1893 / 17 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 19 Jan 1893 18:00:01 GMT) scan diff

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Nothfällen gestattet, eine in der Regel genügende Handhabe bietet, um bei plötzlichen Erkrankungen und ähnlichen unvorhergesehenen Ge⸗ legenheiten Eis kaufen zu können. .

Auf Grund derselben Erwägung haben wir für den Handel mit chirurgischen Instrumenten, Bruchbändern und dergleichen Heilmitteln die Zulassung von Ausnahmen auf Grund des § 105 e a. a. O. nicht für erforderlich erachtet.

4) Eure Excellenz wollen Sich ferner darüber äußern, ob ein Bedürfniß für den Verkauf von Zeitungen und Reiselectüre an Sonn⸗ und Festtagen auf den Bahnhöfen anzuerkennen ist.

5) Durch Ziffer IV 2 unserer Ausführungsanweisung sind. die unteren Verwaltungsbehörden ermächtigt worden, bei öffentlichen Festen ꝛc. und für Ortschaften, in denen durch Fremdenbesuch ein gesteigerter Verkehr veranlaßt wird, das Hausiren mit Blumen, Back⸗ waaren, geringwerthigen Gebrauchsgegenständen, Erinnerungszeichen und ähnlichen Gegenständen zuzulassen. Da sich ein ,, . Bedürfniß für Wurstwaaren, geräucherte Fische und Obst herausgestellt hat, so ermächtigen wir die unteren Verwaltungsbehörden hierdurch, unter den g. a. O. gedachten Voraussetzungen auch das Hausiren mit Obst, Wurstwaaren, Fischen und sonstigen Lebensmitteln zu gestatten.

Ob ein Bedürfniß sich geltend gemacht hat, den unteren Ver⸗ waltungsbehörden in noch weiterem Umfange die Ermächtigung zur Zulassung von Ausnahmen von dem Verbote des § 55a der Gewerbe⸗ ordnung zu ertheilen, darüber wollen wir Eurer Excellenz gefälligen Vorschlägen ergebenst entgegensehen. ;

Falls Eure Excellenz zur Erledigung dieses Erlasses die Anhörung Betheiligter für geboten halten, so wollen Sie gefälligst solche auch aus den Kreisen der Handlungsgehilfen vernehmen lassen.

Die aus der dortigen Provinz hierher gelangten Eingaben und Berichte der Regierungs⸗Präsidenten über die Sonntagsruhe im Handelsgewerbe, soweit darauf ein Bescheid noch nicht ergangen ist, übersenden wir Eurer Excellenz hierbei zur gefälligen Berücksichtigung bei Erledigung dieses Erlasses. Für die Eurer Excellenz unter⸗ stehenden Regierungs⸗Präsidenten ist die erforderliche Zahl von Ab— drücken des Erlasses beigefügt.

Ein in Nr. 2 der „Amtlichen Nachrichten des Reichs⸗Versicherungsamts“ vom 15. Januar 1893 veröffentlichter Bescheid behandelt die Frage der Nach—⸗ weisung derjenigen Löhne, die bei Montage— Arbeiten an die Hilfsmannschaften gezahlt werden. Diese Löhne sind unter Umständen derjenigen Berufsgenossen— schaft nachzuweisen, welcher der Maschinenfabrikant als Mit— glied angehört.

kr. Z der Sonderausgabe der Amtlichen Nach— richten, Invaliditäts- und Altersversicherung, enthält ein Rundschreiben an die Vorstände der Invaliditäts— und Altersversicherungs⸗Anstalten, betreffend die Nachweisung über ihre Geschäfts- und Rechnungsergebnisse für das Jahr 1891 nebst zugehörigen Tabellen, sowie folgende bemerkenswerthe Bescheide:

Das Rechtsmittel des Widerspruchs nach § 1660 Abs. 3 des Invaliditäts- und Altersversicherungs⸗ gesetzes dient nur dazu, die Richtigkeit bereits beigebrachter Arbeitsnachweise beziehungsweise die Rechtmäßigkeit der Be⸗ lastung auf Grund von solchen zu beanstanden. Die Möglich keit, das vorhandene Material durch anderweite Arbeits— bescheinigungen zu vervollständigen, ist den betheiligten Ver⸗ sicherungsanstalten, soweit solches Material nicht bereits in den früheren Stadien des Verfahrens beigebracht ist, nur durch Geltendmachung des Vorbehalts nach § 160 Abs. 2 a. a. O. gegeben.

Der Umtausch verdorbener oder unbrauchbar gewordener Versicherungsmarken erfolgt nicht bei den Postanstalten auf den unmittelbar an sie ge— richteten Antrag des Publikums. Vielmehr bedarf es auch in diesen Fällen ebenso wie in denjenigen, in welchen die umzutauschenden oder einzulösenden Versicherungsmarken aus anderen Gründen nicht verwerthbar sind stets eines Antrages an den Vorstand der Versicherungsanstalt, der nach getroffener Entscheidung die Vermittelung der zuständigen Ober⸗ Postdirection zum Zwecke des Umtausches der verdorbenen oder unbrauchbar gewordenen Marken in Anspruch nehmen kann.

S. M. S. „Arcona“, Commandant Corvetten-Capitän Hofmeier, ist am 17. Januar in Port Said eingetroffen und beabsichtigt heute (am 19.) nach Aden in See zu gehen.

S. M. Kreuzer „Bussard“, Commandant Corvetten⸗ Capitän Flichtenhöfer, ist am 18. Januar in Auckland eingetroffen.

Sachsen⸗Coburg⸗Gotha. Ihre Hoheit die Herzogin hat sich, wie die „Cob. Itg.“ e zu längerem 2 Niz . meldet, gestern zu längerem Aufenthalt nach Nizza begeben. Heute sind Ihre Königlichen Hoheiten der Prinz und die Prinzessin Ferdinand von Rumänien in Coburg ein— getroffen.

Oesterreich⸗ Ungarn.

Wie die „Wien. Ztg.“ mittheilt, wurde der Erzherzog Franz Ferdinand von Oesterreich⸗-Este, der bei der An— kunft in Bombay bereits an Bord vom Gouverneur be⸗ willkommnet worden war, bei seiner Landung durch die Salut⸗ schüsse des Geschwaders und der Landbatterien begrüßt. Die Landungsstelle und die Straßen waren festlich geschmuͤckt; der Empfang war ein sehr herzlicher.

