1893 / 58 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 08 Mar 1893 18:00:01 GMT) scan diff

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Meßmer im Auftrage Seiner Hoheit des Herzogs der

Landtag eröffnet wurde. Die Eröffnung des Landtags des Herzogthums Gotha fand bereits am Sonnabend durch den Staats⸗Minister Strenge statt, nachdem vorher die Con⸗ stituirung des Landtags und die Wahl des Abg. Berlet zum Präsidenten erfolgt war:

Anhalt.

Der Landtag trat in seiner vorgestrigen Sitzung nach Erledigung einiger kleineren Vorlagen in zweiter Berathung in die erste Lesung des Hauptfinanz⸗Etats für 1893,94 ein. Der Entwurf schließt in Einnahme und Ausgabe mit 11762 000 M ab. Der ordentliche Etat, mit Ausnahme des das Salzwerk Leopoldshall betreffenden Theiles, wurde an das Plenum, der außerordentliche Etat und der Etat des Salzwerks Leopoldshall an die Etatscommission verwiesen.

Elsaß⸗Lothringen.

Bei dem Statthalter Fürsten Hohenlohe fand gestern Abend zu Ehren des Landesausschusses ein Fest mahl statt, an dem die Spitzen der Behörden theilnahmen. Während des Mahls hielt der Statthalter eine Ansprache, worin er nach einer Meldung des „W. T. B.“ den Ausschuß zu der raschen Erledigung der Geschäfte beglückwünschte; allerdings seien nur verhältnißmäßig geringe Vorlagen auf dem Gebiet der Gesetzgebung eingebracht worden; er bedauere das Scheitern der vorjährigen Vorlage über die Organisationsgesetze, tröste sich jedoch mit dem Ge⸗ danken, daß der Sinn für die Selbstverwaltung auch in diesem Lande mehr und mehr Boden gewinnen werde; man müsse aber langsam vorgehen, sich vor der Hand mit der Reform der Gemeindegeseßgebung begnügen und für die nächste Session die Gemeindeordnung vorbereiten. Er habe großes Vertrauen auf den ruhigen und praktischen Sinn des Landesausschusses, der stets bereit sei, Hand in Hand mit der Regierung das Wohl des Landes zu fördern. Der Statthalter schloß mit einem Toast auf Elsaß-Lothringen, den Landesausschuß und dessen würdigen Präsidenten. Der Präsident Dr. Schlumberger sprach seinen Dank aus und toastete auf das Wohl des Statthalters, wobei er dem Wunsch Ausdruck gab, daß Fürst Hohenlohe noch lange an der Spitze der Regierung von Elsaß⸗-Lothringen bleiben möge.

Desterreich⸗ Ungarn.

Der Handels⸗Minister Marquis Bacgquehem legte gestern im Abgeordnetenhause die mit Rumänien ab— geschlossene Markenschutz-Convention vor. Bei der weiteren Berathung des Etats des Handels-Ministeriums erklärte der Handels⸗Minister, wie „W. T. B.“ berichtet, die Verstaatlichungsaction verhindere nicht den Bau von Localbahnen seitens der Privatbahnen. Die Regierung habe stets günstige Einlösungsmodalitäten bei den wirthschaftlich wichtigen Localbahnen zugestanden. Zu der Erklärung, von dem Einlösungsrecht keinen Gebrauch zu machen, sei die Regierung weder berufen, noch berechtigt, noch geneigt, ebenso⸗ wenig zu einer entgegengesetzten Erklärung. Hierauf gab der Minister ziffermäßige Nachweisungen über die zur Sicher— stellung bauwürdiger Localbahnen seitens der Regierung jähr— lich aufgenommenen Credite, über die Localbahn⸗-Concefsionen, über die Bauten seit dem letzten Voranschlag sowie über zahl— reiche neue Localbahnprojecte. Die Erklärungen des Ministers fanden lebhaften Beifall.

Im ungarischen Unterhause begann gestern die Berathung des Etats des Ministeriums des Cultus und Unterrichts. Der Cultus-Minister Graf Csaky gab eine geschichtliche Darstellung der gegenwärtigen kirchenpokiti— schen Lage und suchte nachzuweisen, daß die Civilehe der einzig richtige Weg sei, wenn man die Vergangenheit nicht verleugnen wolle. Er sei überzeugt, daß der Liberalismus, die Wahrheit siegen werde. Der Abg. Fenyvessy beantragte eine auf die Autonomie der Katholiken abzielende Resolutiön.

Großbritannien und Irland.

Im Oberhause beantragte gestern, wie ‚„W. T. B.“ meldet, der Lord⸗Großkanzler Lord Herschell die zweite Lesung der Novelle zum Erbschaftsgesetz, wonach, falls ein Testament nicht vorhanden ist, das unbewegliche Eigenthum gleich dem beweglichen unter die Erben vertheilt werden soll. Lord Dudley beantragte die Ablehnung der Vorlage, die mit 65 gegen Stimmen erfolgte.

Das Unterhaus verwarf gestern mit 186 gegen 151 Stimmen einen Antrag MGartney's, worin ge⸗ fordert wurde, daß kein fremdes Vieh den Landungsplatz lebend verlassen solle, um so die Einschleppung der Lungen— seuche zu verhindern. Im Verlauf der Debatte erklärte sich der Präsident des Ackerbauamts gegen den Antrag. Das jetzige System, daß je nach den Bedürfnissen des Landes modificirt werden könne, habe segensreich gewirkt. Der Antrag sei schutzzöllnerisch und enthalte ein Tabelsvotum gegen die Regierung.

Bei der in Grimsby vollzogenen Wahl eines Mit—

gliedes des Unterhauses wurde Heneage (Unionist) mit einer

Majorität von 964 Stimmen gegen den Candidaten der Gladstoneaner gewählt. Bei der Wahl im Jahre 1892 war ein Gladstoneaner gegen Heneage gewählt worden.

Der Senat der Universität Dublin hat der „A. C.“ zufolge am Montag einstimmig den Beschluß gefaßt, das Haus der Gemeinen zu ersuchen, die Homerule⸗Bilh nicht anzunehmen, da sie für Irland verhängnißvoll, für Groß— britannien verletzend und für die Interessen des Reichs ge⸗ fährlich sein würde. Aehnliche Resolutionen wurden gestern an vielen Orten Irlands gefaßt.

