1893 / 58 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 08 Mar 1893 18:00:01 GMT) scan diff

ich muß doch einige nennen, die doch zweifellos ein sehr drastisches Licht auf diese ganzen Verhandlungen werfen. Der Marineverwaltung waren drei Offerten gemacht, eine zu 121½, die zweite zu 12 per Tonne; und mit dieser zweiten Forderung brachen wir die Ver⸗ handlungen ab. Dann kam hinterher am 20. Oktober die zweite war am 28. Juni eingegangen die Forderung von 9 S. Die Marineverwaltung hatte sich nach der zweiten Submission am 28. Juni überzeugt, daß sie auf dem Wege einer erneuten Submission mit den— selben Werken, mit denselben Producenten nicht weiter kommen würde. Die Zechen hatten sich trotz unserer Aufforderung geweigert, Einzeln—⸗ Offerten abzugeben; sie gaben ihre Offerten ab durch den Kohlen— ausfuhrverein, wie er sich gelegentlich uns gegenüber genannt hat. Die Marineverwaltung war sich aber voll bewußt, daß der Preis von 12 ½ dem Marktpreis nicht entsprach; sie konnte also nicht anders, als sich dahin wenden, wo sie sicher war, die Kohle sehr viel billiger zu bekommen, an den englischen Markt. Es wurde im September eine Submission abgehalten, die zu dem bekannten Preise führte. Am 20. Oktober, nachdem Bestimmung über die Zuschlagsertheilung ge— troffen war, kam die Offerte mit 9 . Selbst wenn diese Offerte früher gekommen wäre, wäre die Marine nicht in der Lage gewesen, darauf einzugehen; denn sie hatte sich bereits gebunden; die Submission war im September abgehalten worden. Nun habe ich mich inzwischen, nachdem die Commission getagt hatte, und von Seiten der Herren, die die Sache des Kohlen vereins vertraten, mir Mittheilungen gemacht waren hinsichtlich der Kohlenpreise in Hamburg, die mich einigermaßen in Erstaunen setzten, umgethan und Folgendes erfahren, und diese Vergleiche werden wohl zeigen, daß die Marineverwaltung doch wohl im Rechte war, daß sie diese Preise nicht ohne weiteres annahm. Es sind uns die Preise gemacht worden von 12,50 bis 9 , innerhalb eines halben Jahres also ein Preisabschlag von 3] M6. Nun haben wir ermittelt, wie die Kohlenverhältnisse in Hamburg in derselben Zeit gelegen haben, und da haben wir gefunden, daß in demselben Zeitabschnitt die west— fälische Kohle loco Zeche auch der Preis 121s, 12 und 9g M ist loco Zeche in Hamburg bezahlt wurde im März und April mit 9,40 bis 8,90 „e (hört! hört! links), und im Mai mit 8,40, also ein Preisabschlag, ein Preisrückgang von nur 1,00 bis 0,50 S, während dieser Preisrückgang hier 3,50 6 war loco Zeche. Meine Herren, ich sage loco Zeche, weil in dem Moment, wo wir die Tarife, also die Eisenbahnfracht, bezw. die Schiffsfrachten mit hineinbringen, die Sache unklar wird. Das ist eine Sache, die mit dem Kohlenankauf nichts zu thun hat. Ich kann nur constatiren, daß zu demselben Zeitpunkt, wo uns 12,50 MS abgefordert wurden, in Hamburg die Kohlen mit 3 (66 weniger die Tonne bezahlt wurden. Das wäre der höchste Preis. Ja, meine Herren, ich hätte nun also, wenn ich den Zuschlag er— theilt hätte bei 12,50 S, doch der Marineverwaltung und auch den Reichsfinanzen sehr im Lichte gestanden. (Sehr richtig! links.) Denn bei dem sehr hohen Bedarf, den die Marine an Kohlen hat, ist das garnicht gering zu schätzen. Wir brauchen für Werft- und Schiffszwecke in der Heimath ungefähr 80 000 Tonnen Kohlen. Wenn ich nun annehme, daß wir 3 bis 4 ( für diese 80 000 Tonnen mehr gegeben hätten, so würden immer rund 300 000 ½ mehr dabei heraus— kommen, die die Marine doch an anderer Stelle besser verwerthen könnte, wie diesen Zechen gegenüber, um so mehr, als ja der Marine der Brotkorb hochgehängt wird, wie die Verhandlungen zeigen. Uns werden in jedem Jahre sehr bedeutende Abstriche an diesem Indienst— haltungsfonds gemacht, die für uns sehr fühlbar werden. Da kann man beim besten Willen uns nicht zumuthen, daß wir den Zechen diese hohen Preise zahlen, wo wir uns bewußt sind, daß andere Leute zu derselben Zeit dieselben Kohlen zu sehr viel billigeren Preisen be— kommen.

Nun will ich ja nicht ungerecht sein und nicht unbillig urtheilen ich will alles vorbringen, was auch zur Entlastung dieser Kohlenvereine dienen könnte; nur glaube ich nicht, daß diese Entlastung so weit geht, daß der ganze Preisunterschied zu rechtfertigen wäre. In der That sind Lie zwungen, die Kohlen nach Hamburg billiger zu verkaufen als nach Kiel, aus dem einfachen Grunde, weil sie in Hamburg mit der Con— eurenz der englischen Kohle zu kämpfen haben. Es muß der Preis darauf wahrscheinlich so angesetzt werden, daß er sich ungefähr mit dem der englischen Kohle in Hamburg deckt, und das konnte in der That zu jener Zeit nur geschehen, wenn die Zechen die Kohlen in Hamburg für den von mir angegebenen Preis verkauften.

Also nach dieser Richtung hin will ich den Zechen das Zeugniß ausstellen, daß sie uns nicht genau so behandeln können wie die Ham— burger. Wir sind außerdem noch in einem gewissen Vortheil. Der Tarif der Kohle von der Zeche bis Hamburg beträgt pro Tonne un— gefähr 5, lz S, während er von der Zeche nach Kiel beträgt 8,40 pro Tonne, also eine sehr bedeutende Differenz. Wir müssen also schon an und für sich die Kohlen in Kiel sehr viel theurer bezahlen, weil wir eben einen höheren Tarif haben.

Nun habe ich mich umgethan und habe bei den betreffenden Be— hörden gefragt, ob es nicht möglich wäre, daß auch der Marine an den Tarifen etwas nachgegeben werde, und da ist mir gesagt worden, das wäre nicht möglich, weil dies die Schleswig⸗-Holsteinischen Rhede⸗ reien schädigen würde.

