗ lassung von Einwanderern vom 3. Januar 1893 ab auf ein Jahr untersagt wird, eingebracht.

Afrika.

Der „Times“ wird aus Kairo gemeldet, die egyptische Regierung habe Nachricht erhalten, Osman Digma erwarte Verstärkungen aus dem Chalifat, und habe erklärt, er beabsichtige Tokar anzugreifen. Die Derwische bedrohten die italienischen Posten an der Grenze.

Parlamentarische Nachrichten.

Deutscher Reichstag. 10. Sitzung vom Mittwoch, 7. Dezember, 1 Uhr.

Der Sitzung wohnen die Staatssecretäre Dr. von Boetticher und Hanauer bei.

Eingegangen ist eine Nachweisung der Rechnungsergebnisse der Berufsgenossenschaften für 1892.

Auf der Tagesordnung steht die erste Berathung des von

den Abgg. Dr. Hirsch (oft.) Merbach (Rp.), Möller (nl), von der Schulenburg⸗Beetzendorf (deutschcons.), Frei⸗ herr von Wendt (Centr. und Genossen eingebrachten Ge— setzentwurfs, betreffend die Einführung des S J5a des Krankenversicherungsgesetzes, wonach die Mit⸗ glieder derjenigen freien Hilfskassen, welche bis zum 1. Januar 1893 noch nicht die Bescheinigung erhalten haben, daß sie dem neuen Krankenkassengesetz genügen, welche aber ihre Statuten änderung schon zur Genehmigung eingereicht haben, nicht zum Beitritt zu den Zwangskassen genöthigt werden. Abg. Möller (nl empfiehlt den Entwurf, der dadurch hervor⸗ gerufen sei, daß die große Menge von Statuten, die zur Genehmigung eingereicht worden sind, von den Behörden noch nicht habe bewältigt werden können. ;

Damit schließt die erste Berathung; in zweiter Berathung wird der Gesetzentwurf unverändert angenommen.

Es folgt die erste Berathung des vom Abg. Rintel en (Centr.) eingebrachten Gesetzentwurfs, betreffend die Lender ung und Ergänzung der Vorschriften der Strafprozeß⸗ ordnung über die Wiederaufnahme des Verfahrens sowie die Entschädigung für unschuldig erlittene Strafen.

Abg. Rin telen (Centr.) giebt in seiner Begründung zunächst eine Geschichte des Antrags, der den Rer., schon seit vielen Jahren beschäftigt habe, der auch in der Commission schon gründlich erörtert sei. Redner wendet sich namentlich dagegen, daß die Entschädigung auch jenen gewährt werden solle, welche im Wiederaufnahmeverfahren frei⸗ gesprochen sind, ohne daß sich ihre volle Unschuld herausgestellt hätte. Redner will nur denjenigen eine Entschädigung zubilligen, deren Unschuld sich herausgestellt hat. Redner halt es, da zweimal eine gründliche Commissionsberathung stattgefunden hat, nicht für nöthig, den Antrag an eine Commission zu verweisen.

Staatssecretäß Hanauer: Der Reichskanzler hat aus Anlaß der vorjährigen Verhandlungen angeordnet, daß im Reichs Justizamt ein Entwurf über diese Frage ausgearbeitet werde. Dieser Ent— wurf, ist ausgearbeitet und zunächst an das preußische Justiz⸗ Ministerium weiter gegeben worden. Im preußischen Justiz—⸗ Ministerium war man schon früher der Frage der Wiedereinführung der Berufung näher getreten und hatte sich auch mit der Frage der Entschädigung unschuldig Verurtheilter beschäftigt. Der entsprechende Gesetzentwurf liegt dem preußischen Eich Hinist: u vor, um eventuell als preußischer Antrag an den Bundesrath zu gelangen. Ich kann nicht sagen. wann die verbündeten Regierungen diese Vorlage bringen werden. Ob es angezeigt erscheint, bel dieser Sachlage die Berathung fortzusetzen, muß ich anheimstellen. (Schluß des Blattes.)

Ueber den weiteren Verlauf der Verhandlung werden wir morgen berichten.

