1893 / 37 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 11 Feb 1893 18:00:01 GMT) scan diff

urch neue Verordnu . gut machen können. ĩ Arbeiter in den meisten Fabrtkbetrieben hätten dann schen geraume Zeit ihre Sonntagsruhe, während ö jetzt anscheinend noch lange darauf warten müssen. Die Industriellen haben leider in diesen 23 ein entscheidendes Wort zu sprechen gehabt, und überall sind Proteste und lebhafte Anklagen, insbesondere gegen den vreußischen , . er, erhoben worden. Es scheint mir, daß diese Angriffe ei dem Minister einen erheblichen Eindruck gemacht haben und ihn veranlaßten, wie man es nach den verflossenen drei Jahren und dem Kaiserlichen Erlaß vom 4. Februar 1890 nicht erwarten konnte, diese Maßregeln zurückzuhalten. Ich bedaure dies aufs äußerste und fordere jetzt kategorisch, daß endlich einmal die Herren im Bundesrath dazu übergehen, das ungeheure Material, welches sie besitzen nicht erst lange zu sichten, sondern die von mir angegebenen P ĩͤtel benutzen, um im Sinne des § 1054 vorzugehen. Die oberen Verwaltungsbehörden haben leider auf Grund der ihnen durch F§z 1956 ertheilten Befugniß, nach ihrem Ermessen bestimmte Ge⸗ werbe von der Sonntagsruhe auszunehmen, einen zu weitgehenden Ge⸗ brauch gemacht. Geht es so weiter, so wird das Gesetz über die Sonntagsruhe ganz und gar durchlöchert. In einer Nagistratssitzung der Stadt Nürnberg ist beantragt worden, die Geschäfte, welche mit Eß⸗ und Trinkwagren, Speeereien, Landes producten, Cigarren handeln, zu eximiren. Diese Geschäfte sollen von 5 9 Uhr Vormittags und von 1096 Uhr Vormittags bis 9 Uhr Abends offen sein. In Berlin fällt es keinem Menschen ein, die Cigarren oder Specereiläden unter die Bestimmungen des § 1065 zu subsumiren. Warum geht es anderwärts denn nicht? Ihren Bedarf an kaltem Aufschnitt kann sich jede Familie auch bis 2 Uhr besorgen. Bleiben die Geschäfte bis zum Abend offen, so ist die Sonntagsruhe für die Arbeiter und das Dilfspersonal völlig aufgehoben. Viele Unternehmer sind selbst⸗ derständlich mit der Befeitigung der Sonntagsruhe einverstanden; deren Klagen werden natürlich mit Vorliebe . vorgebracht. Wir haben aber nie gehört, daß sich ein einziger Arbeiter oder Commis darüber beklagt hätte, daß er zu viel Sonntagsruhe, habe. Schließlich bleiben nur noch Luxus— läden und die Kleiderläden

am Sonntag geschlossen. Es ist aber gar nicht abzusehen, warum ich mir nicht auch Kleider am Sonntag kaufen darf, wenn ich mir eine Cigarre kaufen darf. Dann habe ich mich lebhaft darüber zu beschweren, daß der vreußische Handels⸗Minister am 15. Dezember 1892 an die Provinzialbehörden eine Verordnung erlassen hat, worin ihnen nach allen Richtungen hin Rathschläge gegeben werden, in wescher Weise sie den Wünschen der betreffenden Kategorien von Geschäftsleuten in der Regelung der Verkaufsstunden entgegenkommen können. Es wird vorgeschlagen, die Zeit von 11—4 Uhr oder von 12 —5 Uhr zum Verkauf zu benutzen u. s. w. Bei solchen Besslebungen ist von Sonntagsruhe für die Angestellten nicht mehr die Rede. Sind die Läden geschlossen, so ist die Arbeitszeit für das Hilfspersonal noch lange nicht zu Ende. Sie müssen den Laden aufräumen, was eine, zwei oder mehrere Stunden in Anspruch nimmt. Ehe sie sich gewaschen und angekleidet haben, ist es spät Abends, bis sie aus dem Haufe heraus kommen. Dazu kommt, daß das Personal meist nicht ohne Erlaubniß des Chefs ausgehen darf. In England und Amerika werden alle Werkstätten am Sonnabend um 2 Uhr geschlossen, die Arbeiter können also am Sonnabend alle ihre Einkäufe machen, und dabei fühlen sich Arbeiter und Geschäftsleute wohl. Bei einer Umfrage in Deutschland würden sich viel mehr Leute mit unserer Sonntagsruhe zufrieden erklären als nicht. Der 5 41a der Gewerbe⸗ ordnung soll ein Eingriff in die bürgerliche Freiheit sein. Solche Redensarten hören wir bei jedem Gesetz, das einzelne in ihren ökono⸗ mischen Verhältnissen beschränkt; aber man hat keine Veranlaffung dazu. Im Königreich Sachsen war früher eine ganze Reihe von Geschäften Sonntags überhaupt geschlossen, die jetzt die erlaubten Stunden offen halten. Sehen Sie die Juden! In einem kleinen schlesischen Städtchen annoneirt ein jüdischer Kaufmann: am Sonnabend, seinem Feiertag, sei sein Geschäft bis Abends 6 Uhr ge⸗ schlossen, Sonntags aber bis 7 Uhr offen. Das ist stark, es verletzt einen ordentlich, so etwas zu lesen. Am Sonnabend hat er zu, der Sonntag, bekümmert, ihn nicht. Die Juden halten freiwillig eine ganze Reihe von Feiertagen ihre Geschäfte geschlossen, die Christen nicht. Hauptsächlich beschweren sich ja die Cigarrenhändler, sie haben Sonntags einen Einnahmeausfall bis zu 46 0½, der nicht durch Mehr— einnahmen am Sonnabend und Montag gedeckt wird. Woher kommt aber ihr Einnahmeausfall am Montag von 2oυ' ? (Abg. Möller: Wirthschaftlicher Niedergang) Diese Anerkennung freut mich, daß ein wirthschaftlicher Niedergang in hohem Grade besteht. Ueber die Verschiebung der Einkommenperhältnisse durch die Sonntagsruhe haben wir uns von vornherein nicht getäuscht. Ich habe gleich gesagt, wenn die ländliche Bevölkerung Sonntags nicht mehr in der Stabt kaufen kann, so . die kleinen Händler auf dem Lande den Vortheil. Die Conservativen und das Centrum müßten gerade von ihrem Standpunkte wünschen, daß die Landbevölkerung nicht mehr Sonn— tags in der Stadt allerlei Genüsse kennen lernt. In großen Ssädten gewahren wir etwas Anderes. Mit der Regulirung der Sonntagt— arbeit müßte auch die Wochentagsarbeit regulirt werden. Die berühmte „Goldene Hundertzehn“ hier in Berlin hat früher Sonnabends von bis 10 den Laden offen gehabt, jetzt bis Abends 12 Uhr oder am Sonntag früh von 7 bis 2 Uhr mit Ausschluß der Gottesdienststunden. Die Cigarrenläden in Berlin, Leipzig, Hannover, Hamburg haben Sonnabends so spät wie möglich offen, am Sonntag nur wenige Stunden, aber am Sonntag Abend um 12 Uhr sind hier in der Leipzigerstraße die Läden wieder geöffnet. Der Cigarrenbedarf wird vielfach in Restaurationen befriedigt. Ein Verbot hiergegen weise ich nicht ohne weiteres ab; denn der se, , ne, gehört eigentlich nicht zum Restaurationsgewerbe. Jedenfalls beschweren sich die Cigarrenhändler mit Recht darüber. Würde man aber den Cigarren verkauf gestatten, fo würde eine ganze Reihe von Geschäftsleuten sich Cigarren beilegen, die sie früher nicht hatten, um an der längeren Verkaufszeit theilnehmen zu können. Der Cigarrenhändler könnte dann auch Pfeifen, Cigarren— svitzen u. s. w. verkaufen, der Drechsler aber müßte seinen' Laden schließen. Durch Ortsstatut kann das nicht“ geregelt werden. Eine allgemeine gleichmäßige Regelung ist vortheil hafter als Localisirung und Indivißualisirung. Die Berliner Geschäftsleute beklagen sich z. B. daß in Charlottenburg und Schöneberg ganz andere Stunden des Sonntags für den Verkauf frei sind als in Berlin. In Ludwigs⸗ hafen werden die Bestimmungen über die Sonntagsruhe von den bahe— rischen Behörden möglichst lar gehandhabt. Auf der anderen Seite des Rheins, im badischen Mannheim, beschweren sich die Geschäfts— leute darüber. Die Sonntagsruhe soll zur Vermehrung des Kneipens beigetragen haben. Ganz natürlich. Alle kleinen Gewerbetreibenden und Geschäftsleute können sich jetzt endlich mal ein Vergnügen machen. Die Berliner Stadtbahn ist jetzt Sonntags unendlich mehr frequentirt als früher, weil die kaufmännischen Angestellten von ihrem Sonntag Gebrauch machen können. Ist es schade, wenn die Restaurationen besucht werden? Fragen Sie nur die Abg. Rösicke und Goldschmidt als Directoren seeße Brauereien, ob sie darin einen Nach⸗ theil sehen. Der Blumenverkauf soll geschädigt sein. Gewiß, aber die Bestimmungen über die Sonntagsruhe sind noch zu kurze Je in der . als daß das Publikum ch vollkommen daran gewöhnt hätte.

