daß im gesammten Staat die Kosten der Volksschule rund 157 Procent aller Realsteuern betragen. Schon in den einzelnen Kreisen stellt sich dieses Verhältniß ganz außerordentlich verschieden; und diese Thatsache würde ja im Rahmen der Steuerreform noch weit mehr in Betracht kommen, alt der Vergleich zu dem Betrage der Einkommensteuer. Während in einzelnen Kreisen die Verhältnißzahl auf etwa 1, also das Verhältniß sich auf etwa 100 Procent beziffert, betragen in anderen Kreisen die Schulkosten etwa das Vierfache der Realsteuern. Hierfür möchte ich noch einige Beispiele anführen.
In Westpreußen betragen die Kosten des Volksschulwesens im Kreise Marienburg 302 226 „t, die Realsteuern 283 465 MS; in Kart⸗ haus die Volksschullasten 219 641, die Realsteuern nur 59 697 M; in Tuchel die Volksschullasten 114 336 M, die Realsteuern 43 982. Aber auch in der Rheinprovinz finden Sie ähnliche Verschiedenheiten. Im Kreise Rheinbach betragen die Volksschullasten 150 193 ½, die Real⸗ steuern 123 801 S, in Gummersbach ist das Verhältniß 203 597 zu 69 682 S; in Waldbroel 132 613 zu 33 034 M.
In den einzelnen Schulverbänden weicht natürlich dieses Ver⸗ hältniß noch weit mehr ab. Während in Berlin z. B. die Real⸗— steuern den Kosten der Volksschule nahezu gleichkommen, deckt ihre Forterhebung in einer Gemeinde des Kreises Ueckermünde gerade die Kosten der Heizung der Schulstuben, und es giebt eine größere Anzahl von Schulverbänden, in welchen ein Realsteuer-Soll überhaupt nicht vorhanden ist.
Ich habe, meine Herren, bisher, wie ich hervorheben muß, den⸗ jenigen Betrag der Kosten des Volksschulwesens zu Grunde gelegt, der für die gesetzliche Reuregelung der Volksschulkosten bei einem Do⸗ tationsgesetz in Betracht kommen würde. Ich muß anerkennen, daß in der wirklichen Belastung der Schulunterhaltungspflichtigen die Gegensätze wesentlich gemildert werden: einmal dadurch, daß sich die Aufwendungen des einzelnen Verbandes um den Betrag des vorhan⸗ denen Schulvermögens kürzen; dann aber auch durch die Zuwendungen, die der Staat auf Grund der Gesetze vom 6. Juli 1885, 14. Juni 1888 und 31. März 1889 für das Ruhegehalt und das persönliche Einkommen der Volksschulleherer gewährt. Aber immerhin würden ohne den Hinzutritt des Staats mit Unterstützungen an die leistungs— unfähigen Verbände die in der Belastung mit Schulabgaben hervor— tretenden Ungleichheiten noch sehr schwere Härten aufweisen. Mangels solcher Unterstützungen würden z. B. im Kreise Schildberg, im Re⸗ gierungsbezirk Posen die Schulabgaben zwischen 19 90 der Grund-, Gebäude⸗, Gewerbe- und Einkommensteuer einschließlich der fingirten Einkommensteuer bei einer jüdischen Gemeinde und 409 O dieser sämmtlichen Steuern bei einer katholischen Schulgemeinde schwanken.
Lassen Sie mich noch einige Beispiele anführen, meine Herren, wie gering, auch nach Abschluß der Steuerreform, die Steuerkraft vieler ländlicher Schulverbände sein wird, und wie dringend das Be— dürfniß ist, für diese Gemeinden seitens des Staats helfend einzu⸗— treten. So kommen z. B. in der Schulgemeinde Kardemin im Kreise Regenwalde Staatssteuern überhaupt nicht zur Erhebung, weder persönliche, noch auch Realsteuern; die Schulgemeinde Succowshof im Kreise Greifenberg bringt keine Grund⸗ und Gebäudesteuer auf, für Schulzwecke aber 600 G der sich auf 53 „S belaufenden Staats⸗ einkommensteuer. In der Schulgemeinde Kitzerow stehen 121 60 sächlichen Kosten für das Schulwesen 32 ½ Einkommensteuer, 17 S 87 J Grund⸗ und 3 M 60 3 Gebäudesteuer gegenüber. In der Schulgemeinde Buddendorf im Kreise Naugard werden 6 S Ein⸗ kommensteuer, 31 ½ 26 3 Grundsteuer und 8 S 40 Gebäude— steuer, in der Schulgemeinde Leussin im Kreise Demmin 9 S. Ein⸗ kommensteuer und gar keine Realsteuern erhoben.
Nun, meine Herren, giebt es ja freilich Gott sei Dank auch noch Gegenden im preußischen Staat, wo das anders ist. Lassen Sie mich nur eins anführen. In der Gemeinde Profen im Kreise Jauer würden 6o/o der Grund⸗ und Gebäudesteuer die ganzen Schulabgaben decken.
Es war nothwendig, auf diese Verhältnisse des näheren einzu⸗ gehen, zu zeigen, daß eine gerechte Vertheilung der Schullasten weder durch die gesetzlichen Staatsbeiträge, welche die Schulverbände erhalten, herbeigeführt ist, noch auch durch die beabsichtigte Steuer⸗ reform indirect herbeigeführt werden wird; sodann zweitens, um klar⸗ zustellen, daß, solange die Schullasten von dem einzelnen Schul⸗ verbande zu tragen sind, eine gerechte Be⸗ und Entlastung der einzelnen Schulverbände und eine für die Volksschulbedürfnisse ausreichende Stärkung ihrer Steuerkraft nicht etwa durch eine gleichmäßige weitere Dotation aller Verbände nach dem Vorgange der Gesetzgebung von 1888/89 zu erreichen ist. Hier kann — rebus sic stantibus — nur eine individuell bemessene Unterstützung der einzelnen unvermögenden Verbände, wie sie auf Grund des Artikels 25 der Verfassung erfolgt, einigermaßen helfen.