Nach den bis heute Vormittag eingegangenen Nach— richten waren bei der Reichstags-⸗Stichwahl im Wahlkreise Arnswalde⸗Friedeberg für Ahl wardt 10 284 Stimmen, für Drawe 3097 Stimmen gezählt worden. Aus zehn Ort— schaften fehlte das Ergebniß noch.

Die Steuerreformeommission des Hauses der Abgeordneten fuhr gestern Nachmittag in der Berathung des Ergänzungssteuergesetzes fort. 5 15 Abs. 1 besagt: „Noch nicht fällige Ansprüche aus Lebens-, Kapital⸗ und Rentenversiche⸗ rungen kommen mit zwei Dritteln der vom Versicherten eingezahlten Prämien oder Kapitalbeträge, falls aber der Betrag nachgewiesen wird, für welchen die Versicherungsanstalt die Police zurück— kaufen würde, mit diesem Rückkaufswerth in Anrechnung.“ Abs. 2: „»Die Bestimmung in Abs. L findet keine Anwendung auf Ansprüche an Wütwen⸗, Waisen⸗ und Pensionskassen, auf An⸗ sprüche aus einer Kranken- oder Unfall- sowie aus der gesetzlichen Alters- und Invalidenversicherung. Abg. Schlabitz (freicons.) u. Gen. begntragten, den S 15 zu streichen. Abg. Dr. Sattler (nl) erklärte sich für Aufrechterhaltung der Regierungsvorlage, weil die Lebensversicherung einen Sparfonds darstelle. Der Abg. von Jagow (cons.) schloß sich dieser Auffassung an. Abg. Dr. Friedberg (nl.) befürwortete aus principiellen Grunden und im Interesse der Privat⸗ beamten die Streichung des Paragraphen. Der Geheime Ober⸗Finanz⸗Rath Wallach hob hervor, daß die verschiedenen Formen der Versicherung Kapitalsanlagen darstellten. An der weiteren Debatte betheiligten sich noch die Abgg. Graf Limburg-Stirum (cons.), Dr. Meyer (dfr.), Dr. Sattler (nl.), Freiherr von Hammerstein (eons), von Eynern (nl.), Dr. Enneccerus (n.) und der General-Steuer⸗Director Burghart. Schließlich wurde auf Antrag des Abg. Dr. Sattler in § 15 fol⸗ gender Absatz 2 eingeschoben: „Soweit zwei Drittel der Summe der vom Versicherten eingezahlten Prämien oder Kapitalbeiträge oder der Rückkaufswerth der Police den Betrag von 16000 M. nicht übersteigen, finden die Bestimmungen des Absatz 1 keine An— wendung.“ F 16 (betreffend außer Ansatz bleibende Objecte) wird unverändert angenommen. Damit war der Abschnitt des Gesetzes über das steuerbare Vermögen erledigt. Bezüglich der geschäft⸗ lichen Behandlung der folgenden Paragraphen wurde beschlossen, zu— nächst in eine Generaldiscussion über die §S§ Al bis 35 einzutreten, welche vom Veranlagungsverfahren handeln.

Kunst und Wissenschaft.

Aus Charlottenburg ist die betrübende Nachricht eingegangen, daß der Geheime Regierungs-Rath Dr. Werner von Siemens gestern Abend 55 Uhr von seinen kurzen, aber schweren Leiden durch einen sanften Tod erlöst worden ist. Siemens wurde am 13. De— zember 1816 zu Lenthe bei Hannover auf seinem väterlichen Gute geboren, trat 1834 zu Magdeburg in die preußische Artillerie ein und wurde 1838 Artillerie-Offizier. 1844 wurde er zur Artilleriewerkstätte in Berlin commandirt und 1847 der Commission für Einführung der elektrischen Telegrauhen in Preußen beigegeben. Im Jahre 1848 legte er im Kieler Hafen die ersten unterseeischen Minen mit Llektrischer Zündung an und baute als Commandant der Festung Friedrichsort die Batterien zum Schutz des Eckernförder Hafens. Im Winter 1848/49 legte er im Auftrage der Regierung die unterirdischen Telegraphenlinien von Berlin nach Frankfurt und nach Aachen an, schied dann aus der Armee aus und widmete sich ausschließlich der schon 1847 mit dem Mechaniker Halske in Berlin errichteten Telegraphen— bauanstalt, aus welcher die wichtigsten Entdeckungen und Verbesserungen hervorgegangen sind. Ihr verdankt man z. B. die Methode zur Be— stimmung der Lage von Beschädigungen unterirdischer und submariner Leitungen, das erste gelungene Tiefseekabel (Bone⸗Cagliari) u. s. w. Bei Gelegenheit des Jubiläums der Berliner Universität( 1860) wurde Siemens zum Dr. phil, 1874 zum ordentlichen Mitglied der Akademie der Wissen—⸗ schaften, 1886 von der Heidelberger Universität zum Dr. med. er— nannt. 1885 wurde ihm der Orden pour le mérite für Kunst und Wissenschaft verliehen, nachdem er schon vorher zum Geheimen Regierungs⸗Rath ernannt worden war; 1886 schenkte er dem Deutschen Reich 506 000 ƽ zur Gründung der Physikalisch⸗technischen Reichs⸗

