Bäume die Zweige und Wurzeln gegen eine angemessene Entschädigung zu dulden habe, im Falle der Annahme des Antrages aber den Art. 67 des Entwurfs des Einf.⸗Gesetzes, der dem S 861 gegenüber für Waldgrundstücke abweichende landesgesetzliche Vorschriften vorbehält, als entbehrlich zu streichen. Nach einer eingehenden Erörterung wurde unter Ablehnung des Antrages beschlossen, den Art. 67 des Entwurfs des Einf.-Gesetzes durch die Vorschrift zu ersetzen, daß die landesgesetzlichen Vorschriften unberührt bleiben, nach welchen die Rechte des Eigenthümers des einem Waldgrundstücke benachbarten Grundstücks in An— sehung der auf der Grenze oder auf dem Wald— grundstücke stehenden Bäume und Sträucher zu Gunsten des Waldgrundstücks weitergehenden Beschränkungen, als im 8 8ö5 Abs. 2 und im S5§ 861 des Bürger⸗ lichen Gesetzbuchs bestimmt ist, unterworfen werden. Der das Recht auf den Ueberfall von Baumfrüchten regelnde 8 SSt2 wurde mit dem . angenommen, daß die Vorschrift keine Anwendung finden soll, wenn das Nachbar— grundstück eine öffentliche Straße oder ein öffentlicher Platz ist. In diesem Falle soll also das Eigenthum an den hinübergefallenen Früchten demjenigen verbleiben, welchem nach den allgemeinen Grundsätzen das Recht auf den Erwerb des Eigenthums an den Früchten des Baumes zusteht. Ein Antrag, in dem bezeichneten Falle die hinüber— gefallenen Früchte für herrenlos zu erklären, wurde abgelehnt. Zu einer lebhaften Debatte führten die Vorschriften des 8§S63 über die Verpflichtung zur Einräumung eines Nothweges. Der Entwurf macht diese Verpflichtung davon abhängig, daß einem Grundstücke die zu seiner bisherigen ordnungsmäßigen Benutzung nothwendige Verbindung mit einem öffentlichen Wege fehlt und der Nothstand nicht durch ein Verschulden des Eigenthümers oder eines Rechtsvorgängers des Eigen— thümers herbeigeführt ist. Demgegenüber wurde beschlossen, das Recht auf den Nothweg zu gewähren, wenn einem Grund stücke die zu ordnungsmäßiger Benutzung nothwendige Ver— bindung mit einem öffentlichen Wege fehlt, sofern nicht das Bedürfniß der Verbindung durch eine willkürliche Anordnung des Eigenthümers des Grundstücks hervorgerufen ist. Ver— schiedene Anträge, die in noch weiterem Umfange das Recht auf einen Nothweg zu gewähren bezweckten, wurden abgelehnt. Dagegen fand die zuse lich beantragte Vorschrift Zustimmung, daß, wenn der Eigenthümer einen Theil seines Grundstücks veräußert hat und dadurch für den veräußerten oder für den zurückbehaltenen Theil des Grundstücks ein Nothweg er— forderlich wird, dem Veräußerer bezw. dem Er⸗ werber die Pflicht obliegen soll, die Herstellung der erforderlichen Verbindung mit dem öffentlichen Wege zu dulden. Der zweite Satz, daß die Richtung des Weges und der Umfang der Wegebenutzung von dem Gericht nach freiem Ermessen bestimmt werden, wurde mit der Abweichung an⸗ genommen, daß die Worte „von dem Gericht“ durch die Worte „durch Urtheil“ ersetzt werden sollen. Man war einverstanden, daß es nach § 13 des Gerichtsver— fassungsgesetzes der Landesgesetzgebung freistehe, die Zu— ständigkeit für die Entscheidung auch anderen Behörden als den ordentlichen Gerichten zu übertragen. Die Vorschriften des dritten und vierten Satzes über die für die Duldungs⸗ pflicht dem Nachbar zu entrichtende Entschädigung fanden mit dem Zusatz Annahme, daß, entsprechend der für den Ueberbau gegebenen Vorschrift des 5 857 Abs. 3, für die Bestimmung des Betrages der zu entrichtenden Rente die Zeit der Her— stellung des Nothweges maßgebend sein soll. Nach dem S§ S64 dürfen Anlagen, deren Benutzung eine unzulässige Ein— wirkung auf ein Nachbargrundstück zur Folge hat, nicht her— gestellt oder gehalten werden. Der sachliche Inhalt der Vor⸗ schrift wurde mit der Einschränkung gebilligt, daß, wenn bei der Herstellung oder der Einrichtung solcher Änlagen die landesgesetzlichen Vorschriften über Entfernung von der Grenze, Schutzvorkehrungen und dergleichen eingehalten werden, die Beseitigung der Anlagen nur dann verlangt werden kann, wenn sich ergeben hat, daß die Benutzung der Anlagen die unzulässige Einwirkung zur Folge hat. Einvernehmen bestand, daß der 8 S64 auf Bäume keine Anwendung finden solle. Eine Ergänzung erfuhr der Entwurf durch die Auf— nahme der Wunhschrif! daß, wenn durch ein Gebäude oder ein sonstiges mit einem Grundstück verbundenes Werk wegen Gefahr des Einsturzes der der Ablösung von Theilen des Gebäudes oder des Werks ein Nachbargrundstück mit Schaden bedroht wird, der Eigenthümer des Grundstücks von dem Unterhaltspflichtigen die Vorkehrung der zur Ab— wendung der Gefahr erforderlichen Maßregeln verlangen kann. Der 5§ S6ö, welcher das mit Gefahr . ein Nachbargrundstück verbundene Vertiefen eines Grundstücks verbietet, wurde nach dem Entwurf angenommen. Eine ausführliche Erörterung knüpfte sich an den S 866, nach welchem landes— gesetzliche Vorschriften, die das Eigenthum an Grund— lter zu Gunsten der Nachbarn noch anderen oder weiter— unterwerfen, unherührt bleiben ollen. Es wurde beschlossen, diese Vorschrift unter Streichung der Worte „oder weitergehenden“ in das Einführungsgesetz zu verweisen. Man war der Ansicht, daß im Hinblick auf die zu den s8§ Sö5, 8661, 864 beschlossenen Zusätze und auf den Art. 66 des Entwurfs des Einführungsgesetzes, nach welchem die landesgesetzlichen Vorschriften ö bleiben, die das Eigenthum in Ansehung thaisächlicher Ver— fügungen im öffentlichen Interesse beschränken, ein Bedürfniß nicht bestehe, auf dem Gebiete des Nachbarrechts der Landesgesetz⸗ gebung auch die Befugniß vorzubehalten, die in dem Gesetz— buch selbst geregelten Eigenthumsbeschränkungen erweiternd zu modificiren. Der 5 S7, welcher das Recht auf Aufsuchunt und Wegnahme einer auf ein fremdes Grundstü
gelangten beweglichen Sache regelt, wurde sachlich nach dem Entwurf ,, Zum Schluß gelangte noch der , ausgesetzte Antrag zur n ng dem § 848, welcher en wesentlichen Inhalt des Eigenthums bestimmt, die Vor— schrift hinzuzufügen, daß der Eigenthümer, wenn er durch eine in Ausübung seines Eigenthumsrechts vorgenommene Hand⸗ lung in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem Anderen vorsätzlich Schaden zufüge, zum Ersatz des Schadens verpflichtet sei. Der Antrag wurde, auch in der Beschränkung auf Grundstücke, abgelehnt.
