1893 / 26 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 30 Jan 1893 18:00:01 GMT) scan diff

Ton, den er angeschlagen hat, die ganze Berathung des Etats des Reichsamts des Innern hindurch andauern werde.

Meine Herren, was die Wünsche des Herrn Vorrredners an= langt, so, bezog sich der erste auf die Herstellung eines General⸗ berichts über die Ausstellung, und damit verband er gleichzeitig die Anregung, daß Einzelberichte publieirt werden möchten, die schon während der Ausstellung und noch auf derselben verwerthet werden können. Meine Herren, was die Erstattung eines Generalberichts anlangt, so kann man darüber recht zweifelhaft sein, ob es möglich sein wird, die Erstattung eines Generalberichts über ein so ausgedehntes Ausstellungsunternehmen, wie es dasjenige der Chicagoer Ausstellung ist, zu ermöglichen. Die Industrie ist ja nicht allein in Chicago vertreten, sondern daneben sind ja auch alle möglichen anderen Zweige menschlicher Thätigkeit und menschlicher Wissenschaft in Chicago zur Ausstellung gebracht. Damit ist das Gebiet ein so vielseitiges, daß es kaum möglich sein wird, jemand zu finden, der mehr thun kann, als wie die einzelnen Berichte, die er aus sachverständigen Händen empfängt, in einer zweck— mäßigen und übersichtlichen Weise“ zusammenzustellen. Bisher ist es von der Reichsverwaltung nicht in Aussicht genommen, ihrerseits einen solchen Generalbericht herzustellen. Man hat sich gesagt, daß das Interesse aller derjenigen Zweige, welche überhaupt aus der Chicagoer Ausstellung Nutzen zu ziehen hoffen, naturgemäß dahin führen wird, daß aus diesen einzelnen Zweigen der wirthschaftlichen und wissen⸗ schaftlichen Thätigkeit heraus die Sendboten nach Chicago geschickt werden, die nun die dort zur Darstellung gekommenen Objecte auch für das Heimathland fruchtbar zu machen im stande sind. Wir haben ge⸗ glaubt, das zunächst den einzelnen Industriegruppen, den einzelnen Wirthschaftsgruppen der Nation überlassen zu sollen und eventuell die Thätigkeit der Regierungen der einzelnen Bundesstaaten in diesem Punkt anzuspannen. Damit ist selbstverständlich nicht ausgeschlossen, daß, soweit das Reich als solches rücksichtlich einzelner Zweige selbst ein Interesse hat ich erinnere in dieser Beziehung beispielsweise daran, daß es sich wohl empfehlen dürfte, auch von Seiten des Patentamts eine Beschickung der Chicagoer Ausstellung vorzu⸗ nehmen —, dasselbe in dieser Beziehung auch das Seinige thun wird.

Was die Herstellung der Einzelberichte anlangt, so bin ich ja gern bereit, die Anregung an den Reichscommissarius zu geben, daß er dafür Sorge trägt, daß die Berichterstatter, die sich ja natur— gemäß auch ihrerseits mit ihm in Verbindung setzen werden, ihre Berichte so schnell und so früh als möglich zum Gemeingut machen und es also ermöglichen, daß schon während der Ausstellung ein Nutzen daraus gezogen werden könne.

Der Herr Vorredner ist dann auf das sehr dankenswerthe Be— streben mehrerer Deutsch⸗Amerikaner zu sprechen gekommen, welches darauf gerichtet ist, für deutsche Reichsangehörige, die nicht im Be— sitz eigener Mittel sind, um den Besuch der Ausstellung unter⸗ nehmen zu können, deren Hinsendung nach Chicago aber von be— sonderem Nutzen für den Thätigkeitszweig, dem sie angehören, zu werden verspricht, nun den Besuch der Chicagoer Ausstellung zu erleichtern. Dieses Project ist auch an mich herangetreten. Ich habe mich für ermächtigt gehalten, meine Unterstützung, soweit sie zur Durchführung dieses Projects erbeten war, in Aussicht zu stellen, und ich darf erwarten, daß es auf diesem Wege gelingen wird, Kräfte, von deren Besichtigung der Chicagoer Ausstellung man sich einen Nutzen versprechen darf, nach Chicago auch wirklich zu senden.

Meine Herren, ich habe mir erlaubt, Ihnen hier das Bild desjenigen Gebäudes vorzuführen, welches auf Reichskosten in Chicago als deutsches sogenanntes Staatsgebäude in der Errichtung begriffen und nahezu voll⸗ endet ist. Sie werden daraus ersehen, daß die deutsche Archi— tektur auf der Chicagoer Ausstellung würdig vertreten sein wird, und ich kann, wie das ja auch bereits die Ihnen vorliegende Denk⸗ schrift gethan hat, zu meiner Freude constatiren, daß die bisherigen Anmeldungen für die Ausstellung, die sehr viel zahlreicher einge—⸗ gangen sind, als wie wir es ursprünglich haben erwarten dürfen, eine Gewähr dafür bieten, daß Deutschland würdig in Amerika repräsentirt sein wird. Nun, meine Herren, hat dazu ja be— reits eine größere Summe von Kosten von Reichswegen auf— gewendet werden müssen. Sie wissen, daß das Reich drei Millionen für die Ausstellung von Chicago bewilligt hat. Ich habe es bisher als meine Aufgabe angesehen, es dem Reichscom⸗ missarius zur Pflicht zu machen, daß er innerhalb der ihm dadurch gesteckten finanziellen Grenze wirthschaftet, und daß er darauf Be⸗ dacht nimmt, mit diesen Mitteln auch wirklich auszureichen.