Endlich aber, meine Herren, scheint mir daraus klar hervorzugehen, daß die Steuerreform, wenn sie aus zwingenden Gründen an der Frage der Schullasten vorbeigeht, wenigstens Mittel zur Unterstützung für die Fälle bereit stellen muß, wo die Schullasten zu einem allzu un— gleichmäßigen und allzu ungerechten Bedruck der Bevölkerung führt. Will die Steuerreform ihr Ziel einer gerechten Vertheilung der Steuern nach dem Maße der Steuerkraft erreichen, so muß sie Mittel zu dem angegebenen Zweck schaffen. Ich komme darauf wohl noch zurück, denn hier liegt die Rechtfertigung des Princips der ganzen Vor— lage und ihres § 1; hier liegt ihre materielle Rechtfertigung gegen⸗ über der scheinbaren Abweichung von dem F 82 des Einkommensteuergesetzes.
Nicht unerwähnt kann ich lassen die Aufhebung des Schulgeldes. Sie entspricht der Verfassung, und sie liegt in dem soecial— politischen Zuge der Zeit. Ich greife sie nicht an. Nimmt man aber dazu, daß die niedrigen Einkommen bis zu 900 M. von den Staatssteuern frei sind und auch zu den Communalsteuern nur mit niedrigen, fingirten Sätzen herangezogen werden dürfen, so ist klar, daß die Aufbringung der Schullasten in den ärmeren Gemeinden immer schwieriger wird; die Nothwendigkeit zwingt als Ersatz zu einer schärferen Heranziehung der mittelbegüterten Klassen, und hier ergiebt sich von selbst eine natürliche Grenze, sobald es sich um die Auf⸗ bringung von Mehrkosten für die Schule handelt.
Meine Herren, ich habe nachzuweisen versucht, daß die Unter⸗ stützung unvermögender Schulgemeinden, wie die Dinge bei uns liegen, ein nothwendiger Bestandtheil jeder gerechten Steuerreform ist. Es fragte sich daher nur, ob bei Ausführung des 5 82 des Einkommen⸗ steuergesetzes ein Theil — ich will einmal sagen die Hälfte — der Grund⸗ und Gebäudesteuer von dem Verzicht des Staates auf Fort⸗ erhebung der Steuern auszuschließen und an die Schulverbände, die doch auch zu den Communalverbänden des § 82 gehören, nach einem ihrer Leistungsfähigkeit entsprechenden Maßstabe zu überweisen sei,
oder ob für diesen Zweck auf die erstmaligen Ueberschüsse der Ein⸗ kommensteuer zurückgegangen werden solle.
Meine Herren, wir haben den letzteren, sehr bescheidenen Weg ge— wählt, zunächst um der allgemeinen Steuerreform keine Mittel in größerem Umfange zu entziehen. Eine formale Abweichung von der Bestimmung des § 82 des Einkommensteuergesetzes liegt in der Vor—⸗ lage allerdings insoweit vor, als die Steuerüberschüsse nicht direct den bedürftigen Schulverbänden überwiesen, sondern zu ihren Gunsten vom Staate verwaltet, oder vielmehr in einer dem Zinsertrag ent⸗ sprechenden Rente von dem Staate an die unvermögenden Verbände vertheilt werden sollen. Aber materiell ist dieser Vorschlag nach meiner Ueberzeugung identisch mit der Ueberweisung, und er ergab sich als ein Gebot der Nothwendigkeit für uns durch die Ueberzeugung, daß die individuellen Verhältnisse der einzelnen Verbände durchaus Berücksichtigung finden müssen. Ohne eine solche Freiheit der Be⸗ wegung bei einer allgemeinen gleichen, gesetzlichen Dotation sämmt⸗ licher Verbände würde das Ziel, welches der vorliegende Gesetzentwurf sich gestellt hat, mit so geringen Mitteln überhaupt nicht zu er⸗ reichen sein.
Meine Herren, das Ziel der Vorlage ist ein doppeltes. Einmal will der Staat das Versprechen einlösen, das im Artikel 25 Absatz 2 der Verfassung dem Volksschullehrerstande gegeben ist und das nun— mehr seit 40 Jahren seiner Erfüllung harrt:
„Der Staat .. .. gewährleistet den Volksschullehrern ein festes, den Localverhältnissen angemessenes Einkommen“; und zweitens sollen die Schäden geheilt werden, die aus dem Unvermögen der Gemeinden, die Baulast zu tragen, auf dem Gebiete des Volksschulwesens entstehen und entstanden sind.
Für den ersteren Zweck will der Gesetzentwurf jährlich 3 Millionen Mark zu Beihilfen für unvermögende Schulverbände bereitstellen. Als diese Absicht bekannt wurde, trat in den Kreisen der Lehrer eine nicht geringe Enttäuschung hervor. Man sagte: Was sollen denn 3 Millionen Mark bei einer Gesammtausgabe für Besoldungen von 100 Millionen Mark? In Wirklichkeit sind es 100710 324 M½ e, die für die Besoldung der Volksschullehrer bei uns aufgebracht werden. Also nur 3e des Einkommens sollen für die in so großem Umfange nothwendige Aufbesserung zur Verfügung gestellt werden. Bei 71 731 vollbeschäftigten Lehrkräften entfällt von diesen 3 Millionen auf jede Stelle nur ein Betrag von etwa 42 6. Die Rechnung ist wirklich in der Presse angestellt worden.
Nun werde ich nicht in Abrede stellen, daß ich es mit Freuden begrüßt haben würde, wenn es möglich gewesen wäre, einen größeren Betrag zur Verbesserung der Volksschullehrerbesoldungen zur Ver— fügung zu haben. Aber diese mechanische Rechnung, von der ich eben gesprochen habe, trifft doch nicht zu. Ich darf denn doch darauf auf— merksam machen, einmal, daß nicht sämmtliche Besoldungen der Auf— besserung bedürfen. Wir müssen es mit vielem Dank anerkennen, daß ein nicht unerheblicher Theil der leistungsfähigen Schulverbände mit Freude und mit großer Willigkeit die Hand geboten hat, um ihre Lehrer so zu stellen, wie wir es ihnen schuldig sind. Sodann aber — und das kommt vornehmlich in Betracht — wird ja bei dem Inkraft— treten der Steuerreform die Mehrzahl der Schulverbände in ihrer Leistungsfähigkeit erheblich gestärkt und gekräftigt werden, eine große Zahl in solchem Umfange, daß sie überhaupt keiner Staatsunter⸗ stützung mehr bedarf. Und endlich muß dann auch der Betrag von 3 Millionen Mark, den wir jetzt uns erbitten, im Zusammenhang be— trachtet werden mit dem im Kap. 121 Tit. 34 des Staatshaushalts⸗ Etats ausgeworfenen Staatsfonds von rund 7 Millionen Mark, von welchem bei der wachsenden Steuerkraft der Gemeinden auch noch hier und da etwas verfügbar werden wird.