anstalt, 1888 wurde ihm der Adel verliehen. Seine Werke sind noch

kürzlich durch einen ‚Lebenserinnerungen enthaltenden Band vermehrt worden. Die Beerdigung findet am Sennabend statt.

In der im Norddeutschen Hof hierselbst abgehaltenen letzten Montags⸗Versammlung des Berliner Ton künstler-Vereins (Vorsitzender Professor Dr. Al leben) hielt der Dr. med. Pick einen . interessanten, von Experimenten begleiteten Vortrag über psy— chophysische Vorgänge (d. i. die Vermittelung der Empfindung durch die physische Beschaffenheit des Körpers) mit einem Ausblick auf die besondere Feinheit gerade der Tonempfindung. Der Vortrag hob sic von ähnlichen durch klare, dem Laien verständliche Sprache günstig a und wurde mit reichem Beifall belohnt. Der Besuch der Januar⸗ Versammlung (durch Gesang unterstützter Vortrag des Cultwrhisto— rikers Dr. Diercks „über a f Volksmusik“) soll auch Nicht⸗ Mitgliedern ermöglicht werden.

Land⸗ und Forstwirthschaft.

Ernte und Stand der Saaten. Im Regierungsbezirk Bromberg liefern sowohl Roggen wie Weizen einen reichen Erdrusch von ausgezeichnetem Korn. Die Kar⸗ toffeln haben der Dürre in Überraschender Weise Widerstand geleistet. Die Aussaat der Winterung hat rasch gefördert werden können, und sz stehen die ersten Getreidesaaten tadellos. Im Regierungsbezirk Oppeln sind die auf die Ernte gesetzten Hoffnungen bezüglich der Halmfrüchte fast durchweg in Erfüllung ge—

gangen. Roggen, Weizen und Gerste haben sich noch unter dem Ein— fluß der Frühjahrs⸗Regenperiode rasch und gut entwickelt und sind während der Hitze der Sommermonate zu voller Reife gelangt. Der Erdrusch hat fast überall eine gute Mittelernte ergeben, sodaß die Landwirthe für die Verluste der letzten Jahre Ersatz finden. Nur der Hafer ist in einigen Kreisen, namentlich in den leichteren Böden, etwas hinter den Erwartungen zurück⸗ geblieben, sodaß hier das Ergebniß 60 70 υ& einer Mittel⸗ ernte gleichhommt. Ebenso hat Raps nur geringe 5 geliefert. Kartoffeln sowohl wie Rüben haben eine gute Ernte ergeben, und es ist, der Stärke⸗ bezw. Zuckergehalt ein besserer als in den Vorjahren. Die Wintersgaten sind unter günstigen Bedingungen aufgegangen

und zeigen durchweg einen üppigen Stand. In einzelnen Kreisen nur,

namentlich im Kreise Neustadt O.⸗S. und Leobschütz, wird ihr Wachs⸗ thum durch die noch immer in großen Mengen auftretenden Feldmäuse beeinträchtigt. Trotz energischer Gegenmaßregeln ist es bis jetzt nicht gelungen, der Plage einigermaßen Herr zu werden.

Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs⸗ Maßregeln.

J Spanien.

Die Königlich spanische Regierung hat Hamburg unter dem 6. Dejember 1892 für seuchefrei ! erklärt.

Gleichzeitig ist dem Personen- und Waarenverkehr von dorther der freie Eintritt wieder eröffnet worden.

