1893 / 17 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 19 Jan 1893 18:00:01 GMT) scan diff

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Es lag in der Thurmseene in ihren Geberden und eme ungen ein jungfräuliches Widerstreben gegen die anstürmende, Liebesgluth Leander's, das zart und rührend das Verhängniß einleitete; die wachsende Flamme der Leidenschaft, die das Weib in ihr enthüllt, hätte aber kraftvoller und feuriger jum Durchbruch kommen können. Trefflich gelang der Darstellerin wieder das schmach⸗ tende Erwarten, die holde Begeisterung des liebekranken Mädchens, das nur halb achtlos die Worte hinwirft, wenn es durch eine Frage aus ihrer Gefühlswelt , , . wird; der jammer⸗ volle ie Hero's an der Leiche Leander's erschien nicht immer wahr aus tiefster Seele hervorgegangen. Neben Frau von Hochen⸗ burger entwickelte err Matkowmsky als Leander ein frisches, natür⸗ liche; Empfinden, das anfangs in seiner Unbeholfenheit rührend wirkte, und in den Scenen beglückter Liebe zu einer schön aufwallenden Sinnlichkeit emporwuchs. Eine ganz vorzügliche Gestalt, strotzend in gesunder Lebensfreudigkeit, stellte . Purschian als Naukleros dar; es ging eine Fülle kraftvollen Behagens und fonniger Heiterkeit von seinem Spiel aus, als er seinem schwermüthigen Freunde das lebenefrohe Genießen schildert und ihn jubelnd glücklich preist, daß er endlich die Pfeile Amor's verspüre. Den ernsten Sberpriefter und mitleidigen Oheim stellte Herr Kahle würdevoll dar, mit strenger Unerbittlichkeit, wenn er die Götter anfleht, den Frevel an der jungfräulichen Priesterin zu rächen, und mit warmem Gefühl, wenn er den Schnierz Hero's zu trösten und zu dämpfen versucht. Friedrich⸗Wilhelmstädtisches Theater. Gestern Abend wurde die neue Operette Fürstin Ninetta“ von Hugo Wittmann und Julius Bauer, Musik von Johann Strauß, zum ersten Male aufgeführt. Die Verfasser des Libretto haben es verstanden., bei einer äußerst einfachen Handlung durch einen lustigen und witzigen Dialog sowie einzelne zündende Couplets stellenweise eine sehr heitere Stimmung herbeizuführen, die aber nicht durch alle drei Acte andauert und deshalb auch nicht zu einem ganz unbestrittenen Erfolge geführt hat. Die den Text begleitende Musik ist von jener bestrickenden Liebenswürdigleit, wie * nur Johann Strauß so meisterhaft zu geben versteht. Bedauerlich ist es nur, daß sie bei diesen Werk etwas in den Hintergrund tritt, weil sie ihm nur sparsam zugemessen und dem gesprochenen Wort vor dem ge— sungenen zu häufig der Vorzug eingeräumt ist. Wo aber die Musik ertönt, ist sie stets von einem bezaubernden Wohllaut. Aus der Handlung sei erwähnt, daß die russische Fürstin Ninetta sich mit einem Verwandten, dem egyptischen Finanzmann Kassim Pascha, einem gescheiterten russischen Beamten, in einem heftigen Erbschaftsstreit befindet, der dadurch beendigt wird, daß sie in einem Hotel in Sorrent zusammentreffen, ohne sich zu kennen, und sich verloben. Außerdem sehen wir ein älteres Paar, das in der Jugend sich geliebt hat, durch widrige Umstände aber an der Ver— einigung gehindert wurde, nachdem beide, verwittwet waren, zum Ehebund zusammenkommen, zu derselben Zeit, wo ihre durch gegenseitige Neigung verbundenen Kinder zur Freude der Eltern auch sich ehelich vereinigen wollen. Die Eltern haben aber den Kindern die eigene Heirath verschwiegen, um sie bei der Hochzeit mit dieser Nachricht zu überraschen, und dabei nicht bedacht, daß sie durch ihre Ehe die Kinder zu Geschwistern gemacht und somit ihr Glück zerstört haben. Schließlich wird aber ein Scheidungsgrund gefunden und damit das Hinderniß für die Ver— einigung des jungen Paares beseitigt. Die Rolle der Fürstin ruht in den bewährten Händen des Fräulein Cornelli, die mit Fräulein Collin und Navarrg sowie den Herren Wellhof, Steiner, Klein und Broda wieder durch ansprechenden Gesang und gewandtes Spiel am meisten hervortraten., Die mit großem Geschick und kost⸗ barer Decoration von Herrn Director Fritzsche inseenirte Operette wurde von Herrn Kapellmeister Federmann tadellos geleitet.