Nach einem Telegramm der „Frkf. Ztg.“ haben der Herzog von Westminster und andere bekannte Mitglieder der Staatskirche ein Rundschreiben an ihre Glaubensgenossen gegen die Kirchenvorlage für Wales erlassen, die nach ihrer Ansicht die Staatskirche auch außerhalb Wales aufs tiefste erschüttern würde.

Frankreich.

Die von den gestrigen Pariser Morgenblättern gebrachte Nachricht, daß der Chef des Generalstabs, General de Miribel, zurückzutreten beabsichtige, hat nach einer weiteren Meldung des „W. T. B.“ keine Bestätigung gefunden.

Nach einer Mittheilung des „Figaro“ wird Brisson heute sein Amt als Präsident der Panama-⸗-Untersuchungscommission niederlegen und zwar wegen der längeren Arbeitsenthaltung, zu der er infolge einer Operation, der er sich unterziehen muß, genöthigt sein würde. .

In dem gestern abgehaltenen Ministerrath legte dem W. T. B.“ zufolge der Unter⸗Staatssecretär der Colonien Del cassè das Decret, betreffend die administrative Orga⸗ nisation der Colonien in Französisch⸗Guinea, an der Elfenbeinküste und in Benin, zur Unterzeichnung vor.

Der Ertrag der indirecten Steuern im Monat Februar ergab eine Mindereinnahme von 5 746 800 Fr. gegen⸗ über dem Budgetvoranschlage und eine Mindereinnahme von 2648 900 Fr. gegenüber den Einnahmen im Februar 1892. Mindereinnahmen gegenüber dem Budgetvoranschlag kamen vornehmlich bei den Zolleinnahmen mit 2647 000 Fr. und bei der Zuckersteuer mit 3672 000 Fr. vor.

. Rußland.

ser Wiener Botschafter Fürst Loban ow ist, wie

„W. T. B.“ meldet, in St. Petersburg eingetroffen. Italien.

Der Papst empfing gestern den russischen Special⸗— gesandten Iswolski zur Entgegennahme der Jubiläums- wünsche des Zaren.

Spanien. Zu Delegirten Spaniens für die internationale Sanitätsconferenz in Dresden sind dem „W. T. B.“ zufolge der Ministerresident Ramirez de Villaurrutia und Dr. San Martin ernannt worden.

Luxemburg.

Die Deputirtenkammer beschloß, dem „W. T. B.“ zufolge, dem Großherzog durch eine Abordnung eine Glück— wunsch-Adresse zur Verlobung des Erbgroßherzogs über— reichen zu lassen. Die Debatte bezüglich der Klosterfrage ist auf Dienstag, den 14. d. M., anberaumt worden.

Belgien.

Das sorcialistische Blatt „Le Peuple“ forderte in seiner gestrigen Nummer die Arbeiter auf, zu den Waffen, gegebenen⸗ falls auch zum Dynamit zu greifen, um das allgemeine Stimmrecht zu erzwingen. Die Regierung beschloß, wie der „Magd. Ztg.“ gemeldet wird, die strafgerichtliche Verfolgung des „Peuple“.

Die Congo⸗Regierung rüstet einen Zug von 6000 Be⸗ waffneten aus, der das ganze Congogebiet von den Arabern säubern soll. Der Hauptmann Ponthier übernimmt den Oberbefehl.

Serbien. Im Kreise Cacak ist es neuerdings zu ernsten Unruhen seitens der Bauern gekommen, von denen einzelne, wie „W. T. B.“ berichtet, mit Berdangewehren bewaffnet waren. Der Anstiftung der Unruhen verdächtig ist der radicale Bauern— führer Ranco Tajsic, der verhaftet wurde. Bulgarien.

Die Wahlen zur Großen Sobranje, die über die Verfassungsänderung Beschluß fassen soll, sind laut Meldung des „W. T. B.“ auf den 30. April n. St. festgesetzt.

Schweden und Norwegen.

In der gestrigen Sitzung des Storthing wurde nach

einer Meldung des „W. T. B. aus Christiania folgender

Antrag der Linken eingebracht: Im Anschluß an die

einstimmige Adresse des Storthing vom 23. April 1860 hält das Storthing an der Alleinbestimmung Norwegens in allen Angelegenheiten fest, welche nicht im Reichsact als gemeinsame bezeichnet sind. In Uebereinstimmung hiermit behauptet das Storthing, daß sein Beschluß vom 10. Juni 1892 betreffs des Konsulatswesens ausschließlich von der norwegischen Staatsgewalt behandelt werden muß und daß diese Frage unabhängig von den anderen, von schwe— discher Seite in dem Protokoll vom 14. Januar 1893 gestellten Fragen abzumachen ist. Der Antrag wird kommenden Donners— tag im Storthing verhandelt werden.

Amerika.

Die Botschaft, mit der der neue Präsident der Ver— einigten Staaten Cleveland am 4. März sein Amt angetreten hat und von der ein kurzer telegraphischer Auszug schon in Nr. 56 d. Bl. mitgetheilt wurde, liegt jetzt im Wort— laut vor. Sie verbreitet sich über die Nothwendigkeit einer Reform der Münzgesetzgebung; sie fordert den Bruch mit dem System der Gewährung persönlicher Vortheile durch die Negierung, die Aufhebung der Prämien und Suhb— ventionen, die einzelnen zu gute kommen, größere Sparsamkeit in der Zahlung von Pensionen, eine Reform des Beamten— dienstes; sie verurtheilt die Vereinigungen und Trusis, welche Probuction und Preise bestimmen wollen, als mit der freien Arbeit unvereinbar; sie verlangt gleiches Recht für alle Bürger und Achtung der Rechte und Interessen der Indianer. Zum Schluß wendet sie sich zu der Tarifref orm und zu der allgemeinen Politik; diese beiden Abschnitte lauten wörtlich:

„Das Volk der Vereinigten Staaten hat entschieden, daß heute die Controle über seine Regierung, sowohl Legislative als Executive, derjenigen politischen Partei übergeben werden soll, die sich in der positivsten Weise für eine Tarifreform verpflichtet hat. Es hat sich also zu Gunsten eines gerechteren und billigeren Systems der Bundesbesteuerung entschieden. Die Männer, die es zur Ausführung seiner Absichten erwählt hat, sind durch ihre Ver sprechungen nicht weniger gebunden als durch den Willen ihrer Auftraggeber, sich ohne Verzug diesem Dienste zu widmen. Ohne daß eine Verletzung von Grundsätzen stattfinden darf, muß unsere Aufgabe, weise und ohne Rachsucht unternommen werden. Unsere Mission ist nicht Bestrafung, sondern Beseitigung des Unrechts. Wenn wir die Lasten des täglichen Lebens unseres Volks erleichtern und die von einzelnen nur zu lange genossenen un— billigen und ungerechten Vortheile verringern, so ist das eine noth— wendige Folge unserer Rückkehr zu Recht und Gerechtigkeit. Wenn wir von widerwilligen Geistern die theoretische Anerkennung einer ehr— lichen Vertheilung des Fonds des für alle vorhandenen Staatswohl wollens fordern, so bestehen wir nur auf dem Grundsatz, der unseren freien Institutionen zu grunde liegt. Wenn wir die Täuschungen und Mißverständnisse, denen unsere verblendeten Landsleute üher ihre Lage unter argen Zollgesetzen unterworfen waren, beseitigt haben, so zeigen wir ihnen nur, wie weit sie sich vom Pfade, der zur Zufriedenheit und Wohlfahrt führt, entfernt haben. Wenn wir erklären, daß die Steuer keinen anderen Zweck hat, als die Regierung im Gang zu erhalten, proelamiren wir eine so klare Wahrheit, daß, diese zu leugnen, zeigen würde, wie der Begriff der Steuer verkehrt worden ist. Wenn wir bei unseren Mitbürgern das Vertrauen za sich selbst und den Unter— nehmungsgeist wiederherzustellen suchen; wenn wir den Geist des ab⸗ scheulichen Parasitismus und die servilen Tendenzen in Betreff der Regierungsgunst bekämpfen, werden wir nur diejenigen Elemente des amerikanischen Charakters, welche eine Garantie für die zukünftige Größe Amerikas sind, stärken.

Eifer für die Wiederübernahme der Pflichten, die meine Partei uns auflegt, und Sorge für die vollständige Rechtfertigung des Ver—

trauens, daz das Volk in ung gesetzt hat, zwingen mich, diejenigen, mit denen ich zusammen arbeiten soll, zu erinnern, daß wir in dem uns übertragenen Werke nur r aufrichtige, harmonische und un⸗ eigennũtzige Anstrengungen Erfolg haben werden. Selbst wenn unäberwindliche Hindernisse und Widerstände die Vollendung unseres. Werkes verhindern, so werden wir kaum entschuldigt sein, und wenn das Fehlschlagen auf unsere Fehler oder Nachlässigkeiten zurückgeführt werden kann, so wird das Volk uns streng zur Rechenschaft ziehen. Der Eid, den ich jetzt leisten werde, die Verfassung der Vereinigten Staaten zu bewahren, zu schützen und zu vertheidigen, bestimmt nicht nur ausdrücklich die zu übernehmende große Verantwortlichkeit, sondern verlangt Gehorfam den derfgssungsmäßigen Aufträgen als der Regel, durch die mein aintliches Verhalten geleitet sein muß. Ich werde nach meinem besten Können und im Bereich meiner Pflicht die Verfassung bewahren, indem ich jede mir übertragene Macht loval wahrnehme, alle Schranken, die durch Ungestüm und Unruhe angegriffen werden könnten, ver— theidige und ihre Selbstbeschränkungen und Vorbehalte zu Gunften der Einzelstaaten und des Volkes in Gian halte. Völlig erfüllt von der, Schwere meiner Pflichten und von dem Bewußtsein meiner Schwäche, würde ich entmuthigt sein, wenn ich meine Ver— antwortlichkeit ohne Hülfe tragen sollte. Ich bin jedoch gestärkt, wenn ich sehe, daß ich die Hilfe, den Rath und die Mitwirkung der weisen und patriotischen Männer haben werde, die mir im Cabinet zur Seite stehen oder das Volt in seiner Legis— lative vertreten werden. Ich finde auch viel Erleichterung in der Erinnerung daran, daß meine Landsleute gerecht und großmüthig sind, und in der Versicherung, daß sie diejenigen nicht berdammen werden, die in aufrichtiger Diensttrene Geduld und Zustimmung ver— dienen. Ueber allem weiß ich ein höheres Wesen, das die mensch— lichen Dinge regelt und dessen Güte und Gnade das amerikanifche Volk stets begleitet hat; ich weiß, es wird sich nicht von uns wenden, wenn wir demüthig seine mächtige Hilfe suchen!“ ;

Der Präsident Cleveland hat, wie „Reuter's Bureau“ aus Washing ton meldet, vorgestein dem Senat die officielle Liste seiner Cabinetsmitglie der eingesandt. Die Er— nennungen wurden sofort bestätigt. Die vollständige Liste lautet: Walter Gresham (Alinois), Staatssecretär; John G. Carlisle (Kentucky), Secretär des Schatzamts; Daniel S Lamont (New-York), Secretär des Krieges; Aichard Olney (Massachuseits,, General- Staatsanwalt; Wilson S. Bissell (New ⸗Yorh, General ⸗Postmeister; Hilary A. Herbert (Alabama), Secretär der Marine, Loke Smith (Georgia), Secretär des Innern; Julius Sterling (Nebraska), Secretär des Ackerbaues.

Asien.

Das „Reuter'sche Bureau“ meldet über San Francisco aus Yokohama vom 17. Februar: Nachdem der parla— mentarische Conflict infolge der Einwilligung der japanischen Regierung in gewisse Budgẽtreductionen nunmehr beendet ist, tritt die Frage der Revision der Verträge wieder in den Vordergrund. Das Par— lament hat in einer geheimen Sitzung eine auf diese Frage, bezügliche Adresse an den Thron berathen. Die Verfasser der Adresse befürworten die Abschaffung des Princips, daß die Unterthanen der westlichen Mächte nicht den japanischen, sondern den Konsulargerichten unterliegen; ferner wünschen sie die Befreiung Japans von den vertragsismäßigen Beschränkungen in Zolltarifangelegenheiten und die Aus⸗ schließung der Ausländer vom Küstenhandel; schließlich soll den Ausländern verboten werden, Land, Bergwerke, Eisen— bahnen, Schiffswerften und Docks zu besitzen.

Parlamentarische Nachrichten. Deutscher Reichstag.