Nun, meine Herren, ist mir vor einigen Tagen von dem Reichs⸗ commissarius die telegraphische Mittheilung geworden, daß, so sehr er sich auch bemüht habe, dieser meiner Instruction nachzukommen, er doch die Empfindung habe, daß es nothwendig sein werde, noch weitere Mittel aufzuwenden, wenn Deutschland, namentlich in decora—⸗ tiver Beziehung, den übrigen europäischen Staaten nicht sehr erheblich nachstehen solle. Es ist mir von ihm auch eine Summe bezeichnet worden, welche seinem pflichtmäßigen Ermessen nach erforderlich sein würde, um die Gleichstellung in dem äußeren Auftreten Deutschlands gegenüber den anderen Ländern herbeizuführen. Ich habe selbstverständlich der Anregung, die er mir gegeben hat, zu einer Ermächtigung, innerhalb der von ihm bezeichneten Grenze weitere Ausgaben vornehmen zu dürfen, nicht stattgeben können; ich muß erst mit der Finanzverwaltung in Ver⸗ bindung treten und muß mir die Anträge, die etwa für zweckmäßig erachtet werden, um eine solche weitere Bewilligung sicherzustellen, vorbehalten; ich zweifle aber nicht, daß, wenn unsere Erwägungen dazu führen sollten, daß noch weitere Mittel aufgewendet werden müssen, um eine vollständig würdige und entsprechende Repräsen⸗ tation der deutschen Leistungsfähigkeit auf der Ausstellung in Chicago herzustellen, dann auch der Reichstag seinerseits nicht abgeneigt sein wird, das Mehr zu bewilligen, das zu diesem Zweck als unabweisbar nothwendig sich herausstellen wird.

Nachdem hierauf die Abgg. Dr. Lieber und Hr. Hirsch, über deren Reden gleichfalls in der Sonnabend⸗Nummer be⸗ richtet worden ist, gesprochen, nimmt von neuem das Wort der

Staatssecretär Dr. von Boetticher:

Meine Herren! Ich glaube mich des Einverständnisses des Herrn Vorredners, auch ungeachtet des Nachdrucks, mit welchem er die Hinsendung von Arbeitern nach Chicago befürwortete, versichert zu halten, wenn ich es ausspreche, daß jede Hinsendung von Personen nach Chicago, also auch die Sendung von Personen aus den gewerbe⸗ treibenden Klassen, vor allen Dingen den Zweck verfolgen muß, daß die Sendung nutzbringend wird für den betreffenden Gewerbezweig, dem

die Person angehört. Das steht in erster Linie, und das Bildungs bedürfniß des Einzelnen, welcher vielleicht nicht in der Lage ist, der Allgemeinheit durch seinen Besuch der Ausstellung nützen zu können, steht erst in jweiter Linie. Ich bin ganz der Meinung, daß es sehr wünschenswerth ist, auch Arbeiter auf diese Ausstellung zu senden; aber natürlich muß auch da be— rücksichtigt werden das Maß von Mitteln, das für diesen Zweck bereitgestellt werden kann. Nun bin ich bisher bei dieser Frage, die auch schon bei uns erörtert worden ist, von der Voraussetzuug ausgegangen, daß die Sendung von Sachverständigen nach Chicago in der Hauptsache Aufgabe der einzelnen Gewerbs— gruppen und Bundesstaaten ist, und daß das Reich hierbei nur in der Weise thätig werden kann, daß es für diejenigen Betriebszweige, an denen es selbst ein unmittelbares Interesse hat, die Personen auswählt, die es nach Chicago schicken will.

Es wäre auch sehr unzweckmäßig, meine Herren, wollte man für das ganze weite Gebiet der gesammten Erwerbsthätigkeit die Auswahl der Personen in der Centralstelle des Reichs concentriren. (Sehr richtig) Es ist ja selbstverständlich, daß, insoweit eine solche Concentration erfolgt ist, dies nicht geschehen ist, ohne daß man sich des sachverständigen Beiraths derjenigen Personen bedient hat, die Auskunft zu geben vermögen über die Qualität der Sendlinge und über das Maß der Erwartungen, die man an ihre Sendung knüpfen darf. Aber alles dieses ist, glaube ich, sehr viel besser in die Hand der Einzelregierungen gelegt, soweit es nicht durch die Vorstände der industriellen und gewerblichen Vereine besorgt wird, als in die Hand des Reichs. Daß die Thätigkeit der Reichsverwaltung auch auf diesem Gebiet in gewissem Grade sich fruchtbar erweisen kann und wird, das ergiebt sich schon aus meiner Mittheilung, die ich vorhin gemacht habe, daß voraussichtlich aus Privatmitteln eine größere Summe zur Disposition gestellt werden wird, um von Seiten der Reichsverwaltung gewisse Personen auszuwählen, die zu dem angedeuteten Zweck nach Chicago gesandt werden sollen. Im allgemeinen und über diesen Kreis hinaus möchte ich aber nicht behaupten, daß die Concentration gerathen ist, sondern möchte das, wie gesagt, denjenigen Factoren überlassen, die den Dingen näher stehen als die Reichsverwaltung. .