Kroll's Thegter. . ö

Gestern Abend fand in dem Theatersagle ein großes, an musikalischen Genüssen reiches Concert statt, welches von der öster⸗ reichischen Kammersängerin Frau Friedrich⸗Materna, dem Herzoglich sächsischen . Herrn Georg Liebling und dem Violinvirtuosen Herrn Alfred Krasselt gegeben wurde. Eine jede Nummer des Programms fand den verdienten Applaus des leider nur spärlich erschienenen Publikums, der sich so steigerte, daß Frau Materna sowohl als auch die anderen Mitwirkenden sich zu einer Jugabe entschließen mußten. Erstere ist, hinreichend als große Bühnensängerin und befonders als Wagnersängerin bekannt. In der Arie der Elisabeth aus Wagner's ‚Tannhäuser“ bekundete sie ihr ganzes Können von neuem, die Begeisterung der Zuhörer legte beredtes r nin davon ab. Im großen Stile trug sie dann die Arie und Nebestod aus „Alceste!“ von Gluck und später eine Arie aus Tristan und Isolde“ vor. Der vollendete Vortrag der letzt⸗ genannten Arie brachte ihr wiederum xeichen verdienten Beifall. Der NViolinvirtuose Herr Alfred Krasselt zeigte in dem ersten Satz des Concerts E-dur von H. Vieuxtemps, daß er sein In⸗ strument vollkommen beherrscht, wenn man auch nicht gerade behaupten kann, daß die Wahl des Satzes eine besonders glückliche war. Jeden falls gefielen die beiden später folgenden Nummern: Bereeuse“ bon Fourd und „Perpetuum mobilen aus der Suite Nr. III pon Fr. Ries sehr viel besser. Die Zugabe, sehr diseret gehalten, ist noch besonders rühmend zu erwähnen; dazu begleitete in feiner Weise der Klaviervirtuose Herr Georg Liebling, der über haupt durch seine herrlichen künstlerischen Vorträge den Abend zu einem besonders genußreichen machte. Er eröffnete den zweiten Theil des Concerts mit einem Adagio und Scherzo aus dem D-moll- Concert von Litolf, ließ als Zugabe das Ständchen von Schubert folgen und beendete das Concert mit der Wiedergabe der Rhapsodie Nr. 2 von Liszt. Ein jedes dieser Stücke wurde in bester und charakteristischer Weise vorgetragen, und setzte die klare voll⸗ endete Technik des Künstlers in das hellste Licht. Das Orchester der Kroll'schen Opernkapelle, Dirigent: Kapellmeister Zschoppe, eröffnete den Concert-Abend mit der Ouverture zur Oper Der Frei⸗ schütz' von Weber, die es mit großer Correctheit spielte, und begleitete auch die verschiedenen Gesangs, und Instrumentalstücke in anerkennens⸗ werther Weise. Daß das Publikum so wenig zahlreich erschienen war, ist um so mehr zu bedauern, als dieses Concert bei weitem mit zu den besten in dieser Saison gezählt werden muß.

Im Königlichen Schauspielhause findet zur Vorfeier von Lessing's Geburtstag morgen eine Aufführung von dem Schau— spiel Nathan der Weisen statt. Die Besetzung ist die bekannte: Herr Klein: Nathan, Herr Matkowsky: Tempelherr, Frau Schramm: Daja, u. s. w.

Bei der Aufführung von Goethe's „Iphigenie“, die im Berliner Theater am Montag stattfindet, wird außer Herrn Ludwig Barnay als Orest und Anna Haberland als Iphigenie, Emanuel Stockhausen als Pylades mitwirken. Eine Wiederholung dieser Aufführung in derselben Besetzung ist nicht in Aussicht genommen. Am Frei tag kommen „Die Journalistenꝰ zur Darstellung, für Sonn⸗ abend ist „Othello“ mit Ludwig Barngy in der Titelrolle, Agnes Sorma, Nuscha Butze und Ludwig Stahl in den übrigen Hauptrollen angesetzt. Der Sonntag Nachmlttag bringt eine Aufführung der „Jungfrau von Orleans“, der Sonntag Abend eine solche von „Dora“.

Im Kroll'schen Theater findet am 30. Januar, Abends 8 Uhr, ein großes Streichinstrumental-Concert statt, das von den vereinigten Mufik-Corps der Kaiserlichen 1. Matrosen⸗Division und des Königlichen Garde⸗Füsilier⸗Regiments (96 Musiker) unter Leitung der

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Königlichen Musikdirigenten H. Pott und C. Freese ausgeführt werden wird. =

„Der Distanzritt‘, die nächste Neuheit des „Wiener Ensemble“ r,, gelangt am Sonnabend zur Aufführung. Die Hauptrolle des Stücks befindet sich in den Händen des Herrn Müller, der den verirrten Diener eines Distanzreiters spielt, im übrigen wirken die . Grünecker, Blum, Digruber sowie die Damen Jolly, Graselli, Mentzel und Eberty hervorragend mit. Herr Director 5 wird den Distanzfahrer Wiener Fiaker Edelmann . Morgen bleibt das Theater der Generalprobe wegen ge—

ossen.

Der Spielplan des Neuen Theaters hat folgende Abände—⸗ rung erfahren: Morgen wird das Henle'sche Feil fa ff „Durch die Intendanz“, hierauf der Einacter Die Lore“; am Sonntag „Durch die Intendanz“ und zum Schluß der Labiche'sche Schwank . Händen gegeben. An beiden Abenden wirkt Frau Hachmann

ipser mit.

Im Concert von Elise Kutscherra im Saal Bechstein am Sonnabend 7? Uhr übernehmen die Herren Sandow (Cello) und Capllonch (Klavier) die instrumentale Mitwirkung; ersterer wird eine Mazurka von Popper und neuere Stücke von Richard J. Eichberg und Fr. E. Koch spielen. Die dänische Geigerin Fräulein Frida Scotta veranstaltet am 21. d. M. Abends 8 Uhr, in der Sing-⸗Akademie ein Concert mit dem Philharmonischen Orchester.

Im Concerthause werden in dem morgen stattfindenden Wagner⸗ Abend der Huldigungs⸗Marsch, Königsgebet aus „Lohengrin“, Album— Sonate, Charfreitags zauber aus „Parsifal“, Kaiser⸗Marsch, Stücke aue den Musikdramen „Das Rheingold“ und „Die Walküre“, Walther“ Preislied aus „Die Meistersinger von Nürnberg“ (für zwölf Solo—⸗ Violinen) u. s. w. zur Aufführung gelangen.

Nach Schluß der Redaction eingegangene Depeschen.

Mühlhausen i. Th., 19. Januar. (W. T. B.) In Neudietendorf stießen in vergangener Nacht ein Eilgüter⸗ zug und ein Güterzug zusammen. Beide Maschinen und verschiedene Güterwagen sind zum theil stark beschädigt. Fünf Beamte sind leicht verletzt.

Paris, 19. Januar. (W. T. B.) Die in der gestrig en Sitzung der Panama⸗Untersuchungscommission betreffs Clé menceau's gemachten Enihüllungen (vergl. Frankreich) er regen großes Aufsehen. Einzelne Blätter kundigen neuerliche bewegte Kammerdebatten und , Wen⸗ dungen in der Panama⸗Angelegenheit an. Dem „Gaulois“ zufolge scheinen die Opportunisten die Ansicht zu haben, daß Clémenceau, falls er thatsächlich die Reinach'sche Liste erhalten habe, durch deren Uebergabe an Herz eventuell eine politische Waffe gegen die Gemäßigten habe schmieden wollen. In der Liste sei kein Name eines Radicalen enthalten gewesen. Die beschlagnahmten, nach Hunderten zählenden Arton'schen Checks seien zu Gunsten von Politikern, Journalisten, Financiers sowie anderen Leuten der höheren Gesellschaft ausgestellt.