Der Bericht über die gestrige Sitzung befindet sich in der Ersten Beilage.

61. Sitzung vom Mittwoch, 8. März, 1 Uhr. Der Sitzung wohnen bei der Reichskanzler Graf von Caprivi sowie die Staatssecretäre Dr. von Boetticher, Freiherr von Maltzahn und Hollmann.

Die Berathung des Marine-Etats wird beim Extra— ordinarium fortgesetzt; die Budgetcommission hat im ganzen die geforderten ersten Raten für sechs neue Kriegsschiffe ge— strichen, und zwar für das Panzerschiff „Ersatz Preußen“ 00 Hho0M M, Panzerfahrzeug W 1009 09900, Panzerfahrzeug X 500 000 it, Kreuzercorvette K 2 Millionen, Kreuzer „Ersatz Möwe“ 750 009 MS, Aviso „Ersatz Falke“ 1200 000466; in Con— sequenz sind auch die Forderungen für artilleristische und Torpedo armirung gestrichen. Die Kosten für „Ersaßz Preußen“ sind im ganzen auf 12550 009 M im Etat bemessen. Ein Antrag der deutscheonservativen Abgg. Hahn und Genossen will die Forderung für „Ersatz Preußen“ unverkürzt bewilligen. Die übrigen. Forderungen des ordentlichen Etats im Extra— ordinarium des Marine-Etats hat die Commission nicht be— anstandet.

Unter Titel 1 wird die sechste und Schlußrate für die Panzercorvette „Kaiserin Augusta“ mit 1 100 060 4 gefordert.

Abg. Scipio (nl. wünscht, daß außer diesem Schiffe, welches für die Theilnahme an der anläßlich der Chicagoer Weltausstellung stattfindenden Flottenrewue in Amerita bestimmt ist, noch andere deutsche Schiffe behufs würdiger Repräsentanz Deutschlands dorthin geschickt würden.

Staatsseeretär Hollmann: Es sind für diese Revue die Cor— vette ‚Kaiserin Augusta., welche demnächst ihre Probefahrt machen y,, der Kreuzer „Seeadler“ durch Kaiserlichen Befehl bestimmt worden.

Die im Etat geforderten zweiten und ferneren Raten für Schiffsbauten werden darauf bewilligt.

Ueber die Streichung sämmtlichér erster Raten für neue Schiffe mit Ausnahme derjenigen für den Kreuzer F und den Aviso H referirt 2

Abg. Fritz en- Düsseldorf (Centr.): Es seien augenblicklich bereitz vier große Panzerschiffe im Bau, erst eins davon sei vom Stapel gelaufen und seine Bewährung stehe noch nicht fest. Es werde abzu— warten sein, ob diese vier neuen Schiffe sich bewähren. Auch der überaus große Kostenaufwand spreche gegen die Ueberstürzung des Baues der großen Panzer. Ein Schiff, wie der „Ersatz Preußen“ erfordere alles in allem mit der gesammten Armirung 17 bis 15 Millionen, eine Summe, welche bei der jetzigen finanziellen Lage sehr schwer ins Gewicht falle. Der Bau der Panzerfahrzeuge sei bei ung am aller weitesten borgeschritten; man könne also bei . großen Anforderungen, welche im übrigen der Marine-Etat diesmal an die Finanzen stelle, auch die hierher gehörigen Forderungen für Neubauten zurückstellen. Gegen die Kreuzer⸗Corvette K, sei wie im vorigen Jahre geltend gemacht worden, daß man erst abwarten müsse, ob die Kreuzer⸗Corvette J., die bereits vom Stapel gelaufen sei, sich bewähren werde. Die irre eg für die neuen Schiffe, den Kreuzer F und den Aviso X abe die Commission bewilligt, ebenso die Forderung eines neuen Torpedodivisionsbootes und die erste Rate von 2 200 500 zur Her. stellung von 8 Torpedobooten.

Bei Schluß des Blattes hat der Abg. Hahn (deons.) das Wort. .

Preusischer Landtag. Haus der Abgeordneten. Der Bericht über die gestrige Sitzung befindet sich in

der Ersten Beilage.

48. Sitzung vom 8. März.

Der Sitzung wohnen der Justiz-Minister Dr. von Schelling, der Minister für Handel und Gewerbe Freiherr von Berlepsch, der Finanz⸗Minister Dr. Miguel, der Minister für Landwirthschaft 2c. von Heyden, der Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen und der Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten Dr. Bosse bei.

Auf der Tagesordnung steht die dritte Berathung des Staatshaushalts-Etats für 1893,94.

In der Generaldiscussion erhält das Wort:

Abg. Freiherr von Minnigerode⸗Rossitten (cons.) : 58 0900000 Deficit und eine Anleihe, das ist das Zeichen unserer gegenwaͤrtigen Finanzlage. Die Verhandlungen hier und in der Budgeteammission haben den Beweis geliefert, daß von einem künstlichen Defieit keine RMRede sein kann. Unsere finanziellen Verlegenheiten sind weiter nichts als der concrete Ausdruck im Staatshaushalts⸗Etat für unsere ge— sammte wirthschaftliche Lage. Der Finanz. Minister hat vor der Etatsberathung die Anforderung an uns gerichtet, möglichst viel Ab⸗ striche zu machen. Die wenigen Hunderttausende, die wir haben kürzen können, stehen aber in keinem Verhältniß zu den vielen Millionen, die wir haben müssen. Jetzt bei Anfang der dritten Lesung sollte sich jeder einzelne von uns der Meinung des Finanz— Ministers nicht verschließen und sich auch in Bezug auf iigene Wünsche Zurückhaltung auferlegen. Vor allem müssen wir dahin kommen, daß, wenn die Eisenbahnen wieder mehr prosperiren, wir nicht von neuem in den Fehler verfallen, auf diese neu erzielten Einnahmen hin dauernde Staatsausgaben zu eröffnen, sondern uns immer bewußt sein, wie schwankend diese Einnahmen sind. Wir müßten einen Reservefonds hinlegen, damit, wenn wieder Ausfälle in den Eisenbahneinnahmen kommen, nicht der ganze Staatshaushalt in Mitleidenschaft gezogen wird. Uebrigens hebe ich hervor, daß die Staatseisenbahnen eigentlich nicht die Schuld an diesen Verhältnissen tragen; denn sie verzinsen das in ihnen angelegte Kapital 15 0M böher, als die Verzinsung der Staatsschulden ver⸗ langt. Es handelt sich nur um die schwankenden Ueberschüsse. Air mußten nicht nur neue Schulden aufnehmen, sondern haben auch in den letzten Jahren verschiedene Stücke des Staatsvermögens ver— loren, die ich in den zehn Jahren von 1881 bis 1891 auf 44 Mil⸗ lionen Mark schätze. Davon haben wir nur 7 Möellionen zum Ankauf von Oedländereien für die Anforstung verwendet. Daneben müssen wir auf die immer steigende Verschuldung der Communen hinweisen; denn der Steuerzahler für den Staat und für die Communen ist doch immer derselbe. Das Durchschlagende ist aber die mittlerweile ge⸗ stiegene Verschuldung des Reichs, die mit unserer Verschuldung eng zu— sammenhängt, weil wir auf denselben Anleihemarkt , sind. Die Schulden des Reichs betragen jetzt über 1 Milliarde. Der Matrikularbeitrag