llmählich aber werden sich die Nachtheile ausgleichen und nach ein

paar Jahren wird niemand mehr die Sonntagsruhe aufheben wollen.

Lassen Sie die Leute sich erst einleben! Jeder einzelne Unternehmer

weiß, daß in jedem Jahre vor Weihnachten eine lebhaftere Beschäftszeit eintritt, er kann also. frühzeitig Vorsorge treffen, die an ihn herantretenden Bedürfnisse zu befriedigen, und seine Production so einrichten, daß er mit den Autznahmne⸗ bestimmungen des § 1382 vollständig austommt. Wir haben in der neuen Gewerbeordnung auch Bestimmungen über die Fabrikordnungen. Die unteren Verwaltungsbehörden haben die Controle zu üben, in wie weit die Fabrikordnungen des Unternehmers dem Gesetz entsprechen, und nöthigenfalls einzu 2 In den Staatsbetrieben treten an die Stelle der unteren Vermaltungshehörden nach 5 165 der Gewerbe⸗ ordnung die Betriebs behörden. Diese sollten d nun in erster Linie darüber wachen, daß nicht die wr ., , in den staatlichen Betrieben durch generelle Anordnungen des Gisenbahn⸗Ministers in

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schlimmster Weise dem Gesetz Hohn sprechen. So heißt es 3 B. in einer Arbeitzordnung für die Dändmwerker des Direcklonsbezirks Bretzlau: Jeder Arbeiter ist verpflichtet, spätestens vierzehn Tage nach feinem Eintritt von seiner Orts- Polizeibehörde. ge, , . über seine bisherige rung, sein Militärverhältniß, sein Le ensalter beizubringen. Dieses Zeugniß wird sich unzweifelhaft auch auf die pofitische Haltung des Betreffenden erstrecken, was na dem Gesetz durchaus unzulässig ist. Der Cisenbahn. Minister hat cine am 1. April 1852 in Kraft getretene Bestimmung für die Arbeiter aller Dienstzweige der preußischen Sen n fen ahnverwaltung erlassen, in welcher es heißt: Zu den Vorbedingungen der Aufnahme gehört es, daß der Betreffende in seinen Lebensberhaͤltnissen sich ordentlich führt und sich nicht an ordnungsfeindlichen Vereinen betheiligt. diese mit dem Gesetz in Widerspruch stehende Bestimmung richtet sich in erster Linie gegen die socialdemokratischen Vereine, aber auch gegen alle oppositionellen Bestrebungen. Es ist also nach allen Richtungen hin der unteren Verwaltungshehörde die Möglichkeit gegeben, einen Arbeiter, der ihnen politisch nicht convenirt, nicht aufzunehmen resp. zu entlassen. Das steht im Widerspruch mit der Gewerbeordnung und dem all⸗ gemeinen Rechtsstandpunkt. Der socialdemokratische Arbeiter muß gerade so gut Soldat werden und Steuern zahlen, wie der Arbeiter einer anderen politischen Richtung. Er hat also auch selbstverständlich dasselbe Recht auf Leben und Arbeit und das Recht, Arbeit dort zu suchen, wo er sie findet. Es steht den staatlichen Behörden Preußens nicht zu, solche Ausnahme⸗ bestimmungen zu construiren. Ich fordere die Herren vom Bun des⸗ rathstische, auf, zu erklären, wie sie sich zu dem Erlaß des Eisen⸗ bahn⸗Ministers stellen. Die Militärverwaltung hat sich in gleicher Weise Uebergrfffe erlaubt. In einer Arbeitsordnung für die männ— lichen, und weiblichen Arbeiter der Königlichen Gewehr und Munitionsfabriken, unterzeichnet Berlin 1892, Kriegs Ministerium, Waffen⸗Departement, heißt es: Arbeiter, die einem soeial⸗ demokratischen Verein als Mitglied angehören, Beiträge leisten, socialdemokratische Schriften lesen oder weiter verbreiten u. f. w. sind zu entlassen resp. nicht aufzunehmen. Aehnlich lautet eine Verfügung, der Artilleriewerkstatt in Straßburg. Die staatlichen Betriebe sind doch in erster Linie verpflichtet, den Privatunternehmern mit gesetzmäßigen Fabrikordnungen voran“ zugehen. Was sollen wir denn dem Abg. Freiherrn von Stumm gegenüber sagen, der einfach erklärt, er beschäftige keine socialdemo⸗ kratischen Arbeiter? Die Kaiserliche Marineverwaltung, welche in ihrer Fabrikordnung früher ähnliche Bestimmungen hatte, hat dieselben neuerdings daraus entfernt. In der Budgetcommifsion hat der Vertreter des Reichs⸗Marineamts ferner erklärt, daß die Bestimmung, nach welcher über 40 Jahre alte Arbeiter in den staatlichen Betrieben nicht mehr beschäftigt werden sollen, aufgehoben wird. Ist auch die Eisenbahnverwaltung zu diesem Schritt entschlossen? Staatsseeretär Dr. von Boetticher erklärte neulich, daß er es für wünschenswerth halte, wenn die Arbeiterorganisationen sich mit den Fabrikinspectoren in Verbindung setzen. Zum ersten Male ift eine solche Erklärung vom Bundesrathstisch aus abgegeben worden. Er hat von Arbeiterorganisationen im allgemeinen gesprochen, also auch die socialdemokratischen Fach⸗ und Gewerkvereine mit eingeschlossen. In welchem Widerspruch stehen aber mit einer solchen Erklärung des Staatssecretärs die Bestimmungen in den . Fabrikordnungen, der staatlichen Behörden, die es geradezu unmöglich machen, daß die Arbeiter sich organisiren Ich hoffe, daß der Staatssecretär Dr. von Boetticher seinen Einfluß zur Beseitigung der von mir getadelten Bestimmungen aufbieten wird. Inwieweit die Unternehmer ein Recht haben, sogenannte schwarze Listen über ihnen nicht genehme Arbeiter anzulegen, lasse ich dahingestellt. Ich muß es aber aufs schärfste tadeln, wenn der höchste Beamte einer Gemeinde, der auf Grund der preußischen Städte— ordnung der Controle des Staats⸗Ministeriums unterworfen ist, es sich herausnimmt, sich von einem ganzen Kreise von Unternehmern als Denunciant gegen soeialdemokratische Arbeiter verwenden zu lassen. Dieser Mann ist der Bürgermeister in Staßfurt, Reinhard. In einem mir ,, ., Aetenstücke heißt es: In den hier abgehal⸗ tenen Versamm ungen haben sich besonders hervorgethan durch Reden 2c. die Arbeiter so und so; auf Grund der seinerzeit gefaßten Beschlüsse verfehle ich nicht, Ihnen davon Kenntniß zu geben. Bürger⸗ meister Reinhard. In einem zweiten Actenstück vom 13. Yar, 1890; So und sodviel Personen haben sich an einer Nachts ab— gehaltenen Versammlung betheiligt, die und die haben sich durch besondere Agitation hervorgethan, folgende 104 sind alte Socialdemokraten 2c. Die Veröffentlichungen der socialdemokratischen Presse allein hätten schon den preußischen Minister veranlassen müssen, den Bürgermeister in die Grenzen seines Amts zurückzu— weisen. Ich weiß nicht, ob dies geschehen ist, und bitte die Herren am Bundesrathstische, sich hierüber äußern zu wollen.

Königlich preußischer Handels-Minister Freiherr von Berlepsch:

Meine Herren! Der Herr Abg. Bebel hat in längerer Ausführung verschiedene Angelegenheiten zur Sprache gebracht und an dieselben schließlich die Aufforderung an die hier anwesenden Mitglieder des Bundesraths geknüpft, eine Erklärung abzugeben, wie sie zu den von ihm vorgetragenen Verhältnissen sich stellen. Er hat die Aufforderung an sie gerichtet, ihren Einfluß dahin geltend zu machen, daß die von ihm erwähnten preußischen Ressort⸗Minister zu einer Remedur der von ihm zur Sprache ge⸗ brachten Dinge übergehen. Meine Herren, ich bin der Meinung, daß es sich um ausschließlich preußische Angelegenheiten handelt, und daß der Herr Abg. Bebel nicht das Recht hat, zu verlangen, daß über diese Dinge, die mit der Ausführung der Gewerbeordnung nicht im Zusammenhange stehen, hier im Reichstag vom Regierungs⸗ tisch aus eine Erklärung abgegeben werde. Er hatte vorhin erwähnt, daß dem Reichstag nicht das Recht abgesprochen werden könne, über die Ausführung der Gewerbeordnung zu wachen, und wenn ihm zur Kenntniß gelangte, daß das nicht in ausreichendem Maße geschehen sei, seine Kritik an dem betreffenden Verfahren zu üben. Meine Herren, mit diesem Satze kann ich durchaus einperstanden sein. Der Fall aber liegt hier nicht vor.

Es handelt sich nicht um eine Sache, die mit der Ausführung der Gewerbeordnung zusammenhängt; denn die Maßnahmen preußischer Behörden, von denen er gesprochen hat, wie das Ver— langen eines Scheins vor Annahme eines Arbeiters oder wie der Erlaß allgemeiner Bestimmungen dahin, daß ein Arbeiter, der sich ordnungswidriger Bestrebungen schuldig macht, nicht in einen Gewerbe⸗ betrieb aufgenommen wird widersprechen den Bestimmungen der Ge⸗ werbeordnung nicht. Wenn hier ein Verstoß gegen die Gewerbeordnung vor⸗ läge, so wäre das in noch viel höherem Maße der Fall, wenn, wie es an vielen Orten geschieht, die socialdemokratische Partei eine große Zahl von Gewerbebetrieben unter Boykott stellt, weil sie ihren Wünschen nicht nachkommen. Wir haben das in ausgedehntestem Maße in Magdeburg erlebt, wo nicht nur einige Restaurateure unter Boykott gestellt wurden, weil sie ihr Lokal nicht zur Verfügung stellten, sondern auch diejenigen Brauereien, welche den betreffenden Restaurateuren das Bier liefern, und auch alle diejenigen Geschäfte, die aus diesen Braue⸗ reien das Bier entnehmen. Meine Herren, das ist einfach der Ver— such zu einer Gewaltmaßregel, aber den Bestimmungen der Gewerbe—⸗ ordnung widerspricht sie nicht. Noch viel weniger widerspricht es der Gewerbeordnung, wenn ein Arbeitgeber Bedingungen stellt, unter denen er allein einen Arbeiter bei sich aufnehmen will; das ist seine

Sache. Ich kann also diesen Gegenstand verlassen.