Ich möchte noch eines hier erwähnen. Es war in der Commission

und die Herren, die zugegen waren, werden sich dessen erinnern mir gesagt worden: Ja, in Hamburg wird von den Schiffen überhaupt gar keine englische Kohle gebrannt; die Schiffe in Hamburg beziehen lediglich westfälische Kohle. Es war das gewissermaßen gesagt worden, indem der Marineverwaltung ein leiser Vorwurf gemacht wurde, daß sie fremde Kohlen benutzte, weil die Heizer gewöhnt werden müßten an die westfälische Kohle, und weil sie, wenn sie mit fremden Kohlen heizten, nachher die Verwerthung der westfälischen Kohle nicht ver— ständen. Ich habe auch darüber Nachrichten eingezogen und habe in Erfahrung gebracht, daß in Hamburg nur 40 bis 45 Gου˖ der für Schiff sbunker gebrauchten Kohlen aus Westfalen bezogen werden, also ein größerer Betrag der Kohlen aus England als aus Westfalen. Eine Zahl von Rhedereien nimmt sogar die Kohle nicht in Hamburg, sondern in Antwerpen, weil der Tarif von der Zeche bis Antwerpen billiger ist als von der Zeche nach Hamburg.ͥ, Sie bekommen die westfälische Kohle in Holland billiger als in Hamburg. (Hört! hört! links.)

Alle diese Umstände, die ich hier vorgetragen habe, haben die Marineverwaltung dazu geführt, die Kohle aus England zu nehmen. Ich habe auch in der Commission des weiteren darüber mich aus— gesprochen. Es ist der Marineverwaltung sehr schwer geworden, weil

„dabei zu machen ist! Ob die

sie sich vollbewußt ist, daß sie eine gewisse Verpflichtung hat, die heimische Industrie in Anspruch zu nehmen. Nur das eine möchte ich sagen und das werden Sie mir gestatten, hier auszusprechen —: Es ist nicht überall so milde, so sachgemäß und ruhig geurtheilt worden, wie Herr Dr. Hammacher die Güte hatte, es zu thun. Die Marine ist vor einigen Tagen und auch schon vor längerer Zeit in heftiger Weise angegriffen worden nicht nur in den Zeitungen, sondern auch im preußischen Abgeordnetenhause. Es ist der Marine zum Vorwurf gemacht worden, daß ihr die nationalen Gesichtépunkte fehlten, daß sie für die Entwickelung der nationalen Industrie kein Gefühl hätte, kurz und gut, daß sie ihren pecuniären Vortheil der Entwickelung der deutschen Industrie vorzieht. Das ist nun durchaus nicht der Fall. Ich finde, dies war ein ganz unberechtigter Vorwurf, und er ist ja auch durch die Resolution, die von dem Herrn Referenten vorgelesen ist, gewissermaßen erledigt worden. Aber das muß ich doch aus— sprechen und ich glaube, ich werde die Zustimmung des hohen Hauses darin finden —: Wenn die nationalen Bestrebungen von jener Seite dahin gehen, der Marine die Kohlen zu vertheuern und das war unzweifelhaft der Fall —, so kann man doch immerhin der Marine nicht die Rolle zumuthen, daß sie die melkende Kuh für diese Bestrebungen abgiebt. Wir müssen uns doch einigermaßen danach umsehen, daß wir die Bedürfnisse der Marine nicht gar zu theuer bekommen.

Abg. Bebel (Soc.): Ich weiß nicht, wie die Majorität über diese Sache denkt; was mich betrifft, so erkläre ich: Der Abg. Dr. Hammacher hätte ebensogut den Versuch machen können, einen Mohren weiß zu waschen, als in diesem Falle die Loyalität der west— fälischen Kohlenbesitzer zu rechtfertigen. Das Verfahren der Marine— verwaltung in diesem Falle ist unanfechtbar. Sie hat alles gethan, was in ihren Kräften stand, um mit den westfälischen Kohlenzechen— besitzern zu einem befriedigenden Resultat zu kommen. Schuld find nur die westfälischen Zechen. Ganz gegen ihre Gewohnheit hat die Verwaltung zweimal die Zechen zum Angebot aufgefordert; erst als sie sah, daß mit diesen fest vereinigten Herren keine Vereinbarung möglich sei, sah sie sich anderweit um. Der Abg. Dr. Hammacher versichert hoch und theuer, daß der Kohlenausfuhrverein nach dem Auslande mit Schaden verkaufen müsse. Ja, dieser Verein hat auch nur den Zweck, nach dem Auslande die überschüssige Production zu Schleuderpreisen zu verkaufen, um im Inlande die Preise möglichst zu treiben. Erst nachdem die Herren in Westfalen merkten, daß die Verwaltung entschlossen war, ihre Bestellungen im Auslande zu machen, sahen sie sich, veranlaßt, einen Preis zu fordern, der unverhältnißmäßig billiger war. Passirt das im Privatleben, so wird einem Kaufmann, der so verführe, das Prä— dikat reell nicht mehr verliehen. Der Abg. Dr. Hammacher meint, es sei Ehrensache für die Zechen, den Anforderungen der Verwaltung zu genügen. Ja wohl, wenn ein gufes Geschäft Kohlengrubenbesitzer mit den heutigen Erörterungen sehr zufrieden sein werden, ist mir doch zweifel⸗ haft. Bisher gab es ja nur einen Kohlengusfuhrverein. Jetzt ist auch das Kohlenverkaufssyndikat gebildet, welches die Preise in weit höherem Grade als bisher hoch zu halten in der Lage ist. Diese Vereinigung wird doch auch die Staats- und Reichsverwaltungen mit ihren hohen Preisen beglücken wollen. Gerade diese Verwaltungen sind aber berufen, diesen Machinationen entgegenzutreten; der Privat—⸗ mann ist dagegen hilflos. Wenn es dem Syndikat gelingt, hohe Kohlenpreise aufrecht zu erhalten, dann wird die Industrie dadurch kolossal geschädigt werden und nicht mehr auf dem Weltmarkt con— curriren können. Die Arbeiter haben dann den Schaden. Es wird immer so dargestellt, als ob die Kohlenzechenbesitzer bei ihrem Vor— gehen das Interesse der Arbeiter im Auge hätten; die Arbeiter schiebt man vor und die Actionäre meint man. Die Hauptaufgabe ist dabei immer, möglichst hohe Profite für die Aktionäre herauszuschlagen, die Arbeiter müssen die Kosten bezahlen. Gelingt es den Herren, eine Be⸗ schränkung der Production herbeizuführen, dann werden Taufende von Arbeitern durch die künstliche Regulirung der Production auf die Straße gesetzt; diese drücken dann beständig auf die Höhe der Löhne und die Unternehmer haben den alleinigen Nutzen. Es wird die Frage entstehen: wenn, dem Vorgehen des Kohlensyndikats folgend, auch andere Großindustrien den gleichen Weg einschlagen, ob dann Staat, Reich und Gesetzgebung sich ein solches Vorgehen gefallen lassen können. Es stehen hier höhere Interessen als die dieser Kapitalistenvereinigungen auf dem Spiele. Was bisher diese Unter— nehmer gethan haben, ist zum Schaden der Allgemeinheit aus— geschlagen. Der preußische Staat ist doch durch seinen großen Besitz an gewerblichen Betrieben aufs Stärkste an der Sache interessirt; aber bisher hat er sich nicht abwehrend verhalten, sondern, wie bei den Kalisalzwerken, sich dem Syndikat angeschlossen, um auch etwas von den höheren Preisen zu profitiren. Der Reichstag muß möglichst einstimmig die Resolution annehmen und aussprechen, daß die Marineverwaltung durchaus correct gehandelt hat.

