er , , , , m nee mn.
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die Nachweisungen liegen mir allerdings noch nicht vollständig für das ganze Jahr vor, aber bis zum Schluß des November, — eine recht beträchtliche Steigerung eingetreten, und wir können mit unserer Beschäftigung im vergangenen Jahre, das ja allerdings in einzelnen Theilen des Vaterlandes unter einer großen Calamität zu leiden gehabt hat, unter der Cholera, im allgemeinen zufrieden sein.
Der Herr Vorredner hat als Beweis seiner Behauptung, daß der Nothstand ein sehr intensiver und acuter sei, die Ergebnisse der Spar⸗ kassen angezogen. Er hat dabei wahrscheinlich an die Nachweisungen gedacht, die über den Geschäftsbetrieb der Sparkassen in Preußen neuerdings veröffentlicht sind, und von denen ich zugebe, daß sie insofern ein günstiges Resultat nicht liefern, als der Ueberschuß der Einnahmen über die Auszahlungen nicht in demselben Maße gestiegen ist, wie das in früheren Jahren der Fall war. Allein diese Er⸗ scheinung ist keineswegs eine allgemeine in Deutschland. Mir liegt z. B. hier eine Nachweisung vor über die Sparkassenverwaltung des Königreichs Sachsen, welche ein wesentlich besseres und sogar ein besseres Resultat, als es die früheren Jahre geliefert haben, für das vergangene Jahr ersehen läßt. Man kann auch nicht die Ergebnisse einer Statistik lediglich ansehen nach ihren Zahlen, sondern man muß sich bemühen, auf den Grund zu gehen und die Zahlen zu lesen und zu verstehen. Und wenn man den Grund der ungünstigen Ergebnisse der preußischen Sparkassenverwaltung für das vergangene Jahr sucht, dann kommt man darauf, daß im vergangenen Jahre eine große Anzahl preußischer Sparkassen ihren Zinsfuß reducirt haben, und daß dadurch allein eine sehr erhebliche Verringerung der Einlagen hervor⸗ gerufen ist. — .
Nun könnte ich Ihnen noch eine ganze Reihe anderer Umstände anführen, aus denen sich ergiebt, daß der Nothstand wirklich nicht ein so außerordentlicher und allgemeiner ist. Ich könnte Sie hinweisen auf die sehr erhebliche Zunahme des Eisenbahnverkehrs, ich könnte Sie hinweisen auf die Zunahme des Post und Telegraphenverkehrs: das sind alles Factoren, die nicht dafür sprechen, daß die Bevöl⸗ kerung sich im großen und ganzen in einer ungünstigen Lage be⸗ findet. . Allein ich will eine gewisse und partielle Bedrängniß der arbei⸗ tenden Klassen, namentlich in den großen Städten, zugeben und will es als gut und nützlich bezeichnen, den Behörden eine aufmerksame Verfolgung der Nothlage der arbeitenden Klassen zu empfehlen und ihnen ans Herz zu legen, daß sie, wo wirklich Noth hervortritt, ernstlich bemüht sein mögen, dieser Noth dadurch Abhilfe zu schaffen, daß sie für eine lohnende Beschäftigung sorgen. In dieser Beziehung ist schon in einer ganzen Reihe von Städten eine recht lebhafte Für⸗ sorge entwickelt. Es ist auch von Seiten der Regierungen die Für⸗ sorge dahin gegangen, daß größere Summen bereit gestellt worden sind, um öffentliche Arbeiten, die für eine spätere Zeit in Aussicht ge⸗ nommen waren, zu fördern. Ja, man hatte sogar in einzelnen Bundes⸗ staaten bereits Mittel zur Verfügung gestellt, um die Ernährung der Nothleidenden, die sich etwa in den einzelnen Districten vorfinden sicher zu stellen. So ist das namentlich im Königreich Sachsen ge schehen. Von diesen Mitteln ist aber, wie ich höre, bisher ein Ge⸗ brauch nicht gemacht worden.
Nun hat der Herr Vorredner — und ich weiß nicht, ob er damit gerade im Interesse seiner Interpellation und seines politischen Partei⸗ standpunktes gehandelt hat, den Saarbrücker Ausstand angezogen, und er hat den Versuch gemacht, für diesen Ausstand die Berg⸗ verwaltung verantwortlich zu machen. Es wird sich ja wahrscheinlich an die Beantwortung der Interpellation eine Besprechung anschließen — das ist ja wohl der Zweck der Uebung — (Heiterkeit) und da wird ja mein Herr College, der Königlich preußische Minister für Handel und Gewerbe, für den Fall, daß es erforderlich sein sollte, näher auf die Sache einzugehen Gelegenheit haben. Ich muß aber doch sagen, daß mir ein ungerechtfertigterer und unüberlegterer Ausstand, wie der Saarbrücker es ist, bisher überhaupt noch garnicht vorgekommen ist. (Sehr richtig. Oho! links.) Es geht nicht zu weit, wenn dieser Strike geradezu als ein frivoler bezeichnet wird. (Sehr richtig! Widerspruch links. Denn vergegenwärtigen Sie sich, meine Herren, daß Forderungen an die Bergverwaltung, die etwa durch den Strike erzwungen werden sollten, nicht gestellt sind, daß der Strike aus heiterem Himmel eines Tages ausgebrochen ist, daß er ausgebrochen ist unter Hintansetzung jeden Pflichtbewußtseins; denn von einer Kündigung der Arbeiter, die die Arbeit einstellen wollten, ist nicht die Rede ge⸗ wesen. Und, meine Herren, die Arbeiter, welche sich zum Ausstand haben verleiten lassen, werden für die Folgen, für das Elend, in das sie gerathen, verantwortlich zu machen haben diejenigen Personen, welche als die Provocatoren dieses Strikes anzusehen sind. (Sehr richtig. — Widerspruch bei den Socialdemokraten.) Ich kann nur an die Herren von der socialdemokratischen Partei die Bitte richten: Wenden Sie Ihren ganzen Einfluß an, dafür zu sorgen, daß ähnliche Strikes nicht von neuem ins Leben gerufen werden, daß der Jammer, das Elend und die Noth, die dadurch hervorgerufen werden, nicht zum zweiten Mal über die Häupter der Verführten und der Verführer kommen, und sorgen Sie dafür, daß den Leuten klar gemacht wird, daß Rechtsbruch und Verletzung der Vertragstreue, daß Auflehnung gegen die Staatsgewalt und Auflehnung gegen das Gesetz in unserem Lande keine Aussicht auf Erfolg haben! (Bravo) Wundern Sie sich nicht darüber, daß mit aller Energie dieser Rechtsbruch und die Verletzung der Vertragstreue reprimirt wird; und wenn Sie dieser meiner Aufforderung folgen, dann werden Sie das Beste und Vernünftigste gethan haben, was Sie in diesem Augenblicke zur Beseitigung des Nothstandes thun können. (Lebhafter Beifall. — Widerspruch bei den Socialdemokraten.)