Die „Politische Correspondenz“ dementirt die von ver— schiedenen Blättern gebrachte Meldung über den Rücktritt des General⸗Inspectors der Infanterie Freiherrn von König, sowie die an die Meldung geknüpften Combinationen über Veränderungen in den hohen Commandostellen.

In Budapest ist am 17. d. M. der Fünfzehner⸗ Ausschuß zur Berathung der Congrua und der katho— lischen Autonomie zu seiner ersten Sitzung unter Vorsitz des Fürst⸗Primas Vaszary zusammengetreten. In der Eröffnungsrede führte, der „Wiener Presse“ zufolge, der

Fürst⸗Primas hinsichtlich der Autonomie, aus, seit dem

Jahre 1843 hätten sich die politischen und die Religionsverhältnisse umgestaltet. Die Lage des Katholicismus habe sich bei der gesetzlich ausgesprochenen Gleichheit und Reciprocität der recipirten Confessionen verändert. Auf politischem Gebiet habe die Ständeverfassung einer verant⸗ wortlichen parlamentarischen Regierung Platz gemacht, welche letzterer weder eine Staatsreligion, noch eine herrschende Religion anerkenne, und, da sie einer jeden der recipirten Confessionen gegenüber eine objective Stellung einnehmen

müsse, könne die nunmehrige Regierung jene Rechts- und Ver⸗ , welche die Regierung des früheren Systems ausgefüllt habe, unter den veränderten ,, ,. nicht aus⸗ füllen. Diese Umstände machten die katholische Autonomie zu einer Nothwendigkeit. Bei Verhandlung der Autonomie müsse aber einerseits die hierarchische Organisation der katholischen Kirche, andererseits das Patronatsrecht des apostolischen Königs im Auge behalten werden. Ferner seien die Intentionen der ungarischen Regierung in Betracht zu ziehen. Aus diesen Gründen müßten vorerst die Grundprincipien der Autonomie festgestellt werden und erst, wenn diese an competenter und competentester Stelle genehmigt sein würden, werde man zur Feststellung der Organisation selbst schreiten können.

Großbritannien und Irland.

Wie das „Reuter'sche Bureau“ in Bestätigung ander— weitiger Meldungen erfährt, begaben sich die Botschafter Rußlands und Frankreichs vorgestern nach dem Aus⸗ wärtigen Amt, um daselbst die Versicherung abzugeben, daß ihre Regierungen von den Vorgängen in Egypten nicht die geringste Kenntniß gehabt hätten. (Es war nämlich in englischen Blättern behauptet worden, der Ministerwechsel in Kairo sei auf den Einfluß Rußlands und Frankreichs zurück— zuführen. D. Red.)

Dem „Daily Chronicle“ zufolge hat die Regierung die Errichtung eines Arbeits-Departements beschlossen, das sehr weitgehende Befugnisse besitzen und mit dem Handels— Ministerium verbunden werden soll.

Frankreich.

In der Deputirtenkammer richtete gestern der De⸗ putirte Delonele eine Anfrage an die Regierung wegen der Vorgänge in Egypten und beantragte die Absendung eines französischen Geschwaders dorthin. Der Minister des Auswärtigen Develle erwiderte, er habe den Botschafter Waddington in London beauftragt, von der englischen Re⸗ gierung Aufklärungen wegen des auf den Khedive aus⸗ geübten Drucks zu erbitten. Die französische Regierung werde mit der größten Ruhe darüber wachen, daß keinerlei Angriff auf die Selbständigkeit der egyptischen Regierung ge⸗ macht werde. Der Zwischenfall war damit erledigt.

Der Finanz-Minister Tirard empfing gestern, wie W. T. B.“ meldet, eine Abordnung der Coulissiers, die

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das Ersuchen stellten, daß man ihnen gestatte, die geplante Börsensteuer unter demselben Titel zu zahlen wie die Wechsel⸗ makler, da sie sonst gradezu die Bediensteten der Wechselmakler würden. Eine solche Situation werde die Coulisse nicht an⸗ nehmen, das Verschwinden der Coulisse würde aber das von dem Pariser Markt auf 12 Millionen Franes veranschlagte Erträgniß der Börsensteuer beträchtlich vermindern.

Der Deputirte Delcasse hat das Amt des Unter⸗ Staatssecretärs der Colonien übernommen.

In dem Panama-⸗-Prozeß beendete gestern der General— Staatsanwalt scin Plaidoyer. Er suchte nachzuweisen, daß die vorgekommenen Betrügereien sämmtlichen Angeklagten, mit Einschluß Ferdinand von Lesseps, zur Last zu legen seien, und forderte eine strenge Bestrafung der Angeklagten. Eine Geld⸗ strafe würde ungenügend sein, die Gerechtigkeit fordere eine strengere Ahndung. Heute beginnen die Plaidoyers der Ver⸗ theidiger. Dem „Petit Journal“ zufolge würde der Untersuchungs⸗ richter Frangueville infolge des Ergebnisses des gestrigen Verhörs von Charles von Lesseps heute weitere zehn Deputirte vorladen lassen, die bisher in der Panama⸗ Affaire noch nicht beschuldigt waren.

Die Panama⸗Untersuchungs-Commission der Deputirtenkammer vernahm gestern einen Angestellten des Bankhauses Propper, der behauptete, nach dem Dictat Reinach's eine Liste derjenigen Personen geschrieben zu haben, die Panamagelder erhalten hätten. Reinach habe ihn auch eine Mittheilung zu Clémenceau tragen lassen, und es sei dies die⸗ selbe Mittheilung, die Andrieux der Commission übergeben habe. Im weiteren Verlauf der Sitzung wurde Clésmenceau ver⸗ nommen, der erklärte, er habe niemals eine schriftliche Mit— theilung, wie die, von der der Beamte des Bankhauses Propper gesprochen, erhalten, und Reinach habe zu ihm niemals etwas von einer ähnlichen Note gesprochen. Der gedachte Beamte wurde nochmals vorgerufen, hielt aber seine Erklärungen auf— recht. Er soll heute nochmals vernommen werden.