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Der Herr Abg. Bebel hat ferner sich abermals darüber be⸗ klagt, daß in der Ausführung des §z 1054 der Gewerbe— ordnung eine ungebührliche Verzögerung eingetreten sei, und er hat gemeint, er könne sich dem Eindruck nicht verschließen, daß diese Verzögerung auf den Einfluß der Großbetriebe zurückzuführen sei, die den Bundesrath veranlaßt hätten, ein langsameres Tempo in Einführung der Sonntagsruhe einzuschlagen. Dieser Eindruck, den der Herr Abgeordnete bekommen hat, ist vollständig falsch. Es ist. weder der geringste Versuch gemacht worden von seiten einez Industriellen, eine Verzögerung in der Ausführung des § 1054 herbeizuführen das kann ich sowohl für die Reichsbehörde wie für das preußische Handels-Ministerium erklären noch hat sich die Behörde von einem solchen Versuch beeinflussen lassen. Die Großindustrie hat nur verlangt, daß, bevor man an den Erlaß der Ausführungsbestimmungen geht, ihnen Gelegenheit gegeben werde, sich über dieselben auszusprechen. Der Herr Staatsseeretär des Innern hat bereits gestern auseinandergesetzt, woran es liegt, daß diese Bestimmungen noch nicht erlassen sind. Es liegt an der großen Schwierigkeit und Complicirtheit, die sich nicht, wie der Herr Abg. Bebel sich vorstellt, in wenig Wochen oder Monaten erledigen läßt. Die Fabrikinspectoren werden zur Ausführung dieser Arbeit in reichlichem Maße herangezogen werden, es werden Industrielle und Arbeiter gehört werden, und wenn diese Arbeit beendigt sein wird, dann wird man ungesäumt an den Erlaß der betreffenden Bestimmungen gehen. Der Herr Staatssecretär des Innern hat auch bereits hervorgehoben, daß die Erkrankung mehrerer Mitglieder des Reichsamts des Innern und des Handels⸗Ministeriums, die leider unerwarteterweise eingetreten ist, die Schuld eines Theils der Verzögerung trägt. Meine Herren, drei unserer vorzüglichsten Arbeitskräfte, die in hervorragendem Maße an der Gestaltung und an der Ausführung der Gewerbeordnung mitgewirkt haben, sind in— folge Ueberanstrengung ihrer Arbeit auf Monate, ja vielleicht auf Jahre entzogen worden. Man wird dabei nicht wohl behaupten dürfen, daß eine absichtliche Verzögerung vorliege.

Auch die Meinung des Herrn Abg. Möller, daß die Erfahrungen, die man mit den Bestimmuugen über die Sonntagsruhe im Handels gewerbe gemacht habe, maßgebend dafür seien, ein lang⸗ sameres Tempo in der Ausführung des 5 16054 herbeizuführen, ist nicht richtig. Für das Handelsgewerbe hatte die Heraus— gabe von Ausführungsvorschriften zum zweiten Absatz des 5 1056 nicht annähernd dieselben Schwierigkeiten, die 8 105 d stellt. Sie wollen mir gestatten, auf diese Frage der preußischen Ausführungs⸗ verordnung zu 5 105h Absatz 2 noch mit einigen Worten einzugehen, da sie zum Gegenstand der Kritik des Herrn Abg. Möller geworden ist, und sie, wie Ihnen bekannt ist, sowohl in der Presse wie in den Kreisen der betreffenden Gewerbetreibenden nicht günstig, zum theil sogar sehr ungünstig beurtheilt worden ist. Man hat ihr namentlich vorgeworfen, sie schablonisire und generalisire zu sehr, sie habe nicht daran gedacht, daß die Verhältnisse in einzelnen Orten sich anders gestalten wie in anderen, daß das Bedürfniß der umwohnenden ländlichen Bevölkerung je nach den Verkehrsmitteln naturgemäß ein verschiedenes sei, und auf diese Weise sei sie dazu gelangt, allgemeine Unzufriedenheit hervorzurufen. Meine Herren, ich bin erstens der Meinung, daß die Unzufriedenheit bei weitem nicht so groß sei, wie sie erscheint, und zweitens, daß sie mindestens zum größten Theil unberechtigt ist, weil im Gesetz selbst sich ein Hilfs— mittel findet, um dieser angeblichen Generalisirung und Schabloni— sirung zu steuern. Die Ausführungsverordnung das kann doch kein Zweifel sein hatte zunächst die Aufgabe, dafür zu sorgen, daß die Bestimmungen der Gewerbeordnung, wie sie im Gesetz enthalten sind und wie sie nach den Verhandlungen des Reichstags gemeint worden sind, zu einem wirklichen Ausdruck kommen. Was hat nun das Gesetz gewollt und in welchem Sinne hat der Reichs— tag es gestaltet? Meine Herren, die Vorlage der ver— bündeten Regierungen in 5 1056 erfuhr im Reichstag eine sehr er— hebliche Verschärfung. Es wurden zunächst neu hinzugenommen die Bestimmungen über die absolute Sonntagsruhe am ersten Weihnachts⸗ feiertag, am ersten Ostertag, am ersten Pfingsttag. Es wurde dann in das Gesetz aufgenommen die Befugniß der Commune, durch Orts— statut die fünf Stunden Beschäftigungszeit abzukürzen. Es wurde weiter die Bestimmung aufgenommen, daß die Polizeibehörde nicht unbemessen, sondern nur bis zu zehn Stunden an gewissen Sonntagen Arbeit zulassen dürfe. Und endlich hat auch der Reichstag die Bestimmungen der SF 41a und 55a ins Gesetz hineingebracht. In dem Commissionsbericht, der uns damals erstattet wurde, ist ausdrücklich ausgesprochen, daß die überein— stimmende Anschauung der Commissionsglieder dahin gehe, daß den Handlungsgehilfen ein möglichst freier Sonntag-Nachmittag gewährt werden müsse. Einzelne Mitglieder dieses Hauses be— ruhigten sich nicht bei der Bestimmung, daß die Polizei—⸗ behörden die Arbeitsstunden in der geeigneten Weise fest—⸗ zusetzen haben, sondern sie richteten wiederholt ausdrückliche Anträge an das hohe Haus, wonach zu einer bestimmten Stunde überall die Geschäfte und offenen Verkaufestellen zu schließen waren. Noch in der zweiten Lesung wurde der Antrag gestellt, den Geschäftsschluß auf 1 Uhr, dann auf 3 Uhr zu bestimmen, unter Begrenzung der Geschäfts— zeit für Comptoirgehilfen auf nur drei Stunden,

Alles das, meine Herren, ist ein Ausdruck dafür, daß der Reicht tag die Absicht hatte, die Bestimmung der Sonntagsruhe soweit zur Durchführung zu bringen, daß den Handlungsgehilfen ein freier Sonntag⸗Nachmittag gewährt werde⸗

Ich selbst habe mir gestattet in der Commission auszusprechen, daß meiner Ansicht nach alle die Behörden, die berufen wären, an der Ausführung der Gewerbeordnung mitzuwirken, die Verpflichtung hätten, dafür zu sorgen, daß, soweit nur irgend möglich, den Hand lungsgehilfen ein freier Sonntag⸗Nachmittag gewährt werde. Mit Rücksicht auf diese Erklärung hat nachher ein Redner der conser“ vativen Partei die Bedenken zu zerstreuen gesucht, die sich geltend machten gegen die Bestimmungen über die Befugniß der Polizei behörden, wie sie im 5 1065p enthalten sind.

