1893 / 51 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 28 Feb 1893 18:00:01 GMT) scan diff

Strafgeseßzzbuchs dahin aufgefaßt werden muß. daß, mögen nun die Haus vrdnungen wie immer gestaltet werden, daß die Einrichtung der Ge⸗ Fängnißanstalten, daß der Vollzug der Strafen in den Gefängnissen, Zuchthäusern u. s. w. ein einheitlicher sein muß gegenüber den Per⸗ sonen, die in Frage kommen, gegenüber den Verbrechen, den Vergehen, wegen deren der Strafpollzug eintritt. Ich bin also für meine Person nicht der Ansicht, daß eine Bestimmung, wie die des 5162 der Vorlage, mit der die Commission des Hauses zur Zeit befaßt ist, ersetzt werden könnte durch eine Straf— vollzugsbestimmung, sondern dies wäre erst möglich, wenn und meiner Ansicht nach hat der § 162 diese Bedeutung wenn das System des Strafgesetzbuchs in der Richtung der Einheitlichkeit, der allgemeinen Gleichheit der Strafarten geändert wird, also wenn gesagt wird, für gewisse Reate, für gewisse Personen kann unter Umständen eine andere Strafvollziehungsart, eine andere Strafart Platz greifen. Darum sage ich: Dieser § 16a ist eine Aenderung des Strafgesetzes, ist aber keine Straf⸗ vellzugsbestimmung im Sinne des bisherigen Gesetzes. Nun habe ich vorhin schon erwähnt, in der Richtung des Strafsystems sind eben die Fragen zur Zeit noch im Flusse und wir halten es für richtiger, wenn mit einer Strafvollzugsordnung abgewartet wird, bis in der gedachten Richtung die Fragen mehr geklärt sind.

Wenn dem Reichs⸗-Justizamt vorgeworfen wird ich darf es wohl als Vorwurf bezeichnen daß wir nicht mit einem entsprechenden Eifer in der Sache vorgingen, so muß ich sagen: die Herren wissen ja, daß das Reichs-Juftizamt seiner Zeit ein Strafvollzugsgesetz aus⸗ gearbeitet hat. Dasselbe liegt dem Bundesrath vor; allein bei der Berathung sind die verbündeten Regierungen auf Schwierigkeiten gestoßen, die zu beseitigen die Reichs⸗-Justizverwaltung in keiner Weise in der Lage ist. Mit dem Herrn Abg. Schrader bin ich vollständig einverstanden, daß ein Hauptgewicht auf die Behandlung der jugendlichen Sträflinge im Strafvollzuge zu legen ist. Das ist eine der Fragen, die iän Strafvollzugsgesetz werden miterledigt werden müssen. Wenn der Herr Abg. Gröber dann aber hervorgehoben hat, daß auch die Beköstigung, die Lagerstätte und dergleichen Punkte seien, die die Strafvollzugsordnung zu regeln habe, so glaube ich, würde ich anderer Ansicht sein. Das ist mehr eine Frage der Hausordnung. In dieser Beziehung eingehende Vorschriften einheitlich für das ganze Reich zu geben, halte ich für nicht durchführbar. Man würde sich höchstens mit ganz allgemein gehaltenen Anordnungen begnügen müssen. Im einzelnen muß die Sache dann doch wieder den Hausord— nungen überlassen werden. Also, meine Herren, ich verspreche nicht gern, was ich zu halten mich nicht in der Lage fühle. Ich könnte ja sagen, es steht in Aussicht, daß eine Straf— vollzugsordnung Ihnen in Bälde vorgelegt wird. Das würde mich ungefähr ebenso binden, wie wenn ich das nicht sagte. Ich habe deshalb mich darauf beschränkt, zu sagen: die Reichs-Justiz⸗ verwaltung wird nach wie vor bestrebt sein, die Regelung des Straf— vollzugs in einem Gesetzentwurf durchzuführen, der dem Hause zugehen wird. Allein ich kann unmöglich jetzt Bestimmtes erklären; bedenken Sie doch, meine Herren, mein Herr Vorgänger hat es vor einem Jahre auch in eindringlichen Worten Ihnen ans Herz gelegt, bedenken Sie doch die Aufgaben, die dem Reichs-Justizamt zur Zeit ich kann sagen in die Kräfte aufreibender Weise bereits obliegen, und verlangen Sie nicht von uns, daß wir ebenso rasch anderweite große Aufgaben gleichzeitig erledigen. Dazu reichen die Kräfte des Reichs⸗Justizamts nicht aus. Ich bin nicht in der Lage, Ihnen die Zeit näher angeben zu können, in welcher ein Strafvpoll⸗ zugsgesetz an Sie gelangen wird. Ich komme noch zu dem ersten Punkt, den der Herr Abg. Schrader noch einmal berührt, und, wenn ich nicht irre, in einer Frage so formulirt hat: Was kann die Reichs— Justizverwaltung thun, oder was will sie thun, um diese Collision, die bezüglich des Zweikampfes in der Person des Staatsanwalts oder des Beamten, der zu gleicher Zeit Reserveoffizier ist, zu Tage tritt, zu beseitigen? Wenn die Frage so gestellt wird, so muß ich sagen: ich kann nichts thun und wüßte nicht, in welcher Weise ich etwas thun sollte, um däe Collision, wie sie hier bezeichnet wurde, in einer den Wünschen des Herrn Abgeordneten entsprechenden Weise zu regeln. Es sind zwei Kreise, die nebeneinander, vollständig unabhängig von einander be— stehen: auf der einen Seite der Reservpeoffizier, auf der anderen Seite der Beamte. Die Reichs⸗Justizverwaltung hat es mit dem Kreise des Beamten zu thun; mit dem Kreise der Pflichten und Rücksichten, die der Reserveoffizier zu befolgen und zu beobachten hat, mit denen, meine Henren, hat die Reichs⸗Justizverwaltung nichts zu thun und kann da auch nicht eingreifen.

Abg. Dr. von Bar (dfr.); Der Strafvollzug wird als eine dringliche Angelegenheit schon seit der Berathung des Strafgesetz⸗ buches, also seit mehr als 20 Jahren, angesehen. In der vorigen Session haben wir Freisinnige einen Entwurf eines Strafvollzugs— gesetzes in der Richtung eingebracht, daß den vielfachen Beschwerden abgeholfen würde, die über die Straspollstreckung zur öffentlichen Kenntniß gelangt waren, und dieser Entwurf, änderte an dem Straf— gesetzbuch nicht das Mindeste. Die Möglichkeit, solche Grundsätze aufzustellen, ist also durchaus vorhanden. Sehr mit Recht verweist der Abg. Gröber darauf, daß die verbündeten Regierungen ja selbst die Frage theilweise in der lex Heinze zu lösen unternommen haben. Da wir keine Aussicht haben, daß die Militär⸗Strafprozeßordnung uns bald vorgelegt werde, so muß in der Duellfrage anderweit Ab— hilfe geschaffen werden.