Abg. Dr. Ham macher (nl.): Auch der Vorredner ist doch der Meinung, daß, wenn es sich um geringe Preisunterschiede handelt, dann die inländische Production den Vorzug verdient. Nur dieses habe ich gefordert. Ich billige, daß die Verwaltung die hohen Preise nicht angenommen hat. Tadelnswerth aber bleibt, daß man die deutschen Zechen bei der Septembersubmission überhaupt nicht heranzog; es waren die Kohlenpreise sehr heftig inzwischen herunter— gegangen. Die Kohlenpreise in Hamburg, die der Staatssecretär anführt, betreffen nicht dieselbe Qualität Kohle; doppelt gesiebte Stückkohle brauchen die Hamburger Rhedereien nicht. Noch heute sind 12,50 für solche Kohlen in Westfalen kein überhoher Preis. Wenn der Abg. Bebel noch immer nicht glauben will, daß die Arbeitgeber neben dem Interesse für ihren . auch ein Interesse ir ihre Arbeiter haben, so kann ich ihm nicht helfen; für

ihn ist es einfach unmöglich, sich einen solchen . zu denken.

Abg. Graf Kanitz (deons. ): Jedenfalls muß unsere Verwaltung das In und Ausland gleichmäßig berücksichtigen. Nicht richtig ist aber, daß ein Preissturz der Kohle von 3 M im Jahre 1892 binnen wenigen Monaten stattgefunden hat; von einem Preise von 123 (6 war 1892 auch bei doppeltgesiebter Stückkohle keine Rede. Das Kohlensyndikat schon jetzt zu verurtheilen, ist verfrüht. Es wird erst abzuwarten sein, ob es dieselbe Praxis verfolgen will, wie die Kohlen⸗ verkaufsbereine und das Kokssyndikat sie zum Schaden des deutschen Volks betrieben haben. Mit einem Kohlenverkaufsverein hätte doch die Verwaltung überhaupt nicht verhandeln können, wenn es sich um eine Submission handelte. Es muß allerdings sehr befremden, wenn dabei von allen Zechen gleich hohe Preise gefordert werden. Die Justẽnde auf dem Kohlenmarkt sprechen der Theorie von Angebot und Nachfrage geradezu Hohn. Wenn das Kohlensyndikat hier Wandel schafft, wenn es sich einer soliden Praxis befleißigt, wenn es aug⸗— gleichend wirkt, dann soll es uns willkommen fein.

Staatsserectär Hollmann:

Auf die Anfrage des Herrn Abg. Grafen von Kanitz wegen der Art und Weise der Abhaltung der Submissionen habe ich zu erwidern, daß wir zuerst eine allgemeine Submission ausgeschrieben haben, und auf diese Ausschreibung hatten sich gemeldet eine schlesische Zeche, so viel ich weiß, einige westfälische Zechen und dann dieser Kohlenausfuhr— verein. Es war keine beschränkte Submission. Wir hatten uns nicht an diesen Kohlenausfuhrverein gewendet, sondern wir hatten eine allgemeine Submission ausgeschrieben, und da haben sich dann diese Producenten gemeldet. Ich kann nur sagen, daß bei der zweiten Submission, wo wir noch der Hoffnung lebten, wir würden mit den anderen Zechen noch zu einem Geschäft gelangen, die andern Zechen besonders auf— gefordert wurden. Es wurde ihnen bedeutet, sie möchten ihre Offerten nicht durch den Ausfuhrverein uns zukommen lassen, sondern direct Das

ist uns leider nicht gelungen. Sie haben egenicht gethan. (Hört! hört!) Sie waren höchst wahrscheinlich warum? kann ich nicht sagen

——

durch einen Vertrag gebunden, ihre Offerten durch den Ausfuhrverein in die Oeffentlichkeit zu bringen. Ich möchte bei dieser Gelegenheit noch ein Wort sagen wegen der Güte der Kohlen. Der Herr Abg. Dr. Hammacher meinte, die Kohlen der Marineverwaltung könnten wohl nicht unter einem solchen Preise bezahlt werden, es gäbe überhaupt niemand, der Kohlen in solcher Güte verlangt. Ich kann nicht genau sagen, wie die Verträge der großen Dampfergesellschaften in Hamburg lauten. Ich bin aber ganz fest überzeugt davon, daß die Hamburger Packetfahrtactiengesellschaft oder der Norddeutsche Lloyd, zwei Gesellschaften, die auch westfälische Kohlen brennen, keine schlechteren Kohlen nehmen wie wir. Von ihnen werden ebenso große Leistungen verlangt, wie von uns. Infolge dessen müssen sie gute Kohle haben. Ich glaube also, daß diese Entschuldigung, wenn ich mich so ausdrücken darf, auch nicht zutrifft. .

