1893 / 49 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 25 Feb 1893 18:00:01 GMT) scan diff

das nen ght zu fallen

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fällig dar, da es sich früher 39. um vereinzelte Erscheinungen gehandelt

abe. Auch dieser Redner führt Klage über die Harten, welche bei der Wiedereinziehung von Renten vorkommen. an sollte den armen Leuten, welche durch ihre Verunglückung schwer . bestraft sind, auch nicht noch die Rente wieder abnehmen. Die Auslegung, daß sie unter das Gesetz nicht fallen, weil sie sich die Rohstoffe selber beschaffen, führt in ihrer Consequenz zur größten Ungerechtigkeit. Nach der ö, ö gerade diese Arbeiter auch unter aben.

Königlich bayerischer Bevollmächtigter zum Bundesrath, Ober— Regierungs⸗Rath Landmann: Ueber die letztere Frage sind ein⸗ gehende Erwägungen angestellt worden, man hat die Ausdehnung auf die Hausindustrie bereits erörtert. Zu welchen Entschließungen die verbündeten Regierungen kommen werden, weiß ich nicht. Die Berufung guf die Gewerbeordnung entscheidet die Frage nicht.

Abg. Wisser (b. E. F bittet nochmals um die Ausdehnung der Alters. und Invaliditäts-Versicherungspflicht auf die kleinen landwirthschaftlichen Betrießt. .

Abg. Roesicke (b. k. F) hält den Ausdruck des Staatsseeretärs, daß die Berufsgenossenschaften von ihrem Rechte der Anfechtung einer Rentenbemessung recht ausgiebig Gebrauch gemacht hätten, sofern darin ein Vorwurf für die Berufsgenossenschaften liegen solle, für nicht ganz berechtigt.

Staatssecretär Dr. von Boetticher:

Ich will mich in die Sache nicht vertiefen; dazu wird später Gelegenheit sein. Ich möchte den Herrn Vorredner nur auf einen Punkt aufmerksam machen. Es ist doch etwas Anderes, ob ein Genossenschaftsvorstand zunächst über einen ihm gegenüber erhobenen Anspruch auf Gewährung einer Rente befindet, oder ob man es mit einem bereits rechtskräftig festgestellten Anspruch zu thun hat, der bloß dadurch, daß die Berufsgenossenschaft veränderte Verhältnisse als vorliegend annimmt, aus der Welt geschafft werden soll. Es läßt sich nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen wohl der Gedanke rechtfertigen, daß, weil man es in dem zweiten Falle mit einem bereits rechtskräftig festgestellten Anspruch zu thun hat, dieser rechtskräftig festgestellte Anspruch nur im Wege des Prozesses und nicht durch einseitige Ver— waltungsmaßregeln sollte beseitigt werden können.

Der Herr Abgeordnete Wisser hat während meiner Abwesenheit die Frage der Versicherung der kleinen landwirthschaftlichen Betriebs⸗ unternehmer zur Sprache gebracht. Ich glaube kaum, daß in dieser Beziehung noch irgend etwas zu thun sein wird; denn es ist bereits im § 1 des landwirthschaftlichen Unfallversicherungẽgesetzes der Landes⸗ gesetzgebung überlassen, zu bestimmen, in welchem Umfange und unter welchen Voraussetzungen Unternehmer der unter Absatz 1 fallenden Be⸗ triebe also die Unternehmer land⸗ und forstwirthschaftlicher Betriebe versichert sein sollen. Es kann also das Be⸗ dürfniß, welches auf diesem Gebiete besteht, im Wege der Landesgesetzgebung befriedigt werden, ohne daß das Reich nöthig hat, mit seiner Gesetzgebung vorzugehen. Außerdem ist aber auch in § 2 ausdrücklich vorgeschrieben, daß Unternehmer der in § 1 bezeichneten Betriebe, also diese kleinen landwirthschaftlichen Unternehmer berechtigt seien, sich selbst zu versichern, sofern ihr Jahresarbeits—⸗ verdienst nicht mehr als 2000 beträgt. Endlich kann jede land⸗ wirthschaftliche Berufsgenossenschaft durch ihr Statut die obligatorische Versicherung solcher Unternehmer einführen. Danach ist also für diese Personen, soweit ein Bedürfniß, sie gegen Unfälle zu versichern, be— steht, in ausreichendem Maße die Möglichkeit eröffnet, dieses Bedürfniß zu befriedigen.

Damit schließt die Debatte. Das Kapitel wird genehmigt, Beim Kapitel „Physikalisch-technische Reichsanstalt“ bemerkt .

Abg. Dr. Witte (fr.): Am 30. Oktober v. J, ist der Leiter der zweiten Abtheilung der Anstalt, Dr. Löwenherz, gestorben. Ich hoffe, daß es der Reichsverwaltung gelingen möge, eine wenn auch nur einigermaßen diesen so tüchtigen Mann ersetzende Persönlichkeit für die Anstalt zu gewinnen.. ö.

Das Kapitel wird bewilligt. Es folgt das Extra⸗

ordinarium. . ͤ Bei, der Forderung von 690 009 6 zur Erwerbung eines

Grundstücks für ein Dienstgebäude für das Kaiserliche Gesundheitsamt in der Klopstockstraße zu Berlin und zu den Vorarbeiten für den Bau bemerkt auf eine Anfrage des Abg. Lucius (Rp.)

Staatssecretär Dr. von Boetticher:

Ich bin durchaus kein Freund von unnöthigen Ausgaben bei öffentlichen Bauten, und ich bin auch bemüht gewesen, innerhalb meines Ressorts, in dem ja verhältnißmäßig sehr viel weniger gebaut wird als bei anderen Ressorts, die Anforderungen der Herren Tech⸗ niker auf ein möglichst niedriges Niveau zurückzuschrauben. Wenn der Herr Vorredner aber in seiner Ausführung darüber geklagt hat, daß die Ausgaben in meinem Ressort noch zu hoch seien, einmal in Bezug auf die Auswahl der Bauplätze, zweitens in Bezug auf die Aus⸗— stattung der Gebäude, so möchte ich mir doch erlauben, ihm zu wider⸗ sprechen.