Abg. Bebel (Soc.): Es ist mir sehr erfreulich, daß sich hier eine Art von Begeisterung für möglichst ausreichende Beschickung der Ausstellung in Chicago bemerkbar gemacht hat. Auch wir sind jederzeit bereit, für derartige Zwecke alle nothwendigen Mittel zu ge— währen. Aber die Begeisterung für Chicago und die Hoffnungen, die man an diese Ausstellung knüpft, stehen in grellem Widerspruch zu der Thatsache, daß wir uns gegen zwei Ausstellungen, die uns bedeutend näher waren und für das Gewerbe größere Erfolge gehabt hätten, voll⸗ ständig ablehnend verhalten haben: gegen die Pariser Weltausstellungen von 1877 und 1889. Beiden sind wir demonstrativ fern geblieben, als die einzige Culturnation Europas, zum größten Schaden für uns, unzweifelhaft aus wesentlich politischen Motiven: man wollte zum Ausdruck bringen, daß man Frankreich für ein wildes Land ansah. Wir waren stets anderer Ansicht. Da wir mit diesem Lande zu rechnen haben, wäre es von großem, auch politischem Vortheil gewesen, wenn wir die versöhnende Hand gereicht und damit gezeigt hätten, daß alle Mißstimmung von 1870 auf unserer Seite nrg, mehr vor⸗ handen ist. Dazu hätten wir in Paris ein ungleich . Absatz⸗ gebiet gehabt als in Chieago. Ber dortige Besuch, namentlich auch von Asten aus, war weit größer, als ihn Chicago zu erwarten hat, und unsere Vertretung in Paris war nicht so kostspielig. Der Erfolg der Ausstellung in Chicago wird bedeutend überschätzt, immerhin wird ihr Besuch von großem Vortheil sein, wenn auch nur, um die große Ueberraschung zu erleben, daß die Amerikaner uns technisch weit überlegen sind. Dem Eifer für die Chicagoer Ausstellung wider⸗ spricht auch, daß, als es sich um eine internationale Aus— slellung in Deutschland handelte, gerade die Regierung mit aller Macht diesem Plan entgegentrat. Und doch ist es keine Frage, daß, wenn neue Absaßgebiete eröffnet werden sollen, das im hochsten Grade erreicht worden wäre, wenn wir die ganze Welt zu uns eingeladen und ihr vor Augen geführt hätten, was wir zu leisten vermögen, nicht nur auf dem Gebiete der stehenden Heere, sondern auch im Wettbewerb in Werken des Friedens und der Cultur. Den Vorschlägen in Bezug auf die Beschickung der Aus⸗ stellung durch Delegationen aus Handwerker⸗ und Arbeiterkreisen stehe ich sehr skeptisch gegenüber. Ich habe zwar nichts da⸗ gegen, aber Vortheile davon verspreche ich mir nicht. Mit welcher Stimmung und Gesinnung werden die kleinen Handwerker aus Ehicago zurückkehren? Sie werden gesehen haben, wie sehr und wie unweigerlich sie auf dem Aussterbe⸗Etat stehen, wie die Ent— wickelung der Technik das ganze Handwerk überflüssig gemacht hat. Die Stimmung, in der sie nach Hause kommen, wird also eine sehr gedrückte sein. Etwas anders steht die Sache mit der Ent— sendung von Arbeitern. Aber zur persönlichen Ausnutzung dessen, was sie in Chicago gelernt haben, fehlen ihnen ja doch die Mittel; und andererseits steht es doch sehr in Frage, ob man auch die richtigen Personen für diese Delegation auswählte. Die Herausgabe eines ordentlichen Berichts über die, ganze Weltausstellung ist viel wirksamer; dieser Bericht muß möglichst ausführlich und sach— verständig verfaßt und mit genauen Zeichnungen versehen werden und außerdem recht billig sein. So würde das erstrebte Ziel viel leichter und viel wirksamer erreicht werden.

Abg. Schrader (dfr.): Ich habe es auch nicht gebilligt, daß wir uns von Paris fern gehalten haben, aber eine nachträgliche Kritik ändert nichts daran, und die maßgebenden Potenzen sind ja auch von ihrem Abfchließungssystem zurückgekommen. Für eine deutsche Weltaus⸗ e f ist in diesem Jahrhundert keine Aussicht mehr. Die Wüuͤnsche des Abg. Bebel wegen der Entsendung von Arbeitern fallen zum hen mit denen des Abg. Goldschmidt zusammen. Die Idee, welche bei vielen Leuten noch heute vorhanden ist, daß wir auf vielen Gebieten, z. B. auch auf dem des Erziehungswesens allen anderen Völkern voraus sind, werden Sie auf der Ausstellung in das Gegen⸗ theil verkehrt sehen; auch auf einer ganzen Reihe von wissenschaft— lichen Gebieten werden wir dort viel lernen können. Ich bin nicht der Meinung, daß alle diejenigen Personen, die zweckmäßige Specialberichte auf der AÄusstellung liefern könnten, dorthin geschickt werden sollen. In der Hauptsache ist diese Angelegenheit Sache der einzelnen Inter⸗ essenten; von diesen sollten auch die Mittel gestellt werden, wie ja die deutschen Gewerkpereine dazu bereit sind. Das sollten auch die großen Arbeiter- und Industriellenvereinigungen thun. Sie haben doch 9 an der Mitwirkung hieran ein Interesse, zumal wenn sie von Reichswegen dazu aufgefordert werden. Vermieden wissen möchte ich vor allem, daß der Bericht über die Ausstellung wieder so theuer ist, daß ihn kaum die Bibliotheken sich anschaffen können. Hier sollte man sich nach amerikanischem Muster die größte Billigkeit zum Princip machen. Dort kann man Bücher, die von allgemeinem Interesse sind, ein⸗ fach für das Postgeld bekommen, wenn man nur einigermaßen glaubhaft machen kann. daß die betreffenden Bücher für den Be⸗ treffenden von großem Nutzen sind. Man sollte die Berichte so billig herftellen, daß jeder sie sich beschaffen kann und nicht der Verleger einen mne e , Gewinn daraus zieht. Wenn Kostenüberschreitungen bei der Ausstellung aus der Lage der Dinge gerechtfertigt erscheinen, wird der Reichstag keinen Anstand nehmen, die erforderlichen Mittel zu bewilligen. Es wird freilich vom Reichsamt dafür gesorgt werben müssen, daß die Herren in Chicago nicht zu weit gehen und daß das nöthige Maß don Sparsamkeit innegehalten wird. Ich wünsche, daß das Beutsche Reich das Seinige dazu thun möge, daß die Aus— stellung gut beschickt und gut verwerthet wird.

Staatssecretär Dr. von Boetticher.

Ich bin sehr erfreut, daß die beiden Herren Vorredner die Be⸗ reitwilligkeit ausgesprochen haben, für die Ausstellung noch mehr und dasjenige zu thun, was wir nach gewissenhafter Prüfung für noth⸗— wendig halten, um Deutschland dort würdig repräsentirt zu sehen.

Die Form, in der eine Geldbewilligung nachgesucht werden wird, muß ich mir, wie ich vorhin schon angedeutet habe, noch vorbehalten. Ob die Form einer Ueberschreitung des Etats gewählt werden wird, ober ob ich noch mit der Forderung eines Nachtragseredits kommen werde, das wird sich erst beurtheilen lassen, nachdem die Verhand— lungen mit der Schatzverwaltung ihren Abschluß gefunden haben werden.

Was sodann die von dem Herrn Vorredner behandelte Frage der Einrichtung der Berichterstattung anlangt, so bin ich mit dem Plane einverstanden, den der Herr Vorredner für eine zweckmäßige Bericht⸗ erstattung entwickelt hat. Ich habe in meinen früheren Bemerkungen darüber nichts gesagt, weil ich es für ganz selbstverständlich halte, daß, wenn man oofficielle Berichterstatter nach Chicago schickt, man auch dafür sorgen muß, daß diese Berichte eine Form und einen Inhalt erlangen, wodurch sie für möglichst weite Interessentenkreise nutzbar werden. Dabei wird auch selbstver⸗ ständlich dafür gesorgt werden, daß alles das, was nicht durch das Wort dargestellt werden kann, durch begleitende Zeichnungen erläutert und klar gemacht werden wird.