Abg. Freiherr von Münch (b. k. F.) hält es für nöthiger, das Strafgesetzbuch als den Strafvollzug zu ändern, wenn man den Verurtheilten, deren Delicte nicht aus unehrenhafter Gesinnung ent— sprungen sind, zu Hilfe kommen wolle. Der Abg. Gröber wirft mir Mißbrauch des Mandats vor. Wie steht es denn in dieser Beziehung mit den Reden des Abg. Dr. Bachem über den Zukunftsstaat? Der Abg. Payer sei am wenigsten berechtigt gewesen, ihn anzugreifen. 2 doch gerade der Abg. Payer seiner Zeit die Gebühren der Rechts—

anwalte vertheidigt. Auch die Bezweiflung der Zurechnungsfähigkeit habe der Abg. Paher andeutungsweise wieder aufgenommen. (Präsident

von Levetzow: Wir sind beim Reichs⸗Justizamt!) Der Redner schlict darauf seine Aussührungen. . Abg. Stadthagen (Soc): Der Ahg. Gröber wirft dem Abg. Kunert mit Unrecht, vor, daß er uicht zum Gehalt des Staatssecretärs des Veichg-Justizamts gestnochen habe. Hat er vielleicht dazu gesprochen? Der Abg. Kunert aber hat hier dargelegt, daß der Staatsseecretär des Reichs⸗Justizamts nichts machen kann, um die Immunität der Ab— geordneten zu schützen. Der Abg. Gröber Jig, man solle sich an die vorgesetzten Personen des erwähnten Vollziehungsbeamten wenden. Was sollen wir aber thun, wenn dieser Vorgesetzte in der Persen des J ustiz⸗Ministers steckt? Wie sollen wir ihn zwingen, sich selbst an⸗ Murlagen? Wenn diese Beamten alle nichts nützen, wenn sie selbst ret eite beraubungen nicht verhindern können, lehnen mir doch ihr ebalét einfach ab! Das ist ein klarer und sehr zur Sache gehöriger Standpimkt. Die Gerichte erklären bekanntlich, man müsse bei einem Beamten immer vermnthen, er sei pflichttren vorgegangen. Hat er sich geirrt, dann muß ihm doch ein Mangel an Intelligenz bei⸗

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gewohnt haben. Es müßte also ein Gesetz gemacht werden, welches von den Richtern und Staatsanwalten wenigstens verlangt, daß sie die Gesetze kennen. Warum wurde nicht gegen die Richter eingeschritten, als bei Peus auf Verlust der Ehrenrechte erkannt wurde? Wohin sollen solche Zustände führen? Wenn die Beamten nicht die Gesetze kennen, wozu denn überhaupt noch gelehrte Richter? Warum versuchen wir es denn nicht mit Laienrichtern, die doch ge⸗ sunden Menschenverstand, wenn auch keinen Juristenverstand haben? Dann brauchen wir keinen Staatsseeretär und keine vortragenden Räthe. Die Fälle der Abgg. Schmidt und Kunert sind so flagrante Verletzungen der Immunität gewesen, daß das beleidigte Rechtsgefühl Genugthuung erhalten muß. Das Breslauer Gericht hatte alle Hand⸗ lungen vorgenommen, welche die Verhaftung des Abg. Kunert vor— bereiten konnten, und am Tage, wo hier der Reichstag vertagt wurde, wurde sofort nach Breslau telegraphirt und der Abg. Kunert wurde in Breslau auf offener Straße von der Seite seiner Frau weg ver— haftet. Dazu ist der Staatssecretär doch wohl nicht da, daß er dafür sorgt, daß Gesetzesverletzungen vorkommen. Das Reichs⸗ gericht hat auch diesen Mißbrauch der Amtsgewalt gerügt; aber wer kommt auf für das dem Abg. Kunert und der Ver⸗ fassung zugefügte Unrecht? Der Staatssecretär kann nicht das Geringste in dieser Beziehung in Aussicht stellen. Wenn der Staats— secretär also keine Mittel hat, Gesetzesverletzungen zu verhindern, so sollte doch der Reichstag ernstlich erwägen, ob die Bewilligung eines Gehalts für einen Staatssecretär des Reichs-Justizamts nicht unnöthig sei. Wir haben erfahren, daß Spitzel für die heutige Rechtspflege unentbehrlich sind. Ist denn die Spitzelei ganz und gar nicht zu be⸗ seitigen? Muß die bestehende Gesellschaft mit diesem Abschaum, mit diesen Zuhältern sich identificiren? In dem einen Sinne schlagen Sie die Paragraphen der lex Heinze vor und andererseits gebrauchen Sie solchen Entwurf für Ihre Zwecke? In Berlin sind allein 10 009 ½ jährlich für die Vigilanten ausgeworfen! Ich komme nun zur Ausländerfrage. Soeben hat man wieder zahlreiche Aus— weisungen vorgenommen, und das in demselben Augenblick, wo Handelsperträge in großem Umfange abgeschlossen werden. Die Ausweisung ist ja gesetzlich und ich habe nichts dagegen. Wenn sie aber nur als Strafe aufzufassen ist, so muß doch gefolgert werden, daß der Ausländer, der nichts begangen hat, was mit der Ueberweisung an das Arbeitshaus geahndet werden kann, nicht behelligt werden darf. Nun wurde hier in Berlin eine Russin aus— gewiesen, weil sie sich lästig gemacht hätte. Es war ihr ein Heiraths— versprechen gemacht worden, das nicht gehalten wurde. Die Russin in ihrer Entrüstung rief dem Urheber des Heirathsversprechens auf der Straße einige nicht schmeichelhafte Worte zu. Damit hatte sie sich lästig gemacht. Ist das gerechtfertigt? Wo liegt das Strafbare? Sind das die Grund⸗ sätze, auf welchen man Handelsverträge aufbaut? In Helgoland hat man denjenigen Bewohnern, welche für England optiren wollten, gedroht, sie als lästige Ausländer aus ihrem ererbten und ange— stammten Wohnsitz auszuweisen. Auf welchem Gesetz beruht diese Drohung? Wohin kommen wir, wenn alle Beamten immun, wenn die Gesetze für nichts sind? Warum werden denn diejenigen nicht sofort ver—⸗ haftet, die zum Zweikampf herausfordern? Mir liegt ein Urtheil des Gerichts in Sagan vor, in welchem ein Redacteur verurtheilt wurde wegen Aufreizung, weil er socialdemokratische Ziele verherrlichthabe; das Gericht interpretirte, daß die herrschenden Klassen sich deren Ver— wirklichung nicht ohne Gewalt gefallen lassen würden, und daß also der Redacteur zu Gewaltthätigkeiten aufgereizt habe! Das Erkenntniß ist vom Reichsgericht bestätigt, und das Erkenntniß im Falle Janischewski ging ja von ähnlichen Erwägungen aus. Kann denn der Staatssecretär nichts thun, damit eine Verurtheilung nicht schon auf Grund einer bestimmten politischen Ansicht erfolgt? In Magde— burg hat man von der vorläufigen Entlassung von Strafgefangenen im Falle Fritzsche den wunderbaren Gebrauch gemacht, daß man den Mann erst beurlaubte, als seine Frau, wegen deren schwerer Er— krankung er beurlaubt werden wollte, gestorben war. Ist ferner etwas geschehen, um die Entmündigung und Einsperrung als unzu— rechnungsfähig Verdächtiger zu verhindern? Nirgends im Particular⸗ recht findet sich eine Bestimmung, welche die Polizeibehörden zu solchem Vorgehen ermächtigt; aber das Vorgehen wegen Mißbrauchs der Amtsgewalt blieb natürlich erfolglos. Ich bitte Sie, das Gehalt so lange zu verweigern, bis der Staatssecrefär erklärt, er habe Zeit, die von uns geforderten Fragen in Erwägung zu nehmen und zu erledigen.