(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten und Zweiten Beilage.)

t vom 19. Januar, r Morgens.

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Kapellmeister.

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Sechster Symphonie, Abend der Königlichen Kapelle zum Besten ihres Wittwen« und Waisen⸗-Fonds. Dirigent: Herr

Programm: „Eine Faust⸗Ouverture“ von Wagner.

Von August Strindberg.

Sonnabend: Familie Pont-Biquet. Sonntag, Mittags 12 Uhr: Matin Ke. Felir Weingartner, Königlicher biger. Herbstzeichen. Vor dem Tode.

Concerte.

Concert -Haus, Leipzigerstraße 45. Freitag: Karl Meyder⸗Concert. VI. Wagner Abend. Anfang 7 Uhr.

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Wind. Wetter.

Stationen.

u. d. red. in Millim.

Bar. auf 0 Gr. Meere in O Celsius 50 C. 40 R

Mullaghmore WSW A4 bedeckt Aberdeen .. Kopenhagen. Stockholm. aparanda - St Petersburg Moskau... Cork, Queens⸗ town.. Cherbourg. Kw 2 J mburg .. Swinemünde heiter?) Neufahrwasser bedeckt K 2 Nebel bedeckt 2 bedeckt wolkenlos wolkenl. *) Dunst Nebel wolkenl. ) 3 Schnee bedeckt

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1 Nachts Schnee. 2) Dunstig. 3) Dunst. ) Dunst. Uebersicht der Witterung.

Ein hohes barometrisches Maximum über dem Innern Rußlands entsendet einen Ausläufer west— wärts über Deutschland hinaus nach dem centralen n, , ein anderes Maximum liegt über dem Kanal. Nord⸗Europg steht unter dem Einflusse einer umfangreichen Depression, deren Kern err von Schottland liegt. Dieser Einfluß dürfte si weiter südwärts zunächst über Nord⸗Europa aus— breiten, und dort erhebliche 5 bringen. Auf den britischen Inseln sowie über West lund Südfrankreich herrscht Thauwetter, dagegen in Deutschland dauert die strenge Kälte noch fort; am kältesten, unter minus 20 Grad, ist es in Süd deutschland und in dem Gebiete zwischen Bayern und der , ,,, Tiefste Temperatur betrug zu Magdeburg 25, Chemnitz 28, Swinemünde und Bamberg 30 Grad unter Null. Das Wetter ist in Deutschland ruhig, vorwiegend heiter, zum theil neblig. An der Nortsee ist stellenweise Schnee

gefallen. Deutsche Seewarte. 1 Q Theater ⸗Anzeigen. Kanigliche Schansniele.

haus. Keine Vorstellung.

Freitag: Opern⸗

2) Symphonie H-moll von Borodine. 3) Ouverture „König Stephan“ von Beethoven. 4) Symphonie (j-dur von Haydn. 5) Ouverture „Die lustigen Weiber von Windsor“ von Nicolai.

Anfang 75 Uhr.

Siebenter Symphonie⸗Abend am 9. Februar (Be⸗ ginn des 2. Cyclus).

Schauspielhaus. 209. Vorstellung. Donna Diaun. n in 5 Aufzügen, nach dem Spanischen des Don Augustin Moreto, von West. In Seene gesetzt vom Ober⸗Regisseur Max Grube. Anfang Uhr.

Sonnabend! Opernhaus. 19. Vorstellung. Oberon, König der Elfen. Romantische Oper in 3 Auf⸗— zügen. Musik von C. M. von Weber. Die Recitative von F. Wüllner. Ballet von Emil Graeb. In Seene gesetzt vom Ober⸗Regisseur Tetzlaff. Dirigent: Kapellmeister Sucher. Anfang 7 Uhr.

Schauspielhaus. 21. Vorstellung. Nathan der Weise. Dramatisches Gedicht in 5 Aufzügen von G. E. Lessing. Anfang 7 Uhr.

NVenutsches Theater. Freitag: Das Käthchen von Heilbronn. Anfang 7 Uhr.

Sonnabend: Zwei glückliche Tage.

Sonntag: Lolo's Vater.

Berliner Theater. Freitag: 21. Abonnements⸗ Vorstellung. Die Journalisten. Anfang 7 Uhr.

Sonnabend: Othello. (Agnes Sorma, Nuscha Butze, Ludw. Barnay, Ludw. Stahl)

Sonntag: Nachmittags 2 Uhr: Die Jun gfrau von Orleans. Abends 76 Uhr: Dora.

Lessing · Theater. Freitag: Heimath. Anfang 74 Uhr.

Sonnabend: Baumeister Solnef⸗.

Sonntag: Heimath.

Wallner ˖ Theater. Freitag: Ter Probe⸗ pfeil. Anfang 74 Uhr.

Sonnabend: Grosstadtluft.

Sonntag: Der Probepfeil.

Friedrich Wilhelmstädtisches Theater. Chausseestraße 25. Freitag:? Zum 3. Male mit neuer Ausstattung:

ürstin Ninetta. Operette in 3 Acten von Hugo er n, und Julius Bauer. Musik von Johann

Strauß. In Scene ect von Julius r , me

ster Federmann. Anfang

Dirigent: Herr Kape 7 16 ; ; Sonnabend: Fürsftin Ninetta.

Residenz· Theater. Direction: Sigmund Lauten · burg. Freitag: Zum 29. Male: Biguei. Schwank in 3 Acten von Alexandre Bisson. Deutsch von Max Schönau. In Scene gesetzt von Sigmund Lautenburg. Anfang 71 Uhr.

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Kroll's Theater. Freitag: Wal vViin. Anfang 7 Uhr. .

Sonnabend: Fritzchen und Lieschen. Darauf: Oberst Lumpus. Zum Schluß: Abu Hassan.