Preußens an das Reich ist ebenfalls fortwährend gestiegen, trotzdem das Reich namhafte neue Einnahmen erhalten hat. Diese Schuldenwirthschaft kann doch nicht länger aufrecht erhalten werden, obgleich sie sehr be—⸗ juem ist und die Gegenwart entlastet. Wohin soll diese Wirthschaft führen, wenn eine Krisis kommt? Das Reich muß sich also in seinen Ausgaben beschränken und für neue Steuerquellen sorgen, damit wir nicht gezwungen werden, die Ausgaben durch die Matrikularbeiträge zu decken. Ich muß noch mit einigen Worten den Antisemitismus streifen. Man war sehr erstaunt, als wir zu dieser Frage Stellung zu nehmen versuchten. Das Erstaunen hat sich auf die leitenden Stellen übertragen. Der Reichskanzler hat sich dagegen ausgesprochen. Es läuft allerdings sehr viel Einseitiges beim Antisemitismus mit unter, aber es spielen auch berechtigte Klagen mit, und deshalb nahmen wir die Frage in unser Programm auf. Wir wollen nur die berechtigten Forderungen zu den unseren machen. Die Zeiten sind vorbei, wo der Abg. Rickert über die Klagen der Agrarier noch lächeln und meinen konnte, dadurch an die agrarischen Zustände in Irland erinnert zu werden; heute ist es ihm schon unbehaglich, wenn er Das feste Ver— wärtsschreiten der Agrarier sieht. Das Signal des russischen Handels— vertrages ist immer noch aufgesteckt. Ich hoffe aber, daß alles ins Wasser fallen wird. Die Landwirthe sind beunruhigt durch die Landgemeindeordnung, die gegen ihren Willen eingeführt ist. Ich er— innere an das Schicksal des Schulgesetzes und daran, daß die Handels⸗ verträge über den Kopf der Landwirthe hinweg gemacht sind. Daraus mußte eine Beunruhigung der Landwirthe folgen. Wir freuen uns dieses Zustandes nicht, denn wir leiden ebenfalls darunter. Aber wir dürfen nicht schweigen; das wäre Schwäche. Wie schwer es ist, Landwirthe in Bewegung zu bringen, die durch ihr Geschäft an die Scholle gefesselt sind, ist bekannt. Alle diese Hindernisse sind spontan überwunden worden; die Landwirthe haben sich zu Tausenden eingefunden und der Bund der Landwirthe ist gegründet worden. Wir bringen dem Bestreben dieses Bundes vom wirthschaftlichen Standpunkt aus unsere volle Sympathie entgegen, weil dadurch Preußen vor einer einseitigen industriellen Entwickelung bewahrt werden kann. Man muß sich doch darüber klar werden, daß man der Landwirthschaft auch Opfer zu Gunsten der Industrie auferlegt. Aber davon schweigt man. Ueber den russischen Handel svertrag ist hier im Hause auch verhandelt worden. Man sah in der Vertagung der Verhandlung über den Antrag Arendt eine Niederlage der Agrarier; aber für den vollständig gleichwerthigen Antrag von Dziembowski ergab sich nachher eine erdrückende Mehrheit Den Parteien, die bereit sind, für In— dzustrie und Landwirthschaft einen Ausgleich zu finden und beide gleich— mäßig zu erachten, gehört die Zukunft.

Abg. Francke Tondern (nl.): Ich will auf den Bund der Tandwirthe nicht eingehen, sondern nur darauf hinweisen, wie die Deficits der letzten Jahre in unserem sonst so soliden Etat entstanden ind. Der Fehler liegt darin, daß die Staatsausgaben, die gewachsen ind, angewiesen sind auf die Ueberschüsse der Eisenbahneinnahmen, die jetzt im Fallen begriffen sind. Die Ueberweisungen aus dem Reich haben abgenommen, sodaß wir eigentlich nichts mehr bekommen; wir haben aher die Verpflichtung aus der lex Huene, den Gemeinden 4 Millionen zu überwelsen, und wir haben unsere Staats— auzgaben für, die Velksschulen von 20 auf 62 Millionen gesteigert. Da müssen wir ja zum Deficit kommen! Wenn, neue Ausgahen bewilligt werden sollten, da fagte man immer: Wir haben einen Etat von 1800 Millionen und da kommt es auf ein paar Millionen nicht an. Aber unser Etat ist ein Brutto-Etat, weil nicht bloß die Ueberschüsse, sondern sämmtliche Einnahmen und Ausgaben in den Etat eingestellt werden müssen. Nehmen wir z. B. die Eisenbahnen, welche jetzt mit 938 Millionen Brutto im Etat stehen, mit ihrem Nettoertrage, so erscheinen fie im Etat nur mit 101 Millionen Mark Ueberschuß; die Ee e, l Nettoeinnahmen be⸗ tragen darnach nur 395 Millionen, und da machen ein paar Millionen schon etwas aus. Wenn die Eisenbahnen 161 oder nur 101 Millionen Ueber⸗ schuß abwerfen, so ist das ein gewoltiger Unterschied. Dabei muß nan eigentlich noch die Dotationen ausscheiden, die an die Provinzen, Jteise und Gemeinden 6a t werden; diese belaufen sich auf 131 Millionen. Um eine wirkliche Uebersicht über die Finanzverhältnisse zu erreichen, wäre es zweckmäßig, wenn jedesmal in der Denkschrift zum Etat ein Netto⸗Etat mitgetheilt würde.