(Vergl. R. A.“ Nr. 203 v. 29. /S. 92.)

. ö Bulgaxien.

Zufolge Beschlusses des bulgarischen Sanitätsraths vom 29. No⸗ vember 1892 werden Conserven (Sardinen, Hummer u. s. w.) fortan ohne Rücksicht auf ihre Provenienz zur Einfuhr in Bulgarien zugelassen, sofern die Behälter derselben Luftdicht verschlossen sind. Hinsichtlich der Quarantäne und Desinfection finden auf dieselben die für den Waarenverkehr maßgebenden allgemeinen Vorschriften Anwendung. (

Unter Beobachtung der vorgeschriebenen Quarantäne ist ferner die Einfuhr von Maccaroni und Mehl gestattet (vergl. ‚Reichs—⸗ Anzeiger! Nr. 264 vom 7. November 1892J. Die Verpackung der ersteren wird desinficirt; dagegen bleiben Mehlsäcke von der Des— infection frei, sofern sie ganz neu sind.

Im Personenverkehr ist die dreitägige Quarantäne für Reisende aus 6. mänien durch eine 24 stündige ärztliche Beobachtung ersetzt worden.

Die achttägige Quarantäne für Reisende, welche auf dem Do nauwege oder über Zaribrod aus Oesterreich⸗ Ungarn oder Serbien nach Bulgarien kommen ist auf fünf Tage abgekürzt worden (vergl. ‚Reichs⸗Anzeiger 282 vom 28.11. und 285 vom 1.12. 92).

Egypten.

Der internationale Gesundheitsrath in Alexandrien hat unter dem 6. Dezember 1892 das zur Verhütung der Cholera⸗Einschleppung bestimmte Reglement gegenüber Ankünften aus Hamburg und Havre außer Kraft gesetzt. (Vergl. R. A.“ Nr. 264 und 215 vom 30. / 8. und 9./9. 1892.)

Der Gesundheitsstand in Berlin blieb auch in der Woche vom 19. bis 26. November ein günstiger und die Sterblichkeit eine niedrige (von je 1000 Einwohnern . aufs Jahr berechnet, 17,). Unter den Todesursachen kamen acute Entzündungen der Ath— mungs organe zahlreich zum Vorschein, doch zeigten sowohl die Zahl der zur Beobachtung gelangten Erkrankungen wie die der durch sie bedingten Sterbeiälle im Vergleich zur Vorwoche eine Abnahme. Auch Erkrankungen an epidemischer Grippe wurden in einigen Fällen festgestellt und endeten in einem Falle tödtlich. Dagegen traten acute Darmkrankheiten seltener zu Tage und führten nur in wenigen Fällen zum Tode. Die Betheiligung des Säuglings— alters an der Sterblichkeit war eine kleine; von je 10006 Lebenden starben, aufs Jahr berechnet, 47 Säuglinge. Von den Infectionskrankheiten kamen Erkrankungen an Masern und Scharlach in fast gleicher mäßiger Zahl wie in der Vorwoche zur Meldung; auch Erkrankungen an Unterleibetyphus blieben selten. Dagegen hat die Diphtherie größere Ausdehnung gewonnen, und wurden Erkrankungen daran be— sonders aus dem Stralauer Viertel, der Rosenthaler Vorstadt, aus Moabit und dem Wedding am zahlreichsten zur Anzeige gebracht. Auch 2 Erkrankungen an Genickstarre gelangten zur Kenntniß. Er— krankungen an Kindbettfieber wurden nur 3 bekannt; rosenartige Ent—⸗ zündungen des Zellgewebes der Haut wurden häufiger. Erkrankungen an Keuchhusten waren zahlreich, doch blieb der Verlauf im allgemeinen ein milder. Erheblich häufiger als in der Vorwoche gelangten rheu⸗ matische Beschwerden aller Art, besonders acute Gelenkrheumatismen, zur ärztlichen Behandlung.

Verkehrs⸗Anstalten.

In Bulgarien ist die Einführung von Packet— sendung en mit den unten angegebenen Ausnahmen und unter der Bedingung jetzt wieder zugelassen worden, daß die Sendungen von amtlichen Zeugnissen über den Gesundheitszustand an ihrem Herkunftsorte begleitet sind. Die Sendungen werden im übrigen an der bulgarischen Grenze einer Quarantäne von mindestens fünf Tagen unterworfen und äußerlich desinfieirt.