Victoria Theater. Belle Alliancestraße 7 / , Freitag: Mit neuer Ausstattung: Tie Reise um die Welt in achtzig Tagen. Großes Aus—⸗ stattungsstück mit Ballet in 5 Acten (15 Bildern) von A. d'Ennery und Jules Verne. Ballet arran⸗ girt vom Balletmeister C. Severini. Musik von Debillemont und C. A. Raida. Anfang 746 Uhr..

Sonnabend u. folgende Tage: Die Reise um die Welt in achtzig Tagen.

Nenes Theater (am Schiffbauerdamm 4is). Freitag: Durch die Intendanz. Preiglustspiel in 5 Aufjügen von E. Henle. Hierauf; Die Lore. Plauderei in 1 Act von O. L. Hartleben. Anfang 7, Uhr. ö

Sonnabend: Dieselbe Vorstellung. ö

Sonntag: Durch die Jntendanz. Hierauf: Kleine Hände. Lustspiel in 3 Aufzügen von Labiche. Deutsch von Franz von Schönthan. (Frau Hach⸗ mann⸗Zipser al Gast.)

Theater Unter den Linden. Freitag: Zum 6. Male: Lachende Erben. Operette in 3 Aceten von Horst und Stein. Musik von Carl Weinberger. Inscenirt durch den artist. Leiter Ed. Binder. Dirigent: Kapellmeister A. Ferron. Die militär. Evolutionen im 3. Act arrangirt von L. Gundlach. Vollständig neue Ausstattung an Deeo⸗ rationen und Kostümen. Hierzu: Die Sirenen⸗ Insel. Ballet in 1 Act von H. Regel. Musik von R. Mader. Der e, Theil von Jos. Haß⸗ reiter. Inscenirt durch den Balletmeister Herrn L. Gundlach. (Sensationeller Erfolg.) Anfang 7 Uhr.

Adolph Ernst Theater. Freitag: Zum 27. Male: Modernes Babylon. Gesan 9 in 3 Acten von Ed. Jacobson und W. Mannstädt. Couplets theilweise von G. Görß. Musik von G. Steffens. In Scene gesetzt von Adolph Ernst. Anfang 714 Uhr..

Sonnabend: Dieselbe Vorstellung.

Thomas Theater. Alte Jakobstraße Nr. 30. Freitag: Gesammt⸗Gastspiel, des Wiener En. semble unter Leitung des Directors Franz Josef Graselli. Die Gigerln von Wien. Lokalposse mit Gesang in 4 Acten von J. Wimmer. usik von Carl Kleiber. Anfang 7 Uhr.

Sonnabend: Zum J. Male: Der Distanzritt. Novität! Original-Gesangsposse in 5 Bildern von C. Costa und Franz Müller.

Urania, Anstalt für vollsthümliche Naturkunde.

Am Landes⸗ ,, Park (Lehrter Bahnhof. Geöffnet von 12— 11 Uhr.

Saal Bechstein, Linkstraße 42. Freitag, An⸗ fang 7 Uhr: Quartett⸗Abend von A. Rosé, August Siebert, Siegmund Bachrich, Rein⸗ hold Hummer.

Circus Renz (Carlstraße) Freitag, Abende 76 Uhr: Große Komiker⸗Vorstellung. Ul. a.: Mr. James Fillis mit dem Schulpferde „Germinal“. „Punsch“, schwedischer Ponyhengst, komische Original⸗ Dressur vom Clown Misco ꝛc. Zum Schluß:

mer, Ein Künstlerfest. ww

Große Ausstattungs⸗Pantomime vom Hofballet— meister A. Siems. Mit überraschenden Licht., und Wassereffecten und auf das Glänzendste inseenirt vom Director Franz Renz. Großer,. Blumengorso. Costume, Regquisiten, Wagen vollständig neu. Unter Mitwirkung des gesammten Personals. Ballet von 100 Damen.

Sonnabend, Abends 71 Uhr: Große Vorstellung mit neuem Programm und Ein Künstlerfest.

Sonntag: 2 große Vorstellungen um 4 Uhr (ein Kind frei): Auf vielseitiges Verlangen: Die lustigen Heidelberger. Abends 71 Uhr: Ein Künftlerfest.

Billet⸗Verkauf an der Cireuskasse und beim „Inpalidendank“, Markgrafenstraße ha.

Familien⸗Nachrichten.

Verlobt: Frl. Martha Chales de Beaulieu mit Hrn. Prem. Lieut. Giesbert von Klitzing (Kunter— stein = Graudenz).

Geboren: Ein Sohn: Hrn. Pfarrer Meyer (Rastenburg). * Hrn. Regierungs, Assesser Frhrn. von der 9 (Straßburg i. E.]. -Eine Tochter: Hrn. Hauptmann von Hanstein (Han= noper). U

Gestor ben: Hr. e , Karl von Zelewski— Hackebeck (Dietenmühle⸗ Wiesbaden). Di. Real ,, g. D. Dr. Ernst Friedrich Wilhelm Brandt (Stralsund). Fr. Regierungẽ⸗ und Baurath Betty Bessert⸗Nettelbeck, geb. Ridder, (Köln).

Frhrn.

Redacteur: Dr. H. Klee, Director. Berlin —— Verlag der Expedition (Scholz).

Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlack⸗ Anstalt, Berlin r. Wilhelmstraße Nr. 32. Sechs Beilagen seinschließlich Börsen⸗Beilage) ,

und die Gewinnliste der 7. Weseler Geld⸗ Lotterie.

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Deutscher Reichstag. 24. Sitzung vom Mittwoch, 18. Januar, 1 Uhr.

Auf der Tagesordnung stehen die Anträge Ackermann und Genossen, wonach der Reichskanzler um die Vorlegung einer Reihe von Gesetzentwürfen ersucht wird, die sämmtlich einen erhöhten Schutz des Handwerks erstreben. In derselben Richtung hahen die Abgg. Rintelen, Gröber, Hitze, Spahn, Metzner drei geg än l eingebracht, welche die Abänderung der Concursordnung, die Abänderung der Gewerbeordnung und die Abänderung des Genossenschafisgesetzes bezwecken.