Also, meine Herren, in dieser Richtung, in der Richtung der Ab⸗ sichten des Reichstags, um den Handlungsgehilfen einen möglichst freien Sonntag Nachmittag zu sichern, ist die preußische Aut⸗ führungsverordnung ergangen, die übrigens nicht von mir allein, sondern von meinen Collegen dem Herrn CultusMinister und dem Herrn Minister des Innein mit erlassen worben ist.

Die Punkte, die hauptsächlich in Betracht kommen, sind erstens

die einheitliche Festsetzung der Beschäftigungszeit, und zweitens die Begren⸗

mung dieser Beschaftig unge ei auf bbestimmte Stunden, von bis Uhr, mit einlgen Ausnahmen bezüglich der vor 7 Uhr und der nach 2 Uhr liegenden Stunden. Eine solche Ausnahme wurde auch für den Handel mit Blumen gemacht, den Herr Abg. Möller unter anderen ausdrücklich erwähnt hat. Schon nach der Aut führungsderordnung war dieser Handel bis 4 Uhr Nachmittags gestattet, später sind weitere Ver— günstigungen für einzelne Sonntage, an denen der Bedarf an Blumen besonders stark ist, wie am Todtenfeste, zugelassen.

Bezüglich des § 1065 war für Gewerbe, deren vollständige oder theilweise Ausübung an Sonn- und Festtagen zur Befriedigung täg⸗ licher Bedürfnisse der Bevölkerung erforderlich ist, bestimmt, daß sie sich zu beschränken haben auf Bäckerei- und Conditorwaaren, auf Fleisch und Wurstwaaren, auf Milch“ und auf die sog. Vorkost⸗ Handlungen, diejenigen kleinen Geschäfte, in denen die weniger bemittelten Bevölkerungsklassen ihren täglichen Bedarf in der Regel entnehmen. Diese Beschränkung war erforderlich, denn die Neigung, nun den Kreis dieser Gewerbe erheblich weiter auszudehnen, trat von Anfang an in deutlicher Weise hervor.

Für die Sonntage mit fünfständiger Arbeitszeit wurde eine Ver⸗ längerung derselben um 2 Stunden, von 5 Uhr früh an, für diese Ge— schäfte, nachträglich für den Milchhandel eine weitere zweistündige Verkaufẽzeit nach 2 Uhr Nachmittags zugelassen.

Vor Erlaß dieser Bestimmungen waren die Provinzial und Localbehörden gehört worden. Sie hatten sich übereinstimmend dahin ausgesprochen, daß es vor allen Dingen nothwendig sei, die Sonntagsruhe in größeren Bezirken gleichartig zu regeln. Man müsse es verhüten, daß in benachbarten Ortschaften verschiedene Bestimmungen für den Sonntagsverkauf geltend seien, weil dann die Concurrenzrücksichten in dem Maße schwerwiegend würden, daß die Aufrechterhaltung der ganzen Bestimmungen außerordentlich gefährdet würde. Es liegt auf der Hand, daß, wenn in nahe bei einanderliegenden Ortschaften in dem einen Ort um . dem anderen um 4 Uhr der Verkauf aufhört und die ländliche Bevölkerung der Umgegend ihren Bedarf in beiden Orten deckt, derjenige Ort, wo bis 4 Uhr verkauft wird, sich erheblich besser stehen würde als der Ort, wo nur bis 2 Uhr verkauft werden darf. (Sehr richtig! rechts.)

Bezüglich der Begrenzung der Verkaufszeit hatten sich die Be⸗ hörden dahin ausgesprochen, daß über 2 Uhr Nachmittags hinaus in den seltensten Fällen ein Bedürfniß vorhanden sein dürfte. Nur wenige hatten sich für die Stunden bis 3 ausgesprochen, und nur einer oder zwei bis 4 Uhr; über 4 Uhr hinaus war überhaupt kein Antrag gestellt worden.

Was den Kreis der Geschäfte anlangt, die für § 1056 in Frage standen, so wurden in denselben gerade so, wie in der Ausführungsbeftimmung angeordnet ist, nur die Bäcker und Conditoren, die Milch⸗, Fleisch⸗ und Vorkosthandlungen einbezogen. Nur ein Bericht sprach sich für die Nothwendigkeit aus, dem Taback— und Cigarrenhandel eine längere Zeit, aber auch nicht länger als bis 4 Uhr Nachmittags zu gestatten.

Meine Herren, schon wenige Wochen, nachdem die Verordnung erschienen war, wurden in der Presse und in einer Reihe von Petitionen Klagen über das Unzweckmäßige dieser Bestimmungen und das Verlangen auf Abänderung laut. Noch nicht vier Wochen waren ins Land gegangen, unter den neuen Bestimmungen war kaum der erste Sonntag verlaufen, da wurde bereits behauptet, daß eine Reihe von Geschäften ihrem Untergange entgegenginge, daß die Hausirer infolge der Sonntagsruhe in der Woche das Land überschwemmten und die stehenden Gewerbe zu Grunde richteten, und andere Dinge mehr. Daß man diesen vorzeitigen Anschuldigungen mit gewissem Mißtrauen sich gegenüber stellte, daß man sie auf Ab⸗ neigung gegen die gesetzliche Sonntagsruhe zurückführte, wird gewiß jeder begreifen. Dazu kam die Sache zu schnell.

In all den Petitionen, die uns zugegangen sind, in den viel⸗ fachen Preßäußerungen ist, foweit ich mich erinnere, nirgends vom Standpunkte der Consumenten aus Klage geführt worden. Die Schädigung der Gewerbebetriebe wird lebhaft behauptet, die Belästigung der Consumenten aber tritt ganz zurück, und hieraus ist wohl der Schluß gestattet, daß die behauptete Schädigung der ländlichen Bevölkerung nicht sehr erheblich ist. Von den Petitionen, die seitens der Gewerbetreibenden vorgelegt wurden, waren sehr viele nach einem bestimmten Schema gearbeitet, sodaß der Eindruck entstand, als sei von einer oder mehreren Stellen aus eine Agitation gegen die Bestimmungen zur Aufrechterhaltung der Sonntagsruhe in die Wege geleitet worden. Das alles machte naturgemäß einigermaßen mißtrauisch gegen die Agitation, und man kann sich nicht wundern, daß ihr nicht ohne weiteres nachgegeben wurde.

