zweiten Klasse nur eine Person das Wahlrecht ausübt, d. h. die Wahlmänner ernennt gleichsam kraft eines Virilstimmrechts.
Präsident des Staats⸗-Ministeriums, Minister des Innern Graf zu Eulenburg:
Meine Herren! Die großen printipiellen Fragen, welche sich an die Gestaltung des Wahlrechts für das Haus der Abgeordneten knüpfen, haben in der ersten Lesung über dieses Gesetz eine so ein⸗ gehende Erörterung gefunden, und die Ansichten, welche in dieser Beziehung in diesem Hause bestehen, sowohl damals wie heute einen so deutlichen Ausdruck, daß ich glaube, darauf verzichten zu können, nach dieser Richtung hin noch einmal auf das einzugehen, was ich im wesentlichen schon bei der ersten Lesung gesagt habe. Ich ent⸗ halte mich deshalb, auf den Antrag wegen Einführung des gleichen und directen Wahlrechts — denn das will ich beiläufig doch betonen: das allgemeine Wahlrecht haben wir —, also auf Einführung des gleichen, directen Wahlrechts und der geheimen Abstimmung jetzt einzugehen, und will mich, dem Charakter der zweiten Lesung eines Gesetzes entsprechend, auf die einzelnen Bestimmungen des Gesetzes und die dazu gestellten Anträge beschränken.
Ich gestatte mir aber, eine allgemeine Bemerkung vorauszu⸗ schicken. Ich glaube, der Eindruck, den man von allen diesen Anträgen haben kann, ist wohl der, daß es das Einfachste und Zweckmäßigste gewesen wäre und nach meiner Meinung auch heute noch ist, bei der Regierungsvorlage stehen zu bleiben (sehr richtig) und nicht weiter Versuche zu machen, welche nach dieser oder jener Richtung doch nur etwas Unbedeutendes verbessern, ohne im wesentlichen einen er— heblichen Erfolg zu haben oder die Einwendungen zu beseitigen, welche prineipieller Natur sind und doch nicht auf allen Seiten zurücktreten. Dazu aber allerdings, nieine Herren, gehört etwas, was wir eben nicht haben, da es immer eine Anzahl von Mitgliedern dieses Hauses giebt, denen die Ueberwindung zu schwer ist, auf einen Gedanken, den sie einmal gefaßt haben, zu verzichten, wenn sie sich auch überzeugen müssen, daß die Durchführung desselben keine Aussicht auf Erfolg hat und auch eine sehr wesentliche Wirkung für die Sache nicht haben würde. (Sehr gut!)
Indem ich dies vorausschicke, halte ich es für meine Aufgabe, mich nunmehr gegenüber den Anträgen, welche vorliegen, und ins⸗ besondere gegenüber den Beschlüssen der Commission zu äußern, nachdem von Seiten der beiden größeren Parteien des Hauses erklärt worden ist, daß sie auf diesem Boden stehen und stehen bleiben wollen.
Nun, meine Herren, da muß ich mich wenden zunächst gegen den Antrag, welcher, abgesehen von dem Prineipiellen, am weitesten sich entfernt von den Beschlüssen der Commission;, das ist der Antrag des Herrn Abg. Freiherrn von Zedlitz. Es ist ja garnicht zu leugnen, und ich habe selbst diesen Gedanken vielfach erwogen, daß es recht wünschenswerth wäre, die Bestimmungen des Gesetzes vom 24. Juni 1891 wieder zu beseitigen; sie sind in der That nach manchen Richtungen hin anfechtbar. Aber ich bitte noch einmal, Sie erinnern zu dürfen an die Entstehung dieser beiden Bestim— mungen, und ich glaube, daß es doch recht schwer sein wird, sie auf⸗ zugeben.
Was zunächst die Einsetzung von 3 „ für die von der Ein— kommensteuer Befreiten betrifft, so hat das seine Genesis darin, daß man die Veränderungen der Steuergesetzgebung, welche zuerst im Jahre 1883 und demnächst in stärkerem Maße im Jahre 1891 eingetreten sind, nicht wollte gleichzeitig einen Einfluß haben lassen auf die Stärke des Wahlrechts. Daraus ist diese Bestimmung entstanden, und ich glaube, wir werden schwerlich von ihr abweichen können.
Was, um das gleich vorauszugreifen, die andere Bestimmung des Gesetzes von 1891 anbetrifft: die Abtheilungsbildung in Urwahlbezirken statt in Gemeinden, so ist es ja unzweifelhaft, daß auf diesem Wege noch eine etwas größere Ungleichmäßigkeit in den großen Städten herbei⸗ geführt werden kann, als sie schon bisher bestanden hat. Aber ich glaube, daß schwerlich eine Bestimmung gefunden werden wird, welche das Ueberwiegen des Einflusses großer Steuerbeträge in den Städten in gleichem Maße paralysirt als diese.
Es kommt noch Folgendes hinzu: Gerade gegen die Bestimmung, wie sie im § 1 Absatz 2 hinsichtlich der 2009 „6 vorgeschlagen ist — ich komme darauf mit ein paar Worten noch gleich zurück —, hat Herr Dr. Graf vorhin gesagt, man möge doch dagegen erwägen, daß diese Bestimmung nicht allein einen Einfluß habe auf die erste Ab⸗ theilung, sondern auch auf die zweite und dritte. Zugegeben! — in welchem Maße, werde ich nachher sagen. Aber es hat mich gewundert, daß er trotzdem dazu gekommen ist, den Antrag des Herrn von Zedlitz zu befürworten; denn der hat in einem viel größeren Maße Einfluß auf die zweite Abtheilung, und in der That einen nicht unbedenklichen. Denn, meine Herren, das ist doch klar: wenn ich durch die Erhöhung des Steuerquantums, welches für die erste Abtheilung nothwendig ist, eine Vermehrung der Anzahl der Wähler erster Abtheilung herbeiführe, dann vermindere ich am oberen Ende die Zahl der Wähler der zweiten Abtheilung und führe damit herbei, daß aus der dritten Abtheilung eine größere Anzahl in die zweite Abtheilung eintreten wird. Ich verändere also das Zusammensetzungsverhältniß der zweiten Abtheilung, und das geschieht durch den Antrag des Herrn Freiherrn von Zedlitz, wie mir scheint, in größerem Maße als durch den Absatz? des 1 nach den Beschlüssen der Commission.