Zur Debatte werden zunächst von den acht Forderungen des Antrags Ackermann diejenigen gestellt, welche von den Gesetzentwürfen des Centrums nicht berührt werden. Es sind dies drei Punkte; sie fordern die Vorlegung von Gesetzen, durch welche

I) die Erlauhniß zur selbständigen Betreibung eines Hand⸗ werks unter vollständiger Zusammenlegung verwandter Gewerbe von dem vorausgegangenen Nachweis der Befähigung abhängig gemacht wird,

2) der 5 1906 der Gewerbeordnung dahin abgeändert wird, daß die in demselben den Innungen in . ge⸗ stellten Vorrechte auch gegen die Arbeitgeber, welche selbst zur Aufnahme in die Innungen nicht befähigt sind, geltend gemacht werden können,

3) bestimmt wird, daß die Vorrechte aus S5 1006 und 100f beim Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen einer Innung dann gewährt werden müssen, wenn sie die Mehrheit der selbständigen Handwerker ihres Bezirks in sich vereinigt.

Abg. Ackermann (deons.) legt in längerer Ausführung namens der

Antragsteller dar, daß diese Forderungen von den confervativen Freunden des Handwerks schon seit 20 Jahren erhoben und ausdauernd ver— fochten würden, daß es trotz der ablehnenden Haltung des Bundes— raths sehr erfreulich sein würde, wenn der Reichstag sich wiederum unzweideutig für den Befähigungsnachweis ausspräche und sich auch auf den Standpunkt der Forderungen 5. und 6 stellte, deren Erfüllun; längst von allen einsichtigen Freunden des Handwerks als unumgängli erkannt ist. Abg. Stolle (Soe.): Was hat der Bffähigunge nachweis denn in Oesterreich genützt? Verwunderlicherweise hat der Abg. Ackermann heute nicht, wie noch vor wenigen Jahren, das Lob der Verhältnisse in Oesterreich gesungen. Und allerdings sind da ganz merkwürdige Er— fahrungen gemacht worden. Man braucht nur die Berichte der dortigen Fabrikinspectoren anzusehen. Die Fahrikinspectoren haben ja dort ein viel größeres Wirkungsgebiet und größeren Einfluß, da ihnen auch das Handwerk und die Hausindustrie unterstehen. Aber diese Fabrikinspectoren⸗ berichte stimmen fast alle darin überein, daß die Ausbildung der Lehrlinge durch die Meister eine höchst mangelhafte ist und daß es als Aust— nahme erscheint, wenn ein Lehrherr seinen Verpflichtungen gegen die Lehrlinge nachkommt. In Sachsen hat sich ganz aged Ver⸗ hältniß herausgestellt bezüglich des Besuchs der Fortbildungsschulen. Die Meister lassen einfach die Lehrlinge garnicht in diese Schulen gehen; in Allenstein in Ostpreußen hat sogar eine öffentliche Volksversammlung stattgefunden, welche Front gegen die Fortbildungz— schulen überhaupt macht. Nun will der Abg. Ackermann alle die Klippen, welche die österreichische Construction des Befähigungs⸗ nachweises gebracht hat, dadurch vermeiden, daß er verwandte Ge— werbe ganz zusammenlegt; sein Ziel, die Pfuscharbeit zu beseitigen, steht ihm so hoch, daß er in diese Concession gewilligt hat. Aber erreicht wird damit doch nichts. Wie soll auf dem Lande die Grenze zwischen Schlossern und Schmieden gezogen werden? Wie will ferner der Abg. Ackermann das Handwerk von der Hausindustrie gesetzlich unter⸗ scheiden? Wenn einmal Handwerkerkammern kommen werden, wird dieser Unterschied doch auch ganz besonders ins Auge gefaßt werden müssen. Der Abg. Ackermann hehauptet immer, die Sockaldemokraten seien Feinde oder Gegner des Handwerks. Er kann dies nicht be— weisen. Wir sind eben solche Freunde des Handwerks wie er. Wir sehen aber ein, daß den Handwerkern mit diesen Mitteln nicht zu helfen ist, sie sind für uns einfache Arbeiter, und die Zeit ist nicht mehr fern, wo auch alle Handwerker sich uns zu⸗=, sich von Ihnen ab— wenden werden. Wir werden een diese Anträge Ackermann ebenso, wie gegen die sämmtlichen Anträge des Centrums stimmen.

Abg. Metzner (Centr.): Wir sind es ja gewöhnt, daß die So—⸗ aldemokrgten den Bestrebungen der Innungen feindselig gegenüber stehen. Sie stellen diese Bestrebungen als dictirt von Bummheit und Bosheit und die Innungsmeister als Ausbeuter der Lehrlinge, als Dummköpfe und Unfähige dar. Wir werden uns dadurch nicht irre machen lassen. Der Yhitte tand und das Handwerk müssen erhalten werden im Interesse der Erhaltung des Reichs, als Gegengewicht gegen die umstürzenden Bestrebungen von unten. Zu diesem Zwecke muß das Handwerk den Befähigungsnachweis erhalten. Die beiden andern Forderungen des Antrages Ackermann werden erst Werth be— kommen, wenn das versprochene Gesetz wegen Organisation des Hand⸗ werks an uns gelangen wird.

ö Abg. Schrader (af): Früher haben die Antragsteller den Befähigung nachweis ganz consequent für jedes einzelne Gewerbe ge⸗ fordert; nach und nach sind sie, erst versteckt, heute ganz offen, dazu übergegangen, die verwandten Gewerbe zusammenzulegen. Was ist denn damit gewonnen? Friseur und Barbier n solche ver⸗ wandten Gewerbe. Werden die Antragsteller sich von einem Friseur, der nicht Barbier ist, barbieren lassen? Mit diesem Ausweg werden doch auch die Schwierigkeiten, welche sich namentlich auf dem Lande aus dem Befähigungs nachweis ergeben müssen, keineswegs beseitigt, zielmehr esteigert. Die Zusammenlegung soll auch Sache des Bundeßraths sein, der bekanntlich in geheimer Sitzung rer⸗ handelt und heute so, übers Jahr anders entscheiden kann, ohne daß über die Gründe die betheiligten Gewerbe und Handwerker etwas erfahren, Es wird immer so dargestellt, als ob alle Hand⸗ werke gleichmäßig den Befähigungsnachweiß nothwendig haben, und alt ob alle diejenigen, die durch die Prüfung gekommen i uch das Ziel des Handwerks erreicht hätten. Yi, man sechs Fahre Lehrling und Geselle sein, um Schwarz. oder Weißbrot acken zu können? Auf dem Lande backen die Frauen pi alle durchweg ohne. Befähigungsnachweis selbständig Brot und welche Schwierigkeit hat sich denn daraus ergeben? Wollen Sie , a Sie . dann müssen Sie einen Schritt weiter gehen, ö. Grenze für die Ausdehnung des Gewerbes, die Maximaljahlen