Dazu kommt, daß auch Petitionen eingingen, die sich für das Gegentheil aussprachen. Alle Aeußerungen aus den Kreisen der Handelsgehilfen selbst gingen, soweit mir bekannt geworden ist, dahin, daß man es bei den erlassenen Be— stimmungen belassen und sich nicht dazu bewegen lassen möge, sie wieder abzuändern. Der Magistrat der Kreisstadt Siegen hatte es abgelehnt, durch Ortsstatut die Geschäftsstunden auf den Nachmittag zu verlegen. Infolge dessen traten die gewerblichen Kreise von Siegen mit der Forderung an die Polizeibehörden auf, nunmehr ihrerseits das zu thun. Kaum waren diese Bestrebungen bekannt geworden, so entstand eine sehr lebhafte Gegenagitation in den kleinen Städten und ländlichen Ortschaften des ganzen Kreises. Die dorti⸗ gen Geschäftsleute erklärten, sie müßten dringend bitten, daß an dem Schluß

der Geschäfte um 2 Uhr festgehalten würde; denn wenn das nicht geschähe, würde die Kreisstadt Siegen ihnen ihre ländliche Kundschaft entziehen. Sie sehen, meine Herren, von wie verschiedenen Gesichts— punkten die Frage beurtheilt werden will.

Es ist ferner darauf hinzuweisen, daß die Beschwerden durchaus nicht aus allen Theilen der Monarchie eingehen. Aus großen Land⸗ strichen, namentlich solchen mit wenig dichter Bevölkerung, sind am wenigsten Beschwerden gekommen. Die lebhaftesten Beschwerden sind im großen und ganzen aus dem bevölkerten Westen der Monarchie hervorgegangen, aus der Rheinprovinz und Westfalen.

Nun, meine Herren, bin ich ja nicht daß alle diese Beschwerden ungerechtfertigt sind. ia nicht verkennen, daß thatsächlich ein Zustand eingetreten ist, der einer Reihe von Geschäften zunächst empfindliche Verluste bereitet hat; das sind erstens diejenigen Geschäfte, wenigstens zum theil, bei denen die ländliche Bevölkerung bisher gewohnt war, in den späteren Nachmittagsstunden einzukaufen; zweitens diejenigen Geschäfte, die Artikel führen, die man zu gleicher geit in den Wirth—

der Ansicht, Ich kann

* * a. ö * schaften bekommt. Für die letzteren ist die Lage schwieriger, weil die Beseitigung der Mißstände schwieriger ist als im ersteren Falle. Das bezieht sich namentlich auf die Bäcker, Fleischer und Cigarren händler,.

. Nun, meine Herren, muß ich aber darauf hinweisen, daß es ein hochst einfaches Mittel giebt, diese Beschwerden, soweit sie berechtigt sind, in der Hauptsache aus der Welt zu schaffen, daß das Mittel in der Gesetzgebung gegeben ist, und daß bisher, soweit mir bekannt ge⸗ worden ist, nur in ganz vereinzelten Fällen davon Gebrauch gemacht ist. Das Mittel besteht darin, daß die Gemeinde oder der weitere Gemeindeverband durch St4tut die Geschäftsstunden unter Ein⸗ schrãnkung der Dauer anders legt. Das Gesetz bestimmt: Fünf Stunden darf nur gearbeitet werden. Die Polizei setzt die Stunden fest. Wenn aber eine Gemeinde oder ein Kreis die Geschäfts— stunden zum Beispiel auf nur vier Stunden verkürzt, dann ist er in der Lage, seinerseits die Geschäftsstunden so zu legen, wie es den örtlichen Verhältnissen entspricht. Und dieser gesetzlichen Bestim⸗ mung gegenüber darf ich die Behauptung aufstellen, daß der Vor- wurf, die Ausführungsverordnung generalisire und schablonisire, un⸗ gerechtfertigt ist, denn das Ventil, was für die örtlichen Bedürfnisse eine genügende Bürgschaft giebt, ist in die Hand der Nächstbetheiligten gegeben. Ich erwähnte, daß in einzelnen Fällen solche Statuten erlassen sind, so im Regierungsbezirk Trier in einem oder mehreren Kreisen dahin, daß die Verkaufsstunden des Morgens ganz wegfallen und von 12 Uhr Mittags bis 4 Uhr Nachmittags festgelegt werden. Diese Statuten hat der Bezirksausschuß bestätigt, und danach sind sie in Wirksamkeit getreten, wie ich glaube zur Zufriedenheit der betheiligten Bevölkerung. Lassen Sie mich bei dieser Gelegenheit auch ein Beispiel dafür anführen, wie weit man in der Beschränkung der Verkaufezeit ohne Schädigung berechtigter Interessen glaubt gehen zu können. Im Kreise Wesel ist ein Kreis—⸗ statut erlassen, und zwar, wie mir berichtet ist, mit sämmtlichen Stimmen des Kreistags gegen drei, worin für den ganzen Kreis durchgängig bestimmt ist, daß in Comptoirs nur gearbeitet werden darf früh von S bis 9g Uhr, in offenen Verkaufshallen früh von? bis 9 und Mittags von 111 bis 1 Uhr, kleine Ausnahmen sind nur getroffen für unmittelbar an der niederländischen Grenze belegene Grenzorte Hier haben Sie das Beispiel eines vorwiegend ländlichen Kreises. Der Kreis Rees mit der Kreisstadt Wesel hat eine ganz ländliche Be—⸗ völkerung und nur ganz wenige industrielle Etablissements. Diese länd⸗ liche Bevölkerung wohnt nicht in geschlossenen Ortschaften, sondern in Höfen zerstreut weit über das Land und trotzdem hält der Kreistag es für möglich, daß in den Städten die Geschäfte Mittags 1 Uhr geschlossen werden, ohne daß der ländlichen Bevölkerung und den Gewerbe— treibenden der Städte ein nennenswerther Schade zugefügt wird.

Ich meine, hier liegt doch ein Beispiel dafür vor, daß, wenn man will und sich nicht scheut vor vorübergehenden Mißständen und daraus resultirenden momentanen Verstimmungen, wenn man daran glaubt, daß nach und nach die Bevölkerung sich sehr wohl daran ge⸗ wöhnen kann, auch in früheren Stunden, als dies bisher üblich ge⸗ wesen ist, ihre Einkäufe zu machen, daß es sehr gut möglich ist, die Sonntagsruhe der Handlungsgehülfen durchzuführen. Dort wenigstens ist es gegangen, und ich meine, es wäre sehr wünschens— werth, wenn auch in anderen Theilen des Reichs man sich mehr auf diesen Standpunkt stellte.