Dem „Journal des Deébats“ zufolge entdeckte ein Polizei⸗ commissar in dem Bankhause Offray, Rue Faubourg Poissonnisre, 300 von Arton ausgestellte und von bekannten Persönlichkeiten quittirte Checks. Gerüchtweise verlautet, diese Entdeckung werde eine zweite gerichtliche Untersuchung veran⸗ lassen, die getrennt von dem schwebenden Panama⸗Prozeß geführt werden solle.

Dem „Petit Journal“ zufolge ist vorgestern ein Vor— führungsbefehl gegen Cornelius Herz erlassen worden. Dieser Befehl sei derart motivirt, daß die Auslieferung des Herz an die mit dem Mandat nach London abgereisten Agenten sofort erfolgen werde.

Der ausgewiesene Journalist Szekelny ist gestern Nacht ö Polizeibeamten nach der Grenzstation Delle gebracht worden.

Spanien. Der ehemalige Kammer⸗Präsident Martos ist, wie W. T. B.“ berichtet, gestorben.

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Belgien.

Die Regierung hat, wie der „Magd. Itg.“ berichtet wird, gestern in der Kammer Gesetzentwürfe wegen Errichtung einer Staatspolizei in Brüssel und eines Verbots öffentlicher Kundgebungen in dem Stadttheile, in welchem sich das König—⸗ liche Palais befindet, eingebracht.

Serbien.

Der Kriegs-Minister hat, wie „W. T. B.“ berichtet, eine Verordnung erlassen, nach welcher die Arbeiter und das ,, von militärtechnischen Anstalten bei ihrem Dienstantritt einen Revers ausstellen müssen, sich jeder Theil nahme an politischen Vereinen, sowie an den Wahlen für die Skupschtina und für Gemeinde⸗— vertretungen zu enthalten.

Bulgarien. Der Unions⸗Club veranstaltete, einer Meldung des „W. T. B.“ zufolge, zu Ehren des bisherigen deutschen General⸗Konsuls Ge gern von Wangenheim anläßlich

dessen bevorstehender Abreise gestern ein großes Bankett, woran die Minister und das diplomatische Corps theilnahmen.

Der Minister⸗-Präsident Stambulow, der Minister des Aus⸗ wärtigen Grekow und der italienische Vertreter, General⸗ Konsul Graf Sonnagz, hielten dabei herzliche Ansprachen.

Schweden und Norwegen.

Die Thronrede, die vom König gestern zur Eröffnung des Reichstags im Thronsaal verlesen wurde, besagt, einer Meldung des „W. T. B.“ zufolge, daß die Beziehungen zu den auswärtigen Mächten fortdauernd die zufriedenstellendsten seien, erwähnt sodann besonders die freundschaftlichen Beziehungen zu Dänemark und kündigt an, daß dem Reichstage eine Vorlage über Geldbewilligungen zur Entwickelung der Marine und zum Ausbau der Nord⸗Eisenbahn im Jahre 1894 zugehen werde. Bis zur Vollendung der Studien über Aufbringung der Steuern, die durch die beschlossene Reform der nationalen Vertheidigung nothwendig geworden seien, wird vorgeschlagen, im Jahre 1891 zur Deckung der Mehrausgaben den Gewinn der Königlichen Bank und solche Steuerzuschläge zu verwenden, die entweder garnicht oder nur in sehr geringem Maße die niedrigst Be⸗ steuerten treffen. Der Ceremonie wohnten der Kronprinz und die Kronprinzessin von Dänemark bei.

Afrika.

In der Audienz, die der großbritannische Gesandte Lord Cromer gestern bei dem Khedive hatte, wies dieser nach einer Meldung des „Reuter schen Bureaus“ auf die un⸗ angenehme Lage hin, in die er versetzt werde, falls England auf der Wiedereinsetzung Fehmi Pascha's zum Minister Präsidenten bestünde. Der Khedive erklärte sich bereit, Riaz⸗-Pascha wieder zum Minister-Präsidenten zu ernennen, und fügte hinzu, er wünsche innig, in vollem Einvernehmen mit England zu handeln und mit diesem die freundschaftlichsten Beziehungen zu unterhalten. Er sei bereit, während der Occupation Egyptens durch die Engländer die Rathschläge Englands bei allen wichtigen Anlässen zu befolgen. Lord Cromer antwortete, es liege England fern, den Khedive in eine demüthigende Stellung versetzen zu wollen; er erkenne den versöhnlichen Charakter des Vorschlags des Khedive an und übernehme die Verantwortung dafür, diesen anzunehmen, ohne vorher die englische Regierung zu befragen.

Die gestern mitgetheilte Nachricht der Times“, daß mit der durch den Sultan von Marokko für die Ermordung des englischen Unterthanen zugebilligten Geldentschädi— gung die Angelegenheit nicht beendet sei, bestätigt sich. Wie das „Reuter sche Bureau“ aus Tanger meldet, sandte der englische Geschäftsträger Elliot Depeschen nach Fez, worin eine vollständigere Genugthuung ver— langt wird. Das Gerücht, der Specialgesandte Sir W. Ridgeway werde dauernd in Marokko bleiben, ist unbe⸗ gründet. Seine Mission ist nur eine zeitweise und er wird nach England zurückkehren, sobald befriedigende Beziehungen zwischen England und Marokko wiederhergestellt sein werden.

Parlamentarische Nachrichten.

Deutscher Reichstag.

Der Bericht über die 24. Sitzung vom 18. Januar be— findet sich in der Ersten Beilage.

25. Sitzung vom 19. Januar, 1 Uhr.

Der Sitzung wohnt der Staatssecretär Freiherr von Maltzahn-Gültz bei.

Zu Ehren des verstorbenen Abg. Goeser, Vertreters für XVI. Württemberg, erheben sich die Mitglieder von den Plätzen.

Auf der Tagesordnung steht die erste Lesung der Novelle zum Börsensteuergesetz, welche die Stempelgebühr für Kauf- und Anschaffungsgeschäfte durchweg verdoppeln und damit eine Verdoppelung der Einnahmen von 13 auf 26 Millionen Mark herbeiführen will.