Die trüben Aussichten, die der Herr Abg. Bebel für die deutsche Betheiligung und namentlich für die Betheiligung des deutschen Handwerks an der Ausstellung in Chicago eröffnet hat, vermag ich nicht zu theilen. Ich glaube nicht, daß der deutsche Handwerker, der nach Chicago geht, mit der Ueberzeugung zurückkommen wird: „Für euch ist doch nichts mehr zu machen, die Entwickelung der Industrie in Amerika hat einen Charakter angenommen, daß das Handwerk damit nicht bestehen kann“. Schon jetzt haben wir in unserm, engen Kreise und bei den geringen Bedürfnissen, die wir hatten, eine Erfahrung gemacht, die dafür spricht, daß diese An⸗ nahme des Herrn Abg. Bebel nicht zutrifft. Es liegen uns Aeußerungen vor, daß beispielsweise alles das, was an unserm Hause und an unsern Decorationen mit der Hand hergestellt werden muß, namentlich sofern es den Charakter einer kunstgewerblichen Leistung trägt, in Amerika nur außerordentlich schwer und zu ganz ungewöhn— lichen Kosten zu bestreiten ist. (Sehr richtig) Ich will dem Herrn Abg. Bebel zugeben, daß die Entwickelung der Maschinenindustrie ein sehr überraschendes, ja vielleicht bestürzendes Resultat für andere Coneurrenzländer möglicherweise liefern wird. Was aber die Handarbeit anlangt und die Kunstfertigkeit in unserem Handwerk, so können wir mit den Amerikanern noch alle Tage concurriren, und wir werden ihnen auf diesem Gebiet Leistungen vorführen, die sie in ebenbürtiger Weise nicht erwidern werden können.

Ich zweifle auch gar nicht daran, daß Deutschland und das ist ja eigentlich der Ausgangspunkt der ganzen Action, die wir auf diesem Gebiet eingeleitet haben —, daß Deutschland von der Be⸗ schickung der Chicagoer Ausstellung seine Vortheile haben wird und ungleich größere Vortheile, als es gehabt haben würde, wenn es die beiden Pariser Ausstellungen beschickt hätte.

Frankreich ist für uns schon ein ganz achtbares Absatzgebiet, und wir hatten gar keine Veranlassung, übermäßig darauf hinzudrängen, daß diese beiden Ausstellungen beschickt wurden. Wir hatten damals mit einer ganz außerordentlichen Ausstellungsmüdigkeit innerhalb unserer Industrie zu kämpfen, und ich glaube, es wäre sehr fraglich gewesen, ob die deutsche Betheiligung auf den französischen Aus— stellungen von dem Erfolge begleitet gewesen sein würde, den wir jetzt von der Betheiligung an der Chicagoer Ausstellung er— warten dürfen.

Wenn nun der klagt hat, daß die

Herr Abg. Bebel es

Regierung die Einrichtung einer Welt— ausstellung in Berlin hintertrieben hat, so ist die Regierung da wirklich außerordentlich unschuldig daran. Die Regierung hat sich dieser Frage gegenüber vollständig unparteiisch und objectiv gestellt: sie hat die deutsche Industrie vernommen und sie hat gegen über den überwiegend ablehnenden Erklärungen der deutschen Industrie sich von der Zulassung einer Weltausstellung in Berlin nichts ver⸗ sprochen. Das ist der Lauf der Dinge. Ich bitte, das also nicht der Regierung in die Schuhe zu schieben, sondern der Ausstellungsmüdig“ keit der deutschen Industrie, die der Ausstellung hinderlich gewesen ist. Im übrigen halte ich den Entschluß, in Berlin eine Weltausstellung nicht zu veranstalten, für einen überaus weisen, und ich habe die Er⸗ fahrung gemacht, daß, seitdem dieser Beschluß gefaßt ist, der Beifall, der diesem Beschlusse zu theil geworden ist, fortgesetzt größer wurde, und daß die Bedenken gegen eine solche Weltausstellung immer weitere Kreise erfaßt haben.

Schließlich möchte ich noch bemerken, daß, wenn wir nach der Anregung des Herrn Abg. Schrader dem Reichs⸗Commissarius in Chicago eine gewisse Ermächtigung ertheilen, selbständige Ausgaben vorzunehmen, selbstverständlich dafür gesorgt werden wird, daß er in dieser Ermächtigung nicht zu weit gehen werde. Ich kann, wie gesagt, nur meine Freude darüber aussprechen, daß der Reichstag geneigt zu sein scheint, für die Ausstellung noch mehr zu thun, als er bisher schon gethan hat. .

Abg. Möller nl): Bei der Großindustrie besteht nach wie vor sehr geringe Geneigtheit zur Betheiligung an Weltausstellungen, weil sie in der Hauptsache gar keinen geschäftlichen Vortheil davon hat. Nothwendig sind Ausstellungen nur für diejenigen Industriezweige, welche immer Neues produciren und auf Ausstellungen wirksam vor⸗ führen. Die Fabrikanten von Massenartiteln haben gar kein Interesse an einer Ausstellung, am wenigsten die Erfinder neuer Muster ʒ. B. in der Textilindustrse, deren Geschäftspraxis auf dem feinen Gefühl beruht, was demnächst Mode wird. Ausstellungen sind eine Noth= wendigkeit, und es war in diesem Sommer höchst zweifelhaft, ob es , an der Zeit sei, eine e. Ausstellung in Berlin zu veranstalten. Nachdem wir in dieser Beziehung von Frankreich hrüskirt waren, empfand es die Großindustrie von Rheinland und Westfalen als eine nationale Ehrenpflicht, . die Ausstellung zu stande komme, und drei

außerdem be⸗

Tage nach der französischen Absage hat auch die Regierung gewußt, daß die rheinisch⸗westfälische Großindustrie geneigt gewesen wäre, ihre sonstige Abneigung gegen den Ausstellun , , zu überwinden und an der großen“ internationalen Ausstellung in Berlin mit⸗ zuwirken. Dagegen hat es ihr absolut ferngelegen, die Regierung zu der Autstellung drängen zu wollen. In diesem Jahrhundert werden wir wohl schwerlich zu einer deutschen Weltausstellung kommen hoffentlich gelingt dier im nächsten, Berlin wird dann göoßs— und mächtig genug sein, diese Aufgabe zu erfüllen. Die Ni tbetheiligung an den Pariser Äusstellungen war für viele Industrielle sehr empfind⸗

