1893 / 59 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 09 Mar 1893 18:00:01 GMT) scan diff

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wärde ren den Erfahrungen des Schiffes, Brandenburg“, welches im Sommer in Versuch genommen werden wird. Aus diesem Grunde hat auch die Marineperwaltung mit vollem Recht diesen Ersatz hier einstellen dürfen. Das wäre der zweite Fall.

Nun läme der dritte: Sie könnten ja sagen: ach, lassen wir das mit dem Neubau, bewilligen wir lieber Gelder für die Grundreparatur dieser Schiffe! Ja, eine Grundreparatur solcher Schiffe würde, wenn sie einigermaßen modernisirt werden könnten, wenigstens 4 bis 5 Millionen Mark in Anspruch nehmen, lediglich für Maschinen und Schiffe. Man ist sich nun im allgemeinen in der Welt in allen großen Ma⸗ rinen darüber einig, daß man verschwenderisch mit dem Gelde ist, wenn man allzu hohe Summen auf alte Schiffe verwendet. Auch diesen Ausweg würde ich Ihnen unter keinen Umständen rathen können zu betreten.

Summa Summarum: Alles weist darauf hin, daß diese Forde— rung „Ersatz Preußen“ zu bewilligen ist, wenn wir nicht in Schaden gerathen sollen.

Nun kommen die beiden nächsten Schiffe, die Panzerfahrzeuge W“ und „XV. In der That, meine Herren, es sind noch 5 dieser Art im Bau, und, wie der Herr Abg. Hahn gesagt hat, es wären eigentlich diese Schiffe nicht recht beliebt; man wäre sich nicht ganz klar darüber, ob man das Richtige getroffen hätte. Das ist natürlich Ansichtssache. Ich kann nur sagen: in den Kreisen der Marine sind die Schiffe außerordentlich beliebt, die Schiffe haben sich durch ihre wirklich vorzüglichen Eigenschaften, was man so sagt, eingeschmeichelt, und während man anfänglich manches an ihnen auszufetzen hatte, wie an jedem neuen Werk, hat man sich jetzt vollkommen ausgesöhnt, und man sagt: es sind in der That für unsere Bedürfnisse treffliche Schiffe. Also die Marineverwaltung hat keine Veranlassung, mit dem Vorschlag zurückzuhalten. Der Vorschlag wird auch dadurch noch begründet: seinerzeit in der Denkschrift vom Jahre 1886, 1887 ist die Nothwendigkeit des Vorhandenseins dieser Schiffe dargelegt worden.

Nun kommt die Kreuzer-Corvette „Kr, ein Schiff, welches sich ja eine große Berühmtheit erworben bat durch die Schicksale, die ihm im vorigen Jahre zu theil wurden. Es spielt seit langen Jahren eine Rolle in den Marine⸗-Etats, es ist einmal bewilligt worden, es ist wieder zurückgezogen worden, es hat dann ein großer Streit stattgehabt um das Schiff, es war nahe daran, wieder bewilligt zu werden; es ist jählings wieder abgefallen. Ich würde Ihre Zeit ganz unberechtigt in Anspruch nehmen, wenn ich noch einmal auf die Bedeutung dieses Schiffes zurückkommen wollte. Ich habe versucht, im vorigen Jahre und in der Commission wiederholt die Nothwendigkeit zu betonen, daß der Marine dieses Schiff zuwächst.

Der Herr Referent bat gütigst diejenigen Kreuzer hier genannt, welche der Marineverwaltung zur Verfügung stehen; ich habe aber eines dabei zu betonen: es sind darunter fünf Schiffe gewesen, die für den Kriegsbedarf nicht mehr mitzählen, die lediglich für Schulzwecke benutzt werden, das sind die Kreuzer-Fregatten, die Schiffe „Stosch', „Gneisenau“, Moltke“, „Stein“, sie werden benutzt zur Ausbildung der Cadetten und Schiffsjungen. Die eine Fregatte „Charlotte“ wird benutzt als Referve für diese Schiffe. Wir haben also nur noch ein Schiff „Leipzig“, welches augenblicklich als Admiralsschiff in auswär— tigen Gewässern liegt. Dieses Schiff leidet leider auch an großer Altersschwäche, und ich bin nicht ganz sicher, daß wir es nicht in der allernächsten Zeit zurückziehen müssen, weil es nicht mehr wird fahren können. Wir sind dann in der Lage, daß wir als Ersatz für dieses Schiff nichts mehr hinausschicken können.

Also, ohne mich des weiteren hier noch einmal über die Gründe auszulassen, die die Marineperwaltung veranlaßt haben, dieses Schiff cinzustellen, kann ich nur betonen, es thut dringend noth. Die Noth— wendigkeit war bereits vor vier Jahren anerkannt.

Es kommen nun die Kreuzer-Apisos. Die Commission des hohen Hauses hat Ihnen vorgeschlagen, einen Kreuzer und einen Aviso zu bewilligen es waren deren von jeder Sorte zwei gefordert. Die Noth an Kreuzern ist hier drastisch geschildert; auch die Avisos brauchen wir nothwendig. Alle Nationen haben auf Grund ihrer kriegsmäßigen Manöver mit der Flotte erkannt, daß eine Flotte dieser Avifos noth⸗ gedrungen bedarf; sie werden benußt zum Aufklärungedienst, und dieser Aufklärungsdienst ist unerläßlich, wenn die Flotte mit einiger Sicher— heit ihren Marsch innehalten soll.

Es kommt dann das Torpedo ⸗Divisionsboot, was allgemeinen Bei— fall gefunden hat, und die Torpedoboote, die auch glücklicherweise den Beifall der hohen Commission gefunden haben.

Vom Standpunkt der Marineverwaltung aus kann ich hier nur den Antrag stellen und das hohe Haus bitten, vor allem in der Be— willigung dieser Schiffe reichlicher zu sein, als Ihre Commission ge⸗ wesen ist.