Daß aber, meine Herren, ein weitgehendes Bedürfniß besteht, die Lehrer in ihrem Einkommen zu verbessern, — ich glaube darüber kann ein ernstlicher Zweifel im Augenblick kaum herrschen.
Ich möchte nur aus der Schulstatistik ergänzend dabei noch an— führen, daß das durchschnittliche Gesammteinkommen der voll— beschäftigten Lehrkräfte in Preußen im Jahre 1886 1275 ½ betrug, im Jahre 1891 1404. Und darin sind inbegriffen das Stellen⸗ einkommen mit Einschluß des Werthes der freien Wohnung und Feuerung oder der dafür gewährten Entschädigung; ferner sind inbegriffen die persönlichen und Dienstalterszulagen. Die Steige— rung entfällt zu einem wesentlichen Theil auf die staatlichen Dienst⸗ alterszulagen, für welche in dieser Periode der Kreis der Bezugs⸗ berechtigten erheblich erweitert und der Höchstbetrag von 180 auf 500 AS gesteigert worden ist, für den Staat im ganzen ein Mehr⸗ aufwand von 5. Millionen Mark.
Scheidet man bei der Betrachtung des Gesammteinkommens die Lehrerinnenstellen aus, so bezogen 1891 von 63 237 Lehrern 3062 ein Einkommen zwischen 300 und 750 (6 einschließlich des Wohnungs⸗ und Feuerungswerthes; es bezogen 26117 Lehrer ein Einkommen zwischen 300 und 1200 Sννς; 23 491 Lehrer standen zwischen 1200 und 1800 S und nur 13505 Lehrer kamen in ihrem Gesammt⸗ einkommen über diesen Betrag hinaus. Von den letzteren entfielen auf die Lehrer auf dem Lande nur 4299, während wir insgesammt 42 228 Landlehrer haben.
Unter den Lehrern, die einschließlich der Wohnung und Feuerung nur ein Einkommen bis zu 750 M haben, befinden sich 267, die länger als fünf Jahre im Dienste sind, und eine Regierung aus den östlichen Provinzen berichtet mir, daß es jetzt in der Regel in ihrem Bezirke acht Jahre dauert, bis ein Lehrer aus diesem kümmerlichen Einkommen in eine Stelle aufsteigt, die allenfalls ausreichend ist, um an die Gründung einer Familie zu denken. Eine größere Zahl dieser gering besoldeten Stellen kann aber überhaupt nicht mehr besetzt werden, weil sich absolut keine Bewerber dazu finden.
Bei dieser Gelegenheit, meine Herren, möchte ich auf einen anderen interessanten Punkt kommen, der mit dem Gegenstande in engster Verbindung steht. Es pflegt dem Lehrerstande nachgerühmt zu werden, daß er vor anderen seine Angehörigen in die Lage setze, frühzeitig zu heirathen, und von der anderen Seite, selbst von Behörden, wird gegen die Lehrer nicht selten der Tadel erhoben, daß sie zu frühzeitig und leichtfertig vor der Zeit an die Gründung einer Familie dächten. Nun, meine Herren, die Schulstatistik giebt auch über diese Verhält⸗ nisse Aufschluß, und es ist gewiß sehr nützlich, wenn das Ergebniß einmal bekannt wird. Von den Lehrern, die in einem Lebensalter bis zu 25 Jahren standen, waren 9814 ledig und nur 5öy9l verheirathet; von den Lehrern zwischen 25 und 30 Jahren waren 6906 ledig und 7132 verheirathet, und von insgesammt 62 272 Lehrern waren 20 077 unverheirathet.
Lehrer leichtfertig zu früh zur Ehe schreiten. Im Gegentheil, man könnte daraus schließen, daß es im Interesse der Schule wünschenswerther wäre, wenn ein höherer Procentsatz der Lehrer ver⸗ heirathet wäre; denn darüber kann kein Zweifel sein, daß ein Lehrer, der selbst Vater von Kindern ist, geeigneter ist, die Stelle des Vaters in der Schule zu vertreten, als ein 4nderer.
Meine Herren, wenn unter diesen Umständen die Unterrichts- verwaltung auf die Zustimmung aller Parteien zu dem Werke der Besoldungsverbesserung rechnet, und wenn sie auch hofft, daß es zu der Bereitstellung von Staatsmitteln kommen wird, so kommt nun ein anderer P⸗unkt in Frage, der weniger hoffnungsreich für uns ist und durch welchen wir nur ungern diese uns günstige Position uns erschwert haben, das ist der Vorschlag: unter Aufhebung des Gesetzes vom 26. Mai 1887 ein verändertes Verfahren bei Mehransprüchen an die Schulverbände, insbesondere bei der Feststellung der Lehrer— besoldungen eintreten zu lassen.
Allein, meine Herren, die Königliche Staatsregierung ist zu der Ueberzeugung gelangt, daß eine planmäßige Ab— stufung und eine angemessene Regulirung und Fest— stellung des Einkommens der Volksschullehrer, daß insbesondere die Durchführung der gerade in denärmeren Bezirken nöthigen Besoldungsverbesserung der Lehrer unter der Herrschaft des Gesetzes vom 26. Mai 1887 überhaupt unmöglich ist. Sie erkennt in den Vor— schriften dieses Gesetzes mehr und mehr — ich weiß sehr wohl, was ich sage — die Gefahr eines Stillstandes (Zuruf links: Rückschrittes) und des Zerfalls einer einheitlichen Entwickelung nicht bloß des Lehrerbesoldungswesens, sondern unseres gesammten Volksschulwesens. (Sehr richtig) Deshalb fühlt sich die Staatsregierung zu dem Vorschlage auf
Aufhebung dieses Gesetzes berechtigt und auch verpflichtet, und das, meine
Herren, um so mehr, als das Gesetz ausdrücklich von den Vertretern der
Staatsregierung bei seiner Berathung als ein Provisorium bezeichnet
wurde, als ein Provisorium bis zu der Zeit, wo reichlichere Staats⸗
mittel würden zu Gebote gestellt sein. Das ist aber bereits geschehen,
die Zeit ist bereits eingetreten, seitdem in den Jahren 1888 und 1889
große Mittel des Staats zur Dotirung der Volksschule gegeben
worden sind. Wir haben also auch formell ein gutes Recht und einen
guten Grund, auf dem wir stehen, wenn wir die Aufhebung dieses
Gesetzes vorschlagen.