Abg. Broemel (dfr. ): Der Abg. Graf Kanitz steht dem Kohlen“ syndikat mit einem gewissen wohlwollenden Vertrauen gegenüber und spricht fromme Wünsche aus. Ich kann die letzteren aus vollem Herzen theilen; aber man darf sich doch überzeugt halten, daß mehr als alle solche frommen Wünsche das von der Marine ein⸗ geschlagene Verfahren eine Gewähr dafür bietet, daß wir vor Preis— treibereien bewahrt bleiben. Darin liegt die Bedeutung der heutigen Debatte und, des Vorschlags der Budgetkommission. Bei geringem Preisunterschied erfüllen die Verwaltungen des Reichs und Staats eine nationale Pllicht, wenn sie an erster Stelle, ihre Lieferungen an die einheimische Industrie vergeben. Aber hier liegt ein ganz anderer Fall vor. Alle Preisstatistiken beweisen, daß von so enormen Preis⸗ abschlägen, wie sie bei den Offerten des westfälischen Syndikats an die Marineverwaltuug gemacht sind, in anderen Geschäften nicht entfernt die Rede gewesen ist. Es hat eine ungeheuere Uebertheuerung vor— gelegen und zuletzt eine durch das Verhalten der Marine— verwaltung hervorgerufene Angst der Kohlenzechen. Daß die Verwaltung sich zuletzt nur an englische Firmen gewendet hat, ist nicht zu tadeln. Wenn die auswärtigen Offerten immer nur an— genommen werden, um, zurückgewiesen zu werden, werden dieselben schließ lich ausbleiben. Ein wichtiger Preisregulator würde damit außer Kraft gesetzt. Angesichts des neuen Kehlenverkaufssyndikats ist es besonders wichtig, daß die große Mehrheit des Reichstages sich hinter die Marine stellt. Wir dürfen keinen Zweifel daran lassen, daß wir solche Preistreibereien in keinem Falle gutheißen können. Beifall.) . J . . Graf Kanitz (deons.): Dem neuen Kohlensyndikat stehe ich nicht mit Vertrauen, sondern lediglich abwartend gegenüber.

Abg. Bebel (Soe.): Es war sehr gut, daß der Abg. Graf Kanitz diese Aeußerung noch einmal gethan hat. Seine vorherigen Ausführungen ließen die Deutung zu, daß er ganz gegen seine frühere Haltung den Kohlenverkaufsvereinen freundlich gegenübersteht. Ich kann mich in den Ideengang eines Unternehmers sehr wohl hinein⸗ denken, denn ich war sowohl lange Jahre Arbeiter als auch Unter⸗ nehmer. Wenn ein Kohlengrubenbesitzer für die Arbeiter sorgen muß, so muß er es, weil er nicht zulassen kann, daß sein Betrieb auch nur einen Tag stillsteht. Wollten die Zechen wirklich fur ihre Arbeiter sorgen, so hätten sie angemessene Preise schon bei der ersten Submission stellen müssen. ; . . .

Damit schließt die Discussion. Das Kapitel wird nach den Anträgen der Commission bewilligt, die Summe von Dö5 090 M abgesetzt. Die Resolution wird mit sehr großer Mehrheit angenommen. .

Die Kapitel Naturalverpflegung, Bekleidung, Garnisonverwaltungs- und Serviswesen, Sanitätz⸗ wesen, Reise⸗,Marsch⸗ und Frachtkosten, Bildungs⸗ wesen“ werden ohne Debatte nach den Anträgen der Com⸗ mission genehmigt.

Beim Kapitel „In standhaltung der Flotte und der Werftanlagen“ constatirt der ;

Abg. Pr. Hirsch (dfr.) mit Befriedigung, daß bei künftiger An⸗ nahme, von Arbeitern nicht auf das Alter, sondern auf die Leistungs⸗ fähigkeit gesehen werden soll, während bisher 40 Jahre alte Arbeiter überhaupt nicht angenommen wurden. Redner wünscht aber, daß die ganze Vorschrift, AÄrbeiter über 40 Jahre in der Regel nicht anzu⸗ nehmen, aufgehoben werde. Es sei doch nicht zu billigen, daß man die Arbeiter bis an ihr Lebensende zum Steuerzahlen zwingt und ihnen gleichzeitig die Möglichkeit des ehrlichen Erwerbes nimmt. Endlich bittet Redner um die Mitwirkung der Marineverwaltuung bei der Herstellung der Arbeiterstatistik. Aus den vorhandenen Listen bei der Werftverwaltung, ließe sich doch mit Leichtigkeit manches über die Löhne, die Arbeitszeit, die Arbeitslosigkeit u. s. w. zusammenstellen. Ein solcher Beitrag zur Arbeiterstatistit würde sehr werthvoll sein. Im Widerspruch mit dem Verfahren auf, den deutschen Werften stehe ein Fall, den zwar die Petitionscommission für ungeeignet zur Erörterung erklärt habe, der aber dem Reichstag vorgeführt werden müsse. Der jetzt I6 Jahre alte Invalide Köhler hat 16 Jahre auf der Werft gedient und hat Altertzrnte bekommen in Höhe von 15,95 M½.' Mit Rücksicht auf diese Altersrente ist dem Manne die Invalidenrente um den gleichen Betrag gekürzt worden, sodaß ihm von dieser nur noch 7 (6 bleiben. Diese Unbilligkeit werde diesem alten Mann gegenüber zur größten Härte. Zu diesem Abzug im vollen Betrage liege eine Verpflichtung nicht vor, es sei nirgends im Gesetz gesagt, daß der Betreffende seine ganze Invalidenrente einbüßen müsse, der in diesem Falle besonders schwer getroffen werde, da der Invalide ein Auge ganz verloren habe und auch auf dem andern kaum noch sehen könne. Es mag ja kein Mißwollen dabei vorliegen, aber ein so bureaukratisches Ab⸗ wägen der Verhältnisse solle doch in solchen Ausnahmefällen nicht Platz greifen.

Staatssecretär Hollmann:

Was die von dem Herrn Vorredner angeregte Frage wegen der Altersgrenze der Arbeiter betrifft, so habe ich die Zusage, die ich in der Commission gemacht habe, bereits erfüllt. Ich habe die Marine— Behörden, die Arbeiter beschäftigen, angewiesen, von dieser Bestimmung abzusehen. Ich habe den betreffenden leitenden Offizieren die An⸗ weisung gegeben, daß nach ihrem eigenen Ermessen die Sache behandelt werden soll, daß nach ihrem eigenen Urthéäle die Leistungsfähigkeit der Arbeiter festgestellt werden und dementsprechend die Anstellung der Arbeiter erfolgen solle oder nicht. .