Abg. Freiherr von Stumm (Rp.): Wenn die Organe der Socialdemokratie die Arbeitsfreudigkeit und Lust der Arbeiter herab⸗ zudrücken verfuchen, dann ist es kein Wunder, wenn die Arbeitslosigkeit junimmt. Im „Berliner Volksblatt“ heißt es. im Jahre 1889 3. . „‚Richts bringe ein Volk so zurück, als die Zufriedenheit; Zufriedenheit fei der moralische Tod und ziehe nach sich körperliche und, geistige Vernichtung, sie sei ein Zeichen von Gehirnkrankheit“. Die ganze angebliche Wissenschaft der Socialdemokraten — ich spreche hier nicht von den Herren im Hause — ist weiter nichts als ein großartiger Schwindel. Ich erinnere nur an die Theorie des ehernen Lohngesetzes, den Culminationspunkt der social⸗ demokratischen Wissenschaft. Man hat Jahre lang damit Bauern fang getrieben, bis man endlich gefunden hat, daß dieser 3 auch m Zuktunftsstaate auf die Socialbemokratie Anwendung finden könnte. Man hat infolge einer Einwirkung von London dies Gesetz zurück⸗ gie, und sich damit entschuldigt, man habe es nur benutzt, um die Massen aufzuregen, jetzt brauche man es nicht mehr. Ebenso steht es mit ihren übrigen Grundsätzen, mit der modernen Entwickelung, dem Gesetz von Arm und Reich, den Hungerlöhnen u. s. w. Wenn noch eine
Spur von Wissenschaftlichkeit den Marx'schen Schriften hätte beigelegt werden können, ö. sie vernichtet worden durch ein sehr . liches wissenschaftliches Werk, welches bisher viel zu wenig Aufmerk⸗ amkeit in der öffentlichen Meinung Deutschlands gefunden hat. Es st das „System der Socialpolitik von Julius Wolf in Zürich. Wolf weist nach, daß ein Rückgang des Fleischeonsums oder der Sparlasseneinla en in einem Jahre wenig zu bedeuten hat. Denn der Rückgang ist kein so bedeutender, 9. ein Mißverhältniß gegen die Zeit vor zwanzig, . und vierzig Jahren eingetreten wäre. Der Fleischconsum z. hat sich gegenüber den . Jahren im ganzen vergrößert. erade der Mittelstand hat an Festigkeit gewonnen, auch die Lebenghaltung der Arbeiter ist in den letzten Jahrzehnten erheblich gestiegen, und die natürliche Entwickelung bringt immer weitere Steigerungen der⸗ selben mit sich. Au lie Erfindung der Maschinen hat die Lage der Arbeiter verbessert, aber die Socialdemokratie thut alles mögliche, um die natürliche Entwickelung zu hemmen, nicht bloß auf theoretischem Gebiet, sondern ganz direct, indem sie sich bei jeder Gelegenheit der Verleumdungen bemächtigt, welche gegen einzelne Fabrikanten aus⸗ estreut werden, indem sie diese generalisirt. Ich möchte nur an den all Baare erinnern. Ich lasse mich auf eine materielle Beurtheilung dieses Falles nicht ein, aber es ist kein Zweifel, daß gerade durch die. socialdemokratischen Angriffe infolge dieses Falles Baare die deutsche Industrie und deren Producenten und Producte erheblich geschädigt wor⸗ den ist. Jene Verleumdungen bewegen sich ganz in dem Tone der social⸗ demokratischen Zeitungen. Lesen Sie nur eine Nummer des „Vorwärts“ und Sie werden finden, wie die Producenten und ihre Producte her⸗ untergemacht werden. Die Regierung soll Arbeit schaffen. Als aber die Regierung eine Panzer⸗Corvette etwas früher bestellen wollte, um Arbeit zu schaffen, da sind Sie mit Lächeln darüber hinweggegangen, und Sie haben mich ausgelacht, als ich bei der Militärvorlage nach wies, daß dieselbe der Industrie erhebliche Arbeit liefere. Der Strike beruht lediglich auf den Aufhetzungen der Socialdemokratie, die den Strike allerdings principiell verdammt, ihn aber indirect fördert, wo⸗ für die Rede des Abg. Liebknecht der beste Beweis war. Der Strike fällt immer zu Gun fen der Socialdemokratie aus. Ist er siegreich, dann triumphirt die Socialdemokratie; ist er erfolglos, dann wird die Zahl der Unzufriedenen vermehrt. Der Strike der Arbeiter ist weniger zu fürchten, als der Strike der Arbeitgeber, und ich, glaube, wir nähern uns schon jetzt dem Punkt, wo die Arbeitgeber ihre Arbeit einstellen werden. Bei den ,,, Verhältnissen ist es begreiflich, wenn ängstliche Gemüther unter den Arbeitgebern sagen: Wir ziehen uns zurück und kaufen augländische Papiere. Ich will das nicht etwa loben oder anerkennen, aber es ist eine nothwendige Folge der socialdemokratischen Agitation. Ich bin im höchsten Grade erstaunt, daß die , es gewagt haben, den Saarbrücker Strike, der ja nicht von ihnen, aber doch von Social⸗ demokraten in der frivolsten Weise hervorgerufen worden ist, für die Interpellation ins Feld zu führen. Dieser Strike, in dem hundert⸗ fausend Existenzen ihre Subsistenz einbüßen, ist der schärfste Gegensatz zu dieser Interpellation, und die Interpellation ist geradezu eine Ironie auf den Saarbrücker Strike,. Sie (ju den Soeialdemokraten) werden sagen: Wir Salon-Soeial⸗ demokraten können nichts für den Strike. Die Warken und Genossen sind eben Socialdemokraten in anderer Form, und die faͤnnen Sie nicht von ihren Rockschößen abschütteln. Nachdem der Strike ausgebrochen war, hat der Abg. Liebknecht und der Vorwärts“ auf das schärfste das Feuer geschürt, und jede Nummer des „Vor— wärts“ bringt eine neue Aufreizung für die strikenden Bergleute. Ohne die socialdemokratische Presse würde der Strike längst erloschen sein. Nachdem Warken in das Gefängniß gesteckt worden war, ist ein Nach⸗ folger in das Saargebiet herübergekommen, der sich als officielles Mit⸗ glied des socialdemokratischen Actionscomités der Rheinprovinz bezeichnet. Wollen Sie den auch von Ihren Rockschößen abschütteln? Dieser Herr zieht im ganzen Saarrevier herum und hält die aufreizendsten Reden. Wenn ich vorhin von Frivolität sprach, so will ich diesen Ausdruck nicht anwenden auf Tausende von irregeleiteten und ver führten Bergleuten. Es bestand im Saarbrücker Revier eine Unzu— friedenheit der Bergleute, die ich nicht für berechtigt halte, die aber begreiflich ist. Die Löhne sind etwas herabgesetzt worden. Die Ar— beiter hatten sich aber an höhere Ausgaben gewöhnt. Man hatte eben früher die Löhne stark erhöht, ohne zu bedenken, daß sie auf die Dauer nicht aufrecht erhalten werden können. 