Meine Herren, es giebt gewisse öffentliche Institute, die man nicht, wie es der Herr Vorredner wünschte, in die Peripherie verlegen kann. Ich bin ganz damit einverstanden, Behörden, die mit dem Publikum nichts zu thun haben, die nicht nöthig haben, mit anderen Stellen und Instituten in Verbindung zu treten, an einen möglichst billigen Ort in der Peripherie der Residenz zu verlegen. Beim Patentamt, Reichs⸗Versicherungsamt und Gesundheitsamt ist dies aber nicht möglich. Das Patentamt und das Versicherungsamt haben einen ganz außerordentlich lebhaften Verkehr mit dem Publikum, und ich glaube, es würde von dem interessirten Publikum sehr unangenehm empfunden worden sein, wenn man mit diesen Anstalten in die Peripherie der Stadt hätte gehen wollen. Wo es aber möglich gewesen ist, die Dienstgebäude hinaus zu ver— legen, hat man das innerhalb der meisten Ressorts auch gethan. Ich erinnere nur an die Physikalisch⸗technische Reichsanstalt, die wir nach Charlottenburg verlegt haben. Was nun die Abhängigkeit der Verwaltung von einem Ringe von Grundstücksspeculanten anlangt, so fühle ich mich von einem in Bezug auf die Verwerthung von Grund stücken innerhalb Berlins etwa bestehenden Ring vollständig frei. Meine Herren, es sind uns bei Bauten für öffentliche Zwecke eine so große Anzahl Baustellen angeboten worden, daß ich nicht annehmen kann, daß die Besitzer aller dieser Grundstücke einem Ringe angehören, und daß man auf die Verwaltung habe drücken oder gar sie dazu habe nöthigen wollen, ein bestimmtes Grundstück zu erwerben. Die Preise, die uns abgefordert wurden, sind auch außerordentlich verschieden gewesen, und zwar nicht bloß nach Maßgabe der Lage der Grundstüäcke, sondern auch bei Grundstücken, die in derselben Gegend gelegen sind. Ich kann hiernach nicht annehmen, daß wir uns einem geschlossenen Ringe gegenüber be—⸗ funden haben. Das Grundstück in der Klopstockstraße, das hier in

Frage kommt, ist eigentlich den Bedürfnissen des Gesundheitsamts um deswillen nicht gerade sehr entsprechend, weil es schon etwas weit von dem Felde seiner Beziehungen abliegt. Das Gesundheitsamt muß mit den wissenschaftlichen Instituten der Universität in Ver⸗ bindung stehen; und je näher deshalb der Platz, auf dem wir es etabliren, zu den Instituten der Universität ist, um so be— quemer werden sich die Beziehungen zwischen ihm und der Universität aufrecht erhalten lassen. Ich möchte also bitten, daß Sie aus diesem Grunde keinen Anstand nehmen, uns die Genehmigung dazu zu er⸗ theilen, daß wir auf dem vorgeschlagenen Platze bauen.

Was nun die Fagade anlangt, über die der Herr Vorredner ge⸗ sprochen hat, so bin auch ich für eine möglichst einfache äußere Ge— staltung öffentlicher Gebäude. Allein, meine Herren, man muß doch auch nicht nach einer Schablone verfahren, sondern muß sich auch den Ort ansehen, auf welchem ein öffentliches Gebäude errichtet wird, den Zweck, welchem es dient, und seine Erscheinung gegenüber den um⸗— liegenden Gebäuden. Wenn man in der Luisenstraße ein Gebäude, wie das Patentamt, errichtet, welches einem hervorragenden Zweige der Reichsverwaltung dient und von zahlreichen Interessenten aus dem Publikum besucht wird, so liegt nicht allein der Wunsch, sondern, ich möchte sogar sagen das Bedürfniß nahe, ein solches Gebäude etwas reicher auszustatten. Wo diese Rücksicht nicht maßgebend gewesen ist, wie bei der Physikalisch⸗technischen Reichs⸗ anstalt, sind wir sehr einfach verfahren. Die Physikalisch⸗technische Reichsanstalt ist in Backsteinbau hergestellt, und ich werde es jeden— falls zur ernstlichen Erwägung des Architekten, der die Pläne für das neue Gesundheitsamt aufzustellen hat, stellen, daß auch das neue Ge— sundheitsamt in Backsteinbau hergestellt und unter allen Umständen mit einer einfachen Fagade versehen wird.

Sie können aus meinen Ausführungen entnehmen, daß ich, wie ich eingangs sagte, kein Freund von überflüssigen Baukosten bin, daß ich es vielmehr den Reichsinteressen entsprechend erachte, wenn wir bei den Bauten möglichst sparen.

Die Forderung wird bewilligt.

Bei der Position von 100000 S6 für die Ausstattung des neuen Reichstagsgebäudes mit Möbeln, Beleuch⸗ tungsgegenständen, Teppichen u. s. w. bemängelt

Abg. Zimmermann (b. k. F.), daß das Blattgold für die Kuppel nicht aus Deutschland, sondern aus Brüssel bezogen sei. Die deutsche Industrie, namentlich die Dresdener, hätte den Anforderungen durchaus entsprechen können und man hätte dann wirklich einen Schutz der nationalen Arbeit gehabt.

Staatssecretär Dr. von Boetticher:

Ich bin kaum in der Lage, in diese unliebsame Angelegenheit Licht zu bringen; denn ich fühle mich vollständig unschuldig in Bezug auf die Vergebung der Vergoldung der Kuppel des neuen Reichstags— gebäudes. Die Arbeit ist vergeben worden an einen deutschen Indu⸗ striellen. (Hört! hört! rechts) Woher dieser das Material bezogen hat, bin ich außer stande zu sagen. Dafür die Reichstagsbauverwal⸗ tung verantwortlich zu machen, ist, glaube ich, ein Beginnen, welches schwerlich von Erfolg begleitet sein wird. Ich wünsche ja natürlich, daß das Material für unsere Bauten möglichst aus Deutschland bezogen werde. Es ist aber für die Verwaltung unmöglich, darüber zu wachen, ob im einzelnen Falle ein Unternehmer das Material, das er zur Ausführung der von ihm übernommenen Arbeit benutzt, aus dem Auslande bezogen hat. Uebrigens kann ich den Herrn Vorredner darüber beruhigen, daß eine Befürchtung, das zur Vergoldung der Kuppel verwendete Blattgold könnte nicht dauer— haft sein, ausgeschlossen ist. Denn es ist hier jedes Packet Blattgold von der Reichstagsbauverwaltung auf seine Brauchbarkeit und Güte chemisch geprüft worden, und es hat sich dabei nicht der leiseste Anstand ergeben. Wenn der Herr Vorredner den Vorschlag machen wollte, die Verwaltung solle in jedem einzelnen Falle den Unternehmer dahin controliren, daß er nur bestimmte Bezugstätten für die von ihm ver⸗ wendeten Materialien benutze, so ist das ein Verlangen, welchem die Bauverwaltung kaum wird entsprechen können.