Ausgeschlossen von der Einfuhr nach Bulgarien sind nach wie vor Sendungen mit den nachbezeichneten Gegenständen: gebrauchte Kleider, gebrauchte Wäsche, sowie gebrauchte Stoffe jeder A* Felle und Pelzwerk, Milchproducte, Fische, Fleisch, Oel, sowie frische Früchte, Wolle und Haare, Stoffmuster, gebrauchte Säcke, gebrauchte Taue, sowie gebrauchtes Papier.

Bremen, 6. Dezember. (W. T. B.) Norddeutscher Lloyd. Der Postdampfer We ser“, nach dem La Plata bestimmt, hat am 3. Dezember Abends Las Palmas passirt. Der Postdampfer Weimar ist am 3. Dezember Mittags von Baltimore nach Europa in See gegangen. Der Schnelldampfer „Saale“, am 26. November von New⸗Vork abgegangen, hat am 5. Dezember Morgens von Southampton die Reise nach Bremen fort— esetzt; er überbringt 264 Passagiere und volle Ladung. i Postdampfer Fran kfurt? ist am 2. Dezember von Buenos-Aires nach Europa in See gegangen. Der Postdampfer „Gera“, am 30. Oktober von Bremen abgegangen, ist am 28. No⸗ vember in Montevideo angekommen. Der Schnelldampfer „Fulda“, am 26. November von New Pork abe ngen, hat am 5. Dezember Vormittags von Gibraltar die Reise nach Genua fortgesetzt. Der Postdampfer „Baltimore“ hat am 5. Dezember Mittags die Reise von Antwerpen nach Corunna fortgesetzt. Der Schnelldampfer Werra“, am 23. November von Genua und am 25. November von Gibraltar abgegangen, ist am 5. Dezember Morgens in New-⸗YPork angekommen. Der Postdampfer Berlin“, nach Brasilien bestimmt, ist am 5. Dezember Mittags in Lissabon angekommen. Der Postdampfer Amerika“, am 223. November von Bremen abgegangen, ist am 5. Dezember Morgens in New- York angekommen. Der Postdampfer Stutt- gart“, nach New-Vork bestimmt, hat am 5. Dezember Nachmittags Lizard passirt. Der Postdampfer Köln, von Brasilien kommend, hat am 5. Dezember St. Vincent passirt. Der Reichs⸗Postdampfer „Hohenstaufen“ hat am 5. Dezember , n die Reise von Genua nach Port Said fortgesetzt. Der Postdampfer Straß— burg“, vom La Plata kommend“, hat am 5. Dezember Nachmittags Ouessant passirt. ' .

J. Dezember. (W. T. B.) Der Schnelldampfer Saale“, von New⸗Hwork kommend, ist am 6. Dezember Morgens auf der Weser angekommen. Der Postdampfer „Hannover“, vom La Plata kommend, hat am 6. Dezember Mittags St. Vincent passirt. Der Postdampfer Graf Bismarck“, nach Brasilien be⸗ stimmt, hat am 25. November Bahia passirt. Der Reichs⸗Post⸗ dampfer Darmstadt ist am 6. Dezember von Shanghai . Europa in See gegangen. Der Postdampfer Baltimore“, na

dem La Plata bestimmt, hat am 6. Dezember Morgens Dover passirt. er Schnelldampfer Havel‘ hat am 6. Dezember Vor⸗ mittags auf der Reise nach Queenstown Lizard passirt.

. . 6. Dezember. (W. T. B.) Hamburg ⸗Ame⸗ rikanische Packetfahrt-Actien⸗Gesellschaft. Der Post⸗ dampfer . Markomannia“ ist, von New⸗Jork kommend, heute Vormittag auf der El be eingetroffen.

London, 5. Dezember. (W. T. B. Der Castle⸗ Dampfer Pembroke Castle“ hat auf der Heimreise gestern die Canarischen Inseln passirt.

Theater und Musik.

Königliches Opernhaus.

