vinz an Volkszahl und namentlich an Steuerkraft hingewiesen ist, so erscheint, damit die Erwartung begründet, daß der Previn ialverband in den Stand gesetzt sein werde, die bei der erhöhten Bedeutung seiner communalen Aufgaben unvermeidliche Steigerung der Ausgabelast ohne fühlbaren Druck zu tragen.
— Unter den Ihrer harrenden Vorlagen verdient besondere Er⸗ wähnung der Entwurf ines Reglements, welches über die dem Land⸗ armenverbande unter Mitbethelligung der Kreise und Gemeinden gesetzlich auferlegte Fürsorge für solche Geisteskranke, Taubstumme und Blinde, die der Anstaltspflege bedürftig sind, nähere Bestimmung trifft.
Ihrer Beschlußfassung wird ferner die ,. der Be⸗ dingungen unterliegen, unter denen die Gemeinden, welche höhere Lehranstalten unterhalten, berechtigt sein sollen, der Westfälischen Wittwen, und Waisenversorgungskasse behufs Versicherung des Lehrer— versonals beizutreten.
Von Seiten der Königlichen Staatsregierung werden Ihnen zwei Vorlagen zugehen, welche die Begutachtung eines Gesetzentwurfs über die Anlegung von Thalsperren für gewerbliche Zwecke im Fluß⸗ gebiete der Volme, sowie die Feststellung von Normalstädten für die demnächstige Revision der Gebäudesteuer⸗Veranlagung betreffen.
Bei Prüfung der Voranschläge und des von dem Provinzial⸗ Ausschusse erstatteten Verwaltungsberichts werden Sie von neuem die Ueberzeugung gewinnen, daß die geschäftsleitende Stelle im Verein mit dem k mit bewährter Umsicht und bestem Er⸗ folge die Interessen der Provinzial⸗Verwaltung zu fördern bestrebt ist.
Im Namen Seiner Majestät des Kaisers und Königs erkläre ich hiermit den 34. Provinzial-Landtag von Westfalen für eröffnet.
Das älteste Mitglied der Versammlung, Justiz-⸗Rath Geck aus Hagen, brachte nach entsprechenden Worten der Erwide⸗ rung ein dreifaches Hoch auf Seine Majestät den Kaiser und König aus, in das die Versammlung lebhaft einstimmte.
Sachsen. Ihre. Majestäten der König und die Königin und Seine Königliche Hoheit der Prinz Johann Georg sind am Sonntag früh aus Berlin wieder in Dresden eingetroffen.
Mecklenburg⸗Schwerin. Das Befinden Seiner Königlichen Hoheit des Groß— herzogs ist, wie die Mecklenb. Nachr.“ melden, nach den aus Cannes eingetroffenen Nachrichten andauernd ein gutes.
Sachsen⸗Meiningen.
Der Landtag hat 14 940 S6 für das Landkrankenhaus, sowie den Etat der Irrenheilanstalt mit 244 000 Me ohne Staatszuschuß bewilligt. Für die Justizverwaltung wurden bewilligt: 39710 6 Beitrag zum gemeinschaftlichen Ober— Landesgericht in Jena, 74 820 S für das meininger und 25500 Me für das rudolstädter gemeinschaftliche Landgericht, 432 650 M für die Amtsgerichte, bei denen einige neue Amtsrichter Gerichtsschreiber⸗ und Dienerstellen vor⸗ gesehen sind, 37 000 M als Beitrag zu den gemeinsamen Strafanstalten. Beim Cultus-Etat wurden für die Landes— kirche 10 68090 é, für die Universität Jena 39 700 M6 ( 5000 Se) und für die höheren Landes-Lehranstalten 171 490 S6 bewilligt.
Sachsen⸗Coburg ⸗ Gotha.
Seine Königliche Hoheit der Fürst von Hohenzollern ist am Sonnabend Nachmittag zum Besuch am Herzoglich Edinburgschen Hof in Coburg eingetroffen.
Waldeck und Pyrmont.
Das Geburtsfest Seiner Majestät des Kaisers wurde in Arolsen am Freitag im Fürstlichen Schlosse durch eine Galatafel gefeiert, zu der sämmtliche Offiziere des Bataillons und viele Civilbeamte geladen waren. Die Stadt war reich
geflaggt, und in den Schulen fanden Festacte statt.
Schaumburg⸗Lippe.
Seine Durchlaucht der Fürst ist, wie der „Hann. Cour.“ erfährt, noch immer nicht von seiner Erkrankung hergestellt. Höchstderselbe hatte in den letzten Wochen wiederholte Anfälle von Nierenkolik, mit der rheumatische Schmerzen und Schüttel⸗ frost, sowie hohe Temperatur (über 39 Grad) verbunden waren. Seine Durchlaucht ist infolge dessen noch immer an Zimmer und Bett gefesselt. Der Kräftezustand ist infolge geringer Nahrungsaufnahme ein herabgesetzter.
Oesterreich Ungarn.
Die Kaiserin ist vorgestern an Bord der Yacht „Mira— mar“ von Gibraltar nach Barcelona in See gegangen.
Das österreichische Abgeordnetenhaus setzte am Sonnabend die Debatte über das Budget des Unter⸗ richts-Ministeriums fort. Der Uanterrichts⸗Minisier Dr. Freiherr von Gautsch betonte dabei unter leb⸗ haftem Beifall, die Theilung der Schulkinder nach Confessionen widerspreche dem Gesetz und dem Stand⸗ punkt der Toleranz; er halte auch an dem Unterricht in den klassischen Sprachen unbedingt fest. Die Abgg. Dr. Palakt und Dohlhamer richteten im weiteren Verlauf der Sitzung zwei Interpellationen an den Finanz⸗Minister, die sich auf die Schwierigkeiten bezogen, welche sich bei vinculirten und amtlich deponirten Papieren ge⸗ legentlich der im Zuge befindlichen Conversion ergäben. Der Finanz⸗Minister Dr. Steinbach erklärte darauf, es genüge bei den auf den Namen lautenden, ferner bei den als Cautionen oder bei Depositenämtern und Behörden hinterlegten Conversionstitres die Bekanntgabe der Conversionsabsicht bis zum 7. Februar bei den Conversionsstellen.