Abg. Zimmermann (b. k. F.): Dann muß ich bedauern, daß ein deutscher Unternehmer mit solchen Arbeiten beauftragt ist, der das Material aus dem Auslande bezieht.

Staatssecretär Dr. von Boetticher:

Ich habe keineswegs zugegeben, daß das verwendete Gold aus dem Auslande bezogen ist. Ich weiß es nicht; ich weiß also auch nicht, ob dieser Vorwurf, den der Herr Vorredner gegen den Unternehmer der Arbeit ausgesprochen hat, begründet ist oder nicht.

Der Titel wird bewilligt.

Zur Ausschmückung des neuen Reichstagsgebäudes mit Bildwerken und Malereien werden 340 000 M verlangt.

Abg. Dr. Freiherr von Stauffenberg (dfr.) fragt, ob alle Arbeiten bereits vergeben sind und wie weit der Reichstag dabei noch mitzusprechen habe.

Staatssecretär Dr. von Boetticher:

Der Herr Vorredner hat zuerst den Wunsch nach einer ein— gehenderen Darlegung derjenigen Ausstattungsobjecte ausgesprochen, mit denen das neue Reichstagsgebäude versehen werden soll. Ich werde dafür Sorge tragen, daß eine solche eingehendere Darstellung demnächst gegeben wird.

Was dann seine Wünsche in Bezug auf das Tempo bei Aus— schmückung des Reichstagsgebäudes anlangt, so stehe ich ganz auf seinem Standpunkt, und die Parlamentsbaucommission auch. Wir haben in der Hauptsache die Objecte für die Ausstattung der Zukunft überlassen und werden jetzt nur so viel herstellen, wie nothwendig ist, um dem Gebäude eine würdige Ausstattung zu geben. Denjenigen Plänen, die von dem leitenden Architekten bereits aufgestellt sind, und die man sonst noch etwa für die weitere Verwendung von Kunst⸗— objecten in diesem Gebäude aufstellen kann, wird hierdurch nicht prä⸗ judicirt. Der Reichstag wird künftig in der Lage sein, nach Maßgabe der Mittel, die für diesen Zweck etwa zur Disposition gestellt werden können, über die weitere Ausstattung des Gebäudes zu beschließen.

Für die Vergebung der Kunstarbeiten ist der Gesichtspunkt bei uns leitend gewesen, möglichst die gesammte deutsche Kunst zur Be— theiligung heranzuziehen. Natürlich ist es unmöglich, daß alle Künstler mit Aufgaben betraut werden; aber wir sind keineswegs mit einer territorialen Beschränkung verfahren, sondern haben uns die besten Kräfte ausgesucht und werden das auch ferner thun.

Für den Nord⸗Ostsee⸗Kanal sind im Etat als siebente Rate 32 Millionen Mark ausgeworfen.

Abg. Dr. Lingens (Cent,) ist erfreut, daß dieses hochbedeutende Werk in drei Jahren vollendet sein wird. eniger erfreulich sei, daß nach der Meinung der Bauverwaltung die veranschlagte Bau, summe nicht ausreichen werde. Dann geht Redner ausführlich auf

34 Seelsorgeverhältnisse der bei dem Kanalbau beschäftigten Ar⸗ eiter ein.

Abg. Dr. Casselmann (nul) bedauert, daß, entgegen der seiner⸗ zeitigen Versicherung des Staatssecretärs Dr. von Boetticher, die heimische Industrie, namentlich die Steinbrüche des Fichtelgebirges bei dem Bau der Schleusen und anderer für den Kanal erforderlichen Anlagen nicht berücksichtigt worden, vielmehr bedeutende Aufträge dem Aus⸗ lande, speciell skandinavischen Werken zu theil geworden sind. Die deutsche Industrie empfinde solche 3 in einer Zeit wie die heutige doppelt schwer und hoffe, daß wenigstens nachträglich dieses Unrecht ausgeglichen wird.

Staatssecretär Dr. von Boetticher:

Ich bin mit dem Herrn Vorredner darin einverstanden, daß bei den größeren Bauten des Reichs in erster Reihe die deutsche In— dustrie und die deutsche Arbeit zu berücksichtigen sind. Allein, meine Herren, es giebt auch Ausnahmen von dieser Regel, und ein solcher Ausnahmefall liegt hier vor. Ich übergehe die Ausführungen des Herrn Vorredners, welche sich auf den Qualitätsunterschied zwischen schwedischem Granit und dem Granit des Fichtelgebirges beziehen. Dieser Qualitätsunterschied war nicht die Veranlassung, daß man einen Theil des Steinbedarfs für die Bauten des Nord-⸗Ostsee⸗Kanals aus. Schweden bezogen hat; was dazu Anlaß gegeben hat, ist die Preis— differenz, welche sich zwischen dem Bezug des schwedischen und des deutschen Granits für gewisse Strecken des Kanals herausstellte. Der schwedische Granit ist von uns nur deshalb zugelassen worden wir selber haben ihn nicht bezogen, sondern die Unternehmer der betreffenden Bauten —, weil uns der Nachweis geliefert wurde, daß die Preis—⸗ forderung, die uns gegenüber von den Unternehmern für die Stein— lieferung gestellt worden ist, sich um ein recht Erhebliches höher stellen würde, wenn nicht für die Bauten in Holtenau und Rendsburg die Verwendung von schwedischem Stein zugelassen würde. Es liegt das in der Natur der Sache; wir haben bei dem westlichen Theil des Nord⸗Ostsee⸗Kanals ausschließlich deutsches Material verwendet; die Verwendung des deutschen Materials stellt sich dort billiger, weil ausschließlich Wassertransport in Betracht kommt. Anders liegt die Sache rücksichtlich der Bauten bei Holtenau und Rendsburg. Dorthin ist der Wassertransport nicht durchweg möglich. Es muß hier die Eisen⸗ bahn zu Hilfe genommen werden. Das hat ja auch der Herr Vorredner sehr richtig dargestellt; und unter Berücksichtigung der Eisenbahn⸗ tarife stellt sich die Differenz pro Kubikmeter auf etwa 20 S. Bei den betreffenden Lieferungen berechnet sich nach einer mir vorliegenden Calculation der Preisunterschied zwischen schwedischem und deutschem Granit auf zusammen 100 000 M So sehr ich auch als Staats⸗ secretär des Innern, der für die gewerblichen Interessen Deutschlands zu sorgen mit berufen ist, geneigt bin, den Bezug deutschen Materials zu fördern und zu unterstützen, so sehr bin ich doch in anderer Beziehung und namentlich im vorliegenden Fall, in welchem ich als bauleitender Beamter zu handeln habe, genöthigt, die Rücksichten der Sparsamkeit nicht außer Acht zu lassen. (Sehr richtig! links.) Ich halte es für eine dringende Aufgabe, innerhalb des mir überwiesenen Fonds zu ver— bleiben, Ueberschreitungen zu vermeiden und den Nord-Ostsee⸗Kanal gut, solide und leistungsfähig mit den Mitteln herzustellen, die für diese Zwecke ausgeworfen sind. Ich würde, namentlich mit Rücksicht auf die erweiterten Baubedürfnisse, die im Laufe der Bauzeit sich herausgestellt haben, nicht die Sicherheit haben, daß die Mittel ausreichen, wenn ich eine so—lche Preisdifferenz von 100 000 M unberücksichtigt lassen wollte. Im Gegentheil, ich halte mich dem Reich gegenüber verpflichtet, wenn nicht sachliche Gründe dagegen sprechen, die Ersparnisse zu machen und nicht Geld auszugeben in einem Falle, wo es sich, gegenüber der gewerblichen Thätigkeit einer so ausgedehnten Industrie, wie der Stein-Industrie, doch immerhin nur um ein Minimum handelt. In der Petition sind nämlich auch einige Ueber— treibungen enthalten, wie mir jedermann zugeben wird, auch der Herr Abg. Casselmann. Wenn davon die Rede ist, daß die Arbeiter brot⸗ los würden, wenn die Werke die Steinlieferung für den Nord-⸗Ostsee⸗ Kanal nicht bekommen, so ist das nichts weiter als eine Uebertreibung. Die Sache ist rationell behandelt, und es ist pro praeterito nichts daran zu ändern. Für die Zukunft handelt es sich allein noch um den Bau der Levensauer Brücke, bei der ein Quantum von etwa 1200 ebm ju verwenden ist, und da würde die Differenz zwischen dem Bezuge des schwedischen Granits und des deutschen Granits freilich nicht allzusehr ins Gewicht fallen. Ich werde prüfen lassen, ob es möglich sein wird, den deutschen Interessenten entgegenzukommen. Versprechen kann ich es aber nicht, weil ich, wie gesagt, mich in erster Linie für verpflichtet halte, sparsam zu bauen. (Sehr gut! links.)

Abg. Molkenbuhr (Soc.) bringt die Klagen der Schiffer über den unfreiwilligen Aufenthalt zur Sprache, den ihnen die Sperrung der offt durch die Holtenauer Schleuse verursacht. Diese Leute, die ohnehin in sehr gedrückter Lage seien und sehr unter der Coneurrenz der Dampfer zu leiden haben, würden durch die Vollendung des Kanals in ihren Einnahmen aus dem Verkehr zwischen Nord- und Ostsee noch einen weiteren Ausfall erfahren, und es wäre wohl zu erwägen, was von Reichs wegen zu thun wäre, um die Leute für diesen Verlust zu entschädigen.

Staatssecretär Dr. von Boetticher:

Ich beklage die Störungen, die durch den Bau des Nord⸗Ostsee⸗ Kanals eingetreten sind für die Schiffer, von denen der Herr Vor— redner gesprochen hat, auf das lebhafteste; ich bin aber außer stande, diese Störungen zu vermeiden und die Folgen derselben hintan⸗ zuhalten. Solche Störungen sind mit jedem Bau eines Kanals untrennbar verbunden. Ich bemerke übrigens, daß die Klagen darüber, daß an der Holtenauer Schleuse oft tagelang gewartet werden muß, bis ein Durchschleusen möglich ist, wahrscheinlich auch mit unserem Bau zusammenhängen, obwohl die Schleuse nicht in unserer Verwaltung, sondern in der preußischen steht. Die Sache wird voraussichtlich so liegen, daß infolge unserer Bauten die Schleuse nicht zu jeder Zeit in Betrieb gesetzt werden kann. .

Nun, meine Herren, ist die Verwaltung in Bezug auf die Sperren, welche der Schiffahrt dort auferlegt werden müssen, außer⸗ ordentlich vorsichtig gewesen. Man hat dazu die Wintermonate ge⸗ wählt, hat am 1. Dezember vergangenen Jahres die Sperre eintreten lassen und hat die Arbeiten, die diese Sperre bedingt haben, so be— schleunigt, daß die Erwartung gehegt werden darf, daß im Laufe des Monats Mai der 1. Mai ist vielleicht zu früh gegriffen die Möglichkeit zum freien Betrieb der Schiffahrt wiederhergestellt sein wird. ;

Eine Entschädigung für die Entziehung des Gebrauchs einer solchen Wasserstraße den betreffenden Interessenten zu gewähren, dazu fehlen die Mittel. (Zuruf) Ja, wollen Sie sie mir geben, . . dere ist ich bin gern bereit, sie anzunehmen. (Heiterkeit Insbeson

der Titel, auf welchen der Herr Vorredner hingewiesen hat, hierzu nicht bestimmt. Der Titel lautet nämlich: für Arbeiten zur Unter⸗ haltung des Betriebs auf dem Eiderkanal und für unvorhergesehene Ausgaben aller Art. Daß damit keine Ausgaben gemeint sind für den Eiderkanal, darüber wird kein Zweifel sein können; und daß die beanspruchten Entschädigungen nicht unter die unvorher⸗ gesehenen Ausgaben fallen, welche dem Bauzweck dienen, darüber wird ebensowenig Zweifel erhoben werden können.