Nun, meine Herren, hat aber der Antrag des Herrn Freiherrn von Zedlitz noch einen erheblichen Nachtheil gegenüber den Be— schlüssen der Commission: er verändert nämlich die Procentzahl für die erste Abtheilnng und damit das Mischungsverhältniß, wenn ich mich so ausdrücken darf, für die erste und zweite Abtheilung ganz allgemein über das ganze Land, also auch für große Bezirke, wo ein Bedürfniß dazu garnicht besteht, während der Antrag der Commission nur da in Kraft tritt, wo überhaupt solche hohen Steuerbeträge vorhanden sind, also in der Wirkung viel beschränkter ist. Erlauben Sie mir noch, auf die Zahlen des Herrn Abg. Weyerbusch, die ich in dem Augenblick nicht controliren kann, die aber, soviel ich habe folgen können, im wesentlichen zutreffen, mit ein paar Worten zurückzukommen. Meine Herren, die Zahl derjenigen, welche im Staat über 2000 6 Einkommensteuer bezahlen, beträgt 4117, die Zahl der Urwähler vom Jahre 1888 — das ist das letzte Mal, daß wir das haben er⸗ mitteln können — beträgt über 55 Millionen. Es kommt also auf tausend Urwähler noch nicht ein solcher Mann, sondern nur O74, und wenn man noch andererseits in Betracht zieht, daß zu der ersten Abtheilung von diesen Hz Millionen 200 000 und eine Kleinigkeit gehören, dann kommen also von diesen Männern mit über 2000 .
einen
Einkommensteuer — ich möchte nicht eine unrichtige Zahl nennen — wenig über zwei auf das Tausend der Urwähler erster Abtheilung. Hiernach, meine Herren, können Sie schon sehen, daß die Einwirkung keine sehr große ist; und die Procentzahlen, welche Ihnen in der Berechnung vorgelegt sind unter Nr. 85 der Drucksachen, wenn Sie gütigst einen Blick darauf werfen wollen, geben Ihnen noch mehr den Beweis, daß eine bedenkliche Einwirkung dieser Bestimmung in der That nicht eintritt, um so mehr, als die Berechnung auf Nr. 85 der Drucksachen unter der Voraussetzung angelegt ist, daß sämmtliche Steuern reducirt werden sollen auf 2000 e½ů; während nach dem Vorschlage der Commission nur die Staatseinkommensteuer und die nach deren Maßstab berechneten Grundsteuern herabgesetzt werden sollen.
Also, meine Herren, so wenig ich die Bedenken verkenne, welche gegen diesen zweiten Absatz erhoben werden kännen, kann ich doch nicht umhin zu sagen, daß die praktischen Bedenken, die sich ihm gegenüberstellen, keine sehr erheblichen sind, und daß praktische Bedenken meines Erachtens gegen den Antrag des Freiherrn von Zedlitz in erhöhtem Maße würden geltend gemacht werden. Ich habe bereits gesagt, daß ich nicht würde dazu rathen können, den Steuer satz von 3 , welcher für die nicht zur Einkommensteuer veranlagten Personen vorgesehen ist, wieder fallen zu lassen, und habe nunmehr im Anschluß daran noch ein paar Worte zu sagen über § 12 und über § 16; diese beabsichtigen, die Wirkung, welche die Ansetzung dieser 3 6 Steuern hervorbringt, dahin einzuschränken, daß Wähler, die außer dieser fingirten Steuer keine andere Steuer zahlen, nur in der dritten Abtheilung wählen sollen. Diese Bestimmung stimmt über— ein mit dem letzten Absatz des 512 der Verordnung vom 30. Mai 1849, in welcher vorgeschrieben ist, daß steuerfreie Wähler in der dritten Abtheilung zu wählen haben. Aber darin muß ich dem letzten Herrn Vorredner beitreten: es bleibt immer ein eigenthümliches Verhältniß, daß man für eine Anzahl von Urwählern für nöthig hält, einen Steuersatz einzusetzen, dann aber ihn nur wirken läßt für die allge—⸗ meine Berechnung, und sobald er praktisch werden soll für einzelne Wähler, ihn als nicht vorhanden betrachtet.
Indessen muß ich sagen, auch diese Sache ist mehr grundsätz—⸗ licher als praktischer Natur. Ich habe mir, um einen Ueberblick davon zu gewinnen, wie sich das ungefähr stellen möchte, darüber eine Aufstellung machen lassen, in wie vielen Fällen von den sechs Probewahlbezirken, welche unseren statistischen Berechnungen zu Grunde liegen, es vorkommt, daß Urwähler, die nur 3 SC fingirte Steuer für sich haben, in die zweite Abtheilung hinübergehen und in— folge des vorgeschlagenen 1a zurücktreten müßten in die dritte Ab— theilung, und da ergiebt sich Folgendes: in zwei von diesen Probe— wahlbezirken kommt der Fall garnicht vor, das ist im zweiten Wahlbezirk Berlin und in Neisse⸗Grottlau —, er kommt vor in der Stadt Krefeld 4 mal und in der Stadt Köln 2 mal, in Grimmen-Greifs— wald 2 mal und in Schlawe⸗Rummelsburg 9 mal unter 101, Krefeld 4 mal unter 56vz. Wenn man das zusammenrechnet, so ergiebt sich, wenn man zunächst alle 6 Wahlbezirke ins Auge faßt, daß unter 742 Urwahlbezirken der Fall 17 mal oder in etwas über 20 vor⸗ kommt. Betrachtet man nur die Wahlbezirke, wo der Fall überhaupt vorkommt, so kommt unter 382 Urwahlbezirken der Fall 17 mal vor, oder in 4500 vor. Sie sehen, die Wirkung ist keine sehr einschneidende und man könnte vielleicht über, das, was sich principiell gegen die Sache sagen läßt, mit Rücksicht auf die geringe praktische Bedeutung hinwegsehen; aber man kann den Spieß auch umdrehen und sagen: da sie keine praktische Bedeutung hat, kann man sich die Bestimmung des 5 1 sparen, und ich würde dies, wie ich bereits vorher gesagt habe, für rathsam halten. Wenn man das aber nicht will, so kann ich nur empfehlen, den Unterantrag, welcher den Namen des Grafen Clairon d'Haussonville, wenn ich nicht irre, trägt, anzunehmen. Der erst giebt den Sinn wieder, welcher mit dem 5 1p gemeint ist. Ich halte nämlich den § 16 nicht dem Gedanken nach für unrichtig, sondern nur für schlecht redi⸗ girt. Der Sinn ist nämlich der, daß, wenn infolge der Bestim— mung von 5 12 Urwähler aus der zweiten in die dritte Abtheilung zurücktreten müssen, dann für die erste und zweite Abtheilung eine neue Eintheilung gemacht werden muß, nicht aber dann, wenn schon auf Grund der von vornherein eintretenden Abtheilungsbildung noch von 5, 4 und 3 Zwölfteln diese Urwähler der dritten Abtheilung angehören; denn sonst würde man dahin kommen, daß man für denselben Fall zwei verschiedene Berechnungen aufstellen müßte.