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lich und schädigend, Ich mache der Regierung keinen Vorwurf daraus. Nun hat aber die deutsche Industrie den Wunsch, auch einmal in Berlin zu zeigen, was sie leistet. Die, Bedeutung der Chieggoer Ausstellung wird überschätzt in ihren geschäftlichen Erfolgen. Aber wir werden dort sehr viel lernen können. Man hüte sich aber davor, ameri⸗

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kanische und deutsche. Verhältnisse zu verwechseln. Die Voll⸗ kommenheit der maschinellen Vorrichtungen richtet sich immer nach der Höhe der Arbeitslöhne. Je höher diese sind, um so voll— kommener müßen die Maschinen sein, um auf dem Weltmarkt con curriren zu können. In Amerika wird mit g der Arbeitskräste dasselbe geleistet, wie bei uns in Deutschland. Bementsprechend sind auch die Löhne in Amerika höher. Deshalb ist es auch grundfalsch zu glauben, daß der Anblick der amerikanischen Maschinen die deutschen Handwerker entmuthigen werde. Zahlreiche Maschinen, welche in Amerika möglich sind, sind es bei uns nicht, weil sie ein zu großes Anlagekapital erfordern würden. ö Abg. Goldschmidt (dfr. : Mir scheint doch, als wenn den Industriellen im Westen das Interesse an der Berliner Ausstellung erst post fostum gekommen wäre. Diese Ausstellung ist gescheitert an der Indolenz der deutschen Industrie. Die Regierung hat an der Sache keine Schuld. Ich kann Sie jetzt nur bitten, der geplanten Berliner Gewerbe⸗Ausstellung für 1896 Ihr Interesse zuzuwenden. Die Herstellung eines Generalberichts, zusammengestellt aus den Einzelberichten, halte ich nach wie vor für das Hauptmittel, die Ergebnisse der Ausstellung der Allgemeinheit wirklich nutzbar zu machen. ;

. Hir (dfr.) widerspricht der pessimistischen Auf⸗ fassung des Abg. Bebel von der Bedeutung der Entsendung deutscher Handwerker und Arbeiter und wiederholt, daß die Gewerkvereine dringend wünschen, daß ihre besseren Kräfte Gelegenheit erhalten, nach Chicago zu kommen. Woher das Geld dafür komme, sei ihm im wesentlichen gleichgültig.

Abg. Bebel (Soc.): Ich habe nur vor einer Ueberschätzung der Entsendung von Arbeitern und Handwerkern nach Chicago warnen wollen. Daß das deutsche Kunsthandwerk dem amerikanischen heute noch überlegen ist, will ich nicht bestreiten. Aber Amerika ist in der Lage, vieles, was wir mit der Hand arbeiten, durch Maschinen zu leisten. Ich erinnere an den ungeheueren Schlag, den unsere Spielwaarenindustrie, welche s. 3. den amerikanischen Markt beherrschte, durch die Einführung der maschinellen Herstellung der Spiel— waaren in Amerika erlitten hat. Die Amerikaner haben zu diesem Zweck ausgezeichnete Maschinen erfunden und liefern nun zu unferer großen Uecberraschung viel schönere und preiswerthere Waaren, als die deutsche Hausindustrie mit ihrer Frauen- und Kinder⸗ arbeit. Auch die Schwarzwälder und Schweizer Uhrenindustrie ist durch die amerikanischen Maschinen aus dem Felde geschlagen worden. Die Amerikaner haben sich weiter unsere Solinger Werkführer geholt und machen nun der Solinger Stahlwaarenindustrie bedrohliche Concurrenz. Es werden heute mit Maschinen kunstgewerbliche Gegenstände fabrizirt, wie wir es vor 10, 15 Jahren für unmöglich gehalten haben. Heute ist eigentlich nicht mehr von einem Kunstgewerbe, sondern von einer kunstgewerblichen Fabrikation die Rede. Amerika ist uns auch in der Landwirthschaft überlegen, nicht bloß in Bezug auf landwirthschaft⸗ liche Maschinen, sondern auch in feineren Culturen der Obst⸗ und Beerenzucht. Die Ausführungen des Abg. Möller beweisen nichts gegen meine Auffassung. Genau was er von den hohen Löhnen sagt in Bezug auf die technische Entwickelung, das gilt auch von der Ein⸗ führung eingreifender Arbeiterschutzmaßregeln. Die Herabsetzung der Arbeitszeit, die Sonntagsruhe haben überall die Wirkung gehabt, daß, wenn in der That dadurch eine Vertheuerung der Production eintrat, die Fabrikanten durch verbesserte Maschinen das wieder einzubringen fuchten, was ihnen durch AÄrbeiterschutz am Profit verloren ging. Der Staatssecretär hat das Fernbleiben von den, Pariser Ausstellungen der Ausstellungsmüdigkeit. der. Industriellen in die Schuhe geschoben. Wo sind denn eigentlich die Ausstellungs—⸗ müden? Wir haben doch lauter kleine Provinzialausstellungen gehabt und ins Ausland sind sie nicht gegangen. (Zuruf des Staats fecretärs von Boetticher: Sydney. Dorthin sind nur ein pagr deutsche Aussteller gegangen. Nach Paris ist 1878 eine kleine deutsche Auswanderung gegangen und man war erstaunt über die Groß⸗ artigkeit der Ausstellung. Es sind lediglich politische Gründe gewesen, welche damals die Reichsregierung, d. h. den Fürsten Bismarck ver⸗ anlaßten, Deutschland von diesen Ausstellungen fern zu halten. Die Gründe gegen die Ausstellung in Berlin sind auch hervorragend politischer Natur; man wollte den Agrariern sich gefällig erweisen, um nicht die Hunderttausende von der Landbevölkerung schon vorher nach Berlin zu ziehen, die dann nie wieder aufs Land zurückgekehrt wären. Dazu kam, daß das Schwanken der Reichsregierung die Franzosen zu ihrem Entschluß brachte, den Deutschen durch Ver⸗ anstaltung einer eigenen Ausstellung 1900 in Paris das Präpenire zu spielen.