4650 „ ist ein Lohn, den wenige Arbeiter verdienen, der dreimal höher ist als in den meisten Gegenden der Tagelohn. Auch über den Steigerparagraphen der Arbeitsordnung waren die Leute unzufrieden; aber erst nach Aufhetzung durch socialdemokratische Blätter, denn diese Bestimmung ist aus der Gewerbeordnung übernommen. Der Rechteschutzverein wollte eine Kraftprobe machen; das beweist der Aufruf, den Warken erlassen hat. Es kommt darin der Satz vor: Wenn Dein starker Arm es will, stehen alle Räder still. Der Rechtsanwalt aus Metz, den der Rechts— schutzberein für sich gewonnen hat, will den Rechtsschutzverein zur höchsten Potenz im Saarrevier machen. Es ist der socialdemokratischen Agitation gelungen, 20 000 bis dahin fleißige, brave Bergleute zum Feiern zu kringen und eine ebenso große Zahl Fabrikarbeiter, Einer Handvoll von Socialdemokraten ist es gelungen, die bis dahin fo ruhige, gottesfürchtige und patriotische Bevölkerung des Saarreviers zu derartigen Gewaltthätigkeiten gegen ihre Mit- arbeiter zu veranlassen. Woran liegt das? Vor drei Jahren war keine Spur davon zu bemerken. Der Rechtsschutzverein ist ur⸗ sprünglich unter einer ganz anderen Flagge gesegelt, aber er ist all⸗ mählich in das socialdemokratische Fahrwasser übergegangen. Die Arbeiter müssen verwirrt werden, wenn sie in den Versammlungen immer die Aufhetzereien der socialdemokratischen Agitatoren hören und in dem socialdemokratischen Blatt „Schlägel und Eisen“ soecialistische Anschauungen vertreten finden. Es kann nicht geleugnet werden, daß die Bergwerksverwaltung diesem Treiben mit verschränkten Armen zugesehen hat. Den Arbeiterausschüssen sind zum theil große autoritative Befugnisse eingeräumt, nicht bloß in Bezug auf die Reglements u. s. w., sondern namentlich auch in Bezug auf den einzelnen Mann. Es kann sich infolge dessen niemand dem Einfluß der Arbeiterausschüsse, die durch geheime Wahlen gewählt sind, entziehen. Die ganze Be— wegung, hat an Kraft gewonnen, weil die Bergbehörden nicht an der richtigen Stelle eingesetzt und nicht bei Zeiten mit der nöthigen Energie aufgetreten sind. In den benachbarten Kohlendistricten denkt kein Mensch an einen Strike, die Leute sind nicht bloß ruhig, sie sind auch zufrieden, weil sie fühlen, daß die Arbeitgeber, wenn sie die wirthschaftlichen Verhältnisse im Auge hätten, die Löhne noch mehr reduziren müßten. Sie sind sogar dankbar, weil sie das Gefühl haben, daß eine feste Hand an der Spitze steht, welche nicht bloß sie bei Vergehen niederhält, sondern die sie schützt gegen den Terrorismus solcher Arbeiter, welche sie an der Arbeit hindern wollen. Glauben Sie nicht, daß die Zunahme der Strikenden Lie Folge einer besonderen Aufregung gewesen ist. Nein, sie war die Folge der abfoluten Schutzlosigkett der Arbeitenden auf den anderen Gruben. Die Proclamatlon der Strikenden bedrohte die Arbeite lustigen. Wenn die Zahl der Strikenden in den letzten Tagen abgenommen hat, so ist das dem Einschreiten der Gendarmerie zuzuschreiben, die überall da, wo sie erscheint, die Arbeitenden vor den Strikenden schützt; doch wagen die Arbeiter nur am Tage einzufahren, die Nacht⸗ schichten haben noch nicht wieder besetzt werden können. Im Anfang waren die wenigen Gendarmen nichf genügend zum Schutz, da der Ausstand sowohl die Bergwerksverwaltung als auch viele andere Leute vollständig überrascht hat. Jetzt ist Hilfe herangezogen. Ich weiß, daß vielen Leuten, welche gedient haben, die Schamröthe ins Gesicht gestiegen ist, daß sie sich wie Zuchthäusler von Gendarmen in die Grube führen lassen müssen. Sie beklagten sich mit Recht darüber, daß ihre eigenen Arbeitgeber nicht im stande waren, sie ohne Polizei zu schützen. Ich glaube, die Privatbesitzer hätten sich in diesem Falle nicht an die Polizei gewendet. Wenn gleich am ersten Tage die Bergverwaltung die Aufforderung an die Bergleute gerichtet hätte: Wer binnen drei Tagen die Arbeit nicht wieder auf ⸗ nimmt, ist definitiv entlassen, — dann hätte sich der Ausstand im Sande verlaufen. Die ganze öffentliche Meinung ist mit mir der⸗ selben festen Ueberzeugung. Die Privatgruben haben die contract⸗
brüchigen ausständigen Arbeiter sofort aus ihren Arbeiterwohnungen