Reichskanzler Graf von Caprivi:

Meine Herren! Ich bitte um die Erlaubniß, Ihre Aufmerksam⸗ keit auf einige Augenblicke in Anspruch nehmen zu dürfen, um auch meinerseits von dem Standpunkte aus, den ich jetzt einnehme, wenigstens für den Antrag Hahn einzutreten. Ich glaube, denjenigen Herren, die meine Amtsführung als Chef der Admiralität von dem Standpunkt dieses Hauses zu sehen und zu beurtheilen in der Lage gewesen sind, nicht als Marineenthusiast verdächtig zu sein. Ich habe immer auf dem Standpunkt gestanden: Die Marine muß in engen Grenzen gehalten werden, so eng, als unsere Verhältnisse es zulassen. Sie wird, wenn es sich darum handelt, ob der Armee oder der Marine zugelegt werden soll, meist den Kürzeren ziehen; aber ich habe auf der anderen Seite keinen Augenblick verkannt und verkenne auch heute nicht, was die Kriegführung zur See Deutschland im entscheidenden Augenblick werth sein kann. Ich habe in den verschiedenen Denkschriften, die ich und mein Amttzvorgänger, der General von Stosch, Ihnen vorgelegt haben, immer festgehalten und, soviel ich weiß, ist das heute noch der Standpuntt der Marineverwaltung, daß wir unsere Marine auf die Defensive, auf die Vertheidigung organisiren müssen. Defensive und Offensive sind Worte, die, wie die Erfahrung bei der Militärvorlage gezeigt hat, vielfach mißverstanden und im falschen Sinne gedeutet werden, weil sie, je nach dem Standpunkt, von dem aus sie gebraucht werden: politisch, strategisch oder taktisch, einen sehr verschiedenen Sinn haben können. Ein Schiff kann sich nicht taktisch defensiv schlagen, sondern nur offensiv; aber eine Flotte kann sich strategisch defensiv schlagen, indem sie nicht den Feind in seinen Ge⸗ wässern aufsucht, sondern indem sie in den heimischen Gewässern bleibt und das heimathliche Land zu schützen sucht. Das ist, glaube ich, die Aufgabe unserer Flotte. e

Wenn wir aber im Schiffsersatzbau, im Ersatz für Schiffe, deren Hinfälligkeit und Abhängigkeit mit absoluter Sicherheit in wenigen

Jahren vorher zu sehen ist, zu sparsam werden, so wird es mir zweifelhaft, ob die Marine dieser Aufgabe, unsere Küste zu schützen, noch gewachsen sein wird. Man hat ja davon gesprochen, daß die Küste zu Lande geschützt werden könne. Man muß sich erst darüber einigen: was heißt das, die Küste schützen? Zweifellos kann man sie vom Lande aus schützen; man kann hindern, daß die Feinde landen, oder, wenn sie gelandet sind, kann man sie schlagen und ins Wasser werfen, vorausgesetzt, daß man über eine hinreichende Zahl von Landtruppen verfügt. Es giebt Lagen, wo man dem Feinde gern eine Prämie gäbe, wenn er bei uns landete; denn eine solche Landung ist ein sehr precäres Unternehmen und setzt einen so verzweifelten Entschluß voraus, daß ich nicht glaube, daß sich jemand leicht zu einer Landung im großen Stile entschließen wird. Er kann unsere Küste benagen, er kann Städte brandschatzen, bombardiren; aber größere Truppenkörper landen und damit einen entscheidenden Einfluß auf den Ausgang des Kriegs üben, wird sehr schwer halten und würde Deutschland gegenüber nur dann möglich sein, wenn wir am Lande so erheblich geschlagen wären, daß der Feind einen Ueberschuß an Kräften hat, oder wenn er von Haus aus so viel stärker in seiner Organisation wäre, daß ihm am ersten Mobilmachungstage ein Ueberschuß zu Gebote steht, den er dann, wie es anfänglich 1870 in Frankreich geplant war, an eine unserer Küsten werfen kann. Also wir können unsere Küste zu Lande schützen, und wir würden von diesem Standpunkte aus, wenn unser Landheer stark genug ist, nichts von der Marine zu erwarten brauchen. Aber das ist nicht alles, was man im gewöhnlichen Leben unter „Schutz der Küste“ versteht. Man versteht darunter auch den Schutz unserer Handels— städte und unseres Handels, und das ist keine gleichgültige Frage. (Sehr wahr! rechts Um diesen Handel schützen zu können, müssen wir eine feindliche Blockade von uns fernhalten.