gehenden Beschränkungen
Seine Hoheit der Erbprinz von Sachsen⸗-Mei⸗ ning en, Commandeur der 2. Garde⸗Infanterie⸗Division, hat Berlin mit kurzem Urlaub verlassen.
Der Großherzoglich badische Gesandte am hiesigen Aller— höchsten Hofe, Geheime Rath von Brauer hat einen ihm von seiner Regierung bewilligten kurzen Urlaub angetreten.
Der bei dem Königlichen Ober⸗Präsidium zu Posen be⸗ schäftigte Regierungs⸗Assessor Steiner ist vom J. April d. J. ab der Königlichen Regierung zu Hannover und
der Regierungs⸗Assessor Rötger zu Hannover vom
1. April d. J. ab dem Königlichen Dber⸗Präsidium zu Posen zur weiteren dienstlichen Verwendung überwiesen worden.
Sigmaringen, 23. Februar. Ihre Königlichen Hoheiten der Fürst und die Fürstin von Hohenzollern haben sich dem „W. T. B.“ zufolge nach San Remo begeben.
Baden.
Durch eine im „Gesetzes- und Verordnungsblatt für das Großherzogthum Baden“ veröffentlichte landesherrliche Ver⸗ ordnung wird bestimmt, daß zum Zweck der Berathung der obersten Staatsbehörde in gewerblichen Angelegenheiten und zur Vertretung der Interessen des Gewerbestandes überhaupt beim Ministerium des Innern ein Landes-Gewerberath gebildet wird. Dem Landes⸗Gewerberath liegt ob: 1) die Berathung der ihm von der Staatsverwaltung in Bezug auf die Förderung des Gewerbes im allgemeinen und in Bezug auf das gewerbliche Unterrichts und Bildungswesen vor⸗ gelegten Fragen, insbesondere auch in betreff der Verwendung der im Staatsbudget hierfür vorgesehenen Mittel; 2) die Begutachtung der sich auf das Gewerbewesen beziehenden Ge— setze, Verordnungen und sonstigen behördlichen Anordnungen allgemeiner Art; 3) die Einbringung von Vorschlägen und Anträgen im Interesse des Gewerbes; 4 die Aufstellung von Vorschlagslisten für die Ernennung außerordentlicher Mitglieder des Gewerbeschulraths aus dem Gewerbestand. Der Landes⸗Gewerberath setzt sich zusammen aus: 1) je einem Vertreter der Gauverbände der Gewerbevereine und des Badischen Kunstgewerbevereins; 2) je einem Vertreter der Handelskammern und der diesen gleichstehenden Handels⸗ genossenschaften; 3) zwei Vertretern der im Lande bestehenden Innungen; ) vier Vertretern des Arbeiterstandes, die aus der Zahl der Beisitzer der Gewerbegerichte oder den Vor— ständen größerer Krankenkassen zu nehmen sind; 5) einer Anzahl vom Ministerium des Innern ernannter, auf dem Gebiet des Gewerbewesens , . Per⸗ sönlichkeiten, die ein Drittel der gewählten Mitglieder nicht übersteigen soll. Anderen, als den vorgenannten, gewerblichen Vereinigungen kann das Ministerium des Innern eine Vertretung im Landes-Gewerberath einräumen, wenn sie eine entsprechende Zahl von Mitgliedern umfassen, und es soll von dieser Befugniß jederffalls dann Gebrauch gemacht werden, wenn sich auf Grund des Gesetzes vom 23. Juni 1892 Gewerbekammern bilden. Den Vorsitz im Landes— Gewerberath führt der Präsident des Ministeriums des Innern bezw. der von ihm jeweils für die Dauer einer Tagung ernannte Stellvertreter. Die übrigen mit der Be⸗ arbeitung gewerblicher Angelegenheiten betrauten Beamten des Ministeriums des Innern sowie diejenigen der Fabrik— inspection, des Gewerbeschulraths und der Landes⸗Gewerbehalle werden zu den Verhandlungen des Landes-Gewerberaths mit berathender Stimme beigezogen, soweit deren Betheiligung für zweckmäßig erachtet wird. Der Landes-Gewerberath tritt auf Anordnung des Ministeriums des Innern regelmäßig, und zwar mindestens einmal im Jahre, sowie dann zusammen, wenn seine Einberufung von einem Drittel seiner Mitglieder, unter Bezeichnung bestimmter Berathungsgegenstände, bean— tragt wird.