't Gesellen u. s. w. vorschreiben. Das wollen Sie aber nicht, weil Sie es nicht können, weil die Entwickelung über diese Schranken hinweg⸗ geht., Es werden kaum ein, zwei Jahre vergehen und der Dank, den Sie 9 Dandwerterkrelsen hin und wieder noch finden, wird in fein gerades

egentheil a egen kin da Sie nicht erfüllen können, was

ie versprochen haben, unb mehr als dieses nicht versprechen können. hon dingt kerle mmern werden weder viel nützen, noch viel schaden, lie wer gef aber auch nicht das ,. fertig bringen, das Hand⸗ (e. wieder mitten in das Mittelalter zu versetzen. Ebenfo wenig

, die Antrag auf Ausdehnung der Privilegsen der § 1000 und 3. ö. großer Bedeutung sein. Wir werden jedenfalls den Herren

em von Ihnen angerathenen Wege . folgen, und wir

Erste Beilage um Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗-Anzeiger. 7 .

Berlin, Donnerstag, den 19. Januar

1893

glauben es noch zu erleben, daß die Abgg. Ackermann und Hitze auf unserem Wege angetroffen werden.

Abg. Dr. v. Dziembowski⸗Pomian (Pole) erklärt sich namens der Polen für den Antrag Ackermann, den sie früher aus politischen Gründen bekämpft hätten, aber heute annehmen, da es sich ja noch nicht um einen formulirten Gesetzentwurf handele. Liege dieser vor, dann würden die Polen durch Anträge zu demselben ihm die Form zu geben suchen, welche ihnen die definitive Annahme ermögliche.

Abg. Hitze (Centr. dankt zunächst den Polen für diese Wen— dung zu Gunsten des Antrags. Die Socialdemokraten und die Herren vom Freisinn hätten die Anträge kritisirt, aber positive anderweitige Vorschläge nicht gemacht. Die Freisinnigen verwiesen immer auf die Schulbildung; damit allein wäre nichts anzufangen. Die Soeialdemokraten erklärten einfach, der Mittelstand, das Handwerk, müsse zerrieben werden. Zu hoffen sei, daß die Regie— rung, wenn sie auch die Vorschläge des Reichstags bezüglich des Be— fähigungsnachweises ablehne, doch die Grundgedanken derselben acceptire, und zwar sei diese Hoffnung daraus zu schöpfen, daß die Regie rung für den Bergbau in Preußen selbst in diesen Tagen einen He— fähigungsnachweis eingeführt habe. Man motivire dieses Vorgehen mit der Nothwendigkeit der Sicherung des Betriebes und der Weckung des besonderen Standesbewußtseins beim Bergmann. Diese beiden Motive können aber mit gleicher Kraft für den Befähigungsnachweis in jedem Handwerk geltend gemacht werden. Wenn gar im Bergbau eine 8— 9gjährige Vorbildung vorgesehen, bis der Lehrling zum Voll— häuer wird, so deckt sich das vollständig mit unseren Forderungen auf dem. Gebiete des Befähigungsnachweises. Die Erfahrungen, welche die Regierung auf dem Gebiete des fiscalischen Bergbaues hiermit machen wird, werden sie hoffentlich unseren Wünschen geneigter machen. Was die Forderung betrifft, daß den Innungen gewisse Vor— rechte bezüglich ihrer. Dis eipligargewat gewährt werden müssen, wenn sie die Majorität der Meister besitzen, so herrscht doch das Majoritätsprincip in der ganzen Welt; warum soll es hier allein unberechtigt sein?⸗

Abg. Dr. Hirsch (dfr.); Wenn man die wirklichen Verhältnisse des Lebens betrachtet, muß man darüber staunen, wire diese Forderung des Befähigungsnachweises immer noch so viel Anhang findet und noch immer ernsthaft erhoben wird. Steht denn Deutsch⸗ land allein in der Welt? Wo hat man aber sonst je erfahren, daß dieses Postulat erhoben wird? In England, Frankreich, Belgien denkt doch niemand an diese reactlonären Dinge, und das Handwerk blüht dort überall. Es müssen sich also diejenigen, die in Deutsch⸗ land diese Forderung erheben, nothwendig auf Irrwegen befinden. Beim Bergbau spiest doch wirklich die Sicherheit des Lebens nicht bloß des einzelnen Arbeiters, sondern der gesammten Beleg— schaft eine ganz außergewöhnliche Rolle. Ist denn das etwa beim Schuhmacher, beim Schneider, beim ig g auch der Fall? Nein, hier handelt es sich einfach um die Beschneidung oder völlige Abwehr der Concurrenz, es handelt sich um das Gegentheil des Gemein— interesses, um Egoismus.