Abg. Dr. Hartmann (deons.): Ich bitte Sie, trotz der Rede des Abg. Stadthagen das Gehalt zu bewilligen. Ich möchte nur be— richtigen, was über das Vorgehen gegen den Abg. Schmidt (Sachsen) durch das Gericht in Chemnitz gesagt worden ist. Der Abg. Schmidt ist vorgeführt worden, aber erst nachdem sein Vertheidiger, derselbe Abg. Stadthagen, erklärt hatte, der Angeklagte werde nicht erscheinen, befinde sich aber im Zuhörerraum. Da ist ein Vollziehungt⸗ beamter in diesen Raum getreten, klopfte dem Abg. Schmidt auf die Schulter und sagte: Herr Schmidt, kommen Sie mit! Da ist dann der Abg. Schmidt mitgegangen.

Abg. Stadthagen (Soc.) wendet sich nochmals ausführlich gegen den Vorredner. Für fahrlässiges Vorgehen werde sonst jedermann haftbar gemacht, warum nicht die Beamten und Aus— sührungsorgane der Rechtsprechung? Warum soll der Beamte einen besonderen Vorzug haben? Da müßte ja jeder Beamte sich hüten oder doch Bedenken tragen, die Gesetze kennen zu lernen.

Abg. Dr. Hartmann (deons.): Nach dem Abg. Stadthagen sind die Staatsgnwalte so ziemlich weiter nichts als Mitglieder einer Ignorantenbande.

Nach einigen kurzen Erwiderungen des Abg. Stadthagen wird die Debatte geschlossen und nach zahlreichen persönlichen Bemerkungen das Gehalt des Staatssecretärs bewilligt, ebenso der Rest des Etats, nachdem auf Anfrage des Abg. Grafen Kanitz (deons.) Staatssecretär Hanauer erklärt hatte, daß die in Berlin wohnenden Mitglieder der Commission für das Bürgerliche Gesetzbuch 20, die auswärtigen Mitglieder 30 6 Diäten bekommen.

Schluß 6i½ Uhr.

Preuszischer Landtag. Haus der Abgeordneten.

40. Sitzung vom A. Februar.

Die zweite Berathung des Staatshaushalts— Etats für 1893,94 wird fortgesetzt bei dem Etat der Lotterie⸗ verwaltung. Nach dem Abg. Dr. Arendt (freicons.), über dessen Rede bereits in der Nummer vom Montag berichtet worden ist, nimmt das Wort

Abg. von Schalscha (Centr.): Das Spiel an sich ist un2— moralisch; aber wenn ich aus eigener Erfahrung feststellen kann, daß man Jahre lang in der Lotterie spielen kann, ohne ein Spieler zu sein, fo kann man daraus folgern, daß das Lotteriespiel nicht verwerflich ist; ich will allerdings nicht die Behauptung aufstellen, daß es etwas Verdienstliches ist. Wenn wir unsere Lotterie abschaffen würden, würden die anderen Staaten ihre Lotterieloose vermehren und bei uns absetzen. Es spielen jetzt noch viele Leute ausländische Loose, weil sie keine Stgatslotterieloose erhalten können. Also man soltte nicht zu rigoroß sein und man sollte die neuen Loose namentlich den Provinzialstädten zu gute kommen lassen.

Abg. Dr. Meyer (dfr.): Viele Jahre lang ist die Berathung des Lotterie⸗Etats spurlos vorübergegangen; höchstens machte einmal ein Nedner die Bemerkung, daß das Spiel eigentlich unmoralisch sei. Aber man verwies auf die fremden Lotterien und auf die Ein— nahmen, welche der Staat aus der Lotterie bezieht. Seit 1884 haben wir in jedem Jahre eine Lotteriedebatte. Ein bescheidenes Spiel in der Lotterie ist nicht unmoralisch; aber seine Ausdehnung kann gefährlich werden; denn es giebt Hunderte von Leuten, welche inen Schaden durch das Lotteriespiel, erleiden. Früher sprachen die Conserygtiven sich noch für die Aufhebung der Lotterie

aus. Später kam der Antrag auf Verdoppelung, der Loose aus dem Hause, und die Regierung, die selbst die Initiative nicht ergreifen wollte, ging darauf ein. Man hat ver⸗ schärfte Bestimmungen eingeführt; man verbot, die Gewinnlisten fremder Lotterien zu drucken u. s. w., ohne daß etwas erreicht wurde, Man, hat gegen die Privatlotterien sich erklärt; aber es kann keine Privatlotterie zu stande kommen, ohne daß das Staats⸗ Ministerium seine Genehmigung giebt. Diese Concurrenz der Privat⸗ lotterien hat die Regierung sich selbst zugezogen. Redner wverweist auf den Artikel eines officiösen Blattes zur Vertheidigung der Staats⸗ lotterie, in welchem auch ausgeführt wird, daß die Staatslotterie gemeinnützigen Zwecken diene. Die Spielsucht, ist nur durch die Vermehrung der Loose gefördert worden, und die neue Vermehrung wird dazu dienen, die,. Spielsucht in solche Kreise zu verpflanzen, in denen sie bisher nicht vorhanden war. Die Freisinnigen werden gegen die Vermehrung der Loose stimmen. .