Meine Herren, als die Novelle zur Gewerbeordnung in Kraft ge⸗ treten war, traten sehr eigenthümliche Versuche auf, durch Ortsstatut die Arbeitsstunden zu reguliren. Mir sind Fälle bekannt, wo bestimmt werden sollte, daß des Morgens zwei Stunden, Nachmittags eine Stunde und dann Abends von sechs bis acht wieder zwei Stunden die Geschäfte geöffnet sein sollten. Meine Herren, daß dann aller⸗ dings von einer Sonntagsruhe für die Handlungsgehilfen keine Rede mehr ist, scheint mir auf der flachen Hand zu liegen. Derartigen Versuchen bin ich entgegengetreten, und gerade weil derartige Versuche mir be⸗ kannt waren, habe ich es für meine Pflicht gehalten, den Bestim⸗ mungen der Polizeibehörden die Richtung zu geben, daß den Handlungs⸗ gehilfen ein freier Sonntag⸗Nachmittag gewahrt bleibe. Wie gesagt, ein größerer Schade kann unmöglich dadurch entstehen, weil jeder Oct es in der Hand hat, durch Statut die Verkaufestunden Anders zu legen, sowie er sich nämlich entschließt, die fünf Stunden zu verkürzen.

Nun, meine Herren, noch ein Wort zu den Ausnahmen des § 1056. Mit diesen Ausnahmen muß man ganz außerordentlich vorsichtig sein. Ich bitte Sie, sich zu vergegenwärtigen, wenn man z. B. eine Ausnahmebestimmung dahin erläßt, daß jedes Geschäft, welches nur mit Taback und Cigarren handelt, die Befugniß haben soll, auch am späten Nachmittag seinen Laden zu eröffnen, so werden diejenigen Geschäfte, die außer Taback und Cigarren auch noch mit anderen Dingen handeln, sofort verlangen, daß auch ihnen diese Aus— nahme gegeben wird. Mit einem gewissen Rechto; denn sie werden sagen: wenn meine Concurrenten Taback und Cigarren verkaufen dürfen, muß mir das auch gestattet werden Geben Sie nun die Erlaubniß an solche Geschäfte, so kann nicht controlirt werden, ob die anderen Artikel, die sie führen, nicht auch verkauft werden; Manufacturwaaren, Eisenwaaren, Colonialwaaren und andere. Wenn das geschieht, ver⸗ langen sämmtliche Geschäfte, die Manufacturwaaren führen, dieselbe Ausnahme und damit wird die Ausnahme zur Regel.

So liegt es auch mit den Grenzorten. Alle Grenzorte haben zwei Grenzen, eine nach dem Ausland, eine nach dem Inland. Wird in Berück⸗ sichtigung der ausländischen Bestimmungen dem Grenzort eine Ausnahme gestattet, so verlangt der benachbarte Inlandsort aus Concurrenz⸗ rücksichten das Gleiche, so knüpft sich Nachbarort an Nachbarort an, bis man schließlich mitten im Lande ist und wieder wird dann die Ausnahme allgemeine Regel. Man muß also mit der Gewährung von Ausnahmen außerordentlich vorsichtig sein; sonst kommt man in die Ge— fahr, die ganzen Bestimmungen äber die Sonntagruhe über den Haufen zu werfen.

Ich hoffe, meine Herren, daß Sie aus meinen Darlegungen zu der Ueberzeugung kommen, daß eine unüberlegte und bedenkliche Schablonisirung durch die Regierungsverfügung nicht herbeigeführt ist, daß sie den Zweck gehabt hat, die Bestimmungen, die Sie alle ge— wollt haben, wirklich zum Ausdruck zu bringen, und daß das Ventil, das nöthig war, um den örtlichen Bedürfnissen Rechnung zu tragen, völlig in der Befugniß gegeben ist, durch statutarische Bestim⸗ mung eine Verlegung der Arbeitsstunden vorzunehmen. Da haben wir alle gewußt, als wir daß Gesetz erließen, daß ohne manche Unzuträglichkeiten sich die Sonntagsruhe nicht ein⸗ führen lassen wird; darüber war sich jedermann klar, daß eine längere Uebergangszeit nothwendig sein würde, um die Bevölkerung

daran zu gewöhnen, nun auch ihrerseits etwas zur Herstellung der

Sonntagsruhe zu thun. Es wird doch wirklich niemand behaupten können, daß 5 Stunden vom Sonntag nicht ausreichen, um einer Bevölkerung genügend Zeit und Gelegenheit zu geben, den Bedarf für den Tag einzukaufen, ihr Brot und Fleisch zur Abendmahljeit, ihre Cigarren für den Nachmittag; und die kleinen Dinge, die dagegen angeführt werden, daß man Sonntags Abends noch Besuch bekommen könnte, auf den man nicht eingerichtet sei, meine Herren, ich bin vollständig überjeugt, und ich glaube, Sie werden es mit mir sein, daß man auf derartige kleine Dinge wirklich keinen Werth legen kann, wenn es sich darum handelt, die Wohlthat des freien Sonntags Nachmittags den Tausenden und Aber⸗ tausenden unserer Handlungegehilfen zu verschaffen.

Eins bedaure ich auf das lebhafteste, daß das Publikum sich nicht mehr entschließt, diesen Bestimmungen zu Hilfe zu kommen. In der Lage ist jeder, sich in den fünf Stunden das einzukaufen, was er braucht. Wer das nicht thut, unterläßt es aus Trägheit, aus Indolenz, aus der er aufgeweckt werden muß. Daß das gelingen wird, davon bin ich vollständig durchdrungen. Schon heute ist die Anschauung über die Wirkung der fraglichen Bestim⸗ mungen eine andere geworden, als sie noch vor drei oder vier Mo— naten war. ö

Für die auf die Kundschaft der ländlichen Bevölkerung an⸗ gewiesenen Geschäfte kann der Schluß um 2 Uhr Nachmittags aller⸗ dings unter Umständen Nachtheile bringen. Es kann sein, daß die laͤndliche Bevölkerung nicht in der Lage ist, wenigstens nicht immer in der Lage ist, ihre Einkäufe in der Stadt vor 2 Uhr zu machen. Aber so schlimm, wie es immer gemacht wird, ist doch die Sache auch nicht. Es liegt doch nicht so, daß alle Sonntage die gesammte ländliche Bevölkerung in die Stadt strömt, um dort ihre Ein— käufe zu besorgen. Ich glaube nicht, daß der einzelne es nöthig hat, das öfter als alle vier Wochen einmal ich glaube, das ist schon ziemlich reichlich gegriffen zu machen. Daß es ihm nicht gelingen sollte, unter vier einen Sonntag⸗Vormittag frei zu kriegen zum Gang in die Stadt, ist mir doch auch nicht recht plausibel.