Also, der Antrag des Herrn Grafen Clairon d'Haussonpille ist nur die Herstellung des eigentlichen Sinnes des 5 1p, und wenn Sie überhaupt diesen Standpunkt einnehmen, kann ich Ihnen nur rathen, den Antrag anzunehmen. Wie gesagt, muß ich aber dabei stehen bleiben, daß die Annahme der Regierungsvorlage ohne die vorgeschlagene Abänderung vorzuziehen wäre.
Abg. von Strombeck (Centr.) spricht sich für die Commissions—⸗
2 . ) j * * e . ?. 24 9 beschlüsse aus, und bittet um Auskunft darüber, welcher Steuerbetrag angerechnet werden soll: der des laufenden oder des verflossenen Jahres, und ob die Ausführungsvorschriften über die Wahlen in Stadt- und Landgemeinden dem Staats⸗Ministerium oder den Ortsstatuten vor⸗ behalten bleiben sollen. . . ö ö
Abg. Dr. Langerhans (dfr. : Wir hatten gehofft, daß die Nationalliberalen mit uns gehen würden, wenn auch nicht bis zum allgemeinen gleichen Wahlrecht, so wenigstens bis zur geheimen Wahl; denn sie haben früher erklärt, daß sie diese Frage nur prüfen wollen, wenn eine gründliche Umänderung des Wahlgesetzes bevorsteht. Wenn sie jetzt damit zurückhalten gegenüber diesem Flickwerk, dann werden sie wohl niemals zur Reform des Wahlrechts kommen. Die Wohl—⸗ habenden haben für ihre Person sehr viel mehr Schutz vom Staat, der Arbeiter genießt einen so ausgedehnten Schutz nicht. Aber die Herren (rechts) haben kein Vertrauen zum Volk; wir haben das Ver— trauen und wollen den Klassengegensatz nicht noch vermehren, sondern zu vermindern suchen. Das Compromiß, von welchem der Abg, Bachem gesprochen, liegt doch nicht mehr vor. Mir liegt nicht biel daran und ich glaube nicht, daß in der zweiten Lesung eine Ver— ständigung erzielt werden wird. . .
Abg., r. Friedberg (nl): Ich will das Reichstagswahlrecht nicht kritisiren, obgleich der Abg. Rickert es über sich gewonnen hat, hier mehrfach das Landtagswahlrecht zu kritisiren. Für die Landtags— wahlen will der Abg. Langerhans die directen allgemeinen Wahlen, aber für die Gemeinden nicht, trotzdem das doch die nothwendige Con- sequenz wäre. Wir wollen jetzt nur die Umgestaltungen vornehmen, welche die Folge der Steuerreformen sind; eine so principielle Umwäl⸗ zung, wie die Einführung der geheimen statt der öffentlichen Wahl ist, können wir bei dieser Gelegenheit nicht vornehmen. Daß die geheim? Wahl nöthig wäre, weil die große Masse unseres Volkes abhängig wäre, kann ich nicht zugeben. Wenn die ,, refrmatorisch auf. dem Gebiete des Wahlrechts vorgehen wollten, dann müßten sie auf, die Frage, der Proportional wahlen zum Schutz der Minderheit auch eingehen, aber nicht
mechanisch das Reichstagswahlrecht auf den Landtag übertragen. . 9
Die Wirkung der Commissionsbeschlüsse hat der Minister⸗Präsident als unbedeutend bezeichnet. Das ist richtig; aber sie enthalten bedenk⸗ liche Abweichungen vom Princip. Die Feststellung einer Grenze für die Steueranrechnung nach oben hin ist eine Abweichung vom Prineip, die um so bedenklicher ist, als die Beschränkung nur für die Ein? kommensteuer gelten soll. Die Anrechnung eines fingirten Steuer⸗ satzes von 3 ½ war wohl berechtigt; aber weshalb sollen diefe Leute immer in der dritten Abtheilung bleiben? Die Feststellung der Grenze allein für die Einkommensteuer hat einen stark agrarischen Beigeschmack, wie manche anderen Beschlüsse der Commisston über—⸗ haupt. Deshalb ist es mir und einem Theil meiner Freunde unmög⸗ lich, den Commissionsbeschlüssen zuzustimmen. Das Coinpromiß macht das Wahlgesetz tendenziös und ungerecht. Wir überlassen die Ver— antwortung dafür den Mitgliedern des Centrums und den Con— serbativen. .
Abg., von Tiedemann-Labischin (freicons): Der freisinnige Hauptantrag soll doch wohl nur die principielle Stellung der Partei wahren; auf Annahme rechnen die Herren wohl selbst nicht. Anders liegt es bei der geheimen Abstimmung. Hätte ich die Wahl zwischen der allgemeinen directen und gleichen Wahl mit öffentlicher Abstimmung und der Dreiklassenwahl mit geheimer Abstimmung, so jöge ich für meine Person die erste vor. Daß die Soeialdemokraten so viels Stimmen bei der geheimen Wahl erhalten, beweist durchaus nicht, daß es so viel überzeugte Soeialdemokraten giebt; die Un⸗ zufriedenen verbergen sich hinter den socialdemokratischen Stimmzetteln und manche stimmen auch aus reinem Schabernack für einen Oppo— sitionsmann, die sich bei einer öffentlichen Abstimmung dessen schämen würden. Redner tritt für den Antrag von Zedlitz ein und weist darauf hin, daß die Commissionsmitglieder des Centrums gegen das Com- promiß gestimmt haben, daß also dessen Annahme durchaus nicht gesichert sei. Die Commissionsbeschlüsse enthalten eine Abbröckelung von dem System der Dreiklassenwahl, und deshalb kann ich nicht dafür stimmen.