Abg. Bock-Gotha (Soe.): Das Schornsteinfegergewerbe hat der Abg. Metzner als Beweis für die Nothwendigkeit des Befähigungö⸗ nachweises nicht angeführt. Dafür werden die Schuhmacher ins Ge— fecht geführt. Ich selbst bin als Schuhmachergeselle zünftig los— er en worden; solcher Schuhmacher giebt es heute nur noch ehr wenige. Ich muß aber erklären, daß der Fortschritt der Maschinentechnik auch in diesem Gewerbe geradezu staunenswerth ist; erst neuerdings habe ich die Brnpe en tine , besichtigt, die auch die complieirtesten Schuhmacherarbeiten so vollendet und vorzüglich liefert, wie es Menschenhand garnicht mehr vermag. Ich wünsche persönlich nichts sehnlicher, als daß der Befaͤhigungsnachweis eingeführt würde, dann würden die Handwerker und Zünftler sehen, daß ihnen der Befähigungsnachweis und der ganze Innungskram auch nicht die Probe nützen. Auf dem Schuhmacher⸗Innungstage in Berlin vor zwei Jahren hat ein Meister ganz direct vor der Ueberschätzung des Be— fähigungsnachweises gewarnt. Man erklärt diesen Nachweis für noth— wendig nicht bloß beim Bergbau, sondern beim gesammten Bau— gewerbe, wegen der Gefahren für Sicherheit und Leben der Be— wohner. Da müßte aber doch eine kleine statistische Feststellung vorausgehen. Man . ermitteln, wie viele der eingestürzten Häuser von Innung meistern, wie viele von anderen Unternehmern erbaut worden sind. Die Wiedereinführung des Befähigungsnach— weises würde vor allem das alte Lotterwesen in den Innungen wiedererwecken, das das Handwerk ruinirt hat. Man hat damals Meister mit dem Zeugniß versehen, welche mit Lehrlingsarbeiten, die sie nicht gefertigt hatten, zur Prüfung gingen. Ebenso schlimm wird es dann wieder mit der Lehrlingszüchterei werden. Ich kenne Schlosser— meister, die mit sechs oder acht Lehrlingen ohne einen Gesellen arbeiten. Sowie ein Lehrling ausgelernt hat, wird er entlassen und an seine Stelle tritt ein neuer Lehrling. Genau dasselbe trübe Bild ergeben die neuesten statistischen Aufnahmen über das Bäckergewerbe. Die Abgg. Ackermann und Genossen hüten sich ja heute auch, Anträge in der Richtung zu stellen, daß die Zahl der Lehrlinge beschränkt wird. Früher ist dies noch von Ihrer Seite geschehen. «Die Grundursache der jetzigen Lage des Handwerks ist die Entwickelung der kapitalistischen Production, gegen welche wir alle machtlos sind. Die Maschine liefert schon Schuhe zum Selbstkostenpreise von 1,25 S0, die Handarbeit kostet mindestens das Dreifache. Wer also endlich in diesem Concurrenzkampf, siegen wird, ist garnicht im mindesten zweifelhaft. In sämmtlichen Militärwerkstätten wird nur noch mit Maschinen durchgenäht und genagelt; die Eleganz kann in der That nur noch durch die Maschine erreicht werden. Die Anträge werden . nicht helfen; das Schicksal des Handwerks ist be— siegelt. J . ( ; .

Damit schließt die Diseussion. Befähigungsnachweises wird angenommen. Sitzung abgebrochen.

Schluß gegen 41½ Uhr.

Der Antrag bezüglich des Darauf wird die

Preuszischer Landtag. Haus der Abgeordneten.

17. Sitzung vom 18. Januar.

Fortsetzung der ersten Berathung des Staats⸗ haushalts-Etats für 1893/94. Ueber den Beginn der Sitzung ist bereits in der Nummer vom . berichtet worden. Nach der schon mitgetheilten Rede des Abg. Dr. Hammacher erhält das Wort:

Abg. Rickert (dfr.): Ich erkenne die Verdienste des jetzigen Finanz⸗Ministers um Einführung der Declaration an. Ich habe es aber stets bedauert, daß der Finanz-Minister der rechten Seite dieses . soweit entgegengekommen 1. wie sonst niemals ein preußischer Finanz⸗Minister. All die ö Grundsäße, die er hier vor Jahren mit uns zusammen vertrat, hat er als Minister vergessen. Wenn man sich hier befindet, wo die schlechte Finanzlage discutirt wird, und am anderen Ende der Leipzigerstraße, wo ein Halb— hundert Millionen für Militärzwecke gefordert werden, glaubt man in ganz verschiedenen Ländern zu sein. Was nothwendig ist für Ehre und Sicherheit des Vaterlandes, wird keine Partei ver⸗ weigern, aber über das Maß des Nothwendigen gehen die Ansichten

