1893 / 59 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 09 Mar 1893 18:00:01 GMT) scan diff

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rieds Rate) 0 009 S den Commissionsanträgen entsprechend angenommen. Der Abg. Zorn von Bu lach betonte die Nothwen⸗ digkeit einer nachdrücklichen Befämpfung der Reblaus efahr und empfahl im Hinblick auf die großen, durch das une e n r gehandhabte Bekämpfungsfystem entstehenden Kosten ein in Frankreich angewandtes billiges Desinfectionsmittel. Unter⸗ Staatssecretär von Schraut erklärte unter Hinweis auf die Unzulänglichkeit dieses Mittels, daß von Seiten der Regierung alles zur Abwehr Nöthige geschehe und bei der Reichsregierung ein Zusatz zu dem Reblausgesetz beantragt sei, enthaltend die Ermächtigung der Landesregierung, zur Verringerung der durch Enischädigung der betroffenen Rebbesitzer entstehenden Kosten einen Maximalsatz für die Entschädigung fẽst⸗ zusetzen. Weiter empfahl der Abg. Zorn? von Bu lach in Uebereinstimmung mit dem Abg. Kiener, auch bei Maul- und Klauenseuche staatliche Vergütung für gefallenes Vieh zu verabfolgen und den Viehversicherungsver⸗ bänden Begünstigung zu theil werden zu lassen. Die im Etat zur Förderung des Weinbaues, insbesondere für Rebpflanz⸗ gärten, vorgesehene Summe von 8000 S6 wurde, trotzdem die Abgg. C. Schlumberger und Zorn von Bulach, sowie Unter— Staatssecretär von Schraut, entgegen den Abgg. Hommel, Ostermeyer und Köchlin, die Annahme der Position aufs wärmste befürworteten, dem Commissiongantrage gemäß auf 1200 ( herabgesetzt. Bei der Berathung über die Gehaltserhöhung für die akademisch gebildeten Lehrer wünschten die Abgg. Charpentier und Spies, daß, abweichend von dem Commissionsbeschluß, die ganzen durch die Gehaltserhöhung entstehenden Mehrkosten durch Erhöhung des Schulgeldes gedeckt würden. Der Staats? secretär hielt dies für zu weit gegangen, erklärte aber die Be reitwilligkeit der Regierung, für den Fall der Zustimmung des Hauses die von der Commission gegenüber der ursprünglichen Festsetzung in Aussicht genommene Erhöhung des Schulgeldes anzunehmen. Die weitere Berathung wurde sodann vertagt.

De sterreich⸗ Ungarn.

In der gestrigen Sitzung des österreichischen Ab— geordnetenhguses erklärte, wie W. T. B.“ berichtet, bei der weiteren Berathung des Etats des Handels— Ministeriums der Präsident der Staatsbahnen Bilinski, eine weitere Decentralisation der Staatsbahnen sei unmo lich. Bezüglich der Amtssprache bei den Staatsbahnen e , er auf das Statut, welches die deutsche Sprache als solche fest⸗ stelle. Der Abg. Schwab brachte eine Resolution ein, worin. die Regierung aufgefordert wird, zur Förderung des Ausbaues der Bahnlinie Reichenberg -Gablonz —annwald Neuwelt und für das Zustandekommen eines Staatsvertrags mit Preußen behufs Anschlusses an die preußischen Linien Sorge zu tragen.

Das ungaxische Unterhaus setzte gestern die Be— rathung des Cultus-Etats fort. Im Verlauf der Debatte erklärte der Abg. Latk6czy: „Wenn wir aus dem Dreibunde austräten und Italien sich selbst überließen, so würde die Eurie alsbald einen anderen Standpunkt gegenüber der Eivil— ehe einnehmen, da die gegen diefe erhobenen Hinder— nisse nicht diplomatischer Natur sind. Der Kampf des Papst⸗ thums ist verständlich; allein für den patriotischen Katholiken endet die Grenze der Sympathie mit diesen Bestrebungen dort, wo die Vaterlandsliebe beginnt. In Ungarn ist nur eine ungarische nationale Politik möglich“

Großbritannien und Irland.

In einer gestern Nachmittag im Carlton-Club ab— gehaltenen Versammlung der (onservativen Partei erklärte Lord Salisbury, der den Vorsitz führte, dem W. T. B. zufolge, daß die dem Parlament angehörenden Conservativen absolut nichts verabsäumen dürften, um die Ab— lehnung der irischen Homerulebill zu sichern, ohne sich um den Vorwurf der Obstruction zu 6 den ihnen die Regierung etwa machen könne. Balfour und andere hervor⸗ zagende Conservative äußerten sich im nämlichen Sinne. Lord Randolph Churchill, der durch Zurufe aufgefordert wurde, sich ebenfalls zu äußern, erklärte, er werde jederzeit sein Möglichstes thun, um Balfour als Führer der Conservativen im Unterhause zu unterstützen.

Frankreich.

Die Armeecommission der Deputirtenkammer beschloß nach einer Meldung des „W. T. B.“ einen höheren an. Grad als den eines Divisions-Generals nicht zuzulassen.

Die vom „Figaro“ gebrachte Nachricht, daß Brisson sein Amt als Präsident der Enquétecommifsion niederlegen werde, wird für un be gründet erklärt.