Abg. Graf Clairon d'Haussonville (cons.) wendet sich gegen den freisinnigen Antrag, die fingirten Steuerbeträge von 3 auf d oder gar 6 MG zu erhöhen; er empfiehlt die Annahme der Com—⸗ missionsbeschlüsse. Die gestellten Anträge seien nur geeignet, das Wahlrecht der ersten Klasse zu beeinträchtigen, namentlich auf dem Lande
Abg. von Kardorff (freicons.): Der Abg. Rickert hat einen Antrag von mir herangezogen, der allerdings 25 Jahre alt ist. Wir haben uns nicht dem damals eingebrachten nationalliberalen Antrag angeschlossen, sondern wir wollten die Zahl der Wahl⸗ bezirke für den Landtag vermindern, sodaß die Reichstags⸗ und Land— tags⸗Abgeordneten dieselben sein konnten. Ich wollte aber damals erhebliche Modificationen des Reichstagswahlrechts vorschlagen; ich kam aber nicht zum Wort, weil der Fortschrittler von Kirchmann damals widersprach, als ich nach Schluß der Debatte noch zum Wort zugelassen werden sollte. Aber glauben die Herren, daß ich seit 25 Jahren nichts gelernt habe? Heute haben wir die Erfahrung für uns, daß das allgemeine Wahlrecht an die schlechten Leiden— schaften des Volkes appellirt. Wenn das allgemeine directe Wahlrecht zu solchen Verirrungen führt, die unsere tausendjährige Cultur bedrohen, dann hat es sich selbst gerichtet. Wir wollen jetzt nicht am allgemeinen directen Wahlrecht des Reichstags rütteln, aber wir wallen auch nicht rütteln an dem Wahlrecht der Einzel— Landtage. Gegen die Vorschläge der Commission werde ich auch stimmen.
Abg. Rickert (dfr.): Der Abg. von Kardorff hat seinen An— trag heute anders interpretirt, als er damals bei der Berathung von allen Parteien ausgelegt wurde; der Abg. von Kardorff hat gegen die damalige Interpretation mit keinem Worte Widerspruch erhoben. Er will etwas gelernt haben. Es giebt gewisse Dinge, bei denen man nichts zu lernen braucht. Denn die Parteien wechseln die Grundlage ihrer Programme gewöhnlich nicht wie ein Hemd oder einen Rock. In Bezug auf die Währungsfrage und die Schutzzöllnerei hat der Abg. von Kardorff nichts gelernt; er ist immer derselbe geblieben, aber die Conservativen haben vom Fürsten Bismarck gelernt. Wenn es ihm paßt, spricht der Abg. von Kardorff von den Massen' des Volks und ihren schlechten Leidenschaften; aber glauben Sie nicht, daß dieses Wahlrecht auch die schlechten Leidenschaften des Volks aufreizen wird? Daß der Abg. Graf unsern Antrag als nicht ernst gemeint bezeichnet, halte ich, für parlamentarisch unzulässig. Solche prin⸗ cipiellen Anträge bringt man ein, auch wenn sie aussichtslos sind; wir werden aber diesen Antrag wiederholen, bis er endlich Annahme findet. In der Abstimmung werden die freisinnigen Anträge gegen die Stimmen der Freisinnigen, des Centrums und der Polen abgelehnt; die Commissionsbeschlüsse zum 8 1 werden gegen die Stimmen der Freisinnigen, der Nationalliberalen, der Polen und des größeren Theils der Freiconservativen ge— nehmigt. Die 8§ 14 und 1h werden nach dem Antrage des Abg. von Heydebrand genehmigt.
Um 4½ Uhr wird die weitere Berathung vertagt.
Statistik und Volkswirthschaft.
Au‚s⸗ und Abwanderung.
Während im Regierungsbezirk Marienwerder vom No⸗ vember 1891 bis Januar 1892 1479 Personen und vom August bis Oktober 1892 457 Personen dauernd die Heimath verlassen haben, belief sich die überseeische Auswanderung für die drei Monate November 1892 bis Januar 1893 nur auf 679 Personen, von welchen 459 der deutschen, 20 der polnischen Nationalität angehörten. Von früher Ausgewanderten sind 30 Personen, zur Hälfte Deutsche, zur Hälfte Polen, in die alte Heimath zurückgekehrt.
Zur Arbeiterbewegung.
Die Agitation unter den Bergarbeitern in' West⸗ falen scheint immer mehr an Erfolg zu verlieren. In Essen fand am Sonntag eine Bergarbeiterversammlung statt, in der, wie der „Köln. Ztg.“ geschrieben wird, keine Beschlüsse gefaßt wurden, aber der Ausbau des Verbandes empfohlen wurde. — In Dortmund konnte eine gleichfalls für den letzten Sonntag be⸗ rufene öffentliche große Berg⸗ und Hüttenarbeiter⸗Versamm⸗ lung, wie die „Rhein.⸗-Westf. Ztg.“ berichtet, wegen Mangels an Theilnehmern nicht abgehalten werden. Anwesend waren etwa zwanzig Personen, darunter die ö L. Schröder, Siebeck und andere. (Vgl. Nr. 57 d. Bl.)
Die dietzährige socialdemokratische Parteiegnferenz für das Großherzogthum Sachsen wird, wie der „Vorwärts berichtet, am ersten Osterfeiertage in Weimar abgehalten. .
Hier in Berlin faßte, wie die Berliner „Volksztg.“ berichtet, eine focialdemokratische Versamm lung am Sonntag den Be— schluß, daß der im Mal vorigen Jahretz über die Norddeutsche Brauerei, Weimann's Volksgarten und Ahrendt s Brauerei (Moabit) auf die Dauer eines Jahres verhängte Boycott von diesem Tage ab aufzuheben sei. Dagegen wurde der Boycott . die Brauerel Feldschlößchen mit schwacher Majorität
ifrecht erhalten. ö , meldet ein Telegramm des ‚D. B. H.“, daß dort ein größerer Maurerausstand drohe, wenn von den Arbeitgebern nicht eine Lohnerhöhung und eine Verkürzung der Arbeitszeit bewilligt werde.
Zweite Beilage
zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.
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M GJ.
Nr. 4 des Archivs für Post und Telegraphie“ (Beiheft zum Amtsblatt des Reichs⸗Postamts, herausgegeben im Auftrage des Reichs -Postamts) hat folgenden Inhalt: J. Actenstücke und Auffätze: Entwickelung des Tarifwesens bei der preußischen und der Reichs— Postverwaltung seit 1824 (Schluß). — Schutz der höljernen Telegraphenstangen gegen Fäulniß durch Verharzung. — Die sibirische Eisenbahn. — Vergleichende Uebersicht über den Postpäckereiverkehr während der Weihnachtszeit in den Städten des Reichs-Postgebiets mit mehr als 50 900 Einwohnern für 1892 und 18901. — Lindi und die Handelsverhältnisse im Süden von Deutsch-Ostafrika. — Der Verkehr Londons mit besonderer Berücksichtigung der Eisenbahnen. — II. Kleine Mittheilungen: Erdströme. — Die Cifenbahn von La Guaira nach Caracas. — Telegraphiren zwischen Leuchtschiffen und der Küste mittels Inductien. — Ueber Guttaperchg Gewinnung. — Die Fort— schritte der deutschen Lebensversicherungs⸗-Anstalten im Jahre 1891. — III. Literatur des Verkehrswesens: Pfalzgraf Friedrich Michael von Zweibrücken und das Tagebuch seiner Reife nach Italien. Von Ge— heimem LegationsRath Dr. Ludwig Trost, Königlichem Geheimen Daus und Staatearchivar, und Dr. Friedrich Leist, Königlichem Ge⸗ heimen Secretär des Königlichen Geheimen Hausarchivs. Mit dem Bildniß des Pfalzgrafen. München, Bamberg, Leipzig, C. C. Buchner
Verlag.