Auf den zweiten Fall bin ich nicht in der Lage, sofort zu ant— worten. Leider habe ich das Material nicht zur Stelle; ich gebe aber die Versicherung, daß, wenn die Sachen so liegen, wie sie vorgetragen waren, und, wenn die Marineverwaltung in der Lage ist, eine etwaige Härte zu mildern, das geschehen soll. .

Nach den Vorschlägen der Commission sollen ein Bau⸗ inspector mit 4950 6 und von der Summe zur Instandhaltung und zu Reparaturen 190 000 6 abgesetzt werden. Mit diesen Abstrichen wird das Kapitel bewilligt, desgleichen nach dem Etatsanschlag das Kapitel „Waffenwesen und Befestigungen“.

Der Rest des Ordingriums wird ohne erhebliche Debatte bewilligt. Vor der Berathung des Extraordinariums wird die

Debatte vertagt. Präsident von Levetzow schlägt vor, morgen (Mittwoch) mit der Etatsberathung fortzufahren. Abg. Graf Ballestrem (Centr,) bittet, den morgenden Tag seiner Bestimmung als Schweringtag gemäß für die Berathung von Anträgen zu verwenden. Dem Centrum liege seht daran, den An⸗

.

trag, betreffs Aufhebung des Jesuitengesetzes, noch vor Ostern berathen zu sehen. Das könne aber nur geschehen, wenn auch morgen Schwerinstag abgehalten werde. Dann würde der Antrag spätestens

am 15. März zur Verhandlung kommen.

Abg. Freiherr von Manteuffel (deons.) bittet, es beim Vor— schlage des Präsidenten zu belassen; später könne man ja dem Antrage des Centrums die Priorität vor den vorher zur Berathung stehenden Anträgen einräumen. . .

Abg. Graf von Ballestrem (Centr.): Die Priorität für unseren Antrag eingeräumt zu erhalten, habe ich mich bei den Antragstellern der vorhergehenden Anträge vergeblich bemüht.

Abg. Schmid t⸗Elberfeld (fr) hält die Berathung des Jesuiten« antrages noch vor Ostern für unmöglich, auch wenn noch zwei oder drei Schwerinstage abgehalten werden, da zu viel Initiativanträge dem Jesuitenantrage voranstehen.

Bei der Abstimmung über den Antrag des Abg. Grafen Ballestrem stimmen für denselben das Centrum, die Polen und die Socialdemokraten, dagegen die übrigen Parteien. Da das Resultat zweifelhaft ist, muß gezählt werden, wobei sich die Beschlußunfähigkeit des Hauses ergiebt. Für die Abhaltung eines Schwerinstages stimmen 61, gegen dieselbe 76. Es ver— bleibt mithin bei dem Vorschlage des Präsidenten.

Schluß 5i/ Uhr.

Prenszischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 47. Sitzung vom 7. März. Die zweite Berathung des Staatshaushalts-Etats

für 1893/94 wird fortgesetzt bei dem Etat der Ansiedelungs

commission für Westpreußen und Posen.

Ueber den Beginn der Sitzung ist bereits in der Nummer vom Dienstag berichtet worden. Im weiteren Ver— laufe der Berathung nimmt nach dem Abg. Som bart (nl), dessen Rede bereits mitgetheilt worden ist, das Wort

Minister für Landwirthschaft 2ꝛc. von Heyden:

Der von dem Herrn Vorredner zuletzt ausgesprochene Wunsch, daß der Erfolg der Arbeiten der Ansiedelungscommission von Jahr zu Jahr kräftiger in die Erscheinung treten möge, bewahrheitet sich, glaube ich, schon durch die Resultate, die in dem diesjährigen Bericht Ihnen unterbreitet sind. Alle Wahrnehmungen, sprechen dafür, daß die Verhältnisse sich weiter günstig entwickeln werden. Diese Worte kennzeichnen bereits meine Stellung zu dem dem hohen Hause vorliegenden Antrage, durch den die Staatsregierung ersucht werden soll, die Be⸗ seitigung des Ansiedelungsgesetzes herbeizuführen. Ich kann allerdings nicht namens der Staatsregierung sprechen, weil das Staats— Ministerium über diesen Antrag noch keinen Beschluß gefaßt hat; aber ich habe nicht die geringste Veranlassung zu bezweifeln, daß die Stellung des Staats⸗Ministeriums heute dieselbe ist, wie bisher, daß mithin für dieselbe keine Veranlassung zur Beseitigung des Gesetzes vorliegt, und sie wird im übrigen abwarten, welchen Beschluß das hohe Haus in dieser Angelegenheit fassen wird.

Wesentlich interessirt mich das Gesetz zunächst von seiner wirth— schaftlichen Seite, und ich kann nur wiederholen, was ich schon im vorigen Jahre gesagt habe: es ist uns nicht um Kampf gegen die Polen zu thun, sondern das Gesetz bezweckt die Kräftigung und Stärkung dess Deutschthums in Posen und Westpreußen. Wenn der Herr Abg. von Czarlinski hervorgehoben hat, daß aus dem Umstande, daß die Güter aus deutscher Hand angekauft würden, hervorzugehen scheine, daß man die Polen beim Ankauf von Grundbesitz vollständig auszuschließen beabsichtige, so ist das nicht der Fall. Er nannte wohl das Gut Dembowolonka. Dasselbe ist ein seit sehr langer Zeit in deutscher Hand befindlich gewesenes und von der Konkursverwaltung gekauft. Es lag im Besiedelungsinteresse, diesen Besitz zu erwerben.

Im übrigen geht aus dem Umstande, daß das Rentengütergesetz ebensogut den Polen wie den Dentschen offen steht, hervor, daß eine Absicht, die Polen vollständig zu vernichten wie der Herr Abge— ordnete sagte —, auf Seiten der Staatsregierung nicht besteht. Das Ansiedelungsgesetz hat eine andere Aufgabe. Bei dem ganzen Zuge der Bevölkerung von dem Osten nach dem Westen, den wir alle be— klagen, kann nicht zweifelhaft sein, daß schließlich der Ersatz von Osten kommt. Daß das keine deutschen Elemente sind, ist ferner ebenfalls zweifellos. Da hat sich die Staatsregierung unter Zu— stimmung der großen Majorität des Landtags entschlossen, in den Ost— marken das Deutschthum kräftig zu fördern. Daß die Ausführung dieses Gesetzes mit der Arbeit, mit den Geldmitteln, die hineingetragen werden, zu einer wirthschaftlichen Hebung und zur Förderung dieser Landestheile beiträgt, darüber kann gar kein Zweifel sein.