In der vorgestrigen Sitzung des ungarischen Unter— hauses erklärte anläßlich der Berathung einer Petition Buda⸗ pester Arbeiter der Handels⸗Minister Lucagcz, er sei fortgesetzt mit der Erörterung der Arb iterfrage beschäftigt und billige die Idee eines Friedensgerichts zur Erledigung gerechter Ansprüche der Arbeiter sowie zur Erzielung eines näheren Einvernehmens zwischen Arbeitgebern und Arbeitern. Der Errichtung einer Arbeiterbörse könne er nicht zustimmen, weil sie zu socialistischen Umtrieben führen und dem Zwecke nicht entsprechen würde. Die Regierung behalte den Schutz der Interessen der Arbeiter im Auge und werde, falls es nothwendig sein sollte, Gesetzes⸗ maßnahmen vorschlagen.
Frankreich.
In dem am Sonnabend abgehaltenen Ministerrath theilte, wie W. T. B.“ berichtet, der Minister des Auswärtigen Develle den Abschluß des Handelsübereinkommens mit Canada mit. Danach kommt für gewisse Artikel der französische Minimaltarif zur Anwendung, während von Seiten Canadas eine Herabsetzung des Einfuhrzolls nament⸗ lich auf französische Weine zugestanden ist.
des Landes aufs beste verwendet werden.
Die Deputirtenkammer setzte vorgestern die Debatte über das Marinebudget fort. Der Berichterstatter Thompson erklärte, die Bewaffnung der Marine werde im Jahre 1893 eine bessere sein, als dies im Jahre 1892 der Fall gewesen sei; das Mittelmeer⸗Geschwader sei der italienischen Flotte überlegen, und das Nord⸗Geschwader befinde sich in unbestreitbarem Fort⸗ schritte; es sei der Zahl nach fast der gesammten deutschen Flotte gleich. Die Offensiostärke der Flotte werde von Jahr zu Jahr zu⸗ nehmen. Die Gesammtheit der Schlachteinheiten betrage gegen⸗ . 1422 und werde sich im Jahre 1897 auf 515 belaufen. Der Marine⸗Minister Admiral Rieunier bat, die beantragten Credite ohne Zögern zu bewilligen, sie würden im Interesse Der Abg. Lockroy habe sich zu pessimistisch ausgesprochen; die Marine sei durch⸗ aus auf der Höhe ihrer . Mehrere Kapitel des Budgets wurden hierauf angenommen.
Italien.
Die Deputirten kammer setzte am Sonnabend die Berathung der Interpellationen über die Banken⸗ angelegenheit fort. Nach einem Bericht des „W. T. B.“ brachten Bovio von der äußersten Linken und Costa von der Rechten Anträge auf eine parlamentarische Enquéte ein. Colajani sagte, er werde die ihm bekannten Thatsachen und Gebrechen enthüllen, wenn nicht irgend eine Untersuchung die Sache vollständig aufhelle. Diejenigen Personen, welche unwürdig wären, dem Parlament anzugehören, seien wenig . es sei daher nicht unmöglich, ein über jeden Ver⸗ acht erhabenes Untersuchungs⸗-Comité zu bilden. Der ehe⸗ malige Minister Chimirri vertheidigte das von ihm seiner Zeit in der Bankenfrage beobachtete Vorgehen und verlangte die parlamentarische Untersuchung. Der Minister-Präsident Giolitti lehnte letztere unbedingt ab, um den Landescredit nicht zu gefährden. Er verlangte, indem er die Vertrauens— frage stellte, die Vertagung aller Anträge bezüg⸗ lich der Enguste und der Bankenfrage auf drei Monate. Crispi erklärte, er finde keinen Anlaß zu einer parlamentarischen Untersuchung; da man aber der Kammer Schweigen auferlegen wolle, so werde er als Zeichen seines Protestes gegen den Antrag Giolitti's stimmen. Der Antrag des Minister-Präsidenten Giolitti wurde schließlich mit 274 gegen 154 Stimmen angenommen und die Sitzung sodann aufgehoben.
Der Papst hat vorgestern den Jesuiten-General Pater Martin empfangen. .
Spanien. ie deutsche Colonie in Madrid feierte am Freitag, wie „W. T. B.“ berichtet, den Geburtstag Seiner Majestät des Kaisers Wilhelm mit einem Bankett, an dem der Botschafter von Radowitz theilnahm, der auf Seine Majestät den Kagiser und auf Ihre Majestät die Königin— Regentin einen Trinkspruch ausbrachte.
Nach einer Meldung der carlistischen Blätter ist die Herzogin von Madrid, geborene Prinzessin von Parma, in Viareggio gestorben.
Nach einer Meldung aus Barcelona wurde in einer daselbst abgehaltenen Versammlung liberaler Studenten Protest dagegen erhoben, daß der Eröffnung der protestantischen Kapelle in Madrid Schwierigkeiten bereitet worden sind. Der Widerspruch der in der Versammlung anwesenden Katholiken veranlaßte eine Schlägerei. Die Polizei löste die Versammlung auf. Mehrere Studenten erlitten Verwundungen.
Schweiz. Die Einführung des Proportional-Wahlverfahrens für den Canton St. Gallen ist mit 21 800 gegen 19941 Stimmen abgelehnt worden.
Türkei.
In der Kapelle der deutschen Botschaft in Pera fand, nach einer Meldung des „W. T. B.“, am Freitag aus Anlaß der Geburtstagsfeier Seiner Majestät des Deutschen Kaisers ein Gottesdienst statt, bei dem der Pastor Suhle die Predigt hielt und dem der deutsche Botschafter Fürst Radolin, das Personal der Botschaft und des General— Konsulats, die Offiziere des Dampfers „Loreley“, sämmtliche in türkischem Dienste stehenden deutschen Civil- und Militärper— sonen sowie der rumänische Gesandte beiwohnten. Mittags war bei dem Fürsten Radolin großer Empfang, bei welchem der Fürst den Toast auf Seine Majestät den Kaiser ausbrachte. Ein türkisches Kriegsschiff gab dabei 21 Salutschüsse ab. Um 2 Uhr überbrachten der Ober⸗ Ceremonienmeister und der erste General-Adjutant des Sultans dem deutschen Botschafter die Glückwünsche des Sultans. Am Abend fand in der deutschen Botschaft ein Diner statt, wozu 108 Einladungen ergangen waren. Fürst Radolin dankte in einer Ansprache für die Glückwünsche des Sultans und schloß mit einem Hoch auf Seine Majestät den Kaiser Wilhelm. Der Sultan hatte zu dem Diner das Kaiserliche Orchester gesandt.