In Paris hat gestern unter großem Zudrange des Publikums der Pan ama-Bestechungsprozeß begonnen. Unter den Anwesenden befanden sich Clämenceau, Freycinet, Floquet und Andrieux. Auf Antrag des Vertheidigers des Angeklagten Sans Leroy ordnete der Präsident an, daß ihm ein Auszug aus dem Notizbuche Arton's, das der Untersuchungs⸗ richter in Verwahrsam hat, mitgetheilt werde. Darauf be⸗ gann das Verhör von Charles Lesseps. Dieser deponirte, daß, als er im Jahre 1885 bei der Regierung die Ein— bringung des Gesetzentwurfs über die Loos-OIbligationen beantragt habe, Cornelius Herz zu ihm gekommen sei und für die Unterstützung seines Antrags bei der Regierung von ihm Geld verlangt habe. Herz habe ihn dann, um ihm seinen Einfluß zu , . zu einem achttägigen Besuch bei Grévy mit sich genommen. Er habe das Geld an Herz zahlen müssen, um sich diesen Commanditär des Blattes Clémen— ceaus nicht zum Feinde zu machen. Im Fortgang der Ver⸗ handlung machte der Pröäsident dem Angeklagten Lesseps bemerklich, daß er Herz Geld gegeben habe, das den Unterzeichnern der Anleihe gehört habe. Leffeps erklärte, er sei, um der Emission zu einem Erfolge zu verhelfen, genöthigt gewesen, den Forderungen ge— wisser Banquiers und gemwisser Journale Genüge zu thun, und fügte hinzu, die Regierung selber habe zu solchen Dingen ermuthigt. Der Präsident forderte hierauf Lesseps auf, die Regierung in Ruhe zu lassen. (Andauernde Unruhe.) Der Praäͤsident drohte, den Saal räumen zu lassen. Lesseps er— zählte darauf, wie Blondin ihm zu verstehen gegeben habe, daß Baihaut einen Gesetzentwürf über die Loos-Obligationen einbringen werde, wenn er eine Million erhalte. Er Lesseps) 2. die Ueberzeugung gewonnen, daß der betreffende

Hesetzentwurf ohne ein elch Opfer nicht , , werden würde, und habe deshalb an Baͤihaut 375 Fr. gezahlt.

Der Präsident befragte Lesseps über die an Reinach gezahlten Summen. Lesseps sagte aus, Reinach habe von ihm 16 bis 12 Millionen verlangt, um von den Forderungen des Eornelius Herz loszulommen. Er (Lesseps habe sich geweigert, aber Freycinet habe ihn zu sich rufen lassen und ihn aufgefordert, einen unangenehmen Prozeß zu ver⸗ meiden. Er habe darauf 5 Milllonen an Reinach ge— zahlt. Uebrigens hätten Clömenceau und Floquet ihm gegen⸗ über dieselbe Sprache wie Freycinet geführt. Lesseps fügte schließlich hinzu, er habe durch Vermittelung Arton's 366 006 Fr. gezahlt, die Floqguet für Wahlkosten und für Zeitungen von ihm verlangt habe. Die Zahlung sei vor der Abstimmung über den Geseßentwurf bezüglich der Loos⸗Obligationen ge⸗ leistet worden. Die Sitzung wurde hierauf aufgehoben.

Eyanien.

Die Erzherzogin Elisabeth, die Mutter der Königin— Regentin, ist, wie „W. T. B.“ meldet, vorgestern Abend in Madrid eingetroffen und von der Königin-Regentin auf dem Bahnhofe begrüßt worden, wo auch der Minister⸗Präsi⸗ dent Sagasta zum Empfang anwesend war.

Das bis jetzt bekannte Ergebniß der am Sonntag vor— genommenen Deputirtenwahlen stellt sich folgendermaßen: 280 Ministerielle, 73 Conservative, 26 Republikaner, 8 cuba— nische Autonomisten, 13 Possibilisten und 6 Carlisten.

Der Ministerrath erörterte gestern die durch die Wahlen geschaffene Lage. Der Marine-Minister hat dem Vernehmen nach eingewilligt, von der Demission, die er beabsichtigte, für jetzt Abstand zu nehmen. ;

Dem gestrigen Festmahl zur Eröffnung der Arbeiten für die Madrider Ausstellung wohnte der deutsche Bot⸗ schafter von Radowitz bei.

Belgien.

Nach einer Meldung des „W. T. B.“ aus Brüssel empfing der König gestern Grimard, den Vorsitzenden des Comité s für das Volksreferendum, und nahm von dem— selben die auf das Referendum bezüglichen Schrift⸗ stücke entgegen. Im Laufe der sich daran schließenden Unterredung äußerte der König, dem Wesen nach sei er ein entschiedener Anhänger freiheitlicher Principien. Der König erinnerte sodann daran, daß er selber die persönliche Wehrpflicht und das Königliche Referendum verlangt, aber weder das eine noch das andere erlangt habe. Und das sei natürlich, weil die Gesetze nicht im König⸗ lichen Palais gemacht, sondern durch die Nation beschlossen würden. Als man die persönliche Wehrpflicht und das Königliche Referendum beantragt habe, sei zu deren Beschließung keine Majorität in der Kammer vorhanden gewesen. Heute bedürfe es zur Lösung dieser Fragen nach den Bestimmungen der Verfassung einer ZweidrittelMajorität. Er könne nur zur Geduld mahnen.

Rumänien.

In der gestrigen Sitzung der Deputirtenkammer beantworteten, wie „W. T. B.“ meldet, der Cultus⸗Minister Jonescu und der Minister des Aeußern Lahovary die Interpellation des Liberalen Fleva uber die allgemeine Politik der Regierung. Lahovary wies die auf den König abzielende Kritik Fleva's über die Haltung der Regierung bezüglich der Hochzeitsfeierlichkeiten zu Sig⸗ maringen zurück. Dort sei das Land ausschließlich durch den König vertreten gewesen und seine Haltung sowohl als seine Reden seien äußerst patriotischen Eharakters gewesen. Lahovary wandte sich hierauf gegen die Be— hauptung Fleva's, daß die Kinder des Thronfolgers Katholiken sein würden, und erklärte, sicherlich würden die Kinder des Thronfolgers die orthodoxe Taufe empfangen. Der Minister wurde während seiner Rede wiederholt von Beifallsbezeugungen unterbrochen und von der Kammer einstimmig beglückwünscht. Die Mitglieder der liberalen Opposition erklärten, Fleva sei nicht berechtigt gewesen, in ihrem Namen zu sprechen.

Im Sen at wurde das Gesetz über die Land gendarmerie einstimmig angenommen.

Serbien.

Der liberale Ortsvorstand Alesentievits aus Grabovatz, bekannt als Gegner des Führers der Radicalen Katic, ist nach einer Meldung des „W. T. VB.“ aus Belgrad am Montag meuchlings ermordet worden. Sechs Radicale sind als der That verdächtig verhaftet worden. Die Verhaftung Katicss, der der . dieses Mordes beschuldigt wird, ist noch nicht erfolgt.