Hessen.
In der gestrigen Sitzung der Zweiten Kammer theilte der Präsident, wie die „Darmst. Itg. meldet, zunächst mit, daß die Regierung die Gesetzentwürfe über die Revision der Verwaltungsgesetze und des Baues und Unterhaltung von Kunststraßen zurückgezogen habe. Die Kammer erledigte hierauf den Gesetzentwurf über die Reform der Einkommensteuer in zweiter Lesung und nahm dann das Gesetz über das Verfahren der Zwangs vollstreckung im Verwaltungswege sowie das Gesetz über das Grund— eigenthum und Hypothekenwesen in Rheinhessen an.
Bremen. Die Bürgerschaft hat der „Wes.⸗Itg.“ zufolge die für die Vertiefung des Freihafens geforderte Summe von 276009 6 bewilligt.
Oesterreich⸗ Ungarn.
Der Kaiser stattete heute dem Herzog und der Herzogin von Parma sowie der Prinzessin Maria Louise einen halbstündigen Besuch ab.
Der gestrigen Soirée bei dem deutschen Botschafter Prinzen Reuß wohnten die Erzherzoge Wilhelm und Rainer, die Minister Graf Kälnoky, Freiherr von Bauer, von Kallay, Graf Falkenhayn, Graf Welsersheimb und Marquis de Bacquehem, der Pronuntius Galimberti, das gesammte diplomatische Corps, die Spitzen der Civil- und Militärbehörden, sowie zahlreiche Mitglieder der Aristokratie bei.
Das österreichische Abgeordnetenhaus , . zunächst die Berathung des Budgets fort, unterbrach diese aber, um mit der Verhandlung über die Verlängerung des Budgets⸗Provisoriums bis Ende März 1893 zu beginnen.
Großbritannien und Irland.
Im Unterhause erklärte gestern nach einer Meldung des „W. T. B.“ der Parlaments⸗Secretär des Auswärtigen Amts Sir E. Grey auf eine Anfrage, daß die Abgrenzung am Kilimandscharo noch nicht beendet sei. Diejenigen Punkte, über die die beiderseitigen Commissare nicht einig geworden, seien der englischen und der deutschen Regierung zur Prüfung über⸗ wiesen, der betreffende Schriftwechsel könne daher nicht vorgelegt werden. Auf eine weitere Anfrage erklärte Sir E. Grey, China habe Vorstellungen über die Operationen gegen die Katchin⸗Stämme gemacht; die englischerseits darauf zur Ant⸗ wort gegebenen Erklärungen hätten eine freundliche Aufnahme efunden. Mit China fänden Unterhandlungen statt zum Zweck der Feststellung der Grenze, welche hoffentlich haldigst einen befriedigenden Abschluß finden dürften. Der Staats⸗ secretär des Innern Asquith beantragte sodann die erste Lesung einer Vorlage, wodurch während einer begrenzten Zeit
die Schaffung neuer Pfründen in der englischen Kirche Wales verhindert werden soll. Der Minister 8 i Bill als ersten Schritt zur Entstaatlichung der Kirche in Wales. Sir J. E. Gorst bekämpfte die Bill durch einen Unterantrag, der eine legislative Einmischung, so lange dag Princip einer Veränderung der Beziehungen zwischen Staat und Kirche in Wales vom Parlament nicht genehmigt sei für unzweckmäßig und ungerecht erklärt. Der Antrag Gorsl wurde mit 39! gegen 245 Stimmen abgelehnt und die ersle Lesung der Bill angenommen.
Frankreich.
Die Deputirten kammer begann gestern die Berathung des Gesetzentwurfs über die Besteuerung der Börfen? geschäfte. Der Finanz-Minister Tirard begründete den Entwurf und führte, dem „W. T. B.“ zufolge aus, die Re— gierung könne neben den Wechselagenten, die gewissen Be— lastungen unterworfen seien, nicht eine ganze Armee von Personen bestehen lassen, die die gleichen Geschäfte machten, ohne irgend einer Verpflichtung zu unterliegen. Der Handel mit den den Wechselagenten vorbehaltenen Werthen werde durch die Wechselagenten vermittelt werden, während der Handel mit den nicht cotirten Werth⸗ papieren den Coulissiers überlassen sei. Diese Anordnung gehe zwar gegen die Gewohnheiten der Börse, die Regierung bringe hierbei aber nur das bestehende Gesetz zur Anwendung. Jeder— mann in Frankreich zahle Steuern, deshalb müsse auch die Coulisse, die sich vornehmlich aus Ausländern zusammen— setze, Steuern zahlen. Die Coulisse behaupte, eine Macht zu sein. Wenn dies zutreffend sei, so sei umsomehr ihre ge⸗ setzliche Regelung angezeigt. Lamarzelle (Rechte) forderte die Abschaffung der Coulisse, die einen kosmopolitischen Charakter habe. Dagegen müsse die Zahl der Wechselagenten vermehrt werden. Na quet bekämpfte den Entwurf, da durch ihn die Freiheit der Speculation beeinträchtigt werde. Der Generalberichterstatter für das Budget Poincarrs erklärte sich für den Regierungsentwurf. Hierauf wurde die General— biscussion geschlossen. Die Kammer beschloß mit großer Mehr— heit in der heutigen Sitzung, zur Berathung der einzelnen Artikel überzugehen.
Das Journal Ferrys, die „Estafette“, protestirt nach— drücklich gegen die Behauptung, daß die Wahl Ferry's zum Präsidenten des Senats persönlichen Zwecken dienen solle und gegen Carnot oder Ribot gerichtet wäre. Ferry könne nur deren Verbündeter zur Vertheidigung der socialen Ordnung sein.
Nußland.
Der Erbprinz von Montenegro ist, wie „W. T. B.“ meldet, gestern Abend von St. Petersburg wieder abgereist. Der Stadthauptmann und der General, der dem Prinzen für die Zeit seines dortigen Aufenthalts attachirt war, gaben ihm das Geleite zum Bahnhof.
