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Heute traten die vereinigten Ausschüsse des Bundes⸗ raths für Zoll- und Steuerwesen und für Handel und Verkehr zu einer Sitzung zusammen.
Die „Freisinnige Zeitung“ bespricht in dem Leitartikel der Nr. 51 unter der Ueberschrift: „Der Finanzantrag Richter in der Militärcommission“ die Ver— handlungen der letzteren über diesen Antrag. Der Ar tikel schließt mit folgendem Satz: „Wir bemerken schließlich och, daß sämmtliche in dem Antrage angeführten Zahlen an sich von der Regierung als zutreffend anerkannt sind und sich also mit amtlich mitgetheilten Ziffern decken.“
Gegenüber diesem Versuch, den Inhalt des Antrags Richter sogar in seinen Einzelheiten durch die Autorität der Regie⸗ rungen zu decken, darf nicht übersehen werden, daß, in Voraussicht eines solchen Versuchs, der Staatssecretär des Reichs-Schatzamts Freiherr von Maltzahn bei der Be⸗ rathung der ersten Position des Richter'schen Antrags in der Commission ausdrücklich erklärt hat, er verwahre sich dagegen, daß aus dem Schweigen der Vertreter der verbün⸗ deten Regierungen zu den einzelnen Abschnitten des Richter“ schen Antrags etwa der Schluß gezogen werde, als ob ihrerseits der Inhalt der Anträge für richtig erachtet werde.
Der heutigen Nummer des „Reichs- und Stagts⸗-Anzeigers“ ist eine besondere Beilage (Nr. I), enthaltend Entscheidungen des Reichsgerichts, beigefügt
Hannover, 28. Februar. Der 26. Han noversche Provinzial-Landtag ist heute Nachmittag durch den Ober— Präsidenten Dr. von Bennigsen als Königlichen Commissarius mit folgender Ansprache eröffnet worden:
„Hochgeehrte Herren!
Im Namen der Königlichen Staatsregierung habe ich die Ehre, Sie bei Beginn Ihrer Verhandlungen zu begrüßen. .
Ueber die von ihnen angeregte Revision der Wegegesetzgebung, sowie über die beantragte Ausdehnung des Krankenversicherungszwangs auf die Dienstboten einschließlich des in der Land⸗ und Forstwirth⸗ schaft beschäftigten Gesindes sind die Erwägungen und Verhandlungen innerhalb der Staatsregierung noch nicht zum Abschluß gelangt.
Obwohl aus verschiedenen Gründen seit einigen Jahren die Finanzlage der Provinz sich weniger günstig gestaltet hat, geben doch die Mittheilungen des Provinzial⸗Ausschusses über die Ergebnisse der Verwaltung für das Jahr 1. April 1891/92, sowie der vorgelegte Haushaltsplan des Provinzialverbandes für das Jahr 1. April 189394 im ganzen ein erfreuliches Bild reger Thätigkeit und unzweifelhafter Fortschritte auf vielen Gebieten, insbesondere dem Anstaltswesen, der Forst⸗ und Moorcultur und der neuerdings unternommenen Anregung und Unterstützung landwirthschaftlicher Winterschulen. Lediglich die
früheren Jahren so stark hervortretende Förderung des Baues
Landstraßen und Gemeindewegen hat aus Mangel verfügbarer einen außerordentlichen Rückgang erfahren. Da in dem ö J. April 1893/94 den Kreisen noch die reichen Zuwendungen guts der sogenannten lex Huene zu Gebote stehen und die einen baldigen Abschluß verheißenden gesetzgeberischen Arbeiten über die Reform der Ertragsteuern und der Communalabgaben im nächsten Jahre ein klareres Bild der Finanzlage der Kreise und Gemeinden zu gewähren versprechen, wird es nicht unberechtigt erscheinen, wenn die Provinzialverwaltung die weiteren entscheidenden Schritte wegen der Beschaffung der für den Landstraßen⸗ und Gemeindewegebau erforder⸗ lichen Mittel zur Zeit noch hinausschiebt.
Nach § 41 des Gesetzes über Kleinbahnen und Privat-Anschluß⸗ nen vom 28. Juli v. J. können die den Provinzialverbänden aus aatsmitteln überwiesenen Dotationen auch zur Förderung des Baues von Kleinbahnen verwendet werden. Mit Rücksicht hierauf habe ich den Provinzialausschuß unter dem 30. Dezember v. J. um eine Mit⸗ theilung ersucht, ob und in welchem Umfange die Provinzialpverwaltung ereit fein würde, von der durch das Gesetz ihr verliehenen Befugniß zebrauch zu machen. Inzwischen haben bereits in mehreren anderen Provinzen die Provinzialausschüsse den Provinzial-Landtagen anheim— egeben, zu beschließen, daß Beihilfen zur Herstellung oder Aus— üstung von Kleinbahnen gewährt, oder daß die Provinzialstraßen den Unternehmern zur Benutzung überlassen werden können. Das mir über die gepflegenen Verhandlungen seitens des Herrn Ressort— Ministers zugänglich gemachte Material habe ich dem Provinzial Ausschuß mittels Schreibens vom 25. d. M. vollständig mitgetheilt. Bei der außerordentlichen Bedeutung eines ausgedehnten Kleinbahn⸗ netzes für die wirthschaftliche Entwickelung der Provinz gebe ich mich der Hoffnung hin, daß die Provinzial-⸗Verwaltung nach dem Vorgange anderer Provinzen das Kleinbahnwesen zu fördern und zu unterstützen bereit sein wird, insbesondere durch eine den Unternehmern von Klein bahnen entgegenkommende Ueberlassung der Provinzialchausseen für deren Anlegung.