Wenn nun von verschiedenen Seiten und auch von dem Herrn Abg. von Czarlinski darauf zurückgekommen ist, die Staatsregierung beabsichtige mit der Ausführung dieses ganzen Gesetzes die Protestanti⸗ sirung der betreffenden Landestheile, so ist auch das nicht richtig. Sehen Sie sich die Zahl derjenigen, die sich um Ansiedlerstellen be— worben haben, darauf an, ob es Katholiken oder Evangelische gewesen sind; und sehen Sie sich die Zahl derer an, die Stellen übernommen haben, so werden Sie im wesentlichen gleiche Procentsätze finden. Daß es nicht ganz genau stimmen kann, liegt in der Natur der Sache begründet. Die Ansiedelungscommission verfolgt die Absicht, mirkliche lebensfähige bäuerliche Gemeinden zu begründen, und ist es ein vollständig berechtigter Grundsatz, daß man in diesen Gemeinden nicht von vornherein Leute verschiedener Confession vereinigt. Ich glaube, das wird von allen Seiten gebilligt werden.

Es ist von dem Herrn Abg. von Czarlinski behauptet, dieses Gesetz sei ein vollständiger wirthschaftlicher Mißbrauch, denn die Arbeiter würden nicht seßhaft gemacht, und darum allein handelt es sich. Meine Herren, die Arbeiterfrage beschäftigt uns ja im Osten in hervorragender Weise. Wie sie gelöst werden kann, das müssen wir noch der Zukunft überlassen; das ist in vielen Beziehungen noch eine offene Frage. Aber, meine Herren, die Thatsache werden sie als be⸗ rechtigt anerkennen, daß, wenn wir neue bäuerliche Gemeinden schaffen, daß das auch die Kristallisationspunkte sind, wo, wenn nicht sofort, aber jedensalls in der Folge auch die Ansiedelung kleiner Besitzer an= schließen kann. Es muß mit diesem ganzen Colonisationsverfahren schrittweise vorgegangen werden; es läßt sich dabei nicht alles mit einmal machen. Die bäuerlichen Gemeinden werden die Mischung der verschiedenen Besitzklassen im Gefolge haben und in der abgestuften Mischung des großen und kleinen Besitzes beruht, wie wir alle an— erkennen, der wirthschaftliche Kern der Colonisationsthätigkeit; dieselbe ist nicht, wie der Herr Abg. von Czarlinski sagt, darauf gerichtet, den gesäammten Großgrundbesitz zu vernichten, nein es soll eine gesunde Mischung der verschiedenen Besitzklassen herbei⸗ geführt werden, da, wo theilweise ein zu zahlreicher Großgrundbesitz

vorhanden ist, soll eine Mischung des Großgrundbesitzes mit bäuerlichen Gemeinden eintreten.

Der Herr Abg. Sombart hat sich darüber beschwert, daß die Bildung von Gemeinden zu langsam fortfahre. Seit Abschluß des Berichts sind bereits wieder mehrere Gemeinden constituirt und die Verhandlungen schweben in vielleicht noch zwanzig Fällen, und so schreitet auch diese Arbeit der Ansiedlungscommission in demselben gesteigerten zugleich aber sicheren Tempo fort, welches wir in allen Beziehungen verfolgen können.

Zu meiner Freude hat sich der Herr Abg. Sombart heute damit einverstanden erklärt, daß nicht zu viel Grundbesitz in den Händen der Ansiedelungscommission vereinigt sei, gegenüber den bereits be— siedelten Flächen; das ist entschieden richtig. Meine Herren, wenn Sie die Zahlen ansehen, die der Bericht bringt, so finden Sie, daß momentan nur etwa 500 noch nicht besiedelte Stellen zur Verfügung stehen. Davon sind eine Anzahl bereits wieder begeben. Es ist also kein zu großer Vorrath vorhanden, während die Ansiedler Auswahl haben wollen. Die Auftheilung und die Fertigstellung zur Besiedelung kann erst im dritten Jahre nach dem Ankauf stattfinden, meistens erst im vierten Jahre, darüber sind alle Sachverständigen einig. Erst wenn die nöthigen Meliorationen namentlich Vorfluthbeschaffung und genügende Drainage ausgeführt sind, erst dann ist es möglich, daß der Ansiedler auf der Stelle gedeihen kann.

Daran hat der Herr Abg. Sombart die Frage geknüpft, wie es mit den Drainagekosten stehe. Ein Drittel verlangt jetzt die An— siedelungscommission als baare Anzahlung und der Rest wird nach sachgẽmäßer, je nach Lage des Falls bewirkter Reducirung als drei— procentige Rente festgesetzt. Nun führt Herr Sombart aus, die ganze Drainage ist keine dauernde Anlage, deshalb müssen die Kosten amor⸗ tisirt werden. Das ist an sich richtig. Will man das Kapital amor— tisirt haben, dann muß man eine höhere Rente wie 30 nehmen. Nothwendig ist das aber nicht, weil die Rente abgelöst werden kann, sobald die Leute genügend erstarkt, sind. Zur Unterhaltung der Drainage-Anlage findet außerdem eine Genossenschaftsbildung statt. Wie gesagt, will man amortisiren, dann müßte die Rente von vorn— herein höher gesetzt werden; diese Angelegenheit ist aber erst in diesem Jahre in dieser Form in Fluß gekommen und die Ansiedelungscom— mission wird sich wohl noch weiter damit zu beschäftigen haben.

Ich muß noch auf eine Aeußerung des Herrn Abg. von Czarlinski zurückkommen, die bereits Herr Abg. Sombart gestreift hat. Er