Italien.
Der Finanz-Minister Grimaldi brachte, wie „W. T. B.“ meldet, in der gestrigen Sitzung der Deputirtenkammer einen Gesetzentwurf ein, wodurch die provisorische Gebahrung der Einnahmen und des Schatzbudgets bis zum 31. März verlängert wird. Der Minister-Präsident Giolitti erklärte auf eine Anfrage über die angeblich am 19. d. M. beim Petersdome gehörten aufrührerischen Rufe, es sei ihm unbekannt, ob solche Rufe laut geworden seien. Die Wallfahrten seien ein eclatanter Beweis für die Frei— heit des Papstes. Die Wallfahrer hätten keinerlei Aus⸗ schreitungen begangen; mehr als 4000 derselben hätten sich in das Gedenkbuch des Pantheon, wo das Denkmal Victor Emanuel's sich befinde, eingezeichnet. Im weiteren Verlaufe der Sitzung verwarf die Kammer in namentlcher Abstimmung mit 197 gegen 92 Stimmen den Antrag des Socialisten Agnini, die die Banken betreffenden Ministerialacten einer Commission von 7 Mitgliedern zuzuweisen. Der Minister— Präsident Giolitti hatte eine Vertagung des Antrages auf drei Monate verlangt. Crispi und Rudini stimmten für den Antrag. Crispi erklärte, man müsse mit der Gewohnheit brechen, ähnliche Anträge beständig abzulehnen.
Ein von der „Politischen Correspondenz“ veröffent— lichtes Communiqué stellt fest, daß die Nachricht von dem bevorstehenden Besuche eines italienischen Ge— schwaders in ausländischen Häfen als Erwiderung der vorjährigen Besuche der ausländischen Geschwader in Genua durchaus unbegründet sei,. Durch das Erscheinen der ausländischen Schiffe in Genua, das der Feier des größten Schiffahrtsereignisses der Neuzeit ge— golten habe, werde der italienischen Flotte keineswegs die Pflicht eines Gegenbesuches auferlegt, dessen Unwahrscheinlich— keit übrigens aus der großen Zahl der bei den Feierlichkeiten in Genug vertretenen Länder ersichtlich sei.
Der Papst empfing gestern die Wallfahrer aus Frankreich, Ungarn, Uruguay und Argentinien. Zuerst wurden die 250 ungarischen Wallfahrer von dem Bischof von Stuhl⸗ weißenburg vorgestellt. Der Papst ermahnte sie in lateini⸗ scher Sprache, stets an dem Glauben des Heiligen Stephan fest— zuhalten und gleich diesem die Rechte der Kirche zu verthei⸗ digen. Der Papst, der bei dem Betreten und dem Ver— ae des Consistorialsaales enthusiastisch begrüßt wurde, beschränkte sich im Beisein des Arztes, da er noch an Erkältung leidet, darauf, nur die Führer der Wallfahrer zu empfangen und ließ sich deshalb bei den letzteren entschuldigen. Jede Pilgerschaft überreichte Geschenke für den Peterspfennig. Der ebenfalls auf gestern angesetzte Empfang des österreichisch— ungarischen Botschafters Grafen Revertera wurde verschoben.
Portugal.
In der gestrigen Sitzung der Deputirtenkammer legte einer Meldung des ‚W. T. B.“ zufolge der Minister⸗ Präsident Ribeiro das Programm des Cabinets dar und kündigte eine Amnestie für Preßvergehen sowie Vergehen bei den Wahlen und politischen Ver—⸗ gehen und Freiheit der Presse bei gleichzeitiger ministerieller Verantwortlichkeit an. , kündigte der Minister cine Abänderung der Bankgesetze in der Richtung an, daß die Controle der Regierung eine wirksamere werde. 6 züglich der portugiesischen Staatsschuld erklärte er, daß die Regierung, unter Berücksichtigung der Einnahmequellen des Staatsschatzes, soviel wie möglich zu leisten beabsichtige. Die Einführung neuer Steuern sel nicht in Aussicht genommen jedenfalls würden etwaige neue Steuern nicht den arbeitenden Klassen zur Last fallen. . ö
Wike es heißt, würde das vom früheren Minister-Prä— sidenlen Diaz Fereira bezüglich der äußeren Schuld aus—
gestellte Project fallen gelassen werden. Die Cortes sollen
auf einige Tage vertagt werden.
Schweiz.
Die Majorität der Commission des National—⸗ raths hat sich für den Antrag des Bundesraths aus— gesprochen, wonach dieser ermächtigt wird, den Eisenbahnen die Einführung der mitt eleuropäischen Zeit zu ge— statten und diese gleichzeitig auch im Post- und Telegraphen⸗ dienst zur Anwendung zu bringen.
Rumänien.
Die Deputirtenkammer hat, wie „W. T. B.“ meldet in ihrer gestrigen Sitzung mit 82 gegen 27 Stimmen den Gesetzentwurf über den gewerblichen Unterricht ange—⸗ nommen und zu dessen Durchführung einen Credit von sieben Millionen Lei bewilligt.
Amerika.
Infolge der Wahl eines demokratischen Candidaten zum Senator für Dakota sind, wie „W. T. B.“ meldet, die beiden Parteien des Senats jetzt gleich stark. Da der Präsident des Senats die ausschlaggebende Stimme hat, so könnten die Demokraten im Senate ihre Zollpolitik zur An—⸗ nahme bringen. Uebrigens haben Montana, Washington und Wyoming noch je einen Senator zu ernennen.
Asien.
Wie der „Standard“ erfährt, hat die chinesische Re⸗ gierung die Ernennung eines Residenten für die Pamirs beschlossen, der denselben Rang haben soll, wie der Vertreter Chinas in Thibet.
Afrika. Nach einer Meldung des „Reuter'schen Bureaus“ aus
Kairo wird sich der sinanzielle Beirath des Khedive Sir
Elwin Palmer am 6. März nach London begeben, um dort
wegen einer Anleihe zur Conversion der Domänenschuld zu unterhandeln.