Im Zajearer Kreise sind mehrere Radicale, unter ihnen auch der frühere Vice⸗-Präsident der Skupschtina Lr. Ilic, wegen Hochverraths verhaftet worden. In Cacak wurde die Untersuchung gegen die Aufwiegler der Bauern eingeleitet.

Die liberalen und fortschrittlichen Blätter tadeln sehr heftig die Aufwiegelungsversuche der Radicalen. Die radicalen Blätter machen die Regierung dafür verantwortlich.

Dänemark.

Das Landsthing hat, einer Meldung des „D. B. H.“ aus Kopenhagen zufolge, gestern in erster Lefung den Finanz⸗ gesetzent wurf . 1893,94 unverändert in der Fassung des gl ein n angenommen und ihn einem sogleich gewaͤhlten Ausschuß übergeben.

Afrika.

Wie das „Reuter'sche Bureau“ aus Sansibar von gestern meldet, ist die Expedition Sir Gerald Portal's am 11 v. M an dem Naiwassa-See, der 155 km von dem Victoria⸗Nyanza entfernt ist, angekommen.

Parlamentarische Nachrichten.

Deutscher Reichstag.

„Der Bericht über die gestrige Sitzung befindet sich in der

Ersten Beilage. .

62 Sitzung vom Donnerstag, 9. März, 1 Uhr. Der Sitzung wohnen bei der Staatssecretär Dr. von

Boetticher und der Königlich preußische Kriegs⸗Minister

von Kaltenborn-Stachau.

Auf der Tagesordnung steht die Berathung des Militär—

Etats und zwar zunächst das Ordinarium der Ausgaben.

Beim Kapitel Kriegs-Ministerium“, Titel 1, Kriegs⸗ Minister 36 000 „S, führk ; Abg. r. Bu hl (ul. j Beschwerde darüber, daß mehrfach von den Militärbehörden ein Druck auf die nachgeordneten Mannschaften, Offiziere und Beamte dahin ausgeübt werde, den deutschen Offizier⸗ verein oder das Waarenhaus für deutsche Beamte zu begũnstigen.

eine Verfügung erlassen, daß die neu einzustellenden Seecadetten ihre. Bedürfnisse beim Offizierverein zu entnehmen hätten. Ein Divisionsbureau in Metz hatte in gleicher Weise die Geschäfte des Offiziervereins besorgt. Ein solcher unzulässiger Druck dürfe nicht ausgeübt werden; die Bevorzugung der Eonsumperelue vor den freien Bemerbetreibenden könne ebensowenig hier wie an irgend einer andern Stelle gebilligt werden. ] .

Königlich preußischer Bevollmächtigter zum Bundesrath, General— Major von Funck: Es ist durchaus in der Absicht der Verwaltung gelegen, jede Bevorzugung der erwähnten Art vermieden zu sehen. Eine Nachfrage vor zwel Jahren hat auch ein negatives Resultat ergeben. Der einzelne Fall in Metz hat zu sofortiger Rectification Veranlassung tzegeben. Ueber die angebliche Verfügung des Ober— Commandos der Marine bin ich nicht unterrichtet.

Abg. Hr. Lin gens (Centr. kommt auf die Frage des Besuchs des Sonntags⸗VormittagsGottesdienstes durch die Mannschaften zurück. Vielfach werde dieser durch die am Sonntag Vormittag abgehaltene Kleiderpargde verhindert. Eine Abänderung dieser seit 60 Jahren be— stehenden Ordnung sei dringend geboten. Auch andere Vorkommnisse ließen erkennen, daß die Beachtung der religiösen Bedürfnisse, namentlich der Katholiken, noch nicht allgemein erfolge. In Glatz seien die Rekruten auf den 1. November, Vormittags 10 Uhr, einberufen worden, während doch dieser Tag Allerheiligentag sei und 10 Uhr in die Zeit des Haupt gottesdienstes falle. Bei den. Manövern seien an den Sonntagen weder Offiziere noch Mannschaften in den Kirchen zugegen gewesen. Königlich preußischer Kriegs-Minister von Kaltenborn Stachgu verliest die auf den Gottesdienst bezügliche Garnisondienst⸗ vorschrift, aus welcher hervorgeht, daß jeder Soldat evangelischen oder katholischen Bekenntnisses mindestens einmal im Monat zum Gottes—⸗ dienst geführt werden soll, daß darüber hinaus auch auf alle katholischen hohen Feiertage Rücksicht genommen werden soll, soweit es die dienstlichen Erfordernisse gestatten. Damit sei, alles gethan, was innerhalb des Rahmens' des militärischen Dienstes für die Befriedigung der religiöfen Bedürfnisse der Mann⸗ schaften geschehen könne. Es sei unthunkich, in den Manöyern den Mannschaften jeden Sonntag bedingungslos frei zu geben. Die Vor⸗ bereitung, der Rekruten zur Vereidigung erfolgt durchaus im Ein verständniß mit dem katholischen Feldprobst. Anträge des letzteren wird die Verwaltung wohlwollend prüfen. s

Abg. Richter (dfr): Ich möchte den Kriegs-Minister fragen, aus. welchem Titel seines Etats die jetzige Agitation im Lande für die Militärvorlage bestritten wird. Bei allen Kreisblättern, bei den sächsischen Amtsblättern, bei den badischen Amtsverkündigern finden sich als Beilagen die Artikel des Militär-Preßburegus, die doch ziem⸗ lich hohe sächliche Ausgaben verursachen. Ünter diesen Artikeln (deren Ueberschriften Redner aufzählt): findet sich ein Weihnachtt⸗ artikel, der mit den Worten anfängt: „Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden!“ und schließt: Nehmt die Militärvorlage an!“ Neben diesen Artikeln schießen Wochenblätter wie Pilze aus der Erde, denen jeder ansieht, daß sie sich nicht selbst erhalten können. Wie steht es ferner mit der Broschüre „Aufklärung über die Militärborlage“, welche in Millionen ebenfo wie ein entsprechendes Flugblatt verbreitet wird, und zwar unentgeltlich? Die Vermittelung erfolgt durch eine bekannte Militär⸗Buchhandlung in Berlin, die sonst recht hohe Preise für ihre Lieferungen nimmt. Auch die Krieger—⸗ vereine verbreiten diese Dinge, desgleichen die Postbeamten bei ihren amtlichen Umgängen. Wer von den Herren traͤgt aber die Verant— wortlichkeit und deckt die Kosten?