Staatssecretär Freiherr von Maltzahn (wir werden diese Rede morgen im Wortlaut bringen): Die Steuererhdhung welche das Bier und den Branntwein treffen würde, wird nach der Änsicht des Reiches— tags vorzugsweise oder ausschließlich von den minder begüterten Klassen der Bevölkerung getragen. Von der Börsensteuet wird dies mit Recht nicht behauptet werden können, diese ist vielmehr ein Mittel, um auch die wohlhabenden Klassen zu einem Beitrag

die Rücksicht auf

auf die vorhandene wirthschaftliche Degression nicht ausschlaggebend sein. Die Vorlage wird, auch wenn sie angenommen wird, keineswegs ihrem ganzen Effect nach sofort in Kraft treten, und niemand kann doch sagen, ob nicht in kurzem diese wirthschaftliche Deg ession und das augenblickliche Darniederliegen des Börsengeschästs einem neuen Auf⸗ schwung Platz macht. Wenn die Eingänge aus der Börsensteuer in den letzten Jahren thatsächlich zurückgegangen sind, so ist dies nicht eine Folge der Börsensteuer, sondern eben eine solche der allgemeinen ungünstigen Gestaltung der wirthschaftlichen Lage. Wenn wir jetzt die Sätze verdoppeln, so wird eben, wenn die Ursachen der wirth⸗ schaftlichen Degression und mit ihnen diese selbst verschwunden ist, das Einkommen aus der verdoppelten Steuer das oppelte sein. Man fürchtet auch eine Schädigung des Arbitragegeschäfts von der Vorlage. Eine Scheide⸗ grenze im Wege des Gesetzes läßt sich zwischen soliden und unsoliden Geschäften nicht ziehen. Die sonstigen Vorwürfe gegen die Ver— doppelung sind ungefähr dieselben, n schon bei der ersten Be⸗ rathung des Entwurfs eines Börsensteuergesetzes vorgebracht worden sind. Die Steuer wird auch nach der Verdoppelung nicht so hoch sein, daß der Verkehr sie nicht tragen könnte.

Wenn behauptet wird, daß gerade diese Erhöhung des Stempel die

Folge haben wird, daß das Geschäft an deutschen Plätzen, welches sich den bestehenden Verhältnissen anbequemt hat, in Zukunft nicht mehr leistungsfähig bleiben wird, daß der Verkehr in das Ausland, nach Paris, gedrängt werden wird, so weise ich darauf hin, daß im Moment auch in gsm er, eine Besteuerung der Börsengeschäfte in Höhe unseres Stempels geplant wird. . . Abg. Dr. Sie mens (dfr); Wenn die Vorlage auch nur ine eventuelle ist. so muß ich doch näher auf dieselbe eingehen. Die Slll⸗ lung der Freisinnigen zur Börsensteuer ist ja bekannt. Wir haben immer den Satz vertceten, die wohlhabenden Kren der Nation höher zur Besteuerung heranzuziehen als ie minder wohlhabenden; wir haben aber für Verkehrzabgaben, welch die freie Thätigkeit, die Initiative des Einzelnen beschränken, niemals Sympathie gehabt. Heute vor zehn Jahren . Herr von Scho li hier aus, daß eine Schädigung dieser freien Thätigkeit des mobilen Kapitals von feiten der Regierung selbstverständlich nicht beabsichtigt . Die Begründung der heutigen Vorlage läßt davon nichts mehr merken,. 4 Vertreter der verbündeten Fegiernngen führt im Gegentheil als Hauptgrund

für die Vorlage das finanzielle Bedürfniß an. Gegenüber der Stimmung des Landes darf, man sich aber darauf nicht be⸗ schränken. Die Vorlage ist außerordentlich, leicht motivirt, und diese Leichtigkeit begründet sich in dem Gefühl der Sicherheit, daß die verbündeten Regierungen von einer sehr starken Volks— strömung getragen werden. Dieser Irrthum ist weit verbreitet Wir befinden uns in dem revolutionärsten Jahrhundert seit 2000 Jahren. Raum und Zeit sind durch Dampf, Bahn und Elektrieität in ihrer begrifflichen Ausdehnun gänzlich , ,. Wir befinden uns in einer thatsächlichen Revolution. Vor 120 Jahren waren 1000 Weber zur Herstellung eines Products nöthig, welches jezt mit der Maschine von einem Weber hergestellt wird. Wenn dieses Gesetz weiter wirkt, wenn es dazu geführt hat, die arbeitende Bevölkerung aus dem Land in die Stadt zu führen, dann ist es nicht zu verwundern, daß ganze Reihen von Bevölkerungs— klassen dadurch in., das höchste Erstaunen gesetzt sind. Die conservativen Parteien, welche sich im Grunde auf dem Grund⸗ besitz und dem Kriegsdienst im Sinne des Mittelalters aufbauen, sträuben sich begreiflicherweise gegen diese Entwickelung, ebenso die Socialdeme kraten, obwohl doch die erste Voraussetzung ihrer Existenz die Wiedereinführung der persönlichen Freiheit ist, die erst durch die In— dustrie, durch das mobile Kapital gebracht wurde. Die Freiheit des Arbeiters ist ja noch nicht so groß, als es wünschenswerth ist, in dieser Be— ziehung wird noch manches zu thun sein, aber wenn die Herren das mobile Kapital angreifen, dann sägen sie den Ast ab, auf dem sie

selber sitzen. Das mobile Kapital concentrirt sich an der Börse; an.

ihr tritt der Ausgleich ein zwischen, den Creditbedürfnissen der verschiedenen Gegenden unter einander. Das augen—⸗ blicklich liquide Kapital wird in den Engagements hin- und her— geschoben, es wird das Verhältniß der Valuten der verschiedenen Länder festgestellt. Alle diese Thätigkeiten werden durch die Steuer gehemmt, durch die Verdoppelung derselben natürlich noch weit mehr, Der steuerliche Effect der Vorlage wird sicherlich nicht erreicht werden, eine Schwächung des mobilen Kapitals aber auch nicht. Das mobile Kapital wird in feiner Beweglichkeit durch solche Erschwerungen seiner Thätigkeit behindert, und jede solche Behinde— rung wirkt auch ungünstig auf andere Staatsverwaltungszweige zurück. (Schluß des Blattes.) .