Parlamentarische Nachrichten.
Dentscher Reichstag. Der Bericht über die 590. Sitzung vom 23. Februar befindet sich in der Ersten Beilage. 51. Sitzung vom Freitag, 24. Februar, 1 Uhr. Der Sitzung wohnt der Staatssecretär Dr. von Boettich er bei. ; . . Die Vorlage, betreffend die Cautionen der Bundes—
beamten, wird in dritter Lesung unverändert ohne Debatte
angenommen.
Darauf wird die Etatsbergthung fortgesetzt. Die Discussion über das Ausgabekapitel,Reichs-Versicherungs— amt“ und des Special-Etats des Reichsamts des Innern nimmt ihren Fortgang.
Abg. Schmidt-Elberfeld (dfr.): Auf dem Lande werden viel— fach die versicherten Arbeiter verantwortlich gemacht für Versäumungen bei Einklebung der Marken. Nun ist aber durch das Gesetz zweifellos den Arbeitgebern die betreffende Verpflichtung auferlegt. Die unteren Polizeibehörden verlangen sogar auf dem Lande, daß der Arbeiter die feh⸗ lenden Marken in seine Quittungskarte auf eigene Kosten einklebt. Es sollte veranlaßt werden, daß die unteren Verwaltungsbehörden ihren Organen entsprechende Weisungen zugehen lassen. Gestern hat der Abg. Wurm erklärt, ohne die Socialdemokratie würde man für die Arbeiter le nen Finger gerührt haben. Diese Behauptung muß zurückgewiesen werden. Die natürliche und ruhige Entwickelung der Dinge hat uns die Arbeiterfürsorge gebracht. Der ruhige stetige Fortschritt in den Verhältnissen der Hefellshaft überhaupt hat diese Einrichtungen
mitgebracht, und fraglich ist nur, ob es richtig war, es von Staats—
wegen oder es anders zu machen. Was die Socialdemokratie fordert, hat schon vor fünfzig Jahren Harkort gefordert. Seit ich im Reichstag bin, habe ich dieselben Forderungen wie Krankenkassen, Normal-Arbeitstag für verschiedene Gewerbe u. s. w. erhoben. Der Abg. Wurm kann das nicht wissen, weil er erst seit 1890 hier ist. Ihre (zu den Soeialdemokrgten) Agitation ist keine Förderung, sondern ein Hemmschuh für diesen Fortschritt. Durch Ihre Agitation ist bis in die höchsten Kreise die Meinung erweckt worden, als ob Ihre Existenz eine Gefahr für Staat und Gesellschaft sei. Das ist ganz falsch. Die Jungen in Ihrer Partei haben ganz recht: So lange Sie noch parlamentiren, sind Sie nicht gefährlich! Der Abg. Wurm hat auch behauptet, daß der größte Theil der Renten nur durch Zwang nach erfolgter Berufung der Schiedsgerichte gezahlt wird. Hätte er den Bericht gelesen, der uns in diesen Tagen zugegangen ist, so würde er diese Behauptung nicht aufgestellt haben; denn es ist nur ein Sechstel der Renten vor die Schiedsgerichte gekommen, von 123 239 Bescheiden sind nur 5221, etwa 40.ν, durch die Schiedsgerichte ab— geändert worden.
Staats secretär Dr. von Boetticher: Aus dem Streit der Parteien ziehe ich den Schluß, daß es doch keine schlechte Gesetzgebung sein muß, die hier in Frage steht. Es entspricht nicht der Vorschrift des Gesetzes, wenn die Arbeiter für die unterlassene Einklebung der Marken verantwortlich gemacht werden. Das Reichs Versicherungsamt kann dagegen nichts thun; das Reichsamt des Innern wird aber, wenn diese Klagen zu ihm dringen, Gelegenheit nehmen, die Unter— behörden entsprechend anzuweisen. Abg. Hofmann⸗Ehemnitz (Soc.): Wir haben in Chemnitz vielfach den Fall gehabt, daß den Arbeitern keine Marken von den Unternehmern eingeklebt wurden, obwohl die Arbeiter ihre Beiträge gezahlt hatten. Diese Beiträge gehen also den Leuten verloren und dle Sicherheit, ihren Rentenanspruch zu begründen, vermindert sich mit jeder fehlenden Marke. Sehr schlimm t es, daß Arbeiter in die Lage kommen, die ihnen zugesprochene Rente nicht erheben zu können. Der Betreffende war nicht im stande zu schreiben, konnte seine Unterschrift nicht geben, und die Postbehörde verweigerte mit Recht nach dem Buchstaben des Gesetzes die Auszahlung der Rente. Hier muß doch Abhilfe geschaffen werden. In Sachsen ist es ferner vorgekommen, daß man Arbeitern, armen Webern die Rente verweigert hat, weil sie nach der sächsischen Landesgesetzgebung noch als Meister gelten. Wir sollen kein. Recht haben, uns als Vertreter der Arbeiter gufzuspielen. Wir haben gegen das Gesetz gestimmt, weil dem
Anspruch der Arbeiter nicht voll und ganz nachgegeben wurde. Jetzt
aber, nachdem das Gesetz in Kraft getreten ist, sind wir verpflichtet, für seine Durchführung zu sorgen. Darum habe ich mir erlaubt, diese Beschwerde hier vorzutragen.