Schweden und Norwegen.
Auf einen Protest der norwegischen Regierung gegen die Ernennung eines neuen schwedisch⸗norwegischen General-Konsuls in Kopenhagen beschloß, wie „W. T. B.“ berichtet, die schwedische Regierung, das General— Konsulat durch einen Vicar verwalten zu lassen. Die nor⸗ wegische Regierung wünscht, daß in Kopenhagen die Theilung des Konsulatswesens versucht werde.
Dänemark.
Im Folkething wurde, wie „W. T. B.“ meldet, am Sonnabend die zweite Berathung des Budgets für 1893/94 nach zwölftägiger Debatte geschlossen. Die beiden gemäßigten Parteien legten dabei die Neigung an den Tag, sich über die großen finanziellen Streitpunkte zu verständigen, doch sprachen die Berichterstatter der gemäßigten Linken sich aufs ent⸗ schiedenste dahin aus, daß die Beseitigung jedes Provisoriums die Vorbedingung einer Verständigung sei.
Der Vice⸗Admiral von Dock um, 1850 bis 1852 dänischer Marine⸗Minister, später Gesandter in London, 1864 Chef des dänischen Ostsee⸗Geschwaders, ist gestern in Helsingör ge⸗ storben.
8 TD
Afrika.
Wie die „Times“ aus Kairo melden, verlieh der Sultan dem Minister-⸗Präsidenten Riaz Pascha den Osmanié⸗Orden erster Klasse mit Diamanten.
Im Gegensatz zu den von verschiedenen belgischen Blättern gebrachten heunruhigenden Nachrichten über die Situation an den Stanley-Fällen, wo die Araber angeblich einen
Angriff auf die Posten vorbereiteten, erklärt, dem W. T. B.“ fle, die Regierung des Unabhängigen Congo— taats, daß der Commandant Dranis die ff nsi gegen Moharra, der Hodister ermorden ließ, ergriffen habe. Ter Unabhängige Congostaat habe keine Nachrichten erhalten, aus denen hervorginge, daß die Araber Feindseligkeiten vorbereiten. Von Kerekhove sind keine directen Nachrichten eingelaufen; man weiß nur, daß er sich am Oberen Kiboli befindet. Die in der Nummer des „R- u. St⸗A.“ vom VN. d. M. mitgetheilte Nachricht des „Standard“, das englische Kanonen boot „Philomel“ habe aus Besorgniß vor Unruhen unter den Arabern Kanonen in Sansibar gelandet, beruht dem „Reuter'schen Bureau“ zufolge auf einem Mißverständ-⸗ niß. Es bestehe die Gewohnheit, in jedem Monat Kanonen zu landen, um die Mannschaft in der Handhabung der Geschütze zu üben. Einen anderen Beweggrund habe auch diese Landung der Geschütze nicht gehabt. .
Australien.
Nach Meldungen, die dem Staatsdepartement der Ver— einigten Staaten zugegangen sind, ist das bisherige Cabinet von Hawai am 12. d. gestürzt und ein neues ernannt worden. Die Königin vertagte hierauf die gesetzgebende Versammlung und versuchte eine neue Verfassung zu proclamiren, die nach der Auffassung des Volks die Königliche Prärogative verstärkt und den Wählern das Wahlrecht verkürzt hätte. Am 16. d. organi— sirten die Bewohner der Hawaj⸗Inseln ein öffentliches Wohlfahrtscomité; am nächsten Tage wurde eine provisorische Regierung eingesetzt und die Königin entthront, ohne daß es zu Blutvergießen gekommen wäre. 300 Marinesoldaten wurden von dem amerikanischen Kriegs— schiff „Boston“ auf Ersuchen des amerikanischen Konsuls gelandet. Auf den Inseln herrscht vollkommene Ruhe. In San Francisco ist, nach einem Telegramm des „Reuterschen Bureau“, am Sonnabend der hawaische Dampfer „Claudine“ eingetroffen, an dessen Bord sich eine aus fünf Mitgliedern bestehende hawaische Abordnung befindet, die nach Washington gehen soll, um den Anschluß Hawals andie Vereinigten Staaten nachzusuchen. In den politischen Kreisen Washingtons hält man einer Meldung des „W. T. B.“ zu⸗ folge dieses Ziel für nicht wohl erreichbar, da die Annectirung Hawais durch die Vereinigten Staaten eine Neuerung in der Unionspolitik bedeuten und Verantwortlichkeiten im Gefolge haben würde, welche die Vereinigten Staaten nicht auf sich nehmen könnten. Ueberdies würden die dabei interessirten fremden Mächte zu der Annectirung Hawais auch schwerlich ihre Zustimmung ertheilen. Den Londoner „Daily News“ wird gemeldet, es werde der Regierung Harrison's an der nöthigen Zeit fehlen, um de Annexion oder Schutzherrschaft auf Hawaß herbeizuführen. Die Demokraten wünschten keine Gebietsvergrößerung, wären jedoch geneigt, eine militärische Station auf offener See in Hinblick auf zukünftige mögliche Fälle zu errichten.
Nach einer weiteren Meldung aus San Francisco hätte die Königin eine Proclamation erlassen, worin sie gegen die provisorische Regierung und die Landung amerikanischer Truppen protestire und erkläre, sie weiche der Gewalt und erwarte, von den Vereinigten Staaten wieder in ihre Macht eingesetzt zu werden.
Das amerikanische Honolulu abgegangen.
Kriegsschiff „Mohican“ ist nach
Parlamentarische Nachrichten.
Preuszischer Landtag. Haus der Abgeordneten.
Der Bericht über die 23. Sitzung vom 28. Januar be—
findet sich in der Ersten und Zweiten Beilage. 24. Sitzung vom 30. Januar.
Der Sitzung wohnt der Präsident des Staats-Ministeriums, Minister des Innern Graf zu Eulenburg bei.
Das Haus setzt die zweite Berathung des Staats⸗ haushalts-Etats für 1893/94 fort und erledigt zunächst den Rest des Etats des Bureaus des Staats— Ministeriums ohne weitere Debatte und geht über zur Berathung des Etats des Ministeriums des Innern.