Königlich preußischer Kriegs⸗Minister von Kaltenborn Stachau: Ich kann mich darauf beschränken, daß für den beregten Zweck seitens der Heeresverwaltung nicht ein Ricke ausgegeben wird. (Schluß des Blattes.)

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten.

Der Bericht über die gestrige Sitzung befindet sich in der Ersten Beilage.

49. Sitzung vom 9. März.

Der Sitzung wohnen der Präsident des Staats-Ministe— riums, Minister des Innern Graf zu Eulenburg, der Fustiz-Minister hr. von Schelling, der Finanz-Minister Dr. Miguel, der Minister für Landwirthschaft ꝛc. von Heyden und der Minister der geistlichen c. Angelegenheiten Dr. Bosse bei.

Vor dem Eintritt in die Tagesordnung erklärt der Abg. Seer, daß er sich bei seiner gestrigen Anfrage im Irrthum befunden habe; die landschaftlichen Pfandbriefe seien bereits lombardfähig bei der Reichsbank.

Darauf wird der Gesetzentwurf, betr. die Aufhebung des. S 124 Abs. 2 der Medizinalordnung für die freie Stadt Frankfurt und deren Gebiet vom 29. Juli 1841, in dritter Berathung ohne Debatte angenommen und sodann die dritte Berxathung des Staatshaushalts— Etats für 1893.ñ94 fortgesetzt.

Zum Etat der Justizverwaltung hat der Abg. Lerche (dfr) den Antrag eingebracht: die Staatsregierung zu ersuchen, in den Etat für 1894/95 die Mittel einzustellen, welche die Justizverwaltung in den Stand setzt, alle infolge der Geschäfts— vermehrung nicht bloß vorübergehend, sondern dauernd mehr erforderlich gewordenen Richterstellen mit etatsmäßigen Richtern zu besetzen. Der Antragsteller zieht diesen Antrag für jetzt zurück, weil er die Berathung des Etais aufhalten würde, da er erst an die Budgetcommission verwiesen werden müßte. Er behält sich vor, den Antrag in anderer Form wieder als selbständigen Antrag einzubringen. .

Abg. Hollesen (nl) empfiehlt den Neubau des Amtsgerichte⸗ gebäudes und des dazu gehörigen Gefängnisses in Rendsburg. Das

man Linen besseren Platz für das Gebäude ausfuchen. Der Finanz= i lter sollte endlich die Mittel gewähren, um hier Wandel zu schaffen.

Geheimer Ober ⸗Justiz⸗Rath hr. Starke erklärt, daß über diese Frage schon seit Jahren Erörterungen schwebten. ;

Auf eine Anfrage des Abg. Schaffner (nl,) erklärt

Geheimer Justiz⸗ Rath Vierhaus, daß die Grundbücher dem nächst in Hessen⸗Nassau eingeführt werden sollten. Vorher eine neue Gebührenordnung für Verkäufe von Immobilien c. eintreten zu lassen, sei nicht angängig. ö

Abg. Lerche (dfr.) wendet sich, gegen die Reglementirung des schriftlichen Verkehrs der Gerichtsbehörden untereinander, die mehrfach vorgelommen sei.

Geheimer Justiz-⸗Rath Vierhaus erklärt, daß eine generelle

der Name der absendenden Behörde angegeben werden müsse; im übrigen sei alles dem Belieben der Beamten überlassen. ;

Abg. Nadbyl (Centr.) empfiehlt die Au en. der Gehälter der Gerichts-Assistenten und bemängelt die Ein üihrung der Grund buchordnung in der Rheinprovinz.

Geheimer Qber⸗Finanz-Rath Lehnert: Für die ,, Gehälter der Assistenken besteht kein Fonds, und einen Rachtrags-Etat

Von dem Ober⸗-Commando der Marineperwaltung fei schon 1890

jetzige Gebäude sei gefundheits. und feurrgefährlich. Vor allem müßte

Vorschrift nur darüber bestehe, daß auf Correspondenzen links oben)?

für eine cinzelne Beamtenklasse vorzulegen, liegt doch wohl kein 2 nlaf vor. 4 z Abg. Dr. Avenarius (nl.) tritt für die Aufbesserung der Ge⸗ hälter der Amttanwälte ein, die keine etatsmäßige Stellung haben, aber ein schwieriges, ja gefährliches Amt, weil sie täglich mit dem Abschaum der großen Städte in Berührung kommen. Geheimer Ober⸗Regierungös⸗Rath Dr. Lucas: Die Amtsan— wälte sind dem Gesetz entsprechend auf Widerruf angestellt; die wenigen Amtkanwälte, deren ganze Thätigkeit von diesen Geschäften in Anspruch genommen wird, sind etatsmäßig angestellt. ; Abg. Schmidt⸗Warburg (Centr) empfiehlt die Gehaltsauf⸗ besserung der Gerichts- Assistenten, die dringend nothwendig sei, wie das von allen Parteien anerkannt werde. Redner tritt ferner für die dedingte Verurteilung ein. 3 . Abg. Gößmann (Centr.) tritt für die Verlegung des Land—⸗ gerichts von Hanau nach Fulda ein. ö. Abg. Dr. Freiherr von Heereman (Centr.) weist darauf hin, daß für den Bezirk des Ober-Landesgerichts Marienwerder ein Erlaß des Justiz⸗Ministers ergangen sei, daß evangelische Kinder nur evangelische Vormünder haben und evangelisch, erzogen werden sollten. Hoffentlich lasse der Minister auf diesem Gebiet die Parität walten. Justiz⸗Minister Dr. von Schelling: Es lagen Klagen vor, daß evangelische Kinder katholisch erzogen würden. Dagegen richtete sich der Erlaß, der durchaus kein genereller ist. Im umgekehrten Falle würde ich auch die katholische Erziehung katholischer Kinder sichern. Abg. Dr. Jazdzewski (Pole) tritt ebenfalls für die katholische Erziehung katholischer Kinder ein, namentlich auch bei der Zwangs erziehung.