Im Allerhöchsten Auftrage Seiner Majestät des Königs erkläre ich auf Grund des § 26 der Provinzialordnung den 26. Provinzial Landtag für eröffnet.“
Daran anschließend brachte in Vertretung des noch in keconvalescenz begriffenen Botschafters Grafen Münster der Vice-⸗Präsident des Provinzial-Ausschusses, Ober-Bürgermeister Lauenstein, ein Hoch auf Seine Majestät den Kaiser ind König aus.
Hierauf wurde als ältestes Mitglied des Provinzial-Landtags landschafts⸗Rath Dr. Meyer-⸗Essen, der am 23. Dezember 1813 geboren ist, ermittelt und demselben das Präsidium übertragen. Derselbe ernannte zu Schriftführern den Grafen Wedel-Gödens und den Landrath Heitmann.
Die Wahl des Präsidenten wurde für die auf morgen anberaumte Sitzung festgesetzt.
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Mecklenburg⸗Strelitz.
Der Magistrat von Neustrelitz hat, wie die „Meckl Nachr.“ mittheilen, unter dem 25. v. M, nachstehende Bekannt machung erlassen:
„Selne Majestät der Deutsche Kaiser und König von preußen hat uns Seine Freude und Befriedigung über den Ihm und Seiner Hohen Gemahlin seitens der Residenzstadt Neustrelitz be—⸗ reiteten Empfang ausgesprochen und uns gleichzeitig beauftragt, Seinen Dank für die Ihm dargebrachte Huldigung allen Betheiligten kund zugeben. Wir erfüllen diesen Allerhöchsten Auftrag, indem wir den— selben hierdurch zur allgemeinen Kenntniß bringen.“
Oldenburg.
(II.) Der Landtag hat in seiner vorgestrigen Sitzung den sämmtlichen von der Staatsregierung in Bezug auf die Eisenbahnvorlagen gestellten Anträgen seine Zustimmung ertheilt. zu dem Ausschußbericht über die Vorlage der Staatsregierung wegen Ueberschreitungen des Erneuerungs⸗ sonds der Eisenbahnverwaltung wurde aus der Mitte des Landtags ein Antrag auf Einführung einjähriger Finanz⸗ perioden unter Beibehaltung dreijähriger Wahlperioden ge— stellt und dieser Antrag mit 21 gegen 10 Stimmen vom
Landtage angenommen. Gestern ist der Landtag durch den Qber⸗Regierungs⸗Rath Dugend geschlossen worden. Der , . brachte zum Schluß ein Hoch auf Seine n, Hoheit den Großherzog aus, in das die Versammlung l haft einstimmte.
Elsas⸗⸗Lothringen. Der Kaiserliche Statthalter Fürst Hohenlohe ist vor— gestern aus Berlin wieder in Straßburg eingetroffen.
Oefsterreich Ungarn.
Der Kaiser traf, wie „W. T B.“ meldet, gestern von München kommend incognito in Zürich ein und wurde auf dem Bahnhofe von dem General⸗Konsul Przibram empfangen. Nach einer Spazierfahrt durch die Stadt setzte der Kaiser die Reise nach Lausanne fort, wo die Ankunft kurz nach 4 Uhr erfolgte. Der Kaiser wurde am Bahnhofe von der Kaiserin erwartet und begab sich mit Allerhöchstderselben nach Territet.
Das österreichische Abgeordnetenhaus nahm in seiner gestrigen Sitzung nach Erledigung des Etats des Finanz— Ministeriums die Gesetzentwürfe über die Außercurssetzung der Vereinsthaler und Vereins-Doppelthaler österreichischen Gepräges und die Einziehung der Zweigulden⸗ und der Ein— viertelgulden-Stücke an.
Der niederösterreichische Landtag hat gestern nach mehrtägiger Verhandlung und unter heftiger Opposition der Anstisemiten mit 37 gegen 24 Stimmen die Vorlage über die durch das Fernbleiben der Antisemiten von den Gemeinderaths⸗ sitzungen veranlaßte Abänderung des Wiener Gemeindestatuts angenommen und sich darauf vertagt.
Im ungarischen Unterhause erklärte gestern der Minister⸗Präsident Dr. Wekerle bei der Debatte über den Etat des Ackerbau⸗Ministeriums, in der nächsten Woche werde eine Enquétecommission behufs Erörterung der Frage des Credits für die kleineren Grundbesitzer zusammen⸗ treten. Die Regierung werde der Commission einen Gesetz⸗ entwurf über die Creditgenossenschaften unterbreiten. Der Minister stellte ferner für den Fall der Zunahme der öffentlichen Bedürfnisse die Einführung einer Börsensteuer auf Grund eines mäßigen Ansatzes in Aussicht. Was die zollfreie Einfuhr von rumänischem Getreide angehe, so müsse diese im Interesse der Mühlenindustrie auch noch ferner er— laubt werden.
Großbritannien und Irland.
Ihre Majestät die Königin hielt gestern Nachmittag zum ersten Mal seit zwei Jahren wieder Da men-Empfang im Buckingham⸗Palast ab. An dem Empfange nahmen, wie „W. T. B.“ meldet, auch Ihre Majestät die Kaiserin Friedrich, der Prinz von Wales, der Herzog von hork und die Prinzessin Christian zu Schleswig⸗ Holstein theil; auch der Premier-Minister Glad stone, der Earl of Rosebery und der Marquis of Salisbury wohnten der Feierlichkeit bei. .