PreusMscher Landtag. Haus der Abgeordneten.

„„Der Bericht über die 17. Sitzung vom 18. Januar befindet sich in der Er sten Beilage. 18. Sitzung vom 19. Januar.

Der Sitzung wohnen der Finanz-⸗Minister Dr. Miquel, der Minister für Landwirthschaft 2c. von Heyden und der Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen bei.

Auf der Tagesordnung steht zunächst die Berathung des Antrages des Grafen Kanitz: „Die Königliche Regierung zu ersuchen, in den herkömmlichen Aufwendungen für die Erweiterung und Vervollständigung des Staatseisenbahnnetzes eine Beschränkung nicht eintreten zu lassen.“ ;

e. Graf von Kanitz (cons.) führt aus, daß die Einstellung des Ausbaues der Secundärbahnen die Privatinduftrie erheblich schädigen würde. Wenn der Staat in schlechten Zeiten seine Thätigkeit so einschränken wolle, so gebe er den Privatindustriellen damit ein schlechtes Beispiel. Der Wunsch, der im Antrage enthalten ist, hätte im Laufe der Etatsberathung vorgebracht werden können. Aber dadurch würde die Abstimmung verzögert worden sein; deshalb sei der Antrag selbständig eingebracht worden, um möglichst bald eine Meinung des Hauses festzu— stellen und der Regierung Gelegenheit zu geben, mit Forderungen für Secundärbahnen an das Haus zu treten. Das Wort „herkömmlich“ habe Ansteß erregt, man habe ein besseres nicht finden können; wenn es gewünscht werde, könne es gestrichen werden. Diejenigen Eisenbahn— bauten, welche bereits bewilligt, aber noch nicht in Angriff genommen seien, sollten ebenfalls nr l schnell begonnen werden. Es handle sich hier um productive Autgaben, die man nicht einschränken follte, Die Eisenindustrie befinde sich in einer schlechten Lage; der Verdienst sei, gering, sodaß man schon vielleicht an Lohnherabsetzung gedacht habe. Die englischen Werke böten ihre Schienen so billig an, daß die deut—⸗ schen Werke für Lieferungen nach dem Auslande he Preise ebenfalls herabsetzen müßten. Für die deutschen Werke sei auch sonst der Export B. nach Rußland hin erheblich erschwert infolge der Münzverhältnisse. Die Berufung auf das Tertiärbahngesetz sei nicht maßgebend; das Gesetz sei noch nicht in Wirlsamkeit getreten. Erst wenn ein Netz von Tertiärbahnen über das Land verbreitet sei, werde die Regierung den Bau von Seeundärbahnen einschränken können. Das Staatsbahn system sei nun einmal angenommen, und so müsse der Staat für die , Bedürfnssse des Landes Sorge tragen. (Zustimmung rechts.

Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen: Die Eisenbahn— perwaltung hält an der Ansicht fest, das Eisenbahnnetz zu erweitern. Die Projecte sind in Vorbereitung; wie weit sich die Vorlage aus— dehnen wird, hängt nicht bloß von der Finanzlage des Staats ab, ondern auch davon, wie weit die einzelnen Projecte vorbereitet sind und wie weit die Bereitwilligkeit der Interessenten vorhanden ist, Zuschüsse zu diesen Bauten zu leisten. Die Vereinbarungen jwischen dem Finanz-⸗Minister und mir haben dazu geführt, daß die Projerte technisch gründlicher vorbereitet werden als bisher. Ich hoffe, daß die Vorlage in den nächsten Monaten fertig gestellt und dem Hause vorgelegt werden kann. Bie Vorlage wird allerdings wohl nicht einen solchen Umfang annehmen, wie dies in früheren Wahren der 66 gewesen ist. Der Regierung standen am 1. Oktober 16 240 Millionen Credite zur Verfügung, und die Verwendung derselben wird in demselben Umfange wie früher erfolgen, die Eifen⸗ bahnverwaltung wird im Frühjahr eine lebhafte Thätigkeit entfalten können. Sobald die Vorbereitungen für die verschiedenen Hafen- und Tanalbauten fertig gestellt sein werden, was möglichst beschlennigt wird, werden viele Tausende von Arbeitern beschäfrigt werden können. Auch der Einfluß des Kleinbahnen-Gesetzes macht fich geltend. Ich hoffe, Ihnen in dieser Session eine Uebersicht vorlegen zu können über iejenigen Projecte, welche bereits in die Hand genommen worden sind. Da sind 3. B. verschiedenen Privateisenbahnunternehmungen die Concessionen zu Vorarbeiten für Erweiterungen ihrer Unter— ehmungen bereits ertheilt worden. Die Lage der Waljwerke ist Allerdings eine wenig erfreuliche, denn die Besteslungen der Staatsbahnen haben nicht ausgereicht, die pre bust de hn d * Werke zu erschöpfen. Es ist das Abkommen getroffen, daß die elsperkt das Quantum Schienen, das bis zum J. April 1894 llt wird, für 111 6 die Tonne liefern; die Regierung hat si nicht gebunden, ein bestimmtes Quantum zu bestellen, sondern 6h ,, freie Vand vorbehalten. Die gesteigert? Verwendung

ö eiern Schwellen ist ebenfalls in Aussicht genommen. ider bie schwe len werden meist aus Nußland bezogen. . z Verwendung der eisernen Schwellen findet eine Schwierigkeit ö 1 die eisernen Schwellen, welche an sich nicht mehr kosten . ölzernen, wegen ihrer großen Schwere erg, Frachtkosten, 9. ö.. Interesse der Sicherheit eine stärkere Befestigung und eine ‚, . Unterbettung , m, Wir haben aber nicht überall y 6 zur Unter ettung. Es handelt sich dabei, um i w. en en wellen. Die Versuche mit Langschwellen haben 1. zu ,. . 336 fehr auf ihre Verwendung weiter gere . , 4 ie Zeit der Verfucheé ist noch zu uh um daraufhin . Heer mente in größerem n n, zu machen. Eiserne Schwellen nne l g reef f onchailt en, wo gutes Vettungsmaterial zu finden ist, ien , . im Weste n, m größeren Maße in Anwendung 3 . en, so in den Bezirken Köln bei 66ä.-Hs o/ der Schienen.