entfernt. Die staatliche Bergverwaltung hat aber den Kündigungo—⸗ termin dafür innegehalten. Zehn Tage unf wartete die Staalz⸗ , dann schickte sie o0 Leuten den Abkehrschein. Ich ver. trete den Grundsatz, daß der Staat ebenso, wie jeder Arbeitgeber, berechtigt ist, Jeden, der soclaldemokratischen Tendenzen Vorschuß leistet, aus seinem Geschäft zu entfernen. Wenn heute noch daz Soeialistengesetz bestände, wenn der § 163 der Gewerbeordnung in der vorgeschlagenen Fassung angenommen wäre, dann könnte man auch soclalistische Agltatoren in den Betrieben beibehalten. Meiner Ansicht nach läßt sich an diesen Zuständen nur dadurch etwas ändern, daß der Staat wie der Privatarbeitgeber den revolutionären Bestrebungen der Socialdemokratie ent egentritt. Kann das der Staat nicht, dann muß er seiner— * aufhören, Arbeitgeber zu sein. Dann mag er die Kohlengruben berkaufen., aber dann auch erst recht die Eisenbahnen. Denn wenn dasselbe, was jetzt bei den Gruben passirt, auch bei den Eisenbahnen passiren sollte, dann wären wir vollständig ruinirt. Die zu große socialistische Rücksichtnahme auf die Arbeiter führt absolut zum Schiffbruch. Ich bin nach wie vor der Ansicht, daß unsere Arbeiter— schutzgesetzgebung eine nützliche ist. Aber diese Gesetzgebung muß, wenn sie wirksam sein soll, eine scharfe Repression der Socialdemokratie zur Seite haben, damit nicht die Vortheile, welche den Arbeitern zuge— wendet werden, von den socialdemokratischen Agitatoren in das Gegen— theil verkehrt werden. Der Staat muß außer materiellen Vor— theilen dem Arbeiter auch Ruhe und Frieden schaffen. Ich behaupte, daß alle Wohlthaten der n n,, ,, ,. vollkommen ver⸗ schwinden, wenn sie nicht den freien Arbeiter schützen kann gegen den Terrorismus des Strikes. Ich beantworte die Interpellation dahin: der Staat wird am besten in der Lage sein, für eine verbesserte Arbeitsgelegenheit zu sorgen, wenn er zunächst wieder ein Socialisten⸗ gesetz einbringt, oder wenn dies nicht zu stande kommen sollte, muß er im Wege der Selbsthilfe allen socialdemokratischen Bestrebungen fester und energischer als gegenwärtig entgegentreten.
Königlich preußischer Handels-Minister Freiherr von Berlepsch:
Meine Herren! Es kann nicht meine Absicht sein, die Frage, die in der Interpellation gestellt wird, zu beantworten, wohl aber muß es meine Absicht sein, näher einzugehen auf die in den Saar, brückener Gruben ausgebrochenen Strikes.
Meine Herren, der erste Herr Redner hat bemerkt, der Saarbrückener Ausstand sei ein Zeichen dafür, wie die preußische Regierung ihr Verhält⸗ niß zu ihren eigenen Arbeitern auffasse; er hat erwähnt, daß der Ausbruch dieses Strikes zu einer so ungünstigen Zeit ein Zeichen dafür sei, daß die Noth auf das höchste gestiegen sei, daß die Erbitterung eine allgemeine sei, daß Männer, Weiber und Kinder sich vereinigt haben und die Arme hilflos in die Höhe streckten, um schließlich zum letzten Mittel, das ihnen in ihrer Noth übrig blieb, zum Ausstand, zu greifen. Meine Herren, wie wir bereits von dem Herrn Vertreter der Reiche regierung wie auch von dem Herrn Vorredner gehört haben, ist diese Behauptung nicht nur eine unrichtige, sondern sie hat überhaupt nicht den mindesten Grund und Boden. Ich werde mir erlauben, diet nachher noch des näheren nachzuweisen.
Die eigentliche Ursache dieses Strikes ist für mich ganz außer jedem Zweifel die, daß der Vorstand des Rechtsschutzvereins im Saargebiet die Empfindung hatte, daß seine Macht nach und nach ihm aus den Händen ginge, er hatte die Empfindung, daß etwat Besonderes geschehen müßte, um diese Macht zu stärken, und dieses Besondere fand er in einem Ausstande. Er wählte den gegenwärtigen Augenblick, weil sich Differenzen zwischen Arbeiterausschüssen und Berg— werksverwaltung zeigten über die am 1. Januar d. J. neu in Kraft getretene Arbeitsordnung. Er hatte wahrgenommen, daß eine gewisse Erregung über einige Bestimmungen dieser neuen Arbeitsordnung in der Belegschaft vorhanden sei, und nahm nun seiner— seits an, daß diese Erregung stark genug sei, um ihn in seiner Absicht zu tragen, einen allgemeinen Ausstand im Saargebiet hervorzurufen. Die Belegschaft folgte allerdings in einer überraschend großen Zahl dieser Agitation des Vorstandes des Rechtsschutzvereins; es legten am ersten Tage gleich 26 000 Mann der an 30 000 Mann betragenden Belegschaft ohne Kündigung die Arbeit nieder, und zwar einschließlich des Maschinenpersonals der Gruben, deren Arbeit unerläßlich noth— wendig ist, wenn die Gruben nicht ersaufen sollen. Ohne ihre Thätig⸗ keit würde die Arbeit in denselben auf lange Zeit unmöglich gemacht werden. Daß die Belegschaft den Verlockungen des Vorstandes des Rechtsschutzvereins folgte, schiebe ich zunächst darauf, daß die Erregung, die seit dem Jahre 1889 unter den Bergleuten vorhanden war, heute noch nicht vollständig beseitigt ist, sodaß ein kleiner Funke an vielen Stellen dazu genügt hat, diese Erregung trotz der verlaufenen Zwischen— zeit wieder von neuem auflodern zu lassen, und daß, wie bereits er wähnt ist, eine Mißstimmung sich über einzelne Bestimmungen der neu zu erlassenden Arbeitsordnung gezeigt hat. Die Belegschaft folgt den Verlockungen der Führer des Rechtsschutzvereins, ohne sich zu ber= gegenwärtigen, daß der Ausstand von vorn herein ein völlig aussicht: loser ist. Die geringste Ueberlegung hätte den Führern und den Ver⸗ führten das sagen müssen. Daß sie trotzdem den Lockungen ihrer Führer folgten, das ist meines Erachtens ein Beweis des unglaublichsten Leichtsinns und der unglaublichsten Unkenntniß der Sachlage, auf der anderen Seite ein Beweis der Frivolität und des Verbrechens der Führer, die diesen Ausstand provocirt haben. (Sehr wahr! rechts
Meine Herren, senst, wenn wir von Ausständen gehört haben hat es sich darum gehandelt, daß gestrikt wird wegen zu niedriger Löhne oder wegen zu langer Arbeit oder wegen zu großer dãrte der Arbeitsbedingungen oder wegen schlechter Behandlung seitent der Vorgesetzten. Ich muß mir gestatten, auf jeden einzelnen dieser Punkte mit ein paar Worten einzugehen. ;