Es liegt dem hohen Hause wieder ein Antrag vor, der darauf zielt, durch internationale Vereinbarungen das Privateigenthum auf ee zu schützen. Ich stehe diesem Antrag noch heute genau so gegen— über wie im vorigen Jahre. Ich glaube nicht, daß er ausführbar ist, weil ich der Ueberzeugung bin, daß derjenige, dem im Kriege die Verletzung feindlichen Eigenthums vortheilhaft ist, wenn er stark genug ist, sich keinen Augenblick geniren wird, dazu zu schreiten. Wie können wir nun aber unsere Küste vor Blockade schützen? Wie können wir es machen, daß unser Handel, wenigstens bis zu einem gewissen Grade, während des Krieges weitergeht? Das ist an den Küsten selbst im wesentlichen nur zu machen durch gepanzerte Schiffe und Fahrzeuge und Torpedoboote, auf hoher See durch Kreuzer. Man kann nicht mehr wie in alten Zeiten ganze Flotten, die mit Getreide kommen, durch Schiffe convoyiren und escortiren, sondern man muß durch eigene Kreuzer die des Feindes aufsuchen und sie zu vernichten suchen, um dann den eigenen Schiffen den freien Weg über den Ocean zu bereiten. Wir sind für den Kriegs— fall in dieser Beziehung, namentlich wenn wir an einen Krieg gegen Westen denken, in einer schwierigen Lage. Was bei uns eingeführt werden soll und über den Atlantischen Ocean kommt, muß entweder den Kanal passiren oder nördlich um England herumgehen. Einer an Kreuzern überlegenen feindlichen Flotte würde es nicht schwer sein, unseren Schiffen den Kanal zu sperren. Es würde ihr wahrscheinlich auch nicht schwer sein, den Weg über dem Nordende von Schottland so zu beobachten, daß die Passage für unsere Schiffe eine schwierige wird. Wir werden also immer darauf angewiesen bleiben, zunächst unsere Küsten durch Panzer und durch Torpedoboote schützen zu müssen, um den Schiffen, die nun durch den Kanal oder um das Nordende von England gekommen sind, wenn sie sich unsern Küsten nähern, den Eingang in unsere Häfen offen zu halten. Wir brauchen also die Panzer nicht, um auf Abenteuer auszugehen, sondern um unsere Existenz während eines Landkrieges zu sichern; denn, wenn wir während eines Krieges auf einen Import nicht mehr rechnen können, kann unsere Existenz schwer bedroht sein. Ich halte es nicht für wahrscheinlich, daß unter einigermaßen normalen Verhältnissen und bei unserer heutigen Bevölkerungszahl wir im Kriege absolut auf den Import fremden Getreides angewiesen wären. Wir können uns be— schränken. Wir können, statt Kartoffeln zu brennen, Kartoffeln essen, wir würden das eine und das andere Mittel finden können, auch wenn der Krieg lange dauert. Wir würden statt Rüben Getreide bauen können, und so glaube ich, daß, wenn der Himmel nicht allzu ungünstig wäre, wir uns entweder allein, oder wenigstens im Verein mit unseren österreichischen Verbündeten würden helfen können. Aber man hat kein Recht, mit so günstigen Umständen zu rechnen. Wir können auch schlecht ernten, und diese ganze Rechnung würde fehlerhaft werden mit dem Augenblick, wo der Kriegsschauplatz auf deutschen Boden verlegt werden würde; denn dann würde das deutsche Korn nicht mehr für Deutsche reifen, sondern für die feindliche Armee. Wir würden unsere eigenen Krieger nicht mehr von fremdem Korn nähren können, sondern von dem Korn, das auf dem Reste deutschen Bodens, der uns ver⸗ blieben ist, wachsen möchte. Wir werden also gut thun, unsere Auf— merksamkeit auf die Nothwendigkeit zu richten, in die wir versetzt werden können, unsere Häfen, entweder ganz oder wenigstens den einen oder anderen blockadefrei zu halten, um den Import zu ermöglichen nicht allein aber den Import von Getreide, was allerdings unter Umständen ja das wesentlichste ist und für den Ausgang des Krieges bedingend und entscheidend werden kann, sondern auch den Import von anderen Waaren. Wir brauchen Rohstoffe, um unsere Fabriken im Stand zu halten, wir brauchen Colonial waaren, wir sind verwöhnter wie unsere Väter und Großväter, die zur Zeit der Continentalsperre mit Eichelkaffee sich begnügten, wir würden eine Menge Dinge schwer entbehren; nicht bloß, weil uns jene Artikel fehlen würden, sondern weil Handel und Wandel dadurch aufs tiefste geschädigt würden. Ich kann meine Ueberzeugung nur dahin aussprechen, daß, um während eines Krieges das Landheer leistungsfähig, die Steuerzahler, die überhaupt noch Steuern zahlen, steuerfähig zu erhalten, wir danach streben müssen, die Blockade von unseren Küsten fernzuhalten. Und um das zu können, können wir der Panzerschiffe, der Kreuzer und Torpedoboste nicht entbehren. (Leb⸗ haftes Bravo! rechts.)

Abg. von Henk (deons.) verzichtet nach diesen Ausführungen aufs Wort.

Abg. Jebsen (n.): Ich schließe mich dem Votum der Com— mission bezüglich der Kreuzer-Corpette „Ke deshalb an, weil wir in diesem Jahre schon Gelegenheit haben werden, die Bewährung der Kreuzer, Corvette M“ zu erproben. Fällt die Probe gut aut, so wird jedenfalls im nächsten Jahre meine Fraction fur die Kreuzer-Corvpette K“ stimmen.

In der Abstimmung wird die Forderung für das Panzer—

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Auch im übrigen werden die Commissionsanträge an- genommen.

Abgesetzt werden ferner in Consequenz dieser Streichungen 270 000 M, welche für die artilleristische Armirung als erste Rate für Ersatz Möme“ gefordert waren, 150 000 M, welche zu demselben Zweck für Apiso Ersatz Falke“ ausgeworfen sind; ferner 63 000 bezw. 50 000 66 zur Torpedoarmirung

Vest des ordentlichen Etats des Extraordinariums wird ohne Debatte bewilligt.

Im außerordentlichen Etat des Extraordinariums werden im ganzen 18390 0090 6 gefordert. Die Commission hat die erste Baurate von 116 Millionen zum Bau von zwei große Trockendocks zu streichen beantragt. Im vorigen Jahre waren 36 000 6 zu Vor- und Projectirungsarbeiten für Her— stellung von Dockanlagen bewilligt worden. Der Etat nimmt zwei Docks in Kiel in Aussicht, welche zusammen 17 Millionen kosten sollen. In der Commission ist die Nothwendigkeit so großer Dockanlagen angefochten und die Verwaltung zunächst ersucht worden, sich eventuell mit einem Dock zu begnügen.

Staatsserectär Hollmann:

Meine Herren! Diese Frage ist so wichtig, daß ich mich ihrer auch im Plenum annehmen und die Bewilligung dieser Summe befür— worten muß. Zur Unterhaltung der Schiffe ist das Vorhandensein von Docks eine unabweisliche Nothwendigkeit; man kann keine Schiffe

eirten anerkannt, daß jedes Schiff, welches im Dienst und im Gebrauch ist, zweimal im Jahre ins Dock geht.