and kann mit Ruhe der Leitung seines Eisenbahnwesens ver.

trauen. Schon beim Kleinbghnen Geseßz habe ich erklärt, daß man nicht beabsichtige, den Bau von 8 vollständig einzustellen, daß man sich aber der Hoffnung hingebe, daß die Verkehrswege, die eige itlich außerhalb des Hirn lei Tune, liegen, mit Kleinbahnen versehen werden würden. J

Abg. Dr. Lieber (Centr.): Ich bin ein Gegner der Versraat— lichung gewesen, und deren Wirkung hat mich nicht zu ihrem Freunde gemacht. Aber deswegen kann es mir nicht in den Sinn kommen, dem Ausbau der Secunderbahnen hindernd in den Weg zu treten. Der 66 will aber etw. 8 Anderes, als was die Regierung ausgeführt hat. Der Antrag will die Secundärbahnen in dem bisherigen Umfang gebaut sehen; anders kann ich das Wort „herkömmlich“ nicht auslezen. Es stehen der Regierung 240 Millionen Credite zur Verfügung. Darin liegt eine Art Reservefonds für die Beschäftigung der beim Eisen— bahnbau betheiligten Industrien, der n oder langsamer ver⸗ wendet werden, kann. Es wäre fehr dankenswerth, wenn der Finanz-Minister vielleicht Auskunft geben wollte, wieviel davon in dein Etatsjahr 1895/94 verwendet werden soll. Dapor wird man sich allerdings hüten müssen, zu viel uf einmal zu bestellen, weil darin der Anreiz liegen würde, die Zahl der Betriebe stätten zu vermehren und zur Ueberproduetion anzuregen. Bis jetzt kann man nicht von einem entmuthigenden Beispiele der Staats— verwaltung auf diesem Gebiete sprechen. Das Abgeordnetenhaus hat früher seine Aufgabe, den . auf den Beutel zu halten, verstanden und erfüllt. Seit der Verstaatlichung der Eisenbahnen ist man davon etwas abgewichen. Der Finanz⸗Minister kann auf Sparsamkeit halten, aber das Abgeordnetenhaus darf ihm dabei keine Prügel zwischen die Beine werfen. Das würde aber durch den Antrag des Grafen Kanitz geschehen. Die Ueberschreitungen bei den Eisenbahnbauten haben dazu geführt, daß zwischen dem Finanz⸗Minister und dem Eisenbahn⸗Mentster eine Vereinbarung über die gründlichere Vorbereitung der Eisenbahn— projecte herbeigeführt ist, namentlich sollen auch gleich von vorn— herein die Beiträge der betheiligten Kreise sicher gestellt werden. Daß die Regierung in, Bezug auf die Ertheilung von Concessionen für Privat⸗Secundärbahnen keine großen Umstände mehr machen will, muß den Grafen Kanitz vollständig beruhigen; denn wenn noch irgend welche gewinnbringende Bahnstrecken vorhanden sind, so wird das Privatkapital sie sich nicht entgehen lassen. Ich bitte, deshalb, den Antrag des Grafen Kanitz abzulehnen, weil er, in beschränkter Form verstanden, überflüssig, in der Ausdehnung, die ihm Graf Kanitz gegeben hat, aber gefährlich ist.

Abg. Schöler (freicons) empfiehlt die Annahme des Antrages; es sei in früherer Zeit sehr intensiv am Ausbau der Secundärbahnen gearbeitet worden, sodaß eine Beschränkung sehr empfindlich sein würde.

Finanz⸗Minister Dr. Miquel: Mit der Beschäftigung der Industrie hat der Antrag nichts zu thun, denn ohne Neubewllligungen hat die Staatsregierung Mittel genug zur Disposition, um den Eisenbahnbau fortzuführen in dem Umfange, den Graf Fanitz wünscht. Es stehen der Regierung für Eifenbahn⸗ zwecke im ganzen noch 323 Millionen Mark zur Disposition. Ich hoffe, daß wir diese Credite Schritt vor Schritt vermindern. Ich fand bei meinem Eintritt in das Ministerium über 600 Millionen Fredite und war stets bestrebt, sie zu vermindern. (Sehr richtig! links.) Das kann geschehen, ohne daß der Eisenbahnbau selbst bein trächtigt wird. Die Credite waren zum theil bewilligt auf Grund oberflächlicher Schätzung, ohne sie zu veranschlagen. Der Antrag des Grafen Kanitz würde für die augenblickliche Beschäftigung der Invdustrie gar keine Bedeutung haben. Der Staat hat die Pflicht, Bauten dann zu bewerkstelligen, wenn die Preife niedrig sind; ich hindere den Eisenbahn⸗Minister an der Erfüllung dieser Pflicht nicht, und ich halte es auch für nothwendig, daß der Staat den Ausbau der Bahnen fördert. Seit 1880 haben wir jährlich durchschnittlich über 100 Millionen für Eisenbahnzwecke verwendet. darunter befinden sich in allen Jahren zusammen 156 Millionen Mart für Betriebsmittel auf den alten Bahnen. (Hört! links) Man kann also nicht sagen, daß die Eisenbahn die Landesmelioration ver— nachlässigt hat. Beim Lleinbahnengesetz habe ich erklärt, daß der Staat sich seiner Aufgabe, Serundärbahnen zu bauen, nicht entziehen will, aber ich glaube, daß die Pflicht des Staats dazu vermindert ift. Wenn wir mehr als früher die Concessionen an Privatunternehmer geben, so kann manche Linie als Kleinbahn von Privaten besser ausgebaut werden als von Staats wegen. Der Staat muß sich aber, wie jeder Unternehmer, den Verhältnissen anpassen, namentlich auch denen des Geldmarktes. Auf dem Geldmarkte haben wir in letzter Zeit immer mit der Concurrenz des Neichs zu thun gehabt. Darauf wird auch der Landtag Rücksicht nehmen müssen. Deshalb bitte ich den Grafen Kanißz, seinen Antrag, der leicht zu Mißoerständ— nissen Anlaß geben könnte, mit Rücksicht auf die Erklärungen der Regierung zurückzuziehen, denn der Zweck des Antrags ist ja erreicht. ( Sehr richtig! rechts) Jedenfalls bitte ich das Haus, den Antrag nicht ohne weiteres anzunehmen, sondern vielleicht vorher der Budget⸗ commission zu überweisen. ; „Abg. Hr. Sattler (nl. ); Mit den Erklärungen des Ministers steht es nicht im Einklang, daß für gewisse Bahnstrecken die Eon— session verweigert wird, trotzdem der Staat felbst die Linien nicht bauen will. Ich habe mich als Gegner des Antrages zum Wort gemeldet, aber ich bin ein freündlicher Gegner, freund⸗ hicher als der Abg. Lieber, weil ich den Grundgedanken des Intrages billige. Es giebt gewisse Secundärbahnen, deren Ausbau aus wirthschaftlichen Gründen nothwendig ist, die aber so wenig Gewinn abwerfen, daß Privatunternehmer sich zum Bau nicht finden werden. Nach der Verstaatlichung der Bahnen ist daher der Staat verpflichtet, solche Bahnen zu bauen. Das hat die Regierung auch anerkannt. Wirthschaftlich richtig ist es auch, die Bauten vorzunehmen in wirthschaftlich schlechten Zeiten. Ich beantrage, den Antrag an die Budget⸗ commission zu berweisen, denn so wie er vorliegt, ist e nicht annehm⸗ bar. Was bedeutet denn herkömmlich? In den letzten fünf Jahren haben wir immer 50 Millionen für Betriebsmittel ausgegeben. Das ist doch nicht empfehlenswerth, wir wollen die Betriebsmittel aus den laufenden Mitteln beschaffen,

Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen: Es ist der Wunsch ausgesprochen worden, zu erfahren, welche Gelder in der nächsten Zeit verwendet werden. Für das Eisenbahn⸗-Nessort kann ich das augen⸗ blicklich nicht angeben. Aber für die Bauverwaltung kann ich mit— theilen, daß im nächsten Jahre voraussichtlich ausgegeben werden sollen; für den Dortmund Emskanal 24 Millionen, für die Verbesserung der Schiffahrtsstraße der Oder 3 Millionen, für Regulirungen der Weichsel und Nogat 5 Millionen und für kleinere Bauten etwas über eine Million. Auch die Eisenbahnverwaltung ist in der letzten Zeit sehr energisch in Thaͤtigkeit gewesen.

Abg. Gerlich (freicons.) bittet den Grafen Kanitz seinen an⸗ trag aufrecht zu erhalten und empfiehlt dem Hause, denselben an die Budgeteommission zu verweisen. Ueberflüssig ist der Antrag nicht, denn der Ausbau, von Secundärbahnen ist erheblich zurück. gegangen und wird nach den . des Ministers noch mehr zurückgehen. Die Unternehmungslust ist ja durch das Kleinbahnengesetz angeregt. Der Will? ist da, aber wer wird bauen können? In den westlichen Provinzen ist das Kapital dazu vorhanden, im Osten ist es nicht vorhanden, weder in den Kreisen, noch in den Gemeinden, noch bei den Gutsbesitzern. Wenn ein Landwirth in einem Jahre einmal schlechte Geschäfte gemacht hat, o soll er nicht aufhören, Meliorationen zu machen. So liegt es auch hier bezüglich des Staats. Die Wirkung der Handelsverträge ist, daß die Landwirthschaft geschädigt und der Industrie kein Nutzen erwachsen ist.

Abg. Dr. Freiherr von Heereman (Centr.): Ich halte die Ein⸗ bringung des Antrags für zweckmäßig, weil er der Regierung Gelegen. heit fit ihren Standpunkt kundzugeben, und dem HJause, seine Wün e auf diesem Gebiete zu bekunden, denn im Lande ist man wohl allgemein dagegen, daß der Secundär— bahnbau eingeschränkt wird. Unser Kapital ist davon ent— wöhnt worden, sich dem Eisenbahnbau zuzuwenden, weil die frühere Leitung der Eisenbahnen alle Concessionen verweigerte. Den ÄUn— trag des Grafen Kanitz kann ich nicht annehmen, ich möchte ihn aber auch nicht ablehnen, weil dies auch nicht der Stimmung des

HSauses entsprechen würde. Am allerwenigsten kann ich aber die Verweisung an die Budget ommission dun len, ich 2 mir nicht denken, was diese mit ihm anfangen foll. Der Zweck des Antrages ist durch die Erklärungen der Minister und die Bebatte im Hause erreicht. Deshalb bitte ich den Antragsteller, seinen Antrag zurückzuziehen.

Bei Schluß des Blattes nimmt der Abg Graf zu Lim—⸗ burg⸗Stirum das Wort.

Im Reichstage ist von dem Abg. Rintelen (Centr.) folgender Antrag eingebracht: Der Reichstag wolle beschließen: ö 46 stehenden Hesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung zu ertheilen: Dem §z 69 des Strafgesetzbuchs für das Deutsche Reich wird folgender zweiter Absatz beigefügt: „Die Verjährung ruht während der zeit, in welcher auf Grund des Gesetzes eine Strafverfolgung nicht begonnen oder nicht fortgesetzt werden kann. Das Fehlen des in den Straf⸗ gesetzen selbst vorgeschriebenen Erfordernmsscs des Antrags auf Straf—⸗ verfolgung oder der Ermächtigung zu derselben hindert nicht den Beginn der Verjährung.“

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Die Wablprüfungs-Eommisfion des Reichstags beantragt, die Wahl des Abg. Von Reden (nl. im 9. hannoverschen Wahlkreise wegen der dabei vorgekommenen Wahlbeeinflussungen für ungültig zu erklären. . ö