Abg. Dr. Bamberger (dfr): Ich bin in der Ausstellungsfrage anderer Ansicht als diejenigen meiner politischen Freunde, die bisher gesprochen haben, und möchte nicht, den Schein aufkommen lassen, als ob eine gewisse Stellung zu dieser Frage irgendwie mit dem Parteiprogramm in. Verbindung stehe. Ich habe die bisher gefor⸗ derten Mittel für die Ausstellung in Chicggo, bewilligt, nicht aus Enthusiasmus, sondern weil ich für die Betheiligung an derselben Motive politischer, besonders handelspolitischer Art erblicke. Ich würde es für einen Fehler ansehen, wenn Deutschland im Gegensatz zu allen anderen Nationen, welche zu einer solchen mächtigen Demon⸗ stration auf dem neuen. Continent erscheinen, im Schmollwinkel bleiben sollte. Im übrigen glaube ich nicht, daß die Beschickung der Ausstellung besonders segensreich für uns sein wird. Das Hin⸗ fenden bon Arbeitern erscheint auch mir von zweifelhaftem Werth. Einigen Nutzen und einige Belohnung bringt natürlich eine solche Reise für die Betreffenden immer mit sich, aber dieser Nutzen steht nicht im Verhältniß zu den Opfern an Zeit, Geld und Mühe. Wenn man den Arbeitern Reisestipendien geben wollte, welche es ihnen ermöglichen, die Verhältnisse drüben zu studiren, würde der Nutzen wahrschelnlich größer sein. Die Vervollkommnung der Maschinen ist in Amerika nicht auf einen Punkt getrieben, daß damit die persönliche und individuelle Thätigkeit des Handwerkers aufgehoben oder verdrängt wird. Es wird dem Handwerk immer noch etwas bleiben, wo der Handwerker, ohne Kunst zu treiben, etwas vom Künstler an sich haben muß, z. B. in der Herstellung der Werkzeuge für Uhrenfabrikation und der Uhren selbst. Vor einem Jahrzehnt wurde die amerikanische Pro⸗ duction von Werkzeugmaschinen auf diesem Gebiete so weit getrieben, daß die schweizerische Coneurrenz verdrängt wurde; in den letzten Jahren hat jedoch die Schweizer. Industrie diese. maschinelle Vervollkommnung durch die sorgfältige indtoiduelle Thätigkeit des Arbeiters die ameri⸗ kanische Concurrenz siegreich aus dem Felde geschlagen. Das über⸗ sieht der Abg. Bebel. Auch die Lehranstalten in Amerika wird man besser durch Reisen im Lande als auf einer Ausstellung kennen lernen. Wir haben an dem Bilde des deutschen Ausstellungsgebäudes für Chicago vielleicht mehr Freude als die Amerikaner selbst daran haben werden, denn bei der Masse von Ausstellungsmaterial, welches dort zur Stelle sein wird, wird man solchen Dingen keine große Auf⸗ merksamkest widmen. Zu Ehren der Wahrheit und Gerechtigkeit muß ich nun dem widersprechen, was der Abg. Bebel in Bezug auf die hege i nn, von 1878 ausführte. Es bestand damals durchaus keine absolute A

neigung der Reichsregierung, die Ausstellung zu beschicken. Ich hatte damals noch nähere Beziehungen zum Fürsten Bismarck und

derselbe erwies mir die Ehre, mich speciell zu Rathe zu ziehen und zu fragen, ob ich glaube, daß Deutschland gut thue, die Ausstellung u beschicken. Er war in diefem Punkte sehr zweifelhaft und erklärte ich jedem Rathe zugänglich. Ich habe mich, damals ganz rund m die Beschickung der Ausstellung erklärt, zunächst aus politischen Nück— sichten. Die Stimmung in Frankreich gegen Deutschland ist seit 15371 immer gleich schlecht. Ich war alfo von vornherein der Ansicht, daß die deutsche Ausstellung in Paris auf eine qute Auf : ahme nicht rechnen könne. Die deutsche Industrie war nach dem ig, besonders stark in der Produgtien von soliden, nicht gerade sehr . aber im Vurchschnitt nicht zu theuren Waaren, welche dem nützlichen Gebrauch bienten. Paris ist aber der Ort, wo

am allermeisten diejenigen Gegenstände Eindruck machen. welche das Auge blenden, wie schon die e Innen von 1855 und 1867 be⸗ 1 Fürst Bismarck war so wenig geneigt, den 5 einen Tort anzuthun oder zu zeigen, daß Deutschland aus besonderem Miß⸗ gefühl von der Ausstellung wegbllebe, daß er in Erwägung des eben von mir berührten Umstandes darauf verfiel, wir sollten unsere Künstler veranlassen, ihre Bilder und Sculpturen 1878 in Paxis aus⸗ zustellen. Das ist geschehen, und der Erfolg ist leider allgemein bekannt. Wie sollen wir nun eine Weltausstellung für Berlin ansehn? Obwohl das Haus nicht sehr stark besetzt ist, so möchte ich doch dem entgegenwirken, daß die heute gethanen Aeuße⸗ rungen Anknüpfungspunkte bieten für eine svätere Initiative. Ich habe mich schon auf literarischenm Wege dahin aus— gesprochen, daß ich über den negativen Bescheid der Reichsregierung in der Frage der Berliner Weltausstellung fehr zufrieden bin. Die Reichsregierung hat dabei nicht lediglich aus, eigener Machtvollkommenheit sich entschieden, sondern auch der Stimmung der Großindustriellen Rechnung getragen. Die Welt⸗ ausstellungen entsprechen überhaupt nicht mehr unserer Situation im ganzen. Die ungeheure Vervollkommnung der, Verkehrsmittel und die Erleichterung des Gedankenaustausches geben viele andere Mög⸗ lichkeiten, sich über andere Völker zu belehren. Die Ausstellungen sind in ihrer höchsten Potenz eine Fortsetzung dessen, was in früheren Jahr⸗ hunderten die Messen waren. Als Europa zum Bewußtsein seiner enormen Fortschritte kam, wollte es selbst einen Ueberblick gewinnen über das, was es in den letzten Jahrzehnten geleistet hatte. Aus diesem Be⸗ dürfniß gingen die ersten Ausstellungen 1852 zu London und 1857 in Paris hervor. Der Charakter der ur ste fangen hat sich seitdem nicht zu seinem Vortheil verändert. Sie sind immer mehr Schaustellungen von Curiositäten geworden für Leute, die sich amüsiren wollen. Das war befonders auf der letzten Ausstellung in Paris der Fall. Als ich 1839 in Paris war, war es mir ein beruhigendes Gefühl, daß Deutschland nicht erschienen war. Auch in England herzscht meine Auffassung. England hat sfeit 1872 gewiß einen großen Äufschwung genommen und ist nicht das Land, welches vor den Kosten zurück⸗ scheut. Aber die Gründe, die mich in diesen Dingen bestimmt haben, haben auch bestimmend dahin gewirkt, daß in England in den letzten dreißig Jahren keine Ausstellung mehr war und von einer solchen dort keine Rede mehr ist. Wenn ich mich gegen eine Weltausstellung in Berlin ausspreche, so thue ich es wohl nicht im agrarischen Interesse, in der Befürchtung, daß dadurch die Arbeiter nach Berlin gezogen werden. Ich bin überhaupt gegen solche Monstre⸗ ausstellungen mit ihrem ganzen Luxus von Humbug, Kraftverschwendung und Frivolität, aber nicht gegen probinziell und technisch begrenzte Ausstellungen. Berlin hat fich ungewöhnlich rasch entwickelt. Ich halte es für wesentlich, daß diese Entwickelung in solider Weise vor sich geht und Berlin nicht etwa im Punkt des Amüsements mit Paris concurrirt. Meine offenherzigen Worte mögen gewissen Kategorien der Berliner Einwohner unangenehm sein; aber ich wünsche nicht, daß die zufälligen, abnormen, ungesunden Erscheinungen, welche eine Ausstellung mit sich bringt, in Berlin hervorgerufen werden. Aus allen diesen Gründen billige ich die ablehnende Haltung der Regierung gegenüber einer Berliner Ausstellung.

