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schritten worden sind, während bei 1 Stellen sich Minderausgaben finden! Das Bedenkliche ist vielfach, daß die Ver⸗ waltung ganz junge Leute in verantwortliche Stellen bringt und ihnen dabei nicht ein Gehalt, sondern einen Diätensatz von 00 M, oder noch weniger giebt, mit dem absolut nicht auszukommen ist. Diesem System verdanken wir die vielen Verurtheilungen entgleister Postbeamter, denen die Geschworenen in der Regel mildernde Umstände bewilligten. Endlich möchte ich ie Dienstaltersstufen noch befürworten, für die ich immer . eingetreten bin. Der Staatssecretär Pr. von Stephan ist bis⸗ er kein Freund dieses Spystems gewesen; nach seiner Meinung müßte darunter die Disciplin leiden. Bie Vorlegung einer Anciennetäts⸗ liste hat er uns stets verweigert. Die Einführung der Altersstufen ist durchaus nothwendig. as bei der Reichseisenbahnverwaltung möglich ist, muß auch bei den Postbeamten möglich sein. Man brauchte nur die untersten Stufen nicht zu lang zu bemessen und könnte andererseits das Anfangsgehalt gewisser Kategorien wie der Landbriefträger überhaupt etwas erhöhen. edenfalls bitte ich das Haus, die Resolution wegen der Dienstaltersstufen möglichst ein- stimmig anzunehmen. Die Aufrechterhaltung der Disciplin und eine sewiss⸗ Strammheit und Straffheit gebe ich als nothwendig zu. Ebenso nothwendig ist aber Berufsfreudigkeit und diefe setzt gute Behandlung und leidlich gute Bejahlung voraus. Wenn auch der Staatssecretär Dr. von Stephan keinen Werth auf Popularität legt, wir legen Werth darauf, daß das Institut populair sei. Der A g. von Keudell wünscht, die Postbeamten sollten sich überhaupt keiner Partei anschließen. Ich habe Kenntniß davon, daß sie diefem Wunsch nicht entsprechen, daß sie sich in großer Zahl namentlich der Social⸗ demokratie anschließen. Es ist dies ein Symptom dafür, daß in den Kreisen der Postunterbeamten die Zufriedenheit nicht vorhanden ist, die dort vorhanden sein sollte. Indem wir dafür eintreten, treten wir ein für die Interessen der Gesammtheit.
Director im Reichs-Postamt, Wirklicher Geheimer Rath Dr. ö Die Behauptung, daß der Beamte alle durch die Ver⸗—
assung gewährleisteten Rechte ausüben könne, widerspricht den That— sachen. Die Ausübung des Rechts der Freizügigkeit z. B. ist ihm durch die ihm obliegende Residenzpflicht beschränkt. Wir haben das Recht, unsere Meinung in der Presse frei zu äußern. Wenn aber ein Beamter des Auswärtigen Amts dieses Recht in Bezug auf die Veröffent— lichung eines Staatsgeheimnisses ausüben wollte, so würde er sich schwerlich mit Erfolg auf den Paragraphen der Verfassung berufen kön⸗ nen, der allen Staatsbürgern dieses Recht beilegt. Auch das Recht der Gewerbefreiheit ist den Beamten durch administrative Bestimmungen beschränkt. Selbst das Wahlrecht können die Beamten nicht immer in vollem Umfange ausüben. Ein Postschaffner auf der Strecke Danzig — Stettin, der am Wahltage in Danzig bleiben wollte, um sein Wahlrecht auszuüben, würde sich in offenkundigen Conflict mit seinen amtlichen Pflichten setzen. Bezüglich des Postassistenten— Verbandes hat der Vorredner die Alternative gestellt: entweder der Verband verstößt gegen das Gesetz, dann verbiete man ihn; oder er verstößt nicht gegen das Gesetz, dann behellige man ihn nicht. So einfach liegt die Sache nicht. Verwalten heißt soviel wie vorhersehen und vorbeugen. Repressivmaßregeln sind gewiß nicht immer zu umgehen; aber das wäre eine sehr unvollkommene Verwaltung, die alles fo gehen ließe, wie es dem lieben Gott gefällt und erst, wenn Verfehlungen ein? treten, mit der Wucht der Disciplinar⸗ oder Strafgesetze einschritte. Wir sind vielmehr berechtigt und verpflichtet, dafür zu sorgen, daß möglichst wenig Gelegenheiten zu Verfehlungen eintreten. So sind denn auch in dem Kampf zwischen dem Postassistenten⸗Verband und der Reichs-⸗Postverwaltung, von welchem hier die Rede war, fehr wenig Strafen verhängt worden. Die Verfügung, welche bei dem Vorredner besonders zum Anstoß gereicht hat, beruht auf dem⸗ selben Gedankengange. Wir haben die Erfahrung gemacht, daß Beamte, um an Versammlungen des Postassistenten⸗Verbandes theil— nehmen zu können, unter unrichtigen Vorspiegelungen sich Krankheits⸗ urlaub haben geben lassen. Wir haben demnächst, wenn wir aus den öffentlichen Blättern erfahren, daß ein unter Beibringung eines ärztlichen Attestes wegen Krankheit beurlaubter Beamter aus der RKhein— provinz in einem Bezirk von Mitteldeutschland in öffentlichen Versamm— lungen agitatorische Reden gehalten hat, diesen Beamten zur Rechenschaft gezogen und bestraft. Das ist wiederholt vorgekommen, und um der Wieder— holung solcher Fälle vorzubeugen, die uns recht gut bekannt sind, haben wir in kurzer Form die Aufmerksamkeit der Ober- Postdirectionen auf die Wiederkehr solcher Fälle hingelenkt, damit sie im voraus die Sache prüfen können und nicht neue Be— strafungen nothwendig werden. (Zustimmung.) Mit dieser Erkläͤ— rung hoffe ich mir das frühere Wohlwollen des Vorredners wieder— gewonnen zu haben. Die Postassistenten befinden sich keineswegs in precärer Lage. Sie beziehen außer dem Wohnungsgeldzuschuß ein Gehalt von 1500 —=- 1700 S nach neunjähriger dienstlicher Be— schäftigung. Das dürfte kaum in irgend einer anderen Verwaltung ein junger Beamter von 26. Jahren beziehen. Die Stellung der Postassistenten ist außerdem eine Durchgangsstellung. Die Assistenten rücken nach vier Jahren in die Stellung de Ober⸗Post⸗ assistenten oder Postverwalter auf. Wir haben also schon gegen— wartig was der Vorredner mit dem Durchrangiren erreichen will. Das Aufrücken erfolgt von selbst und hat nichts mit subjectivem Er— messen zu thun. Jeder Beamte, der sich nicht in Erfüllung feiner Amts— pflichten grobe Verfehlungen hat zu Schulden kommen lassen, rückt nach Maßgabe seines Dienstalters in ein höheres Gehalt ein. Der Vorredner wünschte, daß mehr Beamte angestellt werden. Wir sind ihm dankhar, daß er bei verschiedenen Gelegenheiten der Verwaltung bei der Erfüllung dieses Wunsches geholfen