Welche Vorkehrungen und welche Anstalten haben wir nun in der Ostsee denn nur von der Ostsee ist ja die Rede; die Nordsee lassen wir ganz bei Seite. Um unsere Schiffe zu docken, haben wir im ganzen vier Docks, von denen aber nur zwei in Frage kommen für die Panzerschiffe und großen Corvetten; für fünf alte Schiffe vier neue Schiffe, sowie für drei neue Kreuzer, die im Bau beziehungt weise eben fertig gestellt sind, kommt überhaupt nur ein Dock Frage. Es sind infolge dessen zwölf Schiffe, die auf ein Dock angewiesen sind. Dieses ist schon in Friedenszeiten üble Lage. Wir sind in diesem Winter in annehmlichkeit versetzt worden, ein Schiff, welches ist gestellt war, so lange hintanhalten zu müssen mit seinem Docken, weil das Dock in Anspruch genommen war von einem havarirten Schiff, das auf zwei Monate dieses Dock pollständig in Anspruch nahm. Haben wir nur ein Dock für diese großen Schiffe, so muß naturgem ß das Docken anderer Schiffe unterbleiben, so lange dies betreffe: Schiff nicht aus dem Dock herausgenommen werden kann. Sie werden sich vorstellen können, daß, wenn an einem Schiffe große Reparaturen sind, Bodenbleche vom Schiff abgenommen sind, Unterwassertheile ent⸗ fernt sind, das Schiff nicht von Tag zu Tag herausgenommen werden kann, um einem anderen Platz zu machen. Haben wir solche Repa raturen und ist das Dock besetzt, dann müssen die anderen warten. Das hat sich schon in Friedenszeiten als störend herausgestellt. Nun erst in Kriegszeiten. Die Schlagfertigkeit einer Flotte läßt sich nur aufrecht erhalten mit einer Anzahl von Docks, im Kriege werden diese Bedingungen noch schärfer eintreten als im Frieden, abgesehen davon, daß, wenn Schiffe in den Kampf gehen, ein Theil der Schiffe havarirt zurückkehrt und nun die Dockbedürftigkeit in höchstem Maße vorhanden ist. Mit einem Dock ist wenig zu machen, mit zweien sind wir schon eher zufriedengestellt, am besten aber würde es sein, wenn die vör— geschlagenen drei zur Verfügung stehen. Ich will nicht das noch einmal wiederholen, was ich schon im vorigen Jahre gesagt habe über die Art des Dockens. Daß Schwimmdocks unseren Bedürfnissen nicht Rechnung tragen, habe ich gesagt, und ich habe es in der Commission weiter aufgeführt. Zudem würde ein schwimmendes Dock theurer sein als ein massives. Das schwimmende würde kosten 12 Millionen Mart, das massive 10 bis 11 Millionen Mark.

Nun hat der Herr Referent gesagt und auch in der Commission ist

vielfach davon die Rede gewesen: ja, wenn ihr in der Ostsee nicht genug Docks habt, geht in die Nordsee. Da habe ich versucht, auseinanderzusetzen, daß das ein unbilliges Verlangen ist und unter Umständen sogar ungus— führbar. Schiffe, die havarirt sind, werden tieser gehen als solche ohne Havarie, aus dem einfachen Grunde: das Schiff hat ein großct Leck in irgend einer Abtheilung, es läuft diese Abtheilung voll, die wasserdichten Schotten verhindern, daß das Wasser das ganze Schiff durchläuft; aber, da das eine Abtheil voll Wasser ist, so geht das Schiff natürlich tiefer, und es wird garnicht möglich sein, ein so hararirtes Panzerschiff durch den Nord-Ostsee⸗Kanal nach Bremer— haven zu bringen, aus dem einfachen Grunde, weil der Nord-Ostsee— Kanal nur 8,5, m Tiefe hat und einzelne von unseren Panzerschiffen schon im gesunden Zustande, wenn ich mich so ausdrücken darf, solchen Tiefgang haben, aber bis 10m, wenn sie havarirt werden. Also ein Hinüberbringen von der Ostsee nach der Nordsee ist ganz unaue— führbar, abgesehen davon, daß die Schiffe, wenn sie durch den Nord— Ostsee⸗Kanal gegangen sind, einen Sceweg zu machen haben, um ins Dock zu gelangen. Man wird immerhin, was ich auch in der Kommission erwähnte, Abstand nehmen, ein schwer haparirtes Schiff mit Mannschaft in die Nordsee hineinzubringen, man setzt es einer großen Gefahr aus und einer großen Katastrophe. Das gilt schon von den Friedenszeiten. In Kriegszeiten ist es ganz ausgeschlossen. Es ist gänzlich ausgeschlossen, daß man in Kriegszeiten mit einem havarirten Schiff, was sich nicht wehren kann, die Elbe verläßt, um nach Wilhelmshaven zu gehen. Alle diese Gesichtspunkte kann die Marineverwaltung nicht außer Acht lassen, und ich bleibe dabei bestehen: es ist für die Marinever— waltung zur Unterhaltung ihres Schiffsmaterials ein Bedürfniß vor— handen, diese Docks zu besitzen. Ich glaube, daß man im vorigen Jahre entgegenkommender war als in diesem Jahre. Im vorigen Jahre handelte es sich in der Hauptsache nur darum, daß die Kosten— anschläge nicht so vollständig waren, als man sie verlangte, und ich glaube nicht irre zu gehen, daß, wenn diese Kostenanschläge vorhanden gewesen wären, daß das möglicherweise bewilligt worden wäre. Ich kann nur darum bitten, dem Dock eine günstige Stimmung entgegen⸗ zubringen.

Die Forderung wird abgelehnt, der Rest des Marine⸗

schiff „Ersatz Preußen“ mit großer Majorität abgelehnt.

Etats unverändert bewilligt.

der Kreuzer-Corvette „K“ und des Apisos „Ersatz Falke“. Der

Namens der Geschäftsordnungscommission erstattet alsdann Abg. Dr. Horwitz Of) Bericht über das Schreiben des Reichs⸗ lanzlers, wongch, die Ausführung des Reichstagsbeschlusses bezüglich der Einstellung des Strafverfahrens gegen den Ab⸗ geordneten Freiherrn von Münch (b. k. F.) dadurch hinfällig wird, daß es sich nicht mehr um ein Strafverfahren, sondern um ein bereits rechtskräftig gewordenes Urthei handelt, Die Com- mission beantragt, den Reichstagsbeschluß vom 6. Februar durch diese Mittheilung des Reichskanzlers für erledigt zu ten. rrach Stadthagen (Soc): Ich bitte Sie, nicht zurügzu⸗ schrecken vor dem, was stets die Praxis des Hauses gewesen ist. Von keinem einzigen theoretischen Juristen ist, die 1874 seitens der Abgg. Windthorst und Lasker vertretene Ansicht als hinfällig bezeichnet worden, und wir dürfen die Privilegien des Reichstags nicht preit⸗ geben. Die Frage ist nie anders beantwortet worden, als daß eine Verhaftung eines Abgeordneten nach dem Wertlaut des Artikels 31 der Verfassung nicht stattfinden darf. Ich halte es für unbegreiflich, wie man zur entgegengesetzten Auffassung kommen kann. In dem Fall Majunke hat allerdings die naticnalliberale Partei den Artikel 31 anders interpretirt, wie die Abgg. Windthorst und Lasker; aber die Reichstagsmehrheit beschloß damals, daß Majunke zu unrecht ver— haftet sei. Der Polizei-Präsident hatte die Verhaftung abgelehnt, weil sie gegen die Verfassung verstoße, das Stadtgericht ebenso. Das Kammergericht hatte die Verhaftung angeordnet, weil sie nicht gegen die Verfassung verstoße. Bestimmend für die Mehrzahl der Commission war die Meinung, daß Majunke sich an das Ober⸗-Tribunal wenden könne and daß man dessen Entscheidung nicht vorgreifen solle. Aus diesem Grunde kam die Commission ohne Antrag heraus und die Sache ge⸗ langte nicht zum principiellen Austrag. Scit 1874 ist nun kein Fall vorgekommen, wo ein rechtskräftig Verurtheilter zwecks Abbüßung der Strafvollstreckung während der Session gegen seinen Willen verhaftet wurde. Die Frage der Entlassung eines bereits Inhastirten ist hienmit nicht zu verwechseln. Im ersten Absatz des Artikel 31 ist von Ver— haftung ganz allgemein die Rede, im dritten Absatz wird ausdrücklich von Untersuchungs. und., Civilhaft gesprochen. Das beweist gerade, daß jede Verhaftung ohne Ausnahme an die Genehmigung des Reichstags gebunden ist. Wenn Sie mit der bisherigen Praxis nicht brechen wollen, dann können Sie dem Commissionsantrag nicht zustimmen. Der württembergische Justiz⸗-Minister hat gar, nicht das Recht, in die Befugnisse des Richters einzugreifen. Fin Rücktritt von der einmal gefaßten Entschließung würde dem Reichstag nicht zum Ansehen gereichen. . J ö . Abg. Ackermann (deons.) weist die Interpretation des Artikels 81, wie sie bezüglich des Sinnes des Wortes „Verhaftung“ der Vorredner gegeben, als unzutreffend zurück. Der Antrag des Abg. Singer habe ausdrücklich auf Einstellung eines Strafverfahrens gelautet, während cs sich um eine rechtskräftig gewordene Verurtheilung handle.