sagte: die ganze Ansiedelungscommission ist weiter nichts, wie

eine Versorgungsanstalt für bankerotte deutsche Gutsbesitzer. Herr Sombart hat diese Aeußerung dahin aufgefaßt, als ob Herr von Czarlinski hätte sagen wollen, daß diejenigen Beamten, welche der Ansiedelungscommission in Posen angehören, also die Gesammt— zahl der in dem Bericht aufgeführten Ober- und Unterbeamten sowvie die Vermessungsbeamten, lauter bankerotte Gutsbesitzer seien. Ich habe Herrn von Czarlinski so nicht verstanden und habe auch nicht geglaubt, daß er so etwas hätte aussprechen wollen oder können, weil es zu klar auf der Hand liegt, daß dies falsch ist, sodaß man darüber kein Wort zu verlieren braucht. Wahrscheinlich hat der Abg. von Czarlinski aus drücken wollen, daß zu Verwaltern der Güter, welche sich in zwischen— zeitlicher Verwaltung befinden, bankerotte deutsche Gutsbesitzer ver⸗ wendet werden. Ob das der Fall ist, und in welchem Umfange, kann ich im Augenblick nicht sagen; ich habe aber nicht das geringste Be— denken, daß es richtig ist, daß dort auch ein oder der andere bankerotte deutsche Gutsbesitzer verwendet wird. Ich glaube, es kann auch ein Pole darunter sein. Aber ist denn das ein gerechtfertigter Vorwurf, wenn in! der jetzigen Zeit ein Mann bankerott wird? Ist derselbe dann nicht mehr zu verwenden als Landwirth? Eine zwischenzeitliche Verwaltung müssen wir haben, und wenn einmal ein Gutsbesitzer, der seinen Beruf als selbständiger Landwirth hat aufgeben müssen, zu dieser Verwaltung benutzt wird, ist denn das etwas Ungehöriges? Ist das ein berechtigter Vorwurf für die Commission? In meinen Augen absolut nicht.

Auf die Petitionen, welche der Herr Abg. von Czarlinski erwähnt hat glaube ich nicht weiter eingehen zu sollen; der Instanzenzug ist nicht erschöpft, und es würde zu weit führen, bei den vielen Zahlen das Detail dem hohen Hause mündlich vorzuführen.

Der Herr Referent hat seinerseits noch zwei Punkte gestreift, auf welche ich eingehen möchte. Er hat einmal gesagt, es sei wünschens— werth, das genossenschaftliche Raiffeisen'sche Kassenwesen mehr zu fördern und ebenso das Vereinswesen in den Ansiedelungsgemeinden. Ja, meine Herren, keine Frucht wird mit einem Male reif, und auch alle diese Angelegenheiten reifen langsam. So was läßt sich nicht mit staatlichen Mitteln mit einem Male ins Leben rufen. Zu einer genossenschaftlichen Bildung gehört der Gemeingeist und auch das gemeinsame wirthschaftliche Interesse. Die Staatsregierung und die Ansiedelungscommission kann in dieser Beziehung die Anregung geben, sie kann erziehlich wirken, und das thut sie, um den Vereinssinn zu heben. Aber die nothwendige Voraussetzung ist bei allen diesen Sachen, daß das Interesse bei den Ansiedlern selbst zur Reife kommt. Meiner Ueberzeugung nach wird das ganz von selbst geschehen. Unter den Ansiedlern sind Elemente, die an derartige Thätigkeit gewöhnt sind, und so bin ich überzeugt, daß das Genossenschaftswesen und das Kassenwesen auch dort bald in größerem Umfange in Erscheinung treten wird als bisher.

Wenn ferner in der Budgetcommission die Frage angeregt ist, ob es sich nicht empfehle, den Sitz der Commission von Posen nach Gnesen zu verlegen, so glaube ich, daß dies nicht ernstlich in Er—⸗ wägung gezogen werden kann. Es würde das, abgesehen davon, daß in Gnesen, was mir durch zufällige Beziehungen näher bekannt ist, absolut keine Wohnungen für Beamte sein würden, seitdem dort seit ein paar Jahren eine größere Anzahl Militär zu— sammengezogen ist, auch derartig erhebliche Kosten verursachen, durch Errichtung von Neubauten u. s. w., daß meines Erachtens, ab⸗— gesehen von sonstigen Momenten, die dagegen sprechen, es allein schon an der Kostenfrage scheitern muß.

Von verschiedenen Seiten ist die Kostspieligkeit der ganzen Ver— waltung der Ansiedelungscommission bemängelt. Wenn wir der Prü— fung unterziehen, was die Ansiedelungscommission kostet mit ihrem Beamtenapparat, und was eine Generalcommission kostet, z. B. die in Bromberg ich glaube, das Rechenexempel wird nicht zum Schaden der Ansiedelungscommission ausfallen. Es wird von den ja zahl— reichen, aber nicht zu vielen Beamten eine stets wachsende Arbeit ge⸗ leistet und, wie der Bericht Zeugniß giebt, das Ansiedelungsgeschäft in von Jahr zu Jahr steigendem Maße gefördert.

Abg. Rickert (dfr.) bedauert, daß die Budgeteommission in

die dichti i iftlichen Bericht erstattet habe

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größtentheils verloren. Der Ver chte stars wollte aus dem Bericht

der Ansiedelungscommission herleiten, daß der Ausdruck der Thronrede über die gesegnete Ernte nicht richtig sei. Die Commission wird

darüber doch keinen Beschluß gefaßt . das wird eine Aeußerung

des Berichterstatters oder eines seiner Freunde gewesen sein. So

harmlos wie der Abg. Sombart kann ich die Sache nicht betrachten; er spielt dabei nur den Liebhaber für landwirthschaftliche Dinge. Aber

er hätte doch auch den Polen, die einen Antrag gestellt haben,

etwas Respect erweisen sollen. Die wirthschaftliche Seite der Frage ist untergeordnet, obgleich es sich um ein

nicht unbedeutendes finanzielles Object handelt. Hier könnte etwas gespart werden, und zwar mehr als bei den Gewerbe⸗ gerichten; es handelt sich hier um Millionen und es geschieht da⸗ mit ein wichtiger politischer Act. Wenn die Regierung jetzt den Polen gegenüber eine andere Politik einschlägt als früher, warum zieht sie dann nicht die Consequenzen? Warum beseitigt sie nicht das Ansiedelungsgesetz? Wir werden dem Antrage des Abg. von

Czarlinski zustimmen. Wir haben kein Recht, an der Vaterlands⸗ liebe der Polen zu zweifeln; sie sind gleichberechtigte Staatsbürger und wir dürfen sie nicht zu Parias herabwürdigen. Im Dezember v. J. beklagte sich der Abg. von Puttkamer⸗Plauth über die Zunahme der Polen in Westpreußen. Ein Beweis dafür ist nicht

erbracht worden. Dargus, daß der Pole von Donimirski gewählt

ist, kann man das nicht schließen; denn er ist von Conservativen gewählt worden. Uns hat man einmal einen Vorwurf aus einem

solchen Verhalten gemacht, trotzdem wir in Wirklichkeit gar nicht für einen Polen gestimmt haben; die Schamröthe stieg damals dem Abg. von Puttkamer darüber ins Gesicht. Jetzt wählt der Abg. von Puttkamer den Polen und warnt vor Zwangsmaßregeln gegen die Polen! Er empfiehlt den freien Wettkampf. Wir scheuen diesen Wettkampf durchaus nicht. Früher bestand ein nationaler Gegenfa

zwischen Polen und Deutschen nicht in dem . wie jetzt; 3. hoffe, daß es wieder so kommen wird wie früher. Für die Be—

lebung des deutschen Elements hat das Ansiedelungsgesetz nicht günstig

gewirkt; das ist von Männern aller Parteien anerkannt worden.