Ab. Nadbyl (Centr.) bedauert die ablehnende Haltung des Finanz⸗Ministers gegenüber den einstimmig geäußerten Wünschen des Hauses bezüglich der Ausbesserung der Gehälter der Gerichts. Assistenten.

Der Etat des Justiz-Ministeriums wird genehmigt. Beim Etat des Ministeriums des Innern bedauert Abg. Korsch (eons.), daß die Schutzinänner nur jeden dritten Sonntag Gelegenheit zum Besuch der Kirche hätten. Bei der Neu⸗ fegelung der Polizeieinrichtungen infolge des neuen Polizeikostengesetzes werde hoffentlich in dieser Beziehung etwas geschehen. Die kleinen Mehrausgaben, die dadurch entstehen würden, müßten auch trotz der schlechten Finanzlage aufgebracht werden. . . Präsident des Staats- Ministeriums, Minister des Innern Graf zu Eulenburg: Die Wünsche des Vorredners sinz auch die der Staatsregierung, und ich werde mich über den Augenblick freuen, wo ich der Erfüllung derselben näher treten kann. Ob dadurch eine Forderung im Etat nothwendig sein wird, vermag ich noch nicht anzugeben. Es wird in nicht zu ferner Zeit der Frage, näher getreten werden wenn das Nachtwachtwesen der Stadt Berlin auf die Polizei über⸗ nommen wird, wird darauf hingewirkt werden, den Schuß euten einen Sonntag um den andern freizugeben. Die Sache ist aver schwierig, weil es nicht leicht ist, das zur Vermehrung der Schutzmannschaft nöthige Personal zu bekommen. ; ö Abg. von, Christen (freicons) widerspricht der Auslassung des Abg. Lotichius in der zweiten Lesung, daß man allgemein eine neue Landgemeindeordnung für Hessen⸗Nassau wünsche. Die Viel⸗ gestaltigkeit der Landgemeindeordnung werde allgemein be⸗ klagt, aber große Sehnsucht nach einer neuen habe man nicht. Wenn man der Sache mit Ruhe entgegensieht, so liegt das daran, daß der jetzige Minister des Innern von allen Seiten als Kenner der örtlichen Verhältnisse betrachtet wird, denn er war jahrelang der oberste Beamte der Provinz. Empfehlenswerth wäre es, wenn ohne, eine Landgemeindeordnung die fisealischen Guts bezirke zu Zweckverbänden für Kirchen⸗, Schul⸗ und Armenlasten mit den Landgemeinden zusammengelegt würden. . Präsident des Staats. Ministeriums, Minister des Innern Graf zu Culen burg: Das Bedürfniß einer . der Landgemeinde⸗ ordnung hat wohl der Vorredner an sich nicht bestritten. Die sieben veeschiedenen Landgemeindeordnungen können wir doch auf die Dauer nicht aufrecht erhalten. n erke zu communalen Lasten, die einer benachbarten Gemeinde obliegen, heranzuziehen, liegt außerhalb des bestehenden Rechts und wird sich auch durch die neue Landgemeinde— ordnung nicht einführen lassen. . ö t ;. Abg. Papendiek (dfr.) weist darauf hin, daß der Gutsbesitzer

Maul, der nicht zum Kreisdeputirten bestellt wurde, weil er zu viel

Temperament haben sollte, einstimmig zum Landschafts-Rath ge— wählt worden sei. Diese Genugthuung gegenüber dem Mißtrauen, das er bei der Regierung gefunden hat, sei dem Herrn wohl zu gönnen. Man wolle vielleicht einen freisinnigen Kreisdeputirten nicht in die Acten sehen lassen, was bei Wahlen namentlich sehr unangenehm wäre. Es wäre wünschenswerth, wenn der Minister die Behörden anweisen wollte, etwas vorsichtig in der Bestätigungsfrage zu verfahren. . . 6.

Präsident des Staats. Ministeriums, Minister des Innern Graf zu Eulenburg: Ich habe dem, was ich in der jweiten Lesung grundsätzlich gesagt habe, nichts hinzuzufügen. Ich habe nicht von dem berreffenden Herrn und seinem Temperament gesprochen, sondern all⸗ gemein diese Bemerkung gemacht. Ich habe die ganze Maßregel nur aus prineipiellen Gründen vertreten, weil ich selbst in der Sache gar nicht entschieden habe; das ist von meinem Vorgänger geschehen.

Abg. Rickert (dfr.):; Ich bedaure, daß der Vorgänger des gegenwärtigen Ministers die Schuld an dieser Angelegenheit trägt.

Durch solche Maßregeln wird der Boden verlassen, auf dem die Selbst· verwaltung beruht. Es ist ein politischer Grund für die Nichtbestätigung geltend gemacht worden. Die Herren auf der rechten Seite haben wohl das große parteipolitische Temperament nicht? Der Minister-Präsident mag sich doch die Ober⸗Präsidenten und Regierunge⸗Präsidenten ansehen, ob die überall so unparteiisch sind, daß wir zu ihnen Vertrauen haben können! Auf die Provinz Sstpreußen, die der Minister ja selbst kennt, sollte er ein besonderes Augenmerk haben. Wir werden vielleicht in der nächsten Zeit Gelegenheit haben, ein Bild davon zu entrollen, wie die. Sachen dort gehen. Solche Dinge schädigen die Autorität der Regigrung. Die Wahl des Herrn Maul zum Landschafts-Rath, die durch Zuruf erfolgt ist, beweist, daß man das Vorgehen der Regierung nicht billigt. Beim Reichstag‘ gehen jetzt Petitionen für die Militärvorlage von Kriegervercinen ein; (s sscheint eine

svstematische Agitation vorhanden zu fein. Auch wenn ich auf dem Boden der Vorlage stände, würde ich die Agitation für gesetzlich unzuläfsig erklären. Den Kriegervereinen ist durch Statut die Be— vrechung politischer Angelegenheiten verboten. Der Großherzog von

Haden hat die Kriegerhereine ausdrücklich vor der politischen Be⸗ theiligung an den Wahlen ze. gewarnt. Die Kriegervereine haben Privilegikn; sie stehen nicht unter den Vereinsgefetzen. Wenn sie sich aber mit Politik beschäftigen, treten sie in die Reihe der politischen Vereine. Wird der Irn steĩ des Innern in diesem Falle dem Gesetz Achtung verschaffen? Ist er unterrichtet von der— artigen Petitionen? Im Interesse der Kriegervereine und des Frie⸗ dens der Kameraden, die allen Parteien angehören, würde ich mich

freuen, wenn der Minister diesem Unfug steuern würde.