Staatssecretär Dr. von Boetticher: Die Gefahr, daß Beiträge
der Arbeiter zur Altersversicherung von dem Unternehmer unterschlagen
werden können, ist nicht groß; denn der Unternehmer muß den Nachweis der Bezahlung der Beiträge durch Marken auf der Duittungskarte führen, und diese bleibt in den Händen des Ärbeiters, der sich stets davon überzeugen kann, ob. der Arbeitgeber die Marken eingeklebt hat, deren Betrag er ihm vom Lohn zurückbehält. In dem Fa e, wo der Rentenempfänger nicht schreiben konnte, hätte der Postsecretär sich doch bloß von der Identität des Mannes über⸗ Fugen und dann die Zahlung der Rente attestiren sollen. Wer eine Rente empfängt, muß dafür sorgen, daß er oder ein legitimirter Stell Yertreter die Quittung leisten kann. Was die Meister betrifft, die keine Rente erhalten haben, so kann die Verwaltung daran nicht ändern;
die k. Reichs⸗Versicherungsamts ist souperän. Nur bei einer etwaigen Aenderung des Gesetzes würde diese Schwierigkeit be⸗ seitigt werden können. .
Abg. Dr. Buhl (nl. ): Was die behauptete Verschleppung non Entschädigungsansprüchen angeht, so wird diese vielfach dadurch her⸗ beigeführt, daß die Betreffenden sich an eine andere als die zuständige Berufsgenossenschaft gewendet haben. Die zuerst angerufene Berufß— genossenschaft hat den Anspruch abgewiesen und dem Geschädigten nicht mitgetheilt, welches die richtige Adresse sei. So haben sich manche Fälle Jahre lang hingezogen. Die Verschleppung wäre vermieden worden, wenn die Vorstände den geschädigten Arbeitern sofort Aufklärung gegeben hätten. Es wäre sehr wünschenswerth, wenn dies allgemein geschähe, obgleich natürlich eine Verpflichtung der Vorstände dazu nicht besteht; daß die Berufsgenossenschaften erst durch die Schiedsgerichte sich zur Zah— lung von Renten bestimmen ließen, ist nur in Ausnahmefällen, die fehr gering sind, vorgekommen.
(Bei Schluß des Blattes Dr. von Boetticher das Wort.)
nimmt der Staatssecretär
Prenßischer Landtag. Haus der Abgeordneten.
Die Berichte über die gestrige Vormittags und die gestrige Abendsitzung befinden sich in der Ersten Beilage. 39. Sitzung vom 24. Februar.
Der Sitzung wohnt der Minister der geistlichen 2ꝛc. An⸗
gelegenheiten Dr. Bosse bei. „Die zweite Berathung des Staatshaushalts— Etats für 1893394 wird fortgesetzt, und zwar im Etat des Cultus⸗Ministeriums beim Kapitel: Kunst und Wissenschaft.
Beim ersten Titel: Kunstmuseen in Berlin bedauert
Abg. Bödiker (Centr.), daß nicht mehr Geld für diesen Zweck verwendet werde. Er könne aber bei der jetzigen Finanzlage Anträge auf Vermehrung nicht stellen Redner hält es für zweckmäßig, einer Ueberproduction von Künstlern entgegenzutreten; es müßten fowohl bei der Aufnahme in die Kunstschule, als beim Uebergang von einer Klasse in die, andere Beschränkungen eintreten. Redner empfiehlt ferner dem Minister, sich künstlerischen Beirath zu verschaffen und die freien Künstler mehr zur Geltung kommen zu lassen.
Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten Dr. Bosse: Ich hätte auch gern mehr Geld für die Kunst verwenden mögen; der Vorredner hat ja die Gründe anerkannt, die das verhindern. Die Ueberproduction der Künstler ist wohl nicht so schlimm, wie Vorredner annimmt. Mein künstlerischer Beirath ist der Senat der Akademie der Künste. Eine anderweitige Zusammen— setzung der Landes⸗Kunsteommission ist in . genommen und dabei wird auch die Zahl der freien Künstler, die darin jetzt schwach vertreten sind, verstaͤrkt werden. Im übrigen wird das Aus—⸗ stellungswesen durch das neue Statut gefördert werden, wonach die Akademien in Berlin und in Düsseldorf, sowie die freien Künstler gleichmäßig vertreten sein sollen.
Abg. Dr. Freiherr von Heereman (Centr.) fordert die Re⸗ gierung auf, für monumentale Kunst etwas mehr zu thun und das Kunstgewerbe mehr mit den großen Kunstschulen in Verbindung zu bringen, damit das Handwerksmäßige mehr durch das Künstlerische beeinflußt werde. Ferner müsse für die Kunstgewerbeschulen überhaupt etwas mehr gethan werden.
Abg. Bödiker (Centr.) verlangt eine Statistik des Besuchs der Kunstschulen.
Geheimer Ober⸗-Regierungs⸗Rath Dr. Jordan giebt einige Zahlen über die Frequenz der Kunstschulen und weist darauf hin, daß der Fonds für Ankäufe zur Hälfte für die monumentale Kunst, zur Hälfte für die Nationalgalerie verwendet worden sei. Bei den Ankäufen und Bestellungen seien die freien Künstler und die akademischen gleichmäßig berücksichtigt worden.
Die Ausgaben für die Kunstmuseen, für das Kunst— gewerbemuseum und für die Nationalgalerie werden genehmigt.
Bei den Ausgaben für die Königliche Bibliothek fragt
Abg. Dr. Kropatscheck (eons.) wie weit der Plan für den Neubau der Bibliothek gefördert sei, und tritt für die Aufbesserung der Gehaltsperhältnisse der Bibliothekbeamten ein. Diese Beamten sollten im Gehalte mit den Lehrern höherer Lehranstalten gleichgestellt sein; aber die Voraussetzung dafür sei auch die Erfüllung gleicher Vorbedingungen. Die Bibliothekbeamten aber hätten oft nur pro— movirt und nicht das Staatsexamen gemacht. Redner empfiehlt endlich, den Titel Custos zu beseitigen.
Abg. Dr. Sattler (nl. bemängelt die große Zahl der Hilfs⸗ arbeiter im Bibliothekdienst, die die der festangestellten Beamten übersteige. Wenn die jungen Leute, die sich dieser Laufbahn zuwenden, so wenig Autsicht auf feste Anstellung haben, so müsse sich eine große Unzufriedenheit unter ihnen bemerkbar machen.