Nach kurzer Replik des Abg. Stadthagen und Duplik des Abg. Ackermann bemerkt der 36 ;

Abg. Bebel (Soc.): 1874 war der Reichstag mit wenigen Ausz— nahmen der Meinung, daß auch der Antritt der Strafhaft unter die Bestimmung des Artikels. 31 der Verfassung fällt. Es ist nicht denkbar, daß sich der Reichstag mit einem geringeren Recht begnügen soll, als die Vertretungen aller anderen Verfassungsstaaten. Der Artikel 31 der Reichs verfassung ist allerdingZss in dieser Beziehung etwas unklar. Die sächsische Perfassung srricht es in weit klarerer Weise aus, daß über ein Mitglied der sächsischen Ständekammer ohne Zustimmung derselben keine Haft verhängt werden kann. Ich bin auch heute noch der Meinung, daß der Reichstag sich dasselbe Privilegium hat vorbehalten wollen. Im Falle North lag die Sache anders, weil ein gemeines Verbrechen vorlag. Aber in allen anderen Fällen können wir unser Pripilegium nicht aufgeben. Daß der Artikel 31 der Verfassung nicht so ausgelegt werden kann, daß ein Mitglied des Reichstags aus der Strafhaft entlassen werden muß, darüber hat der Reichstag sich klar entschieden. 1873 beantragte der Abg. Schraps, daß ich während der Dauer der Session aus der Festungshaft entlassen werden sollte. Der Reichstag lehnte es aber mit großer Majorität ab. Das württembergische Gericht wollte die Strafhaft des Abg. Freiherrn ven Münch aussetzen, sobald er einen dahin gehenden Beschluß des Reichstags beibringe. Aehnlich haben die fächssschen Gerichte erkannt und gehandelt, als der Abg. Liebknecht und ich am 6. März 1877 vom Schwurgericht zu Leipzig wegen Vorbereitung des Hochverraths zu zwei ö. Festung ver⸗ urtheilt waren. Ich war Mitglied des Reichstags, der Abg. Liebknecht nicht. Nach Verwerfung der Revision durch das Ober, Landesgericht wurde der Abg. Liebknecht aufgefordert, Anfang Juni die Haft anzu— treten, ich wurde erst nach Ablauf der Session dazu aufgefordert. Wenn die Gerschte in Deutschland, eine gleiche Auffassung hierüber gehabt haben, besteht für den Reichstag erst recht die allergrößte Ursache, sich sein Privilegium nicht nehmen zu lassen. Ist der Artikel 31 unklar, so muß durch Interpretation Klarheit geschaffen werden. . . w .

Königlich württembergischer Bevollmächtigter zum Bundesrath, Gesandter von Moser: Der Abg. Freiherr von Münch ist von dem Amtsgericht in Stuttgart zum litt der Strafe am 20. Februar eingeladen worden mit dem Hinzufügen, daß der Strafvollzug eintreten würde, sofern er nicht einen Nachweis über Stellung eines betreffenden Antrags auf Grund des Art. 31 Ahs. 3 der Verfassung im Reichstag beibringen würde. Ich hebe das besonders hervor, weil die Abgg. Bebel und Stadthagen diesen Umstand nicht begchtet haben, sondern sich auf Absatz 1 beziehen. Die württembergische Regierung vertritt im Einverständniß mit sämmtlichen anderen verbündeten Regierungen und mit dem Reichstag die Rechtsanschauung, daß Art. 31 Abf. 3 sich auf die Strafvollstreckung nicht beziehe, und die württembergische Regierung hat dem Amtsgericht zu Stuttgart wegen seiner irrigen Auffassung das Nöthige zu erkennen gegeben. .

Der Antrag der Geschäftsordnungscommission wird darauf angenommen. ;

Die beim Reichstag nachgesuchte Ermächtigung zur straf⸗ rechtlichen Verfolgung des Abg. Metzger (Hamburg) wegen Beleidigung des Senats und der Bürgerschaft der Stadt Ham⸗ burg wird, entsprechend dem Antrage der Geschäftsordnungs— commission, nicht ertheilt.

Darauf wird die Etatsberathung fortgesetzt und der Etat des Rechnungshofes, des allgemeinen Pensionsfonds und des Reichs-Invalidenfonds bewilligt. Ueber die Petition, he— treffend die Gewährung einer Ehrenzulage an die Inhaber des Eisernen Kreuzes von 1870/71, wird zur Tagesordnung über⸗ gegangen.

Schluß ½ Uhr.

Preusßischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 48. Sitzung vom 8. März.