Die Reichstagscommission zur Vorberathung der sogenannten lex Heinze setzte heute die Berathung des neu vor— geschlagenen 5 180 Abs. 2 fort, welcher lautet. Die Vermiethung von Wohnungen an Weibspersonen, welche wegen gewerbsmãäßiger Unzucht einer polizeilichen Aufsicht unterstellt sind, bleibt straflos wenn sie unter Beobachtung der hierüber erlassenen polizeilichen Vor⸗ schriften erfolgt. Der Regierungsvertreter, Geheime Ober⸗Justiz⸗ Rath L ugas entwickelte auf Befragen die Absicht der Vorlage dahin, daß nicht nur das sozusagen fahrlässige Vermiethen straffrei bleiben, sondern auch der Polizei eine größere Localisirung als bisher ermöglicht werden solle. Auch die Abgg. Gröber (Centr) Stöcker (ons) und Endemann (ul) entwickelten ihren Stand punkt zu der Frage, im wesentlichen die Ausführungen im Plenum bestätigend. Die Berathung wird morgen fortgesetzt. e

566 In der B udgeteommission des Reichstags wurde heute die Berathung des Extraordinariums des Post⸗Etats fortgesetzt.

Die Steuerreformecommission des Hauses der Abgeordneten trat gestern Abend in die Berathung des om munalabgabengesetzes ein und genehmigte dessen erste beide Paragraphen (Allgemeine Bestimmungen) in der Fassung der

Regierungsvorlage.

Dem Hause der Abgeordneten ist eine Denkschrift, be⸗ treffend die in der Zeit vom 1. April 1891 bis zum 31. März 1892 erfolgten Bauausführungen an denjenigen Wafferstraßen über deren Regulirung dem Landtage besondere Vorlagen gemacht

worden sind, zugegangen.

Gesundheitẽwesen, Thierkrankheiten und Absperrungs⸗ Maßregeln.

Cholera.

D alle a. S, 19. Januar. Durch die batteriologische Unter⸗ suchung der in der Irrenanstalt zu Nietleben vorgekommenen Erkrankunge⸗ und Todesfälle ist gestern Abend festgestellt worden, daß wirklich Cholera a siatica vorliegt. Amtlicher Mittheilung zu⸗ . sind seit dem Beginn der Epidemie in der Irrenanstalt in Nietleben 27 Erkrankungen und fünfzehn Todesfälle an Cholera feft⸗

ä —1 . . 2x . . * era est Estellt. Seit Jgestern, scheint die Krantheit an Heftigkeit zu verlieren. In der „Halleschen Zeitung“ veröffentlicht der Landrath des Saal- kreises die Bekanntmachung von dem Auftreten der Cholera asiatica.

Glauchau, 13. Januar. Das Lehrerseminar zu Walden burg ist laut Meldung des W. T. B. wegen der daselbst epidemisch aufgetretenen Influenza geschlossen worden.

Verkehrs⸗Anstalten.

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Bremen, 18. Januar. W T. B) Nardde Lloyd. Der Schnelldampfer Ems“ hat am 16. r Nach⸗ mittags die Reise von Neapel nach Alexandrien fortgesetzt. Der Postdampfer Gera“, vom La Plata kommend, ist am 17. Januar Nachmittags in Antwerpen angekommen. Der Reichs- Postdampfer Neckar hat am 17. Januar Morgens die Reise von Genug nach Port Said fortgesetzt.

18. Januar. (W. T. B.) Der Schnelldampfer Elben Mam 17. Januar Morgens von New⸗YHork vin Southaisspton nach er Weser abgegangen. Der Reichs Vostdampfer Oldenburg, von Australien kommend, ist am 18. Januar Vormittags in Colombo angekommen. Der Reichs ⸗Postdampfer Karlsruhe“, von Australien kommend, hat am 18. Januar Nachmittags die Reise von Sou thampton nach Antwerpen fortgesetzt. Der Postdampfer „Fran? furt“ hat am 18. Januar Mittags die Reise don Antwerpen nach Corunna fortgesetzt. Der Postdampfer Berlin ist am 18. Ja- nuar von Bahia nach Bremen in See gegangen. Der Postdampfer „Graf Bismarck“, von Brasilien kommend, ist am 18. Januar Nachmittags in Antwerpen angekommen.

Hamburg, 18. Januar. (W. T. B) Hamburg ⸗Ameri⸗ kanische Packetfahrt⸗Actien⸗Gesellfchaft. Der Post⸗ dampfer Dania ist, von New⸗Jork kommend, heute Morgen auf der Elbe eingetroffen.

London, 18. Januar. (W. T. B.) Der Union⸗Dampfer »Anglian' ist heute auf der Ausreise von Lifsabon ab gegangen.

19. Januar. (W. T. B) Der Gastle⸗ Dampfer Dunot tar Gastle hat gestern auf der Ausresse Madeira vassirt

Theater und Mustk.

Königliches Schaußpielhaus.

Fran Grillparzer'g Trauerspiel, Des Meeres und der Liebe Wellen“ ging gestern Abend nen einstudirt in Scene. Das tragische Geschick des berühmten Liebegpaareg der griechischen Sagenwelt, der Priesterin der Aphrodite, Hero, und ihres * in den Tod getreuen Leander hat auf die künstlerische Phantasie seit all den Jahrhunderten eine große Anziehungskraft ausgellbt; man findet diese diebesgeschichte ebenso auf Münzen und geschnittenen Steinen ab- gebildet, wie auf der Leinewand des Malers wiedergegeben; wie in alter Nit Musäus, hat sie in der Neuzeit Schiller in einem Gedicht, einer Ballade, besungen, und Grillparzer hat für die Begebenheit die dramatische Form gefunden. Es strahlt ein eigenartiger Reiz schon von dem antiken Stoff aug, ein tieferer Zauber aber liegt in der 1 voetischen Bearbeitung. Grillparzer hat die Gestalten einer Liebenden aus der Antike ung in menschlich rührender Gestalt vor die Augen gerückt; er bringt keine gottähnlichen MWealgestalten auf die Bühne, fondern ein ursprüängliches, einfaches Mädchen und einen schlichten Jihngling, in denen stark und unbewnß

in einem schicksalgschweren Augenblick die heiße Liebes leiden scha t erweckt wird, welche die Liebenden schuldig werden ißt und e gleichsam wie am grausen Abhang spielende Kinder in den Tod stürzt. Der Frau von Dochenburger war die Rolle der Hero zugefallen; sie gab sich in den ersten Seenen flar und einfach eine keusche Priesterin der Aphrodite, eine unberührte ospe.