Unter den Einnahmen ist ein neuer Titel eingestellt von 6 450 000 6 an Beiträgen der Gemeinden zu den Kosten Königlicher Polizeiverwaltungen, über den der Ge⸗ heime Regierungs⸗Rath Lindig Auskunft giebt dahin, daß diesen Einnahmen Ausgaben gegenüberstehen für die sachlichen Kosten, für die Vermehrung der Schutzmannschaften, für den Nachtwacht⸗ dienst, sodaß etwas über 8090 000 S6 übrig bleiben. Dieser Ueber— schuß soll gesetzlich für die Landgendarmerie verwendet werden und es ist auch zur Anstellung von 100 Gendarmen in länd⸗ lichen Gemeinden mit städtischem Charakter und in den Vor— orten von Städten ein Betrag von 300 000 AM verwendet worden, sodaß ein Ueberschuß von 500 000 6 verbleibe.
Die Einnahmen werden bewilligt.
Bei dem Gehalt des Ministers fragt
Abg. Dr. Lotichius (b. k. F), ob der Minister dem Hause eine Landgemeindeordnung für Hessen⸗Nassau vorlegen werde; der frühere Minister Herrfurth habe diese zunächst in Aussicht gestellt.
Präsident des Staats-Ministeriums, Minister des Innern Graf zu Eulenburg: Die Vorarbeiten für die Landgemeindeordnung für Hessen⸗Nassau dauern fort; deren Ergebniß wird dem Provinzial⸗ Landtage vorgelegt werden und dann dem Hause zugehen.
Abg. Knebel (nl) weist darauf hin, daß eine staatsrechtliche Eigenthümlichkeit bestehe, daß eine ganze Reihe von Beamtenklassen, die in den alten Provinzen nicht zur Disposition gestellt werden können, auf Grund einer besonderen Verfügung, die zur Zeit der Annexion erlassen ist, jeden Augenblick zur . gestellt werden können. Dieser Uebelstand sei vom früheren Minister des Innern anerkannt worden; der aber habe erklärt, daß von dieser Verfügung seit zwanzig Jahren kein Gebrauch gemacht. worden sei, daß also die Noth— wendigkest einer Aenderung nicht vorliege. Dieser Zustand entspreche nicht der Verfassung. .
Präsident des Staats⸗-Ministeriums, Minister des Innern Graf zu Eulenburg: Ich gebe zu. han die Verschiedenartigkeit nicht wünschenswerth ist, aber der Verfasfung widerspricht sie nicht. Es hängen mit der Regelung dieser Angelegenheit Dinge zusammen, die sich nicht so einfach regeln lassen, und fie muß untersucht werden, ob nicht aus der alten Verordnung manches in eine andere Regelung mit hinübergenommen werden müßte. Ich lehne es nicht ab, auf die Prüfung der Frage einzugehen, aber für so dringlich halte ich deren Frledigung nicht. . ] .
Abg. Kolisch (dfr) weist darauf hin, daß in der Provinz Posen ein Mißverhältniß besteht bezüglich der Vertretung der Städte 9 Kreistage. Es sei vorgekommen, daß eine städtische Sparkasse, welche
Etwas Ehrenrühriges ist
florirte, durch die, Einrichtung einer besonderen Kreiesparkasse ge⸗ schädigt worden sei, Wenn die Städte in der Provinz Pofen einen größeren 9 hätten. so würde dadurch auch vielleicht verhindert worden sein, daß die Mittel aus der lex Huene so schlecht verwendet worden sind. 6.
Präsident des Staꝗts⸗Ministeriums. Minister des Innern Graf zu Eulenburg: Die Vertretung der Städte und Landgemeinden in der Kreishertretung beruht auf dem Gesetz von 1828. Eine einseitige Durchbrechung dieses Gesetzes im Interésse der Städte würde eine Verschiebung der Vertheilung der Vertretung zur Folge haben. Solche einseitigen Experimente kann man nicht machen. Die Verhältnisse drängen allerdings wohl dazu, daß man eine systemalische Aenderung herbeiführt. Aber solche Dinge wie bezüglich der Sparkasse können auch im Gebiet der Kreisordnung von 1873 vorkommen.
Abg. Knebel (ul) führt aus, daß die Verfassung alle Aemter allen Preußen zugänglich mache; daraus folge auch mit Nothwendigkeit, daß die Entsetzung von diesen Aemtern für den ganzen Staat gleich— mäßig geordnet sein müsse.
Abg. Francke Tondern (n.) weist auf verschiedene Mißstände auf dem Gebiet des Versicherungswesens hin. Es handelt sich zunächst um das Agentenwesen; die Agenten theilen nicht überall mit, ob es sich um eing gegenseitige Versicherung, d. h. um eine solche mit wechselnden Prämien oder um eine solche mit festen Prämien handelt. Ferner ist es zu tadeln, daß die Versicherungs⸗Gesellschaften ihre Prozesse an ihrem Sitze führen lassen, was viele Leute abhält, über— haupt Prozesse anzustrengen, weil die Kosten zu groß werden. Ferner tadelt er, daß einige Versicherungs⸗Gesellschaften, die kleine Leute versichern, die ö ,, mit großer Härte beitreiben.
Pfäsident des Staats⸗Ministeriums, Minister des Innern Graf zu Eulenburg: Es bestehen sehr viele Mißstände auf dem Gebiet des Versicherungswesens, und ich kann nur bitten, alle Klagen zur Kenntniß der Regierung zu bringen, damit sie Veranlassung nimmt, bei der Revision der Versicherungsgesetzgebung ihr Augenmerk darauf zu richten. Aus dem Vorgetragenen will der Minister Veranlassung nehmen, die Aufsichtsbehörde auf diese Mißstände aufmerksam zu machen.
Abg. Graf zu Limburg Stirum (Ceons.) bemerkt gegenüber dem Abg. Knebel, daß die Verfassung nur von der Zulassung zu den Aemtern spreche; diese Vorschrift kann man aber nicht ohne weiteres auf die Entlassung aus den Aemtern anwenden. Die Einführung der Selbstverwaltung in der Provinz Posen ist doch nur möglich, wenn die Sicherheit besteht, ö die politischen Gegensätze von der Selbstperwaltung ferngehalten werden, wie dies in den anderen Provinzen sich herausgestellt hat. Diese Sicherheit be⸗ steht für Posen nicht. Ebensogut wie in dem angezogenen Fall der Kreis der städtischen Sparkasse Coneurrenz macht, könne auch einmal eine neue städtische Sparkasse der Kreissparkasse Concurrenz machen. Es wird überhaupt ein Gesetz erlassen werden müssen, welches die einheitliche Verwaltung der Sparkassen und namentlich die Ver⸗ wendung ihrer Ueberschüsse regelt.