Auf der Tagesordnung steht die dritte Berathung des Staatshaushalts-Etats für 1893,

Ueber den Beginn der Sitzung ist bereits in der Nummer vom Mittwoch berichtet worden. Im weiteren Verlaufe der Generaldiscussion nimmt nach dem Ahg. Francke⸗Tondern (nl), dessen Rede bereits gestern mitgetheilt worden ist, das Wort ̃ .

Abg. Rickert (pfr):; Es wäre an der Jeit, daß die Budget⸗ ommissiosn wieder einmal einen Generalbericht erstatten würde; ein solcher Rückblick auf die Vergangenheit ist immer sehr instruetiv. Die ganzen Autzeinandersetzungen des Abg. Francke haben wieder bewiesen, daß wir ohne einen beweglichen Factor im Etat nicht auskommen tönnen. Ueber diese wichtige Frage hat aber der Führer der maß⸗

gebenden gonscrvativen Partei garnicht gesprochen. Die Annahme des Antrages Dziembowsti war doch eine Niederlage für die Conservativen, weil er eigentlich ganz selbstverständlich war, sedaß wir auch für den Antrag hätten stimmen können. Die Rede des Abg. von Minnigerode über das Schuldenmachen war sehr schön; ich wünschte, daß der Abg. von Minnigerode noch in den Reichstag gewählt würde. Da können wir solchen Gegner res Schuldenmachens sehr gut gebrauchen. Seine Freunde im Reichstag in der Militärcommission stehen durchaus nicht auf seinem Standpunkt. In der Militärcommission haben wir uns auch über die Frage. der Matrikularbeiträge unter⸗ halten. Der Schatzsecretär erklärte, daß man das Verhältniß des Reichs zu den Einzelstaaten in eine feste, gesetzliche Form bringen könnte. Finden darüber schon Verhandlungen start⸗ Wie soll die Sache gemacht werden? Die Franckenstein sche Elausel werden wir nicht aufgeben, wenn nicht ein beweglicher Faetor in die Reichs⸗ sinanzen eingefügt wird, wofür wir uns auf den früheren Reichstags⸗ Abgeordneten Miquel berufen. Wenn der Finanz⸗Minister über diese Fragen schweigen sollte, so werde ich daraus meine Schlußfolgerungen zieben. Was der Abg. von Minnigerode über die Antisemitenfrage sagte, kam mir fast wie eine halbe Entschuldigung vor. In con⸗ serbative Bahnen können Sie den Antisemitismus nicht einlenken; sehen Sie doch nach Arnswalde⸗Friedeberg und nach Liegnitz. Dort laufen die Conservatipen den Antifemiten nach und nicht um— gekehrt. Bezüglich des russischen Handelsvertrages traue ich dem Reichskanzler und dem Handels-Minister zu, daß sie Thatkraft genug besitzen, um das System der Handelsperträge fortzuführen. Sehen Sie doch einmal über ihre enge Scholle hinweg! Europa, wenn es sich durch Zollkriege bekämpft, wird ja machtlos gegenüber dem jungen Riesen Amerika. Vielleicht dämmert nach Jahren den Landwirthen auch einmal die Bedeutung der Handeleverträge auf. Uebrigens über den Kopf der Landwirthe., hinweg sind die Dandels⸗ verträge nicht geschlossen; hat Graf Kanitz nicht im Reichstag über diese Verträge gesprochen? Hat die Mehrheit der Conservativen nicht für sie gesun mt? Vom russischen Handelsvertrage und vom Bimetallismus weiß der Bauer nichts; das Invalidenversicherungs⸗ gesetz hat die Unruhe wachgerufen. Aber daß die Conservativen es gemacht haben, das sagen sie nicht. Redner weist darauf hin, daß in landwirthschaftlichen Vereinen schon. Beiträge bewilligt werden für den Bund der Landwirthe; darauf müsse der Landwirthschafts. Minister sein Augenmerk richten. Ein Satz der Rede des Abg. von Minnigerode könnte als eine Absage an den Centralperband der deutschen Industriellen aufgefaßt werden! Was bedeutet er? Der Reichskanzler ist heute noch immer ohne Antwort auf seins Frage: Wodurch soll der Landwirthschaft geholfen werden? Stellen Sie doch Ihre Anträge, dann werden wir sie prüfen. Haben die Handels⸗ verträge nicht auch in die Industriezölle Bresche gelegt? Und wenn wir mit Rußland einen Vertrag abschließen, dann werden wir doch hoffentlich auch einige Concessionen von Rußland erreichen. Der Handelsvertrag mit Rußland würde ein Ereigniß von europäischer Be⸗ deutung sein. Im Mai 1892 haben die Conservativen des Reichs⸗ tags, des Herrenhauses und dez Abgeordnetenhauses sich über die Differentialzölle Rußland gegenüber beklagt und für den Fall des Fortbestehens die Aufhebung des Identitätsnachweises herlangt, und jetzt hetzen sie die Bauern gegen den Handelsvertrag mit Ruß⸗ land auf, weil eben die conservative Partei kein volksthümliches Programm hat. Es wäre wirklich besser, wir hätten einen absoluten Staat, wo der König die agrarische Begehrlichkeit zurückweist. Herr von Wedel⸗Malchow hat die Bedeutung des Schutzzollsystems erkannt. Er warnte davor, weil dadurch das Parlament von einer politischen Vertretung zu einer reinen, krassen Interessen vertretung herabsinken würde. Wir wollen dagegen ankämpfen. Der Abg. von Minnigerode hat seiner Partei die Zukunft zugesprechen. Welches ist denn Ihre Zukunft? Sie sind angekommen bei Ahlwardt und Hertwig.