Also, ich glaube, man thut nicht Recht daran, nur aufzufordern, den verursachten Mißständen Rechnung zu tragen und die erlassenen Vorschriften * zu ändern, sondern man sollte viel mehr, als geschehen, die Bevölkerung darauf aufmerksam machen, daß, wenn sie sich nur ein wenig entschließt, mit alten Gewohnheiten zu brechen, wenn sie sich nur ein wenig aus Mitgefühl für die Handlungsgehilfen, die an den Ladentisch am Sonntag jahraus, jahrein gefesselt sind, entschließt, sich etwas mehr des Morgens zu überlegen, was sie am Nachmittag braucht, eine Menge der Klagen ohne weiteres aus der Welt verschwinden wird. Ich meine doch, es wäre nicht recht, mit der Hand großmüthig ein Gesetz zu geben und mit der anderen Hand kleinmüthig die Wirkung dieses Ge⸗ setzes durch Ausnahmebestimmungen wieder zu vernichten. (Sehr wahr h) Infolge der laut gewordenen lebhaften Beschwerden haben die drei preußischen Ressort⸗Minister durch einen bekannt gegebenen Erlaß an die Ober⸗Präsidenten Bericht erfordert darüber, wie sich die Verhält⸗ nisse nach Erlaß der Ausführungs⸗Verordnung gestaltet haben. In dem Erlaß ist angedeutet worden, in welcher Weise man wohl diesen oder jenen Mißständen entgegentreten kann. Vorläufig handelt es sich aber nicht um neue Ausführungs— Verordnungen, sondern darum, zu wissen, wie sich bisher die Verhält— nisse gestaltet haben. Wir werden sehen, was berichtet wird. Wenn sich aus den Berichten herausstellt, daß sich wirklich erhebliche Miß⸗ stände entwickelt haben, die nur durch eine Aenderung der Aus— führungsanweisungen sich heben lassen, so werden wir uns dagegen nicht weiter sträuben. Aber darauf mache ich auf⸗ merksam: In der weiteren Ausdehnung der Geschäftsstunden in den Nachmittag und der Ausnahmen werden wir nur dem allernothwendigsten Zwang, und nur Schritt für Schritt weichen. Soviel an mir liegt, bin ich ganz entschlossen, lieber noch für eine Uebergangszeit einige Mißstände mit in den Kauf zu nehmen, als die Wirkung dieses Gesetzes, die ich für eine außerordentlich wohlthätige halte, durch Ausnahmen zu zerstören. (Lebhafter Beifall.)

. Königlich bayerischer Bevollmächtigter zum Bundesrath, Ober⸗ Regierungs⸗Rath Landmann: Der Vorwurf des Abg. Bebel, die bayerischen Behörden führten die Bestimmungen über die Sonntag ruhe möglichst lax durch, ist unbegründet. Sie sind vielmehr bemüht, das Gejetz correct und sachgemäß durchzuführen. Ueber kein Reichs⸗ gesetz sind so viele Klagen und Beschwerden in Bayern entstanden, als gerade über die. Sonntagsruhe im Handelsgewerbe. Es trat eine gußergrdentliche Mißstimmung darüber im Lande ein. Inzwischen hat sich aber die Bevölkexung all mähltch beruhigt, sich theilweise an die Bestimmungen gewöhnt, und die Behörden haben gelernt, es richtig auszuführen, und namentlich von den Ausnahme bestimmungen einen veckentsprechenden und den örtlichen Ver⸗ hältnissen , . Gebrauch zu machen. Der Abg. Bebel hat auch Beweise ür seine Behauptung nicht angeführt. Das Drte⸗ statut in Nürnberg ist mir nicht bekannt. Allein auch wenn dasselbe, das z. B. den Cigarrenläden das Offenhalten bis 9 Uhr Abends ge⸗ stattet allerdings eine etwas auffallende Bestimmung genehmigt worden wäre, so wäre doch nicht ohne welteres eine Verurtheilung dieser Bestimmung oder der Kreisregierung berechtigt. Man müßte die Gründe kennen, weshalb der Magistrat von . in dem doch guch Leute aus dem Volke sihen, das Ortsstatut beschlossen und die Regierung es genehmigt hat. . ist dabei hauptsächlich die Rücksicht auf die kleinen Leute, auf die Bewohner der Vorstädte von Nürnberg mit maßgebend gewesen. Man verurtheile also nicht, ohne die Sache näher zu kennen. Weshalb das Statut für Ludwigs · hafen uncorrest sein soll, hat der Abg. Bebel nicht gesagt. Weil in Mann⸗ heim etwas Anderes gilt, kann man nicht allein das Ludwigshafener Gstatut verurtheilen. Mit demselben Recht könnten die Ludwigshafener verlangen, daß die Mannheimer sich nach ihnen richten. Im großen und ganzen kamen die Ausführungen des Abg. Bebel post lestum, waren zum theil schon früher bei der Berathung des Arbeiter schutzgesetzes von ihm gemacht. und fanden damals nicht die Beachtung. die er ihnen jetzt nachträglich verschaffen möchte. Der Reichstag wünschte schon damals keine Unlformität aller Ausnahmebestimmungen. Dies gilt namentlich von dem F 106, welcher der höheren Ver. waltungsbehörde gewisse Ausnahmebefugnisse zuweist. Nach § 1656 soll gerade den örtlichen Ver hältnissen Rechnung getragen werden. Ist der Abg. Bebel anderer Meinung, so kann er ja beantragen den 105 anders zu fassen. Er würde dann sehen, ob der Reichst. und Bundesrath mit ihm einverstanden sind. nn, 1 1 44 egensehen. Abg. „¶(Centr. ): edauere auch, daß die Sonntagsru für die Wer stätten und 9 riken noch ö. er g e 23 auch noch kein Termin daflr in Aussicht genommen werden kann. aber von einer absichtlichen Hinaugschiebung ist absolut Keine Nede. . . . 6 des Gesekes wan zeigt mir, daß sie unseren Arbeiterschutz doch nicht 0

hlt halten. Ich glaube, daß wir u den fun She, 26 8 Sonntagsarbeit dat Richtige getroffen haben, und diefen

Ich würde einern

schlag verdanken wir ja den Sor laldemokraten 4 mick daß wie sie das Gesetz bejweckt, ein getreten ist. 6

der preußische Handels Minister so 6 ( r he.