hat. Die große Zahl der Posthilfsbeamten kann eben unmöglich ein Compelle für ung sein. Die Posthelfer sind gar keine Beamten, sie werden nur für ihre geringe Hilfeleistung, das Sammeln der Briefe unter Wahrung des Brief— geheimnisses, entschädigt. Die Vermehrung dieser Stellen hat also überhaupt keinen Einfluß auf die Vermehrung des Hilfsbeamten— personalz, und der Abg. Lr. Baumbach hat sich in diesem Punkte, trotz jahrelanger eifriger Beschäftigung mit dem Post-Ctat, geirrt. Mit der Anstellung von Postbeamten ist auch in diesem Etat in einer dem Bedürfniß entsprechenden Weise vorgegangen worden. Die ahl der Postassistenten ist um 909 vermehrt worden. Auch ist die Besorgniß ganz unbegründet, daß wir absichtlich Ersparnisse bei den etatsmäßigen Stellen machen, um den Etat günstiger zu gestalten. So ganz prima vista lassen sich die Hindernisse nicht überwinden, die gegenwärtig der Einführung der Dienstaltersstufen bei der Post— verwaltung entgegenstehen. Für unsere Beamten ergiebt sich, wenn man die Sätze, die in Preußen eingeführt r und das Aufrücken nach drei. Jahren auf sie anwenden wollte, ein Minderbetrag in der Besoldung. Können wir das verantworten? Dieser Weg würde die Beamten sämmtlich mißvergnügt machen. Auch die Commission war von der Schwierigkeit der Sache Über⸗ zeugt, sonst hätte sie statt der Resolution praktische Vorschläge ge⸗ macht. Wir bleiben vor der Aufgabe, wie es möglich sein wird, unseren Beamten Dienstalterszulagen zu verschaffen, ö. daß ihnen an ihren Einkünften etwas abgezogen wird. ir sind in diesem Sinne schon mit dem k , in Verbindung getreten und werden der von der Commission beschlossenen Resolution Folge geben. Aber nach einer bestimmten Richtung haben wir uns nicht engagirt. Die Enquéte über die Wohnungsgeldzuschüsse der Unterbeamten ist in der irrigen Voraus etzung . daß die Abgeordneten der soreialdemokratischen Partei die einzigen waren, die sich hier für die Unterbeamten interessiren. Die Behauptung, daß schon in diesem ahre eine andere Regulirung des Wohnungsgeldzuschusses erfolgt, ist entweder unklug oder etwas Schlimmeres. er die Gesetze kennt, weiß, daß die 19 Jahre, um die es sich handelt, erst 1897 4 Da hat es sich um andere Dinge gehandelt als um loyale Er— mittelungen aus der Mitte der Beamten heraus.
Abg. Vollrath (fr.): Die Lobrede des Abg. von Keudell war eine verspätete Jubiläumsrede auf die 40 jährige . des Stagtssecretärs Hr. von Stephan. Sie hätte aber bei seinem Wr gn Jubiläum lange nicht so schädlich gewirkt als jetzt. Erfreulich ist mir, daß auch der 4 von Keudell anerkannt, daß die
erwähnten Collecten immer einen Zwang ausüben und deshalb zu
vermeiden wären. Der Assistenten Verband hat sich nicht seinerseits seitwärts gestellt, wohl aber haben die anderen Beamten wie z. B. in Köln, die Assistenten von ihren Vergnügungen und Verengungen an gf bl egen und erst als sich die . derart seitwärts ele sahen, haben sie sich zusammengeschlossen. Mit Freuden egrüße ich die Ankündigung, daß das ech, reformirt werden soll; ich protestire aber gegen die Ausführungen des Abg. von der Schulenburg, als wenn die 9 eine Censur zu üben habe und diese oder jene Art von Zeitungen verschieden zu behandeln habe. Der Staats secretãr Dr. von Stephan hat diese Anschauung auch zurückgewiefen, aber doch auch seinerseits davon gesprochen, daß auf den Geist der e, n. Rücksicht genommen werden müsse. Dieser Umweg würde zu dem unsch des Abg. von der Schulenburg zurückführen, und ich möchte dringend, davor warnen. Gerade diese Angelegenheit zeigt, wie richtig die Behauptung der Stagnation im Postwesen ist. Das Steigen des Corresvondenzverkehrs ist ja doch von. dem Staatssecretär und von den technischen Einrichtungen der Postverwaltung ganz unab— hängig. Schon vor 19 Jahren hat der Staatssecretär Dr. von Stephan die Abänderung für sehr wünschenswerth erklärt; aber noch heute find wir nicht weiter als damals. Jetzt endlich scheint die Sache energischer in Angriff genommen zu werden. Aus der Neuregelung wird die Postverwaltung erhebliche Einnahmen haben, und um so unbegreiflicher ist ihre Zögerung. Nun hat der Staatsfecretär Dr. von Stephan gestern gesagt, meine gestrigen Ausführungen hätten von Irrthümern gewimmelt. Ich kann das nur in einigen wenigen Punkten von nebensächlicher Bedeutung zugeben. Ich habe nicht ohne weiteres behauptet, daß Postassistenten nicht zu Reserve— Offizieren befördert würden; ich habe nur eine Anfrage an den Staatssecretär gerichtet und diese auch beantwortet erhalten. Ich habe ferner gesagt, es gehen 14 Jahre darüber hin, bis der Postgehilfe in eine feste Stellung hineinkommt Diese Zahl ist absolut richtig; vorher kann der auch bereits angestellte Assistent nach dreimonatiger Kündigung entlassen werden. Auch meine Behauptung, die Postbeamten 3 20 Jahre und länger auf eine feste Anstellung warten, hat der Staatssecretär bestritten, während die allgemeine Dienstordnung für Civilanwärter sogar eine Gesammtdienstzeit von 30 Jahren vor der definitiven An— stellung vorschreibt! Für die Kaiser Wilhelm-Stiftung werden zwar fertlaufende Sammlungen nicht veranstaltet, aber doch gelegentliche Sammlungen, deren eine nicht weniger als 5h 000 ς ergab! Daß die „Verkehrs-Zeitung“ kein amtliches Organ ist, habe ich ja gerade betont und es deshalb getadelt, daß trotzdem amtlich Abonnements und Inserate dafür gesammelt worden. Eine Ziffer von 25 000 6 für Verwaltungskosten kommt in dem ganzen Bericht des Postassistenten— Verbandes nicht vor. Allerdings stehen daselbst 295715 0 als Verwaltungsunkosten aufgeführt. Darin steckt aber das Geschäft des Kleiderverkehrs, welches der Verband seit längerer Zeit be— treibt. Eine Unterbilanz ist bisher nicht vorhanden gewesen. Nur einmal ist eine Aufforderung zur Zahlung der Beiträge ergangen zur Vermeidung einer möglichen Unterbilanz. Der Verband hat ein Vermögen von 38 000 6; man kann ihn nicht mehr schädigen, als wenn man behauptet, er sei dem Ruin nahe. Der Eintritt neuer Mitglieder nimmt zu. Der gegenwärtige Mitgliederbestand ist 4500.