Abg. Sombart (nl): Ich bin während meines ganzen Lebens im Interesse der Landwirthschaft thätig gewesen und bedauere lebhaft, daß eine Partei den Namen Agrarier“ als Parteinamen für sich angenommen hat. Nur 14 Million Landwirthe haben ein so großes Besitzthum, daß sie ein Interesse am Schutzzoll haben. Diese Land—⸗ wirthe mit ihren Angehörigen stellen nur den achten Theil der deutschen Bevölkerung dar. Ich bin,. Vertreter des ganzen Volkes und kann daher nicht die Vortheile eines so kleinen Theils der Bevölkerung wahrnehmen. Ich bin Freihändler und mit mir waren es die meisten Landwirthe, die erst im Gefolge des Fürsten Bismarck Schutzzöllner geworden sind. Wer hätte früher gedacht, daß wir jemals einen Zoll von 356 auf. die Tonne Getreide haben würden? Die Ge⸗ treidepreise stiegen und die Landwirthe dachten nun, die Bäume wachsen in den Himmel. Dadurch wurden die Güterpreise in die Höhe getrieben. Es trat nun die Ueberschuldung der Gutebesitzer ein. Ob die Frage, wie Graf Mirbach will, reichsgesetzlich zu lösen ist, weiß ich nicht. Es giebt aber ein anderes Mittel, namentlich um, die anderen Erben sicher zu stellen: Die Praxis der Bauern, die bei Lebzeiten ihr Gut übergeben und es zum niedrigen Preise anrechnen. Wir müssen in Denukschland Getreide zukaufen; dafür müssen wir doch Industrie— producte exportiren. Um unseren Export zu sichern, müssen. wir doch Handelsverträge schließen. Ein Handelsvertrag mit Rußland würde von großer Bedeutung sein; denn dadurch würden wir uns den Rücken decken und hätten nicht mit zwei Fronten zu rechnen, Dann könnten wir getrost sagen: Wir fürchten Gott und sonst

ichts auf der Welt! ö.

; hte Lamprecht (cons.): Die Rede des Abg. Rickert war wohl weniger für dieses Haus als für die Wahlen bestimint. Auf Herrn von Wedel⸗Malchow hätte er sich nicht berufen sollen; denn dieser hat sich später für ein energisches Schutzzollsystem ausgesprochen. Der Bund der Landwirthe scheint den Freisinnigen Schmerzen zu bereiten. Man stiftet einen anderen Bund, an deren Spitze Herr Thomsen und Herr Wisser stehen. Die Leiter des Bundes der Landwirthe sucht man mit Schmutz zu bewerfen, und man sucht Zwietracht zu säen, indem man die Leiter als Junker verdächtigt. Wir sprechen den Leitern unsern Dank für ihre Thätigkeit aus, die sie im Interesse der kleineren Besitzer entwickeln. Die großen Besitzer haben noch andere Einnahme quellen, aber die kleinen Besitzer stehen vor dem Ruin. Viele scheuen sich, zu gestehen, daß sie kein Einkommen mehr haben und lassen sich noch einschätzen. Es, wird dem Abg. Rickert nie ge⸗ lingen, Zwietracht anzustiften. Die Bewegung, die mit elementarer Macht aufgetreten ist, wird die Interessen der Bauern vertheidigen.

Damit schließt die Generaldiscussion.

Beim Etat der Do mänen bittet . .

Abg. Conrad Pleß (Centr.) den Minister um eine baldige Regelung der Wildschadenfrage. . .

Abg. Rickert (dfr. : Diese Bitte beweist, daß die Herren doch nicht die Interessen der Bauern wahrnehmen. Sie reden ihnen von Doppelwährung und solchen Dingen vor, aber ihre rechten Ver⸗ treter sind Sie 3 Von dem neuen Landbunde habe ich keine Ahnung. Aber die Herren leiden ja öfter an Einbildungen.

Bei dem Etat der directen Steuern empfiehlt

Abg. Freiherr von Erffa (eons.), daß bei der Einschätzung zur Einkommensteuer die gesammte Bausumme für Herstellung neuer Ge— bäude in dem betreffenden Veranlagungsjahre zum Abzug komme. Auf dem Lande seien die Gebäude ein nothwendiges Uebel, nicht, wie in der Stadt, ein Vermögenswerth.

Finanz⸗Minister Dr. Miquel:

Meine Herren! Es ist vollkommen zutreffend, daß es nicht leicht ist, zu den richtigen Grundsätzen und zum Verständniß derselben bei der Frage der Berechnung der Abnutzung von Gebäuden zu kommen. Vor dem Erlaß des neuen Einkommensteuergesetzes war die Lage der Gebäudebesitzer aber ungünstiger gesetzlich geregelt, als durch das neue Einkommensteuergesetz. Bei landwirthschaftlichen und gewerblichen Gebäuden konnten Abnutzungsquoten in Ansaß gebracht werden; . bei allen mobilen Werthen, namentlich bei Maschinen für die Industrie, wurden Abnutzungsquoten zu gute gerechnet, nur nicht bei den eigent⸗

lichen Wohngebäuden. Nun sagte man sich bei Erlaß des neuen Ein

lommensteuergesetzes, daß dies für die Besitzer von Wohngebäuden eine Ungerechtigkeit wäre; wenn bei den übrigen Gebäuden, die zu gewerb⸗ lichen oder landwirthschaftlichen Zwecken dienten, der Abzug von Neubaurenten gestattet ist, so muß das auch bei Wohngebäuden der Fall sein; denn es sind dieselben Grundsätze bei denselben an⸗ wendbar und berechtigt, wie bei den Gebäuden für preductive Zwecke. Infolgedessen hat das Einkommensteuergesetz das Recht der Berechnung der Abnutzung und des Abzugs derselben von dem regelmäßigen Ein— kommen auch auf Wohngebäude ausgedehnt. Das Gesetz ist also gerade nach der Richtung fortgeschritten, die Herr von Erffa wünscht; es behandelt die Wohngebäudebesitzer wohlwollender als die frühere Gesetzgebung. Daraus ergiebt sich auch von selbst, daß ein Unter⸗ schied zwischen bestehenden Gebäuden und in Zukunft herzustellenden Nenbauten nicht gemacht werden kann, weil schon vorher bei den eben bezeichneten Gebäuden das Recht des Abzugs von Abnutzungsquoten gegeben war. .

Nun hat Herr von Erffa den Gedanken angeregt, ob es nicht richtiger wäre, diese schwierige Frage der Berechnung von Neubau⸗ renten in ihrer Höhe und in ihrer Anwendbarkeit dadurch radical zu beseitigen, daß man demnächst zu einer Aenderung des Einkommensteuer⸗ gesetzes schreitet in der Richtung, daß weder für Mobilien, für Maschinen, für sonstige Inventarstücke, noch für Immobilien irgend welcher Art eine solche Abschreibung stattfinden soll, daß vießbmiehr ein Abzug vom Einkommen stattfindet in dem Augenblick, wo wirklich solche Neu⸗ herstellungen gemacht werden, dann aber im vollen Betrage.