Ich möchte heute bei der Erörterung dieses Punktes alles aus— scheiden, was auf eine Kritik des bisherigen Verfahrens der Kreis⸗ ausschüsse und der Provinzialräthe hinausläuft. Wir haben Fälle, die uns sehr unbequem und für die Schulverwaltung sehr hemmend geworden sind; wir haben aber auch Fälle — dem muß ich Gerechtig⸗ keit widerfahren lassen —, wo Kreisausschüsse und Provinzialräthe durchaus verständig und entgegenkommend waren. Ich möchte aber auf die Einzelheiten, auf die Fälle, die uns im einzelnen nöthigen, Ihnen die Aufhebung des Gesetzes vorzuschlagen, heute deshalb nicht näher eingehen, weil ich einmal nicht möchte, daß sich unsere Discussion in Einzelheiten verliere, und weil ich andererseits jede Schärfe dabei hier vermeiden möchte. Wird es nöthig, so können wir diesen Punkt in der Commission demnächst genügend erörtern. Ich will mich nur auf den allgemeinen Nachweis beschränken, daß das Gesetz vom 26. Mai 1887 zu Consequenzen führt und führen muß, die weder die Königliche Staatsregierung noch der Landtag bei der Annahme der damaligen Vorlage gewollt hat, noch gewollt haben kann, zu Conse⸗ quenzen, welche das preußische Volksschulwesen in seiner ganzen Existenz auf das Ernstlichste gefährden. Meine Herren, das Gesetz vom 26. Mai 1887 ist ja bekannt unter dem Namen: „Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Regierungs⸗Schulräthe“. (Sehr richtig! links.) Ich habe die Ueber⸗ zeugung gewonnen, daß dieses Gesetz unter Umständen weit gefährlicher werden kann, als der allerschlimmste und gefährlichste Schulrath es jemals gewesen ist. Es handelt sich dabei wesentlich um den 5 2; derselbe lautet:
Werden von den Schulaufsichtsbehörden für eine Volksschule Anforderungen gestellt, welche durch neue oder erhöhte Leistungen der zur Unterhaltung der Schule Verpflichteten zu gewähren sind, so wird in Ermangelung des Einverständnisses der Verpflichteten die zu gewährende Anforderung, soweit solche innerhalb der gesetz⸗ lichen Zuständigkeit nach dem Ermessen der Verwaltungsbehörden zu bestimmen ist, bei Landschulen durch Beschluß des Kreisausschusses, bei Stadtschulen durch Beschluß des Bezirksausschusses, insbesondere mit Rücksicht auf das Bedürfniß der Schule und auf die Leistungs— fähigkeit der Verpflichteten festgestellt.
Das ist der Punkt, um den es sich handelt. Es kommt dazu aber noch, daß gegen die Beschlüsse des Kreisausschusses nach 53 binner einer Frist von zwei Wochen die Beschwerde an den Provinzialrath zugelassen ist.
Meine Herren, damit sind sämmtliche inneren und äußeren Fragen der Volksschule thatsächlich unter die freie, an keine Regel und keine allgemeine Vorschrift gebundene Entscheidung der Beschluß⸗ behörden gestellt, sobald nur die Voraussetzung vorliegt, daß die Schulaufsichtsbehörde an die Unterhaltungspflichtigen Anforderungen stellen muß, die durch neue oder erhöhte Leistungen aufzubringen sind.« Ich will dabei gar nicht auf den Fall exemplificiren, daß solche erhöhte Leistungen durch eine Verschiebung der confessionellen Verhältnisse in der Gemeinde nothwendig werden. Ich will von diesem Fall ganz absehen, obwohl er vorgekommen ist und toto die vorkommen kann; ich will mich auf ganz landläufige Fälle beschränken.
Meine Herren, die Frage, ob eine Lehrkraft, wie es seit den zwanziger Jahren bei uns vorgeschrieben ist, für 80 oder erst für 100, 150 oder 200 Kinder angestellt werden muß, ob die Zahl von 50, 100 oder 200 Kindern erforderlich sein soll, um den Anspruch auf Einrichtung einer öffentlichen Schule zu begründen, wieviel Jahrgänge der Kinder dabei als schul⸗ pflichtig zu rechnen sind, wieviel Stunden wöchentlich auf jeden Lehrer und jede Klasse entfallen, ob bei einer Erkrankung des Lehrers die Schule geschlossen oder Vertretung bestellt werden soll, ob das Stelleneinkommen nach dem Bedürfniß eines Lehrers oder einer Lehrerin, eines verheiratheten oder eines unverheiratheten dehrers zu bemessen sei, — alle diese Fragen können als Erwägungsgründe für die Feststellung oder Ablehnung der von der Aufsichtsbehörde gestellten Forderungen von den Beschlußbehörden herangezogen und implieite ohne jede Remedur entschieden werden, und zwar von jeder Beschluß⸗ behörde für sich ohne Rücksicht darauf, wie dies in einem Nachbar—
Meine Herren, diese Zahlen sprechen keineswegs dafür, daß die
kreise oder in einer andern Provinz geschieht. Bisher waren die
wichtigen Fragen des Unterrichtsbetriebes nach einheitlichen Grund— sätzen für die ganze Monarchie geregelt, und diese Regelung hatte eine feste historische Gestaltung gewonnen, eine viel festere, als ge— wöhnlich angenommen wird.