In der gestrigen Sitzung des Unterhauses erklärte der Parlaments⸗-Unter⸗Staatssecretär des Auswärtigen Sir E. Grey, amtliche Verhandlungen über den Handels vertrag mit Spanien hätten noch nicht begonnen, aber die spanische Regierung werde dazu bereit sein, sobald die Cortes im April zusammenträten; inzwischen genieße der englische Handel in Spanien die Behandlung der meistbegünstigten Nation. Der Deputirte Meysey-⸗Thompson lenkte die Auf merksamkeit auf die internationale Münzconferenz und beantragte, daß im Hinblick auf den sich steigernden Werthunterschied zwischen Gold und Silber und die ernsten daraus entstehenden Uebel die Regierung den äußersten Einfluß aufbieten sollte, um den Wiederzusammentritt der Münz— conferenz zu veranlassen und den englischen Vertretern die un— mittelbare Nothwendigkeit zu empfehlen, in Uebereinstimmung mit anderen Nationen ein wirksames Abhilfsmittel zu finden. Der Premier-Minister Gladstone bekämpfte den Antrag, der zwar nicht vom Bimetallismus spreche, aber darauf hinziele. Es sei eigenthümlich, daß, während die Vereinigten Staaten die Initiative zer Brüsseler Conferenz ergriffen hätten, jetzt England vorgehen solle. Die englische Regierung sei der Ansicht, daß auf der Conferenz kein Vorschlag gemacht sei, der England die Veränderung seines Systems möglich mache. Es würde lächerlich sein, wenn England auf der neuen Conferenz ohne einen Plan erschiene. England habe die Bewegung nicht aufgehalten. Auf der Conferenz habe es zwei Theile gegeben; der eine Theil habe aus Mächten bestanden, die keine Veränderung wollen, der andere aus denjenigen, welche nicht die leiseste Andeutung über die von ihnen gewünschte Aenderung gemacht hätten. Die Währung sei das gemeinsame Maß der Erzeugnisse. Es sei erwünscht, daß die Währung Festigkeit und Beständigkeit besitze. Die allgemeine Ansicht neige mehr und mehr dahin, daß Gold die beste Währung abgebe, weil es am wenigsten veränderlich sei. Der Rückgang der Waarenpreise sei allgemein durch die vermehrte Production und die Verbesse rung der Transportmittel verursacht. Der Preis des besten Products aber, der Arbeit, sei überall gestiegen, in England sogar enorm gestiegen. Er frage, wie es möglich sei, den Werth des Goldes, der nie mehr als 3 bis 4 Proc. schwankte, dadurch zu erhöhen, daß man ihm Silber zugeselle, das 40 Proc. Veränderung im Preise zeige und nach der Ansicht mancher Autoritäten noch um weitere 30 Proc. sich im Preise verändern dürfte. Man möge sich vorsichtig bedenken, ehe man sich von dem Boden entferne, auf dem England innerhalb des letzten halben Jahrhunderts einen Handel errichtet habe, welcher in der Weltgeschichte ohne Beispiel sei. Sir W. Harcourt erklärte, die Brüsseler Conferenz sei gescheitert, weil ihr kein definitiver Vorschlag unterbreitet worden sei. Falls die Conferenz wieder zusammentreten und ihr von Amerika oder einer anderen Macht ein Vorschlag unterbreitet werden sollte, so werde die englische Regierung bereit sein, diesen zu erörtern; es sei aber angesichts der Meinungsver⸗ schiedenheiten der Delegirten nicht wahrscheinlich, daß ein solcher Vorschlag werde gemacht werden. Der Antrag Thompson wurde hierauf mit 229 gegen 148 Stimmen ver⸗ worfen. Ein Unterantrag Beckett's, der sich gegen jeden Schritt Englands zu Gunsten eines Wiederzusammentritts der Conferenz richtet, wurde angenommen.
Wie die „Frkf. Ztg.“ r hn wurde in der vorgestern ab⸗
, . Sitzung des Comités der irischen Unionisten⸗ Allianz mitgetheilt, daß eine ausgedehnte Bewegung über ganz Irland veranstaltet werde, um eine Petition an das Parlament gegen die Homerulebill zu stande zu
bringen. Auch der Ausschuß der Dubliner Handels— kammer hat gestern einstimmig eine Resolution gegen die Bill gefaßt.
Frankreich.
In der gestrigen Sitzung des Senats legte der Finanz— Minister Tirard das Budget vor, das an die Finanz— commission verwiesen wurde.
Eine zahlreich besuchte Versammlung von Senatoren hat beschlossen, die Trennung des Entwurfs der Getränke— steuerreform von dem Budget zu beantragen.
Die Deputirtenkammer berieth gestern dem, W. T. B.“ zufolge den vom Senat angenommenen Gesetzentwurf, wonach die Colonial-Armee ausschließlich durch Anwerbung oder Wiederanwerbung von Freiwilligen ergänzt werden soll. Der Kriegs-Minister Loizillon und der Marine⸗Minister Rieuvpier stimmten dem Entwurf im Princip bei, befürch⸗ teten aber, daß die Zahl der Anwerbungen nicht hinreichend sein werde, und verlangten die Ueberweisung des Entwurfs an eine Commission. Die Kammer beschloß jedoch, in die Berathung der einzelnen Artikel einzutreten. Der Entwurf wurde schließlich mit 488 fn 4 Stimmen angenommen. Der Deputirte Ja ur ‘s interpellirte sodann die Regierung über den Strike in Rieve de Gier und behauptete, die Regierung habe nicht dafür gesorgt, daß das Gesetz über die Syndikate von den Arbeitgebern respectirt werde. Der Minister⸗-Präsident Ribot rechtfertigte die Haltung der Regierung; er erklärte, das Arbeiter— syndikat habe den Arbeitgebern das Recht nicht zugestanden, einen dem Syndikat ( angehörenden Arbeiter zu entlassen. Er werde dafür sorgen, daß die Freiheit der Arbeit überall geachtet werde. (Beifall,. Die von Ribot verlangte einfache Tagesordnung wurde sodann mit 353 gegen 133 Stimmen angenommen.
Ferner wurde mit 335 gegen 57 Stimmen die Dringlichkeit für den Antrag des Deputirten Boissy d'Anglas, die Zeitungen für die von ihnen veröffentlichten finanziellen Inserate und Empfehlungen verantwortlich zu machen, be— schlossen.