Gestern Abend fand auf Allerhöchsten Befehl zur Feier des einhundertfünfzigjährigen Bestehens des Königlichen OSpernhauses théätre pars statt. Nach dem Erscheinen Seiner Majestät des Kaisers und Ihrer Majestät der Kaiserin, Allerhöchstwelche Sich beim Eintritt in die Mittelloge dem Publikum gegenüber grüßend verneigten, wurde die Vorstellung mit einem tongewaltigen Marsch aus Gluck's Dper uhflee ! eröffnet. Es folgte dann ein vom Pro⸗ fessor Emil Taubert gedichteter und von Fräulein Lindner mit Adel und Feuer gesprochentr Dialog, der mit poetischem Schwunge die Geschicke des Kunsttempels und die enge Verbindung seiner Entwickelung mit dem die Kunst liebenden und schützenden Hohenzollernhause darstellte und so in sinniger Verbindung in einem „Heil dem Kaiser“ ausklang; gleichzeitig ging die die Schlußstrophe leise begleitende Musik mit vollen Accorden in das „Heil dir im Siegerkranz“ über, bei dem sich die Allerhöchsten Herrschaften und das gesammte Publikum von den Sitzen erhoben hatten. Die Scene, die während des Prologs anfangs einen Waldhintergrund gezeigt hatte, verwandelte sich nach den ersten Strophen in den Park von Sanssouci; im Vor— dergrund sah man als lebende Statue die Gestalt des großen Königs, des Begründers und ersten Erbauers des Opernhauses, während hinter Gebüsch und Bäumen das Schloß, von der Sonne beschienen, emporragte. Wie der . eine historische Skizze des Hauses, so bot die ganze Vor— tellung gleichsam eine Skizze der Entwickelung der Musik seit den Tagen des großen Königs dar. Dem Prolog folgte Gluck's Ouver—⸗ ture zur Oper Iphigenia in Aulis“, die unter der Leitung des Herrn Kapellmeisters Sucher tadellos zu Gehör gebracht wurde. Die folgenden Programmnummern kennzeichneten treffend die Höhe⸗ punkte der Entwickelung der musikalischen Kunst bis zu dem letzten großen Tonmeister Richard Wagner. Den Anfang machte unter der Direction des Herrn Kapellmeisters Dr. Muck Mozart mit dem zweiten Act aus der, „Hochzeit des Figaro“; dann reihte sich charakteristisch für den Fortschritt des orchestralen Ausdrucks Beethoven's dritte Leonoren⸗-Ouverture an. Eine Scene aus dem zweiten Act des Weber'schen „Freischütz“ erinnerte an die Zeit der Romantik, die auch in einer Scene aus Meyerbeer's „Der Prophet“ noch mächtig nachklang, während hier gleichzeitig schon das in den Vordergrund tretende dramatische Element an die Entwickelung der Oper zum Musikdrama gemahnte. Den schönen Abschluß des Abends bildete die Schlußscene aus Wagner's ; Götterdämmerung.“ Die mitwirkenden Sänger und Sängerinnen waren überall mit Erfolg bestrebt, ihre künstlerischen Gaben zu einer der Festfeier würdigen Höhe zu erheben; hervorheben möchten wir aber doch Fräulein Leisinger, die mit schöner Tonbildung die Arie ‚Heil'ge Quelle reiner Triebe“, und Frau Herzog, die nicht weniger vollendet im Ton und Vortrag das „Ihr, die ihr Triebe“ sang. Fräulein Dietrich brachte ihre schönen Stimmmittel und ihr sympathisches Wesen am besten in der Freischützseene zur Geltugg. Von den mitwirkenden Damen ist end⸗ lich Frau Sucher mit ihrer bekannten künstlerisch ausgereiften Leistung als Brünnhilde zu nennen, während von den mitwirkenden Herren nur Herr Bulß und Herr Sylva in dem Rahmen der einzelnen 9 Gelegenheit hatten, sich künstlerisch besonders bemerkbar zu machen.

Die Allerhöchsten Herrschaften wohnten der Vorstellung bis zum Schluß bei und verließen das Haus wieder unter grüßender Vernei⸗ gung gegen das Publikum.

Thomas⸗Theater.