Abg. Möller (nl) tritt den letzten Ausführungen des Vor⸗ redners ausdrücklich bei und wendet sich gegen die Ausführungen des Abg. Bebel gegen ihn, die er als unrichtig bezeichnet.

Abg. Singer (Soc.): Der Ausstellungspessimismus des Abg. Dr. Bamberger herrscht in den Berliner Kreisen zum größten Theil nicht. Seine Ausführungen sind zum theil berechtigt, aber die Un⸗ möglichkeit, in Berlin eine Weltausstellung zu veranstalten, welche allen Anforderungen der Culturvölker entspricht, sehe ich nicht ein. Ich wünsche, daß im Reichstag sich eine Stimme erhebt, welche der Reichsregierung Unrecht giebt in ihrem Verhalten gegenüber der geplanten Weltausstellung. Ich kenne gie Verhält⸗ nisse ganz genau und weiß, daß die Abneigung der Großindustrie gegen das Project von, der Reichsregierung erst angestachelt ist. Es ist ein öffentliches Geheimniß, daß die Bereitwilligkeit eines der bedeutendsten Großindustriellen, in Chicago auszustellen, bezahlt worden ist mit der Verzichtleistung auf eine Berliner Weltausstellung. Wenn die Stellung der Regie⸗ rung einer solchen gegenüber von Anfang an eine gewähren lassende gewesen wäre, würde die Abneigung der Industrie gegen dieselbe nicht in dem Maße zum Ausdruck gekommen sein, wie es geschehen ist. Wie lag die Sache? Große gewerbliche Kreise hatten sich für das Zustandekommen der Berliner Weltausstellung interessirt. Die Stadtverwaltung hat sogar eine für ihre Verhältnisse ziemlich be⸗ deutende Geldfumme ausgeworfen. Man versuchte auch, auf die Reichsregierung einzuwirken, und bekam von da eine außerordentlich kühle Antwort, welche darauf schließen ließ, daß auf eine wesentliche Förderung des Projects seitens der Reichsregierung nicht zu rechnen sei. Erst als diese geringe Bereitwilligkeit der Reichsregierung zur öffent: lichen Kenntniß gekommen war, hat Frankreich das Prävenire gespielt und das Jahr 1900 für die nächste Weltausstellung in Paris in Aussicht genommen. Gewisse Kreise in Berlin meinten, daß wir auch trotz dieser Entschließung Frankreichs in der Lage wären, um 1898 hérum eine Weltausstellung in Berlin zu ver⸗ anstalten, und ich zweifle nicht im geringsten daran, daß dies gelungen wäre. Ich bin auch der Meinung, daß die Franzosen von unserer Ausstellung' sich nicht ferngehalten hätten. Sie sind viel zu weit⸗ sichtige Politiker, als daß sie aus allgemeinen politischen Stimmungen heraus die Betheiligung an dem Wettkampf der Culturländer ab= lehnen sollten. Sie sind in dieser Beziehung klüger, als es nach dem Abg. Dr. Bamberger scheinen könnte, der 1889 von einer Beschickung der Pariser Ausstellung abrieth. Trotz der ablehnenden Haltung der Reichsregierung gegen eine Ausstellung wird sich Berlin weiter ent. wickeln, aber es ist keine Rede davon, daß die Ausstellung nur den Zweck gehabt haben könnte, den Berlinern materiellen Nutzen zu bringen. Die Berliner Kreise, die von der Nothwendigkeit einer Ausstellung überzeugt sind, lassen sich von der Erwägung leiten, daß es nunmehr auch Zeit ist, in Deutschland etwas zu thun, das die anderen Cultur⸗ völker für eine Ehrenpflicht gehalten haben. Wir sollen nicht nur in der Anfertigung von Waffen den anderen Völkern voranleuchten. Eine Vertretung der deutschen Industrie auf einer Weltausstellung in Berlin wäre von ganz anderer Bedeutung, als wenn diese Ver— tretung im Auslande gezeigt wird. Gerade die Rücksicht auf die Kosten und das Unvermögen einiger Industrieller hätte dazu bestimmen follen, eine Weltausstellung in Berlin zu veranstalten. Der Werth einer Äusstellung für die Belehrung der eigenen und fremder Völker wird von dem Abg. Dr. Bamberger so sehr unterschätzt, daß ich den- selben nicht unwidersprochen lassen konnte, zumal dies nicht der Stimmung entspricht, welche in Berlin über diese Frage herrscht.