Ich entsinne mich eines Vorfalls hier im vorigen Frühjahr, wo ich schon in diesem Sinne von der Praxis der Schulverwaltung ge— sprochen hatte, und wo der geehrte Herr Abg. Dr. Lieber mir erwiderte, ob ich denn wirklich selbst an eine solche Praxis der Schul⸗ verwaltung glaubte; er brauchte mir doch nur die verschiedenen Namen der Unterrichts-Minister zu nennen: Raumer, Mühler, Puttkamer, Goßler, Zedlitz. Ja, meine Herren, das war ad hominem ganz außerordentlich einleuchtend, daß es unmöglich wäre, daß eine feste Praxis unter so verschiedenartig gerichteten Ministern bestände. Aber sie besteht doch! Das ist die ungeheuer feste Kraft der gesunden Grundlage, auf der unsere Volksschule sich aufgebaut hat. Es besteht in der That eine fast gewohnheitsrechtlich feste historische Gestaltung in den einheitlichen Grundsätzen, nach denen bisher der Betrieb der Volksschule gegangen ist, und darin liegt es, daß der Mangel eines Unterrichtsgesetzes auf dem internen Gebiete bisher kaum erkannt und fühlbar geworden ist.
Nach dem Gesetze von 1887 ruht die Entscheidung aller Fragen nicht mehr in einer Hand und auch nicht mehr in einer — ich will gar nicht sagen, durch ein amtliches Gewissen gebundenen Hand, nicht einmal in einer technisch geschulten, sondern sie steht bei gewählten, in in ihrem Bestande wechselnden Beschlußbehörden, deren höchste Instanz in der einzelnen Provinz liegt. Meine Herren, dabei fehlt es an jeder Gewähr für eine einheitliche und stetige Ent⸗ scheidung.
Nun nehmen Sie dazu noch die Weitläufigkeit des Ver⸗— fahrens. Ich will nur einen Fall anführen — der Fall ist vorge⸗ kommen —: der einzige Lehrer einer Schule wird krank; die voll— kommen leistungsfähige Gemeinde weigert sich, einen Vertreter zu be—⸗ zahlen. Man sage nicht: so unverständig wird doch eine Gemeinde nicht sein! Ja, meine Herren, wir haben Gemeinden, und namentlich die ärmeren und leistungsunfähigeren Gemeinden, — in diesen lommt es sehr häufig vor, daß z. B. im Sommer, wo die Leute wesentlich Werth darauf legen, ihre Kinder zu ländlichen Arbeiten zu verwenden, das Verständniß der Gemeindeglieder des Schulverbandes für die Schule und ihre Wichtigkeit weit zurücktritt gegen das augenblickliche Bedürfniß. Genug, die voll⸗— kommen leistungsfähige Gemeinde weigert sich und will einen Ver— treter nicht gestellt haben. Jetzt muß die Sache an den Kreisaus— schuß, möglicher Weise von diesem auch noch an den Provinzial ⸗Rath, und darüber vergeht mindestens ein halbes Jahr, möglicher Weise auch ein Jahr und länger, ehe die Ehescheidung erfolgt. Dann kommt erst die Zwangsetatisirung, das Verwaltungsstreitver⸗ fahren durch alle Instanzen. Ja, meine Herren, wenn der Lehrer nicht inzwischen gestorben oder gesund geworden ist, muß die Schule geschlossen bleiben, und ich frage Sie, ob das mit einem verständigen Schulinteresse vereinbar ist. Das ist eine Schulunordnung, aber keine Schulordnung!
Aber, meine Herren, das ist noch nicht das wichtigste Bedenken. Nehmen Sie folgenden Fall: Die Schulaufsichtsbehörde verlangt bei lh0 Kindern eine zweite Lehrkraft. Sie erbietet sich, weil sie die Leistungsunfähigkeit der Gemeinde anerkennt, für die neue Stelle eine Staatsbeihilfe zu gewähren, welche vollkommen der Höhe des Gehalts entspricht; sie verlangt hierfür von der Ge— meinde gar nichts. Die Gemeinde weigert sich. Die Beschluß⸗ behörden lehnen die geforderte neue Lehrkraft ab und zwar aus dem Grunde, weil die Gemeinde leistungsunfähig ist und weil sie deshalb die dauernde rechtliche Verpflichtung zur Aufbringung des Stellen— gehalts oder einer Pension nicht übernehmen könne; denn die Staats— hilfe sei ja ihrer Natur nach widerruflich; selbst wenn die Regierung das ganze Gehalt zuschießen wolle, so fehle für die arme Gemeinde für die Zukunft die Garantie gegen ihre spätere Heranziehung zur Aufbringung des Stelleneinkommens oder möglicherweise einer ziemlich hohen Pension. Solche Fälle liegen thatsächlich vor; ja sie häufen sich neuerdings. Hilflos, meine Herren, steht die Schulverwaltung mit allen ihren Mitteln, mit einer vollkommen offenen Hand hier dem Schulbedürfniß gegenüber.
Ich glaube hiernach, die Wirkungen des Gesetzes dahin feststellen iu können: in allen nicht voll leistungsfähigen Schulverbänden ist eine Verbesserung des Volksschulwesens, sei es durch Anstellung neuer Lehrkräfte, sei es durch Besoldungsverbesserung der Lehrer, nur mög⸗ lich, wenn die Gemeinde zustimmt. Sagt sie nein, so ist selbst bei der reichlichsten Gewährung staatlicher Beihilfen, sowie die Sache jetzt 1 zu machen. Ich habe schon gesagt, daß die Fälle dieser Art sich mehren. Es ist fast unglaublich, welche Ansprüche nach dieser Seite hin von den Gemeinden zuweilen erhoben werden. Eine Gemeinde machte ihre Zustimmung zu der Erhöhung der Lehrerbesoldungen von der Gewährung eines festen laufenden Staatszuschusses von 100 000 96 jährlich abhängig (Heiterkeit, der den geforderten verhältnißmäßig geringen Mehrbedarf um das Vielfache überstieg. Meine derren, mit diesem Gesetz ist die Durchführung einer planmäßigen Regelung der Lehrerbesoldungen nicht möglich, selbst dann nicht, wenn wir erhebliche Zuschüsse zahlen. Gerade in den irmeren Bezirken und gerade da, wo es noch an Verständniß für den Segen eines guten Schulunterrichts und einer guten Schulbildung fehlt, sind alle Anstrengungen, den Lehrern das ihnen in der Verfassung zu⸗ gesicherte, den Localverhältnissen angemessene Einkommen zu verschaffen, vergeblich. Wer daher den Lehrern wirklich helfen will, wird wohl oder übel an die Aenderung des Gefetzes vom Jahre 1887 herantreten müssen. Wir haben einen andern Weg beim besten Willen nicht zu finden vermocht, — das kann ich bersichern; ich wäre der letzte gewesen, der den Versuch gemacht hätte, 31 die Befugnisse der Selbstverwaltungebehörden heranzutreten. Wird uns ein anderer besserer Weg gezeigt, so wollen wir gern mit uns darüber reden lassen. Aber da es uns mit der Sache ernst ist, mußten wir den Ihnen vorgeschlagenen Weg betreten.