Also die Bauperwaltung ist außer stande, aus den ihr zur Dis position gestellten Mitteln solche Entschädigungen zu zahlen. Es ist auch, wie ich glaube, etwas ungewöhnlich, daß man für die Hemmung des Verkehrs auf einer öffentlichen Straße denjenigen Personen, die in diesem Verkehr gehemmt sind, Entschädigungen zahlt. Ich erinnere zum Beispiel daran: daß es, wenn eine Brücke abgebrochen wird oder ein— gestürzte Dämme reparirt werden, bisher niemandem eingefallen, den Passanten der Brücke oder der Dämme, weil sie Umwege machen müssen, Entschädigungen zu gewähren. Im übrigen bemerke ich, daß der Weg von der Elbe nach der Ostsee den Leuten keineswegs verschränkt ist; sie können durch den Lymfjord fahren. Aber ich gebe zu, daß das mit Unbequemlichkeiten und Zeitverlust verbunden ist. Ich bedauere daher, daß ich den Wünschen des Herrn Vorredners keine weitere Folge geben kann, daß ich vielmehr abwarten muß, bis mir von irgend einer Seite die Mittel zur Verfügung gestellt werden, und da scheint ja der Herr Abg. Stadthagen Rath zu wissen. (Heiterkeit.)

An der weiteren Debatte betheiligen sich noch die Abgg. Dr. Seelig, Molkenbuhr und Thomsen. 6

Staatssecretär Dr. von Boetticher:

Ja, ich bin außer stande, mich über die Aussicht auf Erfüllung zu äußern, welche der Wunsch des Herrn Vorredners hat, da mir die Fälle, auf welche sich dieser Wunsch bezieht, ihrer Lage nach nicht bekannt sind. Wir haben uns bemüht, von Anfang an möglichst coulant alle die Ansprüche, die an uns herangetreten sind, zu behandeln. Aber natürlich können wir nicht um die Gesetze des Landes und um unsere Pflicht herum— kommen, so vortheilhaft wie möglich für das Reich zu bauen. Ich bin mir nicht bewußt, daß irgendwelche Ansprüche, die unserer Rechts⸗ anschauung nach einigermaßen begründet waren, von uns nicht be⸗ friedigt worden wären. Das sogenannte Naturrecht, was der Herr Vorredner angezogen hat, ist ein sehr schwankendes, auf subjective Grund⸗ lage gestelltes Recht, das die Verwaltung nicht zur Richtschnur nehmen kann; sie muß sich vielmehr da an die geschriebenen Gesetze des Landes halten.

Ich bin aber sehr gern bereit, noch einmal zu prüfen, wenn einzelne Fälle vorliegen, in denen es den Anschein hat, als ob zu Un— recht eine Entschädigung versagt worden wäre ich bin, wie gesagt, gern bereit, diese Fälle noch einmal einer Prüfung zu unterziehen und sie wohlwollend zu entscheiden.

Der Titel wird bewilligt.

Damit ist das Extrgordinarium sowie überhaupt die Be— rathung des Etats des Reichsamts des Innern nach achtzehn Sitzungen, wie der Präsident besonders bemerkt, erledigt.

Schluß nach 5 Uhr.

Preuszischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 39. Sitzung vom 24. Februar.

Fortsetzung der zweiten Berathung des Staats— haushalts⸗-Etats R' 1895/94, im Etat des Ministe⸗ riums der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten.

Ueber den Beginn der Sitzung ist bereits in der Nummer vom Freitag berichtet worden. Bei der weiteren Berathung des Antrags des Abg. Dr, Freiherrn von Heereman auf Ab— änderung des Gesetzes über die Vermögensverwaltung in katholischen Kirchengemeinden nimmt nach dem Abg. Grafen zu Limburg-Stirum, über dessen Rede bereits berichtet worden ist, das Wort der

Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Dr. Bosse:

Ich wollte mir nur erlauben, dem Herrn Abg. Grafen Limburg zu bemerken, daß wir in der evangelischen Kirche nicht in der Lage sind, von uns aus die Initiative zu ergreifen. Das ist Sache der Kirchengesetzzebung; denn die Gemeindevertretung ist ein integrirender Theil der kirchlichen Gemeinde⸗Synodalordnung.

Im übrigen kann ich nur wiederholen, was mein Herr Com⸗ missar vorher gesagt hat: Wir haben nichts dagegen, Erhebungen anzustellen, zu fragen, wie sich die Sache verhält. Aber ich muß doch betonen: bei unseren Acten sind praktische Be— schwerden über die Gemeindevertretung bisher nicht eingegangen, auch nicht von katholischer Seite mit Ausnahme einer einzigen Petition, welche an das Abgeordnetenhaus gelangt ist. Immerhin will ich es nicht absolut in Abrede stellen, daß in katholischen Kreisen die Gemeindevertretung vielleicht als eine Fessel empfunden wird. Doch muß ich darauf aufmerksam machen, daß auch nach dieser Seite hin das Gesetz von 1875 schon ein Ventil hat! es läßt zu, daß unter gewissen Voraussetzungen von einer Gemeinde— vertretung Abstand genommen wird. Davon ist auch in einer Anzahl Gemeinden Gebrauch gemacht worden. Nichtsdestoweniger werden wir, falls das Haus die Resolution annehmen sollte, eine Prüfung anstellen, und sollten sich factisch Mißstände ergeben, so bin ich gern bereit, der Sache näher zu treten.