Königlich preußischer Handels-Minister Freiherr von Berlepsch:

Meine Herren! Die Frage der Berliner Weltausstellung hat eine so breite Behandlung erfahren, daß ich für notbwendig halte, die Stellung der preußischen Staatsregierung zu ihr in wenigen Worten zu erörtern, obschon dies im gegenwärtigen Augenblick einen prak— tischen Werth nicht haben kann. Die preußische Staatsregierung war an der Berliner Ausstellung sehr lebhaft interessirt, weil Berlin nicht allein die deutsche, sondern auch die preußische Dauptstadt ist, und weil die preußische Industrie verpflichtet gewesen wäre, sich am lebhaftesten an einer solchen Ausstellung zu betheiligen. Die preußische Regierung stand nun von Anfang an der Frage der Berliner Weltausstellung durchaus nicht ablehnend gegenüber. Meine persönliche Anschauung ging sogar dahin, daß eine solche Ausstellung nicht nur nicht unnütz, sondern nach vielen Rich⸗ tungen hin geradezu nützlich sei, und diese Auffassung theilte mit mir eine Reihe von Beamten der Reichsregierung. Ich glaube das selbst von meinem neben mir sitzenden Herrn Collegen behaupten zu dürfen. Wenigstens haben wir beide uns eines Tages aufgemacht

und persönlich die verschiedenen Plätze in Augenschein genommen, die für eine Ausstellung in Berlin in Frage kommen. Allerdings habe ich, noch bevor die Frage in ein sehr acutes Stadium trat, mich dahin ausgesprochen, daß das Interesse der preußischen Staatsregierung an der Ausstellung absolut von dem Interesse, was die preußische Industrie an ihr habe, abhängig gemacht werden müsse. Als nun der Herr Reichs⸗ kanzler von der preußischen Staatsregierung ausdrücklich zu wissen wünschte, wie sie sich zu der Ausstellungsfrage stelle ich meine, auch diese That⸗ sache läßt darauf schließen, daß der Herr Reichskanzler sich nicht von vorn⸗ herein ablehnend verhalten hat habe ich eine eigene Umfrage an die hauptsächlich betheiligten Industrien gerichtet. Es sind eine große Zahl von bedeutenden Industriellen und Vereinigungen gefragt worden, und Sie wollen mir gestatten, daß ich Ihnen das Ergebniß dieser Er— hebung kurz mittheile, indem ich aus einer kleinen, im preußischen Ministerium ausgearbeiteten Denkschrift die bezüglichen Stellen verlese. Es war vorausgeschickt worden, daß die preußische Staatsregierung sich nur einen Erfolg versprechen könne, wenn die Großindustrie in großem Umfange und in voller, durch die Ueberzeugung von der Nützlichkeit des Unternehmens bedingten Freudigkeit für das Gelingen eintreten wolle. Mir scheint, daß dieser Standpunkt ein vernünftiger ist daß nicht auf das Gelingen eines solchen großen Unternehmens ge— rechnet werden darf, wenn man nur eine laue Zustimmung aus den Kreisen erwarten kann, die die meisten Kosten zu tragen haben. Nun fährt dieser Bericht fort:

Das Ergebniß der Umfrage ist in sofern sehr erfreulich ge— wesen, als zahlreiche Gewerbtreibende, obgleich sie von einer Welt— ausstellung für sich keinen Nutzen erwarten, sich gleichwohl bereit erklärt haben, auszustellen, wenn die Reichsregierung dies als im nationalen Interesse nothwendig erachten sollte. Eine solche Er⸗ klärung haben insbesondere auch manche der größten Eisen⸗ und Stahlindustriellen, denen aus der Theilnahme an einer Welt⸗ ausstellung die erheblichsten Kosten erwachsen würden, abgegeben. Im übrigen aber hat die preußische Staatsregierung aus den Erklärungen der Industriellen nicht die Ueberzeugung gewinnen können, daß die vorher erwähnte Voraussetzung zutrifft.

Nämlich die Voraussetzung, daß Lie preußische Großindustrie sich willig, gern und mit einem gewissen Elan an der Ausstellung ze— theiligte.

Von 49 Vereinen sind bis zum 8. August bogen wieder eingegangen. 1192 Fabrikanten sprachen sich Veranstaltung einer Weltausstellung aus, darunter 313 aus Berli oder Charlottenburg, aber nur 971 wollen eventuell nehmen; 969 erwarten keinen Nutz wollen auch nicht ausstellen; 302 der ersteren wohl betheiligen, einige durch zeschäftlich die meisten aus Patriotismus, wenn die? langt. 766 Firmen haben sich nicht geäußert un

sind überhaupt keine Antworten eingegangen. lichen h Verlangen

1892 2161 Frage⸗

Kreisen ist ein lebhaftes ausstellung neuerdings nicht geäußert worden. das Unternehmen verschieden beurtheilt. eine Weltausstellung allgemein als ein gesehen wird und daß die seiner Gesammtheit dafür mit Freuden großer Erfolge bedeutende Anstren Opfer bringen wollen, hat die

Die eben theilweise s kanzler auf seine Anfrage mitgetheilt In Preußen stellte sich

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dieser Bewegung von Berlin folgend,

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chon Eisenindustrie auf den großer HSunderttausende bemessende Kosten ha einen entsprechenden Vortheil daraus zu große Eisenindustrie bringt lande ausstellt, bringt sie in der Tdat nu Interesse; für sich selbst gewinnt f unerklärlich, wenn die Oerren nicht die Neigung Ausstellungen hintereinander auszustellen; und ich meine, & ist ihnen schon Dank dafür zu sagen, daß sie auf der Cbieagoer Aug ftellung, die de erlin in Frage war, aug.

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große Opfer nicht gescheut haben. Me die Grzäblung Abg. Singer balte ich für ein Märchen.

Damit kann ich wobl meine karzen Bemerkungen chöiegen, wiederhole: die vreußijche Staatgregiermnag, und wie ih e irn m annebme, auch die Meichs regierung Daden die Derkinen Machtellung deshalb nicht weiter derfelgt, weil e Weerengt waren, Da Ra preußische und deutsche Judustrie wicht de weren Dudens sse m, n hatten, welches zum Gelingen ganz nner nehmen dig man.