Geheimer Ober⸗Finanz⸗Rath Marcinowski führt aus, daß 1386 bei der Verdoppelung der Zahl der Loose die Verwaltung keine Grundlage für die Vertheilung der neuen Loose hatte. Bei der jetzigen Vermehrung wird hauptsächlich darauf Rücksicht genommen werden, daß die Städte bedacht werden, wo fremde dotterien, deren Absatz in Preußen zugenommen hat, gespielt werden. Ein Hauptbedürfniß besteht für die Rheinprovinz, Westfalen und Hannover; es sollen nicht bloß neue Collecten errichtet, sondern auch die bestehenden verstärkt werden. Die vom Vorredner angedeuteten Ausführungen einer officiösen Zeitung sind der Lotterie⸗Verwaltung bekannt; sie hat sie aber nicht angeregt und auch nicht gebilligt. Der Privathandel mit Staatslotterie l posen ist infolge des darüber erlassenen besonderen Gesetzes fast pollständig von der Bildfläche verschwunden. Das Spielen in auswärtigen Lotte—⸗ rien hat aber nicht ahgenommen. . .

Abg. Cremer (b. k. F.): Wenn jemand seine Steuern nicht bezahlt, kommt der Executor und pfändet ihn; wer sein Loos nicht bezahlt, verliert nur das Recht, weiter zu spielen. Wo liegt da die Sittlichkeit und die Unsittlichkeit? Wer nicht spielen will, dem wird kein Loos aufgedrängt. Sollten wir lieber das Geld zum Lande hin— ausgehen lassen, statt es bei uns zu behalten? Dem gegenüber helfen alle, Deelamationen nichts. Wenn man die Wahl hat, im Club beim Spiel 600 0900 0 zu verlieren, oder in der Lotterie das große Loos mit 600 000 . zu, gewinnen, was wird man wählen? Die großen Herren gehen an die Börse oder zum Bangujer, der das Geld ins Depot nimmt. Wie Viele sind auf diese Weise ruinirt worden, und trotzdem hat niemand die Banquiers abgeschlachtet und die Börse ge⸗ schlossen! . ,

Darauf wird der Etat, genehmigt. Gegen die Ver⸗ mehrung der Loose stimmen die Freisinnigen und einige Mit— glieder des Centrums. (

Bezüglich der von der Commission beantragten Reso— 1, .

. Staat regierung zu ersuchen, a. dem Landtag der

Monarchie im nächsten Jahre eine Fortführung der vom Jahre

1380/86 aufgenommenen Statistik über die Privatlotterien in dem

bisherigen Umfang bis zum Jahre 1893 vorzulegen; b; in geeigneter

Weise darauf hinzuwirken, daß die bei dem Vertrieb der Privat⸗

geldlotterieloose zur Zeit obwaltenden Mißstände abgestellt werden.“ erklärt

Finanz⸗Minister Dr. Miquel:

Ich möchte mit zwei Worten mich über den Inhalt der beiden Resolutionen erklären. Was die Resolution La betrifft, so ist die Staatsregierung bereit, eine Fortführung der von 1884 bis 1885 auf— genommenen Statistik der Privatlotterien in dem bisherigen Umfange sobald irgend thunlich vorzunehmen. Da wird die Commission und das Haus die ganze Lage der Privatlotterien, ihre Verminderung und Vermehrung übersehen können.

Was die zweite Resolution sub b anbetrifft, so habe ich mich schon in der Budgeteommission nicht bloß zu den Gesichtspunkten, sondern auch zu den Klagen über die Mißbräuche, die mannigfach bei dem Vertrieb der Privatlotterien stattfinden, zustimmend geäußert. Wir haben diese Mißbräuche selbst schon längst ins Auge gefaßt, und es finden gegenwärtig Erwägungen zwischen den beiden Ressort— Ministerien statt, in welcher Weise man diesen Mißbräuchen entgegentreten kann. Irgend eine bestimmte Einigung oder ein bestimmter Weg in dieser Beziehung ist noch nicht zwischen den beiden Ressorts zur Verabredung gekommen. Ich zweifle aber nicht, daß es gelingen wird, wenigstens im wesentlichen diesen Mißbräuchen auch namentlich auf dem Wege der Concessionsbedingungen entgegenzutreten. Ob es rathsam sein wird, diese Mißbräuche mehr oder weniger radical dadurch zu beseitigen, daß man die Genehmigung von Geldlotterien an die Bedingung des Vertriebs durch die staat— lichen Lotteriecollecteure knüpft, ist mir doch recht zweifelhaft; man wird sehr dabei erwägen müssen, welche Rückwirkungen ein solcher regelmäßiger Vertrieb von Privatlotterien auf die staatlichen Lotterie= collecteure und auf den Vertrieb der Staatslotterie selbst haben könnte. Ich will dabei in der Sache selbst noch nicht ein definitives Urtheil sprechen. Ich will nur hervorheben, daß dagegen sehr erhebliche Be— denken geltend gemacht worden sind. Meine Herren, es ist vorhin in der Debatte die Klage geführt, daß die Zahl der concessionirten Privat - Geldlotterien eine zu große sei. Ich kann darauf nur erwidern, daß die Staatsregierung grundsätzlich darauf bedacht ist, die Geld— lotterien thunlichst einzuschränken. (Sehr richtig! rechts.) Aber es ist doch nicht ganz möglich. Es kommen in dem allgemeinen Leben des Staatt doch Verhältnisse vor, wo gemeinnützige und wohlthätige Zwecke in keiner andern Weise zu fördern sind, aber eine derartige Förderung doch ein so großes Interesse hat, daß man grundsätzlich und unbedingt die Genehmigung von Privat-Geldlotterien nicht ausschließen kann. Sie können sich aber versichert halten, daß sowohl das Ministerium des Innern als namentlich das Finanz⸗Ministerium schon auß fiscalischen Rücksichten der Concurrenz gegen die Staatslotterien thunlichst auf eine Einschränkung der Privat-Geldlotterien auch in Zukunft in jeder Weise Bedacht nehmen wird.