Der Abg. Marius Martin beabsichtigt, den Minister—⸗ Präsidenten Ribot über die Versprechungen zu interpelliren, die nach gewissen Zeitungen der Director der allgemeinen Sicherheit der Frau Cottu's gemacht habe, um von ihr die Namen derjenigen Abgeordneten der Rechten zu erfahren, die Panamagelder empfangen hätten.
Im Laufe dieses Jahres werden eine Reihe von strate— gischen Eisenbahnlinien dem Verkehr übergeben werden. Im Norden kommt, wie der „Temps“ meldet, zunächst die Strecke von Rozoy⸗-sur-Serre bis Liart in Betracht, die später bis Tourne bei Mezières-Charleville durchgeführt werden soll, und dann eine directe Verbindung von Amiens, dem Haupt— quartier des 11. Corps, zur Maas bildet. Die Wirksamkeit des verschanzten Lagers von Lille wird durch Anlage der Linie Seclin —empleuve erhöht. Für die Verthei— digung der Halbinsel Cotentin und Cherbourgs bildet die Linie Carentan —Haye⸗du⸗Puits die Basis. An der Alpengrenze wird die Strecke Albertville —-Moutien in Betrieb genommen, sie soll bis Annecy verlängert werden. Das große Zeughaus in Bourges erhält directe Verbindung mit Auxerre, Troyes, Toul und Verdun durch die Strecke Bourges — Cosue und Cosue—Clamech Um diese wichtige zweigeleisige Linie ganz selbständig zu machen, plant man eine Linie von Auxerre nach St. Florentin. Durch die Herstellung der Linien St. Florent —-Issoudun und Limoges — Uzerche —Brive erhält das XIV. Corps eine große zwei geleisige Strecke bis zur Maas. Eine zweite eingeleisige Linie Bourges — Toulouse wird durch die neue Theilstrecke Mauriac Verdes die Mobilmachung des XVII. Corps erleichtern. Von geringerer Bedeutung sind verschiedene kleinere Verbindungen, deren Werth in der schnelleren Beförderung der einberusenen Mannschaften nach den Sammelpunkten besteht. Dem XVIII. Corps bleibt künftig die Strecke Bordeaur— Orleans zur alleinigen Verfügung, da das 1X. Corps eine zweigeleisige Verbindung Montoire — Chateaurenault erhält. Nach Ansicht des „Temps“ ist mit diesen Bauten der Plan ausgeführt, jedem Corps eine zweigeleisige Bahn zu seiner Benutzung für die Beförderung an die Grenze zu geben. ⸗
Der „Figaro“ veröffentlicht den protokollarischen Wortlaut der Aussagen von Lesseps, Clémenceau, Floguet und Freyceinet vor dem Untersuchungs⸗ richter. Lesseps erklärte, Reinach hätte, wiewohl er seit dem Jahre 1884 an zehn Millionen von der Panama-⸗Gesell⸗ schaft erhalten hätte, im Jahre 1888 weitere zehn bis zwölf Millionen verlangt, angeblich um Herz zufrieden zu stellen, der Schwierigkeiten gemacht habe. Auf seine Weigerung hätte Reinach bemerkt, dann sei alles verloren. Aus den weiteren Aussagen von Lesseps, sowie von Clèmenceau, Floquet und Freycinet geht thatsächlich hervor, daß die letzteren drei in dieser Angelegenheit intervenirten, wenngleich sie ihren Er— klärungen zufolge die Forderungen Reinach's nicht näher be— rührten und lediglich verhindern wollten, daß die schwierige politische Lage durch einen etwaigen Finanzkrach noch complicirter würde. Der „Figaro“ zieht aus den angeführten Aussagen den Schluß, daß insbesondere Floquet und Clämenceau von der Panama-⸗-Gesellschaft tropñz des Wider— strebens Lesseps für ihre Protegés oder Allüirten Gelder er⸗ langten. Der Prozeß gegen Lesseps könnte demzufolge gleich⸗ zeitig ein Prozeß gegen die Minister jener Zeit werden; an her oben erwähnten Intervention habe indirect auch der jetzige Senator Nane theilgenommen.
Rußland.
Unter dem Vorsitz des Großfürsten⸗Thronfolgers hat, wie ‚W. T. B.“ erfährt, gestern in St. Petersburg eine combinirte Sitzung des sibirischen Comitès, des Minister-Comités und des Departements der Reichs 5konomie stattgefunden. Darin wurde die Richtung für die sibirische Bahn bis Irkutsk, sowie für die Zweigbahn von Jekaterinburg nach Niaß festgesetzt.
Italien.