9 Bei Schluß des Blattes nimmt der Abg. Rickert das Wort.

Im fünften Düsseldorfer e n,,

bezirk (Essen, Mühlheim, Duisburg, Ruhrort) ist an Stelle des verstorbenen Commerzsen⸗Raths hy en der Landgerichts⸗ Rath Schneider ) Essen (nationalliberal) zum Mitgliede des Haufes der Abgeordneten gewählt worden.

Kunst und Wissenschaft.

Die Militärische Gesellschaft zu Berlin hält ihre nächste, die letzte diesjährige Versammlung am Mittwoch, 15. März, Abends 7 Uhr, in dem großen Saale der Kriegs⸗Akademie, Dorotheen⸗ straße 58/59, ab. Vortrag: „Marschordnungen und Marschleistungen unter Napoleon“, gehalten von Hauptmann Freiherrn von Freytag Loringhoven, à la suite des 2. Garde⸗Regiments z. F. und vom Neben⸗Etat des Großen Generalstabs, Lehrer an der Kriegs⸗Akademie. Vorher: Rechnungslegung für das Jahr 1892/93. Ergänzungswahl des Vorstandes.

Der zwölfte Congreß für innere Medizin findet vom 12. bis 15. April d. J. zu Wiesbaden unter dem Vorsitz des Professors Immermann (Basel) statt. Folgende Gegenstände sollen zur Verhandlung kommen: Am ersten Sitzungstage, Mittwoch, den 12. April: Dir Cholera. Referenten: Herr Rumpf (Hamburg) und Derr Gaffky (Gießen). Am dritten Sitzungstage, Freitag, den 14 April: Die traumatischen Neurosen. Referenten: Herr Strümpell (Erlangen) und Herr Wernicke (Breslau).

Nach Beschluß des 1X. Deutschen Geographentags in Wien wird der diesjährige X. Tag vom 5. bis 7. April in Stutt⸗ gart stattfinden. Auf dieser Tagung sollen, wie der „St.⸗A. für Württemb.“ berichtet, folgende Hauptgegenstände zur Verhandlung kommen: 1) Besondere Landeskunde von Württemberg und Stand der Bodensee⸗Forschung. 2) Neuere Forschungen auf dem Gebiete der Erdkunde, insbesondere in Bezug auf die Wüstenbildung. 3) Karto⸗ graphie, Einheitliche Weltkarte. 4) Wirthschaftsgeographie und vraktische Verwerthung geographischer Ergebnisse. 5) Schulgeographie. In Verbindung mit dem Geographentag wird in der Zeit vom 3. bis 9. April eine geographische Ausstellung stattfinden, die einen speciell württembergischen Charakter tragen soll. Anmeldungen zur Theilnahme sind an den General⸗Secretär des Ortsausschusses Professor Dr. Lampert, Stuttgart, Archivstraße 3, zu richten. Der Vorsitzende des Centralausschusses ist Professor Dr. Neumayer, Geheimer Admiralitäts⸗Rath, Director der Deutschen Seewarte in Hamburg. Der Vorsitzende des Ortsausschusses ift Graf Karl von Linden. Der Geschäftsführer des Centralausschusses ist Georg Kollm, Ingenieur⸗Hauptmann a. D., General⸗Secretär der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin.

Im Juli d. J. wird in Wien der JI. internationale Samariter⸗-Congreß tagen. Präsident des Congresses ist Hof⸗ rath Dr. Theodor Billroth; Vice⸗Präsidenten: der Bürgermeister von Wien Dr. J. N. Prix und der Vice⸗-Präsident des österreichischen patriotischen Hilfsvereins Dr. Anton Loew. Das Bureau des Con— gresses befindet sich in Wien 1, Kärnthner⸗Ring Nr. 7.

Beim Rajolen seines Hausgartens fand, wie der „Z. B. 3. gemeldet wird, der Gastwirth Frebe in Rietz einen irdenen Topf mit etwa 800 Silbermünzen. Die Münzen tragen das Bildniß August's III., Kurfürsten von Sachsen und Königs von Polen, und stammen aus dem Jahre 1753. An Werth stellen sie rund 1000 M6 dar.

Der „Köln. Z. wird aus Braunschweig unter dem l. d. M. berichtet: Dieser Tage wurde in der braunschweigischen Braunkohlengrube Treue bei Schöningen der Stoßzahn eines Mam muths aufgefunden; der von verschiedenen Fachleuten besichtigte Fund erregt das größte Interesse. Der Zahn, von dem die Spitze abgebrochen, hat eine Länge von 3,50 m, einen Umfang von 60 em und ein Gewicht von fast 2 Centnern.

Die egyptische Regierung hat dem Wiener „Fremdbl.“ zufolge eine Note an die Großmächte gerichtet, des Inhalts, daß sie beschlossen habe, einen Theil der Mumien der Hohenpriester Amons, welche man vor zwei Jahren in Ober⸗Egypten gefunden hat, und die sich gegenwärtig im Museum in Ghizé befinden, den Museen in Berlin, Wien, London, Paris, St. Petersburg und Rom zum Ge⸗ schenk zu machen.

Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs⸗ Maßregeln.

Portugal.

Zufolge einer im ‚Diario do Governo“ vom 2. März 1893 ver—⸗ öffentlichten Verfügung des Königlich portugiesischen Ministeriums des Innern ist der Hafen von Marseille, welcher bisher für von Cholera verseutht! angesehen wurde, seit dem 20. Februar 1893 als dieser Krankheit „verdächtig“ erklärt worden.

Der Gesundheitsstand in Berlin war in der Woche vom 19. bis 25. Februar er. kein so günstiger wie in den vorhergegangenen Wochen und auch die Sterblichkeit war eine gesteigerte (von je 1000 Einwohnern starben aufs Jahr berechnet 21,6). Noch immer kamen acute Entzündungen der Athmungsorgane in großer Zahl zum Vorschein und endeten auch häufiger tödtlich. Auch Erkrankungen an Grippe wurden nicht selten behhanhten, aus der der Berichts⸗ woche vorhergegangenen Woche wurden 4 Todesfälle an Grippe gemeldet. Aber vicl zahlreicher als in den Vorwochen zeigten sich acute Darmkrankheiten, die auch in 110 Fällen (meist kleine Kinder) zum Tode führten. Die Betheiligung des Säuglingsalters an der Sterblichkeit war infolgedessen eine gesteigerte; von je 10 005 Lebenden starben aufs Jahr berechnet 92 Säuglinge.