Abg. Liebermann von Sonnenberg (b. k. F): Ich bin der Allerletzte, der an der Disciplin irgend etwas gelockert schen wollte, bin auch der Ansicht, daß der Beamte durch den Beamteneid, die Disciplinargesetze u. s. w. eine freiwillige Beschränkung seiner staats. bürgerlichen Rechte auf sich genommen hat; aber die Grenze muß hier scharf eingehalten werden, und dem Postassisten⸗Verband gegenüber ist sie nach Meinung vieler überschritten worden. Material für Be— schwerden bekommen wir alle massenhaft; trotz aller Sichtung können Irrthümer vorkommen. Ich werde mich hüten, hier borzubringen, daß die Livréen für die . des Staatssecretärs bon Stephan aus den Ersparnissen an den Bekleidungsfonds hergestellt sein sollen, daß die Hühner auf dem Hofe des General⸗Postamks mit fiscalischem Hafer gefüttert werden und die Eier schockweise zum Staatssecretär wandern; solche an Wahnwitz grenzenden Behauptungen vertrete ich nicht. Aber was über den Assistenten⸗Verband hier von dem Abg., Vollrath gesagt worden ist, muß ich durchaus billigen. Der Verband hat, wie ich mich selbst aus den Büchern überzeugt habe, über 1000 Mitglieder. Bestrafungen sind ja nicht verfügt worden, aber destp mehr Versetzungen. Ich muß auch die Ausführung des Abg. Pr. Lingens zurückweisen, als ob der Verband keine Ideale hätte. Er tritt auch für Sonntagsruhe und Sonntagsheiligung kräftig ein. Ich habe zwei Fälle zur Kenntniß zu bringen, wo das Brief- resp. Tele= graphengeheimniß verletzt worden ist, und welche beide Verbandsmit— glieder betreffen. Das Telegramm enthielt eine poetische Begrüßung des Verbandstages. Trotz des Telegraphengeheimnisses hat man von einem Unterbeamten mit Androhung von Dienstentlassung die Nen— nung des Absenders erzwungen, der Absender ist strafversetzt worden. Das Briefgeheimniß ist verletzt worden in Straßburg im Elsaß, wo man Abschrift der Adressen der Empfänger des Organs des Verbandes ge— nommen hat. Zu weit gegangen ist die Postbehörde auch bei den Warnungen vor dem Beitritt zum Verbande oder dem Abonnement des Verbandsorgans, wie auch bei der Verwerthung der Zahlen, welche über die Verschuldung der Assistenten Aufschluß geben: Zahlen, die man sich auf ganz geradem Wege auch garnicht hat verschaffen können. Der Staatssecretär Dr. von Stephan hat gestern einen Brief verlesen, der „der Postverwaltung in die Hände gefallen ist“. Fallen der Ver⸗ waltung öfter solche Briefe in die Hände? Nach dem Verwaltungs⸗ bericht des Assistenten⸗Verbandes haben die Verwaltungskosten vom 1. März bis Ende des Jahres 1892 rund 5000 6 betragen, also eine durchaus nicht zu hohe Summe. Auch kann von Eigennutz der Leiter des Verbandes keine Rede sein. Der Verwalter erhält für seine Mühewaltung nur 200 M monatlich. Die Kleiderkasse des Verbandes bedient ihre Leute gut und hat, getreu dem Gedanken „Schutz der nationalen Arbeit“, mit einer christlichen Aachener Firma abgeschlossen. Die amtliche Kleiderkasse hat in Berlin und Magdeburg mit der jüdischen Firma Gebr. Sachs abgeschlossen. Ist das vom nationalen Standpunkt aus berechtigt? In Magdeburg läßt der Ober-Post— director sogar die Eltern der jüngeren Postbeamten auffordern, ihre Kleider bei Sachs zu entnehmen. Sind denn unsere oberen Post— behörden dazu da, als eine Art Reisende für jüdische Firmen zu dienen? Für Cassel ist noch immer kein neues Postamt in den Etat eingestellt, trotzdem dieser Mangel, den Nordosten von Cassel aufs schwerste schädigt — während bei den anderen Postanstalten die Beamten mit der Abfertigung der Packete unmäßig angestrengt sind. Auch die Leinwandjacke für die Briefträger in der heißen Sommerzeit muß ich wieder reclamiren.
Director im Reichs⸗Postamt, Wirklicher Geheimer Rath Dr. Fischer; Die von dem Vorredner gewünschte Untersuchung der beregten lebelstände kann ich ohne weiteres zusagen; aber ich bin selbstverständlich nicht in der Lage, auf das außerordentlich reichhaltige Detail, was der Vorredner vorgebracht hat, gegenwärtig einzugehen. Ich werde den stenographischen Bericht abwarten und hoffe in der dritten Lesun in eine . der Fragen eintreten zu können. Das Yin rn nn der Errichtung einer Zweig⸗Postanstalt in Cassel wird von uns an— erlannt; es fragt sich nur, ob das Postamt in der Neustadt oder der Altstadt untergebracht werden soll.