Meine Herren, mit der Privatlotterie geht es ähnlich wie mit der Staatslotterie. Herr Abg. Dr. Meyer hat ganz richtig gesagt, daß man nicht behaupten könne, daß das Spielen in Lotterien unter allen Umständen schädlich oder gar unsittlich sei— Damit ist diese Frage der principiellen, doctrinären Behandlung, möchte ich sagen; entzogen, wie das Hauptmotiv für die Vermehrung der Loose der Staatslotterie in dem Verhältniß der preußischen Staatslotterie zu den auswärtigen deutschen Lotterien liegt, und es sich daher also keineswegs um die Frage einer Vermehrung der Spielgelegenheit, sondern nur um einen Ersatz der einen . gelegenheit durch eine andere, weniger schädliche handelt, so ist e auch bei diesen Privatlotterien. Es kommen Fälle vor, wo man kaum in der Lage ist, die Genehmigung einer solchen Lotterie n, lehnen; jedenfalls ist es nicht rathsam, daraus ein unbedingt Princip zu machen, richtig aber, Maß zu halten, es thunlichst ein⸗ zuschränken.

Die Resolution wird fast einstimmig angenommen.

Es folgt der Etat der direten Steuern, ef 4 veränderte Genehmigung die Budgetcommission beantragt.

Bei der Grundsteuer wünscht

Abg. Sombart (ul.), daß das Buch von Meitzen über die landwirthschaftliche Benutzung des Grund und Bodens wieder auf⸗ gelegt werden möge, das 1366 zum ersten Mal erschienen ist. In dem Landwirthschaftlichen Ministerium werde an der Weiterführung des Bucheg gearbeitet, aber in einem etwas zu langsamen Tempo. Redner empfiehlt die Umrechnung der Fläche von Morgen in Hektar und der Steuererträge von Thaler in Mark. Namentlich solle die Neubear⸗ beitung 9. nachweisen, welche landwirthschaftlichen Flächen fidei⸗ commissarisch oder sonstwie gebunden sind.

General⸗Inspector des Katasters Gauß erklärt, daß die Re— gierung auch eine Förderung der Veröffentlichungen wünsche; es werde auch eifrig daran gearbeitet. Der Grundsteuerreinertrag ist in Thalern ausgedrückt, weil er nicht eine zahlbare Münze, sondern eine Ver— hältnißzahl ist.

Die Einnahme aus der Grundsteuer wird genehmigt, ebenso die Einnahme aus der Gebäudesteuer.

Bei der Einkommensteuer bringt

Abg. Lucius -Erfurt (freicons.) verschiedene Klagen vor über die Veranlagung der Einkommensteuer, die zu einer starken Belästigung des Publikums geführt habe. Besonders belästigend wirke die Aus= füllung der Steuerdeclaration, die zu einer 3. ungeeigneten Zeit erfolgen müsse, wo die Geschäftsleute und Gewerbetreibenden gerade bei der Aufstellung ihres Jahresabschlusses beschäftigt seien. Eine Ver— legung des Termins würde wohl kaum Schwierigkeiten mit sich bringen. Es sollte ferner dafür gesorgt werden, daß, wenn der Censit seine Steuererklärung unter Vorlegung seiner Bücher vor einem Beamten abgiebt, er dadurch vor allen Verfolgungen wegen unrichtiger De— claration geschützt werde. Die Doppelbesteuerung der Actienunter— nehmungen drücke namentlich die Kleinkapitalisten.

Abg. Schenck (oDfr.) weist darauf hin, daß über die Beschwerden der Steuerzahler aus dem Jahre 1892,93 ibis jetzt keine einzige endgültige Entscheidung getroffen worden ist. Wenn sso wie bis jetzt fortgefahren wird, werden die Beschwerden von 1892/93 Ende 1894 noch nicht erledigt sein. Diese Verzögerung ist geradezu uner— träglich. Namentlich werden die Genossenschaften durch diefe Ver— zögerung getroffen. Auf eine Berufung, die im April 1892 ein— gelegt ist, ist erst am 31. Januar dieses Jahres eine Ent— scheidung eingetroffen. Die Genossenschaften, die im Jahre 1392‚93 zu Unrecht besteuert sind, werden in diesem Jahre, wieder besteuert werden, und dieser Zustand kann noch vier oder fünf Jahre dauern, ehe die Genossenschaften ihr Geld wiedererhalten. Es handelt sich dabei oft um nicht unerhebliche Kapitalbeträge, die zinslos bleiben. Es ist auch vorgekommen, daß eine Genessenschaft, die nicht steuerpflichtig war, aufgefordert wurde, ihre Geschäftsbücher vorzulegen, wozu niemand verpflichtet ist; und als sie sich dessen weigerte, wurde sie vom Landrath zur Steuer veranlagt und ihr anheimgegeben, die Berufung einzulegen. Der Landrath war zur Veranlagung aber gar nicht berechtigt; die Veran—

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lagung konnte nur von der Commission ausgehen.

Finanz⸗-Minister Dr. Miquel:

Meine Herren! Was den letzten Punkt betrifft, den der Herr Vor— redner hier anregt, so will ich, da das hier im Hause noch am leb— haftesten in der Erinnerung sein wird, gleich zuerst denselben beant— worten. Der Finanz⸗Minister ist garnicht in der Lage, in den bezeichneten Fällen eine competente Entscheidung abzugeben. Denn über die Frage, ob Steuerpflicht vorliegt, von der ja wieder die Frage der Zulässigkeit eines Zuschlags wegen Nichtabgabe der Declaration ab— hängig ist, hat der Finanz⸗Minister nicht zu entscheiden. Uebrigens kann ich auch nur erklären, daß nur eine einzige desfallsige Beschwerde eingegangen ist; ich erinnere mich wenigstens nicht, daß andere derartige Beschwerden vorliegen. Aber jedenfalls würde der Finanz⸗Minister nicht competent sein, die Sache zu entscheiden.

Nun beklagt der Herr Vorredner die Verzögerung der Ent— scheidungen bei den Berufungscommissionen und die Verzögerung der Entscheidungen des Ober-Verwaltungsgerichts auf die Beschwerden. Er hat in dieser Beziehung nicht ganz Unrecht. Wenn er aber sagt, diese Verzögerung ist ungerechtfertigt und unverantwortlich, so muß ich diesen Ausdruck entschieden zurückweisen; diese Verzögerungen waren thatsächlich in dem ersten Jahre der Steuerveranlagung nicht zu ver—⸗ meiden, trotz des größten Eifers, der stärksten Arbeitsleistung und der größten Gewissenhaftigkeit der Behörden.