Abg. von Tiedem ann-Bomst (freicons.) bestreitet, daß sich irgend welche Mißstände herausgestellt hätten. Man könne ruhig warten, bis die politischen Verhältnisse sich geändert hätten. Daß der Kreis eine Sparkasse einrichtet, um zu verhindern, daß die städtische Sparkasse zu große Ueberschüsse erzielt, ist eine durchaus berechtigte Concurrenz.
Abg. Papendiek (dfr.) bringt die Nichtbestätigung des Land⸗ schafts⸗Raths Maul und des Gutsbesitzers Büchler als Kreis⸗Deputirte zur Sprache. Die Kreisausschüsse haben die betreffenden Herren, die sich in geachteten Stellungen befinden, mit großer Mehrheit gewählt. Der frühere Minister und der jetzige haben erklärt, daß es sich um politische Gründe bei der Nichtbestätigung nicht handelte. Was soll denn aber sonst vorliegen?
Präsident des Staats-Ministeriums, Minister des Innern Graf zu Eulenburg: Wenn man den Ansichten des Vorredners folgen wollte, dann würde man niemals zur Nichtbestätigung kommen, wenn nicht der Betreffende einer entehrenden Handlung sich schuldig gemacht hat. So liegt die Sache aber nicht. Die Regierung muß das Vertrauen haben, daß der betreffende Mann sich zur Wahrnehmung des Amts vollständig eignet. in den betreffenden Fällen nicht vor⸗ gekommen. Es kommt im Parteikampf vor, daß jemand sich in seine Parteiauffassung so leidenschaftlich verrannt hat, daß man nicht an⸗ nehmen kann, er werde ein Staatsamt unparteiisch und wie es ge⸗ fordert werden kann verwalten. Diese Erwägungen haben die Re⸗ gierungen geleitet und werden sie auch in Zukunft leiten.
Abg. Knebel (ul.): Ich halte daran sest, daß das Diseiplinar⸗ gesetz ein integrirender Theil des preußischen Staatsrechts ist, und daß keine Ausnahme bestehen darf für eine einzelne Prooinz.
Abg. Rickert (dfr.): Ich danke dem Minister für seine Offen⸗ herzigkeit, muß aber feststellen, daß der Graf Eulenburg von den Erfahrungen des früheren Grafen Eulenberg, der schließlich in der Befähigungsfrage ein privilegium odiosum erkannt hat, nichts gelernt hat. Er fällt in die . der Konflikts⸗ zeit zurück. Der Minister meint, daß es sich um Männer handeln könne, die nach ihrem Temperament sich leidenschaftlich einer politischen Parteirichtung hingegeben haben. Es handelt sich um Männer, die von ihren Gegnern trotz der Nichtbestätigung einstimmig wiedergewählt worden sind. Ich bin von dem früheren Minister Grafen Eulenburg als Landes ⸗Director bestätigt worden, trotzdem ich damals ebenso im Vordergrunde der politischen Kämpfe gestanden habe wie jetzt. Werden denn conservative Männer als Deputirte nicht bestätigt, trotzdem sie sich der Parteipolitik mit dem größten Eifer hingeben? Diese werden zärtlich behandelt und nur gegen die Freisinnigen richtet sich die Maßregelung. Das Volk wird sehen, daß es sich nur um eine politische Maßregel handelt. Der Minister hat keinen Beweis dafür erbracht, daß die betroffenen Männer sich leidenschaftlicher Parteiagitation hingegeben haben. So lange das nicht geschehen ist, bleiben wir bei der Behauptung, daß die Regierung eine Partei⸗ regierung ist. (Widerspruch rechts.) ;
Präsident des Staats⸗Ministeriums, Minister des Innern Graf zu Eulenburg: Ich bin erstaunt über diese Philippika des Abg. Rickert. Ich muß wiederholen, nach den Grundsätzen des Abg. Rickert wäre das Bestätigungsrecht der Regierung überhaupt beseitigt. Sie sehen, wie an den hervorragendsten Stellen fieisinnige Männer bestätigt sind, und dann wagen Sie mir zu sagen, daß ich parteiisch gehandelt habe! Das wird Ihnen kein Mensch glauben. Ich bin entschieden der Meinung, ein unparteiisches Regiment zu führen. Aber ich werde die Bestätigung nicht ertheilen oder Seiner Majestät nicht rathen, sie zu ertheilen, wenn ich nicht vollständig überzeugt bin von der Befähigung der Männer, die gewählt sind. Das ist eine politische Maßregel, aber eine Maßregel, die sich, nicht gegen eine besondere Partei richtet, sondern gegen jede Partei, in der die be— treffenden Verhältnisse sich herausstellen sollten. Wenn ich etwas vor gebracht hätte über die betreffenden Männer, so würde ich mir vielleicht gesagt haben: das genügt nicht. Das kann man nur aus persönlicher, genguer Kenntniß der Verhältnisse beurtheilen, und dazu gehört eine große Verantwortlichkelt. Ich kann nur sagen, daß nur Dinge an— geführt worden sind, welche ergeben, daß die beiden Männer ihr Amt nicht obsectsp, sondern vom Standpunkte der Partei aus wahrnehmen würden. . . ,
Abg. Schmitz (Centr.) weist darauf hin, daß die kleinbäuerlichen Besitzer bei den Versicherungsagenten oft Dinge unterschreiben, ohne sie gelesen zu haben, oder daß sie sogar mündliche Vereinbarungen treffen, die den schriftlichen widersprechen. Der Minister sollte dem Agentenwesen eine größere Aufmerksamteit zuwenden. .