Abg. Stöcker (deons.): Auch ich bin der Meinung, man solle den ostẽss ie nen Her e ewähren lassen. Die Leute befinden sich ja in einer eigenthümlichen Lage; sie dürfen nicht Postsecretäre werden, weil sie das Abiturientenexamen nicht gemacht haben, während anderer⸗ seits Reserve⸗Offiziere unter ihnen n Man kann ohne dieses Examen Minister werden und man soll nicht Postsecretär werden können? Das ist doch ungerecht. Viel besser wäre es, wir kämen zu * en Verhältnissen, wo man nicht fragt, wo das Erlernte erlernt ist, sondern was man gelernt hat und kann. Wenn sie nichts Unrechtes thut, soll man diese Vereinigung pflegen. Jede Vereinigung von , muß uns , sein. In den finanziellen Angelegenheiten ist der Staatssecrekär nicht orientirt ge— wesen. Er hat uns von 25 000 M Deficit erzählt. as zeigt doch, daß er gegen den Verband voreingenommen ist. Auch von den Erlassen gegen den Verband wird mancher hier im Hause von niemandem unter⸗
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J; werden. Durch solche Erfahrungen werden die Beamten in dißmuth versetzt, in ibrer Berufsfreudigkeit gestört; Mißtrauen wird gesäet zwischen ihnen und den Collegen, die nicht zum Verbande ee nm als ob die ersteren staatsstörende oder zerstörende Elemente eien. Die Behörde sollte versuchen, den Verband mit Wohlwollen zu behandeln, um einen ihr genehmeren Geist in ihn hineinzubringen; die Zeit der kleinen Drangsale sollte aufhören. Im einzelnen sollte für die Briefträger die Behörde die Beschaffung von Wohnungen in, die Hand nehmen, namentlich in den großen Städten. Eine weitere Einschränkung des Sonntagsnachmittagsdienstes muß ebenfalls immer wieder gefordert werden.
Staatssecretär Dr. von Stephan:
Ich möchte zunächst die letzten Punkte, die der Herr Vorredner angeregt hat, erledigen.
Was die Frage der Sonntagsruhe betrifft, so schweben darüber bei der Postverwaltung Ermittelungen im Anschluß an die, wie dem Herrn Vorredner ja bekannt ist, eingeleiteten allgemeinen Er—⸗ mittelungen über die Art, wie das Gesetz der Sonntagsruhe sich be— währt hat, und welche Veränderungen etwa einerseits im Interesse der Sonntagsheiligung, andererseits ohne zu große Schädigung des Erwerbslebens getroffen werden können. Diese Ermittelungen er— strecken sich auf die Reichs-Postanstalten und haben wesentlich den Zweck, festzustellen, ob der Sonntagsdienst von 5 bis 7 oder von h bis 6 Uhr er ist verschieden an den verschiedenen Orten — ge— schlossen und ersetzt werden kann durch einen Dienst zwischen 11 und 12 oder zwischen 11 und 1 Uhr Mittags, oder ob bei dem Bestehenden zu verbleiben ist. Die vorläufigen Berichte, die darüber eingegangen sind, lauten sehr verschieden. Es wird namentlich gegen den Schluß in den Abendstunden der Gesichtspunkt geltend gemacht, daß gerade am Sonntag Nachmittag die Arbeiterbevölkerung, die Dienstboten und gerade die niederen Schichten des Volkes gewohnt sind, ihre Briefe zu schreiben und ihre Packete aufzuliefern; und die Beobachtung an den Schaltern hat im einzelnen und in Wirklichkeit ergeben, daß dem so ist, und daß es sich hier um die Interessen von Millionen von Menschen handelt, die sonst keine anderen Stunden haben, um für ihren Bedarf zu sorgen. Selbst in kaufmännischen Kreisen bestehen sehr ver— schiedene Ansichten. Einige wünschen, daß der Nachmittagsdienst auf⸗ hören und daß die Post in der Zeit zwischen 11 und 1 ihren Dienst versehen möge; andere sind wieder sehr entschieden dagegen und wünschen, daß es bei dem bestehenden bleibe, zumal der jetzige Zustand seit etwa 30, beinahe 40 Jahren bei der Postverwaltung besteht, sich nach allen Richtungen hin ohne große Schwierigkeiten hat durchführen lassen und sich im allgemeinen bewährt hat. Jedenfalls ist aber hier ein non liquet zu sagen; die Frage unterliegt noch der Prüfung, und sie wird auch nicht gelöst werden können ohne den Anschluß an die Resultate der allgemeinen Ermittelungen.
Was dann die Beschaffung leichter Kleider für die Briefträger betrifft, so ist diese Frage, was dem Herrn Vorredner jedenfalls nicht bekannt gewesen ist, hier schon verschiedene Male erörtert worden, und man hat sich jedesmal davon überzeugt, daß es sehr nachtheilig für die Gesundheit der Unterbeamten ist, wenn sie in ganz leichten Kleidern im Sommer gehen, in denen sie Erkältungen vielmehr aus— gesetzt sind als im Tuchrock. Es sind auch manche Versuche in der Praxis gemacht worden; sie sind kläglich ausgefallen. Ich erinnere nur an plötzliche Regenschauer, Gewitter und dergleichen; man muß sich klar machen, daß die Leute den ganzen Tag unterwegs sind, namentlich die Landbriefträger. Es hat sich nach keiner Richtung, auch bei den Beamten nicht, Sympathie dafür ergeben.
Sodann hat der Herr Abgeordnete — ich muß sagen: zu meiner Ueberraschung die Assistentenverbandsfrage noch weiter gesponnen, über die ja der Reichstag nun schon zwei Tage verhandelt und dadurch der Sache eine Bedeutung beilegt, die ihr nach keiner Seite hin innewohnt. Ich muß auch sagen, daß ich befremdet - gewesen bin, daß er nach all den Ausführungen, die gestern hier gegeben worden sind über die eingerissene Diseciplinlosigkeit und über verschiedene sehr ernste Vorkommnisse, gesagt hat, die Verwaltung möchte doch einen anderen Standpunkt einnehmen. Nein, verehrter Herr Abgeordneter, das ist nicht möglich, wenn wir die Principien durchführen sollen, die Sie selber an die Spitze Ihrer Ausführungen gestellt haben: nämlich die Aufrechterhaltung der Autorität und der Disciplin. Es sind ver—Q schiedene sehr unangenehme Vorkommnisse zu Tage getreten, die darauf schließen lassen, daß der Geist der Unzufriedenheit seit Ent— stehung des Assistentenverbandes unter diesen Beamten erregt ist, daß sie die Autorität zu untergraben versuchen. Es sind freche Aeußerungen gefallen in einzelnen Bureaus. Ich will indeß nicht auf diese Einzel heiten eingehen, um dem Beispiel des Herrn Liebermann von Sonnenberg nicht zu folgen, weil solches Detail doch nicht in den Reichstag gehört. Wir sollten uns im wesentlichen mit Principien hier befassen, und nicht mit Einzelheiten und Personen.