Bei Schluß des Blattes nimmt der Präsident des Staats⸗

Ministeriums, Minister des Innern Graf zu Eulenburg

das Wort.

Im 6. Liegnitzer Reichstagswahlkreis (Kreise Liegnitz Goldberg-Haynau) ist an Stelle des verstorbenen Abg. Lange der Rentner Jungfer zu Liegnitz (deuischfreisinnig) mit 12 966 von 21 4859 abgegebenen Stimmen, zum Reichs tags⸗Abgeordneten gewählt worden. Der Gegencandidat Rechtsanwalt Hertwig in Charlottenburg (deutschsocial) erhielt Sö5 Stimmen.

. ihn en des Reichstags zur Vorberathung des Gesetzentwurft über Ergänzung der Bestimmungen über den ucher hat den Entwurf unverändert angenommen; nur der Art. 4 erhielt folgende abweichende Fassung: . Wer gewerbsmäßig Geld. oder Creditgeschäfte betreibt, hat für

wendung:

jeden, mit welchem er daraus in. Geschafte verbindung steht, nach Schluß des Kalenderjahres die Rechnung abzuschließen

das Ergebniß dem Schuldner binnen drei Monaten

J * schriftlich mitzutheilen, sofern nicht vorher schon eine schriftliche Abrechnung stattgefunden hat.

Ein Schuldanerkenntniß oder eine Schuldverwand-⸗

lung ersetzt nicht eine solche schriftliche Abrechnung.

Wer sich dieser Verpflichtung vorsätzlich entzieht, wird mit

Geldstrafe bis zu fünfhundert Mark oder mit Haft bestraft und ver, liert den Anspruch auf die Zinsen für das verflossene Jahr hinsichtlich der Geschäfte,

l welche in dem Rechnungs abschluß nicht ent halten sind. ö. ö

Die vorstehenden Bestimmungen finden keine An— öffentliche

1) auf Banken, Notenbanken, Boden

eredit⸗Institute und Hypothekenbanken auf Actien,

2) auf Kaufleute im Geschäftsverkehr mit Kauf— leuten, deren Firma in das Handelsregister einge tragen ist.

Entscheidungen des Reichsgerichts.

Die Verfälschung einer in Gemäßheit der S8§ 101 flg. des Gesetzes vom 32. Juni 1889 von der hierzu berufenen amtlichen Stelle ausgestellten Quittung karte der Invaliditäteversicherung ist, nach einem Urtheil des Reichsgerichts, JJ. Strafsenats, vom 6. Dezember 1892, als Urkundenfälschung aus § 267 Str. Ges. zu bestrafen, selbst wenn sie mit Marlen noch nicht versehen und die Fälschung nur zum Zwecke eines besseren Fortkommens geschehen war.

Die Tienstherrschaftz hat, nach einem Urtheil des Reichs⸗ gerichts, II. Strafsenats, vom 9. Dezember 1892, im Gebiet der preufischen Gesindeordnung vom 8. November 1810 nicht das Recht, die Sachen des Dienstboten, welcher ohne gesetzmäßige Ursache den Dienst vorzeitig verlassen hat, zurückzubehalten, um ihn zur Fortsetzung des Dienstes zu zwingen, und der Dienstbote ist demnach nicht strafbar, wenn er seine deshalb zurückbehaltenen Sachen der Herrschaft wegnimmt. Hat aber die Dienstherrschaft eine Schadens forderung gegen den Dienstboten und für diese Forderung dessen Habseligkeiten einbehalten, so macht sich der Dienstbote durch die Wegnahme seiner Sachen aus dem Besitz der Herrschaft aus § 289 Str.“ G. B. (wegen strafbaren Eigennutzes) strafbar.

Knnst und Wissenschaft.

Professor Reinhold Beggs hat, wie die . N. A. 3. mit theilt, die im Auftrage Seiner Majestät des Kaisers geschaffene Medaille, welche der Monarch zur Erinnerung an die Jubel feier zu Wittenberg am 31. Oktober 1892 bestimmt hat, soeben vollendet. Die Vorderseite der Denkmünze zeigt das Brustbild Kaiser Wilhelm's II. in scharfem Profil der Herrscher trägt den adlergeschmückten Helm der Gardes du Corps, auf dem Cüraß wird die Kette des Schwarzen Adler-Ordens sichtbar; die ganze Auf— fassung des, Reliefporträts entspricht völlig. derjenigen, welche Begas in seiner bekannten Kaiserbüste walten läßt. Der Revers der Medaille giebt eine Darstellung der am 31. Oktober 1892 von neuem geweihten renovirken Schloßkirche zu Wittenberg mit ihrem charak⸗ teristischen Thurm. Eine Engelsgestalt schwebt über dem Gottes— haus und hält in ihren Händen ein Spruchband, auf dem das alte Lutherwort „Ein' feste Burg ist unser Gott“ steht. Der Avers der Medaille zeigt als umrahmende Inschrift die Worte „Wilhelm II. Kaiser von Deutschland“, und der Revers trägt die Daten „31. Ok⸗ tober 19517 31. Oktober 1892“.

Sein fünfundzwanzigjähriges Jubiläum als Univer— sitätsProfessor beging gestern Professor Dr. August Kun dt, der Director der physikalischen Anstalt der Berliner Universität und Mit⸗ glied der Akademie der Wissenschaften. Seine Zuhörer bereiteten ihm aus diesem Anlaß eine Huldigung, indem sie Katheder und Experimentirtisch mit Lorbeer umtränzten, und einer von ihnen den Jubilar mit warmen Worten beglückwünschte.