. Meine Herren, die Bestimmungen, welche die Vorlage an die Stelle des Gesetzes von 1887 setzen will, werden hoffentlich erkennen assen daß uns der Gedanke einer Rückkehr zu einem bloß bureau⸗— lratischen Ermessen vollkommen fern liegt. Der Schwerpunkt der Ent⸗ scheidung soll nicht bei der Unterrichtsverwaltung liegen, Bezirks— . / und Regierung Präsident . sollen gemeinsam befinden. . . ö Dissens der beiden die Mitwirkung einer 3 Instanzʒ nöthig ist, soll sie wenigstens an die An⸗ brung des Ober-Präsidenten gebunden sein, und es soll die Mit—
wirkung des Finanz⸗Ministers eintreten, welche die nöthige Garantie geben würde, daß nicht eine einseitige und falsche, auf eine Verkennung des Schulbedürfnisses begründete Anschauung und eine Ueberbürdung des Steuerzahlers in den einzelnen Schulverbänden eintritt. Es ist dabei — ich will das beiläufig bemerken — selbstverständlich voraus⸗ gesehen, daß wir bestimmte allgemeine Directiven an die Unterrichts⸗ behörden ertheilen, um eine falsche und einseitige Inanspruchnahme der Gemeinden nicht eintreten zu lassen.
Außerdem aber, meine Herren, — und darauf muß ich auch noch aufmerksam machen — ist in §S 3 des Entwurfs . Rechts controle geschaffen, welche für jeden einzelnen Fall volle Gewähr bietet, daß die zu stellenden Anforderungen nicht über die gewissermaßen, wie ich schon sagte, gewohnheitsrechtlich geltenden generellen Vorschriften der allgemeinen Bestimmungen vom 5. Oktober 1872 hinausgehen. Ich glaube nach alledem, daß, wenn einmal der Entwurf nach allen Seiten hin in der Commission er⸗ wogen werden wird, sich doch mancher finden wird, dem er weit an— nehmbarer und weit weniger verwerfbar erscheinen wird, als er, wie ich gern zugebe, prima vista vielleicht aufgefaßt werden kann.
Meine Herren, ich möchte zum Schluß den zweiten Vorschlag der Vorlage: zu Beihilfen an unvermögende Ge— meinden für Volksschulbauten und deren Ausstattung einmalig 6 Millionen Mark und laufend eine Million Mark bereit zu stellen ö wenigstens erwähnen. In etwas anderer Form ist dieser Vor⸗ schlag schon vor zwei Jahren an dieses hohe Haus herangetreten. Damals erbat die Staatsregierung für diesen Zweck bekanntlich 20 Millionen Mark aus der lex Huene. Dieser Weg hat damals keinen Anklang gefunden, über das Bedürfniß selbst aber herrschte nahezu Einstimmigkeit. Daß bei einem Bedürfniß von durchschnittlich 21 820 194 S jährlich für Volksschulbauten der jetzige Etatsfonds pon einer Million Mark auch nicht annähernd genügt, um leistungs⸗ unfähigen Schulverbänden bei besonders drückenden Schul⸗ bautenlasten Hilfe zu bringen, ist wohl jedem klar, der diese Verhältnisse auch nur einigermaßen kennt. Wir wollen auf diesem Gebiete nichts Uebermäßiges verlangen; wir hoffen, den Fonds durch eine den Ortsverhältnissen angepaßte sparsame Bauausführung für möglichst viele Fälle nutzbar zu machen. Ich erinnere nur daran — das ist doch auch ein Gesichtspunkt, der dabei in Betracht kommen muß —, daß die Kinder der ärmeren länd— lichen Bevölkerung häufig in der Schule zum ersten Male das Bild eines sauberen und geordneten Haushalts zu sehen bekommen. Deshalb möchten wir gern die Bilder verfallener und verwahrloster Schul⸗ häuser soviel wie möglich beseitigen.
Meine Herren, ich bin am Schluß. Ich weiß wohl, daß auf dem Gebiete des Volksschulwesens die Anschauungen im einzelnen vielfach auseinandergehen. Allein ich weiß auch, daß wir in einem Punkt alle einig sind: in der Erkenntniß des un— berechenbaren hohen Werthes der Volksschule. Deshalb, meine Herren, glaube ich, doch auf eine fruchtbringende Berathung dieser Vorlage rechnen, ja selbst eine Verständigung über sie erhoffen zu dürfen. Welches aber auch das Schicksal derselben ist, darin bin ich ganz außer allem Zweifel, daß Landesvertretung und Regierung nach bestem Vermögen bestrebt sein werden, die preußische Volksschule, die seit Jahrhunderten der Stolz unseres Vaterlandes gewesen ist, als ein theures Kleinod auch für künftige Geschlechter zu behüten und zu fördern. (Bravo! bei den Nationalliberale.)
Abg. von Strombeck (Cent.); Daß den Lehrern geholfen werden soll, wird wohl allseitig gebilligt werden, aber die Art und Weise, wie dies geschehen. soll, findet auch in den Kreisen meiner politischen Freunde erhebliche Bedenken. Wenn die Ueberschüsse der Einkommensteuer zu den allgemeinen Staatsfonds vereinnahmt werden, dann fällt damit auch der vorbehaltene Verwendungszweck, die Ueberweisung der Grund⸗ und Gebäudesteuer an die Gemeinden fort. Man. könnte vielleicht die Ergänzungssteuer, wenigstens für mehrere Jahre, noch entbehren, wenn man auf diese Ueberschüsse zurückgreifen wollte. Was beabsichtigt denn die Regierung mit diesen Riesenfonds zu machen? Sollen die Ueberschüsse thesaurirt und sollen, nur die Zinsen verwendet werden? Dann müßte das im Gesetz genau zum Ausdruck kommen, denn sonst müßten diese zu den Staatsfonds vereinnahmten Ueberschüsse für die laufenden Ausgaben verwendet werden. Meine Freunde halten es für zweckmäßig, daß zunächst nur über diese Bestimmung in der Steuercommission verhandelt werde, die weitere geschäftliche Be handlung kann späterer Zeit vorbehalten werden.