Wenn Sie mir gesagt haben, daß ich mich in Bezug auf die finanzielle Frage geirrt habe, so nöthigen Sie mich — allerdings sehr zu meinem Bedauern —, auf diesen Theil der Sache näher ein—⸗ zugehen, was ich sonst vermieden hätte. Es wurde, um einem ent— lassenen Beamten einen Unterhalt zu verschaffen, von dem Verein im Juli 1891 eine Verkaufsstelle für Tuche für 9243 S erworben und die Leitung demselben übertragen. Dann wurde eine Schneiderwerkstatt errichtet. Zur Erwerbung des Geschäftss und zum Ankauf von Stoffen waren ungefähr 20 000 νι erforderlich, zu deren Aufbringung im Juni 1891 eine einmalige und im Juli eige fortlaufende Subseription auf Antheilscheine von 3 bis 10 M ꝛ6c. im ganzen Deutschen Reich bei Postassistenten und auch bei Postgehilfen, die in dieser Beziehung ganz ohne Erfahrung sind, eröffnet wurde. Die Beträge über 10 1 sollten verzinst werden. Die Subseription hatte den gewünschten Erfolg nicht, da nur 6004 ½ zusammen kamen. Um den Verkaufspreis für das Geschäft bezahlen und Stoffe kaufen zu können, mußte der Ver— band ein mit Ho verzinsliches Darlehen aufnehmen. Dasselbe betrug 7ö00 M; ob es zurückgezahlt ist, davon weiß ich nichts. Im Dezember 1891 nahm der Verband nebenbei den Verkauf von Cigarren, des Lorenz'schen Rathgebers für Beamte und einige Zeit später den Vertrieb von Einbanddecken für die Verbands⸗Zeitschrift auf.
Die ersten Geldverlegenheiten entstanden im Oktober 1891. Der Vorstand forderte zur Zeichnung neuer Antheilscheine auf, um „über die ersten Monate hinwegzukommen“. Außerdem ersuchte er um halbjährliche Zahlung der Mitgliederbeiträge, die sonst viertel jährlich entrichtet werden, damit er in die Lage käme, die Stoffe gleich zu bezahlen. Die Baarzahlung scheint vorübergehend gelungen zu sein, denn in dem Geschäftsbericht für die Zeit bis Ende Februar 1892 ist im „Soll“ keine Schuld für Stoffe verzeichnet. In dem Geschäftsbericht für die Zeit vom 1. März bis Ende
Dezember 1892 ist dagegen die Ende Dezember vorhandene Schuld für Stoffe und Cigarren mit 21 200 M angegeben.
Der Vorstand hat nun schon seit Jahresfrist wo die Klagen immer größer wurden — alle möglichen Mittel aufgeboten, um zu Geld zu kommen. Um die Postgehilfen in großer Zahl für den Verband zu gewinnen, ist das Eintrittsgeld für die Postgehilfen (nicht der Beitrag) von 24 auf 1 6 ermäßigt worden, während der Jahresbeitrag für die Berliner Assistenten von 4 auf 5 „M erhöht worden ist. Im März 1897 wurde in zunächst verschämter Weise, in Form eines Briefes aus der Provinz ö
— es ist dies die Form, wie sie immer in der Verbands-Zeitung wiederkehrt die Verzichtleistung auf die Antheilscheine seitens der Inhaber von der Verbands⸗Zeitschrift angeregt; im April 1892 folgte eine Auf⸗— forderung zu freiwilligen Beiträgen. (Zuruf. )
Ja, es wurde angeregt, auf die Antheilscheine zu verzichten. Dann folgte eine Aufforderung zu freiwilligen Beiträgen. —
Am 15. Oktober hatte der Verband eine Schuld von 15 000 16 zu bezahlen, für welche das Geld nicht vorhanden war; in— folge dessen wurde eine allgemeine Sammlung freiwilliger Beiträge in Gang gesetzt.
Ich habe das betreffende Schreiben hier, welches der Verband an alle seine Vertrauensmänner im Reich erlassen hat. Ich könnte es der Länge nach vorlesen; es würde Ihnen alles bestätigen, was ich sage und würde Ihnen ein Bild der finanziellen Verkneifung, wie man zu sagen pflegt, liefern; und wenn Sie annehmen, was heute verschiedene Male hier doch zu verstehen gegeben ist, daß diese Briefe und Schriftstücke auf nicht erlaubtem Wege in unsere Hand gelangt sind, so muß ich dagegen protestiren. Ich würde Ihnen den Weg sehr gern angeben, unter der Bedingung, daß Sie mir vorher die Wege angeben, auf welchen Sie die vertraulichen dienstlichen Erlasse und Verfügungen der Ober⸗Postverwaltung durch Mißbrauch des Vertrauens und Verletzung des Amtsgeheimnisses erlangt haben, also doch durch schwere Pflichtverletzung, wofür Sie hier kein Wort der Mißbilligung haben. (3Zuruf.) — Das geben Sie mir zuerst an, dann gebe ich Ihnen auch an, auf welchem Wege wir in den Besitz der Schriftstücke gekommen sind.
Also: es wurde nun vom Verband eine große Collecte ver⸗ anstaltet; und weiter die Bitte ausgesprochen, daß die dem Kleider⸗ kassengeschäft noch nicht verpflichteten Mitglieder dem Geschäft für etwas später zu beziehende Waaren 3—10 ½ vorschießen möchten.