Abg. Motty (Pole): Die Abgg. Graf. zu Limburg ⸗ Stirum und von Tiedeingnn⸗Bomst haben gemeint, die, politischen Gegensätze würden in Posen in die Selbstterwaltung eindringen, dalür ist ein Beweis nicht beigebracht worden; wir, müssen dieste Behauptung zurückweisen. Die politischen oder vielmehr die nationalen Gegensätze werden wir in die Verwaltung niemals einmischen. r
Äbg. Graf zu Lim burg Stirum (con. Wenn alle Lande leute deß Vorredners von seiner gemäßigten Gesinnung paren. Conn die Einführung der Selbstverwaltung kein Bedenken haben. Das ist
aber durchaus nicht der Fall, und es wird sehr viel Zeit nöthig sein, um dahin zu kommen. In Bezug auf die Nichtbestätigung der Kreis⸗Deputirten stehe ich vollständig auf dem Standpunkt des Ministers, dem ich unseren Dank dafür aus— spreche, daß die Rechte der Krone energisch gewahrt werden. Die Herren sind nicht bestätigt worden wegen der prononeirten Partei⸗ stellung, nicht weil sie überhaupt freisinnig sind. Der Abg. Rickert, obgleich ein Führer der Freisinnigen, könnte in jedem communalen Amte bestätigt werden. Aber es giebt Leute, die in jedem Falle ihren Parteistandyunkt vertreten. Solche Männer können öffentliche Aemter nicht bekleiden. Sie stellen die Regierung in eine ganz falsche Lage, wenn Sie verlangen, . soll hier die Gründe angeben; denn das Urtheil über einen Mann bildet sich aus einer Menge von Imponderabilien. Dabei läßi sich kein logischer juristischer Beweis führen. Das Kronrecht würde ohne weiteres beseitigt sein. Deshalb müssen wir uns dem Anfordern des Abg. Rickert entschieden widersetzen. Das Recht der Bestätigung ist ein verantwortungsvolles, aber, wenn es gut geübt wird, dient es dem Wohle des Landes. Es ist im letzten Fahre mit einer Unparteilich— keit geübt worden, daß niemand berechtigte Beschwerden erheben kann.
Bei Schluß des Blattes nimmt Abg. Dr. Langerhans das Wort.
— Der Bericht über die Sitzung des Reichstags vom 28. Januar befindet sich in der Ersten Beilage.
— Dem Herrenhause ist der Entwurf eines Gesetzes über den Einfluß von Vorrechtseinräumungen auf das geringste Gebot in dem Verfahren der Zwangsversteigerung zu— gegangen.
Statiftik und Volkswirthschaft.
Zur Arbeiterbewegung.
Aus dem Ober-Bergamtsbezirk Dortmund wird der Frkf. Ztg.“ unter dem 2s. d. M. geschrieben, das Ende des Aus⸗ standes werde die endgültige Entlassung mehrerer hundert Bergleute sein, die während des Strikes sich mißliebig gemacht haben. Die Gelsenkirchener Bergwerksgesellschaft, die erst über 1000 Bergleute der Zeche „Germania“, Schacht 1 und Schacht „Müllensiefen? und „Zollern“ entließ, habe sämmtliche Leute bis auf 50 wieder ange— nommen. Da auch andere Gruben solche Leute nicht annehmen, wird den Entlassenen nichts übrig bleiben, als in ihre Heimath zurück zukehren. Die Betroffenen sind meist Fremde.
Gestern fand hier in Berlin eine Versammlung von Anarchisten statt, in der heftige Reden gegen die Socialdemokraten gehalten wurden, die dann aber schließlich der Auflösung durch den überwachenden Beamten verfiel.
Nach einer Mittheilung der Londoner „Allg. Corr.“ beliefen sich die durch Ausstände in Großbritannien verursachten Verluste 1890 auf 1292 0090 Pfund Sterl.; für 1891 berechnet man die Ver⸗ luste auf 1500 000 Pfund Sterl.
Ueber die ergebnißlose Conferenz, die jüngst wieder zwischen Ar— beitgebern und Ausständigen der Baumwollindustrie in Lan— cashire stattfand (vgl. Nr. 25 d. Bl.), berichtet die Londoner „Allg. Corr.“: Die Arbeitervertreter erklärten sich bereit, den Ge— nossen zu rathen, die Arbeit zu den alten Lohnsätzen unter der Bedingung wieder aufzunehmen, daß, wenn nach Verlauf von 3 Monaten die Preisdifferenz; zwischen Baumwolle und Garn keine genügend große sein sollte, sie eine fünfprocentige Lohnkürzung sich sollten gefallen lassen. Die Fabrikanten wiesen diesen Vorschlag als unannehmbar zurück. Darauf erklärte der Secretär des Arbeiterausschusses, Mr. Maudsley, daß bei dieser Sachlage von der weiteren Fortsetzung der vierzehntägigen Berathungen kein Nutzen sich erwarten ließe, und da die Fabrikanten gleicher Meinung waren, wurde die Conferenz auf unbestimmte Zeit vertagt. — In Manchester liefen Gerüchte um, daß eine große Anzahl von Baumwollenfabrikanten, Mitgliedern des Bundes der Meister, mit der Aufnahme der Vorschläge der Arbeiter auf der Freitagsconferenz durch die Arbeitgeber, unzufrieden seien; das Executip⸗ comité des Bundes werde um die Einberufung einer großen Ver— sammlung ersucht werden, auf der die Lage vom Standpunkt der Fabrikbesitzer gründlichst besprochen werden soll.
Neue Arbeiterschutzgesetzgebung in Belgien.
Das belgische „Staatsblatt“ veroffentlicht eine Reihe Königlicher Erlasse, wodurch die Frauen- und Kinderarbeit in industriellen Anlagen nach den Forderungen des Gesetzes vom 3. Dezember 1889 geregelt wird. Dieses Gesetz hatte u. a. bestimmt, daß der König innerhalb dreier Jahre die höchste zulässige tägliche Arbeitsdauer und die Ruhepausen (für Frauen und Kinder) nach den Erfordernissen der Industrie sowohl als der Art der Beschäftigung regeln wird. Die jetzigen Erlasse — die sich indeß nicht auf den Bergwerksbetrieb be ziehen — enthalten diese damals vorgesehene Regelung. Wir heben hieraus auf Grund einer Mittheilung der „Köln. Ztg.“ Folgendes hervor: .