Die Verzögerungen haben aber längst nicht die Bedeutung, wie er sie darstellt. Er sagte, von den Berufungen sind nur erst sehr wenige entschieden. Das ist ein großer Irrthum. Es sind im ganzen eingelegt von Steuerpflichtigen mit Einkommen unter 3000 (M 276772 Berufungen (hört! hört) von Steuerpflichtigen über 3000 M 35 701 Berufungen (hört! hört!): in Summa 312 473 Be⸗ rufungen. Davon waren im Januar bereits erledigt in der Berufungsinstanz 296 288. (Hört! hört! Es blieben also unerledigt nur 16185.

Wenn also heute gesagt wird, die Berufungscommissionen haben noch die meisten Fälle garnicht entschieden, so ist das ist ein völliger Irrthum.

Was die Beschwerden bei dem Ober⸗Verwaltungsgericht betrifft, so sind allerdings noch eine große Zahl rückständig, aber doch auch schon eine große Anzahl entschieden. Ich habe dieserhalb und mit Rücksicht auf die Unzuträglichkeiten, die Herr Schenck uns mitgetheilt hat, mit dem Präsidenten des Ober⸗Verwaltungsgerichts mich in Verbindung gesetzt, damit derselbe thunlichst dahin wirke, daß diejenigen Beschwerden, deren Entscheidung eine prin— eipielle und präjudicielle Bedeutung hat, die also eine große Anzahl Censiten in ähnlichen Fällen treffen, vorab zur Entscheidung kommen; und der Herr Präsident hat mir auch zugesichert, nach dieser Seite hin seinerseits wo möglich einwirken zu wollen.

Ich bin nun aber noch weiter gegangen, und zwar ohne daß von irgend einer Seite eine Beschwerde an mich gekommen ist, weil ich diesen Zustand allerdings bedauere und das ist wieder ein Punkt, den der Herr Vorredner nicht richtig beurtheilt. Er sagte, diese unglücklichen Genossenschaften müssen zweimal bezahlen, vielleicht 5000 M6, ohne daß über ihre erste Beschwerde entschieden ist. Vielleicht bekommen sie das Geld nachher zurück, wenn sie Recht bekommen; aber sie haben dann doch die Zinsen verloren. Nun, meine Herren, es ist durch eine Cirkularverfügung von meiner Seite den Behörden vorgeschrieben, daß sie in Fällen dieser Art auf Antrag die Steuer stunden sollen (hört! hört!), daß die Censiten also garnicht verpflichtet sind, die Steuer vor der Ent— scheidung zu bezahlen, und Herr Schenck wird so auch wohl in Zukunft die Genossenschaften trösten können, sie sind in der Lage, in dieser Beziehung sich vor jedem Schaden zu bewahren. Ueberhaupt, soweit es von der Centralstelle möglich war, habe ich jede Erleichterung, die mit dem Staatsinteresse im Einklang stand, ein⸗ treten lassen; insbesondere habe ich den großen gewerblichen Unter⸗ nehmungen, Actiengesellschaften und Privaten, in ausgiebiger Weise längere Fristen über die Bestimmungen der Steuerausführungsanweisun⸗ gen hinausgegeben; ich könnte Ihnen eine ganze Reihe derartiger Verfügungen, die von der Centralinstanz ergangen sind, nennen.

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Nun wird vielfach die Sache so dargestellt, als wenn das ganze Land voll von den größten Klagen und Beschwerden wäre. Nun, hier an der Centralinstanz ist keine Beschwerde eingekommen, die nicht auf das gründlichste untersucht worden ist. Es ist durch den Herrn Berichterstatter schon hervorgehoben, daß die meisten Beschwerden sich als unbegründet erwiesen haben. Aber wie viele Beschwerden sind überhaupt eingegangen über das Verfahren? 25 bis 30 Beschwerden in den beiden Jahren. (Hört! Hörth

Meine Herren, ein zelne Klagen sind begründet; es sind Miß— griffe naturgemäß von den Behörden bei der Uebermasse von Ge— schäften bei der ersten Ausführung eines schwierigen Gesetzes vor⸗ gekommen. Wenn Sie aber erwägen wollen, daß wir über 500 Ver— anlagungsbezirke haben, und daß immer nur einzelne Beschwerden aus einzelnen Bezirken hervorgehoben werden, so hat das für die An— schauung über die Art und Weise, wie das ganze Gesetz zur Durch⸗ führung gekommen ist, wenig Bedeutung. Gewiß werden einzelne Beschwerden immer begründet sein, und wenn sie begründet sind, so finden sie Abstellung. Es kann uns ja nur erwünscht sein, berechtigte Kritiken über die Ausführungen zu hören; das empfinden wir nicht allein nicht peinlich, sondern wir sind darüber erfreut. Wenn die Herren Abgeordneten aber solche einzelnen berechtigten Be— schwerden haben oder solche ihnen zur Kenntniß gebracht sind, so möchte ich sie bitten, daß sie mir diese vorher mittheilen; ich bin vollständig bereit, sie genau untersuchen zu lassen und auch den be— treffenden Abgeordneten von dem Resultat Kenntniß zu geben. Aber wenn hier Fälle einzelner Art vorgetragen werden, häufig ohne sie näher zu bezeichnen, wenn man nur im allgemeinen spricht, so kann ich darauf nicht antworten; ich bin dazu ganz außer stande, das werden Sie mir doch zugeben auf solche Dinge zu antworten. Wenn hier Petitionen eingebracht werden, und die Petitionscommission findet, daß diese Petitionen die regelmäßigen Instanzen noch nicht durchlaufen haben, dann werden sie zurückgewiesen; umsomehr könnte ich wohl die Bitte aussprechen, daß, wenn die Herren Abgeordneten solche Beschwerden haben, sie mir diese vorher mittheilen; ich will ihnen dann versprechen, sie auf das genaueste zu untersuchen, um da Abhilfe eintreten zu lassen, wo Abhilfe nöthig ist. (Bravo!)