Von den Infectionskrankheiten wurden Erkrankungen an Masern und Scharlach seltener, an Diphtherie ein wenig mehr als in der Vorwoche zur Anzeige gebracht, und zwar zeigten sich letztere im Stralauer Viertel, in Moabit und auf dem Wedding am zahkreichsten. Erkrankungen an Unterleibstyphus blieben vereinzelt, an Kindbettfieber kamen 2 Erkrankungen zur Meldung. Etwas häufiger gelangten rosen— artige Entzündungen des Zellgewebes der Haut zur ärztlichen Beobach— tung. Erkrankungen an Keuchhusten waren zahlreich, die Zahl der durch dieselben bedingten Sterbefälle blieb eine größere (19). Rheu— matische Beschwerden aller Art wurden im Vergleich zur Vorwoche etwas seltener zur Behandlung gebracht.

Handel und Gewerbe.

Die in St. Petersburg geplante internationale Ausstellung von Samen⸗Reinigungs⸗, Sortir- und Trockenmaschinen u. dergl. mi, über welche wir in Nr. 212 vom. 8. September v. J. berichteten, wird, wie wir hören, erst im nächsten Jahre eröffnet werden.

Tägliche Wagengestellung für Koblen und Kotz

an der Ruhr und in Oberschlesten.

An der Ruhr sind am 7. d. M. gestellt 10713, nicht rechtzeitig gestellt keine Wagen.

In Oberschlesien sind am 6. d. M. gestellt 33874, nicht rechtzeitig gestellt keine Wagen.

Verdiugungen im Auslande.

Rumänien.

1. Mai. Kriegs⸗Ministerium in Bukarest. Lieferung von 30 000m Leinwand für Matratzen, »é0M0 in Leinwand für ien 145 000 m Leinwand für Betttücher, 10 000 wasserdichten Brotbeuteln.

3. Mai. Ebenda. Lieferung von 37 000 Lederriemen für die Infanterie.

4. Mai. Ebenda. Lieferung von 100 000 m grauer Futterlein⸗ wand, 2000 m indigoblauer Futterleinwand, 80 000 m Leinwand für Blousen.

Dänemark.

15. März 16 Uhr. Den Gomitterede for Statsbanedriften i Jylland́-Fyen, Aarhus. Aufführung einer Locomotiven⸗Remise nebst Beaimtenwohnung u. a. auf der Eisenbahnstation Fridericia. Bedingungen und Jeichnungen zur Ansicht an Ort und Stelle und im Dahn oje zu Fridericia. Schriftliche Angebote mit der Aufschrift: „Bygningsarbeide pan Fridericin Station.“

Verkehrs⸗Anstalten. Die Zahl der in Berlin täglich eingebenden Brief⸗

sendungen bezifferte sich im Jahre 1872 auf rund 39 9009 Stück und ist jetzt auf 509 000 Stüc gestiegen. Die rasche Abwickelung des Bestelldienstes für diese Briefmassen bietet sehr erhebliche Schwierigkeiten. Trotzdem hat die Anzahl der gänzlich unbestell⸗ bar ble nden Sendungen nicht zugenommen, sondern sich verhältniß⸗ mäßig verringert. Während nämlich im Jahre 1872 täglich o, der Briefe ꝛc. wegen ungenauer Aufschriften zurückgehen mußte, sind gegen⸗ wärtig aus dem gleichen Grunde von den 00000 Stück täglicher Briefsendungen im Durchschnitt nur 1711 Stück oder 0, unbestellbar geblieben. Dabei fällt ins Gewicht, daß die Zahl der Briefe mit unvollständigen Aufschriften in neuerer Zeit wieder zuge⸗ nommen hat. Gegenwärtig befinden sich unter den täglich in Berlin zu bestellenden Briefen noch immer durchschnittlich 24 6904 Stück!!, deren Aushändigung wegen mangelnder Bezeichnung der Wohnung des Empfängers nicht ohne weiteres erfolgen kann. Eine große Anzahl der Versender hält es eben noch immer nicht für erforderlich, auf den Sendungen die Wohnung des Empfängers zu bezeichnen. Welche Zumuthungen dabei an die Leistungsfäͤhigkeit der Postverwaltung gestellt werden, zeigen folgende Beispiele. Es gehen Briefe an Vergnügungsreisende und an andere in Berlin nur vorübergehend sich aufhaltende Personen unter der einfachen Aufschrift: „Herrn Sanitäts⸗Rath N. aus W. z. 3. in Berlin“ oder „Herrn N. in Berlin, Hotel“ (ohne Benennung des letzteren) ein. Vergegenwärtigt man sich nun, daß in Berlin zu gewöhnlichen Zeiten etwa 10000 Fremde weilen, deren Zahl aber bei besonderen Anlässen, wie z. B. bei den letzten Vermählungsfeierlichkeiten, auf 50 000 steigt; daß ferner amtliche Fremdenlisten nicht ausgegeben werden, während nur wenige Zeitungen für eine beschränkte Anzahl von Hotels Veröffentlichungen über den Fremdenverkehr bringen: so wird es schwer begreiflich, wie dennoch Klage darüber erhoben werden kann, wenn ungeachtet aller Mühe ein Brief mit der vorbezeichneten Aufschrift unbestellbar bleibt. Hat doch vor kurzem der Absender eines folchen Briefes sogar die Ansicht ausgesprochen, daß die Bestellung sehr wohl ausführbar gewesen wäre, wenn man die einzelnen Briefträger! befragt hätte. Wie aber eine solche Befragung der bei 50 Bestell— Postanstalten vertheilten 1390 Briefträger ausgeführt werden soll ist unerfindlich. Uns ist ein anderer Fall bekannt, in welchem ein Bewohner eines Vororts von Berlin sich darüber beschwert hat, daß ein an ihn gerichteter Brief mit der Aufschrift „Herrn N. N. in Berlin“ als unbestellbar zurückgesandt worden ist.« Die Rücksendung hatte erfolgen müssen, weil das Adreßbuch der Berliner Einwohner den Namen des Empfängers nicht enthält. Letzterer beansprucht jedoch, daß auch die Adreßbücher sämmtlicher Vororte Berlins hätten nachgeschlagen werden sollen. Daß solche Anforderungen unerfüllbar bleiben iüssen, wird eines besonderen Nachweises nicht bedürfen. Im übrigen ist das durch langjährige Uebung und fortgesetzte Schulung herangebildete Sortir⸗ Personal des Berliner Briespostamts mit solchen umfassenden Orts- kenntnissen ausgestattet, daß es gelingt, von jenen oben erwähnten 24694 Stück Briefen mit unvollständigen Aufschriften im Durch- schnitt täglich 15 977 Stück ohne erheblichen Zeitverlust den Empfän⸗ gern zuzuleiten. Falls bei den übrigen 8717 Stück es nicht möglich ist, den Namen des Empfängers im Adreßbuch aufzufinden, müssen weitere zeitraubende Ermittelungen durch Nachschlagen specieller Ver⸗ zeichnisse, durch Rückfragen bei der Polizei oder dem Einwohner⸗ Meldeamt u. s. w. angestellt werden. Das Nachschlagen des Adreß⸗ buchs ist schon eine recht beträchtliche Arbeit, da je ein Beamter innerhalb einer Stunde nur für 25 30 Briefe die Aufschriften auf Grund des Adreßbuchs zu vervollständigen vermag. Bleiben unge achtet aller angewandten Mühe Briefe unanbringlich, so gelangen dieselben schließlich zu einer mit 15 Beamten besetzten Dienststelle, deren Personal lediglich die Aufgabe hat, jeden Brief nochmals zu prüfen, ob alle Hilfsmittel zur Auffindung des Empfängers erschöpft sind, bevor die Rücksendung nach dem Aufgabe⸗ orte eintritt. Wie aus Vorstehendem erhellt, hat die Postverwaltung es an besonderen Einrichtungen unter Aufwendung erheblicher Kosten nicht fehlen lassen, um die Nachtheile, welche aus einer ungenauen Adressirung einer Sendung für den Absender und Empfänger entstehen, einzuschränken. Gleichwohl gelingt ihr dies nicht in allen Fällen; ein Theil der Briefe ꝛc. bleibt unbestellbar und verfehlt da⸗ durch seinen Zweck; bei einem anderen großen Theil treten mehr oder weniger ansehnliche Verzögerungen in der Bestellung ein, welche empfindliche Folgen haben können. Es kann daher nicht dringend genug an das Publikum die Mahnung gerichtet werden, bei den Sendungen nach Berlin stets die Wohnung anzugeben und die⸗ selbe nach Postbezirk (S., SW. , C. ꝛc.), nach Straße und Hautz— nummer unzweideutig zu bezeichnen, um Nachtheile abzuwenden und der Postverwaltung ihre schwierige Aufgabe zu erleichtern.