Kkunst und Wissenschaft. hält am
Der Preußische Medizinalbeamten-Verein
10. und 11. April d. T im hiesigen Langenbeck-Hause seine X. Haupt⸗ versammlung ab. Die Tagesordnung lautet: Montag, den 10. April, 9 Uhr Vormittags: Erste Sitzung im Langenbeck-Hause. 1) Eröffnung der. Versammlung. 2) Geschäfts⸗ und Kassenbericht; Wahl der Kassen⸗ revisoren. 3) Der Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Bekämpfung gemeingefährlicher Krankheiten. Herr Reg. und Med.⸗Rath Pr. Nap— mund in Minden i. W. 4) Die gegenwärtige Stellung der Medizinal— beamten. Herr. Kreisphysikus Jr. Fielitz in Halle a. S. 5 An— träge und Discussionsgegenstände: a. Amtsärztliche Atteste für Staatsbeamte, sowie Untersuchungen in der Wohnung des Gerichtsarztes ohne rorheriges Actenstudium behufs Abgabe eines mündlichen Gutachtens im Termin (Antrag der Medi— zinalbeamten in Berlin.) b. Die Hufeland'schen Stiftungen. (An⸗ trag der Medizinalbeamten des Regierungebezirks Minden) Dien z⸗ tag den 11. April, 9 Uhr Vormittags: Zweite Sitzung im Langenbeck— Hause. I) Zur Lehre der Arsenvergiftung. Herr Privatdocent und gerichtlicher. Stadtphysikus Dr. Fr. Straßmann in Berlin. 2) Die Fürsorge für geistes kranke Strafgefangene. Herr Dr. Leppmann, Arzt der Königlichen Strafanstalt zu Moabit. 3) Zur staatfichen Beauf— sichtigung des Irrenwesens. Herr Kreisphysikus Hr. Meyhöfer in Görlitz. 4) Vorstandswahl; Bericht der Kassenrevisoren. 5) Unfall⸗ und Bruchschaden. Herr Kreisphysikus Dr. Grisar in Trier. Nach Schluß der Sitzung: Besichtigung der Königlichen Strafanstalt zu Moabit und der damit verbundenen Beobachtungsanstalt für geistes⸗ kranke Verbrecher, Lehrterstraße 3.
— Ein sehr bedeutender Münzenfund ist, wie der ‚N. A. 3.“ gemeldet wird, vor kurzem in der Nähe eines Dorfes in der Gegend von Wolfenbüttel gemacht worden. Bei der Urbarmachung eines wüsten Terrains stießen die Arbeiter auf einen verrosteten Kasten, der gegen 900 große und kleine Silbermünzen enthielt. Da diefe alle aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts stammen, ist anzunehmen, daß die Vergrabung des Schatzes zur Zeit des dreißigjährigen Krieges stattgefunden hat. Neich ist der Fund besonders an alten seltenen Thalern und Schaustücken, darunter ein sogenannter Dickthaler des Grafen Ernst II. von Hohnstein vom Jahre 1539.
Land⸗ und Forstwirthschaft.
Klüver's Tabelle zur Bestimmung des Brutto- und Netto— gewichts des Nindviehs vermittels zweier Maße. In deutscher Ueber— setzung herausgegeben von R. Strauch, Director der landwirth⸗ schaftlichen Winterschule zu Neisse. Bremen, M. Heinsius Nachfolger. . Lieferung. Pr. 1 6 — Das Verfahren beim Messen ist äußerft einfach Es werden nur zwei Maße genommen: ein Brustumfang, hinter dem Wierrist zu nehmen, und ein Längenmaß, welches als Endpunkt die Bugsyitze, und den hintern Theil des Darmbeins hat. In der Jabelle ist hinter den Maßzahlen das Lebendgewicht sofort abzulesen. Möge auch die V. Auflage den Landwirthen 2c. den Nutzen bringen, welchen die Vorgängerinnen gestiftet haben.
. Stand der Saaten.
Der Stand der Wintersaaten im Regierungsbezirk Gum binnen ist nach den von Ende Februar vorliegenden Berichten bisher noch ein durchaus günstiger. Sie haben sich recht kräftig entwickelt, sind durchweg gut in den Winter hineingekommen und werden, sofern nicht unvorhergeseheze Umstände schädlich einwirken sollten, den. Winter auch trotz des starken Frostes glücklich überdauert haben a ie durch eine hinreichend starke Schneedecke geschützt waren. Auch die Frühjahrsbestellung hat bei der in den Herbstmonaten vorigen Jahres vorhertschend milden Witterung überall in ausreichender Weife durch Beackerung vorbereitet werden können, fodaß die Aussichten auf die 4 Ernte . normale sind.
Im Regierungsbezirk Marienwerder ist die günstige Witterun des Herbstes der Bestellung der Saaten ungemein en gg. , . da bis in den November hinein die Arbeit auf den Feldern fortgesetzt werden konnte. Der ohne vorherige größere Kälte im Anjang De⸗ zember eingetretene reichliche Schneefall erweckte die Besorgniß, daß die sonst gut in den Winter gekommenen Saaten bei dem nicht tief genug gefrorenen Erdreich unter der starken Schneedecke Schaden nehmen würden. Durch rechtzeitig eingetretenes Thauwetter wurde in— Rssen diese Gefahr bescitigt. Die nach anhaltendem Frost im Anfang Januar wiederum xeichlich gefallenen Schneemaffen konnten nur günstig wirken, da der tief gefrorene Boden ein Fortvegetiren der Saaten unter der Schneedecke verhinderte.
Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs⸗ Maßregeln.
Sterblich keits, und Gesundheitsverhältnifse . 9 . a., 1893.