— Das find also die glänzenden Verhältnisse, die hier von Ihnen geltend gemacht wurden! — Begründet wurde die Sammlung mit augenblicklichen, den so⸗ genannten todten Punkt bildenden Schwierigkeiten, mit der zu aus⸗ gedehnten Inanspruchnahme des Credits seitens der Mitglieder, — Halten Sie das für eine wohlthätige Einrichtung, wenn die Beamten zu solchen Schulden veranlaßt werden? — und mit der Absicht, das Geschäft zu vergrößern. Auch das frühere Argument, der Wunsch, die Stoffe den Fabriken gleich baar zu bezahlen, wurde von neuem angeführt. Die Sammlung ergab nur 1500 6; mit Hilfe der inzwischen eingegangenen Rückstände wurde der größere Theil der Schuld von 15 000 „ getilgt. (Hört! hört!) — Ja, hören Sie nur auch weiter, was folgt! Der Rest — 6000 S — blieb einstweilen stehen und wurde mit 4 oso verzinst.
Im Januar 1893 schlug der Vorstand, da die frühere An— regung wegen Verzichtleistung auf die Antheilscheine keinen nennens⸗ werthen Erfolg gehabt hatte, einen anderen Weg ein, um thunlichst in den uneingeschränkten Besitz der Summe lin Antheil⸗ scheinen) zu gelangen. Zu diesem Zwecke machte er bekannt, daß die Antheilscheine beseitigt werden sollten; der Verband sei zur Ein— lösung und Verzinsung bereit, doch gebe er anheim, auf die kleinen Beträge zu verzichten, oder sie im Kleiderkassenconto gutschreiben zu lassen, oder dafür Cigarren, Einbanddecken oder Rathgeber zu beziehen. Daneben sucht der Verband dadurch schnell in Besitz von Geldmitteln zu gelangen, daß er fortdauernd auf Zahlung der
Mitgliederbeiträge auf längere Zeiträume, z. B. für ein Jahr drängt. Solche Aufforderungen befinden sich fast in jeder Nummer der Vereins-⸗Zeitschrift.
Die fortgesetzte Inanspruchnahme milder Gaben für das Kleidergeschäft läßt auf die Schwierigkeiten schließen, welche sich der Erfüllung der Zahlungsverbindlichkeiten seitens des Verbandes ent— gegenstellen.
Es kommt hier noch ein Punkt in Betracht: wie die eigenen Rechnungen des Vereins ergeben, die aufgestellt sind — und Herr von Liebermann hat uns ja gesagt, daß er die Bücher eingesehen hat — ja, hat er sich auch davon unterrichtet, wie viel Musstände da sind? Denn es sind viele rückständige Beträge von den Beamten, die sich haben Kleider machen lassen. Das ist eine bedeutende Summe, die in viele Tausende von Mark geht, die hat der Verband ja noch nicht. Es fehlt ihm an Baarmitteln, und' die kann er auch schwer bekommen, denn jeder Lieferant, wenn ihm nicht bezahlt wird, was er geleistet hat, wendet sich an die Gerichte und klagt. Das kann der Verband nicht, weil er keine Corporationsrecht; hat; oder aber der betreffende Lieferant wendet sich an die vorgesetzte Postbehörde und verklagt den säumigen Beamten, und da besorgt diese das weitere, indem sie den Beamten zur Zahlung anhält. Natürlich wird, so lange das Verhalten des Vereins so ist, wie bisher und gegenwärtig, die Postbehörde sich wohl hüten, dem Verbandsgeschäft in dieser Weise zu Hilfe zu kommen.
Die Schwierigkeiten beruhen einerseits in der Begründung des Geschäfts mit ungenügenden Mitteln, ⸗ — das ist das Erzübel, und davor haben wir gewarnt von An—
fang an — andererseits in der mangelhaften Zahlung der Beträge für gelieferte Sachen, sowie vielfach auch der Vereinsbeiträge seitens der Mit— glieder. Ein Bericht einer Ober-Postdirection hebt hervor, daß dem Verbande sich in Schulden steckende Assistenten angeschlossen haben, welche ihn zur Erschließung neuer Geldquellen benutzen, aber nicht an die Bezahlung gelieferter Waaren denken, und dem gegen— über der Verband machtlos ist, weil er wegen Beitreibnng von Außenständen nicht klagbar werden kann. Die Gewährung von Darlehen hat der Verband selbst schon wieder aufgegeben.
— Es wurde vorhin erwähnt, ich glaube von dem Abgeordneten don
Liebermann, daß die Verwaltungskosten nicht angegeben seien. In den Rechnungen, ja, das ist richtig. Sie stehen aber in einer Anmerkung unten unter dem Strich mit kleinem Druck, wo sie leicht übersehen werden können. Da ist gesagt, daß die Verwaltungskosten 25 000 (M betragen, worin allerdings die Kosten für die Zeitung mit ent⸗ halten sind.
Wie weit die Creditgewährung geht — statutenmäßig soll die Zahlung in sechs Monatsraten erfolgen — beweist der Umstand, daß in der ersten Geschäftsperiode bei einem Gesammtumsatz von 38 600 MS die ausstehenden Forderungen 16000 S und in der zweiten — bei einem Gesammtumsatz von 100 000 M. — die aus— stehenden Forderungen 42 300 S betrugen, die Creditgewährung im Verhältniß zum Umsatz also gestiegen ist. Jedenfalls ist die ereditirte Summe dem Umsatz gegenüber unver⸗ hältnißmäßig hoch. Die Assistenten halten die Rückzahlungefristen nicht ein; aus diesem Grunde begegnet man oft in der Zeitschrift der Aufforderung, die Rückstände sofort zu entrichten. In einem Falle heißt es: „Da die Rückzahlungsfristen längst verstrichen sind und Er— innerungen mittels Einschreibebriefs unbeantwortet bleiben, sind wir, ehe wir weitere Schritte thun, genöthigt, die Zahlungs⸗ pflicht nochmals in Erinnerung zu bringen. — Dieses „weitere Schritte thun“ läßt also darauf schließen, daß sie sich untereinander verklagen werden auf Zahlung der Summe, die sie schuldig ge⸗ blieben sind. ö
Nun hat der Herr Abgeordnete, der zuletzt sprach, hier auch einen Brief verlesen zu müssen geglaubt, wofür ihm auch mehrfach das Beispiel gegeben ist. Er wird es mir nicht verargen; ich glaube, daß er in seinem Gerechtigkeitssinne es sogar ganz in der Ordnung finden wird, wenn ich meinerseits auch noch einen Brief verlese, der von einem Assistenten, der dem Verbande angehört, geschrieben worden ist, und zwar mit Namensunterschrift an einen Collegen, und der folgender⸗ maßen lautet:
Lieber College!