Abg. Dr, Porsch (Centr) dankt dem Grafen Limburg-Stirum, daß er wenigstens ein Bedürfniß zur Prüfung der Verhältnisse anerkannt habe. Daß die Bischöfe sich 39. den Boden des Ver— mögensverwaltungègesetzes gestellt hätten, sei nicht wunderbar; sie waren dazu gezwungen, wenn sie nicht das ganze Vermögen der Kirchen in Frage stellen wollten. Man hätte die früheren Gemeinrepräfen⸗ tanten beibehalten und nicht ein doppeltes Collegium: den Kirchen⸗ porstand und die Gemeindevertretung schaffen follen. Wenn man Untersuchungen anstellt, sollte man nicht bloß die Staatsbehörden, sondern auch namentlich die Kirchenbehörden fragen; denn die ersteren haben ja selbst bisher nicht geklagt.

Abg. Dr. von Jazdzewski (Polc)h tritt für den Antrag namens der Polen ein.

Abg. Freiherr von Zedlitz (freieons. : Ich bin bereit, in eine

irn über das Gesetz nach der Richtung hin einzutreten, daß die

freie . der Gemeinden gewahrt wird. Der Antrag geht aber (gen die Grundtendenz des esche er will die Mitwirkung der emeinden an der Vermögensverwaltung vermindern. Die Controle der Gemeindevertretung mag für den Kirchenborstand etwag Ünbe— nemes haben, allein das ist kein Grund zur Aenderung des Gesetzes. on Seiten der Staatbehörden sst kein Bedürfniß zur Aenderung anerkannt worden. Solche allgemeinen Resolutionen sind nicht empfehlengzwerth, es müssen bam i. Vorschläge gemacht werden.

Jedenfalls gehört die Resolution nicht zum Etat; deshalb werde ich gegen den Antrag stimmen.

Abg. Dr. ö (nl.): Wenn man beim Etat alle möglichen Gesetze besprechen könnte, die den Etat eigentlich gar nicht beeinflussen, dann könnten wir alle Reichs⸗ und Staatsgesetze einer Musterung unterziehen. Aber dieses formelle Bedenken will ich nicht geltend machen. Der Inhalt der Resolution ist ein harmloser, aber die Zustimmung zur Resolution wird ausgelegt werden als eine Billigung der Ausführungen, die der Abg. von Heereman gemacht hat. Die Beseitigung der Gemeindevertretung wird aber bei uns nicht auf große Sympathie stoßen, zumal irgend welche großen Schwierig— keiten sich bisher kaum ergeben haben. Die Annahme des Antrags würde zu Mißdeutungen führen, deshalb werde ich und hoffentlich auch meine Fraction gegen den Antrag stimmen.

Abg. Jerusalem (Centr.): Die zahlreich eingegangenen Petitionen, die eine große Zahl von Unterschriften tragen, sind wohl der beste Beweis für die Nothwendigkeit des Antrags.

Darauf wird der Titel 1 genehmigt und die Resolution gegen die Stimmen der Freiconservativen, Nationalliberalen und Freisinnigen angenommen.

In Titel 2 sind zur Verbesserung der äußeren Lage der Geistlichen aller Bekenntnisse 5474 300 M ausgeworfen.

Abg. von Strombeck beantragt, in den Vermerk einzu— fügen, daß der Titel auch auf die staatlich anerkannten, soge⸗ nannten Missionspfarren angewendet werden soll; ferner soll der Vermerk eingefügt werden: „Die Alterszulagen sind den im Pfarramt angestellten Geistlichen zu gewähren, sobald die⸗ selben eine fünfsährige Dienstzeit im Pfarramt zurückgelegt oder sich zehn Jahre in einem kirchlichen Amt in Preußen befunden haben.“ Endlich soll nach dem Antrage die höchste Alterszulage „nach einer zwanzigjährigen Dienstzeitæ im Pfarr— amt oder nach einer fünfundzwanzigjährigen Dienstzeit in einem kirchlichen Amt in Preußen gewährt werden.“

Von Seiten der Budgetcommisslon ist noch folgender Antrag gestellt: „Die Staatsregierung zu ersuchen, in Er— wägung zu nehmen, im Vermerk die Zahlen 150 in 225 und 24090 in 2700 zu ändern und dementsprechend die zur Ver⸗ stärkung der Fonds erforderlichen Mittel in den Etat ein— zustellen.“

Abg. von Strombeck (Centr.) befürwortet seinen Antrag, der im Interesse der Parität gestellt sei und auch den evangelischen Pfarrern Vortheile zuwenden wolle. Der Antrag wolle den Geist— lichen früher als bisher die höchsten Alterszulagen zu theil werden lassen, nämlich schon nach zwanzigjähriger, resp. fünfundzwanzigjähriger Dienstzeit, und sie nach 109 Jahren auch Geistlichen gewähren, die sich nicht in einem Pfarr-, sondern überhaupt in einem kirchlichen Amte befinden. Die Antragsteller seien so bescheiden gewesen, eine Erhöhung der Alterszulagen nicht zu verlangen. Redner bittet um eine wohlwollende in e seines Antrags.

Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten Dr. Bosse:

Meine Herren! Eine wohlwollende Aufnahme, wenigstens zum theil, Ja. Dennoch muß ich für jetzt bitten, den Antrag der Herren Abgg. von Strombeck und Sperlich in seinen beiden Theilen abzulehnen.

Was den ersten Theil anlangt, im Absatz 1 des Vermerks die Worte einzuschalten „einschließlich der staatlich anerkannten sogenannten Missionspfarrer““ so muß sich die Königliche Staatsregierung schon aus dem Grunde gegen die Annahme dieses Antrags aussprechen, weil sonst dieser Pfarrverbesserungsfonds zu einem Pfarrgründungsfonds umgeändert werden würde. Bei der letzten Verstärkung dieses Fonds und ich glaube, ich kann mich auf diese kurze Bemerkung beschränken ist ja auch der Antrag, wie er jetzt vorliegt, gestellt, er ist aber auch damals sowvhl in der Commission wie hier im Hause abgelehnt worden. Seit dieser Zeit beruht die Ausschließung der Missions— pfarrer auf unanfechtbarer Grundlage. Soweit die Missionspfarrer nicht ad nutum amovibel und dies uns bekannt und zugesichert ist, werden übrigens auch ihnen die Zulagen gewährt. Wenn meine Herren Amtsvorgänger soweit entgegengekommen sind, so werde auch ich in dieser Beziehung nicht zurückbleiben. Ich bitte aber, diesem Antrag keine Folge zu geben.