Das von der Münchener Gesellschaft unter Leitung des Königlich bayerischen Hofschauspielers Herrn Max Hofpauer bereits im Juni v. J. am Adolph Ernst-Theater in einer Reihe erfolgreicher Vor— stellungen aufgeführte Anzengrubexr'sche Volksstück Der ledige Hof“ wurde bon ihr auch gestern Abend mit bedeutendem Erfolge an der neuen Stätte zum ersten Mal gegeben. Trotz einiger Schwächen gehört dieses Stück zu den bühnenwirksamsten Werken des Dichters wegen seiner urwüchsigen, aber getreuen Gestalten und der darin liegenden großen dramatischen Kraft. Die früher von Fräulein Thaller mit unübertreff lichem Geschick dargestellte Rolle der Bäuerin vom ledigen Hof Agnes Brennhofer war an Fräulein Kester übergegangen, die erst seit kurzem dieser Gesellschaft angehört, sich aber heimisch gemacht und in dem Volksstück „Almenrausch und Edelweiß“ von der vor— theilhaftesten Seite gezeigt hat. Wenn sie auch als Bäuerin vom ledigen Hof noch nicht an ihre Vorgängerin heranreicht, weil sie bei der Darstellung dieser von mächtigen Leidenschaften bewegten Persön⸗ lichkeit zu sehr die Absicht, ihre Erregung zu zeigen, erkennen läßt und ihre Empfindung dadurch nicht immer natürlich genug erscheint, so hat sie doch auch in dieser Rolle bewiesen, daß es ihr, unterstützt durch vortreffliche äußere Gaben, bei fleißigem Weiterstreben wohl gelingen wird, sich sicherer in diese Aufgabe hineinzuarbeiten. Neu waren in der Besetzung des Stücks sonst noch Fräulein Laska als Therese, die Tochter der Kammleitnerin, und Herr Mödlinger als Schul⸗ lehrer Waldner. Beide füllten ihre Plätze in der besten Weise aus. Als die schwerhörige, zänkische Oberdirn Crescenz erregte Fräulein Schönchen durch ihr humor- und gemüthvolles Spiel wie gewöhnlich die lebhafteste Heiterkeit. Mit ihrem hübschen Gesang erfreute Fräulein Baumgarten als Liese, eine der Mägde der Bäuerin vom ledigen Hof.

Saal Bechstein. ; Der Pianist Herr Sigismund Stojowski gab gestern seinen ersten Klavier⸗Abend. Ein Spieler, der allein mit einer großen Anzahl von Klavierstücken hervortritt, darf jetzt nur noch auf Besuch und Erfolg rechnen, wenn er zu den allerersten und berühmtesten Virtuosen gehört; indessen boten die Leistungen des Vortragenden immerhin manches Erwähnenswerthe. Sein weicher gesangreicher Anschlag und seine sehr bedeutende technische Fertigkeit sind ver⸗ bunden mit interessanter, wenn auch etwas unruhiger Vor⸗ tragsweise, die bei Stücken von Chopin, Schumann und Liszt oft einen günstigen Effect machten, während die Auffassung der Sonate (op. 54, F-dur) von Beethoven manches zu wünschen ließ. Mit ganz besonderem Beifall wurden eine Mazurka von Chopin und die Ballade in Femoll, Liszt's 12. ungarische Rhapsodie und vier eigene kleine Compositionen des Concertgebers aufgenommen, die sich durch melodische Erfindung und eigenartige harmonische Gestaltung auszeichnen. Der zweite Klavier-Abend, dessen Programm fünfzehn

Klavierpiecen angiebt, findet Mittwoch, den 14. Dezember, statt.

Heinrich Bötel wird am Sonntag, und zwar nur dies eine Mal, als Gast des Kroll'schen Theaters auftreten. Zur Aufführung . Der Postillon von Lonjumeau“ mit Herrn Bötel in der

itelpartie. ;

„Der Lebemann von GustaJ von Moser, der morgen im Wallner-⸗Theater zur ersten Aufführung kommt, wird auch am Sonnabend und Sonntag in der gleichen Besetzung wiederholt werden.

Das große Ausstattungsballet „Die Welt in Bild und Tanz“ gelangt im Theater Unter den Linden am heutigen Mittwoch zum 75. Male zur Aufführung.

Das Concert von Lillian Sanderson, Bernhard Sta⸗ venhagen und Maxie Soldat findet unter Mitwirkung des Philharmonischen Orchesters am Freitag in der Philharmonie