Meine Herren, das läßt sich sehr wohl erwägen; ich will diese Frage durchaus nicht ohne weiteres ablehnen, denn für den Staat gleichen sich die großen Schwankungen, die in den Einkommensbeträgen des Einzelnen sich bei diesem Verfahren ergeben, im großen Ganzen aus, und man würde allerdings die schwierige Frage der Berechnung der Neubaurenten vollständig los sein; man würde einfach den vollen Betrag, der wirklich zur Verwendung kommt, in dem einzelnen Jahre bei den einzelnen Einkommensteuerpflichtigen zur Anwendung bringen, im übrigen aber darauf rechnen, daß sich für den Gesammtstaat bei allen den ver⸗ schiedenen Steuerpflichtigen eine regelmäßige Ausgleichung, ähnlich wie bei einer Abnutzungsquote für den einzelnen Steuerpflichtigen, ergeben würde. Vorläufig haben wir aber mit dem gegenwärtigen Gesetz zu operiren, und da bleibe ich dabei stehen: erstens, daß Neu⸗ baurenten nur richtig berechnet werden können, wenn sie für die ge⸗ sammte Periode, nach deren Ablauf der Neubau nothwendig wird, mit Zinsen und Zinseszinsen berechnet werden. Man muß sich doch bei der Bildung von solchen Renten vorstellen, daß die An⸗ sammlung des Fonds wirklich stattfindet, daß eine Ausscheidung aus dem übrigen Vermögen stattfindet, und daß nicht bloß die Zinsen von diesen Fonds den Steuerpflichtigen zugute kommen, sondern auch Zinseszinsen. Je nach dieser verschiedenen Berechnung aber ergeben sich sehr verschiedene Resultate in Bezug auf die Höhe der zulässigen Abnutzungsquote.

Nun ist ja vollkommen richtig, daß, wenn man ganz correct ver⸗ fahren wollte, man diese Abnutzungsquote verschieden für jedes ein⸗ zelne Gebäude feststellen müßte. Man muß sich da fragen: wie lange kann das Gebäude noch stehen, welche Summe muß ich also jedes Jahr zurücklegen, um in dem Zeitpunkt, wo das Gebäude neu her⸗ gestellt werden muß, den Neubaubetrag in vollem Maße angesammelt zu haben? Daß das aber absolut unmöglich ist, durchzuführen, darüber, meine Herren, brauche ich kein Wort zu verlieren. Man muß dabei daher auf Durchschnittssätze kommen, man kann auf andere Weise sich hier nicht helfen, man kann darin eine Schwierigkeit finden einer richtigen Steuerveranlagung; in diesem Punkte aber ein anderes Verfahren, als Durchschnittssätze zu Grunde zu legen, ist überhaupt nicht möglich. Es ist ja klar, daß die Steuerveranlagungsbehörden vollständig außer stande sind, jedes einzelne Gebäude auf die ver⸗ muthliche Dauer seiner Standfähigkeit hin zu untersuchen.

Nun gebe ich zu, daß man dabei unterscheiden kann nach deren verschiedenen Zwecken, denen diese Gebäude dienen. Es ist ganz zweifellos, daß ein Fachwerkgebäude, welches zu landwirthschaftlichen Zwecken dient, viel eher sich abnußzt und neu wiederhergestellt wird, als ein massives Wohnhaus. Aber in allen diesen Dingen, glaube ich, kann man auch noch nicht in der Steuerveranlagung so genau unter⸗ scheiden; im großen und ganzen wird man immer auf Durch- schnittssätze angewiesen sein.

Wenn ich das vorige Mal gesagt habe, der Fiscus kommt aller Wahrscheinlichkeit nach bei dieser ganzen Berechnung, wie man sie auch gestaltet, sehr schlecht weg, so bleibe ich dabei durchaus stehen. Denn thatsächlich wird sich die Sache so gestalten, daß diese Neubau⸗ renten in Wirklichkeit nicht angesammelt werden, daß also in dem Moment, wo der Neubau nothwendig ist, nicht aus den Revenüen, wie Herr von Erffa annimmt das würde ich durchaus nicht tadeln, wozu die Revenüen verwendet werden, ist dem Fiscus gleichgültig, man versteuert ja die Revenüer ganz ohne Rücksicht auf den Zweck ihrer Verwendung —, sondern aus Kapital oder durch Aufnahme von Schulden der Neubau beschafft wird. In beiden Fällen werden die Revenüen sich vermindern, das Einkommen sich vermindern, und der Fiscus wird also die ganze Ab⸗ nutzungequote, die er sich im Laufe der langen Jahre hat abrechnen lassen, damit noch einmal sich anrechnen lassen. Diese Erwägung könnte dahin führen, dem Vorschlag des Herrn von Erffa näher zu treten: das ganze System, wie wir es jetzt haben, das System der Ansammlung von Neubaurenten überhaupt zu beseitigen. Ich glaube, daß wir in dieser Frage noch mehr Erfahrungen werden sammeln müssen. Man wird doch in Zukunft in mehreren anderen Punkten vielleicht die Nothwendigkeit hervortreten sehen, einzelne Bestimmungen des Einkommensteuergesetzes zu revidiren, und wir werden die vor⸗ liegende Frage bis dahin im Auge behalten.

Abg. Schenck (dfr.) bittet, die durch ministerielle Verfügung für Actiengesellschaften angeordnete Stundung der Steuern bei vor liegender Doppelbesteuerung auch auf die Genossenschaften auszudehnen.

Abg. Dr. Enneccerus (ul.) z. Die Abzüge für Bauten als jährliche Durchschnittsabzüge nach Zins und Zinseszins zu berechnen, halte er nicht für richtig und dem Gesetze entsprechend. Würde der Neubaufonds als nicht zum Vermögen gehörig gerechnet, so wäre das Verfahren richtig, aber das Geseßz führt unter den Abzügen solche nicht auf. Richtiger wäre es für Häuser, je nach ihrer Bauart 1 bis 507 zu 10 2e ghäg bart el) bähtdt ckenfell, Lie ahge , Dann. schnittsbeträgen stattfinden zu lassen.

Finanz⸗Minister Dr. Miquel:

Ja, der Herr Vorredner hat zwar mit großer Sicherheit in festen Ausdrücken meine Ansicht als gasz unhaltbar bezeichnet, ich glaube

aber doch das Haus überzeugen zu können, daß ich derartige Ausdrücke