Eine sehr interessante Ausstellung wird, wie die .A. C.“ unter dem 7. d. M. aus London berichtet, von der „Society of Antiquariss“ eröffnet werden. Die Ausgrabungen, welche in Silchester veranstaltet worden, haben sehr gute Erfolge gehabt. Alles, was von der Stadt Calleva Atrebatum, welche die Römer dort gebaut haben, wo heute Silchester steht, noch übrig ist, wird in der Ausstellung einen Platz finden. Die Ausgrabungen wurden vor drei Jahren angefangen und nur ein Fünftel der Arbeit ist bisher ausgeführt. Die Stadt ist regelmäßig gebaut; in ihrem Mittelpunkt befindet sich ein großer Platz und eine Basilika. Schöne Bäder und eine kreuzförmige Kirche aus dem vierten Jahrhundert sind ausgegraben worden. Eine höchst interessante Photo—⸗ graphie eines Wasserthores in der Stadtmauer befindet sich unter den Ausstellungsgegenständen. V— ;

Die Pariser Akademie der Wissenschaften wählte, wie dem „Hamb. Corr.“ gemeldet wird, am Montag zum auswärtigen Mitgliede Lister, gegen den in zweiter Reihe neben Nordenskiöld und Newecomb auch der Prosessor Dr. Weierstraß (Berlin) vor⸗ geschlagen war.

Land⸗ und Forstwirthschaft.

Stand der Saaten.

Im Regierungsbezirk Stettin hat die im November herrschende milde und feuchte Witterung die Saaten meist gut entwickelt. Während der strengen Kälte waren sie durch Schnee hinlänglich geschützt. Hin und wieder wird über Mäusefraß geklagt. ;

Aus dem Regierungsbezirk Oppeln wird geschrieben: Ob die Saaten, welche sich kräftig entwickelt hatten, durch die starken Fröste gelitten haben werden, läßt sich zur Zeit zwar noch nicht übersehen; doch steht zu hoffen, daß sie durch die dichte Schneedecke, welche sich abgesehen von einzelnen Höhenlagen überall auf den Feldern befand, geschützt worden sind.

Nothstandsmeliorationen in Oberschlesien.

Ueber den Fortgang der auf Grund des Gesetzes vom 23. Februar 1381 ausöuführenden Nothstandsmelioratisnen ist zu erwähnen, daß die Entwässerungsgenossenschaften zu Klein. Blumenau im Kreife Kreuz. burg mit 63,4158 hä, Ober. und Nieder⸗Rosen und Kochelsdorf in demselben Kreise mit 6826772 ha, Konstadt im Kreise Kreuz⸗ burg mit 448,200 ha, Kochẽzitz im Kreise Lublinitz mit 1527264 ha und zu Schönwald Jordanßmüh im Kreise Rofenberg O. S., mit 4944509 ha durch Allerhöchst bezw. ministeriell genehmigte Statuten neun begründet worden sind. Vier weitere Projecte für r he en g, sind revidirt und steht die Einleitung der commissarischen Verhandlungen wegen Bildung von e , be, bevor; zwei andere Projecte unterliegen . Jeit der technischen Prüfung. In sechs Genossenschaftsbezirken dat Die Ab— nahme ausgeführter Meliorationen stattgefunden.

Theater und Mufik. Kroll's Theater.

Wachtel in einein Concert vor da Publikum.

Nach langjähriger Ruhepause trat gestern Abend Herr Theodor

iebenzigjährige beliebte Künstler begnügte sich mit dem Vortrage 3. b ö ihm im Rahmen der Over gehörten Arien, denen er zwei bekannte kleine Lieder anschloß. Die Freude, die man früher an den Gesangsleistungen Wachtel's gehabt hatte, und das Wohlwollen, mit dem seine Laufbahn begleitet wurde, kamen gestern in dem stürmischen Begrüßungsapplaus des n, ,, , Sängers zum Ausdruck. Das wohlerhaltene Aeußere Theodor Wachtel s erinnerte kaum an die hohe Zahl seiner Lebensjahre, und die Stimme, klang merkwürdig kräftig und wohllautend in allen Lagen, namentlich ver⸗ fügt er noch über eine erstaunliche Zartheit und Höhe im Jalsett. gesang. Dieses glückliche Ergebniß ist offenbar der weisen Vorsicht zu danken, mit der der Künstler Ein Organ behandelte und die ihn auch gestern genau die Grenzen seines Könnens achten ließ. Die „Bildnißarie' aus der Zauberflöte rief ungetheilten Beifall hervor, der sich nach dem Vortrage der Arie Komm o holde Dame“ noch steigerte. Sogar der Coloraturgesang gelingt noch in prächtiger Weise, wie diese Arie und die ‚Täubchen⸗Romanze“ aus Adam's Vostillon von Lonjumeau“! bewies. Den Schluß machten zwei Lieder, der. Liebesbote von Pfeffer und Abt's oft gehörtes . Gute Nacht, du mein herziges Kind“. Das Concert gewann durch Klavier⸗ und Violinvorträge, die von den Herren Johannes Doebber und Jacques Weintraub mit künstlerischem Empfinden und technischer Fertigkeit ke, f,. wurden, willkommene Abwechselung. Herrn Wachtel wurden zahlreiche Lorbeerkränze dargebracht. Zum Schluß wurde der Sänger so oft gerufen, bis er sich entschloß, Dankesworte an das Publikum zu richten.

Sing ⸗Akademie. Zum Besten des unter dem Protectorat Ihrer Majestät der Kaiserin Friedrich stehenden Berliner Heims für englische und amerikanische Erzieherinnen fand gestern ein Coneert statt, welches mit dem großen D-dur-Trio von Beethoven eröffnet wurde. Herr Professor Klindporth (Klavier) und die Concert⸗ meister Struß (Violine) und Grünfeld (Cello) führten dasselke mit musterhafter Präcision und schwungvoller Vortragsweise aus. Die Kammersängerin Frau Sucher erfreute hierauf durch einige Lieder von Wagner, Sucher, Beethoven und Schubert, die mit sehr lebhaftem Beifall und Hervorruf aufgenommen wurden. Auch die Pianistinnen Fräulein Hüttig und Eußert, Schülerinnen Klind⸗ worth's, betheiligten sich an dem Concert sehr erfolgreich durch die Ausführung einiger Soli und durch ihr sehr präcises Zusammenspiel in den Varigtionen von Saint Sans für zwei Klavsere. Sowohl ihre künstlerischen Leistungen, wie die der Herren Struß und Grün⸗ feld, welche noch einige Solovorträge zu Gehör brachten, wurden mit reichem Beifall des zahlreich erschienenen Publikums aufgenommen.