Was den Antrag Nr. 2 anlangt, so verkennen wir nicht, daß auf diesem Gebiet eine gewisse Ungleichheit besteht, und wir sind bereit, der Frage, die hier angeregt ist, näher zu treten. Wir können aber zur Zeit die beantragte Abänderung des Etatsvermerks für den zur Berathung stehenden Etat nicht acceptiren, und zwar um deswillen nicht, weil wir die finanzielle Tragweite des Antrags und die Consequenzen, die er auf anderen Gebieten unabweislich haben müßte, nicht zu übersehen vermögen. Ich mache in dieser Beziehung darauf aufmerksam, daß der Antrag auch seine Consequenzen für die evangelischen Geistlichen haben würde, und daß bei jungen evangelischen Theologen, die z. B. im Dienst der inneren Mission, der Heidenmmnission und sonst thätig gewesen sind, es oft recht zweifelhaft ist, ob sie sich in einem kirchlichen Amt befunden haben oder nicht.

Schon um dieser Consequenz willen ist es unmöglich gewesen, seit dem 14. Februar die von den Herren Antragstellern gewünschten Erhebungen anzustellen, und ebenso unmöglich würde der Versuch sich erweisen, diese Erhebungen erschöpfend und so, daß man finanziell ein gutes Gewissen dabei behielte, bis zur dritten Lesung zu bewirken. Wir werden Ermitteluugen herbeiführen, und das Ergebniß unserer Erwägungen werden wir seinerzeit dem hohen Hause nicht vor— enthalten.

Ich komme nun noch mit einem Wort auf die von dem Herrn Referenten erwähnte Resolution der Budgeteommission. Auch da muß ich um Ablehnung bitten, und zwar aus dem einfachen Grunde, weil mit dieser rein mechanischen Parität der evangelischen Kirche und den evangelischen Geistlichen gegenüber eine offensichtige Imparität geschaffen würde, und weil ich mich für verpflichtet halte, hier für die evangelischen Geistlichen und ihre Berücksichtigung einzutreten. Die Einkommensaufbesserung für die Geistlichen beider Confessionen aber ist zur Zeit nicht möglich: einmal der Finanzlage gegenüber nicht; dann aber auch würde ich es für bedenklich halten, so lange wir mit der Er— höhung der Beamtenbesoldung nicht vorgehen können, diese Sache wegen der Gehaltsaufbesserung der Geistlichen allein hier vorweg zu nehmen. Auch die General Synode der evangelischen Landeskirche hat ausdrücklich Anträge darauf gerichtet, daß die Minimalgehälter der evangelischen Geistlichen erhöht werden möchten. Und wenn uns auch das Cölibat der katholischen Geistlichen absolut nichts angeht, so lassen doch die thatsächlichen Verhältnisse nicht übersehen, daß bei einem ver⸗ heiratheten evangelischen Geistlichen, wenn die Kinder älter werden, die Bedürfnisse sehr viel mehr steigen als bei dem katholischen; darüber kann man doch nicht hinweggehen. Auch aus diesem Grunde bitte ich, die Resolution nicht anzunehmen, sondern abzulehnen.

Abg. Sperlich (Centr.) bedauert die ablehnende Haltung des Ministers; der Antrag sei übrigens schon seit mehreren Jahren ein⸗ ebracht, 3 die Regierung Erhebungen schon längst hätte anstellen önnen. Deshalb solle das Haus sich durch die ablehnende Antwort des Ministers nicht beeinflussen lassen.

Abg. Bödiker (Centr) beantragt für den Fall der Ablehnung des Antrags Strombeck, der Regierung die Aufnahme des vor⸗ geschlagenen Vermerks in den nächstjährigen Etat zu empfehlen.

Abg. Brandenburg (Centr.): Gegenüber den großen Auf⸗ wendungen aus dem Dispositionsfonds sei es Pflicht der Parität, auch etwas für die katholischen Geistlichen zu thun. Ich sehe die Geistlichen nicht als Staatsbeamte an, also brauchen sie nicht in den allgemeinen Konkurs der Staatsbeamten in Bezug auf Gehaltsauf⸗ besserung eintreten.

,. Regierungs-Rath Hegel: Die in Rede stehenden Er⸗ mittelungen würden die Feststellung des Pfründeneinkommens und des Dienstalters von g000 evangelischen und etwa 6000 katholischen Pfarrern nöthig machen. Das läßt sich bis zur dritten Lesung nicht bewerkstelligen. Die katholischen Geistlichen sind in allen Ländern mit gemischten Confessionen schlechter gestellt, als die evangelischen; das ist selbst in katholischen Ländern, wie Frankreich, der Fall.

Abg. Hobrecht (nl) weist darauf hin, daß die Grundsteuer der Geistlichen in Hannober zu einem Grundsteuer⸗Entschädigungsfonds aufgesammelt worden sei, aus welchem schlecht dotirte Stellen einen Zuschuß erhielten, und bittet um Mittheilung, wie dies nach Annahme der neuen Steuergesetze geregelt werden solle. Außerdem bittet Redner um Besserstellung der Geistlichen an den Strafanstalten.

Regierungs⸗Rath Schwartzkopff: Die Frage wegen der Han⸗ noverschen Specialfonds unterliegt zur Zeit der Erwägung der be⸗ theiligten Ministerien, um bei Berathung der Steuergefätze zur Ent⸗ scheidung zu kommen.

Abg. Graf zu Lim burg-⸗Stirum (cons.) erklärt sich für den Antrag der Budgetcommission, aber gegen die Anträge Strombeck und für die Resolution Bödiker. Bei der ganzen Frage müsse eine Individualisirung stattfinden; auf die persönlichen Verhältnisse der evangelischen Geistlichen müsse Rücksicht genommen werden; es handele sich nur darum, ob das Verhältniß der Gehälter der evangelischen zu den Gehältern der katholischen Geistlichen 4: 3, oder 3:2 sein solle.