Was die Löhne unserer Bergleute in den fiscalischen Gruben betrifft, so betrugen dieselben seit Anfang vorigen Jahres folgende Summen. Ich stelle voran die durchschnittlichen Löhne der untet Tage beschäftigten Häuer, die im Durchschnitt etwa 2 Yo der Ge sammtbelegschaft ausmachen. Diese Löhne betrugen für die Schick im Januar v. J.: 4,91 „, im Februar 4,83, im Mãärz ht 6. alles im Durchschnitt — im April 4582, im Mai c,5, im Juni 4! im Juli 460, im August 469, im September g,5I, im Oktober 455 und im November 442 M Ich will bemerken ö. hiervon ein Betrag abgeht für die Kosten des Lampenöls mit 004 ö. also mit 4 3 für die Schicht, und da Gezähe mit 2 , on,. sammen 6 5. Außerdem rechnet man gewöhnlich noch ab e. ge trag, der für die Knappschaft bezahlt wird, der 25 3 be,, d. Schicht, obgleich man mich fragen könnte, warum man hier einen 1 2 berechnen soll; denn die Verausgabung dieser 25 3 ist Entgelt für as Zugehörigkeit zur Knappschaftskasse, welche die ausgiebigste de, n. im Fall der Krankheit, des Unfalls, bei Alter und Invalidität 3 außerdem die Pension für die Wittwen und Waisen bezahlt. a. . i
Entgelt bon 2. 3 für die Schicht ist meines Erachtens nicht
solcher anzusehen, welchen man gerechter Weise abziehen muß, wenn man den Nettolohn der Arbeiter berechnen will. Danach kommt von meinen Angaben nur ein Abzug von 6 3 in Betracht für das Lampenöl und für das Gezähe.
Ich gestatte Durchschnitt Schlepper mit beträgt in den verschiedenen Monaten vom Januar v. J. an: — 406 — 4,06 — — 3,93, im Oktober 3,900 und im November 3,82. abzurechnen der Knappschaftsbeitrag, nicht aber bei Allen die Kosten des Lampenöls und des Gezähes, weil dies nur für die unter Tage be— schäftigten Arbeiter überhaupt in Betracht kommt.
Meine Herren, es darf wohl constatirt werden, daß die Höhe dieser Löhne nicht nur befriedigend ist, sondern über das Maß dessen hinausgeht, was an anderen Stellen im Durchschnitt irgend einer industriellen Belegschaft in Deutschland gezahlt wird. Ich will be— merken, daß der Rückgang der Löhne vom Januar bis November d. J. im Zusammenhang steht mit dem Rückgang der Kohlenpreise und daß der Rückgang der Kohlenpreise von ihrem höchsten Stand im dritten Vierteljahr 1890/91 bis heute 12,40 / beträgt, während der Rückgang der Löhne von der Zeit an, wo sie am höchsten standen, im ersten Vierteljahr 1891/92 nur 7,3 0 beträgt.
Der Gesammtpverdienst der Arbeiter in den fiscalischen Gruben von Saarbrücken beträgt für die ersten drei Vierteljahre des Jahres 1892 — für das letzte hat es noch nicht genau berechnet werden können — im Durchschnitt pro Kopf 797 , der gleiche Betrag im Ober Bergamt Dortmund 730 „, in Niederschlesien 557, in Oberschlesien 00 6 Rechnet man unter Annahme gleicher Verhältnisse den Lohn füt das letzte Vierteljahr hinzu, so hat während des ganzen Jahres
Bergarbeiter sämmtlicher ant Dortmund beziffert sich der Niederschlesien auf 742, 66 „S6, in Oberschlesien auf 666, 6 „MC
Nun, meine Herren, ist ja vielfach behauptet worden, daß diese Durchschnittszahlen ja zugegeben werden mußten, sie können nicht wohl geleugnet werden, da sie auf amtlichen Nachweisen beruhen, daß in vielen einzelnen Fällen aber doch andere Zahlen herauskämen, es sein von einer ganzen Menge von Bergleuten in den fiscalischen wonach die
sämmtlichen Arbeitslöhne Jugendlichen Dieser Lohn
vorzuführen, eingerechnet
3,96 — 3,97 — Hier ist wieder
Saarbrücken Ober⸗Berg⸗ Betrag auf
beigebracht,
Behauptung Verwaltung dieser Behauptung sofort nachgegangen, und ich will mir gestatten, Ihnen einige Beispiele aufzuführen. In einer Versammlung, Januar in Saarbrücken, in Altenkessel stattfand, an der sich ach Bergmannsfrauen betheiligt hatten neue bedauerliche Erscheinung ist, die bisher noch nicht beobachtet an den Verhandlungen sammlungen der Bergleute betheiligten — hatte eine Bergmannsfrau Werth bemerkt, daß sie von den Hungerlöhnen, die ihr Mann verdiente, nicht leben könnten, sie sei gezwungen gewesen, einen kleinen Butter handel anzulegen, um damit sich und die Ihrigen durchbringen zu Die Verwaltung hat sofort nachgesehen, wieviel die Löhne der Frau Werth betrugen: A Schichten verfahren und pro Schicht 4 S 23 3, im September W Schichten und 4 ( 56 , im Oktober 26 Schichten und 4 M 5 3, im November 23 Schichten und 5 M 73 3 verdient. Das ist der ne Fall der Hungerlöhne. Bald darauf hat sich ein ähnlicher Fall zu⸗ getagen in einer Versammlung, die in Saarbrücken am 10. Januar d. J. stetfsand. Hier hat eine Frau Kartes ebenfalls die Behauptung auf— gestellt, daß sie Hungerlöhne erhielten, mit denen eine Familie nicht Es wurde nun nachgesehen, wieviel Herr Kartes, Kartes hat im September 4 S 70 4 fir die Schicht bekommen, im Oktober 4 1 36 , im November Nebenbei erwähne ich, daß noch eine andere Frau sich höchst ungehalten über ihre Lebensverhältnisse ausgesprochen hat, die Wittwe eines Bergmanns, die aus der Knappschaftskasse eine Unfallrente bezog. Sie hat natürlich in der Versammlung über die Höhe ihrer Einnahmen keine Angaben gemacht. Diese Frau bezieht eine monat— liche Unfallrente von 68 S½ und 60 „. meine Herren, damit kann ich wohl die Lohnfrage verlassen. Ich glaube, daß der Nachweis geführt ist, daß die Behauptung, die fisca— lischn Bergarbeiter erhielten Hungerlöhne, eine unerhörte Lüge ist. Ich glaube ferner behaupten zu dürfen, daß die Behauptung, die Bergleute im Saarbrücker Revier seien schwarze Lohnsklaven, derselben Bezeichnung unterfällt, die ich mir soeben zu gebrauchen gestattet habe. Meine Herren, wir kommen nun zur Frage der Arbeitszeit. Saarbrücken
— ich bemerke, daß das eine
daß die Frauen
des Mannes
auskommen könnte. der Ehemann verdient hat.