Saal Bechstein.

In dem dritten Kammermusik⸗Abend von Waldemar Meyer (Violine) und Felix Dreyschock (Klavier) brachten beide Künstler wiederum ihr schönes Talent aufs glänzendste zur Geltung. Das Programm enthielt nur Compositionen von Beethoven; die Sonaten für Klavier und Violine op. 30 Nr. 2 und op. 96. Außer⸗ dem spielte der Pianist die für einen Concertvortrag etwas zu lang ausgedehnten Variationen über einen Walzer von Diabelli, denen der Geiger noch die Romanze (Frdur) folgen ließ. Alle Vorträge wurden mit lebhaftem und wohlverdientem Beifall aufgenommen. Das Publikum hatte sich sehr zahlreich eingefunden.

Im Königlichen Opernhause gehen morgen „Die Rantzau“, Sonnabend „Die Hexe“ in Scene. J

Um dem großen Andrang zu den Aufführungen der Vasantasena“ im Königlichen Schauspielhause genügen zu können und um die Wünsche vieler Sonntagsabonnenten zu berücksichtigen, ist für diesen Sonntag eine Wiederholung des Dramas angesetzt; die Aufführung des „Othello“ mit Herrn Ludwig in der Titelrolle findet am Montag statt. Die Buchausgabe von „Vasantasena“ erscheint bei Cotta Nachfolger in Stuttgart und dürfte haldigst im Druck vorliegen. Friedrich Mitterwurzer eröffnet demnächst im Königlichen Schauspiel⸗ hause ein Gastspiel.

Im Berliner Theater wird am Sonnabend in dem News ky⸗ schen Schauspiel Die Danischeffs. Nuscha Butze die Fürstin Lydia darstellen, während die übrigen Hauptrollen wie bisher von Agnes Sorma, Anna. Haverland, Arthur Kraußneck und Emanuel Stock— hausen dargestellt werden. Für die morgen stattfindende Aufführung von „König Lear“ mit Ludwig Barnay in der Titelrolle und Agnes Sormg als Fordelia ist, wie bereits mitgetheilt, das Abonne· ment aufgebheben. Am Sonntag Nachmittag geht Dorf und Stadt“ mit Agnes Sorma als Lorle, am Sonntag Abend „Kean“ in Scene.

Im Wallner-Theater muß die Aufführung des Schwanks „»Die Rosg⸗Dominos“ wegen eines Krankheitsfalls vorläufig vertagt werden. Der Spielplan ist deshalb folgendermaßen festgesetzt worden: Freitag „Die Großstadtluft“, Sonnabend „Der Fall Claäͤmenceau“, Sonntag „Die Großstadtluft“.

Im Friedrich⸗Wilhelmstädtischen Theater sind bei der zum Benefiz für Herrn Reinhold Wellhof morgen in Scene gehenden Millöcker'schen Operette ‚Das Sonntagskindꝰ die Hauptrollen mit den Damen Elise Schmidt, Collin, Gornelli und den Herren Wellhof, Klein, Steiner, Bruch, Lieban und Broda besetzt.

Im Resäidenz-Theater werden von Sonnabend, dem Tage der ersten Aufführung des Schwanks „Die beiden Ghampigno! “, an die Vorstellungen wieder um 77 Uhr beginnen. Bei der Matinse am Sonntag wird die ungarische Kapelle des Herrn Vörös Miska in den Pausen im oberen Foher des Theaters concertiren. ĩ

Am Neuen Thegter sind in der morgen stattfindenden ersten Aufführung des Bisson'schen Schwanks „Der Phonograph“ in Haupt rollen beschäftigt die Damen Reichenbach und Normann sowie die Derren Meißner, Seldeneck und Worlitzlch. Das parodistische Familienbild Der Frosch! von Otto Erich Hartleben wird von der Herren Eisfeld, Fischer, Gaspart, Seldeneck, Stollberg, Vorwerk und Worlitzsch dargestellt.

Im Concerthause veranstaltet Kapellmeister Meyder morgen den achten Wagner⸗Abend in dieser Spielzeit. Das Programm wird die Ouverture „Tannhäuser' und „Eine Faust⸗Ouverture“, Stücke aus den Musikdramen „Das Rheingold', Die Walküre und „Die Götterdämmerung“, Vorspiel zu ‚Lohengrin und zu Die Meister⸗ singer von Nürnberg“, Charfreltagszauber aus , Parsifal“, Siegfried Idylle“, Kaiser⸗Marsch u. s. w. enthalten.

Das Programm des dritten Llavier⸗Abends von Eugen d'Albert in der Sing. Akademie am Sonnabend, Abends 8 Uhr, der ausschließlich Beethoven'schen Werken gewidmet ist, bringt die Sonaten in C-dur (op. 53), E-dur (op. 109) und AsS-dur (op. 110, die Sonate op. 57 (appassionata), sowie ferner die Variationen über ein Thema aus der „Eroica“. Herr Tenorift Ugo Meißner, der am 11. d. M., Abends J Uhr, gemeinschaftlich mit der Pianistin Fräulein Hedwig Fritsch im Saal Bech stein concertirt, wird bei dieser Gelegenheit unter anderem eine Arie aus Händel's Samson“, Schubert's Nachtstück', Träume von Wagner, Schumann's Der arme Peter‘ ꝛzc. 3c. zum Vortrage bringen. Für das letzte Ph ilharmanische Con cer t, welches Dr. Hans von Bülow am nächsten Montag. Abends 7 Uhr, in der Philharmonie dirigirt, lautet das Programm wie folgt: B-dur Symphonie von Beethoven, Fedur Symphonie von Brahmg und C-moll Symphonie von Vapdn.

Zu Ehren des Königs und der Königin von Sachen bei ihrer Anwesenheit im muß ikhisterischen Museum ven Paul de Wit in Leipzig wurde am 7. März dert eine historische Musikauffübrung auf Instrumenten aus vergangener Zeit veranstaltet. Das Programm war das folgende: 15 Allerhand ergötzliche Jagdfanfaren und Märsche, jo bei der Sau und Dirsch⸗

Der nunmehr

jagd vor Fürsten und vornehmen Herrschaften gespielt werden. Ge.

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