l) Spinnereien und Webereien von Leinen, Baum⸗ wolle, Hanf und Jute: Arbeitsdauer 11 St., jedoch für Kinder von 12 bis 13 Jahren nur 6 St. mit Ausnahme der vor dem Erlaß beschäftigten; drei Ruhepausen mit (zusammen) 15 St. Ruhe und einschließlich einer einstündigen Mittagspause; während der Pausen müssen die Einrichtungen, an denen geschützte Personen arbeiten, still stehen und diese freien Ausgang haben. 2) Wollspinnerei und Weberei: Arbeitsdauer 111 St.; drei Pausen mit 1. St., davon einstündige Mittagspause. 3) Zeitungsdruckereien: Arbeits dauer 10 St.; mehrere Pausen mit 14 St. 4) Kunstgewerbe, darunter graphische Künste, Schriftgießereien, Buchbindereien, Klavier-, Orgel⸗, Geigenfabriken, Diamantschneidereien u. a. m.: Arbeitsdauer 10 St. (in Schriftgießereien 8 für Arbeiter unter 16 Jahren); drei Ruhepausen mit 13 St. 5) Papierfabriken: Arbeitsdauer 6 St. für Kinder unter 14 Jahren, i0 St. für die anderen geschützten Per⸗ sonen; Pausen für Kinder 4 St., für die übrigen dreimal mit 14 St. Die vor dem Erlaß beschäftigten Kinder werden wie geschützte Per⸗ sonen über 14 Jahren behandelt. Nachts dürfen Knaben von mehr als 14 Jahren beschäftigt werden. 6 Taback⸗ und Eigarren— fabriken: wie in den Papierfabriken, jedoch ohne Ausnahme bestimmung für Nachtarbeit. 7 Zuckerfabriken; Arbeitsdauer loz St.; drei Pausen mit 19 St. Nachtarbeit wird für Knaben über 14 und Mädchen über 16 Jahre gestattet, 8) Möbel indust rie, darunter Parkettirung, Marmorarbeit, Wagenfabriken, Böttchereien, Bürstenfabriken: Arbeitsdauer (hier betrifft die Aus— nahme bloß die geschützten Personen bis zum 16. Jahre) 9 St. vom J. Oktober bis Ende März, sonst 10 St.; drei Pausen mit 1 St. einstündige Mittagspause. 9) Töpfereien und Fayenee⸗ fabriken (wieder für alle geschützten Personen): Arbeitsdauer 10 St., drei Pausen mit 15 St. mit einstündiger Mittagspause. 10) Fabriken von feuerhartem Steingut: desgl. 11) Spie gelsabriken: desgl. Ferner können beim Gießen Knaben von 14 bis 16 Jahren lachte sowie alle 14 Tage 6 St, am Ruhetage beschäftigt werden; zwischen diese 6 St. fällt eine wenigstens halbstündige Pause. 123) Zündholzfabriken: Arbeitsdauer 109 St.; drei Pausen mit 15 St. und mit freiem Ausgang. In diesen Fabriken dürfen nach einem früheren Erlaß Kindes unter 14 Jahren schon nicht mehr beschäftigt werden, 13 Baugewerbe (für Arbeiter von weniger als 16 Jahren): Arbeitsdauer 8 St. vom 1. November bis Ende Februar, sonst 10 St.; Pausen 1 bezw. 15 St. 14) Ziegeleien: Arbeitsdauer a. 8 St. für alle unter 14 und Mädchen unter 16 Jahren: b. 12 St. für die übrigen Ge— schützten vom 1. April bis Ende September sonst . 8 St.; Pausen, zu a und e mehrere mit 1 St., zu d 18 St. mit einstündigem Mittag. 15) Zinkhütten: Arbeitsdauer a. für Kinder unter 14 Jahren St. b. n, n übrigen Geschützten 19 St.; Pausen zu a 5 St, zu H mehrere mit St. und mit einstündigem Mittag zwischen 11 und 2 Uhr; Nacht
arbeit nur für Knaben von 14 bis 16 Jahren. 16) Glas⸗ und Krystallfabriken (für solche, die beim Glasbereiten selbst thätig sind); Arbeitsdauer 10 St. und 20 Min.; drei Pausen, nämlich Mor⸗ ens 20 Min., Mittags J St., Nachmittags 20 Min.; Nachtarbeit ür Knaben von 14 bis 16 und weibliche Personen von 16 bis 21 Jahren; Arbeit an jedem zweiten Ruhetag für Knaben von 14 bis 16 Jahren, die beim Gießen thätig sein müssen, und dann nur bis zu 6 St,. mit St. Pause. 173 Bekleidungsgewerbe 1, nämlich Bereitung von, Kleidungsstücken und Kurzwaaren: Arbeitsdauer 11 St.; drei Pausen mit iz St. und einstündigem Mittag. 18) Sonstige Be— leidungsgewerbe, also Leder, Schuhwert, Färbereien, Schirme, Handschuhe u s. w.: Arbeitsdauer 19 St.; Pause mit 1 St. und freiem Ausgang. 19 Schwere Maschinen und Eisenbahn⸗ wagen u. s. w.: Arbeitsdauer 10 St. für Kinder unter 14 Jahren, 11 St. für die übrigen Geschützten; Pausen mit 1 St. und freiem Aus⸗ gang. 20 Leichte Maschinen, darunter Instrumente für Techniker, Uhren, Gießerei für kleinere Gegenstände, Waffenfabriken u. s. w. Arbeits- dauer 10 St. für Kinder unter 14 Jahren, 11 St. für die übrigen Geschützten in Fabriken von Schrauben, Nägeln, Werkzeugmaschinen, landwirthschaftlichen und Gartenmaschinen und Geräthen, Wagen, Zaundraht und Drahtgeweben, Stahliedern, Messern, Küchengeräthen, Kratzen, Feuerspritzen, Hufen, Näh⸗ u. s. w. Maschinen, Fahrrädern u. a. m., ferner beträgt die Arbeitsdauer für Geschützte über 14 Jahre in den sonstigen Anstalten dieser Gruppe 19 St, Ruhepausen allgemein 11 St. mit einstündigem Mittag und mit freiem Aus⸗ gang. Die in den verschiedenen Erlassen angesetzten Stundenzahlen sind die höchst zulässigen für die Arbeitsdauer, die niedrigsten für die Ruhepausen. Wo Nachtarbeit gestattet wird, darf die ge⸗ sammte Arbeitsdauer die durch die Erlasse für die betreffenden ge⸗ schützten Personen gestattete Zahl Stunden thatsächlicher Arbeit in 24 Stunden nicht übersteigen; und wo Sonn tagsarbeit — der Ausdruck durfte der Verfassung wegen nicht gebraucht werden — zu⸗ lässig ist, muß, wie noch ausdrücklich bestimmt wird, freie Zeit zum Besuch des Gottesdienstes gelassen werden. In den Fabrikräumen muß neben dem Gesetz eine Stundentabelle angeschlagen werden.