464M 34 5.
(Hört, hört! rechts.) Ja,
(Lebhafter Beifall.)
achtstündige Saarbrücker . Arbeitszeit, Stunden, zum theil zehn Stunden. Im Laufe von drei Jahren ist ls die Arbeitszeit zurückgegangen auf acht Stunden wirkliche Arbeits« leit. Dabei ist eingerechnet die Zeit, die vergeht von der Beendigung der Einfahrt bis zum Beginn der Ausfahrt; es ist also nicht ein—⸗ gerechnet die Zeit, die der Bergmann braucht, um auf der Schale bom obern Ende des Schachts bis zum untern Ende zu gelangen. In der Arbeitsordnung, die nunmehr am 1. Januar d. J. in Kraft ge⸗ treten ist, ist nicht etwa eine Verschlechterung, wie man glauben machen will, in dieser Beziehung eingetreten, sondern gegen den bis⸗ herigen Zustand eine, wenn auch unbedeutende Verbesserung. Es jetzigen Arbeitsordnung, icht Stunden zu betragen habe, daß die Schichtzeit inclusive Ein⸗ u lahr neun Stunden zu betragen habe, daß sie aber nie . neun Stunden betragen soll, sodaß also, wenn die Ein⸗ nd Ausfahrt mehr als eine Stunde beträgt, das Plus, was aller⸗ iht wwe unbedeutend sein wird, von der eigentlichen Arbeitszeit der rain kunden noch in Abzug kommt. Ich mache dabei darauf auf⸗ ö am, daß in dieser reinen Arbeitszeit von acht Stunden nicht ein— driffen ist der Weg, den der Bergmann zurücklegt von dem Ende Schachtes bis zu dem Ort, wo er angelegt ist, was unter Um— den auch noch eine ziemlich lange Zeit beträgt, sodaß die Arbeit, ende Arbeiter mit der Keilhaue in der Hand verrichtet, noch erheblich verringert.
darf wohl behaupten, daß, wenn man nicht auf dem akt des Normalarbeitstages von acht Stunden steht, wenn
reine Arbeitszeit
i der betreff
licht kurze Arbeitszeit, die sich noch mit den Betriebs verhältnissen verträgt, das möglichste in den fiskalischen Betrieben des Saarreviers geleistet ist, daß also alle diejenigen Be⸗ hauptungen, die dahin gehen, daß eine unerhörte Bedrückung der Leute in Bezug auf Arbeitszeit stattfinde, aus der Luft gegriffen sind und ebenfalls der Bezeichnung unterliegen, die ich vorhin gebrauchte.
Es ist weiter als Grund der Bewegung angeführt worden die Normirung der Arbeitsbedingungen, wie sie sich in der Arbeitsordnung, die am J. Januar d. J. erlassen ist, darstellen. Meine Herren, diese Arbeitsordnung enthält in ihrem größten Theil Bestimmungen, die auch in der alten Arbeitsordnung vorhanden waren und nicht berührt worden sind, weil über sie eine Meinungsdifferenz auch zwischen den Arbeitsausschüssen und der Verwaltung nicht besteht.
Die wesentlichste Differenz, die sich herausgestellt hat, ist die Frage der sogenannten Lehrhäuer. Die fitealische Bergverwaltung in Saarbrücken ist der Meinung gewesen, daß es nothwendig sei, zwischen dem Verhältniß der Schlepper, also Eder im ganzen jugendlichen Arbeiter, und zwischen dem der eigentlichen Vollhauer, derjenigen, die gewissermaßen als die verantwortungsvollsten Arbeiter anzusehen sind, eine Zwischenkategorie einzuschieben, eine Art von Gesellen. Diese Einrichtung hat die Absicht, zunächst die jugendlichen Elemente unter die Aufsicht der älteren zu stellen, weil es eine ganz bekannte Erscheinung ist, daß von Jahr zu Jahr in unserer Arbeiter⸗ schaft die jugendlichen Elemente sich dazu neigen, die Oberhand zu gewinnen und ihrerseits eine Pression nicht nur auf ihre Vorgesetzten und die Verwaltung, sondern auch auf ihre älteren Collegen auszuüben. Die Bergverwaltung ging davon aus, daß es gerathen ist, diesem Streben einen Damm entgegenzusetzen und die Autorität der älteren Leute auch äußerlich dadurch zu wahren, daß man ihnen ausschließlich den Charakter als Vollhäuer beigelegt hat, dagegen den jugendlichen Leuten die Eigenschaft als Schlepper und Lehrhäuer.
Die Bestimmung hat aber noch die Absicht, die leider in größerer Zahl vorkommenden Unglücksfälle auf den Gruben zu vermindern. Es ist eine bekannte Thatsache, daß die größte Zahl der Unglücksfälle auf den Gruben nicht durch das Schießen, durch Explosionen der Wetter in den Gruben, sondern durch Steinfall hervorgerufen wird, der dadurch entsteht, daß in unvorsichtiger Weise gearbeitet wird und das nachfallende Gestein dann die Leute verletzt. Um das zu ver⸗ hindern, ist es nothwendig, daß nur Arbeiter, die eine gewisse Reife an Alter und an Erfahrungen haben, zur Häuerarbeit zugelassen werden, und es ist deshalb bestimmt worden, daß, wenn die Schlepperzeit vorbei ist, dann erst eine Zeit von zwei Jahren zurückgelegt werden soll, in der der Lehrhäuer unter Aufsicht des Vollhäuers bei der eigentlichen Gewinnung der Kohle arbeitet, innerhalb deren er nachweisen soll, daß er künftig ohne Aufsicht diese Arbeit leisten kann, ohne Unglücksfälle zu verursachen.