Bei dem vorgestrigen Empfange durch den Papst richtete nach einer Meldung der „Agenzia Stefani“ der. General Freiherr von Los folgende Ansprache an den Papst:
Seine Majestät der Kaiser und König haben mich be⸗ auftragt, in die Hände Eurer Heiligkeit dieses Schreiben zu legen, welches die aufrichtigen Glückwünsche Seiner Majestät anläßlich des denkwürdigen Jahrestags enthält, der die Vertreter aller Nationen um den heiligen Stuhl versammelt. Seine Majestät der Kaiser bittet Eure Heiligleit, dieses Andenken an den. 19 Fe⸗ bruar in Geneigtheit annehmen zu wellen als ein Symbol der bischöflichen Würde, zu der die e i, Eurer Heiligkeit an demselben Tage vor fünfzig Jahren er⸗ oben hat. Seine Majestät nimmt von Herzen gern diesen feierlichen Anlaß wahr, um Eurer Heiligkeit den warmen Ausdruck freundschaft⸗
licher Gesinnung zu wiederholen und sich mit den Wänschen Seiner ,, . zu vereinigen. Für meine Person zur großen katholischen Gemeinschaft Deutschlands gehörig, bin ich stolz darauf und glücklich, von meinem erlguchten Souverän als Dolmetsch seiner Gefühle bei der verehrungswürdigen Person Eurer Heiligkeit aus— ersehen worden zu sein.“
Der Papst erwiderte:
Wir sind von den Glückwünschen, die der Deutsche Kaiser durch Ihre Vermittelung Uns hat darbringen lassen, tief gerührt. Wir zweifeln nicht daran, daß dieser neue Beweis der Hochachtung, welchen Ihr Erlauchter Souverän dem Oberhaupte der Kirche gegeben hat, von den Katholiken des Deutschen Reichs nach Gebühr gewürdigt wird. Er wird in hohem Grade dazu beitragen, in den deutschen Katholiken die Ehrfurcht und die Treue zu vermehren, welche die Unterthanen zum Heile der Nationen den Vertretern und Inhabern der Macht gegenüber bewahren müssen. Wir sagen absichtlich „diesen neuen Beweis“ und erinnern Uns gern der verschiedenen Umstände, wo be— reits nach dem Beispiel seines erlauchten Großvaters, des Kaisers Wilhelm J., und erfüllt von den heiligsten Interessen seines Volks Seine Majestät sich geneigt gezeigt hat, unsere Bemühungen um die Herstellung des relissen Friedens zu unterstützen. Was Uns betrifft, so werden wir nichts verabsäumen, um jenes Ziel zu erreichen, von dem der kostbarste Gewinn ausgehen wird, nämlich die Verwirklichung der gesetzlich berechtigten Wünsche, der Gewissensfriede und das Wachtthum des christlichen Gefübls in der edlen deutschen Nation. Dieselben Gesinnungen werden Wir in Unserem Antwortschreiben auf den Brief zum Ausdruck bringen, den Sie Uns soeben übergeben haben, — in dem Antwortschreiben, welches Sie die Gewogenheit haben werden, in die Hände Seiner Majestät zu legen, sobald Sie Ihm Bericht erstatten über diese ehrenvolle Mission, die Ihnen mit so jroßem Rechte anvertraut ward und die Sie in so würdiger Weise erfüllt haben. Ich bitte Sie, bei derselben Gelegenheit Seine Majestät des sehr lebhaften Interesses zu versichern, welches Wir für Seine erhabene Person haben, sowie der Wünsche, die Wir für Ihn und die ganze Kaiserliche Familie hegen.“
Gestern empfing der Papst den spanischen Abgesandten Merry del Val, der ein eigenhändiges Glückwunschschreiben der Königin⸗-Regentin und als Geschenk eine sehr werth⸗ olle Sammlung von Teppichen aus dem 15. Jahrhundert überreichte.
Der Senat hat gestern, wie ‚W. T. B. berichtet, nach lebhafter Debatte die Verlängerung des provisorischen Budgets auf einen Monat mit 1063 gegen 410 Stimmen angenommen.
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Eyanien. General-Gouverneur der Philippinen ist, ich weigert, seine Entlassung zu nehmen, dem „W. T. B.“
lge telegraphisch seines Postens enthoben worden.
Belgien. Die Repräsentantenkammer begann gestern die Be— rathung der Revisionsvorlage. Der Minister⸗Präsident Beernagert gab, wie „W. T. B.“ herichtet, in einer längeren Rede einen geschichtlichen Ueberblick über die belgischen In⸗ stitutionen seit dem Jahre 1830 sowie über die moralische und materielle Lage und erbat schließlich die Unterstützung Aller zur Lösung der schwierigen Fragen. Im weiteren Verlauf seiner Rede bekämpfte der Minister-Präsident sodann das allgemeine Stimmrecht und trat für das von der Re— gierung vorgeschlagene System der Wahlreform ein, das gewisse Garantien feststelle. Er führte ferner aus, daß die Gleichheit der Wahlberechtigung eine Absurdität sei, ver urtheilte die Collectivisten, welche die bestehende Gesellschaft umstürzen wollten und hob die von der Regierung gemachten Zu— geständnisse sowie die Widersprüche hervor, die in den von den Liberalen eingebrachten Revisionsprojecten enthalten seien.
Bulgarien.
Die „Swoboda“ veröffentlicht ein Telegramm aus Tir owo mit den Unterschriften des Vice-Präsidenten der Sobranje und mehrerer Deputirten, das im Auftrage von etwa 2000 Bewohnern des Districts abgesandt ist, und meldet, die Bevölkerung wäre durch die unpatriotische Haltung des Metropoliten, namentlich infolge seiner am 2s. Fe bruar aus Anlaß des Geburtstags des Prinzen Ferdinand gehaltenen Rede, äußerst erregt worden und habe beschlossen, durch eine Deputation von dem Metropoliten Auf klärung und Garantien für seine künftige Haltung zu ver langen. Da der Metropolit hei seiner bisherigen Haltung beharrt habe, sei er durch eine Deputation zwangsweise in das Peter-Paul⸗-Kloster geführt worden, der Schlüssel zur Metropol kirche sei dem Präfecten übergeben worden. Die Bevölkerung verlange um jeden Preis die Ersetzung des Metropoliten durch eine andere Persönlichkeit.
Schweden und Norwegen.
(F) Christiania, 26. Februar. Nach den „Statistischen Mittheilungen“ belief sich der gesammte Waarenumsatz Norwegens mit dem Auslande im Jahre 1392 für 21 Einfuhr und 25 Ausfuhrartikel auf 176590 100 Kron. Der Werth der Einfuhr war gegen das Jahr 1891 um 4 8416 700 Kron. herabgegangen, dagegen der Werth der Ausfuhr um Ss726500 Kron. gestiegen. Die Mindereinfuhr betraf hauptsächlich Roggen (über 58 Millionen Kilogramm), Butter, Wein in Fässern, Syrup und Hanf. Die Mehrausfuhr entfiel be sonders auf Stocksisch, Klippfisch, gesalzenen Hering, Fischroggen und Thran; etwas zurückgegangen ist die Ausfuhr von Holz, Fischguano, Hafer, Bier, Holzstoff, Apatit und Nickelerz.