Meine Herren, ich möchte aber doch, damit das Haus, welches ja diese Gesetzgebung beschlossen hat, sich klar ist oder klar wird, so— weit es noch nicht der Fall sein sollte, über die Zweckmäßigkeit der gesetzlichen Bestimmung, hier noch einigermaßen weiter den Erfolg des Gesetzes beleuchten. Im allgemeinen wird man wohl zugeben müssen, daß ein Gesetz, welches im ersten Jahre eine bisher ohne jede Berechtigung unversteuerte Summe von Einkommen im Betrage von 13 Milliarden der Staatsbesteuerung unterzog, eine innere Nothwendigkeit war, ein Gebot der Gerechtigkeit. (Sehr richtig) Aber die Klagen beziehen sich ja auch nicht auf das Gesetz selbst, und ich darf zu meiner Freude hinzufügen, auch nicht auf die Art und Weise, wie in den Aus— führungsanweisungen den Behörden wegen der Ausführung des Ge— setzes Instruction ertheilt ist, sondern es werden immer nur einzelne Klagen erhoben gegen einzelne Veranlagungt⸗ commissare. Nun richten sich diese Klagen hauptsächlich darauf, daß zuviel beanstandet werde, theilweise darauf, daß die Beanstandungen nicht genügend begründet wären. Was den letzteren Punkt anbetrifft, so habe ich schon mehrfach ausgesprochen, daß es zwar verzeihlich war in dem ersten Ansturm der massenhaften Geschäfte, daß die Begrün— dung der Beanstandungen in vielen Fällen ungenügend gewesen ist, in manchen Fällen die Beanstandung auch nicht innerlich berechtigt war. Aber ich habe stets anerkannt, daß das Gesetz zur Ausführung gebracht werden müsse. Es müssen Gründe angegeben werden für die Beanstandung, sei es schriftlich, sei es, was ich vorziehe, in mündlicher Verhandlung mit den betreffenden Censiten. Darüber sollen die Be— hörden sich klar werden, daß vor der auf Ehre und Gewissen ab— gegebenen Erklärung des Einkommens die Behörden auch einen ge— wissen Respect haben müssen. Die Behörden sollen nur beanstanden, wenn aus den Gesammtverhältnissen, die ihnen sonst bekannt sind, Zweifel an der Richtigkeit der Declaration vorliegen, und wenn sie diese Zweifel begründen und auf bestimmte Punkte hinweisen können, wo noch eine nähere Aufklärung nothwendig ist u. s. w.

Man hat diese Klagen erhoben, namentlich auch in neuerer Zeit in Berlin, und ich werde nun die Berichte, die ich darüber von den Veranlagungscommissaren in Berlin in neuester Zeit eingezogen habe, mittheilen. Ich bemerke dabei, daß, wenn ich hier nur von Berlin Mittheilung mache, das durchaus nicht die Bedeutung haben soll, als wenn hier die Censiten weniger intelligent und weniger gewissenhaft declarirten, als anderswo. Nein, ich bin sogar der Meinung, daß im großen und ganzen in Berlin die Bevölkerung nach ihrer ganzen Zusammensetzung eher im stande ist, correct zu declariren, und auch im großen und ganzen mindestens so gut den Willen hat, richtig zu declariren, als sonst im Lande.

Aus diesen Berichten der Veranlagungscommissare geht nun hervor, daß sie sämmtlich sagen: wir haben nach unseren Erfahrungen noch viel zu wenig beanstandet; denn der bei weitem überwiegende Theil unserer Beanstandungen hat sich durch die Verhandlung mit den Censiten als durchaus begründet erwiesen. Ja, es sagen die Vor⸗ sitzenden: wenn wir die doppelte Zahl beanstandet hätten, so würde sich die doppelte Zahl der Beanstandungen als begründet erwiesen haben.

Meine Herren, ich möchte Ihnen mal einige Beispiele anführen, die allerdings fast unglaublich sind, ohne daß man behaupten kann, daß die betreffenden Censiten mala side handeln, obwohl viele Fälle vorliegen, wo man doch kaum den Satz, daß man sich zu seinen Gunsten leicht irrt (Heiterkeit, unbedingt wird anwenden können, und wo die Commissionen, namentlich die Laienmitglieder der Com⸗ missionen darauf drängen, Anklage wegen böswilliger und wissentlich falscher Declaration zu erheben.

Im Jahre 1892/93 wurde hier sehr wenig, weil wirklich keine Zeit war, beanstandet. Im großen Ganzen wurden die Steuer⸗— erklärungen angenommen, wie sie kamen. In einigen Fällen haben aber diese Beanstandungen doch ein ganz merkwürdiges Resultat er— geben. Beispielsweise ein Klempnermeister veranlagte auf Grund einer genauen Declaration 5100 S.. Die Declaration wurde bean⸗ standet, und es ergab sich und er selbst gab zu, daß sein Nettoeinkommen 26 900 M betrage. (Hört! hört Ein Ingenieur hatte declarirt 43 810 M Infolge eingetretener Beanstandung wurde festgestellt ein steuerpflichtiges Einkommen von 388 900 n (Hört! hörth

Ein Architekt hatte in seiner Steuererklärung ein Einkommen von 12917 AM angegeben; infolge der Beanstandung wurde ein steuer—

pflichtiges Einkommen von 21 377 M ermittelt. Ein Lieferant hatte deelarirt 169 000 S6 Einkommen; infolge Beanstandung der Steuer— erklärung seines Socius und der durch einen Sachverständigen der Behörde mit ihm gepflogenen Verhandlung aber ein steuerpflichtiges Einkommen von 268 460 S selbst zugegeben. (Hört! hört! rechte.)

Meine Herren, ganz ähnlich nun geht die Sache im Jahre 1893.ñ94. Es sagen hier die Commissarien: es seien etwa 30 be⸗ anstandet worden und J von diesen Beanstandungen hätten vollen Er—⸗ folg ergeben, und es würden sehr bedeutende Steuern dem Staat entgangen sein, wenn diese Beanstandungen nicht stattgefunden hätten.

Beispielsweise führt ein Veranlagungscommissar folgende Fälle an. Ein Banquier mit einem Einkommen über 500 000 S hat als abgeschätzten Miethswerth der Wohnung vor der Steuererklärung 24 800 M angegeben; sowie die Beanstandung stattfindet, erklärt er selbst, er müsse zugeben, seine Wohnung sei auf 44 200 6 abzuschätzen! Ein Procurist mußte im Beanstandungsverfahren zugeben, daß er für das laufende Jahr 100 000 S, für das vorige Jahr 80 000 S zu wenig deelarirt hat.

Meine Herren, wir haben in ganz zahlreichen Fällen durch die Beanstandung constatirt, daß Steuerpflichtige willkürliche Jahre nahmen für den dreijährigen Durchschnitt, und zwar immer diejenigen Jahre, die ihnen am günstigsten waren. (Heiterkeit, Es ist sogar in einer ganzen Klasse, die ich nicht näher bezeichnen will, gewissermaßen wie auf eine Verabredung hin zum System geworden. (Heiterkeit In anderen Fällen haben auch die Censiten gesagt, sie hätten einen dreijährigen Durchschnitt nicht zu Grunde gelegt und hätten nur einen einjährigen des letzten Jahres genommen, weil das so wenig Einkommen hatte.