auseinander, Jeder Kriegs⸗Minister, wie sie aufeinander folgten, hat darüber vollkommen neue Gesichtspunkte entwickelt, welchem sollen wir folgen? Wir haben das Vertrauen verloren, weil 1887 der Reichs⸗ tag wegen der Septennatsfrage aufgelöst wurde und heute schon wie⸗ der das Septennat für hinfaͤlli erklärt, wird. Wir haben nichts dagegen, wenn der Finanz⸗Minister Miguel sich auch das Reichs⸗ Schatzamt erobert; aber ich fürchte, daß es ihm nicht gelingen wird. Wenn gefragt wird, wie die Regierung denn sparen könne, komme ich auf das Programm des hochseligen Kaisers Friedrich III., der dafür hielt, daß man weniger Beamte haben, diese aber besser bezahlen sollte. Hier zu bessern, vermögen nur die Minister, nicht die Volksvertretung, und der Minister Miquel könnte hier dem Kranze, den ihm der Abg. Hammacher so schön gewunden hat, ein neues Nuhmes blatt einfügen. Was die Finanzen der Staats⸗ eisenbahnen betrifft, so sind sie nur durch eine rationelle Tarifreferm zu bessern: Ermäßigung der Tarife und Vermehrung der Züge! Auch kann hier an Beamten gespart werden; die Betriebs- ämter könnten so selbständig gemacht werden, daß sie un⸗ mittelbar mit dem Ministerium verkehren. Angesichts der schwankenden Einnahmen muß die Frage der Verpachtung der Eisenbahnen wieder auftauchen, die Lasker gleich bei der Verstaat⸗ lichung befürwortet hatte, Gegen den Vorschlag, die Lotterie zu ver— mehren, ist trauriger Weise kein Wort aus dem Hause gesagt worden. Wir sollten doch nicht den Standpunkt der politischen Fler so ver⸗ . Die Mittel, die sich aus der Organisationsfrage zwischen den Finanzen des Reichs und Preußen ergeben, können nur durch Quoti⸗ sirung der Steuern für das Reich und die Einzelstaaten gehoben werden. Der Abg. von Minnigerode hat in seiner gestrigen Rede es als Schlagwort bezeichnet, wenn man die gz er Ernte eine vorzügliche nenne. Dies Schlagwort“ findet sich in der Thronrede, mit der am 22. November 15897 der Reichstag eröffnet worden ist. Thatsächlich haben wir eine solche gehabt. Bei seiner Schwarzmalerei hatte der 2b von Minnigerode auch die Kühnheit, zu fragen, wo denn bei den billigen Kornpreisen eine Ermäßigung des Brotpreises ersichtlich geworden sei. Lesen Sie lieber statt meiner Reden, die für Sie doch nutzlos sind, die Statistik! Die Zusammenstellungen des Berliner städtischen statistischen Bureaus vom Januar bis September 1392 beweisen, daß der Brotpreis genau dem Roggenpreise gefolgt ist. Man hat sich hier auch über die Handelsverträge beklagt; diese sind ein bleibendes Ver dienst des Grafen von Caprivi, und ich wünsche ihm auf dieser Bahn weitere Erfolge, wenn er sie auch nur unter dem Widerstande der Agrarier erreichen wird. Die Berliner Dandels kammer dazu zahlreiche aus Schlesien, Sachsen, Westfalen und Hessen⸗Nassau, hahen ihre Zufriedenheit mit den neuen Handels⸗ verträgen anerkannt, Auch die russischen Handelsverträge sind bier berührt worden. Bisher legten wir uns bei noch schwebenden Ver⸗ handlungen immer Reserve auf, und ich bedauere, daß dies diesmal nicht geschieht. Sie beunruhigen das Land bloß durch Gespenster! Ein Bewohner der östlichen Provinzen versteht von deren wirth— schaftlichen, auch von deren landwirthschaftlichen Interessen, für die der russische Vertrag eine Lebensfrage ist, so wenig. daß er dagegen spricht! 1879 verhielt sich Ihre Partei zu den Anträgen auf. Aufhebung des Identitätsnachweises ablehnend, aht petitioniren die landwirthschaftlichen Centralstellen von Ost⸗ und Westpreußen felbst dafür. Jetzt kommen Sie zu spät! Das zu spät / ist überhaupt das Unglück der conservativen Partei. Ich würde in dem Abschluß eines Handelsvertrages mit Rußland eine große Friedensgarantie sehen. Ich bedauere, daß in einem Theil unserer Presse eine feindselige Stimmung gegen Rußland herrscht. Wir würden uns freuen, wenn wir auch mit Rußland in politischer Freundschaft ständen. Ich glaube, auch im Interesse unserer Landwirth⸗ schaft würde ein Abschluß eines Handelsvertrags mit Rußland liegen. Die antisemitische Propaganda des Bauernbundes wird den Land— wirthen nichts helfen; besser wäre es, wenn die Landwirthe vor allem Buchführung lernen würden. Dann würden sie manche Liebhabereien lassen und rationeller wirthschaften. Gegen die Liebesgabe den Ausdruck hat übrigens zuerst Herr von Wedel⸗Malchow gebraucht werden wir polemisiren, bis sie aufgehoben ist. Die Herren, die immer über den Nothstand der Landwirthe klagen, sind, wohl wider Willen, Gegner der Landwirthschaft. Unsere ganze Finanzielle Situation fordert zu ängstlicher Vorsicht heraus. Nothwendiges werden wir bewilligen, alles nicht unbedingt Erforderliche aber streichen.

Finanz⸗Minister Dr. Miquel:

Meine Herren! Einige von den Herren Vorrednern haben sich mit meiner Person beschäftigt. Befürchten Sie nicht, daß ich darauf eingehe. Mir ist ein persönliches Lob gespendet von dem einen, der andere hat, wenn auch in leidlich freundlicher Weise, mich getadelt. Das Lob möchte ich nicht acceptiren, und den Tadel ablehnen. Der Tadel stützt sich aber auf bestimmte Thatsachen, und sie möchte ich doch mit zwei Worten beantworten.

Der Herr Abg. Rickert fängt fast jede Rede, wo er Gelegenheit hat, sich mit mir zu beschäftigen, mit der Behauptung an, ich triebe zu seinem großen Bedauern unter Verleugnung meiner früheren An⸗ sicht eine reine Agrarpolitik. Diese Behauptung wird gestützt theils auf die Steuerreform, theils auf meine Unterstützung als Abgeordneter und nicht als Minister des Branntweinsteuergesetzes von 1857. Was diesen letzten Punkt betrifft, so habe ich schon Gelegenheit gehabt, mich darüber auszusprechen; und ich kann nur wiederholen, daß ich in einer gleichen Lage wie 1887, ob als Minister, ob als Ab—⸗ geordneter, genau zu demselben Resultate dahin kommen würde, daß ein Branntweinsteuergesetz, welches diesem Gewerbe, das für die Land⸗ wirthschaft von so großer Bedeutung ist, 100 Millionen Steuer auf⸗— legt, unmöglich sei ohne die Garantien für die Existenz der landwirth⸗ schaftlichen Brennerei. Die Erhaltung der landwirthschaftlichen Brennerei halte ich für unsere östlichen Provinzen insbesondere, aber auch für einen großen Theil von ganz Deutschland geradezu für eine Lebensfrage der Landwirthschaft. (Sehr richtig! rechts Das ist die eine Seite der Sache. Zur andern Seite und der Herr Abg. Rickert liest ja alle diese alten Reden so genau, das ist sein Haupt⸗ vergnügen von jeher gewesen (Heiterkeit, —ů da hätte ich wohl er—⸗ wartet, daß der Herr Abg. Rickert sich auch einer bestimm ten Rede von mir erinnert hätte. Ich habe bereits im Jahre 1879 als Ab- geordneter die Grundzüge der Steuerreform, die ich mich heute als Minister durchzuführen bemühe, ausgesprochen, also kann man nun mir doch nicht sagen, daß ich nun auf einmal ein Agrarier geworden wäre. Meine Herren, ich sagte damals in einer Rede:

Soviel muß doch anerkannt werden, daß die natürlichste Be steuerung innerhalb der Commune die Heranziehung des von der Commune unzertrennlich, auf Gedeihen und Verderb mit der Com- mune verbundenen, durch fast alle Maßregeln der Commune in seinem Werthe erhöhten eder verminderten Grundbesitzes

ist, daß umgekehrt der Staat viel natürlicher angewie sen ist auf das