Dänemark.
(E) Kopenhagen, 27. Februar. In den ersten neun Monaten des laufenden Finanzjahres haben die Einnahmen aus den Zöllen, den Schiffsabgaben, der Branntwein⸗, Bier⸗ und Kriegssteuer u. s. w. 24 456 478 Kronen gegen 25 250 597 Kronen in der gleichen Zeit des vorigen Finanzjahres betragen.
Das Folkething hat einer Meldung des „W. T. B.“ zufolge am 28. Februar den im Budget für die Theilnahme Dänemarks an der Flottenrevue in Nem⸗Hork geforderten Credit definitiv abgelehnt, jedoch den für Absendung einer außer⸗ ordentlichen Mission nach Madrid behufs Abschlusses eines dänisch⸗spanischen Handelsvertrages geforderten Betrag be⸗ willigt.
Amerika.
Die Repräsentanten kammer hat, wie W. T. B.“ aus Washington berichtet, das Inkraftbleiben des be⸗ stehenden Zolls von 35 Proc. für Leinen, der im Januar 1853 auf 50 Proc, erhöht werden sollte, bis Ende 1694 ver⸗ längert. Die Zölle auf Rohzinn bleiben unverändert.;
Nach einer Meldung der „Times“ aus Philadelphia hat der Eo ngreß beschlossen, daß die dip lomatischen Ver— treter der Vereinigten Staaten in dem Lande, in welchem dieselben beglaubigt sind, den gleichen officiellen Titel
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wie die Vertreter der bezüglichen Staaten in den Vereinigten Staaten führen sollten.
Nach einer Meldung des „Reuter schen Bureaus“ aus Lima hat das peruanische Ministerium seine Ent⸗ lassung eingereicht. Ein neues Cabinet ist bis jetzt noch nicht gebildet worden.
Parlamentarische Nachrichten.
Deutscher Reichstag.
Der Bericht über die 54. Sitzung vom 28. Februar besindet sich in der Ersten Beilage.
55. Sitzung vom Mittwoch, 1. März, 1 Uhr.
Der Sitzung wohnen bei der Reichskanzler Graf von Caprivi sowie die Staatssecretäre Freiherr von Marschall und Hollmann.
Eingegangen ist der Gesetzentwurf, betreffend die Ab änderung des Gesetzes über den Unterstützungswohnsitz.
Auf der Tagesordnung stehen die Berathung der Etats⸗ positionen, welche die deutschen Schutzgebiete betreffen, und die Berathung des besonderen Haushalts-Etats für die Schutzgebiete Kamerun, Togo und das südwestafri⸗ kanische Schutzgebiet für 1893/94. Die Budgetcommission beantragt die unveränderte Bewilligung.
Die Besoldungen der Beamten in den Schutzgebieten werden ohne Debatte bewilligt. Im Extraordinarium be finden sich Forderungen von 267 300 MS als Zuschuß zur Bestreitung der Verwaltungsausgaben im südwest afrikanischen Schutzgebiet und 2500 0900 Mae für Maß—⸗ regeln zur Unterdrückung des Sklavenhandels und zum Schutze der deutschen Interessen in Ost-Afrika. Der Etat für das Schutzgebiet Kamerun ist auf 580 000, für Togo auf 143000, für Südwest⸗Afrika auf 273 300 M in Einnahmen und Aus— gaben festgesetzt.
Zum Etat für Kamerun nimmt das Wort
Abg. Samhammer (fr.: Das Urt heil meiner deutschen Ge—
chäftsfreunde in den afrikanischen Schutzgebieten über die Personen, welche dort das Deutsche Reich vertreten, ist ein sehr mildes, das Urtheil über das dort von uns verfolgte System desto schärfer. Sie geben eine Schilderung der dortigen Zu stände, wonach sogar der Handel durch dieses System schwer geschädigt ist. Fürst Bismarck hatte 1884 Verhandlungen mit den königlichen Kauf leuten angeknüpft, um eine richtige Colonialpolitik zu inauguriren.
Diese Verhandlungen führten aber zu keinem Resultat und man
that darauf das Unrichtigste, waßz man thun konnte: Man schickte Leute von hier aus dorthin, die Land und Leute nicht kannten, anstatt den dort ansässigen, mit jahrelangen Erfahrungen ausgerüsteten Kaufleuten ein Souvperänitätsrecht einzu— räumen oder ihnen doch einen weitgehenden Einfluß zu gewähren. Es ist dann zwischen den Beamten und den Kaufleuten ein ganz un erquickliches Verhältniß eingetreten, die letz teren sind mit kleinlichen Maßregeln chicanirt und in ihren Inteéxessen geschädigt worden. Die von Deutschland herüber gekommenen Beamten und Unteroffiziere haben durch ihre Unduldsamkeit und Un kenntniß alles verdorben. Andere, ersprießlichere Ergebnisse hätte man gehabt, wenn man die Notabeln zur Mitwirkung heranzog. Jetzt ist der Unternehmungsgeist dort gelähmt, keine einzige große Firma ist dort thätig, seit wir die Colonialpolitik unternommen haben. Was wir mit Aufrechterhaltung aller militärischer Macht nicht zu wege bringen, bringt eine einfache Handelsgesellschaft fertig. In vollständiger Verkennung des Negers und seines Charakters, in Verkennung des Charakters des Landes, in der falschen Annahme, daß der Eigenthumsbegriff bei den Negern nicht vorhanden oder nicht entwickelt sei, hat man die schlimmsten Fehler gemacht, welche zu den empfindlichsten Rückschlägen geführt haben. Geht man etwa nach Afrika, um dort wegen einer leich ten Bemerkung gegen den Gouverneur eingesperrt zu werden? Milt dieser verkehrten Rechtsprechung wird viel Unheil angerichtet. Es giebt in Afrika zwar kein geschriebenes, aber ein feststehendes tra⸗— ditionelles Recht, dessen Verletzung durch un sere mit dem Goder aus— gerüsteten Richter die größte Erbitterung hervorrufen muß und herborruft. Meine Freunde unterhalten seit zwanzig Jahren ihre Factoreien an der westafrikanischen Küste; mit unsäglichen Mühen halten sie den Karawanenhandel aufrecht. Nun kommt das Deutsche Reich mit seinen bureaukratischen Einrichtungen und verdirbt mit einem Schlage alles bisher Erreichte. Das System der Bureaukratie muß fallen. Es dürften nicht Beamte mit souperänen Vollmachten hinkommen, die von den Verhältnissen nicht die geringste Ahnung haben. Die militärische Organisation namentlich nach dem Innern muß endlich beseitigt werden. Notabelnkam mern und Schöffengerichte mit Notabeln werden bessere Erfolge bringen.