Ihren freundlichen Brief vom habe ich dankend er⸗ halten, ich habe denselben ohne Ueberraschung lesen können, weil ich wußte, daß der Verbandstag sich wie ein vorbereitetes Theaterstück abspielen würde. Der sogenannte große Versammlungsabend oder Commers ist ein großes Gauklerstück, das sowohl die Collegen, wie die übrige Welt täuscht, nur müssen es die armen Collegen aus— baden. Das Leben und Treiben der Führer des Verbandes deutscher Post- und Telegraphen-Assistenten schildern Sie ganz meinen Erfahrungen gemäß. Ein Theil des Vorstandes besteht aus Idealisten, der andere aus ausgesprochenen Egoisten und Strebern, die unter den Collegen eine künstliche Erregung haben müssen, um Ihre Zwecke erreichen oder glänzen zu können notabené, ohne sich die Finger zu verbrennen, dazu sind Un— schuldige gut genug. Siehe Verbandszeitung, Tagesblätter, Bro⸗ schüre „Alte und Neue Zeit“; die hierdurch geschaffene Erregung muß der Behörde die Ueberzeugung verschaffen, daß andere Ziele, als die angegebenen, dem Verbande vorschweben.
Vieles geschieht und ist seitens der Leitung des Ver⸗ bandes geschehen, das gerade die älteren Collegen stutzig macht, wie selbst zugegeben werden mußte, daß in letzter Zeit die alten Collegen austreten oder sich passiv verhalten; denn niedergeschrien zu werden, ist niemandes Sache. Von der Telegraphie, deren Verhältnisse Ihnen bekannt sind, haben sich die älteren Collegen, unter denen doch recht begeisterte aber verständige Collegen waren, zurückgezogen.
Die Collegen im jüngeren Alter, also nicht angestellten Assi⸗ stenten, werden, ehrlich gesagt, zu Ausgaben verleitet, die mit ihren Einnahmen nicht im Einklange stehen.
und so geht das weiter. Halten Sie denn das für erfreuliche Zu⸗ stände? halten Sie das für ideale Auffassung, für eine Stärkung des Berufs⸗ und des Genossenschaftsgefühls? und glauben Sie, daß das Culturelemente sind, auf denen ein gesundes Staats⸗ und Beamten⸗ leben sich entwickeln kann? dann muß ich sagen, zweifle ich entweder daran, daß Sie von den Thatsachen ordentlich unterrichtet sind, ener — nehmen Sie es mir nicht übel — an Ihrer Logik! (Heiterkeit)
Sie haben dann weiter angeregt — ich muß Ihnen auf alle Einzelheiten antworten, weil die Sache wider meinen Willen hier von neuem aufgerührt ist; ich habe mich heute bis jetzt ganz inoffensiv und schweigend verhalten, das kann ich aber auf die Dauer nicht und will ich auch nicht; denn das könnte so ausgelegt werden, als ob wir nichts weiteres zu Ihrer Widerlegung zu sagen hätten. Meinetwegen kann die Debatte weitergehen, ich halte das- wochenlang aus, wenn nur der Herr Präsident das dulden will, ich werde Ihnen Rede stehen, soviel Sie wollen.
Sie haben nun die Seeretärfrage hier wiederum angeregt; daz ist aber gestern schon ausführlich verhandelt worden. Die Organisation kann nicht so geändert werden, wie Sie es wollen: denn das sind doch wirklich rein idealistische Anschauungen, alles zu nivelliren, damit kommen Sie in keiner Verwaltung aus. Sehen Sie sich in sämmtlichen Staats—⸗ verwaltungen um, es ist überall ein Unterschied zwischen niederer und höherer Carrière. Eine andere Organisation ist überhaupt nicht möglich. Vor den englischen Beamtenverhältnissen bewahre uns der Himmel! Was Sie anführen, sind alles sehr schöne Humänitäts⸗ gedanken, die ich hochachte; sie entspringen gewiß einer warmen und umfassenden Menschenliebe, aber in der Praxis, unter den harten Stößen im Raum können Sie damit nichts ausrichten. Friedrich der Große bekam einmal ein Buch von dem bekannten Encyklopädisten Baron Holbach: „Le système de la nature“, was ebenso von Wohlwollen und menschenfreundlichen idealen Auffassungen ausging, von ethischen Ergüssen strotzte und von humanen Plänen überlief. Der große König in Sanssouei sah es durch und schrieb an den Baron Holbach, er hätte mit Interesse Kenntniß davon genommen, es wäre aber sehr wenig wirkliche Menschenkenntniß darin, und wenn er, Holbach, nur eine sechs Wochen Bürgermeister der kleinen Stadt Pau in Frankreich gewesen wäre, so würde sein ganzes System der Natur, das ganze Buch nicht existiren. Und so ist es auch mit Ihren Ideen, Herr Stöcker, wenn Sie nur eine acht Tage General -Postmeister wären und diese große Verwaltung verantwortlich zu leiten hätten, so würden Sie wahrscheinlich zu ganz anderen Schlüssen kommen und sicherlich nicht für diesen Postassistentenverband, der den guten Geist untergräbt, hier öffentlich eintreten. Ich untersuche die Motive nicht näher — das steht mir nicht zu —, die für den Herrn Abgeordneten maß. gebend sind, aber ich kann erklären: un sere Stellung zum Assistenten
erbande können und werden wir durch diese Discussion und durch