Bremen, 8. März. (W. T. B.) (Norddeutscher Lloyd) Der Postdampfer, Braunschweig“ ist am 6. März Morgens von Baltimore nach der Weser abgegangen. Der Reichs⸗Postdampfer Hohenstaufen“ hat am 6. März Nachmittags die Reise von Genua nach Southampton fortgesetzt. Der Reichs⸗Postdampfer „Preußen“, von Ost⸗Asien kommend, hat am 7. März Vormittags die Reise von Genug nach Southampton fortgesetzt. Der Post-⸗ dampfer . Berlin“ hat am 7. März Morgens die Reise von Vigo nach dem La Plata fortgesetzt. Der Postdampfer Dresden“, nach NewYork bestimmt, hat am 7. März Morgens Lizard passirt.

London, 7. März. (W. T. B.) Der Castle⸗ Dampf er „Hawarden⸗Castle“ ist auf der Heimreise gestern in Plymouth angekommen. Der Castle⸗Dampfer Dunottar⸗Castler hat auf der HVeimreise gestern Madeira passirt. Der Castle⸗ Dampfer „Doune-Castle“ ist auf der Heimreise am Sonntag in London angekommen.

Theater und Musik.

Kroll's Theater.

Die Königliche Kammersängerin Frau Minnie Hauk, die nach ihrem letzten Auftreten am hiesigen Königlichen Opernhause seit einer Reihe von Jahren durch ihre Thätigkeit an den italienischen Dpern⸗ bühnen zu London und New⸗York von der deutschen Reichsbauptstadt fern gehalten worden ist, begann gestern Abend in der jetzt seltener . aber darum nicht weniger beliebten Oper . Das Glöckchen des Eremiten“ von A. Maillart ein Gast⸗ spiel. Von ihren zahlreich zusammengeströmten Verehrern beim ersten Erscheinen auf das freundlichste begrüßt, konnte sie bald zeigen, daß, wenn auch die Zeit nicht spurlos an ihrer Stimme vorübergegangen ist, sie doch durch die ausdrucksvolle Vortragsweise ibre künstlerische Begabung und feine musikalische Schulung ebenso wie früher zur Geltung zu bringen und die Zuhörer durch ihr geniales humorvolles Spiel als Rosa Friquet noch immer zu entzücken verstebt. Die Rolle der Georgette wurde von Fräulein Tomschick sicher ge⸗ sungen und ganz befriedigend gespielt. Herr Gura leistete recht Anerkennenswerthes als Belamy und gefiel besonders durch das als Einlage trefflich gesungene Lied: Wenn man beim Wein sitzt? von Franz Abt. Als einen aus—⸗ reichenden Vertreter für die Partie des Sylvain erwies sich gesang⸗ lich und schauspielerisch Herr Meyer, während Herrn Krausers Thibaut unter einer starken Unpäßlichkeit des Künstlers zu leiden hatte. Die von Herrn Kapellmeister Thienemann vorzüglich ge— leitete Oper fand namentlich für die tadellos eingeübten Chöre leb baften und wohlverdienten Beifall. Mit mehreren prachtvollen Blumenspenden gaben die Berliner Freunde der Frau Minnie Hauk ihre alte Anhänglichkeit für diese Künstlerin zu 3

Am Donnerstag geht im Berliner Theater das Schauspiel „Die Danischeffs! in Scene; Nuschg Butze wird die Rolle der Fürstin Lydia an diesem Abend zum ersten Male darstellen. Für Freitag bleibt bei aufgehobenem Abonnement ‚König Lear‘ auf dem Sviel en . Ludwig Barnay in der Titelrolle und Agneg Sorma alg

ordelia.