. Gemäß den Veröffentlichungen des Kaiserlichen Gesundheitsamts si
während des Monats Januar von je 1096 Git pe hel . Jahr berechnet, als gestorben gemeldet: in Berlin 18,5, in Brest 24,9, n Wnigsberg 2733, in Köln Ih, 4, in Cassel 16,5, in Magdeburg 20.8, ö Stettin 260, in Altona 288. in Hannover 18,3, in Frankfurt a. M ö 3, in Wies baxen 22,8, in München 21,7, in Nürnberg 21,5, in ö. ugẽ burg 2ö,b, in Dresden 23,4, in Leipzig 15, l,, in Stuttgart 19,4, 9 darssruhe 69, in Braunschweig 170, in Hamburg 18,9, in 3 . 260. in Metz 2l,0. in. Amsterdam 26,8, in Brüssel 290, in 3 ä,, in Christianig 237, in Dublin 314, in Edinburg 3. in Glasgow 28.2, in Kopenhagen 20,7, in Krakau 33,7, in ö erpool 305, in London 27,0. in Lyon 276, in Odessa 21,9, in ,, in St. Petersbur 3142, in Prag 27,2, in Rom (Dezember) 2 ,, 213 in Triest 37, i, in Turin (Dejember) 24.6, . ig 28,2, in Warschau 32,7“, in Wien 22,l, in New-Vork 56 Kür die nichtdentschen Stähte ist bie Zeit vonn Wochen, vom bis 28. Januar, zusammengefaßt worden.)
Berlin, Dienstag, den 14. März
Der Gesundheitsstand im Monat Januar war in der überwiegenden Mehrzahl der größeren deutschen wie nichtdeutschen Städte kein so gün stiger wie im Vormonat und auch die Sterblich⸗ feit hat sowohl im allgemeinen, wie besonders in den deutschen Orten im Vergleich zum Vormonat zugenommen. Die Zahl der deutschen Orte mit sehr geringer Sterblichkeit, in denen die Sterblich— keitsziffer noch nicht die Höhe von 15,9 pro Mille und Jahr erreichte, ging auf 8 (von 13 des Vormonats) herab, und zwar erfreuten fich Lichtenberg und Schöneberg (Vororte bei Berlin), Forst i. L. Meißen, Gmünd, Schwerin i. M, Apolda und Bremerhaven einer solch niedrigen Sterblichkeit. Die Zahl der deutfchen Orte mit hoher Sterblichkeit (über 35,0 pro Mille und Jahr) blieb Die leiche (4) wie im Dezember, und zwar waren dies Liegnitz, 33 hausen, Soest und Erlangen. Das Sterblichkeitsmaximum, das im Vormonat 475 betrug, ward im Januar mit 42,3 (Erlangen) erreicht. In 49 deutschen Orten (gegen 83 im Vormonat) war die Sterblich— keit eine günstige (bis 205 pr. M. u. J.) und erwähnen wir aus der Zahl derselben hier nur Barmen, Bersin, Bromberg, Charlottenburg, Erfurt, Frankfurt . M., Leipzig, Zwickau, Cannstatt, Stuttgart, Ulm, . Karls ruhe, Offenbach, Eisenach, Oldenburg, Braunschweig, Altenburg. Bernburg, Dessau, Greiz, Lübeck, Bremen, Hamburg. In 8 deutschen Orten (gegen 47 im Dejember) war die Sterbkichkeit eine mößig hohe (etwas über 20.0 vr. M.) und seien aus der Zahl der— selben Aachen, Allenstein. Rirdorf, Weißen see, Bockenheim, Brandenburg, Danzig, Dortmund, Düsseldorf, Elberfeld, M.⸗Gladbach Guben, Halber⸗ stadt, Hildesheim, Kiel, Krefeld, Magdeburg. Osnabrück, Potsdam, Schles⸗ wig, Wandsbek, Wiesbaden, Bamberg, Ingolstadt, München, Nürn— berg. Würzburg, Plauen, Zittau, Crimmstschau, Eßlingen, Mannheim, Konstanz, Darmstadt, Mainz, Wismar, Weimar, Colmar, Metz und von nichtdeutschen Städten: Amsterdam, Kopenhagen, Odessa, Stock⸗ holm, Wien genannt. — Die Betheiligung des Säuglings⸗ alters an der Gejammtsterblichkeit war eine. niedrige; von' je 19 600 Lebenden starben, aufs Jahr berechnet, in Stuttgart 45, in Berlin 30, in Dresden 58, in Hamburg ö, in München 78 Säug⸗ linge. Diese geringe Betheiligung des Säuglingsalters wurde ver⸗ anlaßt durch das allgemein seltenere Auftreten von acuten Barm—⸗ krankheiten unter den kleinen Kindern, die fast allerorten weniger, nur in Altona, Köln, Liegnitz, Dresden, Plauen, Amsterdam, Warschau, Wien, New⸗York mehr Opfer als im Vormonat forderten. — Dagegen kamen wohl meist infolge der anhaltend niedrigen Temperatur der Luft, die in ganz Europg herrschte, acute Enkzü ndungen der Athmungsorgane fast allgemein in erheblich größerer Zahl als im Vormonat zum Vorschein und veranlaßten in fast allen größeren Orten, besonders in Altona. Barmen, Berlin, Breslau. Danzig, Düsseldorf, Elberfeld, Essen, Frankfurt a. M., Görlitz, Halle, Hannover, Kiel, Köln, Königeberg, Krefeld, diegniß Augsburg, Fürth, München, Nürnberg, Dres den, Leipzig, Stuttgart, Braunschweig, Bremen, Rostock, Metz, Straßburg, Amsterdam, Budapest, Brüssel, Christiania, Kopen hagen, London, Lyon, Paris,. St. Petersburg, Prag, Rom, Stockholm, Triest, Venedig. Warschau, New⸗York u. a. inehr Todesfälle als im De— zember, nur in Dortmund, Magdeburg, Karlsruhe, Cassel, Hamburg, Wies⸗ baden, Wien wurde die Zahl derfelben eine etwas kleinere. Auch Grippe zeigte sich häufiger und wurde in Berlin, Braunschweig, Charlottenburg. Dresden, Frankfurt a. O., Nürnberg, Kopenhagen, London, Stockholm, Budapest, New-⸗Nork auch in mehr oder minder vereinzelten Fällen Todesursache, nur in Kopenhagen stieg die Zahl der Todesfälle auf 9, in London auf 52, in Berlin auf 7. Lungen⸗ schwindsucht führte gleichfalls häufiger als im Dezember zum Tode. . Bezüglich der Cholera kamen während des Monats Januar im Deutschen Reich wieder mehr Cholerafälle zur Feststellung als im Dezember; und zwar hat sich in der Irrenanstalt zu Niet leben im Saalkreise (Regierungsbezirk Merseburg) eine umfangreiche Epidemie entwickelt, infolge welcher vom 14. Januar bis 4. Februar 118 Erkrankungen mit 48 Todesfällen vorkamen. Auch nach einigen in der Nähe der Anstalt gelegenen Ortschaften wurde die Seuche berschleppt und zwar nach Trotha (5 Erkrankungen, J Todesfall), Morl (1 Erkrankung), Wettin (1 Erkrankung und“ ] Todes fall), Kröllwitz (4 Erkrankungen, 1 Todesfall), Letkin (ö Erkrankungen, l Todesfall). Weitere Orte sind nicht inficirt worden. In Altona ereigneten sich in derselben Zeit 25 Erkrankungen mit 16 Todesfällen; in Schulau (2 Erkrankungen, 2 Todesfälle), in Elmshorn (l Erkrankung, Todesfall) in Quikborn und Neuhoff je eine Frkrankung. (Es sind dies sämmtlich Orte im Regierungsbezirk Schleswig. Aus Schwerin i. M. 