alle solche doch immer mehr auf der Oberfläche und in Einzelheiten sich bewegenden Ausführungen als unberührt ansehen, und wir werden dieselbe, da sie wohlüberlegt ist, auf Grund der gemachten Erfahrungen und in Erkenntniß unserer Pflicht nimmermehr aufgeben und uns von unserer Verantwortlichkeit für die Ordnung und Zucht in einer so großen Verwaltung durch solche Ausführungen nimmermehr abhalten lassen. (Bravo! rechts.) Abg. Samhammer (fr) plaidirt für eine Herabsetzung des Packettarifs nach Amerika im Interesse der Production des Sonne⸗ berger Industriebezirks. Staatssecretär Dr. von Stephan: Bei der Nachsicht des Herrn Präsidenten will ich für dieses Mal dem Herrn Abgeordneten noch antworten; aber ich muß mich be—⸗ schränken — ich bin zu jeder Auskunft gern bereit. Also die Sache liegt einfach. Der Wunsch des Herrn Ab— geordneten ist vollkommen berechtigt. Die Ansicht theilen wir auch; aber ihn in Erfüllung zu bringen dafür sehen wir wenigstens für eine Reihe von Jahren keine Möglichkeit. Das liegt daran, daß die Vereinigten Staaten von Amerika keinen Packetpostdienst haben. Die Packetbeförderung ist in den Händen von lauter Privatgesell⸗ schaften, die sehr hohe Tarife haben, auf die wir keinen Einfluß nehmen können, weil sie ganz selbständig geleitete und nach der dortigen Verfassung selbständig verwaltete Gesell—⸗ schaften sind und auch über ihr Tarifwesen ganz allein zu bestimmen haben. Es wird darüber viel geklagt, daß das auf die Ausbeutung des Publikums hinausführt. Ich erinnere nur daran, daß die amerikanische Regierung, wenigstens diejenige, die jetzt soeben zu Ende gehen wird, gar nicht wünscht, den Packetverkehr von und nach Deutsch⸗ land besonders gehoben zu sehen; also selbst wenn wir diplomatische Schritte thun würden, daß auf die Gesellschaften eingewirkt werden möchte, so würde man das dort nicht wollen. Also, ehe dieser Zustand nicht beseitigt ist, ehe die Vereinigten Staaten bei sich nicht einen Packetpostdienst eingeführt haben, — und das wird wahrscheinlich noch sehr lange dauern, da sogar der Telegraph sich dort noch in Privathänden befindet, ist die Möglichkeit dazu nicht vorhanden. Ich bedauere das und ich habe wiederholt bei den amerikanischen Commissarien auf den verschiedenen Weltposteongressen, die alle fünf Jahre stattfinden, die Sache besonders urgirt. Die haben immer gesagt: Ja, mit dem Aus⸗ lande ginge die Sache vielleicht noch eher; aber sie könnten das nicht durchführen, als bis sie im Inlande diesen Dienst hätten. Sie könnten die Inländischen nicht anders behandeln wie die Ausländischen, und das unterliege großen Schwierigkeiten; es müßten sämmtliche Postlocale um das Doppelte und Dreifache erweitert werden, sie müßten ein viel größeres Personal anstellen. Die Packetpost ist einmal der Train in dem Postheere, die Briefpost ist die leichte Infanterie; die Packet⸗ post, die Artillerie und der Train, diese nehmen den größten Raum ein und kosten das meiste Geld. Aus diesen Gründen ist in der Sache nichts zu machen.
Was die Versendung von Mustern betrifft, so können Sie das thun nach den Bestimmungen des Weltpostverkehrs. (Zuruf links.. — Ja, ganz große Muster können Sie nicht hin⸗ schicken; aber Sachen, die in einen Brief gehen, bis zu 250 g; Hand⸗ schuhe schicken Sie den rechten in dem einen, den linken in einem anderen Brief. Das kommt vor, die Sache darf Verkaufswerth haben. Es werden Scheeren auseinande und jede Klinge in einem anderen Brief befördert. machen. Aber Packete zu schicken ist nur möglich gegen das bisheri leider hohe Porto.
Um 5 Uhr wird ein Vertagungsantrag abgelehnt.
Abg. Gröber (Centr.): Die Ausführungen des Staatssecretärs Dr. von Stephan gegen den Verband beweisen nur, daß der Verband der Verwaltung unangenehm geworden ist; weiter nich hal zu constatiren, daß die Aeußerungen des Abg. Dr. Lingens mißverstanden worden sind. Auch er verwirft die Maßreg Verbandes, geradeso wie wir. Wenn der Verein erlaubt man nicht, wie der Ober⸗Postdirector Köhne in Düsseldorf get
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Tt 5 .
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einem Schein von Recht kann man sagen, es habe der Staatsbeamte nicht mehr die gleichen Rechte wie jeder Staatsbürger. Wenn man so spricht, erzeugt man Folgerungen, wie der socialdemokratische Redner sie gestern gegeben hat, als ob die Beamten durch den Eintritt in den Staatsdienst eine Ehrenminderung erfahren. Die Beispiele, welche der Director Dr. Fischer und der Abg. von Keudell angezogen haben, treffen die Frage garnicht. Nach dem Erlasse des D Dr. Fischer bezweckt der Verband das schreckliche erb seinen Anhängern die Hoffnung zu erwecken, daß werde, die Postassistenten auch in höhere Stellen zu kri das selbst zuträfe, weshalb soll es strafbar sein? W wie vor Militäranwärter zu dem Examen zugelassen.
Hierauf wird nach 5i/ Uhr die weitere Berathung
Montag 1 Uhr vertagt. ö
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Statistik und Volkswirthschaft.
Zur Arbeiterbeweg
Aus Dresden wird der Berliner ‚Volksz die Arbeiter der Dresdener Gardinen⸗ un ; Lohnstreits vor einem Ausstand stehen.
In Oker a. Harz beabsichtigen, Blättermeldungen zufolge e Glasarbeiter wegen Lohnkürzung nach Ablauf ihrer Kündigungsfrist die Arbeiten einzustellen.
Aus Grünberg i. Schl. theilt Frau W. Eminger mit daß die an dieser Stelle in Nr. 49 d. Bl. nach dem Vorwärts gebrachte Meldung, die Arbeiter der Cigarrenfabrik von W. Eminger hätten wegen Lohnherabsetzung die Arbeit niedergelegt wahr ist.
Kunst und Wifssenschaft.
Von Montag, 13. d. M., . 2 Uhr ab bis Ende der Woche werden die beiden großen Modelle von den Gedächtnißkürchen für Kaiser Wilhelm J. und Kgiserin Üugusta, welche für die Ausstellung in Chicago bestimmt sind, im Lichthofe des Kunstgewerbe⸗Museums für das Publikum ausgestellt sein. Zutritt frei.
— Den bekannte Historiker Taine, Mitglied der Akademie, Verfasser des berühmten Werks Los Origines de la Franos contemporaine“ ist, wie dem W. T. B. aus Paris unter dem gestrigen Tage gemeldet wird, gestorben.
Land⸗ und Forstwirthschaft.
Stand der Saaten. ; Im Regierungsbezirk Stralsund sind die Saaten nur schwach entwickelt in den Winter gekommen. Durch die strenge Kälte scheinen sie nicht gelitten zu haben, da sie durch eine starke Schneedecke
genügend geschützt waren.