(Bei Schluß des Blattes nimmt der Dirigent der Colonial⸗ ahtheilung, Wirkliche Geheime Legations-Rath Dr. Kayser das Wort.)
Preusdischer Landtag. Haus der Abgeordneten.
Der Bericht über die gestrige Sitzung vefindet sich in der Zweiten Beilage.
42. Sitzung vom 1. März.
Der Sitzung wohnt der Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen bei.
Die Berathung des Eisenbahn-Stats wird fortgesetzt bei Titel 7 der Ausgaben: Gehälter der Unterbeamten (Rendanten, Kassirer, Secretäre, Controleure, Kanzlisten ꝛc).
Hierzu liegen zahlreiche Petitionen vor, in Bezug auf welche die Commission beantragt, die Petitionen um Gleich⸗ stellung der Eisenbahn⸗Secretäre mit den Regierungs⸗Secretären der Regierung als Material für die schwebenden Erwägungen zu überweisen, über die übrigen aber zur Tagesordnung über— zugehen.
Abg. Mies (Centr.) tritt für die Aufbesserung der Stellung der Eisenbahn-Landmesser ein, die jetzt den Eisenbahn Secretären gleich⸗ gestellt sind, Bildung einer besonderen Beamtenklasse für lich in und Gleichstellung mit den Landmessern der anderen Verwaltungen, serner Anrechnung ihrer Dienstzeit bei den früheren Privat⸗Eisenbahn⸗ verwaltungen.
Abg. Rickert (dfr.: Angesichts der Finanzlage wäre es nutzlos, die langen Debatten, die in der Budgeteommission stattgefunden haben, zu diesen Petitionen zu wiederholen. Ich hoffe, 69 bei besseren Zeiten die Verwaltung selbst die dringenden Wünsche ihrer Beamten berücksichtigen wird.
Abg. Freiherr von Minnigerode' Mossitten (econs.) spricht seine Freude darüber aus, daß auch der Vorredner den Zwang der allgemeinen Lage anerkennt und der Verwaltung das Vertrauen schenkt, daß sie far ihre Beamten sorgen wird.
Abg. Graf Strachwitz (Centr) kommt auf den Wagenmangel zurück, der in Deen gn im Oktober geherrscht habe, als im he revier kein Wagenmangel herrschte; am 11. Oktober fehlten mehr als 1100 Wagen. Das Central⸗Wagenamt scheint nicht gleich—⸗
mäßig jwischen Oberschlesien und dem Ruhrrevier zu
vertheilen. Die Mißstimmung darüber ist eine gerecht⸗ fertigte. Redner empfiehlt den Umbau des Bahnhofs Beuthen als so dringend nothwendig, daß man damit vorgehen müsse ohne Rücksicht auf die Unterbringung der Anleihen. Die Staffel⸗ tarife geben dem Auslande einen erheblichen Vortheil; das russische Getreide fährt von Königsberg ab ebenso billig wie das deutsche, sodaß die östlichen Provinzen von den Staffeltarifen keinen Vortheil haben. Können die Schäden nicht aufgehoben werden durch Ursprungszeugnisse oder ähnliche Maßregeln? .
Bei Schluß des Blattes nimmt der Minister der öffent⸗ lichen Arbeiten Thielen das Wort.
Die 9. Commission des Reichstags berieth gestern Abend die von den Abgg. Gröber und Genossen beantragte Novelle zur Gewerbeordnung und nahm nach längerer Debatte mit 9 gegen 3 Stimmen Art. an, welcher dem F 33 der Gewerbeordnung folgenden Zusatz anfügt: „Die Bestimmungen über den Betrieb der 9a und Schankwirthschaft sowie über den Kleinhandel mit Branntwein oder Spiritus finden auf Consumvereine und andere, die Förderung des Erwerbs oder der Wirthschaft ihrer Mitglieder mittels gemeinschaftlichen Geschäfts⸗ betriebs bezweckende Gesellschaften (Genossenschaften) auch dann An⸗ wendung, wenn »der Betrieb auf den Kreis der Mitglieder be⸗ schränkt ist.“ .
In der Steuerreform eommission des Hauses der Abgeordneten wurde gestern Abend das Communalabgaben⸗ gesetz in zweiter Lesung bis § 32 erledigt.
Entscheidungen des Reichsgerichts.
Hat ein Patentinhaber durch eine Mittelsperson einen Dritten, der ihm der Verletzung seines Patentrechts verdächtig schien, veranlaßt, die patentirte Erfindung nachzumachen, um ihn wegen dieser Handlung zur Bestrafung zu ziehen, so ist, nach einem Urtheil des Reichsgerichts, 1II. Strafsenats, vom 17. Dezember 1892, trotz dieser vom Patentinhaber ausgegangenen Propocation der Dritte wegen Patentverletzung zu bestrafen.