'am eine Erkrankung und ein Todesfall, auß Ham bur g 28 Erkran⸗ kungen mit fünf Todesfällen zur Anzeige. In Oesterretich-Un garn zeigten sich in Galizien in verschiedenen an der russisch Polnischen Grenze gelegenen Bezirken noch immer mehrfach Cholerafälle. In Budapest, wo Ende Dezember nur noch vereinzelte Erkrankungen vorkamen, fand seit Mitte Januar wieder eine Steigerung der Er— krankungen statt. Vom 1. Januar bis 3. Februar kamen 45 Er— krankungen mit 24 Todesfällen zur Feststellung. In Frankreich kamen gegen Mitte Januar in Briee (Departement Finistére) und in Dünkirchen, seit Anfang Februar auch in Marseille, eine größere Zahl von Cholerafällen zur Kenntniß. In den Niederlanden zeigte sich die Cholera im Januar nur noch vereinzelt. In Ruß⸗ land hat die Epidemie ziemlich allgemein abgenommen. In Mos kau sind seit Mitte Januar Cholerafälle nicht mehr beobachtet worden. Aus Warschau, den Gouvernements Plock, Batum, Poti und Nowo— rosysk wurden von Mitte Januar nur noch vereinzelte Fälle berichtet. Aus dem an der österreichisch. galizischen Grenze gelegenen, am Flusse Zbrucz gelegenen russischen Gebiete, befonders aus den russischen Ge⸗ meinden Hysiatyn, Bondarewka und Rufsisch Siekierezynce, sowie aus den Orten. Zwaniec und Kamanies podolski. wurden neuerdings wieder Choleraausbrüche gemeldet. In Kleinasien zeigte sich die Epidemie noch immer in der Stadt Trapezunt, in Platana und in Djevizlick in beschränkter Ausdehnung. In Persien kamen in den Drien Soulsch Bulak, Tebriz, Zendjan, Khoremabad, Nehavend, Melayir, Saveh, Telarmi, Schiraz, Bender Abbas noch immer zahl⸗ reiche Cholerafälle zur Feststellung, wenn auch die Zahl derselben er— heblich kleiner als im Dezember ist. In Arabien sind im Lager von Kamgran vom 18. bis 25. Januar 10 Erkrankungen und 8 Todes fälle an Cholera beobachtet worden.
Von den anderen Infectionskrankheiten wiesen Masern, Scharlach, Keuchhusten und in nichtdeutschen Städten auch Pocken eine Steige⸗ rung, Diphtherie und Unterleibetzyphus eine Abnahme der Todesfälle gu So waren Todesfalle an Mafern in Görlitz, Inowrazlaw, Amsterdam, Brüssel, Glasgow, Paris, Wien zahlreicher, in Berlin, Kdinburg, Liverpool, New Jork seltener, während“ fie in Köin, London. Warschau fast die gleich große wie im Dezember blieb. Erkrankungen an Masern kamen aus Brezlau, Wien, Edin— burg, Kopenhagen, den Regierun obezirken Arnsberg, Düsseldorf, Erfurt, Dildesheim, Minden, Pofen, Schleswig, Wiesbaden und dem Fürstenthum Schaumburg-Lippe in großer Zahl zur eic — Das Scharlachfieber hat in Bresfau— Reichen bach, Bukarest, Liverpool, London, St. Petersburg, New-Pork mehr, in Gera, Hamburg, Glasgow, Odessa, Warschau, Wien weniger Opfer gefordert, während in Berlin, Königsberg, Stockholm die Jahl der⸗ selben die gleich große wie im Vormonat blicb. — Die Sterblichkeit n Diphtherie und Ergeup war in Bielefeld, Clberfeid. Gelsen. lirchen, Hannover, Kiel, Kottbus, Linden, Magdeburg, Meiderich, Schneidemühl Pirmasenz, Gießen, Sträßburg'i. Elf. Vndapest, Christiania, Paris, Stockholm, New⸗JYor n im Dezember in Rom, Mailand, Brooklyn, Boston, Buenos, Ayres eine größere, in
Berlin, Breslau, Duisburg, Frankfurt a. M., Köln, Malstatt˖ Burbach, Mülheim a. Rh., Dönabrück, München, Nürnberg, Chemnitz, Dresden, Leipzig, Stuttgart. Hamburg, Glasgow, Kopenhagen, London, Lyon, Prag Triest, Wien eine kleinere, in Danzig, Dortmund, Erfurt, Essen, Köͤnigs⸗ berg, Nemscheid, Stettin, Stolp, Hof. Mainz, Braunschweig, Amsterdam, Warschau die gleich große wie im Vormonat.! — Das Vorkommen von Unterleibstyph us blieb in Berlin, Breslau, München, Wien Prag, London, Paris, St. Peters burg, Warschau, NewYork ein be? schränktes. An Flecktyp hus kamen aus Cherson und St. Peters⸗ burg je 1, aus Krakau 2, aus Warschau 5, aus New⸗York 56 Todes- fälle, aus dem Regierungsbezirk Marienwerder sowie aus St. Peters⸗ burg einige Erkrankungen zur Anzeige. — Todesfälle an Genick st arge wurden aus NewYork in größerer Zahl (29) mitgetheilt; aus Nürnberg, Kopenhagen sowie aus dem Regierungsbezirk Arnsberg wurden vereinzelte Erkrankungen gemeldet. — Dem! Keuch husten erlagen in Berlin, Glasgow, London, Paris mehr, in Köln und Wien weniger Kinder als im Bezember. Todesfälle an Pocken gelangten aus Wien, Liverpool. Alexandrien und Brooklyn in vereinzelten Fallen zum Bericht. Aus New⸗Nork und Buenos-Ayres (Dejember) werden je 2, aus Glasgew und London je 3, aus Cherson 4, aus Lemberg 5 aus Paris und St. Petersburg je 6, aus Moskau 7, aus Odessa 16 aus Triest 11, aus Manchester 14, aus Krakau 16, aus Venedig 25, aus Prag 32, aus Warschau 53 Todesfälle mitgetheilt. Erkrankungen an Pocken gelangten aus Hamburg, Leipzig, dem Regierungsbezirk Königsberg in vereinzelten, aus Berlin in 3, aus dem! Regierungs⸗ bezirk Marienwerder in z, aus Wien in 8, aus St. Petersburg in 50 aus Prag in 39 Fällen zur Meldung. ; ;
R Nor fi . Spanien. * 128
Laut Verfügung des Königlich spanischen Ministers des Innern dom 28. Februar 1893 sollen die Provenienzen aus Buenos Tires seweit sie nach dem 12. Januar d. J. abgegangen sind und nach dem 28. Februar in spanische Häfen einlaufen, drei Tage lang sanitätz⸗ polizeilich beobachtet werden.