Da die Erlasse nicht unerwartet kamen, haben die Gewerbe⸗ treibenden bereits ihre Vorkehrungen getroffen; in Gent z. B. haben alle großen Textilfabriken bereits verfügt, daß die für geschützte Per⸗ sonen vorgeschriebenen Maximalstunden und Ruhepausen für alle Ar beiter gelten, und zwar ohne Lohnverkürzung.
r Kunst und Wissenschaft.
Die Philosophische Gesellschaft beging am Sonnabend im Bürgersaal des Rathhauses ihr fünfzigjähriges Bestehen durch einen Festact. Von Gästen waren, wie die, Nat⸗Ztg. berichtet, anwesend: Ge⸗ heimer Justiz⸗Rath Professor Dr. Berner, der noch als Schüler zu Michelet ' und Werder s Füßen gesessen hat, ferner die Professoren Lazarus, Steinthal, Bastian. Ihnen schlossen sich die Professoren Paulsen, Ebbinghaus, Ascherson, Brugsch, Pappenheim, der russische Staatsrath von Konmanin u. a. an. Professor Lasson er⸗ öffnete die Feier mit einer Begrüßung der Gäste. Dann betrat der einundneunzigjährige Professor Michelet das Katheder und machte einige Mittheilungen über die Entstehung der Gesellschaft, deren Gründung in eine Zeit fiel, in der die Systeme wie Pilze aus der Erde wuchsen“. Ihr stehe die Gegenwart als die „heldenlose, die schreck⸗ liche Zeit‘ gegenüber. In einem zweiten Theil seiner , , ging Michelet darauf ein, in welcher Weise die Gesellschaft ihre Aufgabe erfüllt habe. Mit Lebhaftigkeit erklärte er, es gebe noch eine philosophische Wahrheit, welche, durch die zweitausendjährige Geschichte der Philosophie herbeigeführt und ans Licht gezogen sei. Hierauf nahm Professor Lasson das Wort zu der Festrede, in der er ein Bild von der Entwickelung und Umbildung gab, welche die philosophische Gesellschaft im Laufe der fünf Jahrzehnte ihres Bestehens erfahren hat, und zugleich das Ver⸗ hältniß zu den Naturwissenschaften beleuchtete. Der letzte Redner, Gymnasial⸗Director a. D. Döring, früher in Dortmund thätig, sprach zum Schluß über die Zukunft der Gesellschaft mit Hinweitz auf die neuen Regeln der Gesellschaft. Am Abend vereinigte sich die Gesellschaft mit ihren Gästen zu einem Festmahl im Restaurant Aim.
— Der 22. Chirurgen⸗Gongreß wird unter Vorsitz des Professors König⸗Göttingen vom 12. bis 15. April d. J. in Berlin im Langenbeck⸗Hause stattfinden. — Der 21. deutsche Aerztetag wird in Breslau am 26. und 27. Juni abgehalten werden.
— Auch die Univerfität zu Palermo ist laut Meldung des W. T. B.“ vom gestrigen Tage infolge von. Unbotmäßigkeiten der Studirenden geschlossen worden.
Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs⸗ Maßregeln.
Cholera. ö 30. Januar. Der „Hallischen Zeitung zufolge sind in der Irrenanstalt zu Nietleben von Sonnabend Mitter⸗ nacht bis Sonntag Mitternacht zwei Erkrankungen und zwei Todes⸗ fälle und von Sonntag Mitternacht bis Montag Mitternacht zwei Todesfälle infolge von Cholera vorgekommen. In der Stadt Wettin ist eine Person an der Cholera erkrankt.
Halle a. S., r
Großbritannien.
Die von dem Local Government Board erlassenen Verord- nungen vom 11. und 13. Juli, 11. August und 14. Dezember 1892 (vergl. ‚R.⸗A.“ Nr. 4 vom 5. Januar 1893), betreffend die Einfuhr von Lumpen, schmutzigem Bettzeug und gebrauchten oder schmutzigen Kleidungsstücken, sind unter dem 21. Januar 1893 weiter dahin ab- geändert worden, daß Lumpen“ im Sinne der früheren Verordnungen und innerhalb des bisherigen Geltungsgebiets der letzteren, vorbehaltlich einer etwa anderweit von dem Local Government zu treffenden Bestimmung, während der nächsten zwei Monate nach England eingeführt werden dürfen, ohne der bisher vorgeschriebenen Desinfection in englischen Häfen vor Auslieferung an den Adressaten unterworfen worden zu sein, vorausgesetzt, daß ein von dem Absender vor einem britischen Konsul ausgestelltes und von dem letzteren beglaubigtes Certifieat dahin beigebracht wird, daß die Lumpen nicht von Orten herstammen, in welchen Cholera geherrscht hat.
Portugal.
Durch eine im „Diario do Governo“ vom 24. Januar 1893 ver—⸗ öffentlichte Verfügung des Königlich portugiesischen Ministeriums des Innern werden die Häfen Rußlands von dem gedachten Tage an für rein“ von Cholera erklärt.
Sandel und Gewerbe.
Unter der Firma K. Richter, General Ofsice, 20 Market Place, Oxford Street, London W. empfiehlt sich in deutschen Zeitungen ein in London angeblich bestehendes Stellenvermitte⸗ lungsbureau. Stellungsuchende, welche sich auf eine solche Anzeige hin an die bezeichnete Adresse wenden, erhalten daraufhin die Aufforderung, zunächst auf die von dem Bureau herausgegebene Zeitschrift „Central Office“ zu abonniren und den Abonnementspreis im voraus einzusenden.
Nachfragen in dem Hause 20 Market Place, London We haben ergeben, daß sich in demselben ein Stellenvermittelungs⸗ bureau oder General Office von K. Richter nicht befindet, und daß ein salches auch in der Nachbarschaft gänzlich unbekannt ist. Unter diesen Umständen kann den Stellungsuchenden nur empfohlen werden, den unter der bezeichneten Adresse ergehenden Offerten gegenüher vorsichtig zu sein.
Verkehr s⸗Anstalten.
Bremen, 29. Januar (W. TD. B) (Rorddents chen
Lloyd.) Der Postdampfer Frankfurt‘, nach dem La Plata be-