Im Art. 520 des Handelsgesetzbuchs: „Endet die Rückreise des Schiffes nicht in dem Heimathshafen, und war der Schiffer für die Aus- und Rückreise oder auf bestimmte Zeit angestellt, so hat der Schiffer Anspruch auf freie Zurückbeförderung nach dem Hafen, wo er geheuert worden ist ꝛc.“ muß es, nach einem Urtheil des J. Civilsenats des Reichsgerichts, vom 19. September 1892, statt „auf bestimmte Zeit“ nach dem Willen des Gesetzgebers heißen: „auf un bestimmte Zeit“. „Obwohl eine Berichtigung bisher nicht er⸗ folgt ist, so darf dies den Richter nicht abhalten, den zweifellosen Druckfehler als solchen zu behandeln und das Gesetz so anzu⸗ wenden, wie man es ausweise der im Auftrage der Commission erfolgten und von der Bundespersammlung des vormaligen Deutschen Bundes als authentisch anerkannten Publikation seinerzeit in den Ge— setz⸗ und Regierungsblättern der Einzelstaaten und später im Bundes— gesetzblatte des Norddeutschen Bundes hat veröffentlichen wollen. Die Statthaftigkeit einer solchen gerichtsseitig an der Gesetzesurkunde zu übenden Textkritik erscheint um so unbedenklicher, als mit dem vor⸗ maligen R. Ober⸗Handelsgericht sogar die Correctur eines auch schon in dem Commissionsentwurfe des Handelsgesetzbuchs zweifellos fehler⸗ haft abgedruckten Passus für zulässig erachtet werden muß.“
Gesnndheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs⸗ Maßregeln.
Niederlande. . Die Ein- und Durchfuhr von Lumpen, gebrauchten Kleidungs⸗ stücken und ungewaschener Leib und Bettwäsche aus Rio de Janeiro ist nach einer Verfügung der niederländischen Minister des Innern und der Finanzen vom 23. Februar 1893 mit dem 1. März d. J. wieder gestattet. Belgien.
Nach einem Beschluß des Schelde-Gesundheitsausschusses zu Ant⸗ werpen vom 18. Februar 1893 ist die Beibringung von konsularischen Attesten, wie solche für die Ein- und Durchfuhr von gewissen Waaren (insbesondere Lumpen, alten Kleidern, Stoff- und sonstigen Abfällen aus Deutschland, Frankreich und den Niederlanden nach und a Belgien bisher vorgeschrieben waren, für die Herkünfte vom Rhein und aus den Niederlanden künftighin nicht mehr erforderlich.
Der Gesundheitsstand in Berlin war in der Woche vom 12. bis 18. Febnunr ein nicht ganz so günstiger wie in der Vorwoche und auch die Sterblichkeit war eine etwas größere (von je 1060 Lebenden starben, aufs Jahr berechnet, 19,7). Häufiger als in der Vorwoche kamen aeute Entzündungen der Athmungsorgane zum Vorschein, die auch in einer etwas größeren Zahl von Fällen einen tödtlichen Verlauf nahmen. Nicht selten gelangten auch Er— krankungen an epidemischer Grippe zur Behandlung; aus der der Berichtswoche vorangegangenen Woche wurden 3 Todesfälle an Grippe gemeldet. Ansehnlich gesteigert waren auch geute Darm krank heiten, die auch in erheblich größerer Zahl, besonders unter kleinen Kindern, zum Tode führten Die Betheiligung des Säuglingsalters an der Sterblichkeit war auch eine etwas größere, sodaß von je 10000 Lebenden, auf das Jahr berechnet, 60 Säuglinge starben. Unter den In⸗ fectionskrankheiten kamen Erkrankungen an Masern und Scharlach in wenig gegen die Vorwoche veränderter, an Diphtherie in verminderter Zahl zur Anzeige, und zwar Masern und Scharlach zumeist aus der Schöneberger Vorstadt, Diphtherie aus dem Stralauer Viertel, der Rosenthaler Vorstadt und aus Moabit. Erkrankungen an Unter⸗ leibstyphus blieben vereinzelt. An Kindbettfieber wurden noch sechs Erkrankungen berichtet; rosengrtige Entzündungen des Zellgewebes der Haut kamen seltener zur ärztlichen Behandlung. Zahlreich waren Erkrankungen an Keuchhusten, die auch in gleich großer Zahl wie in der Vorwoche zum Tode führten. Rheumatische Beschwerden aller Art, namentlich rheumatische Erkrankungen der Muskeln gelangten in gesteigerter Zahl zur ärztlichen Behandlung.
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Theater und Mufik.
I‚m Königlichen Opernhause geht demnächst Weber's „Freischütz' in gänzlich neuer Ausstattung neu einstudirt in Seene. Sämmtliche Rollen sind mit ersten Kräften der Königlichen Oper besetzt. Kapellmeister Weingartner ist mit der Leitung des Werks betraut. In der Freitagsvorstellung von ‚Djamileh“ sind Fräulein Rothauser sowie die Herren Philipp, Lieban und Schmidt, in den darauf folgenden „Bajazzi“ Frau Herzog sowie die Herren Sylva, Bulß, Philipp und Fränkel beschäftigt.
. Der gestrigen zehnten Aufführung von ‚Vasantasena“ im König⸗ lichen Schauspielhause wohnten abermals Ihre Majestäten der Kaiser und die Kaiserin bei. Am Schluß ließ Seine Majestät der Kaiser allen Mitwirkenden die vollste Zufriedenheit aus— sprechen. Das Haus war wiederum ausverkauft.
In der Freien musikalischen Vereinigung, 3 sich am Donnerstag, 2. März, Abends 8 Uhr, im Sulzersschen Musik⸗ saale, Potsdamerstraße 27, versammelt, werden Klavierstücke von Philipp Scharwenka, Lieder von Franz Dannehl und Philipp Roth owie ein Trio für Klavier, Violine und Violoncell op. 24 von Eugen Jambor zum Vortrage gelangen.