Das ist der Sinn dieser Bestimmung. Ich will noch bemerken: sie befindet sich durchaus in Uebereinstimmung mit den im preußischen Abgeordnetenhause im vorigen Jahre bei Berathung des Berggesetzes geäußerten Wünschen. Die Bergverwaltung hat geglaubt, eine solche Bestimmung nicht in das Gesetz aufnehmen zu können, weil die Lage in den verschiedenen Bergwerken eine durchaus verschiedene ist und eine für alle passende einheitliche Anordnung sich nicht treffen ließ; sie hat es aber für ihre Psticht gehalten, wo nach den Verhältnissen der fiscalischen Betriebe es nicht bloß angezeigt, sondern im Interesse der Sicherheit es sogar geboten ist, ohne weitere gesetz⸗ geberische Maßnahmen abzuwarten, in die Arbeitsordnung eine diese Frage betreffende Bestimmung aufzunehmen, und diese Bestimmung wird auf alle Fälle in der Arbeitsordnung stehen bleiben.
Sodann ist bemerkt worden, daß schlechte Behandlung der Leute sehr häufig vorkomme, daß sie zu barsch angefahren würden u. s. w. Meine Herren, ich bin natürlich nicht in der Lage zu controliren, ob das hier und da vorgekommen ift. Seit den drei Jahren aber, wo ich die Ehre habe, die Bergwerke des preußischen Staats in oberster Leitung zu verwalten, ist in meine Hand nicht eine einzige Beschwerde seitens eines Bergmanns wegen schlechter Behandlung in den fiscalischen Betrieben gelangt. Ich kann daraus also nur den Schluß ziehen, daß auch in dieser Behauptung eine ganz eolossale Uebertreibung liegt.
Der Herr Abg. Liebknecht hat zum Belege des — ich dlaubte er sagte: brutalen Tons, den die Vorgesetzten den Bergleuten gegenüber anzuschlagen belieben, ein Telegramm erwähnt. Ich glaube nicht, daß er die Stelle erwähnt hat, von der dieses Telegramm aus— gegangen ist. Es soll auf eine Bitte, eine Verhandlung zu gestatten, keine andere Antwort ertheilt sein als die Worte: Erst anfahren, dann verhandeln! Meine Herren, ich bestreite, daß ein solches Tele⸗ gramm überhaupt ergangen ist.
Während des Strikes hat als mein Commissar in Saarbrücken sich zeitweise der Ober-⸗Berghauptmann Freund aufgehalten. Ich habe ausdrücklich mit ihm Rücksprache genommen, und er giebt an, er müßte von einem solchen Telegramm Kenntniß bekommen haben, es sei ihm aber nichts davon bekannt. Ich erwarte von Herrn Liebknecht die Angabe derjenigen Stelle, von der aus dieses Telegramm er⸗ gangen ist.
Meine Herren, sachlich ist dies Telegramm völlig richtig nach Lage der Dinge (sehr richtig! rechts, das kann garkeinem Zweifel unterliegen; formell: darüber läßt sich vielleicht streiten. Aber, wie gesagt, man müßte doch erst wissen: hat wirklich nur das darin gestanden? ich bestreite es; wahrscheinlich hat darin gestanden: ich kann mit euch nicht verhandeln, weil ich euch nicht als die Delegirten der Belegschaft ansehen kann; die Belegschaft mag erst anfahren, dann will ich mit euch verhandeln. So wird es gelautet haben, und ich muß abwarten, ob die Herren in der Lage sind, uns zu sagen, von welcher Stelle dieses angeblich aus zwei Worten bestehende Telegramm ergangen ist. Ich wiederhole aber, sachlich ist es, wie die Dinge mal
liegen, durchaus begründet.
Nun, meine Herren, glaube ich doch nach diesen Ausführungen
constatiren zu dürfen, daß weder nach der Richtung der Löhne, noch nach der der Arbeitszeit, noch nach der der Arbeitsbedingungen und endlich noch nach der der Behandlung der Bergleute irgend ein Grund für die Belegschaft vorlag, in den Strike einzutreten, und trotzdem ist es den Führern des Saarbrückener Rechtsschutzvereins gelungen, 30 000 an und für sich, wie ich dem Herrn von Stumm voll⸗ ständig zugebe, in der Mehrjahl ruhige und verständige Bergleute in diesen Strike hineinzuziehen. Ich wiederhole: es ist meine bestimmte Ueberzeugung, daß es nur dadurch möglich geworden ist, daß die Erregung, die vom Strike von 1889
nichts weiter will, als
in der Belegschaft noch nicht getilgt ist, heute noch wirksam ist
und bei geringen Anlässen wieder in Flammen auflodert. Aehnliches hat sich im Verlauf der vergangenen drei Jabre wiederholt gezeigt; es ist ja jetzt nicht das erste Mal, daß es geschieht. Aber wunderbar bleibt es doch, daß es den Führern des Rechtsschutzvereins ge= lungen ist, diese Bewegung hervorzurufen, namentlich, wenn man sich vergegenwärtigt, wer und was denn diese Führer sind. Es liegt mir fern an dieser Stelle in eine Charakteristi der einzelnen Persönlichkeiten einzugehen; aber unerwähnt kann ich es nicht lassen, daß heute die vier namhaftesten Führer des Rechtsschutz⸗ vereins wegen Unterschlagung von Vereinsgeldern verhaftet sind. (Hört! hört h
Meine Herren, Unterschlagung an sich wäre ja nicht schön, aber Unterschlagung von Geldern, welche die Kameraden ihnen anvertraut haben, um ihre Lage zu verbessern, um sie im Nothfalle auch bei einem Strike zu unterstützen, das ist denn doch noch stärker, Ich bin der Ansicht, ein derartiges Verfahren ist — es fehlen mir die parlamentarischen Ausdrücke für die Bezeichnung der Sache; ich verzichte darauf; ich bin ganz überzeugt, ich befinde mich hier durchaus in Uebereinstimmung mit dem ganzen Hause, ja, ich glaube, sogar mit den Herren Soeialdemokraten.