Man hat das Gesetz als eine Rettungsbank für die Polen be—

zeichnet; die Polen sind dadurch kapitalkräftiger geworden. Diese Kampfgesetze dienen nur dazu, die Polen fester zusammenzuschließen. Wer seine Gegner reizt, der ruft den Gegendruck hervor; das sollte der Minister des Innern auch bezüglich der Be—

stätigungsfrage beherzigen. In der Commission hat der Vertreter der Regierung auch anerkannt, daß das Gesetz nicht mehr politisch mit der Schärfe angewendet werde, wie früher. Man sollte die Sache neutral machen und die Gelder lieber für andere Ansiedelungen

auch in anderen Provinzen verwenden. Warum hat der Abg. Som⸗

bart das nicht für seine Zwecke verlangt? Allerdings würde es ein

schwerer Biß in den sauren Apfel sein, wenn man das Gesetz, das mit solchen Fanfaren in die Welt gesetzt worden ist, beseitigen wollte.

Die Regierung ist in diesem Kampfe unterlegen. Wandeln Sie das

Gesetz um in ein Gesetz, das für Alle gilt, das wird die Polen

versöhnen. ;

Präsident des Staats-Ministeriums, Minister des Innern Graf zu Eulenburg:

Meine Herren! Wenn der Herr Vorredner zuerst gemeint hat, meiner heutigen Anwesenheit die Bedeutung beilegen zu sollen, als ob ich dem Antrage, der von Herrn von GCzarlinski gestellt worden ist, eine besondere politische Bedeutung beimesse, so glaube ich, ihm darin nicht beitreten zu können; meine Anwesenheit erklärt sich ganz einfach daraus, daß der Etat der Ansiedelungscommission zu denen gehört, die auf dem Etat des Staats, Ministeriums stehen, und daß ich es deshalb für angezeigt gehalten habe, hier zu erscheinen. Ich will aber auf der anderen Seite auch gar nicht in' Abrede stellen, daß der Antrag des Herrn Abg. von Czaklinski allerdings eine politische Bedeutung hat, und daß auch das ein Grund ge— wesen ist, warum ich geglaubt habe, hier erscheinen zu sollen. Nur liegt die politische Bedeutung nicht darin, daß ich glaubte, daß der Antrag irgend eine Aussicht hätte, heute angenommen zu werden; und der Hinweis, den der Herr Vorredner ich würde das meinerseits sonst nicht gethan haben auf die leeren Bänke dieses Hauses machte, beweist, wie ich glaube, daß ich mich in dieser Ansicht nicht täusche.

Wenn nun der Herr Abgeordnete weiter sagt, die Regierung sei mit diesem Gesetz unterlegen, sie versuche, seine Natur zu verwischen und wolle mit der Sprache in dieser Sache nicht heraus, so kann ich nur sagen, daß zu solchen Ausführungen die Staatz regierung in keiner Weise auch nur die leiseste Veranlassung gegeben hat. Meine Herren, dieses Gesetz hat entschieden einen politischen Charakter; das ist niemals geleugnet worden und wird nicht geleugnet werden. Aber allerdings, wir sind auch befriedigt darüber, daß die Art und Weise, wie das Gesetz ausgeführt wird, und die Erfolge, die es verspricht, auch eine bedeutende wirthschaftliche, soeial⸗ politische Wirkung verheißen. Wenn man das gleichzeitig betont, dann braucht man den Ursprung und den Zweck des Gesetzes keines⸗ wegs zu verhüllen, und ich bin weit davon entfernt, an eine solche Verhüllung zu denken. Meine Herren, worum handelt es sich denn? Der Herr Abg. Rickert hat nicht umhin gekonnt, anzuerkennen, daß in den Landestheilen mit national gemischter Bevölkerung, für welche dies Gesetz gilt, also Westpreußen und Posen, ein Kampf zwischen dem Polen- und Deutschthum stattfindet über die Ausdehnung seiner Machtsphäre, und er ist der Meinung gewesen, daß dieser Kampf aufgenommen werden müsse. So weit stimmen wir überein. Dann aber hat er gesagt, dieser Kampf müßte freigegeben werden, und es sei nicht zulässig, daß die Deutschen in diesem Kampfe unter— stützt werden dürften. In dieser Beziehung vermag ich ihm nicht zu folgen. Die Erfahrung hat unwiderleglich bewiesen, daß die polnische Nationalität sich in den Gegenden, wo sie wohnt, weiter ausbreitet auf Kosten des Deutschthums; und diesem Prozeß entgegenzutreten, ist der Zweck dieses Gesetzes, ohne im übrigen irgend eine feindselige Tendenz gegen die polnischen Bewohner dieser Landestheile zu haben. (Widerspruch links und im Centrum.) Nun, meine Herren, das ist keine Feindschaft, wenn man jemand auf seine Macht- sphäre beschränkt, und diese Ausführungen des Herrn Abg. von Czarlinski, daß es sich dabei um die Vernichtung der Polen handle, sind sowohl principiell unrichtig als thatsächlich eine maßlose Uebertreibung. Wenn Sie sich den Umfang ansehen, in dem überhaupt die Ansiedelungen auf Grund dieses Gesetzes sich bewegen können; wenn Sie ferner berücksichtigen, daß die Ankäufe ganz freiwillige sind, denen entgegenzukommen oder nicht, in jedes Belieben steht, dann bin ich in der That erstaunt, zu hören, daß darin eine Ver⸗ nichtung der polnischen Nationalität liege. Nein, meine Herren, ich wiederhole es noch einmal: es handelt sich einfach um eine Beschränkung derselben auf ihre bisherige Sphäre und um die Stärkung des Deutschthums in dem Kampfe, der ich glaube, dem wird im ganzen Hause von keinem Deutschen widersprochen werden aufgenommen werden muß, wenn wir jene Gegenden nicht voll—⸗ ständig wollen polonisiren lassen. (Sehr richtig! rechts) Und