Geheimer Ober⸗Regierungs-Rath Dr. Althoff weist darauf hin, daß die Zahl der etatsmäßigen Stellen in der letzteren Zeit um 30 5½ vermehrt worden sei. Bezüglich des Neubaues der Königlichen Bibliothek bemerkt er, daß auf dem Bauplatz nicht bloß die Bibliothek, sondern auch Räume für die Kunstausstellung und für die Akademie der Wissenschaften Platz finden sollen. Alles könne, wenn eine gewisse Beschränkung stattfinde, nebeneinander dort bestehen. Die Bauskizze sei fertig gestellt, die Pläne würden auf— gestellt werden, und dann könne der Bau beginnen, wenn das Geld bewilligt sei. ( ö ; Bei den Ausgaben für das meteorologische Institut
ittet
Abg. Horn (ul.) um eine Mehrbewilligung für eine meteorologische Station auf dem Brocken.
Geheimer Ober⸗Regierungs⸗Rath Dr. Althoff erklärt, daß dafür schon gesorgt sei. . . .
Bei den Ausgaben für die biologische Station auf Helgoland empfiehlt
Abg. von Benda für Helgoland etwas Weiteres zu thun. Es sei schöon manches geschehen und die Stimmung der Bevölkerung sei auch schon eine bessere geworden.
Im übrigen werden die Ausgaben für Kunst und Wissen schaft ohne erhebliche Debatte bewilligt, ebenso das Kapitel: Technisches Unterrichtswesen.
Beim Kapitel 124. „Cultus und Unterricht ge— meinsam“ sind im Titel 1 zum Neubau und zur Unterhaltung der Kirchen, Pfarr-, Küsterei⸗ und Schulgebäude 2 Millionen Mark ausgeworfen.
Hierzu liegt folgender Antrag des Abg. Dr. Freiherr von Heereman vor:
„Die Staatsregierung zu ersuchen, Erwägungen darüber an⸗ zustellen, welche Bestimmungen des Gesetzes vom 20. Juni 1875 über die Vermögens verwaltung in katholischen Kirchengemeinden erhebliche praktische Schwierigkeiten und Unzuträglichkeiten herbei⸗ geführt haben, und eventuell eine entsprechende Vorlage zur Ab⸗— e, . jenes Gesetzes in der nächsten Session dem Landtag vor— zulegen.“
Abg. Dr. Freiherr von Heereman (Centr) führt aus, daß die Kirchengemeindevertretungen überall als großes Hinderniß der Vermögensverwaltung empfunden würden. Eine große Anzahk von Personen werde bei zum theil ganz unbedeutenden Dingen beschäftigt und dann stünden über der Gemeindevertretung die Aussichtsinstanzen, sowohl die kirchlichen als die staatlichen.
Ministerial⸗Direetor Dr. Bartsch: Wenn ein Mann von der Bedeutung des Vorredner die Abschaffung eines Gesetzes verlangt, so verdient das volle Würdigung. Aber die Staatsregierung hat mit dem Gesetz keine schlechte . gemacht. Dieses Junigesetz ist
. doch kein Maigesetz, d. h. es ist doch fein Kampfgesetz, kein Abwehrgesetz, ,,. ein organisches Gesetz, das den Zweck hat, die Vermögensperwaltung in den katholischen Gemeinden ein⸗ heitlich zu regeln. Die Bischöfe haben die Gemeinden in der loyalsten Weise aufgefordert, kei der Ausführung dieses , mitzuwirken. Die Gemeindevertretung ist keine Erfindung des Gesetzes, sie besteht auf Grund früherer Vorschriften. Das Gesetz giebt ein Expediens, um die Gemeindevertretung in Fortfall zu bringen; wenn das kirchlich Vermögen zu klein ist, wenn die Entfernungen in der Gemeinde zu groß sind, dann kann die Vertretung wegfallen; sie kann ferner in ihrer Mitgliederzahl herabgesetzt werden. Von diesen Möglichkeiten ist mehrfach Gebrauch gemacht worden. Das allgemeine Landrecht ing viel weiter; es verlangte eigentlich eine Staatsverwaltung.
ieser Standpunkt ist aber 1875 aufgegeben zu Gunsten einer be⸗ schränkten Staatsaufsicht. . ; . . Abg. Graf zu Limburg⸗Stirum (cons): Diese Resolution hat eigentlich mit dem Etat nichts zu thun, denn sie betrifft nicht den Neubau von Kirchen u. s. w. Es wäre also wohl besser gewesen, wenn der Abg. von Heereman einen selbständigen Antrag ein⸗ gebracht hätte. Ich bin Patron von zwei katholischen Kirchen und einer evangelischen Kirche, und ich komme nach meinen yraktischen Erfahrungen zu demselben Ergebniß wie der Abg. von ee, Die Gemeindevertretungen sind eigentlich überflüssig, der Gemeinde Kirchenrath reicht vollständig aus. Bedenkliche Beschlüsse des Gemeinde⸗Kirchenraths können auch wohl ohne die Gemeinde⸗ vertretung zurechtgestellt werden. Es wird mir aber von mancher Seite gesagt, sogar von katholischen Geist⸗ lichen, daß die Gemeindevertretung beibehalten werden sollte. Ich kann mich heute noch nicht schlüssig machen. Ich will daher für die Resolution heute nur in dem Sinne stimmen, daß erwogen werden möge, ob aus praktischen Gründen nicht eine Aenderung eintreten könne.
Bei Schluß des Blattes nimmt der Minister der geist⸗ lichen 2c. Angelegenheiten Dr. Bosse das Wort.