Abg. Barth (freicons.); Niemand wird die Vorlage mit un— getheilter Freude begrüßen, aber die Unterstützung der armen Schul— gemeinden ist für uns so wichtig, daß wir deshalb trotz mancher Be— denken für das Gesetz sind. Die Hilfe ist um so nöthiger, weil es sich nicht um die Zukunft, sondern um Schäden handelt, die theil⸗ weise schon der Vergangenheit angehören, denn aus Mangel an Mitteln mußte mancher Schulbau unterlassen werden. Ob dem platten Lande dabei ein. Vortheil erwächst, kann nicht maßgebend sein. Der Stadt Berlin und anderen Städten erwachsen aus der Anwesen⸗ heit von Behörden, Garnisonen 36 deren Kosten die Allgemeinheit aufbringt, auch Vortheile. Warum soll der Fonds aber nicht sofort, sondern erst von 1895 ab verwendet werden? Das Gesetz von 1837 haben wir nicht verlangt, die Regierung selbst hat es vorgelegt. Aber wenn sie es aufheben will, müssen wir ihr wohl helfen, wenn wir auch Gründe dafür verlangen können. Das Gesetz schuf für die beiden Parteien: die Schulbehörden und die Schulgemeinden, die sich so gegenüberstanden, daß die letzteren ohn⸗ mächtig waren, daß die ersteren ohne weiteres über den Geldbeutel der. letzteren verfügen konnten, eine vermittelnde und entscheidende Instanz. Daß die Entscheidungen dieser Instanz so sehr gegen das Schulinteresse ausgefallen sind, vermag ich nicht zu übersehen, viel⸗ leicht beruht eine solche Auffassung nur auf den einseitigen Be— richten der, Schulaufsichtsbehörden. Der Bezirksausschuß ist eine falsche Instanz weil es ihm an der nöthigen localen Kenntniß fehlt; dazu, ist. der Kreisausschuß besser geeignet, wenn, man auch dessen Zuständigkeit beschränken könnte. Die Ministerialinstanz entbehrt noch mehr der Kenntniß der Localverhältnisse als der Bezirksausschuß. Was überhaupt der Fingnz · Minister bei dieser Frage soll, kann ich nicht begreifen. Vie vollständige Aufhebung des Gesetzes von 1857 geht zu weit. ö
Abg. Freiherr von Min nigerode-Rossitten (con): Die Vor⸗ lage steht im engsten Zusammenhange mit der Steuerreform, deshalb sind wir auch dafür, daß die finanziellen Bestimmungen derselben der Steuereommission überwiesen werden. Von einem Nothstande der Lehrer kann man nicht mehr sprechen, seitdem mehrfache Erhöhungen der . beschlossen, Alterszulagen gewährt und Pensions— beiträge erlassen worden sind. Für die unteren Staatsbeamten ist nicht in so ausgiebiger Weise Sorge getragen worden. Namentlich gegenüber der s . Finanzlage müßte man solche neuen Forde⸗ . für die Lehrer etwas zurückstellen. Daß die Erregung über die Volksschulvorlage noch fortdauert, kann ich bestätigen; aber beseitigt wird diese Erregung nicht dadurch, daß die Regierung eine neue Vor⸗ lage nicht in Aussicht stellt. Eine Regierung, wie die preußische, muß in dieser brennenden Frage die Initiative ergreifen, mag die Vorlage aussehen, wie sie will, und mögen die Be⸗— schlüsse des Landtags fallen, wie sie wollen. Eine Schullasten⸗
vertheilung, eine Schuldotation ohne ein Schulgesetz halten wir nicht
für möglich; die Sache mu einheitlich geregelt werden. Während wir für die Lehrer ein Bedürfniß der ehaltsaufbesserung nicht anerkennen können, stehen wir den Schulbauten anders gegenüber; die Unterstützung der armen Gemeinden des Ostens ist hierbei dringend
nothwen ö. Das Gesetz von 1887 war ein Act ber Erleichterung für die mit chullasten üherbürdeten Personen und Gemeinden, die Ent⸗ scheidung wurde in die Hand der Selbstverwaltungsbehörden gelegt, jetzt soll sie wieder in die Hand der Schulverwaltung kommen. Wenn man, dem Gesetz von 1887 nur einen provisorischen Charakter zu⸗ schreibt, so kann das nur darauf sich beziehen, daß man hoffte, die Gemeinden würden finanziell so erstarken, namentlich auch durch Staats⸗ leistungen, daß sie mehr leisten können. Wenn die Grund— und Gebãudesteuer fällt, dann will man diese Steuerquelle sofort für die Schule in Beschlag nehmen. Man übersieht aber dabei, daß die Landwirthschaft mit der Alters- und Invalidenversicherung eine Last auf sich genommen hat, die schwerer ist:, als die Grund steuer. Gerade auf dem Gebiete des Schulwesens ist eine Schranke gegen die einseitige Bureaukratie und shre Willkür nothwendig; hier muß statt der Centralisatlon eine Degentrglisation herbeigeführt werden. Ich habe den einheitlichen, in keiner Weise strittigen Stand⸗ punkt meiner Freunde dargelegt. Ich schlage vor, den §z 1 des Ge⸗ setzes an die Steuercommission zu derweifen. J
Abg, Hob echt (ul.): Wenn das geschieht, wird das Gesetz in dieser Commission begraben. Wir halten es aber für ver— besserungsfähig und verbesserungsbedürftig, und glauben, daß die Be⸗ rathung des selben in einer besonderen Commission zu einer Einigung führen wird. Ich beantrage also Ueberweisung an eine befonder? Commission. Ich freue mich, in den Motiven zu diesem Gesetz dieselben Gründe gegen die Aufhebung des Gefetzes pom Jahre 1887 angeführt zu sehen, welche ich bei der Berathung snes Gesetzes gegen dasfelbe vorgebracht habe. Je länger dies letztere besteht. desto ungerechter wird die Vertheilung der vom Staat zu den Volksschullasten der Gemeinden gewährten Beträge. Auf der anderen Seite ist aber dem discretionären Ermessen in der zur Be— rathung stehenden Vorlage ein zu weiter Spielraum gelassen⸗ Man muß danach