Ich will nicht weiter in die Sache hineingehen; ich habe hier noch eine große derartige Liste; ich könnte das fortsetzen; ich will nur sagen, daß, wenn wir alle bei der Berathung des Gesetzes darüber einig waren, daß es unmöglich sein würde, wenn man überhaupt zu dem Resultat einer annähernd richtigen und gerechten Veranlagung kommen will, allein die Declaration entscheiden zu lassen, sich das in vollem Maße bewährt hat. Ich bin überzeugt, daß viele dieser unrichtigen Steuerdeelarationen, und wohl bei weitem die meisten, aus wirklich unrichtiger Auffassung, aus Irrthum entstanden, nur sehr wenige ver⸗ hältnißmäßig wissentlich falsch gegeben sind; und häufig sind die Censiten dem Veranlagungscommissar wirklich dankbar, daß er mit ihnen die Sache durchspricht, sie selbst aufklärt das ist schon vorgekommen (große Heiterkeit), wenigstens drücken sie sich so aus. (Erneute Heiterkeit.) Quisquis praesumitur bonus donec contrarium probetur. So- viel steht aber fest, daß wir noch in Jahren nicht zu den vollen Resultaten, wie wir sie anstreben, kommen werden. (Sehr richtig!) Meine Herren, wir haben da die Verhandlungen der sächsischen Kammer, mein Herr Commissar hat sie vor kurzem genau durch— gesehen, und was geht daraus hervor? Es ist genau so gegangen wie bei uns: in den ersten Jahren der Einführung des Einkommen steuergesetzes in der Kammer fortwährend Beschwerde, Unzufrieden heit und Klagen, dagegen in den beiden letzten Jahren volle Anerkennung der sächsischen Kammern über die richtige Durch— führung des Gesetzes. Ich hoffe, es wird uns auch noch so gehen, wenn wir auch Klagen hier und da über uns müssen ergehen lassen, an denen wir unschuldig sind; wenn auch nicht anerkannt wird, daß wir bemüht sind, nach allen Richtungen hin begründeten Klagen abzu— helfen. Ich hoffe, es kommt noch die Zeit, wo Sie uns auch ein—⸗ mal Ihre Anerkennung werden ju theil werden lassen. (Lebhaftes Bravo!)

Abg. Dr. Friedberg (n.): Diese Hoffnung theile ich auch; ich wünsche nur, daß sie recht bald erfüllt wird. Die Beschwerden, die hier vorgebracht sind, soll der Finanz⸗Minister nicht entscheiden, sondern wir wollen dem Minister nur einige Typen der Beschwerden über die Veranlagung geben. Die Steuerzahler sind meist nicht gewöhnt, mit gesetzlichen Bestimmungen zu operiren; aber der Landrafh sollte doch sopiel Gesetzeskenntniß haben, daß er nicht ungesetzlich verfährt. Diesen seinen Beamten gegenüber scheint der Finanz⸗Minister aber sehr milde zu verfahren. Beanstandungen sind oft schon erfolgt, weil die Beamten eine nähere Auskunft wünschten: so bezüglich der Einnahmen aus Handel in den Jahren, wo nur der Durchschnitt der drei Jahre an— gegeben ist; bezüglich der Größe des Vermögens, als ob die Ver— mögenssteuer schon eingeführt wäre. Ein Landrath hat gedroht, die Banquiers, welche die Geldgeschäfte besorgen, über die Verhältnisse ihrer Kunden eidlich zu vernehmen, wozu er gar nicht berechtigt war, wogegen auch die Banquiers sich öffentlich verwahrt haben. Es scheint fast, als ob das preußische Beamtenthum nicht im stande ist, ein solches Gesetz richtig durchzuführen. Wir wollen doch Alle, daß die Bevölkerung zu der Ueberzeugung kommt, daß das von uns mit Freuden angenommene Gesetz ein gerecht wirkendes Gesetz ist. Die Praxis der Steuercommissionen kann aber vielfach das Volk mit der Handhabung des Gesetzes nicht versöhnen.

Finanz-Minister Dr. Miquel:

Gewiß, meine Herren, Beschwerden begründeter Art zu hören, wird mir immer angenehm sein; aber Urtheile eines Redners hier im Hause, daß die preußischen Beamten so überraschend unfähig wären (hört! hört, die höre ich nicht gern und weise sie zurück. (Bravo h

Meine Herren, wer eine gewisse Presse in der letzten Zeit beobachtet hat, könnte doch auf den Verdacht kommen, daß die Gegner der Declaration, überhaupt solche, die auch schon bei Emanirung gegen das Gesetz waren, ohne daß sie wußten, wie es ausgeführt werden würde, die Gelegenheit benutzten, ihre Beschwerden gegen das Gesetz selbst unter dem Deckmantel mangelhafter Ausflihrung an den Mann zu bringen und auf eine gewisse laxe Handhabung des Gesetzes seitens der Beamten hinzuwirken. Das wird nicht gelingen; die preußischen Beamten des können Sie sicher sein werden in einer festen, eonstanten, ge⸗ rechten und durchgängig durchaus taktvollen Art der Ausführung des Gesetzes durch Preßartikel sich nicht beirren lassen, ebenso wenig das Finanz⸗Ministerium. Wir haben die Aufgabe und die ist gewiß nicht immer angenehm —, ein solches Gesetz consequent und gerecht zur Durchführung zu bringen, und der Aufgabe werden wir in vollem Maße gerecht zu werden wenigstens bestrebt sein.

Wenn nun der Herr Vorredner mir vorwirft, ich sei zu nach⸗ sichtig gegen Mißgriffe der Beamten, er könne nicht begreifen, warum ich diese Beamten nicht rectificirt hätte, so möchte ich wohl wissen, wie ich einen Beamten rectificiren soll, von dessen Thun und Lassen in der bezeichneten Richtung ich erst ja soeben Kenntniß bekommen habe. (Heiterkeit) Warum ist Herr Pr. Friedberg nicht vorher zu mir gekommen und hat mir Fälle unter Nennung der Namen mitgetheilt? Dann würde ich die Sache haben untersuchen lassen und auch die Beamten gehört haben; denn es soll niemand verdammt werden, ohne daß man das Für und Wider auch hört. (Sehr richtig.)

Wenn die Fälle so liegen, wie der Herr Vorredner angeführt hat,

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