— Abg. r. von Bennigsen hat am Schlusse der heutigen Sitzung der Militärcommission des Reichstags folgenden Antrag eingebracht: 1) In 8 2 der Militärvorlage zu sagen: Vom 1. Ok— tober 1893 ab wird die Infanterie in 538 Bataillone und 173 un⸗ vollständige (Ersatz) Bataillone formirt. (In der Vorlage heißt es in 711 Bataillone, 2) Dem F 2 folgenden zweiten Absatz anzufügen: „Die 173 unvollständigen (Ersatz Bataillone werden nur solange formirt, als der active Dienst bei der Fahne für die Mannschaften der Fußtruppen auf zwei Jahre festgesetzt ist.“
— In der Reichstagscommission zur Berathung der „lex Heinze“ wurde heute nach langer Debatte der zum Sträfgesetzbuch neu beantragte 5 16a in folgender Form angenommen: „Bei der Verurtheilung zu Zuchthaus⸗ oder Gefängnißstrafe kann, wenn die That von besonderer Roh heit, Bosheit oder Ehrlosigkeit des Thäters zeugt, auf Verschärfung der Strafe erkannt werden. Die Verschärfung der Strafe besteht darin, daß der Verurtheilte auf die ganze Dauer der Strafhaft oder einen Theil derselben eine harte Lagerstätte oder als Nahrung Wasser und Brod erhält. Die Verschärfungen können einzeln oder vereinigt angeordnet werden und kommen zweimal in der Woche zur Anwendung. Auch kann auf eine mildere Vollstreckungsweise erkannt werden. — Die Strafverschärfungen sind auszusetzen, wenn und solange der körperliche Zustand des Verurtheilten den Vollzug nicht zuläßt. Dieselben können auf Antrag der Strafvollstreckungsbehörde wegen guter Führung oder fleißigen Arbeitens des Verurtheilten durch Beschluß des Gerichts zeitweise oder gänzlich gemildert oder aufgehoben werden. Der neu vorge⸗ schlagene 362 (Beschäftigung der Gefangenen ꝛc.) passirte in der Fassung der Regierungsvorlage. Schließlich wurde auch § 1802. (Ueberweisung der Zuhälter an die Landespolizeibehörde) angenommen.
— In der Reichstags eommission zur Berathung des Ge⸗ setzes gegen den Verrath militärischer Geheimnisse wurde heute 5 4 der Vorlage, welcher Gefängniß von einem Monat bis zu drei Jahren oder Festungshaft von gleicher Dauer dem androht, der ohne landesverrätherische Absicht sich rechtswidrig den Besitz oder die Kenntniß militärischer Geheimnisse verschafft, mit der Abänderung angenommen, daß auch der VorsFatz vor—⸗ handen sein muß. Außerdem wurden auch hier mildernde Um stände zugelassen, aber auch der Versuch bereits für strafbar er⸗ klärt. Die s§ 5, 5 und 7 erlitten nur redactionelle Abänderungen. 8 8, der auch, abgesehen von den Fällen des Verraths militärischer Geheimnisse, für Bekanntgebung von Verhältnissen der deutschen Kriegsmacht u. s. w, eine Gefängnißstrafe bis zu 3 Jahren androht, wurde einstimmig abgelehnt. Die §§ 9 und 10 blieben unverändert. Die Berathungen werden morgen fortgesetzt.
Der Fürst von Hatzfeldt-Trachenberg hat im Herren—= hause nachstehenden Antrag eingebracht: Das Herrenhaus wolle beschließen: Die Königliche, Staatsregierung zu ersuchen:
künftig in dem Etat der landwirthschaftlichen Verwaltung
I) Kap. 106 Tit. 12. — Zur Förderung genossenschaftlicher und communaler Flußregulirungen — anstatt 506 000 M zu setzen 3 000 000 M
2) Kap. 197 Tit. J. — Dispositionsfonds zur Unterstũtzung der landwirthschaftlichen Vereine und zur Förderung der Landealtur im allgemeinen ꝛc. — anstatt 310 000 S zu setzen 500 000 6
Kunft und Wissenschaft.
— Der Verein für deutsches Kunst gewerbe veranstaltete am Mittwoch Abend im großen Saale des Architeftenhauses einen Fachabend für Buchdruck, zu dem die Wände des Saales mit hervor- ragenden Erzeugnissen hiesiger und auswärtiger Druckereien besetz waren, unter denen außer den Arbeiten der Reichsdruckerei und der , Büxenstein, Grunert, von Holten, Mosse, Sittenfeld u. a. esonders die glänzende Ausstellung Münchener Drucke von Lr. M. Huttler (Konrad Fischer und Knorr u. Hirth Beachtung fanden. Herr Professor EG. Doepler d. J. betonte bei der Besprechung der Ausstellung, wie die älteren Drucker mit ihren Mitteln vielfach reinere künstlerische Wirkungen erzielt hätten, und warnte vor der übertriebenen Willkür und k. der Anordnung, wie sie heute nach amerikanischem Vorbild beliebt sei— bei den Ornamenten sei besonders ihr Verhältniß zur Schrift und ein nicht zu kleiner Maßstab zu verlangen. Herr B. Grunert befprach die ausgestellten Arbeiten der Monatconcurrenz, die einen Buchtitel in . betrafen. Herr Hermann Hoffmann erläuterte de Techni des tvpographischen Buntdrucks und die lehrreichen bezũglichen Ausstellungen von R. ong, H. S. Hermann und Max Krause. — . Der Zusammentritt der 42. Versammlung den rtcher hilologen und Schul männer ist, wie dem W. T Sn * ien berichtet wird, nunmehr auf Pfingsten festgesetzt.
Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absyerrungẽ⸗ Maßregeln.
. Bulgarien.
n Bulgarien ist das Verbot der Einfuhr der Unter Ziffer 18 der Quagrantäne⸗Vorschrist vom 19. November 18902 ante eren Gegenstände (vergl. . R. A.“ Nr. 282 vom 28. 11.93 X. Fanfte aus Ungarn, Rußland, der asiatischen Türkei, Dambarg ad eren. von neuem in Kraft gesetzt worden. ;
Verdingungen im Auslande.
. Großbritannien.
27. Februar, Mittags. TL. W. Wood, Seeregär der Bora der Baroda and Central India Railwar Gompeanx Mus der y Cireus 45, London E. C.: Lieferung vom !