streben, feste Normen und Grundsätze für die Be— messung der Leistungsfähigkeit der Gemeinden zu gewinnen und das ist; nach meiner Ansicht möglich. Wenn z. B. eine Gemeinde einen Betrag von 60 6 o der Einkommensteuer für Schulzwecke ausgiebt, so thut sie das Aeußerste, was sie thun kann. Das, was darüber hinaus noch für Schullasten gufgewendet werden soll, muß der Staat hergeben. Eine Grenze der Leistungsfähigkeit der Gemeinden ist auf solche Weise wohl feftzufetzen. Dann muß auch eine gewisse Norm für die Lehrergehälter, etwa eine Minimal⸗ und Maximalgrenze, in das Gesetz hineingebrächt werden. I denfall muß die Willkür, die in dem discretionären Ermessen des Ministers liegt, möglichst beschränkt werden. Wenn das geschieht, dann sind auch die Bestimmungen der F§ 2 und 3 vollkommen aus“ reichend. Meine politischen Freunde sind mit mir derselben Ansicht und glauben auch, daß es möglich und angängig sein wird, die Grenzen der Leistungsfähigkeit zu bestimmen und Normen für die
Lehrergehälter aufzustellen. Finanz-Minister Dr. Miquel:
. Meine Herren! Gestatten Sie mir noch einige Bemerkungen zu diesem Gesetz, nicht so sehr von dem einseitigen Standpunkt des Wahrers der Staatsfinanzen und des Förderers der Steuerreform, als von dem Standpunkt der allgemeinen Staatsinteressen. Wenn ich lediglich den ganz einseitigen fiscalischen Standpunkt der General— Staatskasse zu vertreten hätte, so würde mir dieses Gesetz nicht sehr willkommen sein; denn es bringt der Staatskasse nicht allein nichts sondern es nimmt ihr eine Chance, wenigstens der . einnahme. Noch weniger hätte ich Veranlasfung gel Standpunkt des ressortmäßigen Vertreters der Steue hier für diesen Gesetzentwurf einzutreten; denn auch nach dieser Rich⸗ tung hin kann eine Förderung der großen Reformfrage aus diesem Entwurf nicht abgeleitet werden. Wenn ich dennoch den Gesetzentwurf vertrete, so geschieht es in meiner Eigenschaft als Staats⸗Minister.
Meine Herren, es ist von verschiedenen Seiten angedeutet, daß es doch sonderbar ist, daß man hier einen Gesetzentwurf vorlege, welcher, wie der Herr Abg. von Strombeck sagt, den eben erst beschlossenen § 3 des Einkommensteuergesetzes einfach beseitigt. Dieser Paragraph wird durch diesen Entwurf nicht allein nicht beseitigt, sondern dieser Entwurf ist eine zweckmäßige Ausführung dieses Paragraphen. (Widerspruch im Centrum.) Ich werde Ihnen das näher darlegen. Wir haben uns die Aufgabe gestellt, in den §§ 82 ff. des Einkommensteuergesetzes Vorsorge zu treffen, daß das Mehreinkommen aus der neuen Ein kommensteuer verwendet werden soll zu zwei Zwecken: einmal zur Beseitigung der Doppelbesteuerung durch Ausscheidung der Realsteuern aus dem Staatssteuersystem. Dieses Ziel wird erreicht durch die Steuerreform und wird erreicht werden trotz des Gesetzes. Zum andern wollen wir daneben die überlasteten Ge⸗ meinden entlasten, und zwar thunlichst gleichmäßig, und diese Ent— lastung der überlasteten Gemeinden können wir, wie der Herr Cultus⸗ Minister deutlich genug nachgewiesen hat, nicht gleichmäßig und ganz erreichen durch die Aufgabe der Realsteuern allein; wir erreichen dieses Ziel mit diesem Gesetz in höherem Grade, weil wir die Gemeinden, die in Bezug auf ihre Schullasten durch die Steuerreform nicht ge— nügend gekräftigt werden, durch diesen Gesetzentwurf mehr oder weniger stärken. Folglich erstreben wir allerdings auch durch dieses Gesetz die⸗ selben Ziele, welche die staatliche Gesetzgebung sich auch bei jenem Paragraphen des Einkommensteuergesetzes gestellt hat. (Zuruf des Abg. von Strombeck.) — Ja, nur in der Höhe der Beträge, die uns zur Disposition stehen, und wenn Herr von Strombeck nur zu⸗ giebt, daß wir diese Zwecke erreichen, soweit wir sie erreichen können, d. h. mit den uns zu Gebote stehenden Mitteln, dann bin ich voll— ständig zufrieden. Dann waren aber auch seine Ausführungen nicht beweiskraftig.
Nun fragt Herr von Strombeck: was will man denn mit dem Kapital machen? Will man das Kapital thesauriren? Nun, wir sagen ja, das Kapital soll zu den Staatsfonds eingezogen werden, und anstelle des Kapitals wollen wir in den Etat eine Rente stellen, welche den Schulgemeinden zu gute kommen soll. Von thesauriren ist also nicht die Rede. Aber was Sie schließlich auch beschließen werden, davon kann doch wohl verständigerweise nicht die Rede sein, daß Sie das Kapital selbst, welches wir ansammeln, unter die Verbände vertheilen. Auch wenn Sie die Ueberschüsse, das Mehraufkommen der Einkommen⸗ steuer unmittelbar verwenden wollen zur Entlastung der Steuerpflich⸗ tigen, gleichbiel ob sie dessen bedürftig sind oder nicht — und das ist der Gegensatz, um den es sich hier handelt, — so werden Sie doch nie dahin kommen, das Kapital zu vertheilen, sondern in einer Zeit, wo wir jedes Jahr gezwungen sind, Anleihen zu machen, das Kapital für die Anleihen zu benutzen und die Zinsen in den Etat einzustellen. Einen anderen Weg wird wohl niemand vorschlagen.
Nun sind, wie ich glaube, in den Debatten verschiedene andere Mißverständnisse noch untergelaufen. Der Abg. Barth fragt: wie kommt denn in den § 2 der Finanz⸗Minister? Nun, ich werde an diese Frage eine Ausführung knüpfen, die auch den Zweck haben soll,
P
das Haus zu bitten, den Vorschlag, der von verschiedenen Seiten