Darauf wird der Titel genehmigt, ebenso die Resolution der Budgeteommission und die Resolution des Abg. Bödiker; die Anträge Strombeck werden abgelehnt

Im übrigen wird der Rest des Kapitels ohne Debatte ge⸗ nehmigt.

Um 4 Uhr wird die weitere Berathung vertagt.

Entscheidungen des Reichsgerichts.

Als Bandenschmuggel ist, nach einem Urtheil des Reichs⸗ gerichts, III. Strafsenats, om 1. Dezember 1892, nicht zu bestrafen die von weniger als drei Personen gemeinschaftlich ausgeführte Contrebande unter Duldung dieser Contrebande seitens der im Einverständniß mit den Schmugglern befindlichen Zollbeamten.

Hinsichtlich der Majestätsbeleidigung werden, nach einem Urtheil des Reichsgerichts, J. Strafsenats, vom 15. Dezember 1892, Aeußerungen, welche in Bezug auf Privatpersonen nicht als be⸗ leidigend zu erachten sind, in Bezug auf das Staatsoberhaupt wohl als beleidigend aufgefaßt und bestraft werden können. Je wichtiger die Ehre des Angegriffenen für die staatliche Ordnung ist, desto empfindlicher muß die Abschätzung des ihm gegenüber Zulässigen oder Unzulässigen sein.

Statiftik und VBolkswirthschaft.

Ein- und Ausfuhr im Januar.

Nach den vom Kaiserlichen Statistischen Amt veröffent⸗ lichten Nachweisen über den auswärtigen Handel für den Monat Januar d. J. hat die Einfuhr in diesem Monat 19 088 642 (190) kg gegen 19 893911 (190) Kg des gleichen Monats im Vorjahr betragen. Es ist also eine Minderung von 715 269 (100) Kg eingetreten. Die Ausfuhr dagegen hat 13 788 751 (100) kg gegen 13 163 168 (100) kg des Vorjahr⸗ monats betragen, sodaß hier eine Mehrung von 625583 (100 Rg zu constatiren ist. Die Mindereinfuhr gründet sich hauptfäch⸗ lich auf die gegen das Vorjahr sehr reducirte Einfuhr an Weizen und Roggen, die Mehrausfuhr beruht hauptsaͤchlich auf der Besserung des deutschen Zuckerexports. .

Die Einfuhr von Rohbaumwolle hat sich von 230 027 Doppel⸗Ctr. des Januar im Vorjahre auf 233 311 Doppel⸗Ctr., von Flachs von MW 03 Doppel-Cir. auf 135 883 Doppel⸗Ctr, von ungefärbter Rohseide von 16589 Doppel⸗-Ctr. auf 239 Doppel⸗Ctr. und von Rohschafwolle von 123 833 Doppel⸗Ctr. auf 168 709 Doppel⸗Ctr. vermehrt. Bei der Ausfuhr hat sich die darniederliegende Sprit⸗Ausfuhr etwas gehoben, indem die ausgeführte Spritmenge sich von 13786 Doppel⸗-Ctr. auf 17 508 Doppel⸗-Ctr. erhöht hat; dagegen wurden an Roh⸗ zucker statt 167 882 Doppel-Ctr. im Januar 1892 in diesem Jahre 243 384 Doppel-Ctr. und an Candis und Brotzucker statt 98 949 197 019 Doppel⸗Ctr. ausgeführt. Im ganzen hat die bereits in den beiden letzten Monaten des Vorjahrs con⸗ statirte Besserung der Ausfuhr angehalten.

Der Deutsche Verein für öffentliche . Gesundheitspflege

wird seine achtzehnte Versammlung diesmal mit Rücksicht auf e— etwaiges Wiederauftreten der Cholera schon am 25., 265., 27. unn 28. Mai 1893, also in der zweiten Hälfte der Pfingstwoche, in Würzburg abhalten. Auf der Tagesordnung stehen folgende Gegenstände: Donnerstag, den 25. Mai: 1) Die unterschiedliche Be⸗ handlung der Bauordnungen für das Innere, die Außenbezirke und die. Umgebung von Städten. Referenten: Ober⸗Bürgermeister Adickes (Frankfurt a. M.), , Professor Baumeister Karlsruhe). 27 Reformen auf Fem Gebiet der Brotbereitung. Referent: Professor Dr. K. B. Lehmann (Würzburg). Freitag, den 26. Mai:; 3) Die Grundsätze richtiger Ernährung und die Mittel, ihnen bei der ärmeren Bevölkerung Geltung zu verschaffen. Referenten: Privatdocent Dr. Ludwig Pfeiffer (München), Stadtrath Fritz Kalle (Wiesbaden). 3) Vorbengungs⸗ maßregeln gegen Wasservergeudung. Referent: Wasserwerk⸗Direckor Kümmel (Altona), Sennabend, den 27. Mai: 5) Die Verwendung des wegen seines Aussehens oder in gesundheitlicher Hinsicht zu be⸗ anstandenden Fleisches, einschließlich der Kadaver kranker getödteter oder gefallener Thiere. Referent: Ober ⸗Regierungs⸗Rath Dr. Lydtin (Carlgruhe). Alles Nähere über die diesjährige = wird den Mitgliedern spätestens in der zweiten Hälfte des April mitgetheilt werden. Anmeldungen neuer Mitglieder a ge n 6 eM nimmt der ständige Seeretaͤr des Vereins, Dr. Alexander Spieß in Frank⸗ furt a. M., entgegen. .

Ueber die Eheschließungen, Geburten und Sterbefälle bringt, das erste Vierteljahrsheft zur Statistik des Deutschen Reichs eine Zusammenstellung fuͤr das Reich und einige fremde Staaten, der wir folgende, auf das Jahr 1891 bezügliche e entnehmen: Ehe Geboreng Gestorbene Geburten. schließungen. (ohne die Todtgeborenen). Ueberschuß. e 399 398 1840 172 1164421 675 751 2 2 Wo Cg 66 377 S6 882 10505 roßbritannien, 204 475 1040122 671 473 68 649 Niederlande 32 707 154 687 94 844 59 843

Deutsches Reich.