. Portugal. Durch eine, im „Diario do Governo“ vom 8. März 1893 ver⸗ öffentlichte Verfügung des Königlich portugiesischen Ministeriums des nnen sind die französischen Häfen Lorient, Dünkirchen, Boulogne und T oulon, welche bisher als von Cholera verseucht· angesehen wurden, derselben 1 „verdächtig“ erklärt worden. Brasil ien. G Nach einer im „Diario Offieial! vom 17. Februar 1893 ver⸗ öffentlichten Verfügung des Ministeriums des Innern vom 13. des- selben Monats sind die seit dem 1. Februar aus Marseille abge⸗ gangenen Schiffe bei ihrer Ankunft in Brasilien wiederum der sanitären Behandlung auf der Ilha Grande unterworfen. . Au stralien.
Zufolge eines Beschlusses der Gesundheitsbehörde in Victoria vom 29. Januar 1893 werden dort ankommende Hamburger Schiffe einer Insperction und nöthigenfalls einer NRãucherung unter⸗ en. welche einen nur kurzen Aufenthalt erfordern. Dabei sollen gehörig beglaubigte Bescheinigungen Über vorher erfolgte Desinfection in Betracht gezogen werden. .
Ferner sind durch Beschluß der Gesundheitsbehörde zu Sydney Lom 1. Februar 1895 die besonderen mit Bezug auf Schiffe aus Hamburg und Bremen erlaffenen Quarantaͤne Maßnahmen auf⸗ gehoben worden. . —
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Handel und Gewerbe.
Tägliche Wagen gestellung für Kohlen und Koks . . Ruhr und in Oberschlefien.
An der Ruhr sind am 13. d. M. gestellt 10 556, nicht rechtzeiti gestellt keine Wagen. . . In Qberschlesien sind am 11. d. M gestellt 2301, nicht In Obers . c d. M. ges 2301, nicht recht⸗ zeitig gestellt keine Wagen. .
ö Zwangs- Versteigerungen. Beim Königlichen Amtsgericht 1 Berlin standen am z März die nachbezeichneten Grundstücke zur Versteigerung: Ecke A nt on straße und Maxstraße 25, dem Malermeister F. Soeft gehörig; Fläche S3 a; Mindestgebot 160 300 S6; für das Meist⸗ gebot von 195 000 ½ι wurde der Kaufmann Ad. Stargardt zu
Berlin Ersteher. — Kottbuser Damm 3 und Schönlein⸗
straße 34, dem Maurermeister Emi Lohse gehörig; Fläche 9,89 a; Mindestgebot 319 000 ge; für das Meistgebot don 16 2 wurde Dder Kaufmann Siegfried Cohn zu Berlin Ersteber. — Wein straße 7 zum Nachlaß der Frau F. D. E. Katsch gehörig; Nutzungswerth 6660 ; Mindestgebot 46 550 6; für das Mein gebot von 140 9000 S wurde die Frau Rentiere Louife NRir? geb. Katsch, Weinstraße 7, Ersteherin. . Beim Königlichen Amtsgericht 1 Berlin standen am elben Tage die im Grundbuche von S chöne berg Band 27. Nr. 1114, 113 und 1111 auf den Namen des Maurermeisters Gu st av S cheidler eingetragenen, zu Schöneberg belegenen Grund. stücke zur Versteigerung; Flache , 47 a, F. 27 a und S, 2 a; fur das Meist· gebot von 86 900 66, 86 500 S und S3 000 6 wurde der Kaufmann Wilhelm Wolff zu Berlin, Behrenstr. 52, Ersteher.
ö Der Aufsichtsrath der Internationalen Bank zu Luxemburg setzte, wie die „Köln. Itg. meldet, die Doidende r das abgelaufene Geschäftsjahr auf 714 Go fest.
. In der Generalversammlung der Deutschen Grundschuld 9 ank vom 13. März d. J. waren 17 Actionäre mit 1 893 000 6 Kapital vertreten. Nach Bekanntgabe des Geschäfteberichts der Direetion und des Berichts der Revisionscommission wurde die mit einem Reingewinn von 343 162 M abschließende Bilanz und die vor⸗ geschlagene Vertheilung einer von heute ab zahlbaren Dividende von ü og — 65 s auf jede Actie genehmigt und dem Aufsichtsrath und der Direction die Entlastung ertheilt. — Bei der statutenmäßigen Ergqänzungswahl des Aufsichtsraths wurden Die ausscheidenden Mit. glieder wiedergewählt. . 8 . Spritgeschäft im Regierungsbezirk Pe sen bat sich in den letzten drei Monaten entschieden günstiger gestaltet. Wenn auch die Ausfuhr, von einigen wenigen Sendungen nach der Schweiz und nach England abgesehen, 6 so war dech der Absatz nach dem Inlande lebhafter, und auch hinsichtlich der für die Reinigung zu er. zielenden Sätze hat sich eine Besserung bemerkbar gemacht. Die Haltung des Zuckergeschäfts war stetig. Die Preise waren nur geringen Schwankungen unterworfen. Der Robzucker ging zum tbeil in die jdenl un göanslalten in Stettin und Danzig, zum tbeil nach England, Schweden und Amerifa. Das Absatzgeblet des gereinigten Zuckers blieb vorwiegend Posen, neben Brandenburg, Vommern und beiden Preußen.
— Die Einnahmen der Warschau- Wiener Gisenbabn be⸗ trugen im Monat Februar 1893 108 266 Rhĩ. mebr als im ent poechen ˖ den 3 Vorjahres.
Das Gewerbeblatt aus Württemberg. berauggeneben von der len r. Centralstelle für Gewerbe und 8644 in S hat in der Nr. 11 des 45. Jahrgangs vom 13 März i8az folgenden Inhalt. Bekanntmachung. Jum Volliug des Seseez dom i 1891 über die Prüfung der Läufe und Verschlüße der d waffen. Bekannt machun betr. die , lingewprüfungen. — Die Lehrlingẽwrüfungen in der Schweiz — Mit.
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