Nun, meine Herren, ob diese Führer des Rechts schutzdereins Socialdemokraten sind oder nicht, das ist ja heute auch erörtert worden. Meiner Ansicht nach sind sie es zum größten Theil zweifellos. Es kann sein, daß der eine oder andere es nicht ist; der größte Theil ist es. Ich muß allerdings eine Einschränkung dabei machen: sie sind es, soweit sie überhaupt wissen, was sie sind. Das ist mir allerdings bei einigen der Leute zweifelhaft, und namentlich ist mir das zweifelhaft bei dem Rechtsconsulenten, der sich neuerdings am Saar⸗ brückener Rechtsschutzverein betheil igt. (Zurufe bei den Socialdemokraten. Der betreffende Herr hat bezüglich seiner Anschauungen eine Ver⸗ öffentlichung von sich gegeben — ich kann mich augenblicklich nicht besinnen, wo —, in der steht, daß seine politische Auffassung einer politischen Partei noch nicht zugereift“ sei. (Heiterkeit) Ob dieser Reifezustand überhaupt jemals eintreten wird (Heiterkeit), das weiß ich ja nicht; wenn er aber eintritt, dann fällt die Frucht den Herren Socialdemokraten in den Schooß (lebhafte Zurufe der Social⸗ demokraten), sie mögen wollen oder nicht. Ich gratulire Ihnen dazu.
Meine Herren, der Führer des Rechtsschutzvereins, der jetzt auch wegen Unterschlagung verhaftet ist, wegen Unterschlagung von Geldern seiner Kameraden, Herr Warken, hat unter vielen schwülstigen und unverständlichen Reden — der Herr Abg. von Stumm hat unter anderen eine Proclamation verlesen, die ihrer Ausdrucksweise wegen kaum verständlich ift — in einer Versammlung die Bergleute dahin apostrophirt, daß sie unter dem Motto „Wahrheit, Freiheit und Recht“ in diesen Ausftand ein⸗ treten möchten; unter diesem Motto könne der Sieg nicht ausbleiben. ; Meine Herren, die „Wahrheit“ hätte er besser Lügen nennen sollen. Er hat damit angefangen, die Lüge aufzustellen, daß die Be— legschaft der Direction rechtzeitig gekündigt habe. Meine Herren, das ist eine Unwahrheit. Weder haben die Einzelnen gekündigt was ja um eine Rechtswirkung zu effectuiren, unerläßlich nothwendig wäre noch hat der Rechtsschutzverein gekündigt.
Zweitens hat er behauptet, daß die Lage nie so günstig gewesen sei wie augenblicklich, um den Strike durchjusetzen. Selbst einem so wenig klaren Kopf kann es doch nicht unklar sein, daß es nie eine ungünstigere Zeit zum Strike gegeben hat als augenblicklich Sehr richtig) Jeder weiß, daß die Ansprüche der Industrie an Kohlen heute auf ein verhältnißmäßig außerordentlich geringes Maß herunter⸗ gegangen sind. Jedermann dort wußte, daß in den Salden und im Hafen von Saarbrücken ungeheure Vorräthe von Kohlen liegen. Das war allgemein bekannt. Trotzdem behauptet dieser Führer des Rechte schutzvereins, daß niemals so günstige Auspizien für den Strike da waren, wie jetzt.
Ja, meine Herren, er ist mit seinen Wahrheiten auch noch in andere Gebiete gegangen. Es ist mir bekannt, daß er sich mit Ober⸗ schlesiern in Verbindung gesetzt hat, in der Hoffnung, dort einen Strike zu provoeiren, was glücklicherweise bis jetzt nicht gelungen ist. Ich will beiläufig bemerken, daß der Strike in Oberschlesien heute nicht mehr als vorhanden anzusehen ist; ob er wieder ausbrechen wird, weiß ich nicht; aber jedenfalls der erste Versuch ist nicht ge⸗ lungen. Also diese Verbindung, welche er dort hat, hat er wiffen lassen, sie mögen doch in den Strike eintreten, sie würden aus den reichen Quellen, die ihm zur Verfügung ständen, vollauf Unterstützung finden. . War das Wahrheit, meine Herren? Das bezweifle ich. Wenn dieser Mann davon spricht, daß unter dem Motto Freiheit“ die Bergleute ihre Bewegung fortsetzen sollten, so ist auch das das Gegentheil von dem, was, jedenfalls auf seine Anregung hin, stattfindet: der größte Zwang findet dort statt, Zwang gegen alle diejenigen, die zur Arbeit gehen, in einer, wie Herr von Stumm ganz richtig erwähnt hat, un= erhörten und unerlaubten Weise!
Wenn dieser Mann weiter sagt, daß das Recht Führer und Leiter sei, so ist das unrichtig, falsch, das Gegentheil von Wahrheit. Mit dem Contractbruch, einem Rechtsbruch, hat die ganze Bewegung begonnen!
Wenn also Herr Warken anstatt der Worte „Wahrheit, Freiheit und Recht“ die Worte „Lüge, Zwang und Rechtsbruch“ gesetzt hätte, dann würde er Recht haben. (Lebhafter Beifall. — Dh bei den Socialdemokraten.)
Nun, meine Herren, wie hat sich dieser Frage gegenüber die preußische Bergwerksverwaltung verhalten? Nach den Anführungen des Herrn von Stumm halte ich mich ganz besonders für berufen, an dieser Stelle für sie einzutreten, um den Schein nicht aufkommen zu lassen als ob in dem Verhalten der Bergwerksberwaltung und zwar in ihrem direeten und indirecten Verhalten eine Ursache zu dem Strike
und für die nicht baldige Beilegung dieses Strikes zu suchen wäre.
Meine Herren, ich will hier voraus bemerken: ich bin der
Meinung, daß die Details dieser Frage im preußischen Landtage zur Verhandlung kommen müssen.
Ich bin der Meinung, die Bergwerksdirection ist mit ihren
Vorgesetzten dem König für ihr Verhalten verantwortlich, und das preußische Abgeordnetenhaus und das preußische Herrenhaus sind der Ort, wo die Landesvertretung berechtigt und verpflichtet ist, diejenigen Mängel zur Sprache zu bringen, die sie bei der preußischen Verwaltung wahrgenommen zu haben glaubt. Meiner Meinung nach habe ich in Details über diese Fragen hier nicht einzugehen. Ich kann trotzdem aber,
nachdem sie in so ausführlicher Weise hier behandelt worden ist